Engineering, Maschinenbau, Automatisierung Modulbasiertes ... · 2 Konzept des modulbasierten...

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Engineering, Maschinenbau, Automatisierung Modulbasiertes Engineering von Produktionsanlagen * Wissensbasierte Konzeption mit funktionsorientierter Modularisierung M. Weyrich, P. Klein Die Wiederverwendung von Wissen über Komponenten, Baugruppen und Produkte erlaubt ein effizienteres Engineering von Produktions- anlagen. Solches Wissen kann durch die Wiederverwendung mechatro- nischer Module in den Entwicklungsprozess neuer Anlagen eingebracht werden. Das Wissen über vorhandene Systeme ist dazu systematisch zu erfassen und abzubilden. Die Modularisierung bestehender Anlagen und die Konzeption neuer Anlagen wird am Beispiel einer Sonder- maschine dargestellt. 1 Einleitung Das Engineering von Produktionsanlagen wird durch die Verwendung von Baukästen effizienter, da bestehende Lösun- gen nach einer Anpassung an den Produktionsprozess wieder- verwendet werden können. Dabei kann ein Gesamtsystem oder eine Teillösung in Form von Modulen wiederverwendet werden [1, 2]. Der Effizienzgewinn resultiert aus der Wieder- verwendung und Anpassung vorhandener Daten wie zum Beispiel CAD-Entwürfe, Layouts, Dokumentation. Dieses Wis- sen wird bislang nicht systematisch im Engineeringprozess von mechatronischen Produktionsanlagen wiederverwendet, da die vorhandenen Lösungen zu komplex und daher nur Teil- aspekte in existierenden Systemen abgebildet sind. Ein Sys- tem zur disziplinenübergreifenden Unterstützung im Engi- neering mechatronischer Produktionsanlagen existiert ak- tuell noch nicht [1, 3]. Um Wissen durch die Wiederverwen- dung von Modulen zu integrieren, müssen geeignete Module identifiziert und systematisiert werden. Aktuelle Ansätze behandeln meist die Modularisierung, die Systematisierung in Baukästen, beziehungsweise die Analyse der Produktstruktur von zum Beispiel Autos, Industriekränen oder Pumpen [1, 4]. Sie zeichnen sich durch eine Vielzahl an Prof. Dr.-Ing. Michael Weyrich, Dipl.-Wirt.-Ing. Philipp Klein Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung – Universität Siegen Paul-Bonatz-Str. 9–11, D-57068 Siegen Tel. +49 (0)271 / 740-2268, Fax +49 (0)271 / 740-2542 E-Mail: [email protected] Internet: www.uni-siegen.de/fb11/lfa Info * Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen wissenschaftlich begutachteten und freigegebenen Fachaufsatz („Peer-Review“). Varianten und eine vergleichsweise hohe Stückzahl aus [5]. Diese Ansätze ermöglichen es, Produkte durch eine abge- schlossene Auswahl an komplexen und standardisierten Mo- dulen zu konfigurieren. Im Gegensatz zur Konfiguration von Produkten sind die Module bei der Konzeption von Systemen wie zum Beispiel Produktionsanlagen nicht standardisiert. Die Systeme zeichnen sich durch eine niedrige Stückzahl und kun- denspezifische, individuelle Lösungen aus. Die Variantenviel- falt des Maschinenbaus übersteigt die Komplexität des Modul- spektrums bei Produkten [6, 7]. In Bild 1 sind die unter- schiedlichen Anforderungen im Engineering von Produkten und Produktionsanlagen gegenübergestellt. Um die Effizienz im Engineering zu erhöhen, müssen wiederverwendbare Mo- dule in kundenspezifischen Produktionsanlagen identifiziert und in den Engineeringprozess neuer Anlagen integriert werden. Als Konsequenz der Variantenvielfalt durch die kunden- spezifischen Lösungen im Maschinenbau müssen für die Kon- figuration von Produktionsanlagen neue Modularisierungs- ansätze angewendet werden, um wiederverwendbare Module zu identifizieren [8, 9]. Ein übertragbarer Ansatz, der die au- tomatische Kombination von Komponenten zu Produktions- anlagen ermöglicht, ist nicht bekannt [1, 3, 4]. Wichtige Voraussetzung dafür ist die Modularisierung bestehender Produktionsanlagen und die Systematisierung der Module. Die Konfiguration von Produktionsanlagen, basierend auf der Wiederverwendung von Modulen, reduziert das Risiko bei der Angebotserstellung, da bereits Wissen über die Module vorhanden ist [10]. Dieses Vorgehen kann darüber hinaus die Engineeringzeit verkürzen und den Entwickler durch die Inte- gration neuer Lösungen unterstützen. Das Wissen beschränkt sich dabei nicht auf die Produktionsanlage, sondern kann auch die Anlagenperipherie umfassen [11]. Die Wiederverwendung von Modulen muss strategisch in das Engineering der Anlagen integriert werden [12]. Eine Möglichkeit dazu ist die Integration in die bestehende Sys- temlandschaft, zum Beispiel CAD, E-CAD [13]. Zur Kommuni- kation bestehender Systeme untereinander kann ein über- geordnetes Datensystem aufgebaut werden [14]. Eine Alter- native dazu ist der Aufbau neuer, übergreifender Engineering- systeme [3, 15]. Diese können Weiterentwicklungen der be- reits erwähnten Systemlandschaft (zum Beispiel Eplan Engi- neering Center) oder neue Systeme (beispielsweise Mechatro- nic Modeller) sein. 2 Konzept des modulbasierten Engineering Externe und interne Einflüsse führen zu Veränderungen an den Produktionsanlagen. Als Ergebnis dieser Einflüsse müs- sen die bestehenden Anlagenkonzepte verändert beziehungs- weise neue Produktionsanlagen konzipiert werden. Solche Einflüsse können beispielsweise neue Technologien, Markt- gegebenheiten oder neue Produkte sein, die eine Verände- rung im automatisierten Produktionsprozess mit sich bringen. Engineering of module-based production systems The reapplication of knowledge about components, assemblies and products makes engineering of production systems more efficient. Such knowledge can be integrated by the reuse of mechatronic modules into the engineering process of new systems. Knowledge of existing systems has to be systematically identified and stored. The modularization of existing systems and the designing of new systems is shown by the example of a testing machine. Titelthema – Aufsatz wt Werkstattstechnik online Jahrgang 102 (2012) H. 9 Copyright Springer-VDI-Verlag GmbH & Co. KG, Düsseldorf 592

