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Empirische Studien zur Didaktik der Mathematik WAXMANN Melanie Beck, Rose Vogel (Hrsg.) Geometrische Aktivitäten und Gespräche von Kindern im Blick qualitativen Forschens Mehrperspektivische Ergebnisse aus den Projekten erStMaL und MaKreKi 32

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Empirische Studien zur Didaktik der Mathematik

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Melanie Beck, Rose Vogel (Hrsg.)

Geometrische Aktivitätenund Gespräche von Kindern

im Blick qualitativenForschens

Mehrperspektivische Ergebnisseaus den Projekten erStMaL

und MaKreKi

32

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Empirische Studien zur Didaktik der Mathematik

herausgegeben von

Aiso Heinze

und Marcus Schütte

Band 32

Wissenschaftlicher Beirat Tommy Dreyfus (Tel Aviv University, Israel)

Uwe Gellert (Freie Universität Berlin) Gabriele Kaiser (Universität Hamburg)

Christine Knipping (Universität Bremen) Konrad Krainer (Universität Klagenfurt, Österreich)

Götz Krummheuer (Universität Frankfurt) Kristina Reiss (Technische Universität München)

Kurt Reusser (Universität Zürich, Schweiz) Heinz Steinbring (Universität Duisburg-Essen)

Editorial

Der Mathematikunterricht steht vor großen Herausforderungen: Neuere empirische Untersuchungen legen (erneut) Defizite und Unzulänglichkeiten offen, deren Analyse und Behebung einer umfassenden empirischen Erforschung bedürfen. Der Erfolg derartiger Bemühungen hängt in umfassender Weise davon ab, inwieweit hierbei auch mathematikdidaktische Theoriebildung stattfindet. In der Reihe „Empirische Studien zur Didaktik der Mathematik“ werden dazu empirische Forschungsarbeiten ver-öffentlicht, die sich durch hohe Standards und internationale Anschlussfähigkeit auszeichnen. Das Spektrum umfasst sowohl grundlagentheoretische Arbeiten, in denen empirisch begründete, theoretische Ansätze zum besseren Verstehen mathematischer Unterrichtsprozesse vorgestellt werden, als auch eher implementative Studien, in denen innovative Ideen zur Gestaltung mathematischer Lehr-Lern-Prozesse erforscht und deren theoretischen Grundlagen dargelegt werden. Alle Manuskripte müssen vor Aufnahme in die Reihe ein Begutachtungsverfahren positiv durchlaufen. Diese konsequente Begutachtung sichert den hohen Qualitätsstandard der Reihe.

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Melanie Beck, Rose Vogel (Hrsg.)

Geometrische Aktivitäten und Gespräche von Kindern im Blick qualitativen Forschens

Mehrperspektivische Ergebnisse

aus den Projekten erStMaL und MaKreKi

Waxmann 2017 Münster / New York

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Die Erstellung dieses Buches wurde gefördert durch die LOEWE-Initiative der Hessischen Landesregierung.

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Empirische Studien zur Didaktik der Mathematik, Band 32

ISSN 1868-1441 Print-ISBN 978-3-8309-3733-3 E-Book-ISBN 978-3-8309-8733-8

Waxmann Verlag GmbH, Münster 2017

www.waxmann.com [email protected]

Umschlaggestaltung: Christian Averbeck, Münster Titelbild: © Melanie Beck/Rose Vogel Druck: CPI Books GmbH, Leck Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier, säurefrei gemäß ISO 9706

Printed in Germany

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, verboten. Kein Teil dieses Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

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Inhalt

Vorwort...............................................................................................................7 Melanie Beck & Rose Vogel Einleitung: Naomi und Olivia in der Maps-Situation Informationen zu den Projekten erStMaL und MaKreKi und dem zu analysierenden Transkript................................................................9 Kerstin Tiedemann Die Handlung als Partnerin der Sprache Zum Zusammenspiel sprachlicher und enaktiver Repräsentation.....................25 Marei Fetzer Auf Objekte bauen Interaktionstheorie auf den Spuren von Objekten..............................................41 Rose Vogel „wenn man da von oben guckt sieht das aus als ob ...“ die ‚Dimensionslücke‘ zwischen zweidimensionaler Darstellung dreidimensionaler Objekte im multimodalen Austausch.............................61 Melanie Huth & Christof Schreiber Semiotische Analyse Mathematische Zeichenprozesse in Gestik und Lautsprache............................77 Birgit Brandt Spiel-Räume der Partizipation Zur situationalen, inhaltsspezifischen Ausgestaltung mathematischer Spiel- und Erkundungssituationen.................107

