ENGLISCH, Paul-Das Skatologische Element in Literatur Kunst Und Volksleben

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DAS SKATOLOGISCHE ELEMENT

DASSKATOLOGISCHE ELEMENT

IN LITERATUR,KUNST

UND VOLKSLEBENVON

DR. PAUL ENGLISCHBERLIN

JULIUS PÜTTMANNVERLAGSBUCHHANDLUNG, STUTTGART

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Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung In fremde Sprachen, vorbehaltenCopyright 1928 by Julius Puttmann,Verlag, Stuttgart

Hergestellt In der Offizin von Stahle & FriedelTypographische Anordnung von Paul Gunkel, beide in Stuttgart

Einleitung

Eine Geschichte der Skatologie ist noch nicht geschrie¬ben, wird wohl auch nie geschrieben werden. Die wenig¬sten trösten sich mit Yespasians Wort: Non olet! Die Mate¬rie ist auch nicht dazu angetan, ein jedes Faktum genauzu rubrizieren und auf eine bestimmte Formel zu bringen.Nichts ist ja lächerlicher und langweiliger, als dietrockene Wissenschaftlichkeit auch bei Materien in Anwen¬dung zu bringen, die sich ihrer ganzen Natur nach nurdazu eignen, durch eine, ach so verpönte, journalistischeBehandlungsweise auf gefällige Manier Erklärungen un¬bekannter Phänomene zu vermitteln, mit anderen Worten,die Skatologie hat nur einen Reiz, wenn durch Plaudernund Erzählen von Anekdotenkram der Leser zu den tie¬feren Wurzeln des menschlichen Gefühlslebens geführtwird, wenn er über Zusammenhänge aufgeklärt wird, diefür ihn bisher eine terra incognita oder vielmehr malecognita gewesen sind. Viele Schriftsteller haben das Skalo-logische gehegt und gepflegt, haben es nicht verschmäht,ein übelduftendes Reis aus dem verwilderten und mit Ab¬fallprodukten gedüngten Abladeplatz zu pflücken, auf deindie Endergebnisse eines gesegneten Stoffwechsels gelandetsind, um von da aus den Kreislauf des Werdens und Ver¬gehens von neuem zu beginnen. Unsere besten Geisteshel¬den haben es nicht für zu gering erachtet, mit behaglichemSchmunzeln die Nüstern zu blähen, um wenigstens einenAtemzug dieser köstlichen Stickluft in sich aufzunehmen.An .eine Sammlung der einzelnen Fakta ist man noch nichtgegangen. Diese Lücke klafft, sie klafft entsetzenerregendund harrt der ordnenden Hand. „0 braver Mann, braverMann, zeige dich!" Was ich bringe, sind Bausteine, derensich ein großer Geist bedienen soll, um ein Haus zu zim-

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mern, dem man schon von weitem seine Bestimmung an¬sehen oder besser anriechen wird, an dem aber unsere Syste¬matiker ihre helle Freude haben werden. Er sei gesegnet!Wir sprechen im folgenden kurzweg von skatologischenAnekdoten, Redensarten, Geschichten usw. und müssen des¬halb zunächst erklären, was wir darunter zu verstehen haben.Bloch i definiert Skatologie als die fast immer sexuell be¬tonte Rolle des Endprodukts des menschlichen Stoffwech¬sels und der damit verbundenen Vorgänge im Folklore, imMythus, Aberglauben und in der Literatur aller Völker undZeiten! Aber wie so viele der Blochschen Definitionen istauch diese seiner selbstherrlichen apodiktischen Manier ent¬sprungen, das letzte und entscheidende Wort gesprochenzu haben. Die Sexualität ist nicht so sehr entscheidenderFaktor. Wie wir zu beobachten vielfach Gelegenheit habenwerden, ist es gerade das Lächerliche der Erscheinung, derbewußt oder unbewußt empfundene Gegensatz zwischendem ideellen Schein und dem höchst realen Sein, was dieungewollte komische Wirkung auslöst. Die sexuelle Wurzeldagegen ist nicht sehr ins Kraut geschossen. Viel eher spie¬len Aberglaube, Kult, Indifferentismus, Protest gegen dieZimperlichkeit eine große Rolle, und die widerstreitendenMeinungen für und gegen kommen in den geistigen Pro¬dukten zum Ausdruck. Wagen wir uns also an eine Defi¬nition, so können wir sagen: Skatologie ist die Literatur,die sich in irgendeiner Weise (ausgenommen die Medizin)mit den Endprodukten der menschlichen Ernährung be¬schäftigt. Welche Gründe nun dafür maßgebend sind, istgleichgültig, die Tatsachen allein entscheiden.

1 Beiträge zur Psychopathia sexualis, Dresden igo3, II, 228.

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ERSTER TEIL

I. Ansichten über dieEntleerung. Verschiedenartiges Schamgefühl

ijrenau betrachtet, ist der Ekel, den ein natürlich den¬kender Mensch vor dem Kot oder Urin empfindet, un¬natürlich. Denn tatsächlich ist das Endprodukt derVerdauung nur ein Glied im Prozesse des Werdens undVergehens. Die Pflanzen erfreuen zuerst unser Auge,parfümieren die Luft und erquicken unsere Nase, dannschmücken sie unsere Tafel, befriedigen unsern Magen,passieren unsern Darm, und schließlich düngen sie wie¬der das Feld, dem sie entstammen. Eine ähnliche Me¬tamorphose wird auch in einem alten lateinischen Ge¬dichte geschildert (vgl. Dornavii, Amphitheatrum I 3 k 9:De furno et Latrina):

Clinda quidem variunt formam, sed nil pcrit: MineHuc venit, hinc illucilque reditque eibus.Triticeo molitum pistumque e semine panemArdensi fornax coneavus igne coquit.At furno coctum, slomachoque gulaque voratum,Egestumque culo servo latrina eibum.Vertuntur panes in stercora; at illa per agrosSparsa Herum fiunt pinguis et alma ceres.Collecto rursum coquilur de semine panis,Atque ila consumptum reddo latrine eibum.Debetur, fateor, patulo sua gloria furno,Sed tanla aut major gratia habenda mihi est.

Wir haben also tatsächlich keinen Grund, uns unsererGottähnlichkeit zu rühmen und naserümpfend uns von

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den Kakteen menschlicher Herkunft wegzuwenden.Moszkowski 1 sagt treffend: „Es bleibt schon dabei, daßwir verurteilt sind, Ekel zu empfinden und den Ekel¬stoff am unpassendsten Ort hervorzubringen: und inwelchen Mengen! Drei Pfund täglich beim erwachsenenMenschen! Aber freilich, die Natur hat uns in allen vita¬len Dingen so wenig verwöhnt, daß wir über demGrundgefühl: ,Es schmeckt', die schauderhafte Grund¬bedingung vergessen, unter welcher das Schmecken zu¬stande kommt Wie wir ja auch das Vergnügen eines ge¬segneten Stuhlganges mit der nämlichen Herzlichkeit be¬grüßen." Und er hat nicht so unrecht, denn was ißt derMensch auch alles! Nicht einmal vor dem Kot selbstmacht er halt. Schnepfendreck gilt den Feinschmeckernals erlesenste Delikatesse. Pauliini sagt in seiner be¬rühmten „Dreckapotheke":„Dreckfresser sind wir alle. Alle Speisen und Früchtesind mit allerley Thiere und Gewürme Unflat besudelt.Was vor Ungeziefer beschmeißt nicht das Garten-Obst!Gehe doch zum Fleisch-Bänken und siehe, wie häßlichdie Fliegen das Fleisch zurichten. Kleine Fische essenwir mit Koth, eben wie Krammetsvögel, und lecken dieFinger danach. Fressen nicht alle Fische tote Äser, undwir die Fische, folglich Dreck? Ezechiel sollte Gersten¬kuchen mit Menschen-mist backen, als er sich aber des¬sen beschwerte, ließ ihm der Herr Kuh-mist zu. EinemSchwein ist jeder Dreck angenehm, wir essen's hinwieder,samt dem Unflat, und dünken uns, gute Schnabelweidegehabt zu haben. Von rozichten Schnecken gar nichtzu gedenken. Fürsten und Herren geben wir morsulosmagnamimitatis, von Hahnen- und anderen Hoden be¬stehende, den Bettpruntzern: vulvam suillam. Summa:1 Die Welt von der Kehrseite. Hamburg-Berlin 1920, S. 64-

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ein Mensch vom Scheitel bis zu den Fersen ist ein rechterSack voll Dreck."Würden wir aus dieser Erkenntnis heraus die Konse¬quenzen ziehen, so müßte der Mensch sich des Essenswegen schämen, denn dadurch macht er sich bzw. sei¬nen Magen zur Ablade-, zur Friedhofstätte für orga¬nische und anorganische Substanzen und schafft da¬durch erst die Vorbedingung für die Entleerung, letzterebildet also das Korrektiv für eine ästhetisch nicht ein¬wandfreie Handlung. Und tatsächlich finden wir dieseAuffassung auch bisweilen vertreten. Montaigne be¬richtet 2 : „Ich kenne eine Dame, und zwar eine der Vor¬nehmsten, welche der Meinung ist, das Käuen macheeinen unangenehmen Übelstand, der ihrer Anmut undihrer Schönheit viel benehme, und sich auch nicht gernöffentlich sehen läßt, wenn sie Eßlust hat. Auch kenneich einen Mann, der es nicht ausstehen kann, andereessen zu sehen, noch sich selbst beim Essen sehen zulassen, und wenn er sich anfüllt, alle Zuschauer sorg¬fältiger vermeidet, als wenn er sich ausleert."Montaigne bucht diese Tatsache als Merkwürdigkeit,aber sie bezeugt nur, daß der Betreffende ein Mann vonGeschmack ist, wenn er den Geschmack perhorresziert,und die Leitsätze, die neuerdings „Der Zwiebelfisch" 3aufstellt, wird jeder feinfühlige Mensch vollinhaltlichunterschreiben: ,.Das Essen und Trinken zum Zweckeder Sättigung sollte man entschieden ebenso wie die son¬stigen animalischen und Verdauungsfunktionen hinterverschlossenen Türen verbannen. Gemeinsames Tafelnerscheint mir wenigstens nur dann ästhetisch gerecht-2 Michael Montaignes Gedanken und Meinungen über allerley Ge¬genstände. Ins Deutsche übersetzt. Berlin, bey F. T. Lagarde 179').Fünfter Band, S. ail.3 4. Jahrgang, S. ig3.

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fertigt, wenn es sich um Diners, Festessen, kurz, umjene Sorte von Schlemmereien handelt, die Unterhaltung,Stimmungserhöhung, persönliche Annäherung, Reize derGourmandise usw. bezwecken. Wobei Voraussetzung ist,daß nur Menschen mit gleichen Tafelsitten dabei ver¬einigt werden. Sonst aber! Man lege einmal bitte die allesverwischende Brille der Gewohnheit ab, beobachte prü¬fend und objektiv hungrige Schweine am Trebertrogeund gleich darauf speisende Menschen an einer Tabled'hote, im Speisewagen oder gar im Theater währendder großen Pause! Einen Unterschied wird man gemein¬hin nur darin finden, daß die feinfühligeren Schweinesich bei der unappetitlichen Verrichtung nicht auch nochanschauen und mit vollen Rüsseln einander Witze zu¬grunzen."Die von der Kultur noch nicht allzu sehr Beleckten sindin dieser Hinsicht wohl bessere Menschen. Bei den Orien¬talen ist der Vornehmste, der allein speist Der türkischeSultan hatte bei seinem Mahle keinen Zeugen. Gab SultanAbd ul Hamid Il.europäischen Fürstlichkeiten oder Diplo¬maten ein Festessen, so nahm er wohl an der TafelPlatz, berührte aber selbst keine Speise in Gegenwartder Fremden.Von den brasilianischen Bororo berichtet der bekannteForschungsreisende Karl von den Steinen eine bezeich¬nende Anekdote*:„Am Abend bot mir Tumayaua draußen auf dem Platz,wo wir Männer plaudernd bei dem Mandickagestell stan¬den, ein Stück Fisch an, das ich hocherfreut sofort ver¬speisen wollte. Alle senkten die Häupter, blickten mit

4 Unter den Naturvölkern Zentralbrasiliens. Reiseschilderung undErgebnisse der zweiten Schinguexpedition 1887—1888, Berlini8g4, S. 66—67.

