Empirische Verhaltensforschung und ökonomische Theorie

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Empirische Verhaltensforschung und iikonomische Theorie

Von

Hans Albert, KSln

Empirische Verhaltensforschung wird im deutschen Sprachbereich seit einiger Zeit als Erg~nzung oder Alternative zu den bisherigen Verfahrensweisen fiir die Erkl~irung wirtschaftlicher Zusammenh~nge diskutiert. Dabei wird nu t selten versucht, das Verh~ltnis dieses Verfahrens zur bisherigen Theoriebitdung in der NationatSkonomie oder sogar zur Theoriebildung iiberhaupt genauer zu analysieren. Es ist daher zu begriiBen, dal] wir in der vorliegenden Arbeit 1 einen Versuch zur Kenntnis nehmen diirfen, eine solche Analyse auf Grund kon- kreter Forschungsergebnisse durchzufiihren. Vielleieht ist as angebracht, einer Auseinandersetzung mit dem Resultat dieser Analyse einige allgemeine Gesichts- punkte voranzuschicken, die zur Orientierung geeignet erscheinen.

I.

In die prinzipiellen Aspekte der Frage des Zusammenhangs von Theorie und empirischer Forschung diirften die ErSrterungen der letzten drei Jahr- zehnte einige Klarheit gebracht haben. Es hat sich in ihnen herausgestellt, dai] der empirischen Forschung in den theoretischen Wissenschaften vor allem eine kontroltierende Funktion zugesprochen werden kann. Sie ist also im wesentIichen als eines der wiehtigsten Mittel aufzufassen, theoretische Konzeptionen einer kritischen Nachpriifung zu unterziehen, um auf Grund der Ergebnisse dieser Prfifung Gesichtspunkte fiir die eventuell notwendige Rekonstruktion und Revi- sion dieser Theorien zu gewinnen oder auch die relative Bew~hrung rivalisieren- der theoretischer Ans~itze festzustellen 2. Weder Apriorismus noch Induktivismus, weder die cartesische Idee einer tatsachenimmunen rationalen Konstruktion unseres Wissens noch die baconische Idee seines induktiven Aufbaus yon der reinen Beobachtung her hat sich im Bereich der Realwissenschaften als haltbar

1 H. W S l k e r : Die Bedeutung der empirischen Verhaltensforschung fiir die 5konomische Theorie. Eine Studie an Hand empirischer Untersuchungen. 228 S. Schriften zur wirtschaftswissenschaftlichen Forschung, Band 10. Meisen- helm am Gtan: Verlag Anton Hain KG. 1961. Brosch. DM 22,50.

Siehe dazu vor allem K. R. P o p p e r : Logik der Forschung. ~Vien: 1935, engl. Ausgabe: The Logic of Scientific Discovery. London: 1959. Die yon Josef A. S c h u m p e t e r in: Wissenschaft und Ideologie (engI. Originaltext in: Ameri- can Economic Review, Vol. X ~ I X , I949, deutsche Fassung in: Hamburger Jahrbuch fiir Wirtschafts- und Gesellschaftspotitik, 3 [1958], S. 11 ft.) skizzierte Auffassung, die das Zusammenspiel von ,,Vision" und ,,Kontrolle" betont, diirfte der yon Pop p e r entwickelten Auffassung nahe kommen.

Zeitschr. f. National6konomie, XXIII. Bd., Heft 1-2 14

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erwiesen. Der Fortschritt der Wissenschaft vollzieht sich zwar in quasi-induk- river Richtung, aber er bedaff nicht der Induktion. Andererseits w~re es mfiBig, die Bedeutung der theoretischen Phantasie 3 ffir die wissensc~haftliche Entwick- lung ableugnen zu wollen, wobei allerdings zu betonen ist, dab deren Produkte sich bei der Deutung des realen Geschehens zu bew~hren haben. Die realwissen- schaftliche Forschung vollzieht sieh im dauernden Wechselspiel yon theoretischem Entwurf und kritischer Nachpriifung, yon Vermutung und Widerlegung, yon Vision, Kontrolle an Hand der Tatsachen und Revision 4. Auf die theoretischen Sozialwissenschaften angewendet bedeutet das, dab wir keinen Antal] haben, uns ffir eine der beiden Parteien der ersten Methodenkontroverse zu entscheiden. Weder die Bildung einer exakten Theorie im M e n g e r s c h e n Sinne, deren Not- wendigkeit eine empirische Priifung fiberflfissig machen wiirde, noch die uner- mfidliche Faktensammlung in der Hoffnung, auf induktivem Wege zu einer brauchbaren Theorie zu gelangen, wie sie bei S c h m o l l e r im Vordergrund stand, miissen wir zum methodischen Ideal erheben. Auch die unter dem Ein- fluB geisteswissenschaftlicher Methodologen entstandene Auffassung, in den Sozialwissenschaften mfisse man wegen der speziellen Beschaffenheit des Objekt- bereiches yon der fiblichen methodiscben Konzeption abweichen, hat sich als unhaltbar erwiesen ~.