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Engineering, Maschinenbau, Automatisierung

Modulbasiertes Engineering von Produktionsanlagen * Wissensbasierte Konzeption mit funktionsorientierter Modularisierung

M. Weyrich, P. Klein

Die Wiederverwendung von Wissen über Komponenten, Baugruppen und Produkte erlaubt ein effizienteres Engineering von Produktions -anlagen. Solches Wissen kann durch die Wiederverwendung mechatro-nischer Module in den Entwicklungsprozess neuer Anlagen eingebracht werden. Das Wissen über vorhandene Systeme ist dazu systematisch zu erfassen und abzubilden. Die Modularisierung bestehender Anlagen und die Konzeption neuer Anlagen wird am Beispiel einer Sonder -maschine dargestellt.

1 Einleitung

Das Engineering von Produktionsanlagen wird durch die Verwendung von Baukästen effizienter, da bestehende Lösun-gen nach einer Anpassung an den Produktionsprozess wieder-verwendet werden können. Dabei kann ein Gesamtsystem oder eine Teillösung in Form von Modulen wiederverwendet werden [1, 2]. Der Effizienzgewinn resultiert aus der Wieder-verwendung und Anpassung vorhandener Daten wie zum Beispiel CAD-Entwürfe, Layouts, Dokumentation. Dieses Wis-sen wird bislang nicht systematisch im Engineeringprozess von mechatronischen Produktionsanlagen wiederverwendet, da die vorhandenen Lösungen zu komplex und daher nur Teil-aspekte in existierenden Systemen abgebildet sind. Ein Sys-tem zur disziplinenübergreifenden Unterstützung im Engi-neering mechatronischer Produktionsanlagen existiert ak-tuell noch nicht [1, 3]. Um Wissen durch die Wiederverwen -dung von Modulen zu integrieren, müssen geeignete Module identifiziert und systematisiert werden.

Aktuelle Ansätze behandeln meist die Modularisierung, die Systematisierung in Baukästen, beziehungsweise die Analyse der Produktstruktur von zum Beispiel Autos, Industriekränen oder Pumpen [1, 4]. Sie zeichnen sich durch eine Vielzahl an

Prof. Dr.-Ing. Michael Weyrich, Dipl.-Wirt.-Ing. Philipp Klein Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung – Universität Siegen Paul-Bonatz-Str. 9–11, D-57068 Siegen Tel. +49 (0)271 / 740-2268, Fax +49 (0)271 / 740-2542 E-Mail: [email protected] Internet: www.uni-siegen.de/fb11/lfa

Info * Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen wissenschaftlich begutachteten und freigegebenen Fachaufsatz („Peer-Review“).