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dem Ausdruck peinlichster Verlegenheit vor sich nie¬der oder wandten sich ab, und Podeko deutet nach mei¬ner Hütte. Sie schämten sich. Erstaunt und betroffenging ich in das Flötenhaus, den Fisch zu verzehren.Ich hatte die Mahlzeit noch nicht beendet, als Kule Kuleeintrat. Mit einem Gesicht, das deutlich sagte: Ah, Siesind noch nicht fertig! setzte er sich nieder auf denBoden, schweigend, abgewandt und mit gesenktemKopfe und wartete... Als Paleko mir den Topf mitkleinen Fischen brachte, waren wir beide allein im Flö¬tenhaus, er kehrte mir den Rücken zu und sprach keinWort während der langen Zeit, die ich mit den Grätenkämpfte. Ich gab Tumayaua von unserem Bohnenge¬richt. Er nahm die Portion und ging bis zu seinemHause, wo er sich hinsetzte, aß und zwischendurch,aber ohne den Kopf zu wenden, herüberrufend sich auchan unserer Unterhaltung beteiligte. Er hatte sich alsomit voller Absicht entfernt... Ehrenreich hat später beiden Karaja am Araguay etwas Ähnliches gefunden: DieEtikette verlangt, daß jeder, von dem andern abgewen¬det, für sich ißt. Wer dagegen verstößt, muß sich denSpott der übrigen gefallen lassen."Der Durchschnittseuropäer, dem das Folklore ein Buchmit sieben Siegeln ist, wird dieser gewiß zu billigendenSitte der „unkultivierten" Neger vielleicht verständnis¬los gegenüberstehen und ihre Anschauungen als rück¬ständig belächeln, und doch bezeugt gerade diesesAnstandsgefühl, das diesen nichtzivilisierten Völker¬schaften innewohnt, ein zartes Empfinden. AndereVölker, andere Sitten! Was dem einen Volke ganz natür¬lich erscheint, erregt die Verwunderung des andern.Unter dem Schah Fesh Ali fragte deshalb einmal derGroßwesir den englischen Gesandten, „weshalb die Eu-

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ropäer stehend pissen und nicht hockend wie die Orien¬talen, und weshalb sie sich den Hintern mit Papier ab¬wischen, anstatt ihn wie die Moslems mit Wasser zu rei¬nigen. Der entsetzte Brite, befangen in seiner engher¬zigen Ansicht von Schicklichkeit, schnauzte den armenGroßwesir an und fertigte ihn derb ab" 5. Der neugie¬rige Großwesir hätte sich an Beroalde de Verville wen¬den sollen, der ihm die Antwort nicht vorenthalten hätte.„... Sie hätte es wie das Fräulein von Saumur machensollen, die so haushälterisch ist, daß sie es zu zwo Malenmit einem Arschwisch macht. Nachdem sie sich näm¬lich das erstemal den A. gewischt hätt, steckt sie dasPapier in den Täschlein, allwo sie das Zuckerwerk für diePagenbirgt, so in den Täschlein derDamen herumwühlen,um Schleckereien zu suchen, wie du soeben sagtest."„Pfui, ich glaube, das ist der Grund, weswegen die Tür¬ken sich den A. nit mit Papier wischen, maßen sie Lieb¬haber von Naschwerk sind, und so sie dann das Ge¬lüsten überfiele, täten sie dann in den Täschlein der Da¬men kotig Papier finden."„Du hast recht gesprochen... Ich werde euch den Grundsagen, weswegen sich die Türken nit den A. mit Papierwischen, es ist aus Furcht, dieses Papier könnte einegeistliche Bulle sein oder etwelcher Bericht der Kon-sistorii oder ein Beschluß des Kapitels. Und wofern mansich von ohngefähr damit über den Hintern gefahrenwäre, so bekäme man des zweifellos Hämorrhoiden, sodie Türken baß fürchten, maßen sie glauben, daß dieSeele im Blute wäre, und daß — wofern das Blut derge¬stalt durch den A. flösse — ihre Seele ganz nackt würde 6 ."

5 Dr. J. E. Polak, Persien, Leipzig, I, 67.G Beroalde de Verville, Der Weg zum Erfolge. Deutsch von Spiro.Berlin 191 1\.

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Die Defäkation vor andern zu verrichten, gilt bei denÄthiopiern als Schande. Männer wie Frauen waschen sichsowohl nach der Defäkation wie nach der Miktion diebetreffenden Partien. Ohne ein Gefäß mit Wasser gehtkein Moslirn an dieses Geschäft. Ist kein Wasser zurHand, wie zum Beispiel bei der Reise, muß ein Steinoder Sand genügen. Nach dem Urinieren wird in die-sam Falle die Eichel mit dem ersten besten Stein ge¬rieben. Diese figürliche Waschung wird auch in vollerÖffentlichkeit und immer mit der rechten Hand vor¬genommen, da die linke als unrein gilt. Die dort leben¬den Christen dagegen reinigen sich nie mit Wasser, son¬dern mit einem Blatte oder einem Stein 7.

Das Schamgefühl ist ja bekanntlich ein ganz relativerBegriff. Nur in dem Organismus „Gesellschaft" kannes sich entwickeln, und nach deren Struktur wird es ver¬schiedene Formen annehmen. Wo Kastengeist herrscht,wird der Niederstehende nicht als vollwertig angesehen,und in den Staaten, in denen die Hörigkeit oder Leib¬eigenschaft besteht, erscheint der Hörige, Leibeigenenicht als Mensch. Er ist bestenfalls etwas Indifferentes,das nicht zählt, das man nicht beachtet, vor dem mansich keinen Zwang anzutun braucht. Einen trefflichenBeweis für das eben Gesagte bietet uns folgende Anek¬dote: „Eine russische Dame ging mit einer Französinspazieren, und zwei große Bedienten folgten ihnen nach.Auf einmal rief ihnen die Dame, ließ sich von ihnenunter den Armen fassen und entfernte sich ein wenigvom Wege. Hier ließ sie sich hinter einem Gesträuchdurch ihre zwei Pagen die Böcke aufheben und ver¬richtete, von ihnen gehalten, ein dringendes Bedürfnis.Die Französin konnte es nicht unterlassen, ihr ihreVer-

7 Friedrich J. Bieber in Anthropophytheia, VII, 231.

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wunderung und Mißbilligung zu erkennen zu geben, daßsie sich nicht schämte, ein solches Geschäft zwischenzwei Männern zu verrichten. Wie? antwortete die rus¬sische Dame, es sind ja meine Sklaven, sie sind mitmir erzogen worden, sie sollten sich nur einmal den Ge¬danken einfallen lassen, daß ich noch etwas anderes habeals einen Rock, oder sich gar einbilden, daß ich für sieFrau und sie für mich Männer sind 8 !"

Diese Frau, gewiß eine Dame der „guten" Gesellschaft,stand in ihrer geistigen Entwicklung auf der Stufe derKinder, die in ihrer naiven Natürlichkeit noch keinenAbscheu vor den Ausscheidungen hegen, den ihnen erstdie Erziehung einimpft. So mancher hat wohl schondie Beobachtung gemacht, die ein französischer Memoi¬renschreiber in die Worte kleidet: „Ich habe Kinderbeobachtet, die oft eine Viertelstunde bei ihren Exkre¬menten verweilten und zuweilen mit einem Stecken darinherumstocherten. Sie zeigten dabei die gleiche Aufmerk¬samkeit und denselben Ernst wie die alten Auguren, diein die Geheimnisse der Völker zu dringen glaubten, wennsie in den Eingeweiden erschlagener Feinde herumwühl¬ten. Die Entfernung, die man zwischen sich und seinenAusscheidungen zu legen sich bemüht, entspringt keinemnatürlichen und verständlichen Gefühl, darüber sind sichdie Gelehrten einig. Dasselbe will wohl auch Marc Aurelausdrücken, wenn er sagt, daß der Riechende jeden Ge¬ruch ertragen, der Weise vor keinem Sinneseindruck zu¬rückschrecken soll 9."

8 Geheime Nachrichten über Rußland unter der Regierung Katha¬rinens II. und Pauls I. Ein Gemälde der Sitten des PetersburgerHofes gegen das Ende des 18. Jahrhunderts (von Major Masson).Zweiter Teil. Paris 1800, S. 194, Note 9.9 Memoires de l'Academie des Sciences, inscriptions, helles lettres,nouvellement Hahlies. A Troyes en Champagne. A Troyes, chez

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Max Brüning

L' ARTDE PETER,

ESSAITHEORI-P HVSIQC/E

ET METHODIQUE,

A Vufagt des Perfonnts conßipees , des Per-fonnages graves & äußeres , des Damesmelancoliqu.es , & de tous ceux qui föntefclaves du prejuge.

Suivi de l'Hißoire de P'ET-EN-1'AlR 0 de UReine des Amazones } oü Con tronel'origüsc des Vuidangcurs.

Sujet du Frontifpice.

Kt CrEPITUS multot , nequient erumpere perdit ;Et falvat pleno quanda dat ort verum .

Ergo ß fervat fugtent , jugulatve rttenlui,OmnibtiJ hitnc Midien qutt neget ejfe parem ?

Anonym.

*K+EN WESTP H AL1E,

Chez Florent-Q, nie Pet-en-Gueule,au Soufflet.

M. DCC. LXXVI.

Nach solchen Prinzipien handelte die Menschheit in denalten Zeiten. Der Mensch dachte nicht daran, sich voretwas zu ekeln, das ein Stück seines Selbst ist oder war.In den südlichen Staaten Europas herrscht in dieserBeziehung noch heute eine Ungeniertheit, die für unsereBegriffe etwas Erstaunliches hat Johann ChristophMaier sagt 10 : „Vom Edelmann bis zum Bettler entladetsich jeder seines Unrats auf der Stelle, wo ihn dieNotdurft ankömmt Hier sieht man einen Edelmannseine Gondel ans Land steuern und aussteigen, um dasvor jedermanns Auge zu tun, was nur ins Verborgenegehört. Etliche Schritte davon sitzt ein Bettler und tutein gleiches. Selten kommt man durch eine Straße, woman nicht einen oder den anderen in solcher Stellungfindet... Vornehmlich aber scheint die Unfläterei ihrenSitz im Palast zu St. Markus völlig aufgeschlagen zuhaben. Er gleicht mehr einem Kloak als einer Besi-denz... Eines Morgens frühe, wo der Zulauf im Pa¬laste sehr groß ist, stand ich an der Saaltüre des gro¬ßen Bats im Gespräch mit jemandem, als ich auf ein¬mal eine ungewöhnliche Wärme an einem Beine fühlte.Ich sah mich nach der Ursache davon um und erblickteeinen Patrizier in der Weste, der sich diese Ungezogen¬heit ganz frei erlaubte." — Nicolai erzählt: „Einer un¬serer Postillione stieg vom Pferde, zog, vor dem Wagenbleibend, ohne weiteres die Beinkleider herunter und ver¬richtete mit der größten Unbefangenheit, gegen uns ge¬kehrt, seine Notdurft Es ist uns dies schon einmal be¬gegnet... Unf läterei ist in Italien die Losung." Karl

le libraire de l'Academie et se trouve ä Paris, chez Duchesne,libraire, rue Saint-Jacques au Temple du goüt, 1756, 1877.10 In seiner „Beschreibung Venedigs", Leipzig 1795, Bd. II, S.198—199.

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August Mayer, der diese Stelle zitiert, erlebte selbst nochetwas Schlimmeres, indem mehrmals Damen aus bestemStande in seiner Gegenwart und vor seinen Augen ihreNotdurft verrichteten und sogar dies ankündigten 11 !Es sei hier noch des Gremus merdae der Einbrecher ge¬dacht. Bekanntlich verrichten Gewohnheitseinbrecheram Orte der Tat oft ihre Notdurft. Soweit physio¬logische Ursachen dabei keine Rolle spielen und nichtdie Absicht besteht, den Betroffenen zu ärgern, ist mitdieser Betätigung der Aberglaube verknüpft, daß dieTäter so lange vor Überraschungen sicher sind, als der„Nachtwächter" noch warm ist 12.Auch über die Auffassung, was als „Geruch" und wasals „Gestank" anzusehen ist, herrscht durchaus keineEinigkeit. Albert Hagen (Iwan Bloch) hat ein ganzesWerk, „Die sexuelle Ophresiologie" 13 , geschrieben, in demer den Einfluß der Gerüche auf das Sexualleben ein¬gehend schildert. Aber seine Ansicht, daß alle Düfte mitder Sexualität des Menschen zusammenhängen, ist zueinseitig. Gewiß, in der Mehrzahl wird ein solcher Zu¬sammenhang nachzuweisen sein. Auch die Tatsache, daßselbst die Exkremente als Reizmittel der Libido dienen,steht wohl unverrückbar fest Wir finden hier alle Gat¬tungen und Schattierungen, vertreten, vom harmlosenRenifleur, der in den Aborten herumstreicht, da ihn derdort herrschende Duft wollüstig erregt, oder da er hofft,eine Frau im Zustande der Defäkation zu sehen, was ihmSamenabgang verschafft, bis zum Kotfresser. EinigeBeispiele für viele.

11 Vgl. K. A. Mayer, Neapel und die Neapolitaner. Oldenburg 18/1O,I, 3a4.12 Anthropophytheia, II, 44a—Albert Hellwig, Der Gremusmerdae der Einbrecher.13 2. A., Berlin igoG.

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Ein als Sonderling und Misanthrop seiner Umgebungvon Jugend her bekannter Notar, der in seiner im Kon-vikt verbrachten Studienzeit der Onanie sehr ergebenwar, regte nach eigener Erzählung seine Geschlechts¬lust dadurch auf, daß er eine Anzahl von ihm gebrauch¬ter Klosettpapiere auf der Bettdecke ausbreitete, bisdurch Betrachtung und Beriechung derselben Erektioneintrat, die er dann zur Onanie benutzte. Nach seinemTode fand sich ein großer Korb solcher Papiere mit ge¬nau notiertem Datum und Jahreszahl bei seinem Bettevor u .