Die theoretische NationalSkonomie, auf die sich das WSlkersche Buch be- zieht, ist eine sozialwissenschaftliche Disziplin, die im wesentlichen auf die Er- kl~irung yon Marktvorgiingen und damit zusammenh~ingenden Erscheinungen abzielt und sich daher mit dem Marktverhalten yon Personen und sozialen Ge- bilden befassen muff. Inwieweit die Ergebnisse anderer Wissenschaften bei der L6sung 5konomischer Probleme berficksichtigt werden mfissen, l~l]t sich nicht auf Grund yon Oberlegungen fiber Abgrenzungen zwischen Wissenschaften und ihren Objektbereichen, sondern nur an Hand der Probleme selbst und der Rele- vanz der Ergebnisse ffir diese Probleme entseheiden. Forschungsergebnisse, die sich auf menschliches Verhalten im sozialen Zusammenhang beziehen und daher am ehesten fiir die LSsung ~konomisdher Probleme relevant werden kSnnten, wird man vor allem ira Bereich der Soziologie und Sozialpsychologie zu suchen haben. Tats~ichlich werden Resu|tate aus diesem Bereich auch zunehmend bei der Behandiung 5konomischer Probleme be:dicksichtigt.

Fragen wir uns nun also, wie der Verfasser des vorliegenden Buches die Rolle der empirischen Verhaltensforschung auffa~t. Da ist zun~chst zu sagen, dab er an vielen Stellen seines Buches explicit eine induktivistische Position

s Man pflegt in diesem Zusammenhang von ,,Intuition" zu spre£hen. Da- gegen ist kaum etwas einzuwenden, wenn sich urn diesen Ausdruck nicht, wie das oft der Fall ist, eine methodische Konzeption kristallisiert, die darauf ab- zielt, Theorien gegen die empirische Kontrolle abzuschirmen.

4 Das angebliche Zusammenspiel yon Induktion und Deduktion, yon dem man in methodologischen ErSrterungen immer wieder hSrt, ist kaum geeignet, die logischen Aspekte der Forschung verst~indlich zu machen. Die Akzentuierung zweier Ableitungsverfahren ist geeignet, die Bedeutung der Theoriebildung und die Notwendigkeit der empirischen Kontrolle zu bagatetlisieren, ganz abgesehen davon, dab das erste der beiden Verf~ren sich als problematisch erwiesen hat.

5 Siehe dazu meine Auseinandersetzung mit der geisteswissenschaftlichen Methodologie in meinem Beitrag: Probleme der Wissenschaftslehre in der Sozial- forschung, in: Ren~ K S n i g : Handbuch der empirischen Sozialforschung. I. Band. Stuttgart: 1961, sowie meinen Aufsatz: Der moderne Methodenstreit und die Grenzen des Methodenpluralismus, in: Jahrbuch fiir Sozialwissenschaft, 13 (1962), S. 143 ft.

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vertritt s. Er ist der Auffassung, dab man v o n d e r Beobachtung des Verhaltens der Wirtschaftssubjekte, yon einem systematischen Sammeln empirisch zu er- kennender Verhaltensweisen ansgehend, eine umfassende Theorie entwickeln kSnne und spricht in diesem Zusammenhang yon der l~ngst bekannten und wissenschaftlich legitimierten Methode der Induktion. An einer Stelle 7 spricht er zwar yon der ,,theoriefeindlichen Auspr~gungsform der deutschen Histori- schen Schule" in einer Weise, die eine kritische Einstellung zu dieser Richtung erkennen 1El3t, aber diese Bemerkung t~t3t sich natiirlich zwanglos mit einer induktivistischen Auffassung vereinbaren, wie man sie anch bei S e h m o I 1 e r finder. Was man gegen diesen Vertreter der historischen Schule einwenden kSnnte, ist ja nieht prinzipielle Theoriefeindlichkeit, sundern eine inKquate methodologische Auffassung induktivistischen Charakters. W 51 k e r erkl~rt ausdriiddich, dab er selbst aus den vorliegenden empirischen Befunden keine neue Theorie entwi&eln, auch nicht mit ihrer Hilfe theoretische S~tze entwurzeln wolles. Dazu sei die Basis, auf die er sich berufen kSune, zu sdimal. Er will sein Material nut dazu verwenden, ,,nach Wegen auszuschauen, die zu einer theoretischen Verarbeitung ffihren kSnnten, und MSglichkeiten anzudeuten". Des alles scheint darauf hinzudeuten, dab er nicht die Absieht hat, seine Resultate zur Kritik bisheriger LSstmgsversuche 5konomischer Probleme zu verwenden. Man mfil3te sich darm fragen, inwiefern die 5konomische Verhaltensfors&ung iiberhaupt flit die bisherige Theoriebildung relevant werden kSnnte. Nun, der Verfasser hKlt sich, man mSchte fast sagen: gliicklicherweise, nicht an diese selbstanferlegte Beschr~inkung, sundern er greift im Lanfe seiner Argumenta- tion doch bisherige Theorien an, weft er seine Ergebnisse offenbar fiir theorie- relevant hKlt. Aul3erdem hat er sogar gewisse eigene theoretische Gesichtspunkte zur Deutung dieser Ergebnisse zur Hand, die eine Alternative andeuten, Ge- sichtspunkte, die keineswegs, wie man bei seiner Betenung der Induktion an- nehmen sollte, dem Material entstammen, sondern die er an des Material heran- bringt, wie es nicht anders zu ervcarten war. Daraus ergeben sich also durchaus brauchbare Ansatzpunkte ftir eine Diskussion. Anch die ontologisd~en Bemer- kungen aprioristischen Charakters, die er dariiber hinaus in seine Analyse ein- flicht, w/iren zu diskutieren.