Varianten und eine vergleichsweise hohe Stückzahl aus [5]. Diese Ansätze ermöglichen es, Produkte durch eine abge-schlossene Auswahl an komplexen und standardisierten Mo-dulen zu konfigurieren. Im Gegensatz zur Konfiguration von Produkten sind die Module bei der Konzeption von Systemen wie zum Beispiel Produktionsanlagen nicht standardisiert. Die Systeme zeichnen sich durch eine niedrige Stückzahl und kun-denspezifische, individuelle Lösungen aus. Die Variantenviel-falt des Maschinenbaus übersteigt die Komplexität des Modul-spektrums bei Produkten [6, 7]. In Bild 1 sind die unter-schiedlichen Anforderungen im Engineering von Produkten und Produktionsanlagen gegenübergestellt. Um die Effizienz im Engineering zu erhöhen, müssen wiederverwendbare Mo-dule in kundenspezifischen Produktionsanlagen identifiziert und in den Engineeringprozess neuer Anlagen integriert werden.

Als Konsequenz der Variantenvielfalt durch die kunden-spezifischen Lösungen im Maschinenbau müssen für die Kon-figuration von Produktionsanlagen neue Modularisierungs -ansätze angewendet werden, um wiederverwendbare Module zu identifizieren [8, 9]. Ein übertragbarer Ansatz, der die au-tomatische Kombination von Komponenten zu Produktions-anlagen ermöglicht, ist nicht bekannt [1, 3, 4]. Wichtige Voraussetzung dafür ist die Modularisierung bestehender Produktionsanlagen und die Systematisierung der Module.

Die Konfiguration von Produktionsanlagen, basierend auf der Wiederverwendung von Modulen, reduziert das Risiko bei der Angebotserstellung, da bereits Wissen über die Module vorhanden ist [10]. Dieses Vorgehen kann darüber hinaus die Engineeringzeit verkürzen und den Entwickler durch die Inte-gration neuer Lösungen unterstützen. Das Wissen beschränkt sich dabei nicht auf die Produktionsanlage, sondern kann auch die Anlagenperipherie umfassen [11].

Die Wiederverwendung von Modulen muss strategisch in das Engineering der Anlagen integriert werden [12]. Eine Möglichkeit dazu ist die Integration in die bestehende Sys-temlandschaft, zum Beispiel CAD, E-CAD [13]. Zur Kommuni-kation bestehender Systeme untereinander kann ein über -geordnetes Datensystem aufgebaut werden [14]. Eine Alter-native dazu ist der Aufbau neuer, übergreifender Engineering-systeme [3, 15]. Diese können Weiterentwicklungen der be-reits erwähnten Systemlandschaft (zum Beispiel Eplan Engi-neering Center) oder neue Systeme (beispielsweise Mechatro-nic Modeller) sein.

2 Konzept des modulbasierten Engineering

Externe und interne Einflüsse führen zu Veränderungen an den Produktionsanlagen. Als Ergebnis dieser Einflüsse müs-sen die bestehenden Anlagenkonzepte verändert beziehungs-weise neue Produktionsanlagen konzipiert werden. Solche Einflüsse können beispielsweise neue Technologien, Markt-gegebenheiten oder neue Produkte sein, die eine Verände -rung im automatisierten Produktionsprozess mit sich bringen.

Engineering of module-based production systems

The reapplication of knowledge about components, assemblies and products makes engineering of production systems more efficient. Such knowledge can be integrated by the reuse of mechatronic modules into the engineering process of new systems. Knowledge of existing systems has to be systematically identified and stored. The modularization of existing systems and the designing of new systems is shown by the example of a testing machine.

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wt Werkstattstechnik online Jahrgang 102 (2012) H. 9 Copyright Springer-VDI-Verlag GmbH & Co. KG, Düsseldorf592

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Die Veränderung im Produktionsprozess kann durch den Aus-tausch eines Moduls umgesetzt werden, das die Funktion im Produktionsprozess unter den gegebenen Einflüssen besser erfüllt. Neue Anlagen werden durch eine Auswahl von Modu-len aus einem Baukasten konzipiert.