Ein alter impotenter Grobian hatte ein Dienstmäd¬chen, das sich seinen Wünschen gefügig zeigte. Dasganze Vergnügen dieses 8ojährigen Lüstlings bestanddarin, das Mädchen zu beriechen. Der Gebrauch jederArt von künstlichem Parfüm wurde streng untersagt,und das Mädchen durfte nur einmal in der Woche fri¬sches Wasser benutzen. Eines Tages wollte das Mädchendem Hofknecht gefällig sein, der feinere Empfindungenhatte als sein Herr, und beging das schreckliche Ver¬brechen, sich zu waschen. Dieser bemerkte das sofortund sagte: „Dein Bouquet hat keinen Geruch. Du wirstmorgen gehen, weil du meinen Befehlen nicht gehorchthast." Die Arme wurde von dem Hofe gejagt und durfteniemals wieder dort erscheinen 15 .Ein Normalmensch würde mit dem Dichter Grandval filssagen:

Les derrieres des rois et ceux de leurs sujetsSont egaux pour l'odeur, quand ils ne sont pas nels lß .

14 Hagen, a. a. 0., S. 117.» Hagen, S. 87.16 Les deux biscuits, tragedie de la langue que Von parloit jadisau royaume d'Astracan, et mise depuis pexi en vers frangois. Astra-can, chez un libraire, 1751.

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Der gebildete Mitteleuropäer weiß sehr wohl Duft und„Duft" zu unterscheiden. Die Erzählungen und Witze,die sich mit dem Faktum der Defäkation befassen, sindsehr zahlreich. Ein Umstand fällt dabei ganz besondersins Gewicht: In allen diesen Erzählungen und Schwänkensind sich die Erzähler darüber einig, daß der eigeneDreck dem Erzeuger nicht rieche. Belustigend wirktschon die Tatsache, daß jeder seinen Exkrementen nocheinen Abschiedsblick zuwirft. Andreas Vignale hat die¬sem Umstand eine eigene Abhandlung gewidmet, undzwar in seinem Buch „La cazzaria" de l'Arsiccio In-tronato, unter dem Titel: „Perche subito que l'uomo acacato, mira la merda?" (Warum betrachtet der Mensch,nachdem er sein Geschäft verrichtet hat, seinen Dreck?)Für einen andern ist die Betrachtung weniger angenehm.Moliere zum Beispiel braucht in seinem „Malade ima-ginaire" eine ganze Szene, um den „eingebildeten Kran¬ken" über die Notwendigkeit und die Wirkung seinerKlistiere räsonieren zu lassen, und läßt seinen Krankenan die Dienerin die putzige Frage richten: „Hat meinKlistier gut gewirkt? Habe ich viel Galle gemacht?" Undes ist nur logisch, daß ihm die schnippische Antwortzuteil wird: „Als ob ich mich um so etwas kümmerte!"Die Erwiderung war sehr treffend, denn tatsächlich sindgar keine Fälle von weiblichen Renif leurs bekannt Stetsist es der Mann, der die weiblichen Ausdünstungen undAusscheidungen sucht, und vielen ist es ganz recht, daßdas Lustgärtchen in der Nähe der Senkgrube errichtetist...Wer nicht pervers veranlagt ist, wird auch an dem Anusdes gleichen Geschlechts und seinen Ausscheidungen kei¬nen Gefallen finden, denn ob König, ob Bettler, der Duftdes Afters ist kein Nasenschmaus. Rabelais, der Schalk,

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hatte demnach nicht so unrecht, wenn er einmal sichweigerte, vor dem Papste zu erscheinen. Als er sich inRom befand, wollte er niemals den Gesandten, zu dessenGefolge er gehörte, zur Audienz beim Papste begleiten.Man fragte ihn um den Grund dieser seltsamen Wei¬gerung. „Ich fürchte", sagte er, „die schlechten Ge¬rüche. Da mein Herr, der einen großen König vertritt,dem Papst die Füße küssen muß, würde man mich, derich nur ein armer Arzt bin, zweifellos nur zum Arsch¬kuß zulassen 17 ."

Wie oben schon erwähnt, spielt der Geruch bei der se¬xuellen Annäherung eine ausschlaggebende Rolle, wenner auch nicht derart in den Vordergrund gestellt zu wer¬den pflegt wie bei den „wilden" Völkerschaften. DerKönig von Arrakau in Peru erhielt alljährlich von jedemseiner Statthalter zwölf der schönsten Mädchen als Ge¬schenk. Waren die Mädchen bei Hofe angelangt, so zogman ihnen dicke baumwollene Kleider an, führte sie indie größte Sonnenhitze und ließ sie so lange tanzen, bisihre Kleider vom Schweiß durchdrungen waren. Nach¬dem sie sich umgekleidet hatten, brachte man die nassenKleider dem König, der eins nach dem andern berochund zu seinen Weibern oder Beischläferinnen jene er¬wählte, deren Schweiß ihm am besten zusagte 18. Be¬kanntlich verliebte sich auch Heinrich III. von Frank¬reich leidenschaftlich in Maria von Cleve, als er sichmit ihrem schweißbefeuchteten Tuche sein Gesicht ge¬trocknet hatte.

17 Letlres juiues, ou correspondance philosophique, historique etcritique, entrc im Juif voyageur en differents Etats de l'Europe,et ses Correspondants en divers endroits (Par le marquis d'Argens).Nouv. id. A la Haye, 1766, VI, 266.18 Juristisches Vademekum, IV, S. 0, Nr. i3.

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Seiteamerweise beruht die Abneigung, die einzelne Na¬tionen gegeneinander hegen, lediglich auf dem Geruch.Schon die Herzogin Elisabeth von Orleans klagt ineinem Briefe an eine Freundin: „Die Straßen von Fon-tainebleau sind besonders vom Dreck der Schweizer er¬füllt, die solche Haufen machen, groß und dick, wieSie, Madame." Gerade der Schweizer dient mehrfachals Zielscheibe des skatologischen Spottes, ob mit Rechtoder nicht, lasse ich dahingestellt. In einer älteren, über¬aus seltenen Sammlung von Pikanterien: „L'art de deso-piler la rate" 19 , findet sich folgende recht schlagfertigeAntwort eines Soldaten. Dieser verrichtete eben seineNotdurft, als ein Offizier vorbeiging. „Ah, welch ein Ge¬stank!" rief der Offizier und hielt sich die Nase zu,worauf der Soldat: „Wie denn, Herr Offizier, verlangtman etwa, daß ich für fünf Sous per Tag Moschusmachen soll?" Dieser an sich recht netten Anek¬dote nahm sich nun die zünftige Literatur an undmachte sogleich einen Schweizer zum Verbreiter derlieblichen Düfte. Und der Poet, dem wir „La Chezono-mie ou l'art de chier"- 0 verdanken, dichtete die Verse:

La merde d'un Suisse exhale force odeur,Qu'on seilt et qu'on respire avant de l'auoir vue,Et le due de erier: Ahl le coquin, qu'il pue!

Der gute Schweizer:Pour cinq sols que le roi me fait donner pour jour,Vous chierai-je du muse? replique le tambour 21 .

19 Sive de modo C . . . . prudenler, en prenant chaque feuilletpour se T.....le D . . . Enlremele de quelques bonnes choses.Nouvelle edition, Revue et augmentee par F. A. L. D. C. PremierePartie. AVenise, chez Antonio Pasquinatti. 178873.20 Poeme didactique en qualre chants par Ch. Remard, nouvelleedition, ä Scoropolis 1873.21 La Chezonumie, p. 91.

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Interessant ist daran vor allem die lange Erhaltung die¬ser Anekdote, die nach einem Jahrhundert noch nichtsvon ihrer Zugkraft eingebüßt hat.Eine große Wahrheit steckt trotz des schmutzigen Ge¬wandes in den Ausführungen, die der französische Hans¬wurst Tabarin macht 22. Tabarin fragt, was anständigersei, der Arsch eines Edelmannes oder der eines Bauern,und welcher von beiden am ärgsten stinke. Der Meisterentgegnet: „Es ist zwar nicht anständig, davon zu re¬den, doch will ich deine Neugier befriedigen. Eines Edel¬mannes hintere Partie..." Aber Tabarin unterbricht ihn:„Verstümmelt nicht die Worte, ich bitt' euch, es ist vomArsch die Rede!" — „Eh bien, der Arsch eines Edelman¬nes erscheint mir anständiger als der eines Bauern, weilder Edelmann stets sauber in Ordnung ist, sich mit Mo¬schus und allen feinen Parfümen salbt und also von oben,bis unten gut duftet." Tabarin ist anderer Ansicht: „Ichbezeuge für meinen Teil, daß der Arsch eines grobenBauern nicht so übel riecht wie der eines Edelmannes.Beweis: Wenn ein Edelmann, mit Respekt zu sagen, ho¬fieren will und sein Prive aufsucht, so kommt er aneinen Ort voller Gestank, er setzt seinen Wertesten justauf das Maul des Herrn Prive, die Düfte daraus steigenauf wärts und kleben sich an den Sitzenden, der sie nach¬her noch lange nicht los werden kann. Zum Schluß be¬nutzt der feine Herr Papier, um sich den A. zu wischen,aber je mehr er wischt, desto mehr pickt er sich denDreck an, und gewöhnlich fährt er noch mit einem Fin¬ger durch das Papier direkt ins Loch. Nun seht mal

22 Tabarin, Recueil general des renconlres, demandes et aulresosuvres tabariniques, avec leurs responses. Paris Ani. de Somma-ville, 1622, Question VIII. Diese Sammlung ist von äußerster Sel¬tenheit, und die obige Anekdote findet sich nur in dieser Aus¬gabe.

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unsern groben Bauer! Der kennt keinen Durchfall, weiler keine Luxusspeisen genießt. Er leidet nur. an Ver¬stopfung, und wenn ihn die Lust anwandelt, hat er esnicht eilig. Gemächlich geht er an die freie Luft, wähltsich ein Plätzchen auf freiem Felde, ein Eckchen, aufdem vor ihm noch keiner gesessen, ein sauberes Nest¬chen: „Allez flairer au cul de l'un et de l'autre qui senihüten, daß auch nur ein Atom der Gestanklüfte den A.berühre, setzt er sich so, daß der Wind den Rauch desDrecks beiseite treibt." Und als trotz dieser überzeugen¬den Darstellung der Meister noch zweifelt, rät Tabarinihm, er möge doch mal eine praktische Erfahrung su¬chen: „Allez flairer au cul de l'un et de l'autre qui *,enlmeilleur. Vous y trouverez de quoy et de quoy manger.Mangez, vous n'auriez qua ouvrir les narrines, l'odeurvous montera au cerveau, cela vous confortera les hi-pondrilles et l'entendement."Hanswurst zeigt sich hier als Menschenkenner und gu¬ten Beobachter. Das Beispiel des Bauern sollte nach¬geahmt, wenn — ja wenn —. Es wird auch hier sobleiben wie mit Montaignes gesittetem Bauern, der zweiFinger als Taschentuch benutzt, was entschieden hygie¬nischer ist als die sorgsame Verpackung der Sekrete imTaschentuch: Man stimmt seiner Meinung zu, bleibt aberhübsch beim Alten.

2. Der FurzEs ist ja bekanntlich ein Axiom der medizinischenWissenschaft, daß das Befinden des menschlichen Or¬ganismus sich nach der mehr oder minder promptfunktionierenden Verdauung richtet, daß also ein trägesFunktionieren des Darmes Mißbehagen und mancherleiKrankheiten zur Folge hat. Aber bereits ein leichtes

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Unwohlsein bestimmt seelisches Befinden und geistigeTätigkeit. Wer diesen Zusammenhang erkannt hat (undes bedarf dazu nicht einmal einer tiefschürfenden Un¬tersuchung), der läßt auch dem Flatus die ihm ge¬bührende Rolle zukommen.Die mehr oder minder laxe Auffassung hängt meinesErachtens aufs innigste mit der Ernährungsweise zu¬sammen. Die Südländer und die Juden, welche Feigen,süße Weine, Bohnen, Zwiebeln und Knoblauch zuschätzen wissen, kommen natürlich öfter in die Lage,Gas zu produzieren, als der mäßigere und wählerischeNordländer. Wenn aber hoch und gering dem gleichenZwange unterworfen sind, liegt es nahe, aus der Noteine Tugend zu machen. Die Winde reinigen die Luftund den Dunstkreis, und so reinigen auch die Darm¬winde den Körper, verschaffen Gesundheit und Froh¬sinn. Dieser Ansicht verschloß sich auch der römischeKaiser Claudianus nicht. Man sagte ihm nach, er habeein Edikt zu erlassen beabsichtigt, das die Erlaubniserteilen sollte, daß jeder bei einem Gastmahl oder eineröffentlichen Versammlung einen Wind streichen lassendürfe, denn er hatte gehört, daß einst jemand voneinem verhaltenen Winde in Lebensgefahr geraten sei(Sueton, Tib. Claud. c. 32). Der gute Kaiser verschiednach Senekas Apotheose, wie er gelebt hatte, seinletzter Seufzer und sein letzter Ton war ein Donneraus dem Orte, mit dem er während seines Lebens amvernehmlichsten zu sprechen geruhte 1.Von dem Griechen Metrokies aber wird erzählt, daß erdeswegen in der Öffentlichkeit nicht mehr zu er¬scheinen wagte, weil ihm ein Furz entschlüpft sei. Er

1 Weber, Demokritos oder hinterlassene Papiere eines lachendenPhilosophen. Stuttgart i858. 12. Bd., S. 3n.

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beschloß vielmehr, zu sterben. Als dies Krates hörte,machte er sich nach einer tüchtigen Bohnenmahlzeitauf, um ihn von seinem Entschluß abzubringen. Ver¬geblich, endlich läßt Krates die schwersten Geschützeauffahren und öffnet die Ventile seines Unterstedts.Dieser überwältigenden Beweiskraft kann sich derJüngling nicht entziehen und gibt lachend seinen Planauf.Auch Cato der Ältere teilte die Ansicht von Krates.