Die empirischen Untersuchungen, auf die W S l k e r seine Argumentation stfitzt, sind als Analysen eines 5rtlieh eng begrenzten Marktgebietes angelegt 9. Der Verfasser mSchte auf diese Weise das Geschehen anf einem konkreten Teil- markt, einen Spezialfall aus dem allgemeinen Marktgeschehen, in den Griff be- kommen, mit all den sozialen, rt~umlichen und zeitlichen Beziehungen, die ffir einen solchen Teilmarkt konstitutiv sind und die yon der fiblichen Absatz-

6 Siehe dazu W S l k e r , a .a .O. , S. 16ff., 19, 3 6 f f , 43, 205. v a. a. O, S. 134/5 Anm. 110. s a .a .O. , S. 44. 9 Es handelt sich vet allem um eine Untersuchung der Erlanger Stadtrand-

siedlung und erg~nzende Untersuchung in anderen Teilen yon Erlangen, die im Rahmen eines grSl3eren Forschungsvorhabens unter der Leitung von Georg W e i p p e r t veto Verfasser des Buches und anderen Mitarbeitern durchgeffihrt wurden. Das Frageschema der Untersuchung in der Erlanger Stadtrandsiedlung ist im Anhang des Buches abgedruckt. Die zwSlf Fragen des Schemas zielten darauf ab, die Gesch~fte zu bestimmen, in denen die Hausfrauen bestimmte Warenarten kaufen, ihre Griinde ffir diese Wahl der betreffenden Geseh~fte, die Dauer der Beziehung zu diesen Gesch~ften, die Griinde der Abneigung gegen bestimmte Gesch~fte, den ~bergang zu neuen Waren and ~hntiche Tatbest~nde zu eruieren.

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forschung vernachl~ssigt zu werden pflegen. Er weist mit Recht darauf hin, dab die 5konomische Theorie Anspruch auf allgemeine Geltung macht und daher auch auf einen solchen SpezialfalI anwendbar sein muB. Dutch Befragungsge- spr~che wurde der Versuch gemacht, die Einkaufgewohnheiten und Praferenzen der Konsumenten in dem betreffenden Marktbereich festzustellen. Die Erhe- bungsf~lle wurden nach der Methode der systematischen Zufallsauswahl be- stimmt.

Man kSnnte nun mit zwei Fragen an die Resultate seiner Untersuchungen, d.h. an seine empirisehen Forschungsergebnisse und seine Interpretation dieser Ergebnisse herangehen: 1. Inwieweit i~t es dem Verfasser gelungen, die Brauch- barkeit der bisherigen Theorie ffir die Erkl~rung des tats~chlichen Marktge- schehens in Frage zu stelten, oder gar ihre Unbrauehbarkeit zu erweisen? 2. Inwieweit entwickelt er theoretische Gesichtspunkte, die mit seinen und an- deren Forschungsergebnissen mehr harmonieren und daher akzeptabel erschei- nen? Beide Fragen sind ~ullerst schwer zu beantworten.

II.