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Inhalt6

Judith Jung & Marcus Schütte Das Zusammenspiel mathematischer Abstraktionsprozesse und sprachlicher Dekontextualisierungen...................................................133 Ergi Acar Bayraktar The relation between diagrammaticity and the interactional niche in the mathematics learning...........................155 Melanie Beck Perspektivwechsel in mathematisch kreativen Prozessen von Kindern........................................181 Anna-Marietha Vogler Von Rahmungsdifferenzen und Erfahrungsräumen Mathematische Lernprozesse zwischen interaktiver Konstruktion und subjektiver Sinnzuschreibung.............................................201 Anne Fellmann Professionelle Begleitung von mathematischen Lernprozessen Eine Herausforderung an das Wissen und Können von Lehrpersonen............225 Autorinnen und Autoren...................................................................................241

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Vorwort

Götz Krummheuer ist im Ruhestand. Er muss keine Lehrveranstaltungen mehr halten und auch nicht mehr in der Mensa essen. Man mag sich vorstellen, dass er nun häufiger als früher unter dem heimischen Kirschbaum sitzt, das Leben abseits der Wissenschaft genießt und vielleicht manchmal zurückblickt.

Götz Krummheuer begann seine wissenschaftliche Karriere in den 1970er-Jahren als Schüler von Heinrich Bauersfeld am IDM in Bielefeld, wo er 1980 promovierte. Er habilitierte sich dann mit ‚Format‘ und war später Professor in Karlsruhe (1993–1995), in Berlin (1995–2000) und schließlich in Frankfurt am Main (seit 2000). Dieses Konzentrat seines wissenschaftlichen Werdegangs zeigt aber nicht nur Stationen einer Karriere, sondern erinnert die Akteure, Anhänger und Zaungäste der Interpretativen Forschung vor allem an eine große wissenschaftliche Leistung. Denn durch alle Stationen hindurch hat Götz Krummheuer als interpretativer Forscher den Mathematikunterricht der Grund-schule mit Leidenschaft erforscht, dabei bedeutende Begriffe und Theorien entwickelt und die Interpretative Forschung als methodologischen und metho-dischen Zugang entscheidend geprägt.

Und so haben sich für das vorliegende Buch nun Weggefährtinnen und Wegge-fährten sowie (ehemalige) Doktorandinnen und Doktoranden zusammengefun-den, die mit und von Götz Krummheuer gelernt haben und ihm anlässlich sei-nes Wechsels in den Ruhestand auf ihre ganz eigene Weise ein Kompliment machen und ein großes Danke sagen möchten. Wie könnte man das passender tun als mit einem bunten Strauß Wissenschaft? In diesem Sinne haben die He-rausgeberinnen eine Szene aus einem seiner letzten großen Projekte, dem MaKreKi-Projekt zur mathematischen Kreativität, ausgewählt und sie allen Autorinnen und Autoren als Hausaufgabe aufgegeben. Gemeinsamer Analyse-gegenstand ist daher ein Ausschnitt aus einer Spielsituation aus dem Inhaltsbe-reich ‚Raum und Form‘, in der zwei Mädchen daran arbeiten, ein Raumarran-gement aus unterschiedlichen Objekten auf der Grundlage einer Fotografie zu rekonstruieren. Sie übersetzen die zweidimensionale Darstellung in einem ko-operativen Bauprozess in eine dreidimensionale Darstellung. Diesen Vorgang

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Vorwort8

beleuchten die Autorinnen und Autoren dieses Buches aus unterschiedlichen theoretischen Perspektiven und mit unterschiedlichen Fragestellungen. So ent-steht ein bunter Strauß, dessen Blumen eines gemeinsam haben: Sie haben einen Bezug zu Götz Krummheuer.

Die zwei Buchdeckel, zwischen die wir all unsere Artikel gelegt haben, sind das Band um unseren Strauß, den wir dir, lieber Götz, gern mit auf deinen wei-teren Weg geben möchten. Auf diese bunte Weise sagen wir dir: Danke für die vielen originellen Ideen, für deinen hohen Anspruch an qualitativ-interpretatives Forschen und für deine Menschlichkeit, die weit über wissen-schaftliche Belange hinaus eine Bereicherung ist!

Deine Autorinnen und Autoren

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MelanieBeck&RoseVogel

Einleitung:NaomiundOliviainderMaps-SituationInformationenzudenProjektenerStMaLundMaKreKiunddemzuanalysierendenTranskript

Im Zentrum der sich anschließenden Aufsätze steht eine Sequenz aus einer mathematischen Spiel- und Erkundungssituation zum Thema „Maps“, die mit Kindern im Alter zwischen 6 und 8 Jahren im Rahmen des Projekts „Mathema-tische Kreativität bei Kindern“ (MaKreKi) durchgeführt wurde. Aus unter-schiedlichen forschungstheoretischen Perspektiven werden die in der Situation beobachtbaren mathematischen Interaktionsprozesse beleuchtet. Dies erfolgt mittels unterschiedlicher Analyseverfahren, die auf das hier vorgestellte Tran-skript von den verschiedenen Autorinnen und Autoren angewandt werden.

