Engel, Löwe, Stier, Adler - Ekihula · Predigt zur Matthäus 17, 1-9 Letzter Sonntag nach...

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Predigt zur Matthäus 17, 1-9Letzter Sonntag nach Epiphanias 2015

Liebe Gemeinde,

Engel, Löwe, Stier, Adler- das sind die Kennzeichen der vier Evangelisten.Am vergangenen Mittwoch haben es unsere Konfirmanden gelernt:Engel, Löwe, Stier, Adler,sie stehen für Matthäus, Markus, Lukas und Johannes.

ELSA – das ist die Eselsbrücke,mit der man sich die vier in der richtigen Reihenfolge merken kann.

Jeder Evangelist hat ein Zeichen,jeder Evangelist hat auch eine Botschaft,jeder erzählt die Jesusgeschichte mit einem eigenen Schwerpunkt,einem eigenen Stil, jeder hat Geschichten, die man nur bei ihm findet.

Johannes ist der Evangelist der ICH-BIN-Worte,sie gibt es nur bei Johannes:Ich bin das Licht der Welt, der gute Hirte, das Brot des Lebens.

Lukas ist der Weihnachts-evangelist,da findet sich die Weihnachtsgeschichte:„Es begab sich aber zu der Zeit...“,wie wir es gehört haben am Heiligen Abend.

Markus ist der älteste Evangelist, das kürzeste Evangelium,dort gibt es die geheimnisvolle Rede vom verborgenen Messias,ständig lesen wir bei Markus,wie Jesus den Jüngern einschärft: „Erzählt von alledem erst etwas,wenn der Menschensohn von den Toten auferstanden ist...“

Und Matthäus schließlich ist der Evangelist mit der Bergpredigt,er hat die Worte aufgeschrieben, die Jesus seinen Jüngern gesagt hatund die sie nie mehr vergessen haben:Seligpreisungen und Feindesliebe.

Jesus ist der zweite Mose, will Matthäus sagen,so wie Mose vom Berg Sinai die Zehn Gebote bringt,so steigt Jesus auf den Berg und sagt:„Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt ist...

ich aber sage euch...“

Je mehr man über die Bibel weiß, desto mehr entdeckt man.Das versuche ich den Konfirmanden zu sagen, jeden Mittwoch.Engel, Löwe, Stier, Adler- wer davon nichts weiß, der sieht es auch nicht.

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In der Burgheimer Kirche drüben zum Beispiel gibt es alte Wandmalereien,Fresken aus dem Mittelalter, da sind auch die Symbole unserer Evangelisten zu finden.Wer diese Symbole Engel, Löwe, Stier, Adler nicht kennt,der sieht sie vielleicht auch gar nicht in der Burgheimer Kirche.

Man sieht nur, was man weiß.

Davon träume ich, dass unsere Konfirmanden später mal irgendwoin einer alten Kirche die Evangelistensymbole sehen und dann wissen,was damit gemeint ist.Aja, damals im Konfirmandenunterricht, da haben wir es doch gelernt:vier Männer erzählen die Jesusgeschichte...

Auf den Predigtzettel habe ich eine besonders schöne Darstellungder Evangelistensymbole aufgedruckt,das ist ein Tympanon, ein Portal einer mächtigen alten Kirche in Schweden, in Lund.Der Dom zu Lund.Ich war noch nie in Lund.

Vielleicht ist das ein Ziel für den Ruhestand ...es muss ja nicht zu Fuß sein.Aber warum vielleicht auch nicht?

In Lund am Eingang in die tausendjährige Kirche findet mandie Evangelistensymbole und in der Mitte das Zeichen für Christus selber:das Gotteslamm mit dem Zeichen des Kreuzes.Man sieht nur, was man weiß.Wer in die Kirche von Lund geht,der weiß schon am Eingang: hier erfährst du etwas vom Gotteslamm,vier Männer erzählen seine Geschichte – Matthäus, Markus, Lukas und Johannes.

Es sind erstaunliche Geschichten, die uns erzählt werden,zum Beispiel heute am Letzten Sonntag nach Epiphanias:

die Verklärung Jesu.Jesus nimmt drei Jünger mit sich, Petrus, Jakobus, Johannes,und geht mit ihnen auf einen hohen Berg.

Merken Sie: da leuchtet beim Evangelisten Matthäus wieder der BERG auf:wie Mose damals in grauer Vorzeit bei den Zehn Geboten,jetzt also Jesus und seine drei engsten Jünger auf dem hohen Berg.

Was ist da wohl geschehen da oben?Keiner von uns war dabei...Was mögen das für Erfahrungen sein,die die engsten Jünger dort oben mit Jesus machen?

Ich hab versucht, es etwas griffig zu formulieren, worum es gehtbei der Verklärung Jesu auf dem hohen Berg, vier Begriffe:

ERSTENS. Der engste Kreis.ZWEITENS. Der hohe Gipfel.DRITTENS. Die kurze Erleuchtung.VIERTENS. Der Abstieg ins Tal.

ERSTENS.Der engste Kreis.

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Warum ist es nur ein enger Kreis, den Jesus mitnimmt auf den Berg Tabor?Warum gehen sie nicht gemeinsam hoch, Jesus, die Zwölf, vielleicht auch nochalle möglichen Leute, ein Familienausflug, eine Bergwanderung wie beim Schwarzwaldverein?