Die empirischen Untersuchungen des Verfassers beziehen sich, wie ich oben schon erw~ihnt habe, auf Konsumgiiterm~irkte, wobei hauptsKchlich Tatbest~nde analysiert werden, die fiir die Nachfrageseite soleher M~irkte relevant sind. Von der neoklassischen Theorie, die sich heute fast iiberall durchgesetzt hat, kommt also fiir die Fragestellung des Verfassers vet allem die subjektive Wertlehre und die darauf aufbauende Theorie der Konsumnachfrage in Betracht. Von der oben skizzierten methodologischen Auffassung her miiBte man also fragen, in- wieweit die Ergebnisse W S l k e r s mit diesem Teil der neoklassischen Theorie logisch inkompatibel sind, inwieweit sie also auBerhatb des Spielraums dieser Theorie liegen 1°. Tatsiichlich geht W5 l k e r immer wieder auf die neoklassische Theorie in ihren verschiedenen Versionen ein. Er stellt mit Reeht fest, dab yon Verhaltensweisen heute auch innerhalb des theoretischen Denkens immer wieder die Rede ist n. Nun ist mit der Einfiihrung von Verhaltensweisen an sich na- tiirlich noch iiberhaupt nichts gewonnen. Es kommt sehr wesentlich darauf an, wie man sie in das theoretisehe Denken einfiihrt. Es ist n~mlich durchaus mSglich, Verhaltensannahmen in einer Weise einzufiihren, die die Theorie ab- solut gehaltlos macht, so da$ etwa, wie in dem bekannten Buch yon Robert T r i f f i n TM, eine logisch vollstiindige Klassifikation entsteht. Der Ausdruek ,,Verhaltensweisen" seheint leider sehr oft zu suggerieren, das in Frage kom- mende System sei eine empirisch gebaltvolle Theorie. Ida habe den Eindruck, dab der Verfasser bei seiner Analyse verschiedener Versionen der neoklassischen

lo Die empirische Priifung einer Theorie kann als Suche nach mit ihr in- kompatiblen Basis-(Beobachtungs-)Aussagen interpretiert werden. Siehe dazu das o. a. Buch yon Karl P o p p e r . Die logische Inkompatibilit~t einer Aussage (Aussagenmenge) mit einer anderen Aussage (Aussagenmenge) ist mit der Ab- leitbarkeit der Negats der letzteren ~ous der ersteren (oder umgekehrt, da die L-Inkompatibilit~t eine symmetrische Beziehung ist) gleichbedeutend. Logiseh mit einer Theorie inkompatible Basisaussagen besehreiben kontr~re Tatbestiinde, also solche, die auBerhalb ihres Spid|raums liegen.

l l Siehe dazu W S l k e r , a. a. O., S. 19--38 und 167--178. 12 Siehe R. T r i f f i n : Monopolistic Competition and General Equilibrium

Theory. Cambridge: 1949. Andere Systeme leiden an genau der gleichen Schw~che.

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Theorie dieser Erkenatnis zumindest sehr na, hekommt 13. Alterdkugs muB man sic~h seine dementsprechenden Bemerkungen sehr m/ihsam aus einer Ffille yon Aussagen herauspr~parieren, deren Relevanz an die der Frage des Infomations- gehaltes in keiner Weise herankommt. Seine durchaus akzeptable Feststellung, dab die Brauchbarkeit einer Theorie fiir die Erkl~irung der Wirklichkeit ein entscheidendes Kriterium ist 14, verliert er im Laufe der Analyse immer wieder selbst aus den Augen. Aber die eben erSrterte Untersuchung der Rolle der Verhaltensweisen im 5konomischen Denken bildet nur den Auftakt seiner Argu- mentation. Erst im zweiten Teil des Budles wird der umnittelbare Zusamraen- hang mit den Ergebnissen seiner empirischen Forschung hergestellt.

In diesem Teil geht er zml~chst auf den Aspekt der theorctisehen Entwick- lung ein, den man mit einigem Recht den ,,Hinauswurf der Psychologie" aus der subjektiven Wertlehre genannt hat. Dem Ergebnis dieser Entwicklung, der Wahlhandlungslehre, stellt er die Resultate seiner eigenen Untersuchung der Kaufmotive gegeniiber. Seine Untersuchung ergibt eine Vielfalt yon ,,Motiven", wobei die ,,rationaten Preisgrfinde" einen relativ geringen Prozentsatz ausma- chert. Aus seinen Ergebnissen, die im einzelnen erSrtert werden, zieht er die Konsequenz, ,,dab die Nachfrage nach Gfitern in der Wirktichkeit . . . durch die verschiedensten Beziehungen geprggt ist" und dab es ,,theoretisch falsch" ist, ,,eine rationale Haltung aller Marktpartner zu unterstellen und unter dieser Voraussetzung die Preisbildtmg abzuleiten "15. Er weist auf eine ganze Reihe yon Faktoren hin, die seiner Auffassung nach das Verhalten beeinfhssen und daher theoretisch relevant sind.