Das Projekt MaKreKi ist am IDeA-Zentrum („Individual Development and Adaptive Education of Children at Risk“), einem interdisziplinären Forschungs-zentrum in Frankfurt/Main angesiedelt. In den insgesamt 24 Projekten werden individuelle Entwicklungsprozesse von Kindern in den ersten zwölf Lebensjah-ren erforscht. Der Projektverbund wurde 2008 im Rahmen der LOEWE-Ini-tiative des Landes Hessen eingerichtet. Gründungspartner sind das Deutsche Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF), die Goethe-Uni-versität Frankfurt/Main sowie das Frankfurter Sigmund-Freud-Institut.

Im longitudinalen Projekt MaKreKi untersuchen Mathematikdidaktikerin-nen und -didaktiker der Goethe-Universität gemeinsam mit Psychoanalytike-rinnen des Sigmund-Freud-Instituts die Entwicklung mathematischer Kreativi-tät bei Kindern vom Kindergarten- bis zum Grundschulalter unter besonderer Berücksichtigung der kindlichen Entwicklung in der Familie. Dazu werden umfassende Einzelfallstudien von Kindern, die in kooperativen Settings an mathematischen Spiel- und Erkundungssituationen (Vogel 2014a, 2013) betei-ligt waren, durchgeführt. Einblicke in die kindliche Entwicklung in der Familie geben das durch spezielle Testverfahren diagnostizierte Bindungsverhalten der Kinder ergänzt durch Erkenntnisse aus halbstandardisierten Elterninterviews. Erste Ergebnisse aus MaKreKi sind bereits veröffentlicht (Münz 2014; Krummheuer et al. 2013; Hümmer et al. 2011). Ein Projektziel ist, durch die

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Rekonstruktion ausgewählter Einzelfälle einen Beitrag zu einer empirisch be-gründeten Theorie zur Genese kindlicher Kreativität zu leisten.

1 StichprobeundempirischeUntersuchungsmethoden

1.1 Stichprobe

Die Stichprobe wurde aus den beiden Großprojekten erStMaL (erste Schritte im Mathematik Lernen) und EVA des IDeA-Zentrums rekrutiert. Im EVA-Projekt werden zwei Frühpräventionsprogramme für Kindertagesstätten evaluiert. Da-ran nehmen 286 Kinder teil, welche zum großen Teil in den sogenannten Brennpunktgebieten Frankfurts aufwachsen. Das erStMaL-Projekt untersucht die mathematische Denkentwicklung in Form einer Längsschnittstudie. Die Stichprobe umfasst 144 Kinder aus insgesamt zwölf Kindertagesstätten aus dem Raum Frankfurt und spiegelt die gesellschaftliche Struktur der Mainme-tropole wider. Die ausgewählten Kindertagesstätten verteilen sich auf verschie-dene Stadtteile Frankfurts mit unterschiedlichem sozioökonomischen Niveau und unterschiedlichen Anteilen an Menschen mit Migrationshintergrund (vgl. Acar Bayraktar et al. 2011). Für das MaKreKi-Projekt wurden die Erzieherin-nen und Erzieher beider Studien in Form eines Fragebogens hinsichtlich (ma-thematisch) kreativer Fähigkeiten und mathematischer Interessen von Kindern in ihrer Einrichtung befragt. Auf Basis dieser Einschätzung konnten insgesamt 40 mathematisch kreative Kinder (16 Kinder aus der EVA und 24 Kinder aus der erStMaL-Studie) für das MaKreKi-Projekt identifiziert werden, 37 Kinder haben tatsächlich am Projekt teilgenommen. Zum ersten Erhebungszeitpunkt waren die Kinder zwischen drei und vier Jahre alt.

1.2 DasUntersuchungsdesigndesMaKreKi-Projekts

Die identifizierten Kinder nahmen halbjährlich über einen Zeitraum von bis zu vier Jahren an zwei mathematischen Spiel- und Erkundungssituationen (Vogel 2014a; 2013) teil, die speziell für die Beobachtung mathematischer Aktivitäten und Diskurse von Kindern im Kindergartenalter in den Projekten erStMaL und MaKreKi konzipiert wurden. Insgesamt gab es sechs solcher Erhebungszeit-punkte (siehe Abb. 1). Die Settings variieren hinsichtlich Gruppengröße: Jedes Kind nimmt einmal an einem Setting mit einer Partnerin bzw. einem Partner

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NaomiundOliviainderMaps-Situation 11