Er tröstete selbst einen Sklaven, der in seiner Gegen¬wart gefurzt hatte und darüber zu Tode erschrockenwar, mit den Worten: „Nulluni mihi viticum facit", undselbst der elegante Cicero ist dieser Meinung 2.Zar Peter der Große war berühmt als Furzer, seinBuf in dieser Beziehung war so gewaltig, daß derMinister Polens in Berlin nach einem Diner mit demHerrscher aller Beußen seinem König eigens zu be¬richten für nötig findet: „Der Zar hat sich selbst über¬troffen! Er hat bei Tische nicht aufgestoßen, nichtgefurzt!" 3Die Ansichten über die Nützlichkeit des Furzens sindnatürlich geteilt, die einen preisen ihn, die andernwenden sich schaudernd ab. Manche pflegen und för¬dern ihn gar. So berichtet man von einem lächerlichenFrondienst, den ein Furzfreund verlangte 4 : „Der Vasallmußte an einem festlichen Tage vor seinem Lehns¬herrn tanzen, pfeifen und einen Crepitum ventris fahrenlassen."Weber, der berühmte Verfasser des bereits erwähnten

2 Ad famil., IX, 22.3 Bernh. Slern, Geschichte der öffentlichen Sittlichkeit in Ru߬land, Berlin 1907, I, S. 16.4 „Juristisches Vademekum für lustige Leute", I, 2,?. Nr. 8.

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„Demokritos", berichtet 6 „von einem theologischen Frei¬tischler, der gegen ein Seidel Bier sich in die Eckesetzte und, die Beine an sich ziehend, mit der präch¬tigsten Musik aufwartete, die aus den unteren B.e-gionen kam. Die Schlußszene war die stärkste, dieam meisten lachen machte. Die Kraft seines Windesverlöschte die Lichter".Schon der heilige Augustin berichtet von einem Men¬schen, der in der Kunst des Furzens eine außerordent¬liche Fertigkeit erlangt hatte: „Er wußte die Töne sozu modifizieren, daß er eine Melodie herausbrachte." eUnd gleiche Fälle sind uns auch sonst bestätigt. Fried¬rich S. Krauß 7 berichtet uns: „Vor ungefähr vierzigJahren gab es zu Pozega in Slowenien einen Kriminal¬gefangenen, der ein solcher Kunstfurzer war, daßer einmal ein öffentliches Konzert veranstalten mußte.In dem großen Ratsaal waren 5o Sessel aufgestellt.Zwei Schergen führten den Künstler herein. Er warbeim Anblick der aufgedonnerten Frauen recht ver¬legen. Jedoch der Obergespan und der Gerichtspräsi¬dent stellten ihm 2 5 Stockstreiche in Aussicht, so daßer sich lieber dem Gebote der Unanständigkeit fügte.Er ließ seine leinenen Hosen herab, hielt sie mit derLinken über den Pudendis fest, lehnte sich mit derRechten an den Tisch an, hob etwas das linke Beinin die Höhe, zeigte dem Publikum den Allerwertesten,und nun kam klar und deutlich in seltsamer Klang¬farbe die chrowotisch-patriotisch-nationale Hymneherausgetönt Herren und Damen riefen: Divno! Zakudno, krasno! Göttlich, wunderbar, herrlich! Und

5 A. a. 0., 3oi.0 De civitate Dei, lib. XVI, cap. 2^.7 Anthrop., III, l\02 —/|o3.

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Ihre Hochwohlgeboren die allergnädigste Frau Ober-gespanin und die hochmögende gnädige Frau Stuhl-richterin näherten sich dem naturwüchsigen Musik¬instrumente und überzeugten sich durch Augenschein,daß kein Betrug mitunterlaufe!"Anfangs der neunziger Jahre des vorigen Jahrhun¬derts trat sogar in Brüssel, Paris und anderen Städtenein französischer Kunstfurzer öffentlich auf und er¬regte bedeutendes Aufsehen (ebenda). Ein französischerArzt, Jeröme Gardan, hat sogar schon vor Jahrhundertendie Fürze in Hinsicht auf ihre Töne studiert und vierGrundtöne neben 58 Variationen, zusammen also 62Töne festgestelltJeder, der auf Deutschlands hohen Schulen geweilthat, kennt den „Bierfriedrich". Wenn einer nach dieserBichtung hin des Guten oft etwas zuviel getan hat, ister von der Tafelrunde genötigt, bei jedem Verstoß einpassendes Zitat anzuführen. Mancher bringt es darinzu einer kaum noch zu übertreffenden Fertigkeit. DieAnthropophytheia (IX, 511) enthalten eine kleineBlütenlese:

1. Fahr hin, ich hab' auf Dank ja nicht gerechnet!(Schiller, Wallenstein.)

2. Endlich allein.3. Das war ein Schuß, von dem wird man noch sprechen

in den spätsten Tagen. (Schiller, Teil.)tt. Der Freiheit eine Gasse.5. Ich kann und will das Pfand nicht mehr vergraben.

(Goethe, Lieder, Zueignung.)6. Alle Vergnügungen auf alle Weise genießen zu wollen,

ist unvernünftig, alle ganz vermeiden, gefühllos.(Plutarch, Gastmahl der Weisen § 15.)

7. Das Verhängnis muß geschehen, das Gefürchtete mußnahen. (Schiller, Kassandra.)

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8. Wenn sich der Verirrte findet, freuen alle Götter sich.(Goethe, Deutscher Parnaß.)

9. Wie freu' ich mich, wie freu ich mich, wie trieb michdas Verlangen! (Lustige Weiber von Windsor.)

10. Verlassen, verlassen bin i.11. Vor andern fühl' ich mich so klein,

Ich werde stets verlegen sein. (Goethe, Faust.)12. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.13. Gute Ware lobt sich selbst.lU.In allen Wipfeln spürest du kaum einen Hauch.15. Nur außi mit die tiafen Toynl16. Wär's möglich? Könnt' ich nicht mehr, wie ich wollte?

(Schiller, Wallensteins Tod.)17. Hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft 1

(Schiller, Teil.)Daß die unterschiedliche Beurteilung des Furzes mit¬unter das juristische Forum beschäftigen kann, dürfteweniger bekannt sein. Thomasius erzählt von einemsonderbaren Rechtshandel wegen einer Blähung 8 : „EinKaufmann steht abends vor seiner Haustüre. Gerade,als ein Mann, der mit ihm in Feindschaft lebte, vor¬beigeht, läßt der Kaufmann einen sehr hörbaren Windgehen. Dies nimmt der Vorbeigehende für eine Injurieund klagt darüber. Der Prozeß wurde durch alle In¬stanzen mit großer Erbitterung und vielem Kostenauf¬wand fortgesetzt, am Ende mußte dann freilich derKläger verlieren."Bei einigen Völkern, namentlich Russen und Italienern,ist das Furzen, selbst in Gesellschaft, durchaus nichtunanständig. Weder in der Familie, noch in Gesell¬schaft tut man seinen Gefühlen irgendwelchen Zwangan. Selbst die prüden Engländer wissen zuweilen dieWohltaten des Furzes zu schätzen. Dies kann man in

s Jurist. Vademekum, II, i48. Nr. 18.

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einem englischen Furzbuch nachlesen, das allerdingswahrscheinlich das einzige in der englischen Literaturist. Es wurde in der ersten Hälfte des neunzehntenJahrhunderts in London in nur 5o Exemplarengedruckt und führt folgenden Titel: „An essay uponwind, with curious anecdotes of eminent peteurs. Prin-ted on superfin pot paper, at the office of Peter Paf¬fendorf, Potsdam o. J."Bei den Ghrowoten haben Erwachsene ihre helleFreude daran, junge Leute in den April zu schicken.Ist wo irgendeine größere Gesellschaft in fröhlicherStimmung, so erhebt sich plötzlich unter ihnen einälterer Mann, blickt bestürzt um sich und ruft laut:„Wer von euch kann am schnellsten laufen? Aberrasch, es drängt!" Nun glauben die Jüngeren, da gäbees was durch einen Gang zu verdienen, und sie schreiendurcheinander: „Ich, ich, ich!" — „Mir dico! Ruhe,Kinder!" gebietet der Alte, hebt das eine Bein in dieHöhe und läßt einen Lauten fahren: „Wer am schnell¬sten laufen kann, renne ihm gleich nach, hole ihn einund behalte ihn, er sei ihm gern gewährt!"Dieser südslawische Scherz ist übrigens Gemeingut. Erfindet sich zum ersten in der bekannten Sammlungder „Kanthariden": Zu einem Flickschuster, der sichauch mit Hundedressur befaßte, trat der Lehrburscheaus einem großen Geschäfte. „Meister, Er dressiertwohl auch Hunde?" — „Ja, mein Sohnl" — „Nun,so dressieren Sie mir wohl dieses Windspiel!" rief derJunge und ließ einen Kräftigen fahren.Ferner ist Friedrich der Große der Held der Anekdote.Bei einer Besichtigung fragt er den einen Rekruten:„Was war Er von Beruf?" — „Schnelläufer, Majestät!"— „Nun, so hole Er mir den zurück!" und Friedrich

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ließ einen streichen. Sofort setzte sich der Soldat zu des

Königs großem Erstaunen in Bewegung, kam nacheinigen Minuten wieder zurück, stellte sich vor demKönig stramm, ließ einen donnern und meldete: „Aus¬reißer zurückgeholt, Majestät!"Frankreich, das klassische Land der Skatologie, hatsogar eigene Furzgesellschaften aufzuweisen: „Petre-Laconique et Bomboraxale ä Morlanwetz" und die„Societe des Francs-Peteurs".Die erstgenannte Akademie war eine fingierte, und ihrangeblicher Begründer Comte des Fortsas hat nie ge¬lebt Ein gewisser Bene Chalor erfand um die Mittedes neunzehnten Jahrhunderts diese Phantasieakademieund alle die fingierten Titel der Bibliothek des Grafenvon Fortsas. Das Buch, in welchem von der Furz¬akademie die Bede ist, führt den Titel: „De la vitesserelative et analectique de l'Academie d'un corps solideen repos, memoire presente ä l'Academie Petrc-Laconi-que et Bomboraxale (section des sciences exactes) parHcleno Cranir Mnos en Argolide (Renier Chalon deMöns) ä Morlanwetz (Möns, Hoyois) imprimc parVordre de l'Academie." i84o, 8°. Nur in 16 Exempla¬ren auf rosa Papier gedruckt 9.Die „Societe des Francs-Peteurs" dagegen existiertetatsächlich im 18. Jahrhundert in Caen. Von dieserGesellschaft wird in einem angeblich von Courvoisierverfaßten Büchlein „Zephirartillerie" (1743, 8°,XII u. 36 S.) berichtet, das später der „Art de peter"von Hurtaut beigedruckt wurde. Es gibt von diesemmerkwürdigen klassischen Buche verschiedene Aus¬gaben: „L'art de peter, essai theoriphysique et metho-dique, en Westphalie, chez Florent Q., rue Pet-en-9 Vgl. Dinaux-Brunet, Societfe badines, II, i3C.

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Queule, an Soufflet (Paris)" 1751, 12°, mit zwei Bil¬dern. Auch in dem Buche „L'esclamge rompu" (Bordo-Polis 1750) ist von unserer Gesellschaft die Bede.Es wird hier erzählt von der Entstehung der Gesell¬schaft, von ihren Statuten, von ihren Versammlungenund ihren Vorteilen. Wenn die Mitglieder zusammen¬kommen, hört man tausend Fürze auf einmal, die Pro-selyten müssen darauf nach bestem Können antreten.Die Statuten der Gesellschaft stellen fest, daß in jederStadt eine Casa der Gesellschaft etabliert werden könne.

Die Anzahl der Mitglieder soll höchstens dreißig be¬tragen. An der Spitze einer jeden Filiale steht ein Di¬rektor, ihm ist ein Unterdirektor unterstellt, außer¬dem gibt es das Amt eines Bedners, eines Donnerersund eines Einführers. Die Generalversammlung findetam i5. März statt, da man um diese Zeit am meistenvon Winden geplagt ist Der Zweck der Gesellschaftist die Zerstörung des Vorurteils gegen das freie Fur¬zen. Jeder Freifurzer soll handeln, reden, überzeugenim Sinne der Gesellschaft und die Triumphe derFurzgesellschaft zu mehren sich bemühen. Die neu¬aufgenommenen Mitglieder werden aufgefordert, durchungeniertes Furzen in ihrem eigenen Hause, auf derGasse und in der Gesellschaft für die Sache Propagandazu machen. Sobald eine Sitzung eröffnet ist, furztder Präsident brüsk, und alle Brüder machen es ihmnach. Dies wird dreimal wiederholt. Dann vereinigtman sich zu einem feinen Malale, bei dem man furzendarf „sans ordre et sans nombre". Einige lesen Ge¬dichte oder Erzählungen vor. Beifall soll man durchFürze beweisen 10 .