Gentigt das altes, mn die heutige Form der subjektiven Wertlehre zu wider- legen? Sind die Ergebnisse des Verfassers mit dieser Theorie inkompatibet? Das ist wohl nicht ohne weiteres festzustellen. Was zunEchst die ,,Vietfalt der Motive" angeht, so sehlieBt diese Theorie ja keine spezietlen Motive aus, sondern sie postuliert nur eine allgemeine Struktur des gesamten Prgferenzsystems, das in den Kaufhandlungen zum Ausdruck kommt. Es wird zum Beispiel Transi- tivit~t und Asymmetrie der Priferenzrelation, Transitivit/it und Symmetric der Indifferenzrelation und eine Form der Indifferenzkurven gefordert, die dem Ge- setz der abnehmenden Grenzrate der Substitution entspricht (Konvexit~t). td l kann nieht erkennen, inwiefern irgendein Ergebnis der WSlkerschen Befragung sich so auswerten l~Bt, dab sich damit die Unvereinbarkeit des tats~chliehen KauNerhaltens im untersuchten Bereich mit einer solehen allgemeinen Struktur der Pr~ferenzsysteme zeigen 1Silt. Jedenfalls hat W S l k e r das gar nicht ver- sucht. Es geniigt abet nicht zu zeigen, dab die Kiufer yon Konsumgfitern sieh in irgendeinem Sinne ,,nicht rational" verhalten. Ihr Verhalten mfiBte vielmehr als in einem genau bestimmbaren Slime 16 ,,nicht rational" erwiesen werden, tier auf die oben angegebenen Eigenschaften yon Pr~ferenzsystemen bezogen ist. Gsnz abgesehen davon diirfte auch die Ergrfindung der tatsgcMichen Motivation

is So z. B. wenn er auf S. 27 feststellt, dab T r i f f i n die Verhaltensweise als Kriterium benutzt, sie aber nicht erkl~irend auf die sic bedingenden Um- st~nde zurfickfiihrt. Oder wenn er es auf S. 29 als ungenfigend hinstellt, wenn man auf Verhaltensweisen nur insofern eingeht, als ,,aus einem modellmiiBigen Ansatz ihr formales Vorhandensein oder ihre denknotwendigen Typen" abge- leitet werden.

14 a. a O . , S. 13. 15 a. a. 0 . , S. 64 .

1~ Die Schwierigkeit eines solchen Unterfangens diirfte z.B. aus den ffir dieses Problem relevanten Ausffihrungen von J. R. H i c k s in seinem Buch: A Revision of Demand Theory. Oxford: 1956, hervorgehen.

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durch direkte Befragung nicht unproblematiseh sein. Das gleiche gilt fiir den Versuch des Verfassers, mit Hilfe einer Frage herauszubekommen ,ob der wirk- liche Mensch die Handlungsmaxime des homo oeconomicus (Nutzen- bzw. Ge- winnmaximierung) wenigstens auch a]s Maxime seines eigenen wirtschaftlichen Handelns kennt, selbst wenn er im konkreten Fall meist oder immer davon ab- weicht "l~. Dem Verfasser fiel bei den Antworten auf diese Frage auf, dal3 sie ira allgemeinen nicbt auf Rationalit~it abstetlen Is. Urn diesen Befund nicht vor. schnell zuungunsten rationaler Einste]lung auszudeuten, erSrtert W 51 k e r nun die Frage, ob die Hausfrauen vielleicht, durch die abstrakte Fragestellung ver- wirrt, eine inad~iquate Antwort gegeben h~tten. Gerade der Eindruck, dal3 die Befragten zum ersten Mal fiber das Problem nachzudenken scheinen, wird yon ibm aber nun als ein Beweis daffir gewertet, dal3 ,,bei der MehrzahI der befragten Hausfrauen eine Rationalit~t im engeren Sinne nicht vorliegen kann", da ja ,,Rationalit~it" ,doch nichts anderes als Verstandesm~13igkeit" heil3e lsa. Ich vet- mute, dab ein Vertreter der subjektiven Wertlehre sich nicht unbedingt dutch eine solche Argumentation getroffen fiihlen wird, denn er verwendet das Wort ,,Rationalit~t", wenn iiberhaupt, da~m im allgemeinen nieht einfach als Synonym fiir ,,Verstandesm~iBigkeit" im Wiilkerschen Sinne. Er wiirde auch wohl kaum erwarten, daft die Maxime der Nutzenmaximierung in einer Antwort auf die oben angegebene Frage zum Ausdruck k~ime. Die Folgerung W S l k e r s , ,,dab die Voraussetzung des rationalen Handelns der Marktpartner in dem Sinne, in dem sie die Gleichgewichtsmodelle machen und machen miissen, yon der Empirie her . . . keine Stiitze erhalten kann", wiirde er also wobl auf Grund der bisherigen Argumente kaum akzeptieren miissen. Der entscheidende Punkt seheint mir hier der zu sein, dab W i i l k e r alle mSglichen Dinge als inkompa- tibel mit der Theorie erkl~rt, 0hne eine solche Inkompatibilit~t dutch Konfron- tierung der entsprechenden Aussagen mit den in Frage kommenden Aussagen der Theorie nachzuweisen. Eine dazu vorher zu kl~irende Frage w~ire die, ob die neoklassische Wertlehre in ihrer heutigen Form die Konstruktion mit ihr in- kompatibler Basisaussagen -- also die Konstruktion ,,kontr~rer Fiille" -- iiber- haupt zul~il3t, und wie diese F~lle aussehen wiirden. MSglicherweise wiirde der Verfasser bei einer solchen Untersuchung feststellen kSnnen, daft die grund- legende Schw~che dieser Theorie weniger in ihrer Falschheit als in ihrem Mangel an Informationsgehalt liegt.