Um neue Produktionsanlagen wissensbasiert zu konzi -pieren, beziehungsweise bestehende Anlagen zu verändern, müssen also wiederverwendbare Module, wie in Bild 2 visua-lisiert, identifiziert und systematisiert werden. Dadurch wird es möglich, Erkenntnisse aus bestehenden Produktions-anlagen in Form von Modulen in einer Wissensbasis zu spei-chern. Über eine Funktionszuordnung der Module werden diese systematisiert und können bei der Konzeption einer neuen Anlage auf Basis einer Funktionsbeschreibung ausge -wählt werden. Im Falle einer Veränderung einer bestehenden Anlage oder der Optimierung eines Anlagenkonzeptes können Module, die die gleichen Funktionen erfüllen, ausgetauscht werden.

Produzierende Firmen sowie die Hersteller von Produk -tionsanlagen sollen mit Hilfe des modulbasierten Enginee-rings schnell neue Anlagen konzipieren. Gerade in der An -gebotsphase für neue Serienprodukte können durch die Wis-sensintegration in die Konzeption der Produktionsanlage sich wiederholende Tätigkeiten und Fehleinschätzungen aber auch zu große Sicherheiten in Bezug auf die Auslegung der Anlage vermieden werden. Zudem wird durch das effizientere Engi-

neering die “Time-to-Market“ verkürzt. Das modulbasierte Engineering kann dabei für die Entwicklung neuer Anlagen aber auch für die Anpassung oder Neugestaltung bestehender genutzt werden.

3 Modularisierung von Produktionsanlagen

Grundlage des beschriebenen Engineeringkonzepts ist die Identifikation von wiederverwendbaren Modulen. Ein funk-tionsorientierter Ansatz wurde von Weyrich et al. beschrieben [7, 8]. Ziel der Modularisierung ist im Gegensatz zu der Wieder verwendung kleinster mechatronischer Einheiten [16], komplexere Module zu identifizieren. Komplexere Module sol-len den Nutzen der Wiederverwendung erhöhen. Kern dieses Ansatzes ist eine Design-Structure-Matrix (DSM), in der die Zusammenhänge zwischen den Komponenten des Systems dargestellt werden. Die Zusammenfassung der Komponenten der Produktionsanlage zu Modulen wird durch eine Sortierung der Zusammenhänge ermöglicht [17].

Bild 3 zeigt eine solche DSM und die aus der Sortierung und Clusterung resultierenden Module. Nach der manuellen Bewertung der Zusammenhänge zwischen den Komponenten in den Zeilen und Spalten der Matrix werden diese durch den Cuthill-McKee-Algorithmus so sortiert, dass Komponenten zu Modulen zusammengefasst werden können. Komponenten mit vielen Zusammenhängen untereinander werden durch die

Bild 1. Die Ansätze der Modularisierung von Produkten lassen sich nicht auf das modulbasierte

Engineering kundenspezifischer Produktionsanlagen übertragen

Bild 2. Engineeringkonzept von modulbasierten Produktionsanlagen

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Sortierung so dargestellt, dass es möglich ist, diese zu einem Modul zusammenzufassen. Dabei wird zwischen Modulen, die eine Funktion im Produktionsprozess übernehmen, (roter Rahmen – quadratisch – Hauptdiagonale des Moduls ent-spricht der Hauptdiagonale der Matrix) und verknüpfenden Modulen (blauer Rahmen – unterschiedliche Formen – Haupt-diagonale des Moduls entspricht nicht der Hauptdiagonalen der Matrix) unterschieden. Ein Modul, das für das Beispiel der Sondermaschine eine Funktion erfüllt, besteht aus dem Bild-sensor und der Kameraschnittstelle. Das Modul erfüllt die Prüffunktion der Bauteile in der Sondermaschine. Die Kom-ponente Auswertesoftware ist nicht Teil dieses Moduls, sondern verbindet das Modul über eine weitere Schnittstelle

mit dem Modul Steuerung. Dies bedeutet, dass bei der Pro-grammierung der Auswertesoftware die Steuerung, die die Informationen weiterverarbeitet, berücksichtigt werden muss. Der beschriebene Modularisierungsansatz ermöglicht die Modularisierung kundenspezifischer Produktionsanlagen, wie etwa der in Bild 3 dargestellten modularisierten Sonder-maschine zur Prüfung rotationssymetrischer Bauteile.