10 Karl Amrain, Blähungsorakel in Anthropoph., VII, S. 392 bis3g3.

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Titelbild von „L'art de peler" 1776

Uns erscheint diese Ungezwungenheit höchst ab¬sonderlich und shocking. Ist sie das wirklich? Ich kannsie nur als bewußte Reaktion gegen den Zwang derEtikette und Rückkehr zur Natur auffassen. Hat mansich einmal zu der den Kindern eigenen Vorurteils¬losigkeit aufgeschwungen, so entfällt auch bald dieScheu davor, Nase und Ohr eines anderen zu beleidigen.Es finden sich dann schnell gleichgestimmte Seelen,die in bewußter Zuwiderhandlung gegen die beengen¬den Vorschriften der Gesellschaft sich lediglich alsanimalische Lebewesen geben.

3. Der Furz in der LiteraturRücher zur Unterweisung in der rechten Kunst desFurzens scheint es schon früh gegeben zu haben, undzwar in Frankreich, dem klassischen Lande der Skato-logie. Rabelais erwähnt bereits im zweiten Ruche, Ka¬pitel VII, des Pantagruel die Schrift: „Ars honnestepeltandi in societati". Ob die Schrift der Phantasiedes Dichters ihr Erscheinen verdankt oder tatsächlichbestanden hat, ist unbekannt Ein Exemplar ist bishernicht nachgewiesen.Die älteste bekannte Schrift, die sich über dieses Themaerhalten hat, ist: „La Farce nouvelle et fort ioyeusedu Pect, a quatre personnaiges. C'est assauoir Hubert,la Femme, le Juge et le Procureur." S. r in d. goth.in Hier wird ein fingierter Rechtsfall über dasfragliche Thema vorgetragen, worauf der Richter amSchlüsse folgende Entscheidung fällt:

J'ordonne que tous mariezQui doresnavant pectz feront,Tous ensemble les beuront,Et partiront egalement

3 33

A portion du sentiment,Se, ung en destourne la face,L'autre luy dira: Prou vous face!Faictes tost la senlence escripre.

Nicht viel später erschien in Deutschland das Werkeines Musikers, späteren Arztes, und zwar vom fach¬männischen Standpunkt aus betrachtet: „De flatibushumanum molestantibus commentarius novus ac singu-laris, in quo flatuum natura etc. aucl. J. Fieno, Ant-werpiae" 1582, in 8°. Es wurde mehrfach aufgelegt, insDeutsche, Holländische und Englische übersetzt, zu¬letzt 1676 in London.Das Thema von der Wunderkraft des Furzes, aberin durchaus humoristischer Weise, griff gegen i54oein unbekannter Franzose auf: „he Plaisant deuis duPel, aucques la vertu propriete et signification diceluyquaulresfoys un noble Champion auroit faict a sadame Valentine, malade de la collicque venteuse. Etcomment par le Pet on peult prognoslicquer plusieursbonnes aduenlures. Imprime ä Paris, par Nicolas Büffet"(gegen i5<io) pet. in 8°, goth., 16 Blätter mit Holz¬schnitt. Es handelt sich hier, wie schon aus demlangen Titel hervorgeht, um einen Liebhaber, derseine Geliebte von heftigen Blähungen befallen siehtund sie zum Lachen reizen will. Aus diesem Grundeerzählt er ihr Schnurren, von der Ethymologie derFürze und deren Gerüchen sowie seine verschiedenenArten, er preist seine wunderbare Heilkraft, erzählt, wiedurch einen kräftigen Wind Krankheiten vertriebenworden sind, und daß man aus einem Furz günstigePrognosen für die Zukunft stellen kann.1578 kam wieder Deutschland an die Beihe mitseiner „Disputatio de flatibus, auct. G. Laurenbergio.

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Rostochii 1578", in 4° und in 12 °, anscheinendwieder rein medizinisch. Den gleichen Zweck verfolgtGoclenius mit seiner „Physiologia crepitus ventris. Itemrisus et didiculi elogium nihili, auct. Rod. Goclenio.Francofurti et Lipsiae 1607", in 8° oder in 12 0. Goc¬lenius hat hier sein Thema von einer höheren Warteaus betrachtet Die unterschiedlichen Benennungen beiden verschiedenen Völkern, die Definition, die näherenund entfernteren Ursachen, die Loslösung und dasZurückhalten, der Geruch und alle sonstigen Begleit¬umstände des Furzes sind nacheinander mit Ge¬nauigkeit abgehandelt. Aber all das genügt noch nicht,um die Gründlichkeit des Forschers zu erschöpfen.Die knifflichsten und unerwartetsten Fragen werdenmit einer Exaktheit untersucht, die in Erstaunensetzt Er begleitet den Crepitus von seiner Geburt, woihn die Gelehrten noch als „Gas" bezeichnen, bis zuseiner Emanzipation, durch die er selbständig wird undin die Welt zieht. Er bringt Zitate der alten Schrift¬steller, von Hippokrates, Galen, Aristophanes, Sokrates,Horaz, Martial und Sueton, lateinisch, griechisch,deutsch, in Vers und in Prosa.Ein Pendant zu diesem Werk bildet die unter demPseudonym „Sclopetarius" herausgekommene Schrift:„De Peditu ejusque speciebus, crepitu et visio, Dis-cursus methodicus in Theses digestus: quas, praesideClariss. viro Bombardo Stewartzio Clarefortensi, de-fendere conabitur Biliardianus Sclopetarius Blesensis.Disputabunlur autem in Aedibus Dirne Cloacinae, asummo mane ad noctem usque mediam." Sie findetsich in dem 1200 Seiten starken Wälzer: „Amphi-thealrum sapientiae Socraticae joco-seriae, hoc estencomia et commentaria autorum, qua veterum, qua

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recentiorum prope omnium, quibus res aut pro vilibusvulgo aut damnosis habiiae styli patrocinio vindicantur,exornantur; opus ad mysteria naturae discenda, ad om-nem amoenilatem,sapientiam virtutem, publice privatim-que utilissimum, a Gaspare Dornavio, philos. et medico,Hannoviae, typis Wechelianis, MDCXIX, in fol." Die¬ses dickleibige Kompendium enthält 622 verschiedenekuriose Abhandlungen, von denen die obengenannte nureinen kleinen Teil bildet. Goclenius sowohl wie Sclope-tarius, insbesondere der letztere gaben das Vorbild abfür alle weiteren Autoren, die sich mit dieser Materiebefaßten. Scaliger entnahm daraus die Idee zu seiner„Eloge de l'ivresse"; Louis Coquelet zu seiner „Elogede la goutte"; Dreux du Radier zu seinem „Essai surles Laternes", und Mercier de Compiegne plündert ihnvollends. In dieser Ausgabe und im Nachdruck von1628 findet sich eine Tafel, die schematisch eine Ein¬teilung versucht, und die nebenstehend wiedergegebensein mag.Der Autor entwickelt im folgenden nun die verschie¬denen Arten und Unterarten dieser Tafel in 5o Thesen.Er häuft griechische, lateinische und deutsche Zitatewie sein bereits erwähnter Zeitgenosse. Aristophanes,Pythagoras, Sueton, Martial, Cicero und andere müssenin gleicher Weise herhalten, um das Vorbringen desAutors zu erhärten. Er schneidet Probleme an, derenLösung er auch sofort gibt, zum Beispiel: An horologiapossint fieri ex crepitibus? — Cur crepitus impera-toribus assimiletur. — An personae pedentis dignitasaliquid addat authoritati peditus etc.Dieses Traktat wurde noch einmal nachgedruckt, aberunter dem einfachen Titel: „Discursus methodicus dePeditu ejusque speciebus, crepitu et vi.sio, in theses

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digestus," in den Facetiae facetiarum, Pathopoli iG&5,pet in 12°, wo es die Seiten 17— ^2 einnimmt. Hierfehlt aber die folgende amüsante Tafel.

In hac dis-

putationeagitur depedituum

I. Defini-tionibus etdivisioni-

bus quisunt vel

2. Effecti-

bus, quisunt vel

3. Signisquae sunt

vel

Vocales,quiproprie

dicuntur

crepitusHallan-

tendeFürtz

suntque vel

Magni,et dicuntur

plenivocalesBaurenfurtz,qui sunt vel

Parviet dicuntursemivocalesBrommer,

qui rursus vel

Simplices, ger-manice Arss-

knollen

Diphtongi,german. ver¬

renkte, zerbis¬sene Fürze

Tenues, Non¬nen- od. Jung¬frau Fürtzlein

Medii, züchtigebürgerliche

Schiß

AspiraliPfeiffer oder

Becken - Schiß

!LiquidiDremplerSicci

' Boni 1maliintermedii

ApodictiaNecessariaProbabilia

Ubi simul

agiturquomodo

Schleicher

Promovean-tur boni, Ca-veantur mali

Et quorum ob-servatione

conficitur ars

gastrologica

Es ist begreiflich, daß das bedeutsame Werkchenmanchem in die Augen stach, der nicht genügendeigene Gedanken aufbringen konnte. Es wurde nachallen Regeln der Kunst geplündert, ja im Jahre 1776erlaubte sich ein Auchschriftsteller namens Hurtaut

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(Pseudonym) den recht sonderbaren Scherz, es zuübersetzen und als sein eigenes Produkt auszugeben.Es führt den Titel: „L'art de piier . . . A Moncuq,chez la grosse Tonnette, la belle Timbaliere, ä l'enseignedu Gros Prussien", S. d. in i8°. Der Abschreiber willaber den Anschein erwecken, als wäre er ohne Vor¬gänger und hätte die Welt um ein originelles WerkbereichertLediglich als amüsanter Scherz ist aufzufassen: „Ladefense du pet, pour le Galant du carnaml. Par le sieurde S. And." Paris i652, in 4°. Hier hat ein Lieb¬haber im zärtlichen Tete-ä-Tete mit seiner Geliebten dasLaisser faire, laisser aller praktisch geübt, bis diese sichnaserümpfend von ihm wendet. Darüber beklagt sichder Übeltäter wie folgt: ,

Si pour en pet faxt par hasard,Votre coeur, ou j'ai tant de part,Pour jamais de moi se retire,Voulez-vous que DorenavantVous me donniez sujet de dircQue vous changez au moindre vent?

1679 erschien die Farce, die man St Evremond zu¬schreibt, in einem Neudruck: „Le Pet evente (parBardou), Rouen, Jean Oursei 1679, in 8°, 16 S. Eswar also plagiiert, und das Merkwürdigste dabei ist,daß der Plagiator sich darüber beklagt, daß ihm einanderer seine Apologie du pet gestohlen habe:

Mais bien que ce lache ecrivainAit eu le sentiment si vainQue de mettre mon Pet au rang de ses richesscs,Tout le monde est assez instruitQue sa Muse jamais ne produit que des vesses,Puisqu'elle fait si peu de bruit.

Dem Humor schafft wieder eine Gasse: „La Petarade,

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ou Polichinel auteur, poeme qui n'a pas encore paruen foire, et qui n'y paraitra peut-etre jamais (par Gal-let)." S. L 1750, in 12°, 20 S. Polichinel ist der Ver¬fasser einer Tragödie in fünf Akten, die aus nichtsweiter als aus fünf langen Fürzen besteht. Ein Husarbeschuldigt ihn des Plagiats, und um zu beweisen, daßdas Stück von ihm stammt, beginnt er, den Beweisad oculos zu demonstrieren, aber er blamiert sichkläglich. Das amüsante Stück erschien auch unter demTitel: „La Petarade, ou Polichinelle auteur, piece quasi-nouvelle, qui peut-etre representee en personnes de boisnaturelles." S. 1. 1750.Nicht zu verwechseln damit ist: „La Petarade, poemeen quatre chants; ceuvre posthume de l'ab. R... (l'abbeRoubaud) avec notes", par P. J. G. Paris, Lesguilliez,an VII, pet. in 8°, 96 S. Hier haben drei Culs der Nase,die ihre Leistungen für schlecht erklärt hat, den Kriegerklärt und gewinnen mit Hilfe Luzifers.In ziemlich weitschweifiger Weise, nämlich auf 3i8Seiten, werden die Abenteuer des in einen Furz ver¬wandelten Äolus beschrieben in: „Le Dieu des Vents,ou les aventures d'ßole metamorphose en Pet, ousimplement le dieu Pet; badinage en vers libres, vingt-sepl pelits chants... Par un ancien regent de rheto-rique, actuellement professeur aux terres australes dumonde litteraire, oü il a fait de jolies decouvertes...La Haye, et se trouve ä Paris et dans les principalesvilles du royaume", 1776, in 12°, 3i8 S.In ein System gebracht wurde die Kunst des Furzenädurch: „La Crepitonomie, ou Varl des Pels, poemedidactique en trois chants", par D. de St. P. . ., Paris,L. G. Michaud, 1815, in 18 0, 107 S. Der Autormacht einige Anleihen bei der Pneumatopathologie des

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Gombalusier und beschließt sein Gedicht mit denpassenden Versen:

O vous, mortels, qui lisez son histoire,Donnez de gräce un pet ä sa memoire.