III.

Gauz abgesehen yon der Problematik der Vereinbarkeit bisheriger theore- fischer Vorsteltungen mit den Ergebnissen der WSIkerschen Untersuchung lohnt es sich vielleicht, auf die Frage einzugehen, inwieweit W S l k e r alternative theoretische Gesichtspunkte entwickelt. Wir stoi]en bei ihm zun~chst einmal auf eine Auseinandersetzung mit der Frage, inwieweit die Psychologie zmn Aufbau der Wirtschaftstheorie beitragen kann. Seine disbeziiglichen Ausfiihrungen sind

17 Die diesbeziigliche Frage (11) lautet: ,,Manche Frauen machen beim Ein- kauf Fehler, die sie narhher an ihrem Geldbeutel spiiren. Haben Sie solche Fehler schon beobachtet und sich Gedanken dariiber gemacht? Dann sagen Sie mir doeh bitte: was mul3 nach Ihrer Meinung die kluge Hausfrau beim Ein- kaufen der Waren fiir ihren Haushalt beachten, da~ sie so giinstig wie mSglich dabei ,f~hrt '", a. a. O., S. 222.

18 Das heii3t: die Antwort, man solle das relativ Billigste bei guter Quali- t~it kaufen, steht nicht an ausgezeidmeter Stelle.

zsa a.a. 0., S. 68.

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methodologisch nicht sehr befriedigend. Er weist hier z.B. auf die vielberufene und sieherlich heute kaum mehr angezweifelte ,Plastizit~t menschlichen Seins" bin, die er der Auffassung entgegensetzt, die Psychologie sei imstande, der 5ko- nomischen Theorie die gesuchten ,,Verhattenskonstanten" zu liefern 19. Ggbe es solche Konstanten, dann h~itten sie nach seiner Auffassung bei seiner auf einen relativ homogenen Bereich bezogenen Untersuchung am ehesten erkennbar sein miissen 2°. Aber deren Ergebnis ist in dieser Hinsicht entt~iuschend. ,,Die Diffe- renzierungen im Verhalten fiberwiegen in erschreckendem Mal3e". Der Verfasser beruft sich in diesem Zusammenhang auBerdem auf das Zeugnis der modernen Psychologie und weist iiberdies darauf hin, dab eine psychologische Unterbauung wirtschaftstheoretischer Aussagen einen nicht vertretbaren ,,l~bergang zwischen zwei ontologisch zu trennenden Bereiehen" implizieren wiirde.

Was den Verfasser zu der Illusion veranlaflt, die Untersuchung relativ homogener Populationen mfisse eher auf Konstanten fiihren als die in stKrkerem MaBe heterogener Populationen~ ist mir nicht ldar. Zun~ichst einmal ffihren ad- hoe-Untersuehungen dieser Art im allgemeinen fiberhaupt nieht zur Entdeckung von Konstanten. Echte Konstante pflegen hSd~stens in Theorien aufzutreten, die man mit Hilfe empirischer Untersuchungen naehprfifen kSnnte. Eine solche Prii- lung miiBte aber gerade in sehr heterogenen Testmitieus erfolgreich durchfiihr- bar sein, damit sich diese Theorien bewKhren kSnnen. Man k/~me sonst in die Gefahr, die Sitten und Gebr~iuche eines bestimmten Stammes als allgemein- menschliehe Verhaltenskonstanten miBzuverstehen. Was die moderne Psyeholo- gie angeht, so kann sie als theoretische Wissenschaft gar nicht auf die Erfor- schung von GesetzmEl3igkeiten und damit auf Invarianzen verzichten, die mit der ,Plastizitgt des menschlichen Seins" keineswegs inkompatibel sein mfissen 21. Das ,,ontologisehe" Argument der verschiedenen Seinsbereiche ist einer gewissen Schwierigkeit ausgesetzt, die stets fiir solche Argumente charakteristiseh ist. Entweder es setzt ein Apriori-Wissen voraus, das empirisch nicht prfifbar ist. Dann dfirfte es schwer sein, seine Relevanz fiir die realwissenschafttiche For- schung nachzuweisen, ganz abgesehen yon der allgemeinen Problematik dieser Kategorie yon Einsichten. Oder aber es handelt sich tun dogmatisierte realwis- senschaftliche Aussagen. Dann kSnnen sie durch jeden Fortschritt der Forschung genau so iiberholt werden wie alle anderen, nur dab ihre Verfechter st~rkere ltemmungen haben, das zuzugeben. Ich kann daher die Bedeutsamkeit der on- mlogisehen Argumentation des Verfassers nicht erkennen. Die Relevanz der Er- gebnisse psychologischer Forschungen fiir die LSsung 5konomischer Probleme diirfte schwerlich so allgemein vorhersagbar sein. Was heute vorliegende Ergeb- nisse angeht, so l~Bt sich m.E. unschwer zeigen, dab sie fiir gewisse 5kono- misehe Probleme hSehst relevant sind. Sie haben sogar schon zu theoretischen Arbeiten gefiihrt, die fiir die yon W S t k e r behandelte Thematik yon Bedeu- tung sein diirften. Der Einwand des ,,Psychologismus '~ wird nur den schrecken,