(Tandemsituation) und mit drei Partnerinnen bzw. Partnern (Gruppensituation) teil. Da nicht jede Kindertagesstätte von zwei oder vier als mathematisch krea-tiv diagnostizierte Kindern besucht wird, sind im MaKreKi-Projekt auch Kin-der an den mathematischen Spielsituationen beteiligt, die nicht als kreativ ein-geschätzt wurden, damit die kooperativen Settings realisiert werden können. Abbildung 1 fasst das Erhebungsdesign der MaKreKi-Studie zusammen:

Abb. 1: Das MaKreKi-Untersuchungsdesign (Quelle: eigene Darstellung)

Das Bindungsverhalten der Kinder wurde mit dem gut validierten Geschich-tenergänzungstest Manchester Child Attachment Story Task (MCAST, Green et al. 2000) diagnostiziert. Außerdem wurde mit den Probanden der Intelligenztest HAWIVA III (Ricken et al. 2007) durchgeführt. Dadurch kann ausgeschlossen werden, dass (eventuell) das Verhalten im Puppenspiel während des MCASTs durch eine gravierende Schwäche im kognitiven Bereich bestimmt wird. Er-gänzende psychoanalytische Erkenntnisse über das Kind-Eltern-Verhältnis wurden mittels halbstandardisierten Interviews, die mit den Eltern geführt wur-den, erhoben (Leuzinger-Bohleber 2009).

Ergänzt wurde die Datenerhebung mit dem Kreativitätstest für Vorschul-und Grundschulkinder (KVS-P; Krampen 1996). Dieser allgemeine Kreativi-tätstest erfasst die von Torrance (1974) postulierten Aspekte kreativen Han-delns (ebd., S. 16): Ideenflüssigkeit (quantitativer Ideenreichtum), Originalität (Ungewöhnlichkeit von Ideen und Assoziationen), Ideenflexibilität (qualitativer Aspekt des Ideenreichtums), Elaboration (Grad der Ausbreitung inhaltlicher Ideen) und Imagination (als Vorstellungsfähigkeit zum Einfühlen und Phanta-sieren).

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1.3 Erhebungsinstrument:MathematischeSpiel-undErkundungssituation

Im vorangegangen Kapitel sind die Erhebungsverfahren im MaKreKi-Projekt skizziert und deren zeitlicher Verlauf dargestellt. Die Aufsätze dieses Bandes legen den Fokus ihrer Analysen auf die Interaktionsprozesse, die in einer ma-thematischen Spiel- und Erkundungssituation zwischen den beteiligten Kindern und der betreuenden Person stattfinden. Die anderen Erhebungsinstrumente bleiben unberücksichtigt, weshalb an dieser Stelle nur die mathematischen Spiel- und Erkundungssituationen als Erhebungsinstrument (Vogel 2014a; 2013) kurz beschrieben werden.

Die Spielsituationen, die speziell für die Untersuchung der Entwicklung ma-thematischen Denkens vom Kindergarten- bis zum Grundschulalter in den Pro-jektteams erStMaL und MaKreKi entwickelt wurden, werden von einer beglei-tenden Person aus den Forschungsprojekten durchgeführt. Die mathematischen Spiel- und Erkundungssituationen haben das Ziel, Gelegenheiten für die Kinder zu schaffen, in denen sie ihre (mathematisch) kreativen Potentiale zum Aus-druck bringen können. Dazu werden mit geeigneten Materialien und sparsam platzierten Impulsen spielerische Arrangements in Szene gesetzt, die die Kinder zum mathematischen Handeln und Argumentieren anregen (Acar Bayraktar et al. 2011). Jede Situation hat ihren konzeptionellen Ursprung in einem der fünf mathematischen Inhaltsbereiche (Sarama & Clements 2008). Durch die offene Gestaltung der Spielsituationen sollen situative Exkurse in andere mathemati-sche Bereiche für die beteiligten Akteure ermöglicht werden.

Charakteristische Merkmale der mathematischen Spiel- und Erkundungssi-tuationen sind der mathematische Arbeitsauftrag, das Material-Raum-Arrangement sowie die multimodalen Stimuli der begleitenden Person (vgl. Vogel 2014a, S. 225/226; Vogel 2014b, S. 3). Durch die gezielte Adaption dieser zentralen Elemente können die Erkundungssituationen über die Zeit an das Alter und den Entwicklungsstand der Kinder angepasst und gleichzeitig das mathematische Thema konstant gehalten werden (vgl. Vogel 2014b, S. 3). Diese Anpassung über die Zeit kommt in der Nummerierung der Situationsbe-zeichnungen zum Ausdruck. „Maps03“ bedeutet, dass dies die dritte Anpassung der Maps-Situation ist.