In „Berthe, ou le Pet memorable; anecdote du IXesiecle, par L. D. L. (Lombard de Langres), Paris,Leolod Collin", 1807, in 18 0, wird der Beweis dafürangetreten, daß der Furz manchmal zu unverhofftemGlücke führt, ebenso, wie es feststeht, daß bisweilendie gegenteilige Wirkung eintreten kann. Ein unver¬sehens entwichener Crepitus verschafft der armenBerta eine glänzende Partie. Der berühmte Lully hin¬gegen, der sich einen entwichenen Wind der Made-moiselle de Montpensier zunutze gemacht hatte, wurdeweggejagt. Er war unverschämt genug gewesen, diesenFurz als Leitmotiv für eine Komposition zu nehmen 11.Den gleichen Grundgedanken wie im soeben genanntenStück verficht auch das italienische Opus: „II cantosopra le correggie", in Londra, 1786, in 8°, in 61 Stan¬zen. Le correggie sind eben die Dinge, von denen manweiß, von wannen sie kommen, aber nicht, wohinsie fahren.Ronsard schwang sich sogar zu einem kleinen Preis¬lied auf den Furz auf:

Le pet qui ne peut sortirA maints la mort fait sentir,Et le pet de son chant donneLa vie a mainte personne:Si donc un pet est si fortQu'il sauve, on donne la mort,D'un pet la force est egaleA la puissance royale.

_ (Anthrop. V II, 378.)11 Vgl. Comparaison de la musique italienne et de la musiquefrancoise, par le Cerf de la Vieville, Bruxelles, 1705, t. II, p. 185.

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Dasselbe Preislied hatte schon ein mittelalterlicherSchriftsteller angestimmtIn den Schwänken von Bruscambille, genannt Des-lauriers 12 , findet man einen Prolog zugunsten derSch____glückseligkeit und Abhandlungen darüber, daßein Furz etwas Körperliches sei, ein Furz aber auchGeist zeige, ein Furz eine gute Sache bedeute, fernerProloge zu Ehren des Hintern und des Abtrittes.Mit dieser Aufzählung ist die Liste noch keineswegserschöpft.Im übrigen verweise ich auf die „Bibliotheca scato-logica ou catalogue raisonne des livres Irailant desnertus faits et gestes de tres noble et tres ingenieuxMessire Luc (ä rebours), seigneur de la chaise et autreslieux memement de ses descendants et autres person-nages de lui issus. Ouvrage tres utile pour bien etproprement s'enlretenir es-jours gras de careme-pre-nant. Dispose dans Vordre des lettres K., P., Q., traduildu prussien et enrichi de noles tres congruantes ausujet par trois savant etc. Scatopolis chez les marchandsd'Aniterges. L'annee scatogene 5850 13 ." Die Verfasserwaren der Arzt J. F. Payen, der Buchhändler Paul Jannetund Sylvestre mit August Veynant zusammen 14 ' 15. Esgeht jedenfalls daraus zur Genüge hervor, daß dieFranzosen den Hauptteil zur Furzliteratur beigetragen

12 Les nouvelles et plaisantes imaginalions de Bruscambille, ensuite de ses fantaisies, ä Mgr. le Prince, par le Sieur D. L. (DesLauriers) Champenois, Bergerac, Martin La Babille i6i5, 12 —1619 nachgedruckt.13 Im Jahre 1869 ln Exemplaren gedruckt. 8°, 144 S.14 Vgl. Querard, Les Supercheries litteraires tom. IV, und J. Gay,Bibliographie rel. ä l'amour.15 Ferner ist heranzuziehen Anthologie scatologique recueillie etannotee par un bibliophile de cabinet. A Paris, pres Charenlonchez le libraire qui n'est pas triste. Imprime en l'ire du carnavalde 1000 800 602, 8°, i44 S. (Gay, 1863.)

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haben. Erst weiter hinter ihnen rangieren die Deutschenmit zopfigen lateinischen Abhandlungen, meistens ohneeinen Funken Humor, von wenigen Ausnahmen ab¬gesehen. Aus der Gegenwart oder der jüngsten Ver¬gangenheit sind wenige originale Werke zu nennen.Von neueren Schriften, die sich mit dem Furz be¬fassen, seien erwähnt: „he conservateur de la sante,Volumen incomparable, renfermant l'art de peter elde chier, suivi de pieces odorifeerantes et diversesmatieres de bon gout. Monauq (ca. 1850), ä l'enseignedu gros Prussien pres de Quatre Vents." — „Pelerianaou l'art de peter, Vesser et roter ä l'usage de personnesconstipes, graves, melancoliques et tristes. Au Pays desBonnes Odeurs, Pete-en-l'air, libraire - editeur 1880."— „Die Wohlthat des F____s erkläret: Oder die Fun¬damentall Ursache der Kranckheiten, denen das schöneGeschlecht so sehr unterworffen zu seyn pfleget, unter¬suchet: Wo a posteriori bewiesen wird, daß die meisteninnerlichen Besch wehrungen, so ihnen anhängen, solchenFlatulentzen und Blehungen, denen nicht zu rechter ZeitLufft gemacht wird, zuzuschreiben: und in SpanischerSprache abgefasset von Don Fartinando PuffendorfiProfessor Bumbast, auf der Universität Crackau. Nunaber dem deutschen Frauenzimmer (so kein Holländischverstehet) zum Besten, auch ihrer Frau Mutter-Spracheanvertrauet. Von Flatulent Puffendorff GeheimenKammer-Diener und F—löh-Fänger der Gräfin vonSeufzer-Hayn in Hinter-Pommern. Langfart in Irland,bey Simon Bumbumbard, in der Windmühle der Quat¬scherstraße gegenüber," 1738, 8°, 16 S.In dieser kleinen, nur 16 Seiten starken Schrift mitdem ellenlangen Titel soll bewiesen werden: 1. Naturund Wesen der Fürze; 2. deren üble Folgen; 3. die

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Rechtmäßigkeit der Fürze; k- die vielen Vorteile,welche die Duldung nach sich ziehen. Ein sehr lang¬weiliges Büchlein, das sich mit den französischen Pro¬dukten nicht im entferntesten messen kann.K. J. Weber widmet das ganze neunzehnte Kapitel deszwölften Buches m seinem „Demokritos oder hinter-lassene Papiere eines lachenden Philosophen" 10 demCrepitus. Er nennt es das „Kapitel Pfui" und beweistdarin, daß er in dieser Materie sehr wohl zu Hausewar. In der Furzliteratur ist er bewandert wie kaumein zweiter, und die eingestreuten Anekdoten über denSpiritus de retro könnten ganze Seiten eines Witz¬blattes „Nur für Herren" füllen, die das Lachenzu schätzen wissen. Auch er kennt genau die Klassifi¬kation der Fürze und weiß von 62 Modulationen zu be¬richten, weshalb er auch der Dame, die zu einemHerrn in der Gesellschaft sagt: „Rückt nur immermit dem Stuhle, den rechten Ton werdet Ihr dochnicht finden", entschieden recht gibt Als vorurteils¬freier Geist will er der Natur ihr Recht lassen undempfiehlt, in schlaflosen Nächten, seine Finger zurKlappe seines eigenen teuren Windinstruments zu ge¬brauchen.Das neueste deutsche Werk ist „Historia naturalisvaporum edita S. Webesio", 7. Auflage, 8°, 54 S., beiRainer Wunderlich in Leipzig. Es ist nicht, wie derTitel vermuten lassen könnte, lateinisch, sondern inkernigem Deutsch abgefaßt. Der Innentitel des Heft¬chens sagt das denn auch: Nicht Lateinisch — sondernDeutsch. Historia naturalis vaporum ex humano cor¬pore effluentium in usum Gymnasiorum et Acade-miarum e Podicibus optimorum virorum illustrata16 6. Aufl. Stuttgart i858, Bd. 12, S. 295.

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edita a S. Webesio Liberalium Artium Illustri lumineetc."

Ein vom Standpunkt des Technikers aus geschriebenesWerk bietet Franz Maria Feldhaus: „Ka — Pi — Fuund andere verschämte Dinge. Ein fröhlich Buch fürstille Orte mit Bildern, Privatdruck, Berlin-Friedenau1921, 8°, 320 S." Es bietet amüsante Anekdoten überden Stoffwechsel und die dafür geschaffenen Räum¬lichkeiten. Auch vom kulturhistorischen Standpunktaus sehr interessant zu lesen.Sonderbarerweise ist das Motiv des Flatus in der schönenLiteratur so gut wie gar nicht behandelt worden. In einerder Legenden der Nonne Roswitha von Gandersheim,der „Passio St. Gongolfi martyris", einer Ehebruchs¬geschichte, findet sich bereits das skatologische Mo¬ment vertreten, und hier wird dem Crepitus eine höchstwirksame Rolle zugeteilt. Die Ehebrecherin, die ihrenGemahl hatte ermorden lassen, spottete darüber, alsman ihr berichtete, daß an seinem Grabe sich aller¬hand Wunder zeigten:

„Was ist das für ein Possenspiel,Die Wunder mir zu preisen,Die emsig dir erweisenDes Gongolf glänzendes Verdienst!Was man erzählt, besteht fürwahrDie Wahrheitsprobe nicht:Denn seinem Grab gebrichtDie Wunderkraft geradeso,Wie Wunderzeichen staunenswert

Jemals hervorzubringen,Wird noch an mir gelingenDes Rückens allertiefstem Teill"Kaum war entfahren ihr das Wort,

17 Vgl. Hayn, VIII, 328; Gotendorf, Bibliotheca Germanorumerotica, München igi4-

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So folgt ein Zeichen nach,Wie es der Art entsprachDes angeführten Körperteils:Sie ließ in schändlichem GetönVernehmen einen Laut,Den anzugeben grautDem schamhaft stummen Munde mein,Und brachte fernerhin, so oft

Sie nur ein Wort verlor,Auch dabei wieder vor

Unfehlbar diesen garst'gen Ton,Auf daß sie, die nicht nach GebührDie Scham bewahren wollte,Zum Anlaß iverden sollte

Vnmäß'gen Lachens überall,Indem sie ihre LebenszeitBis hin zu ihrem TodAn sich zu merken botDie Strafe ihres Lästermauls 1S.

Roswitha hatte die Sage von Gangolf und seiner bösenFrau durchaus ernst behandelt. Der neuzeitliche Dich¬ter weiß mit solcher übertriebenen Ernsthaftigkeitnichts mehr anzufangen. Er kann seine Skepsis nichtverkneifen und macht über das seltsame Ereignis seinespöttischen Glossen. Heinrich Gottfried von Bret-schneider schrieb, um derartige abgeschmackten Heili¬gengeschichten der Lächerlichkeit preiszugeben, seinen„Almanach der Heiligen auf das Jahr 1789", in demer sich mit dem in Rede stehenden Thema folgender¬maßen abfindet:

Im Temporum fasciculusKann jeder Leser lesen.Wie fromm der heil'ge Gangulph ivar,Wie bös sein Weib gewesen.Als Witwe ward sie Sängerin,Mit Gunst, daß ich's erzähle,

18 W. Leonhardt in Anthropophytheia, VIII, S. 4oi.

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Sie sang mit ihrem Hintern soWie Mara mit der Kehle.Gäng's unsrer Sopranistin so,Seufzt hier der fromme Dichter,Ich hörte nicht, ich schaute nurDie fleischernen Gesichter.

In den mittelalterlichen Schwänken und Fabliaux fin¬den sich selbstverständlich Derbheiten in Hülle undFülle. Wird aber das Bereich der Skatologie betreten,und das geschieht Tag für Tag, so wird gleich mitder hanebüchensten Grobheit aufgewartet, und die Ex¬kremente werden sogleich zum Spielball von den rüdenPossenreißern genommen. Mit einem einfachen Flatusweiß der „Dichter" nichts anzufangen.

Dem modernen Empfinden entspricht diese ungenierteOffenheit weniger. Man verlangt Witz, der jeder Natür¬lichkeit das Beleidigende nimmt. Deshalb ist auch dasskatologische Element in der Gegenwart nicht allzu starkvertreten.