Um die Module, die aus der Analyse einer Maschine resul-tieren, bei der Entwicklung neuer Anlagen wiederverwenden zu können, sollten diese nicht prozessspezifisch sein. Die Mo-dule sollten daher durch die Betrachtung mehrerer Maschinen optimiert werden. Bild 4 stellt die Suche nach wiederkehren-den Modulen in mehreren Produktionsanlagen dar. Durch die

Bild 3. Modularisierung einer bestehenden Anlage in der Design-Structure-Matrix

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Bild 4. Identifikation von wiederkehrenden Modulen in mehreren

Produktions anlagen

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Variation der Größe und Form der Module soll die Wieder-verwendbarkeit der Module in verschiedenen Produktions-anlagen erhöht werden.

Komponenten, die nicht eindeutig einem Modul zuge -ordnet werden können, verknüpfen zwei oder mehrere Module (Bild 3 – blauer Rahmen) und können daher als Schnittstellen angesehen werden. Die Steuerung und die Sicherheitssysteme der dargestellten Sondermaschine sind Beispiele für solche Schnittstellenkomponenten. Durch die in Bild 5 dargestellte Aufteilung dieser Schnittstellen werden autarke dezentrale Module gebildet. Übergreifende Schnittstelle zwischen den dezentralen Modulen ist die Kommunikation. Die dezentralen Module können ohne weitere verknüpfte Module im Enginee-ring neuer Anlagen wiederverwendet werden.

4 Konfiguration modularer Produktionsanlagen

Die Module werden systematisch in einer Wissensbasis ge-speichert, um eine Wiederverwendung im Engineering neuer Produktionsanlagen zu ermöglichen. Zur Systematisierung werden die Module lösungsneutralen Funktionen zugeordnet. Solche Funktionen können zum Beispiel Fertigungsverfahren oder die Beschreibung von Montage- und Handhabungstätig-keiten sein.

Diese Funktionszuordnung ermöglicht die Identifikation passender Module sowie den Austausch der Module unter-einander. Der Anwender des modulbasierten Engineering muss für die Auswahl der Module den Produktionsprozess durch die Funktionen beschreiben. Bild 6 zeigt ein Tool zur Prozessmodellierung. Zur Auswahl passender Module werden, basierend auf der Prozessbeschreibung, Module aus der Wis-sensbasis ausgewählt. Soweit nicht nur dezentrale, autarke Module verwendet werden, werden die verknüpften Module ergänzt.

5 Systematische Modulkonfiguration zur Optimierung der Produktionsanlage

Die Modulauswahl basierend auf der Prozessbeschreibung erfüllt zwar die geforderten Funktionen, ist aber nicht unbe-dingt eine optimale Zusammenstellung von Modulen mit Blick auf die Produktivität, den Energieverbrauch und die Kosten des Gesamtsystems. Das aus der Konfiguration resultierende Anlagenkonzept kann durch Austausch der Module in einem iterativen Verfahren, wie in Bild 7 visualisiert, solange verändert werden, bis die Modulauswahl den Vorgaben an die Produktionsanlage entspricht. Die Produktivität, Leistung und Kosten des Systems werden dabei durch eine belastungs-

Bild 6. Modulauswahl basierend auf der Prozessbeschreibung

mit Open- Model- Sphere

Bild 5. Die Aufteilung verknüpfender Komponenten führt zu dezentralen, autarken Modulen

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variable Bewertung der Auswahl in einer System-Dynamics-Simulation unter Vorgabe verschiedener Prozessparameter (zum Beispiel Belastungsprofile, externe Rahmenbeding-ungen) bestimmt [18]. Erfüllt das System die Vorgaben nicht, werden iterativ Module ausgetauscht. Zudem kann mittels der Simulation geprüft werden, ob für die vorgegebenen Prozess-parameter die Aufteilung, Dimensionierung oder Kombination der Module zu einer Optimierung der Leistung des Konzeptes führt.

Alternativ zur Optimierung der Modulauswahl durch dieses Verfahren kann eine Vorauswahl auch in den Auswahlprozess integriert werden. Durch eine Bewertung der Module können bereits besonders effiziente oder produktive Module ausge -wählt werden. Diese Bewertung kann beispielsweise eine Vor-auswahl von geeigneten Materialien oder auch die Leistungs-bewertung Vorgabe einer bestimmten Produktionsmenge sein.