19 a. a. O., S. 74. 20 a. a. O., S. 72. 21 Der Verfasser zieht hier auBer A l l p o r t interessanterweise vet aIlem

deutsche Psychologen heran, die der geisteswissenschafttichen Tradition ver-- pflichtet sind. In seinem Literaturverzeichnis finder man nut wenige der mo- dernen Wissenschaftslehre verpflichtete Psychologen, wie z. B. Peter H o f - s t ~ i t t e r . Vertreter solcher Richtungen (z. B. F e s t i n g e r . L a z a r s f e l d , A t k i n s o n , M c C l e l l a n d usw.) haben aber Forschungsergebnisse aufzu- weisen, die ffir die Anwendung zur LSsung 5konomischer Probleme durchaus brauchbar erscheinen.

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der die historisch wandelbaren Abgrenzungen zwischen wissenschaftlichen Diszi- plinen ffir wichtiger h~ilt als die LSsung wissenschaftlicher Probleme.

Was immer die methodologisahen Argumente des Verfassers fiir eine Be- tung haben mSgen, seine positiven ErSrterungen fiber die Beschaffenhoit der wirtsahaftlichen Realitiit ~ enthatten aufler interessanten Details allgemeine Ge- sichtspunkte, in denen sich eine mSgliche Alternative zur neoklassischen Theorie zumindest andeutungsweise zeigt. Das gesc~ieht in der Form, dab der Verfasser an Hand seiner Untersuchungsergebnisse die Relevanz bestimmter yon der neo- klassischen Theorie im aUgemeinen vernachl~ssigter Faktoren aufzuzeigen sucht. Er weist z .B. auf die Bedeutung soziaIer Beziehungen, auf die gruppenm~Bige Gliederung der K~iufer yon Konsumgiitern, auf die Bedeutung der Stammkund- schaft, auf die Rolle der Familientraditiou, auf die Wirksamkeit yon Gewohnheiten bin und auf vieles mehr, was fiir das tats~¢hliche Kaufverhalten yon Bedeutung sein dfirfte. Die Exemplifikation seiner Gesichtspunkte an Hand seiner konkre- ten Untersuchungsergebnisse macht seine Darstellung hier besonders ansehautich und einpriigsam. Er befai3t sich mit l~instellungstypen zu Geschiiftsarten, mit der Einkaufstreue der Kunden, mit dem Charakter des Konkurrenzkampfes zwischen Anbietern verschiedener Vertriebsformen, der in erster Linie um die VergrgBerung der eigenen Anh~ingerschaft zu gehen scheint, kurz mit einer Fiille hSchst interessanter Details, die er mit Hilfe soziologischer und anderer Ge- sichtspunkte zu interpretieren sucht 23.

Dagegen sind die logisch-metohodclogischen Ausfiihrungen, die in diesem Teil des Buches auftauchen, teitweise zi[emlich problematisch, so z.B. manches, was er zum Problem der Marktformen sagt 24, obwohl seine Kritik der Markt- morphologie durchaus interessante Gesichtspunkte enth~ilt. Frappierend ist z. B. seine Zustimmung zu der Schneiderschen These, ,dab ffir den Ablauf des Wirt- schaftsprozesses . . . allein die Verhaltensweise . . . relevant ist", ,,die morpho- logische Struktur" dagegen ,,prim~ir keine Rolle" spielt. Wer den betreffenden Passus des Schneiderschen Buches liest~ wird unschwer feststellen kSnnen, da.I~ es sich bier um eine rein logisch begriindete These handelt, die sich daraus er- kliirt, dab Marktformen und Verhaltensweisen unabh~ingig voneinander definiert zu werden pflegen. Das wfirde aber nichts anderes bedeuten, als daB Aussagen fiber den Zusammenhang von Marktform und Verhaltensweise unter Umst~nden als empirisch nachpriifbare Hypothesen zu gelten h~itten, also Znsammenh~nge betreffen wiirden, fiber die man selbstverstiindlich nicht a priori giiltige Aus- sagen machen kSnnte. Ich habe mich stets vergeblich gefragt, welchen Honig man aus einer derartigen mit Emphase vorgetragenen Feststellung sangen kSnnte.