Nur Karl Ettlinger hat im Jahrgang 1911 der „Ju¬gend" den Flatus zum Gegenstand einer hübschenGeschichte genommen. In Balzacs „Tolldreisten Er¬zählungen" (Contes drölatiques) ist mancher skato¬logische Zug mitverwertet, ja einige direkt skato¬logische Geschichten finden sich darin. Hierher gehörtbeispielsweise die Geschichte von den „Drei Gaunern":„In der Vorstadt Notre-Dame-la-Biche wohnte ein hüb¬sches junges Mädel, das neben den Schönheiten, diedie Natur ihr verliehen, auch noch einen schönenHaufen Gulden besaß. Als sie in das Alter kam, wosie die Last des Ehestandes tragen konnte, stellten sichso viele Freier ein, wie es zu Ostern Kupferstücke gibtim Opferstock des heiligen Gratian. Dieses Mädel er-

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wählte sich einen, der, mit Respekt zu vermelden, amTage und in der Nacht so viel leistete wie zwei Mönche.Sie waren bald einig, und die Hochzeit wurde fest¬gesetzt. Aber je näher die Brautnacht heranrückte, umso unbehaglicher wurde der Braut, denn sie litt aneinem Fehler ihrer unterirdischen Leitungen, wodurches kam, daß sie ihre Dämpfe mit einem Knall abließ,als wenn eine Bombe platzte.Sie fürchtete, daß die Winde ihr in der ersten Nacht,wo sie doch an ganz andere Dinge zu denken hatte,zu schaffen machen würden. Deshalb entschloß siesich, die Sache ihrer Mutter anzuvertrauen, vielleichtdaß diese Rat wüßte. Die gute Frau sagte ihr, daßdiese Schwäche ein Erbfehler sei, und daß sie inihrer Jugend nicht wenig daran gelitten habe. Inspäteren Jahren habe Gott ihr die Kraft verliehen, dasVentil nach ihrem Gusto zu öffnen oder zu schließen,und vor sieben Jahren sei ihr der letzte entwischt,gleichsam als Lebewohl für ihren Mann, der gerade indiesem Augenblick gestorben wäre. ,Aber', sagte siezu ihrer Tochter, ,sie habe von ihrer Mutter ein sicheresMittel erhalten, um diese überflüssigen Winde zuunterdrücken und ohne Geräusch entweichen zu las¬sen. Wenn die Winde dann nicht riechen, so merktkein Mensch etwas davon. Es ist dazu nur nötig, daßman sie am Ausgang sammelt und dann auf einmalentweichen läßt. In unserer Familie nennt man das:einen Furz erwürgen.' Die Tochter war froh, dieseKunst erlernt zu haben, dankte ihrer Mutter, tanzte amIlochzeitsabend nach Herzenslust und sammelte dieWinde in ihrem Darm an, wie der Bälgetreter in derOrgel Wind ansammelt vor dem Beginn der Messe.Bevor sie ins Brautgemach ging, wollte sie alles zu-

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gleich abstoßen, aber die Winde hatten sich eine andereZeit für ihren Ausgang vorgenommen. Der Gatte kam;ich überlasse es euch, auszumalen, wie sie sich demlustigen Gefecht überließen, in dem man, so man gutbeschlagen ist, aus einem Ding tausend machen kann.In der Nacht erhob sich die Neuvermählte, da sie einkleines Geschäft zu erledigen hatte. Gerade wollte siewieder ins Bett steigen, da ging eine Kanonade los, daßihr, wäret ihr zugegen gewesen, gleich mir gedachthättet, die Vorhänge würden zerreißen.

,Ach, das habe ich nicht gut gemacht', sagte sie.

.Sapperlot,' sprach ich zu ihr, ,mein Liebchen, dumußt ein wenig sparsamer damit umgehen. Mit diesemGeschütz kannst du im Kriege viel Geld verdienen.' JEswar nämlich meine Frau ..."

Zahlreich aber sind die Rätsel und Anekdoten, diesich mit dem Crepitus beschäftigen. Schon die altenGriechen wußten einen skatologischen Witz zu schät¬zen. In der nur fragmentarisch überlieferten Komödie„Sphingokarion" des Eubulos findet sich folgendesRätsel:

„A: Es gibt ein Ding, das tönt ohne Zunge, hat für männ¬liches und weibliches Geschlecht denselben Namen, isteigener Winde Wärter, behaart, manchmal auch glatt,Unverständliches den Verständigen sagend, eine Melo¬die nach der anderen blasend. Eins ist es und doch vie¬lerlei, und wenn man es durchstößt, bleibt es unver¬wundet. Was ist dies? Weißt du's nicht? — B: Kalli-stratos ist's. — A: Es ist der After. — B: Du redestUnsinn. — A: Doch, denn eben der Hintere tönt ohneZunge, ein Ding für viele Verrichtungen, durchbohr¬bar, ohne verwundet zu werden, behaart und glatt und

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(stimmt's nicht?) vieler Winde Bewahrer 188 ." Weitzahlreicher aber sind derartige Scherzfragen bei denFranzosen anzutreffen. In Bousaults Lustspiel „Le Mer-cure galant" wird zum Beispiel dem Publikum bei offe¬ner Bühne folgendes Rätsel aufgegeben:

Je suis un invisible corpsQui de bas lieux tire son etre,Et se n'ose faire connaüre,Ni qui je suis, ni d'oü je sors.Par moi Fun des sens est toucb.6D'unc treu maligne influenae,Et Von rougit de ma naissance,Comme on rougirait d'un Peche.Quand on m'öte la libertePour m'echapper j'use d'adresse,Et deuiens femelle trailresseDe male, que j'aurais ete.

Weber, der uns von dieser Aufführung in Rastatt(XII, 3o2) berichtet, fügt hinzu, daß die Schauspielervor Kichern kaum weiterspielen konnten. Daß es sichbei dieser Art theatralischer Freiheit nicht um einenEinzelfall handelte, bestätigt uns J. F. Castelli 18b. Erberichtet hier von einer Vorstellung im Kreuzertheaterzu Pest im Jabre 1809: „Man gab die ins Abscheulicheübersetzte Turandot oder die drei Rätsel, mit dem Bei¬satze: wobei Kasperl auch einen tüchtigen ,Ratzen' los¬lassen wird."Von dem oben erwähnten Gedicht gibt es wiederum dreiVarianten, zwei französische und eine deutsche. DieVaterschaft der einen wird dem Abbe Colin zugeschrie¬ben. Sie lauten:

18,1 Paul Englisch, Geschichte der erotischen Literatur. Stuttgart,Julius Püttmann, 1927. S. 33.18b Memoiren meines Lebens. Herausgeg. von Dr. Josef Bindtner.München, Georg Müller, 1913. Bd. I, S. 151.

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Je suis un invisible corps,Qui de bas Heu mon estre tire,Et personne a peine ose direNy que je suis, ny d'ou je sors.Je parle et me tais ä la fois,Et bien souvent lorsqu'on me presseJe deviens femelle traitresseD'hardi maslc que je serois.Aucun ceil ne me voil jamais,Je suis plus fragile qu'un verre.Mon bruit imite le tonnerreEt je suis le bruit que je fais.

Das andere lautet:

Par moy l'un des sens est touche"D'une tres facheusc influence,Et Von rougit de ma naissance,Gomme on rougirait d'un peche.Un poete eut sept villes pour soyDont chacune s'en disoit mereMais de qui sc fit pour HomereJamais ne me fera pour moy.Je n'ay ni lustre ni splendeur,J'ay des soeurs qui donnent ä voire,Je suis en fort mauvaise odeur,Et si Von parle de ma gloire.Mesdames, dont l'esprit charmantDe m'expliquer ose entreprendre,Gardez-Vous bien de vous mesprendreEt de me faire en me nommant.

Und das deutsche Rätselgedicht heißt:Aus unbekanntem Ort und einem dunklen HausAls wie der Donnergrimm fahr' ich mit Schall hinaus.Die nächsten jag' ich weg, die meiner heftig lachen,Und wenn ich schleichens komm', kann ich Gezanke machen.Ich bin Wind, Geist, blind, stumm und lasse mich doch hören,Bin leichter als die Luft, und kann doch auch beschweren.

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Viel Väter hob' ich zwar, doch eine Mutter nur,Die mich verleugnen will, um mich tut manchen Schiuur,Daß ich von ihr nicht bin. Es will mich niemand lieben.Mit meiner Gegenwart hob' ich gar viel vertrieben.Hütt' ich in der Geburt mich nicht so sehr gebückt,Die Mutter hätte mir das Blättchen eingedrückt 19 .

Hübsch ist auch das folgende französische Rätsel¬gedicht:

Je mcurs au meme instant que je commence a naistrr.Je suis toujours coupable, et ma mort seule.rn.entMe peut justifier du mauvais sentimentQue j'ay donne de moy des le point de mon estre.J'offense et quand je parle et quand on me fait taire,Je suis plus dangereux quand je deviens plus doux.Je nais avec eclat au sentiment de tous,Cependant ma naissance est honteuse au mon pere.Avecques les petits je gronde et parle en maistre,Mais avecques les grands je suis plein de respectEt souvent, sans parier, je me fais bien connaitre.Quant pour etre inconnu parfois je me deguiseLe plus hardi me craint et n'ose m'approcher,Mais on me fait a tort, estant mauvais archer,Car je scay que jamais je ne frappe ou je vis 20 .

Das ureigenste Gebiet der Skatologie ist ja bekanntlichFrankreich. Welches andere Land könnte dieses doch

immerhin einförmige Thema so variieren, ihm witzigeSeiten abgewinnen, als gerade Frankreich? Eine kleineversifizierte Erzählung mit treffender Pointe sei hierwiedergegeben. Sie findet sich in „Les Fanfreluch.es,Contes Gauloiseries par Epiphane Sidredoulx, Presi¬dent d'honneur de l'Academie de Solteville-Les-Reouen".

Bruxelles, Gay et Douce, Edileur 1879, S. i5—18, undbetitelt sich:

l» Anthropoph., II, S. 81.20 Recueil des Enigmes de ce temps, Paris, Guillaume de Luyn.es1635, II. Enigme; Bibl. scatol, 72.

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La belle ImperiaLe beau pays que l'Italie!Son air est doux, son ciel est bleu;Et, sur cette lerre de feu,Force est d'aimer ä la folie,D'adorer ou la femme ou Dieu.

Helas! trop souvent pour nos ämes,Nos cceurs legers s'en vont aux jemm.es,Comme les mouches vont au miel,Et, mime ä la parte du ciel,Se laissent piper par les dames.Rome, ce seuil du paradis,Cette ville papale est sainte,Sous Jules trois et Leon dixAurait fait envie ä Corinthe:Le palazzo, l'osteriaTout regorgeait de courtisanes.Parmi ces deesses profanes,Brillait surlout Imperia.C'itait la belle entre les belles,Ses appas etaienl sans rivaux;Meme parmi les cardinauxElle trouvait peu de rebelles,Tant eile avait d'inventions,D'attraits, de science profonde,De diabloques tourdions,Pour seduire et damner le monde.C'etait chaque jour, chaque nuit.Nouveau moyen, nouveau deduit,Parquoi chaque amant de passage,Tantöt berne, tantöt seduit,Riait d'abord s'il etait sage,S'il Stait sot restait vaincu.

Un soir, au prix de maint ecu(Mille, dit-on, payes d'avance),De Lieme, ambassadeur de France,Eut une nuit d'lmpiria.Sensible ä si noble conqueie,

Pour lui la belle deployaSes plus brillants atours de feie.Grand, luminaire, souper fin.Lit de brocard et de satin,Coquelte et Ugere parureVoilant ä demi la naturePour mieux exciter les desirs,Yeux anim6s par la luxure,George provoquant aux plaisirs,Corps apte et duit ä la manoeuureDes exercices de Venus,Baisers donnes et retenus,Imperia mit lout en ceuvrePour plaire au genereux Francais.Apres trois ou quatre succes,Remporlis non sans escarmouche,Comme ils demeuraient bouche ä bouche,Plonges dans le ravissementD'une extase ardente et muette,Un eclatant crepitementSortit du fond de la coucheUe.— Ah! peslel s'ecria l'amant,Quel tarantara de trompettelCela promet de la civette.Le gaillard doit sentir son fruit,S'il a l'odeur pareille au bruitlJe vois qu'un putain romaine,Comme une Francaise est sans gene.— II en peut etre ainsi chez nousUne nourriture choisieNous fait distiller l'ambroisie.

En parlant, eile ouvre les draps,Et tout ä coup une odeur d'ambreS'exhale en parfüm dans la chambre.De Lieme la presse en ses brasPour faire oublier son offense;Et bruits alors de retentir,Parfüms de se faire sentir,Et de Lieme, sans rien comprendre

A ce charmant bombardemenl,A plein nez aimait ä le prendre.Qu'itait-ce donc? Tout simplementPetits ballons remplis d'avanccDa la plus delicate essence,Qu'Imperia, subtilement,D'un petit coup, avec adresse,Faisait eclater sous sa fesse.

Apres mainls ebats on s'endort,Quand un coup de foudre qui sorl,En sursaut rSveille de Lieme,Sous la courtine il met le nePour mieux flairer le nouveau-ne.II aspire .... Ah! sois-je damne,Si jamais soufre de l'Averne,Soupirail puant de l'enfer,D'odeur plus forte embauma l'air!— Branl s'ecria-t-il. Par saint George,J'en au jusqu'au fond de la gorge.Jamais ne fus tont infecte.Dans le lit le diable a fiente.— Foinl dit la dame peu marrie,M'allez-vous intenter procesPour cette autre galanterie?Je vous au fait un vent francaisPour vous rappeler la patrie.

Man vergleiche gegenüber diesem von Witz sprühendenfranzösischen Produkt das folgende deutsche Elaborat!Hier ist es die unverblümte Deutlichkeit, die Häufungder scheinbar im unverfänglichen Sinne gedachten Hin¬weise auf die Dinge, die man „gehen lassen kann". Die¬ser Brief, den ein mährischer Dorfschulmeister voretwa sechzig Jahren an seine Behörde gerichtet habensoll, wurde in der k. k. Statthaltereikasse zu Brünn am11. Juli 1866 vorgefunden und das Original dem KönigWilhelm I. von Preußen, dessen Hauptquartier sich

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nach der Schlacht von Königgrätz in Brünn befand, aus¬gehändigt, welcher den Brief beim Diner vom GeheimenHofrat Schneider vorlesen ließ.

Der wortgetreue Inhalt des Briefes war folgender:

Wohlgestrenger Herr Amtmann!

Ew. Wohlgeboren Gestrenger geruhen mir nicht übel zunehmen, daß ich Dieselben mit diesem billigen Anliegennoschiere (molestiere), und mich beklagen muß, daß dieLeute gar keine Kinder in die Schule wollen gehen lassen,obschon jetzt keine Feldarbeit ist. Meine Besoldung trägtwenig ein, so daß ich mich mit Weib und Kind kümmerlichdurchbringen muß.