Die Durchführung der mathematischen Situationen wird durch die einheitli-che Struktur der Situationsbeschreibung in Form von „Mathematischen Situati-onspattern“ (vgl. Vogel 2013, S. 214/215; Vogel 2014a, S. 233; Vogel & Wip-permann 2005) unterstützt. Diese strukturierte Beschreibung der Situation ge-

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NaomiundOliviainderMaps-Situation 13

währleistet, dass alle Begleitpersonen in ihrer Vorbereitung und Durchführung der Situation die gleichen Informationen zur Verfügung haben und garantiert dadurch eine Teilstandardisierung der relativ offenen Erhebungssituation. Ne-ben der Beschreibung organisatorischer Aspekte für die Durchführung der Situation werden konkrete Hinweise für die Durchführung selbst gegeben. Hierzu gehören die Beschreibung konkreter Handlungs- und multimodaler Impulse durch die begleitende Person. Aus diesem Impuls-Repertoire kann die begleitende Person situativ Impulse in der konkreten mathematischen Situation auswählen. Die Vorbereitung wird durch eine ausführliche Beschreibung des mathematischen Hintergrunds unterstützt.

2 Maps-SituationundTranskript

An der hier ausgewählten Spiel- und Erkundungssituation „Maps“ zum Erhe-bungszeitpunkt t4 in MaKreKi nehmen die Kinder Naomi (sechs Jahre und elf Monate) und Olivia (acht Jahre und ein Monat) und eine begleitende Person (B) aus dem MaKreKi-Projekt teil. Naomi wurde von ihrer Erzieherin als mathema-tisch kreativ eingeschätzt, da sie besonders großes Interesse an geometrischen Körpern und Figuren sowie an Zahlen habe und sie häufig ungewöhnliche He-rangehensweisen an mathematische Situationen zeige. Naomi besucht zum Erhebungszeitpunkt (seit zwei Monaten) die erste Klasse. Sie ist mit der Erhe-bungssituation vertraut. Ihre Partnerin Olivia ist ebenfalls mit der Erhebungssi-tuation vertraut, da sie bereits zum dritten Erhebungszeitpunkt mit Naomi an einer Spielsituation teilgenommen hat. Sie geht in die dritte Klasse. Obgleich sie von ihrer Erzieherin nicht als mathematisch kreativ eingeschätzt wurde, zeigt sie großes Interesse an den mathematischen Spiel- und Erkundungssitua-tionen.

2.1 DiemathematischeSpiel-undErkundungssituation„Maps03“

In der 03-Variation der Maps-Situation sollen die Kinder aus gegebenen Mate-rialien ein Material-Raum-Arrangement (Bauklötze in verschiedenen Formen, Schnüre, Stäbchen und Ringe1) nachbauen. Als Vorlage dient ihnen eine aus der Vogelperspektive (annähernd der Top-Shot-Perspektive) aufgenommene Fotografie des Arrangements. Die Materialien komplettiert eine Fotografie des 1 Die Materialien sind im Anhang abgebildet, siehe Anhang.

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Frankfurter Hauptbahnhofs aus der Vogelperspektive. Diese Fotografie dient als Motivation zum Einstieg in die Situation.

Für das Nachbauen des Arrangements müssen die Kinder die Objekt-Raum-Konstellation auf dem Foto erkennen und mit den gegebenen Materialien re-konstruieren. Außerdem müssen sie die Vogelperspektive interpretieren und in ein dreidimensionales Modell der Objekt-Raum-Konstellation umsetzen. Der mathematische Gehalt der Situation umfasst somit die Vogelperspektive, die Top-Shot-Perspektive und die Übersetzung zweidimensionaler Informationen in ein dreidimensionales Modell.

Die Top-Shot-Perspektive ist in der Fotografie ein Spezialfall der Vogelper-spektive, bei der das Geschehen von oben eingefangen wird. Der Winkel zur Grundfläche beträgt dabei 90°, so dass bei der Aufnahme eines Menschen von dieser Position aus nur noch Oberkopf und Schultern zu erkennen sind. Ma-thematisch betrachtet ist sie eine Parallelprojektion und gleicht in der darstel-lenden Geometrie der Draufsicht der Zweitafelprojektion. Bei der Zweitafelpro-jektion wird ein Punkt im Raum auf zwei verschiedene Bildebenen senkrecht projiziert. Die beiden Bildebenen stehen senkrecht aufeinander und werden zum Zeichnen um die Rissachse in eine Ebene geklappt. Die so entstandenen Risse, Grundriss und Aufriss, werden dadurch so angeordnet, dass Grundriss P' (Betrachtung von unten oder als Draufsicht von oben) und Aufriss P" eines Raumpunktes P auf einem Ordner senkrecht zur Rissachse liegen. P' kenn-zeichnet den Grundriss und P" den Aufriss des Punktes P (Abb. 2; Leopold 2012).

Abb. 2: Grund und Aufriss eines Punkts (Quelle: Leopold 2012, S. 82)

Mit einer reinen Draufsichtdarstellung kann man grundlegende Merkmale einer geometrischen dreidimensionalen Figur abbilden, aber weitere Details wie die Höhe des Objekts oder die Aufsicht der Figur können nicht visualisiert werden.