Das Buch schlieBt mit einem Ausblick ,~dber die MSglichkeiten und den Nutzen einer qualitativen Theorie auf dem Boden der empirischen Verhaltens- forschung", der wieder iiberwiegend methodologisehen Charakter hat. In diesem Absclmitt seines Buches behauptet der Verfasser unter anderem, da~ ,die modernen Modetltheoretiker gar nicht von sich behaupten, Wirklichkeit erkl~ren zu wollen, sondern nur fiir sich in Anspruch nehmen, wirtschafttiche Zusammen- hiinge denkbar machen zu kSnnen"2s. An der Richtigkeit dieser alIgemeinen

22 Sie sind vor allem im II. und IIL Abschnitt des zweiten Teiles zu fin- den, also yon S. 103--198.

33 Ftir manches, was er in diesem Teil seines Buches darsteltt, l~t te er fibrigens ohne weiters empirisch bew~hrte theoretische Konzeptionen aus der sozialpsychologischen Literatur vet allem des angels~chsischen Sprachbereichs heranziehen kSnnen.

24 a .a .O. , S. 167 ff. 25 a .a .O. , S. 20l .

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Behauptung habe ich starke Zweifel. Sie wfirde manehe theoretische Kontroverse unverstgndlich machen. Fiir W5 I ke r ist diese These vor allem die Grundlage fiir seinen Versuch, die richtig verstandenen Modelltheorien als heuristische Hilfsmittel in seine methodische Konzeption einzubauen. Wie viele der Ver- treter der geisteswissenschaftlichen Riehtung mSehte er es mit der Modelltheorie nieht ganz verderben. Er h£1t einen Platz in seinem Denken bereit, wo sie sieh gewissermaBen ansiedeln daft. Die yon ibm selbst angestrebte Theorieart charakterisiert er als ,,qualitative" Theorie. Der Sinn dieses schmiickenden Bei- worts in diesem Zusammenhang ist mir nur insoweit klar geworden, als es sich wohl um einen Gegensatz zur ,,quantitativen" Theorie handeln muB. Auf eine Darstellung der Beziehungen zur sogenannten ,,anschaulichen" Theorie verzichtet der Verfasser zwar ausdrfic!dich, aber seine Andeutungen und die von ihm angefiihrte methodologische Literatur Iegen die Vermutung nahe, dal~ ein gewisser Unterschied nur in der induktivistisehen Komponente seiuer Konzeption zu sehen ist es. Ieh wilI an dieser Stelle nieht noch einmal meine Einw~nde gegen die ,,geisteswissensehaftliche" Methodologie und die seitens der Vertreter dieser Richttmg immer wieder betonte ,Toleranz" dem Modelldenken gegen- tiber explizieren. Allerdings m~ehte ich die Gelegenheit benutzen, um zu betonen, dal] ich die souver£ne Geste, mit der yon Vertretern beider Richtungen Metho- denkontroversen yon vornherein als unfruehtbar deklariert werden, so dab die betreffenden Theoretiker gewissermaBen die MSglichkeit gewinnen, in einem methodisehen Naturschutzpark zn existieren, als ziemlich schwer verst£ndlich bezeichnen mSchte. Das wfirde heiBen, dal] man ein wichtiges Gebiet aus der wissenschaftlichen Diskussion herausnehmen kSnnte und zwar gerade ein Gebiet, dessen Herausnahme aus der Diskussion dazu ffihren kSnnte, dab auch inhatt- fiche Aussagen der sachbezogenen Theorie einem beliebigen Standpunktdenken anheimfallen wiirden. Ich mSchte zugunsten dieser Theoretiker vermuten, dal] sie die Konsequenzen ihrer Toleranz nieht ganz iibersehen haben. Gegen WS1- k e r ist dieser Einwand nicht zu machen. Ich stehe nicht an festzustellen, dab wir bier ein interessantes Buch vor uns haben, interessant aber vor allem wegen seiner detaillierten Schilderungen und der bei ihrer Interpretation ver- wendeten Gesiehtpunkte, weniger wegen seiner Methodologie oder gar seiner - allerdings sehr sp~rlichen -- ontologischen Ausfiihrungen. Wenn auch W ii I k e r s Auseinandersetzung mit dem neoklassisehen Denken zu wiinschen iibrig I~i~t, so wird man doch nieht leugnen, dab seine Gesichtspunkte Beachtung verdienen.

26 Diese Komponente kommt auch in seiner Zusammenfassung auf S. 219 wieder zum Ausdruck. In dieser Zusammenfassung verbindet er eine Akzentu- ierung der Induktion mit der ffir die geisteswissenschaftliche Methodotogie typischen Betonung der ,,Kategorie" oder ,Begriffsbildung" und verkniipft cla~ mit den Anspruch auf Erkl~rungskraft, ohne auf das Problem der dazu not- wendigen Hypothesen einzugehen. Auch vorher steht die Frage der Begriffs- bildung an erster Stelle.