Wir kennen ja eine ähnliche Situation – dort am Abend der Verhaftungim Garten Getsemane, auch dort geht Jesus allein mit den drei Jüngern beiseite.

In besonders dichten Stunden kann man nicht mit allen zusammen sein.In Stunden höchsten Glücks und auch in Stunden großer Traurigkeitkann man nicht alle um sich haben.

Intimität verträgt keine unbegrenzte Öffentlichkeit.Das ist ja das Peinliche, wenn zum Beispiel im Fernsehenmanche Leute ihre ganz persönlichen Probleme vor einem Millionenpublikum ausbreiten.Eigentlich möchten sie nichts anderes als Zuwendung, Aufmerksamkeit,sie wollen wichtig sein,aber was sie kriegen, ist nur Voyeurismus, Zuschauer, Zugucker,keine Anteilnahme.

Mir tun die Leute leid, die man so vorführt.

Es gibt Stunden, da kann man nicht alle um sich haben,Jesus lässt alle zurück im Tal,nur die Drei nimmt er mit sich.Manchmal muss man alles hinter sich lassen.

In der Silvesterpredigt hab ich erzählt, wie ich im vergangenen Jahr malauf den Hünersedel gelaufen bin mit dem weiten Blick über die Berge und die Täler.Abgehoben vom Alltag, manchmal braucht man das.

Höhepunkte, Sternstunden,auf einmal ist man ganz oben, ganz weg …jeder kennt solche Erfahrungen:eine Hoch-zeit,ein berauschendes Konzert,der Augenblick nach einer anstrengenden Prüfung,vielleicht auch ein besonderer Gottesdienstoder eine Gipfelerfahrung, ganz wörtlich, in den Ferien.

Jesus und die drei Jünger auf dem Gipfel.„Und er wurde verklärt vor ihnen,und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne,und seine Kleider wurden weiß wie das Licht.“

Was passiert da?Im griechischen Urtext steht hier ein Wort, das ich auf den Predigtzettel getippt habe,die griechischen Buchstaben, etwas fremd, aber wenn wir uns Mühe geben,dann können wir es doch lesen oder uns zusammenreimen:

„Met-emorphóte“ steht da.

Da steckt ein uns bekanntes Wort drin, nämlich Meta-morphose.Das ist eine Erscheinung aus der Biologie – hochinteressant:wenn aus einer Kaulquappe ein Frosch wirdoder aus einer Raupe ein wunderschöner bunter Schmetterling,dann nennt man das Metamorphose:es verwandelt sich etwas,

es leuchtet etwas auf.

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Was geschieht da mit Jesus auf dem hohen Berg?Eine Gipfelerfahrung für die Jünger, sie sehen Jesus als das Licht der Welt,es geht ihnen ein Licht auf – im wahrsten Sinne des Wortes,sie haben eine Erleuchtung.

Keiner von uns kann sich das vorstellen, wie es gewesen ist.Wir waren ja nicht dabei.Matthäus erzählt: auch die „leuchtenden Vorbilder“ sind da: Mose und Elia,sie stehen für das, was uns heilig ist, will Matthäus sagen:das Gesetz und die Propheten.Unten im Tal wird allerhand Schreckliches auf Jesus warten.Wir kennen ja alle die Geschichte, wie es dann weitergeht mit Jesus.Aber dort oben auf dem Berg haben sie alle leuchtende Augen...

Die Jünger möchten den Augenblick festhalten.Petrus spricht es aus: „Herr, hier ist gut sein! Lass uns doch drei Hütten bauen...“Gipfelerfahrungen möchte man immer festhalten., das ist menschlich.

„So ein Tag, so wunderschön wie heute...“ singt man dann,„So ein Tag, der dürfte nie vergehen...“

Oder – ganz anspruchsvoll, Goethe, Faust, könnte man zitieren:„Werd ich zum Augenblicke sagen: verweile doch, du bist so schön,dann magst du mich in Fesseln schlagen, dann will ich gern zugrunde gehen!“

Aber DRITTENS: die Gipfelerfahrung ist kurz.Und es folgt VIERTENS der Abstieg ins Tal.

Am Ende der Geschichte heißt es:„Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand als Jesus allein.“Das ist unsere Situation.Ein ganz normaler Sonntag in Hugsweier und in Langenwinkel.Das Wetter ist eher trüb heute, nass und regnerisch.Warum kann es nicht immer heiter sein und hell und licht?Unsere Lebenserfahrung ist beides:es gibt lichte Momente und das finstere Tal.Das geht uns nicht anders als den vielen Generationen vor uns.

Aber wir haben etwas erfahren vom Stern, der über unserer Welt aufgeht.

Engel,Löwe, Stier, Adler,vier Männer erzählen uns die Jesusgeschichte,Matthäus, Markus, Lukas und Johannes.Wir wärmen uns an ihren Geschichten, wie man sich wärmt an einemschönen Kaminfeuer, wenn es draußen nass und kalt ist.Und auch, wenn wir nicht alles verstehenund auch wenn wir nicht alles verstanden haben,wir sind auf dem Weg zur Klärung, zu einer letzten Klarheit.

Und im Vertrauen darauf singen wie, was Gerhard Teerstegen gedichtet hat:„DU durchdringest alles, lass dein schönstes Lichte, Herr, berühren mein Gesichte. Wie die zarten Blumen willig sich entfalten und der Sonne stille halten, lass mich so still und froh deine Strahlen fassen und dich wirken lassen.“

Amen.