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Das bedeutet, dass der Informationsverlust relativ hoch ist bzw. die nachzubau-enden Objekte nicht mehr eindeutig rekonstruierbar sind. So haben z.B. die Brücke und die Holzquader die gleiche Draufsicht und es entstehen mehrere Möglichkeiten für die Darstellung der Körper im dreidimensionalen Raum.

Aus mathematikdidaktischer Perspektive kommen die folgenden Kom-ponenten des räumlichen Vorstellungsvermögens zum Tragen (Franke 2007, S. 57 ff.): – Die räumliche Wahrnehmung: Die Kinder müssen die räumlichen Bezie-

hungen der Objekte in Bezug auf die Perspektive des eigenen Körpers er-fassen.

– Die räumliche Beziehung: Die Kinder erfassen die Gruppierungen von Objekten oder Teilen von ihnen und deren Beziehungen untereinander.

– Die räumliche Orientierung: Die Kinder können die eigene Perspektive und den Standort der eigenen Person innerhalb der Situation berücksichtigen, indem sie sich so positionieren, wie der Fotograf des Raumarrangements.

Die Spielsituation beginnt mit einer gemeinsamen Betrachtung der Fotografie des Frankfurter Hauptbahnhofs (aufgenommen aus der Vogelperspektive). Dabei sollen die abgebildeten Objekte und die Perspektive, aus der das Foto gemacht wurde, thematisiert werden. So werden die Kinder auf die Besonder-heiten des mathematischen Inhalts der Perspektive eingestimmt. Als mögliche Impulse für diese Eingangssituation werden im mathematischen Situationspat-tern folgende vorgeschlagen2: – „Schaut mal, ich habe euch ein Foto mitgebracht. Könnt ihr erkennen, was

da drauf ist?“ – „Woran habt ihr erkannt, dass das eine Stadt, ein Haus, ein Bahnhof etc.

ist?“ – „Aus welcher Sicht/von wo wurde das Foto aufgenommen?“ „Warum?“

Im Anschluss an diese Phase, die nicht zu viel Zeit in Anspruch nehmen soll, leitet die begleitende Person zu den Vorlagen des Raumarrangements und den gegebenen Materialien über: – „Ich habe zuhause auch eine Stadt gebaut und sie dann von oben fotogra-

fiert. Was könnt ihr auf meinem Foto erkennen?“ – „Könnt ihr die Bauwerke von meinem Foto nachbauen?“

2 Die Impulse sind wortgetreu dem mathematischen Situationspattern entnommen.

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– „Schaut euch mal die Bauklötze an. Welche sind denn auf meinem Foto zu sehen?“

Alternativ kann die begleitende Person die Kinder die Perspektive der Vorlage selbst entdecken lassen: – „Was meint ihr aus welcher Sicht wurde mein Foto aufgenommen? Woran

hast du das erkannt?“

Falls die Kinder sehr zurückhaltend sind, kann die begleitende Person anfangen ein Gebäude nachzubauen. Im Verlauf soll sie versuchen, die Kinder beim Bau mit einzubeziehen: – „Wie könnte ich die Straße, das Haus etc. nachbauen?“

Nach der Fertigstellung des Raumarrangements soll ein Vergleich zwischen dem nachgebauten Material-Raum-Arrangement und der Vorlage stattfinden. Mögliche Handlungsimpulse der Begleitperson, die die Kinder zu einem Ver-gleich anregen sollen, sind: – Die Begleitperson nimmt die Vorlage zur Hand und schaut vom Foto zum

Raumarrangement. – Die begleitende Person fährt mit dem Finger markante Stellen im Raumar-

rangement auf dem Foto und auf dem nachgebauten Arrangement nach. – Falls die Kinder statt der Brücke einen Holzquader verbauen, kann die

begleitende Person diesen durch die Brücke ersetzen.

Mögliche lautsprachliche Impulse sind: – „Können wir statt diesem Klotz auch etwas anderes verbauen (das von

oben genauso aussieht)?“ – „Mir fällt ein Unterschied zwischen eurer Stadt und dem Foto auf.“ – Wenn die Kinder nicht alle Elemente verbaut haben: „Seht mal, zwei Holz-

klötze sind übriggeblieben, wo könnt ihr diese noch einbauen?“ oder „Ver-sucht mal alle Teile für den Bau zu verwenden!“

– „Was ist denn auf dem Foto schwierig zu sehen, zu erkennen?“ – „Könnt ihr Stellen auf dem Foto finden, wo es mehrere Möglichkeiten zum

Bauen gibt?“ Wurde eine Vorlage nachgebaut und das Raumarrangement mit der Vorlage verglichen, kann die Gruppe weitere Vorlagen nachbauen (sofern die Kinder noch Interesse und Motivation haben).