6 Zusammenfassung und Ausblick

Durch das modulbasierte Engineering ist es möglich, Wissen gezielt in den Engineeringprozess von Produktions-anlagen zu integrieren. Basierend auf einer Prozessbeschrei-bung werden durch eine Funktionszuordnung passende Module und die dazugehörigen Informationen (zum Beispiel CAD-Entwürfe, Dokumentation, Komponentenliste, Schnitt-stellen) ausgewählt. Durch den beschriebenen Modularisie-rungsansatz und die Identifikation der Module in verschiede-nen, bestehenden Produktionsanlagen können die Module im Engineering neuer Anlagen wiederverwendet werden. Das resultierende Konzept der Produktionsanlage muss nach der Konfiguration noch an den Produktionsprozess angepasst und ausdetailliert werden. Der beschriebene Ansatz ermöglicht – die Modularisierung kundenspezifischer Produktions -

anlagen, – die Sicherstellung der Wiederverwendbarkeit durch die

Identifikation der Module in verschiedenen Anlagen, – die Einbindung in bestehende Engineeringprozesse und

eine Austauschbarkeit der Module durch die Funktions-zuordnung, sowie

– die Optimierung der Modulkombination in einem iterativen Prozess durch die Austauschbarkeit.

In den nächsten Schritten soll das modulbasierte Engineering dahingehend weiterentwickelt werden, dass die Modulidenti-fikation durch entsprechende Werkzeuge automatisiert und die Bewertung der Module in die Vorauswahl integriert wird. Durch die Automatisierung der Modularisierung soll zudem ein einheitlicher Detaillierungsgrad der Komponenten sicher-gestellt werden. Auch die Modularisierungsstrategie zur Ver-besserung der Wiederverwendbarkeit möglichst komplexer Module soll weiterentwickelt werden, um die Wiederverwend-barkeit möglichst komplexer Module weiter zu verbessern. Mit Blick auf die Auswahl geeigneter Module sollen Bewertungs-verfahren entwickelt und integriert werden, die bereits in der Konzeptionsphase der Produktionsanlage eine Aussage und damit die Optimierung der Leistung des Systems zulassen.

Æ

Bild 7. Iteratives Vorgehen zur Optimierung der Leistung der Produktionsanlage durch den Austausch

von Modulen

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Literatur

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[3] Anacker, H.; Dorociak, R.; Dumitrescu, R.; Gausemeier, J.: Integrated tool-based approach for the conceptual design of advanced mechatronic systems. IEEE International Systems Conference (SysCon), Montreal, Canada, 2011

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[5] Pahl, G.; Beitz, W.; Feldhusen, J.; Grote, K.-H.: Entwickeln von Baureihen und Baukästen. In: Pahl, G.; Beitz, W.: Konstruktionslehre. Berlin: Springer-Verlag 2005, S. 600–660

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[13] Wegmann, D.: Projektierung von Maschinen und Anlagen mit mechatronischen Modulen. Cluster Mechatronik – Prozess-optimierung und Standardisierung durch mechatronisches Enginee-ring, Eckental/Eschenau. Automation Valley - Profile (2010) H. 3

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[18] Orcun, S.; Uzsoy, R.; Kempf, K.: Using System Dynamics Simulations to Compare Capacity Models for Production Planning. Proceedings of the Winter Simulation Conference, WSC 06, Monterey, CA, USA, 03.12.–06.12.2006, pp. 1855-1862

[8] Weyrich, M.; Klein, P.; Laurowski, M.; Wang, Y.: Mechatronic Engineering of Novel Manufacturing Processes Implemented by Modular and Sensor-Guided Machinery. 16th IEEE Conference on Emerging Technologies and Factory Automation (ETFA), Toulouse, France, 2011

[9] Weyrich, M.; Klein, P.; Laurowski, M.; Wang, Y.: A function-oriented approach for a mechatronic Modularization of a sensor-guided Manufacturing System. In: Proceedings of 56th Interna-tional Scientific Colloquium IWK 2011, Ilmenau, Germany, 2011

[10] Rimpau, C.; Reinhart, G.: Knowledge-based risk evaluation during the offer calculation of customised products. Production Engineering 4 (2010) No. 5

[11] Karl, F.; Reinhart, G.; Zäh, M. F.: Rekonfigurationsfähigkeit von Betriebsmitteln. wt Werkstattstechnik online 102 (2012) Nr. 4, S. 228–233. Internet: www.werkstattstechnik.de. Düsseldorf: Springer-VDI-Verlag

[12] Behncke, F. G. H.; Gabriel, F.; Langer, S.; Hepperle, C.; Lindemann, U.; Karl, F.; Pohl, J.; Schindler, S.; Reinhart, G.; Zaeh, M. F.: Analysis of information flows at interfaces between strategic product planning, product development and production planning to support process management – A literature-based approach. IEEE International Conference on Systems, Man and Cybernetics (SMC), Anchorage, Alaska, USA, 2011