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NaomiundOliviainderMaps-Situation 17

2.2 DasTranskriptderausgewähltenSequenzauseinerMaps03-Situation

Das Transkript präsentiert eine Sequenz aus der videografierten mathemati-schen Spielsituation, die sich am Ende des Nachbaus des vorgegebenen Arran-gements (siehe Abb. 3 und Abb. 4) entwickelt. Naomi und Olivia haben nahezu alle ihnen zur Verfügung stehenden Klötze verwendet, lediglich die Holzbrü-cke, ein Holzquader und ein großes sowie ein kleines Dreiecksprisma sind übrig. Nachdem Olivias Fragen wo diese nun hingehören unbeantwortet blie-ben, hat sie beschlossen, dass die gesamte Gruppe mit diesem übrigen Material das Arrangement verschönern könne, indem sie ein zusätzliches Element ein-bauen. Die Brücke wurde als Brücke zusätzlich in die Stadt eingebaut, über die die Menschen nun laufen können. Die Dreiecksprismen dienen als Aufgang und Abgang zur bzw. von der Brücke. Der Holzquader repräsentiert nach Olivia einen Baumstamm neben der Brücke. Die begleitende Person stellt nun eine Frage an beide Mädchen:

Abb. 3: Vorlage 1 der Maps03-Situation (Quelle: eigene Darstellung)

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MelanieBeck&RoseVogel18

Sitzplan

Abb. 4: Sitzplan und Position der Bauklötze aus Perspektive der Kamera (Quel-le: eigene Darstellung).

Transkript

0001 Maps03 Naomi und Olivia 0002 14:26 < B jetzt hab’ ich aber mal ne Frage hält die Vorlage

0003 in der rechten Hand

0004 < Naomi läuft mit den Fingern der rechten Hand

0005 über das Dreiecksprisma und den anschließenden

0006 B-Stein3 huiiiii

0007 B ihr habt ja jetzt gesehen Naomi dass wir die

0008 14:30 Brücke nicht verbaut haben mit dem linken Zeige-

3 B-Stein ist der „Brückenstein“

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NaomiundOliviainderMaps-Situation 19

0009

finger auf den B-Stein zeigend4

0010 wo könnte denn in dem Bild die Brücke verbaut

0011 worden sein/ mit dem linken Zeigefinger eine

0012 Kreisbewegung über der Vorlage machend sie

0013 ist nämlich verbaut worden habt ihr da ne Idee/

0014 Olivia ja ich weiß’ es hier die linke Hand auf den

0015 vor den Zylindern liegenden Holzquadern (Q1)

0016 ablegend, schaut dabei zu B

0017 B aah das könnten wir als Brücke nehmen

0018 Olivia nimmt Q1 in die linke Hand und legt ihn vor sich

0019 ab, linke Hand bleibt an Q1, hebt mit rechts5 Q2 kurz

0020 an6, legt Q1 wieder vor die Zylinder das ist zieht

0021 mit links Q1 ca. 20 cm in ihre Richtung und legt

0022 mit rechts den B-Stein vor die Zylinder7 guck legt

0023 B-Stein mit rechts vor sich und legt mit links Q1 0024 14:45 vor die Zylinder, dort wo vorher der B-Stein lag

0025 die haben das bestimmt schaut auf die Vorlage

0026 B ja ok legs doch mal als Brücke hin legt den

0027 Holzquader beiseite

0028 Olivia den B-Stein in der rechten Hand haltend warte ich

0029 ich wills noch kurz sehen schaut auf den B-Stein

0030 > Naomi führt Olivias rechte Hand mit dem B-Stein neben 4 Olivia blickt währendessen von oben (Top-Shot-Perspektive) auf den Brücken-

stein 5 rechte Hand 6 und stellt ihn wieder ab, Q2 ist ein weiterer Holzquader 7 dort wo vorher Q1 stand

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0031 die Zylinder

0032 > B legs doch mal hin ja gucks dir nochmal genau an

0033 hält die Vorlage in Richtung Olivia und Naomi 0034 Naomi schaut auf die Vorlage und anschließend von oben 0035 auf den B-Stein, indem sie sich aufrichtet hey ja

0036 guck auf den B-Stein zeigend das ist das sieht

0037 wenn man da von oben guckt sieht das aus als ob

0038 15:00 das dieses Block hier wär mit dem Finger auf den

0039 Holzquader zeigend

0040 B genau man kann das nämlich gar nicht genau sagen

0041 # ist es jetzt das auf den B-Stein zeigend oder das

0042 auf den Holzquader zeigend

0043 # Naomi weil wenn man so guckt sieht man das Loch setzt

0044 sich ein Stück nach hinten, so dass sie seitlich

0045 auf den B-Stein blickt aber wenn man so guckt

0046 sieht man nicht das Loch rutscht an den B-Stein

0047 heran, richtet sich auf und blickt von oben auf

0048 den B-Stein

0049 B mhm und habt ihr jetzt noch ne Idee wie man auch

0050 noch die beiden stellt die beiden Holzquader

0051 senkrecht auf, so dass sie auf der quadratischen

0052 Grundfläche stehen (Z-Seite) an der Brücke ver-

0053 15:15 bauen kann so dass das aussieht wie hier/ auf den

0054 B-Stein auf der Vorlage zeigend

0055 Olivia nimmt die beiden Holzquader und legt sie waage-

0056 recht auf den B-Stein, so dass sie mit einer der

0057 rechteckigen Seitenfläche (X-Fläche) auf dem

0058 B-Stein aufliegen schaut B an

0059 B genau

Transkriptionslegende

Spalte 1 Zeilennummerierung Spalte 2 Zeit Spalte 3 Sprecherwechsel (< die Sprecher reden teilweise

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NaomiundOliviainderMaps-Situation 21

gleichzeitig; > der Wechsel der Pfeilrichtung zeigt einen neuen, unmittelbar anschließenden Block an) # Es entsteht keine Sprechpause, der zweite Sprecher fällt dem ersten ins Wort.

Spalte 4 Namenskürzel Spalte 5 Verbale und nonverbale Äußerungen / Stimmhebung - Stimme bleibt in der Schwebe \ Stimmsenkung , Atemholen . .. ... Sprechpausen (1, 2 bzw. 3 Sekunden lang) (4 sec.) Sprechpause mit Angabe der Dauer kursiv Nonverbale Äußerungen bzw. Handlungen Fett Besonders betont gesprochenes Wort g e s p e r r t Langsam und gedehnt gesprochenes Wort (Wort) Nicht zweifelsfrei verstehbares Wort unverständlich Unverständliche Äußerung + Ende einer bestimmten angegebenen Sprechwei-

se

Je vier (bzw. zwei) gegenüberliegende Flächen des Holzquaders als X- bzw. Z-Seite bezeichnet.

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MelanieBeck&RoseVogel22

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NaomiundOliviainderMaps-Situation 23

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Anhang

Abb. 6: Bauklötze und Materialien (Quelle: eigene Darstellung)

Abb. 5: Vorlagen und Auflösungen (Quelle: eigene Darstellung)

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KerstinTiedemann

DieHandlungalsPartnerinderSpracheZumZusammenspielsprachlicherundenaktiverRepräsentation

1 Einleitung

Inzwischen ist es kaum mehr strittig, dass die Beherrschung der Unterrichts-sprache eine zentrale Bedingung für das Lernen von Mathematik ist. Prediger, Wilhelm, Büchter, Gürsoy und Benholz (2015) zeigen anhand von schriftlichen Prüfungen am Ende der Sekundarstufe I, dass die Beherrschung der Unter-richtssprache Deutsch in einem stärkeren Zusammenhang mit den Mathema-tikleistungen steht als etwa der sozioökonomische Status der Familie oder ein Migrationshintergrund. In ihrer Erklärung der Ergebnisse verweisen die Auto-ren auf die notwendige Textrezeption und -produktion in schriftlichen Prüfun-gen (vgl. ebd., S. 99). Heinze, Herwartz-Emden, Braun und Reiss (2011) brin-gen ähnliche Ergebnisse für den Primarbereich zur Geltung, wenn sie zeigen, dass die Gruppe der Lernenden mit Migrationshintergrund schwächere Mathe-matikleistungen zeigt als jene ohne Migrationshintergrund. Dabei differenzie-ren die Autoren, dass sich die Unterschiede zwischen diesen Gruppen weniger bei kalkülorientierten Aufgaben als vielmehr bei solchen Aufgaben, die ein tiefergehendes Begriffsverständnis erfordern, zeigen (vgl. ebd., S. 28). Auch diese Ergebnisse werden mit differierenden sprachlichen Kompetenzen der Lernenden erklärt.

Anhand dieser Schlaglichter auf den Forschungsstand zum Zusammenhang von Sprache und Mathematiklernen wird es nachvollziehbar, dass Meyer und Prediger (2012) die Sprache als einen Lerngegenstand, ein Lernmedium, aber auch als eine Lernvoraussetzung im Mathematikunterricht beschreiben. Weist man der Sprache eine solche Bedeutung zu, ist es aus mathematikdidaktischer Perspektive wichtig, sie in ihren Möglichkeiten, aber auch in ihrer Abgrenzung von alternativen Ausdrucksmöglichkeiten genau zu verstehen.

In diesem Beitrag soll die Sprache zunächst nach Bruner (1974) als eine Möglichkeit der Wissensdarstellung beschrieben, von anderen Möglichkeiten abgegrenzt und hinsichtlich ihrer Funktionalität untersucht werden (s. Abschnitt

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