Der Urban Bohling läßt einen gehen, das wäre einer,Mathias Huth läßt auch einen gehen, das wären zwei, derKirchvater läßt ebenfalls einen gehen, das sinter drei,der Heinrich Schneider hat einen großen gehen lassen,der Fischer ebenfalls einen großen, das sinter fünf, derFischer hat außerdem noch einen, den er könnte gehenlassen, und tut es doch nicht. Der Martin Schulz läßteinen gehen, aber nicht immer; das wären endlich sechs.Der Hans Krebs hat drei und läßt doch keinen gehen. DerNachbar Seppel Stichs hält sich am besten, er läßt dreiauf einmal gehen, das sinter endlich neun. Die Michel Sep¬pel Muhme läßt auch einen kleinen gehen, das sinter zehn;sie wollte einen großen gehen lassen, aber das war ihr nichtmöglich. Ich habe den Michel Seppel freundlichst ange¬redet, warum er nur einen gehen läßt, und er gab mir zurAntwort, daß es ihm nicht allemal möglich wäre —■ undeinen möchte er überhaupt bei sich behalten, wenn er ein¬mal in Verlegenheit wäre. Der Pohl ließe gern einen gehen,aber er ist immer krank, und da geht es nicht; er hätteihn vielleicht schon gehen lassen, aber seine Mutter hat ihmabgeraten. Ich mein aber, wer einen hat, der soll ihn gehenlassen, denn zu Hause sind die Schelme doch nichts nützeund verursachen nur Ärger. Der Müller Berthold läßt zwarauch einen gehen, der stinkt aber vor lauter Faulheit. Dassinter elf.

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Wenn also heule einer einen gehen läßt und der anderemorgen, was kommt da heraus? — Daher bitte ich Ew.Wohlgeboren gestrengen Herrn ganz unterthänigst, sichmeiner meines zu erbarmen und zu befehlen, daß jeder, dereinen hat, ihn gehen läßt, damit viele gehen und einer denandern nicht hindert, denn das bringt kein Gut', den Wei¬bern aber aufzugeben, daß sie dieselben nicht aufhaltensollen wie die Wallauer, denn er, der Wallauer, hat einengehen lassen, aber sie hatte ihn unterwegs aufgehaltenund nach Hause geführt. Also dürfen Ew. gestrenger Herrmir keine Schuld geben, so wie auch ich keinen Fleißspare.

Auch habe ich anzuzeigen, daß die Leute hier großeSäue sind, weil sie an der Kirche herum Unreinlichkeilenmachen. Da wäre denn meine Meinung, daß sich das Amtdareinlegen sollte. Und bei der Musik tanzen die Weibs¬bilder so toll, daß ihnen die Kittel bis auf den Kopf schla¬gen, da sollte doch die Geistlichkeit eine Ansicht davonnehmen. Auch besaufen sich die Bauern so toll und sovoll, daß sie speien, da sollte doch der Richter sein Maulaufmachen und solche Sachen dem gnädigen Herrn vor¬tragen. Auch wird in den Nächten soviel gestohlen, daßkein Mensch mehr etwas hat. Die Obrigkeit muß besserwirken, sonst giebl's kein gutes Ende.

Ich bitte also und hoffe auch, daß Ew. Wohlgeboren ge¬strenger das Beste thun und darüber einen scharfen Befehlwerden ergehen lassen.

AchtungsvollEw. Gnaden unterthänigsler

HarrasLehrer und Cantor.

Derartige skalologische Scherze und Anekdoten sindheute noch immer gesellschaftsfähig — unter der Vor¬aussetzung, daß plumpes Vorbringen vermieden wird.Man verstößt mit keinem Worte gegen den Takt und ver¬steht doch, alles Wünschenswerte mit der erforder¬lichen Deutlichkeit auszudrücken. Als charakteristische

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Beispiele wähle ich zwei Anekdoten aus dem „Ulk", derWochenbeilage des „Berliner Tageblatts":

Die gepreßten TöneMax Reger, der große, allzufrüh verstorbene Tonkünst¬

ler, dirigierte einst ein Orchester vor einer fürstlichen Dame.Als Abschluß des Konzertes ließ er eine musikalische Hu¬moreske spielen, wobei die Bläser ihren Instrumenten ganzeigentümliche schnurpsendc Töne entlocken mußten.

Nachdem der rauschende Beifall verklungen war, zogdie Fürstin den Dirigenten leutselig in ein Gespräch undfragte ihn schließlich: ,,Sagen Sie, Herr Musikdirektor,diese sonderbar gepreßten Töne, welche die Musiker in demletzten Stück hervorbrachten — machen sie das mitdem Mund?"

Max Reger lächelte nur etwas sarkastisch und sagte:„Ich hoffei"

Drei Sdirote

Max ißt Fasan.Eine große Portion.Max verschluckt drei Schrotkörner.Max geht schlafen.In seinem Zimmer schläft auch Treff, der Jagdhund.Am nächsten Morgen ist der Hund tot.Erschossen.

Der AutographenjägerEin österreichischer Staatsmann wurde in Marienbad von

Schwärmern und Autographensammlern überallhin ver¬folgt. Selbst an einen ganz „weltfernen" Ort kamen dieBittsteller.

Ein Unentwegter klopfte dort an: „Verzeihen S', HerrGraf, meechten S' mir nicht 'n Autogramm dedizieren?"

„Haben S' Papier . . . Papier . . . Papier?" fragte nervösvon drinnen der Staatsmann, der in diesem drängenden

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Augenblick an alles andere, nur nicht an seinen Namens-zug dachte.

„Aber versteht sich", erwiderte in höchster Rage derAutographentiger.

„Na, da geben S' unten durch", sagte der Graf.Es geschah. Der andere schmunzelte.Eine Viertelstunde später trat sichtbar erleichert und

lächelnd der große Mann heraus. Der kleine Mann ver -beugte sich tief: „Darf ich freundlichst um mein Papierersuchen?"

Der Staatsmann erwiderte verwundert: „Aber, besterHerr, s o sehr verehrn dürfen S' mi nun doch nicht!"

E. H. S.

Auch die neuzeitlichen Rätsel, in denen sich das Volkmit dem Crepitus befaßt, sind überaus zahlreich.Ich führe nachstehend einige Beispiele an, wobei ichmich natürlich nur auf charakteristische Proben be¬schränken kann:

1. Was ist der Furz für ein Landsmann? (Ein Darm¬städter.)2. Was hat der Furz für eine Religion? (Er ist einQuäker.)3. Wie kann man den Furz am meisten ärgern? (Wennman durch ein Sieb furzt, dann weiß er nicht, beiwelchem Loch er hinaus soll.)l\. Wie kann man einen Furz in fünf Teile teilen?(Man bläst ihn in einen Handschuh.)5. Ich gebe dir in jede Hand einen Spatzen, es kommtdir einer aus. Wieviel bleiben dir? (Zwei, ausgekom¬men ist der Furz.)6. Was ist spitzer als die Nadel? (Der Furz, er gehtdurch die Hose und macht doch kein Loch.)7. Was ist ein Furz? (Ein unglücklicher Versuch, denHintern zum Sprechen zu bringen.)

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8. Welcher Fisch farzt einen halben Ton tiefer als dieandern? (Der Barsch, denn er hat ein „b" vorm Arsch.)

Ebenso hat der Volksmund Hunderte von Sprichwör¬tern, die den Furz als tertium comparationis erwähnen.Auch hierfür nur einige Beispiele:1. Eigene Fürze riechen wohl.2. Er macht aus einem Furz einen Donnerschlag! sagtman von einem aufschneiderischen Menschen.3. Er ist keinen Furz wert! als Zeichen der Verachtung.Ii. Jeder Furz kommt ihm in die Quere! sagt man voneinem Cholerischen.5. Man würde eher einen Furz aus einem toten Eselherausbringen als ein Wort von ihm! womit maneinen Schweigsamen bezeichnet.6. Man muß nicht starker farzen wollen, als der Arsvermag, das heißt: Schuster, bleib bei deinem Leisten!7. Aus Liebchens Arsch riecht lieblich auch der Furz.

Anekdoten, die sich mit dem Furz befassen, sind ver¬hältnismäßig gering, wenn man das große Kontingent,das die Skatologie für die übrigen Gebiete liefert, da¬neben steUt. Einige wenige seien wiedergegeben:1. Einem Barbier kommt beim Basieren einer aus.„Das ist aber eine musikalische Stube," sagt der ebenrasierte Jude, „da kann man was aus dem ,Barbier'hören." — „Geben S' Ihrer Frau Mutter einen Badi zuessen, dann können S' was aus der ,Jüdin' hören!" ent¬gegnet der schlagfertige Barbier.2. Bei einer Gräfin war eine Gesellschaft zum Teeversammelt. Ein ungarischer Major (wohl der Mikosch)machte der Hausfrau stark den Hof, und als der Dienerkam, zum Tee zu bitten, sprang der Major auf und botder Gräfin den Arm. Als beide zur Tür des Neben-

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zimmers gelangten, wollte aber niemand die Tür zu¬erst durchschreiten, und so kam es, daß plötzlich beidezwischen der schmalen Tür steckten und der Major beidieser Gelegenheit einen fahren ließ. „Ah, so was istmir aber noch nicht passiert!" rief entrüstet die Gräfinaus. „Jo, is Ihne dos passiert?" fragte der Ungar,„hob ich geglaubt, is mir!"

3. Dr. von Waldheim 2* bringt ein sehr unappetitlichesGeschichtchen, in dem von einem Knaben erzählt wird,der jeder Frauensperson unter die Röcke kroch. Umihn davon zu heilen, aß die Magd eines Tages Sauer¬kraut, Zwiebeln und Heringe, und als der Knabewieder seiner Leidenschaft nachging, wurde er von denDüften, die sich unter den Röcken gebildet hatten,derartig entsetzt, daß er für immer von seiner Leiden¬schaft geheilt war.[\. Ein alter Herr, erzählt eine deutsche Anekdote desachtzehnten Jahrhunderts 22 , saß bei einem Gastmahlan der Seite einer alten Dame, die furchtbar vonRlähungen heimgesucht wurde und mit leisen Windendie Geruchssinne ihres Nachbarn sehr unangenehmberührta Ärgerlich hierüber, und da es ihm gelegenkommt, läßt er ganz laut einen treten. Die Gesellschaftist empört über solchen Frevel. Aber ganz gefaßterhebt sich der Übeltäter und spricht: „Meine Herrenund Damen, entschuldigen Sie, aber ich habe nur lautausgesprochen, was meine Nachbarin mir beständigzuflüstert"

21 In Anthropophytheia, VI, 221. Die vorstehenden Anekdotensind ebenfalls den Anthrop., II, S. 3i—64 und 207—208, dieSprichwörter Dr. Kainis, Die Derbheiten im Munde des Vol'ces,Leipzig, o. J., entnommen.22 Aus einem handschriftlichen Exemplar der „Canthariden".

ÖO

Auch unsere Altvorderen mögen hier zu ihrem Rechtkommen. Montanus berichtet uns in seinem „Weg-kürtzer" folgenden Schwank:Ein Baur läßt (mit Gunst zu melden) ein Furtz undspricht zum Teuffei, er soll ein Knopff daran machen.Ein verwegner, böser Bauer saß in einem Dorff, dervil Güter helt und sehr reich war. Nun war es ebenum die Ernd, das er solt Schnitter auf dem Veld haben,die ihm das Korn und ander Frucht abschnitten. Sothauret ihm das Gelt übel, das er den Taglönern gebensolt, derhalb er Tag und Nacht trachtet, wie er dochsolche Frücht on sein Kosten möchte heim zu Hausbringen. Und in solchem seinen Betrachten, kam derTeufel in Menschen Gestalt zu ihm und fraget ihn,warum er doch in so großen Ängsten lag, er solte ihmanzeigen, ob er ihme möchte behilflich sein. Der Baursagt: „Lieber Bruder, ich hab vil Frucht auff demVeld, die soll ich nun alle Tag abschneiden und heim-füren lassen, so thauret mich nur das Gelt. Darumbvermeinest du mir einen guten Rhat zu geben, sothue es!" Der Teuffei sprach: „Wann du hernachermein wilt sein, so wil ich dir die Frucht alle zu Haussefüren." Der listig Baur, der wol getrawet den Teuffeizu betriegen, bald antwort und sprach: „Wann du dreyDing wilt tun, die ich beger, so wil ich hernacher mitdir, wa du hien wilt." Der Teuf fei war solchs wohlzufriden und fraget, was er thun solt. „Wolan," sprachder Baur, „dieweil du dich solches underwunden hast,so geh hien und thu mir alle Frucht on Schadenherein, die auff dem Veld stond! Wann solches ge¬schehen, will ich dir weitere sagen, was du thun solt."Der Schwartzman, den solchs nit schwer däucht, baldhienging und die geheißenen Ding verbracht und bald

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wider zum Bauern kam, ihn fraget, was das dritt undletzt were. Nun hett der Baur am Morgen fru roheRüben gessen, davon er wol fartzen mochte. Derhalbeinen großen Furtz ließ und zum Teuf fei sprach: „Hör,Bruder, fanden und mach ein Knopff dran!" Solcheswäre dem Teufel unmüglich, hienzoge und den Baurensitzen lies.

In Jakob Freys „Gartengesellschaft" 23 findet sichgleichfalls ein ergötzliches Schwänklein.Ein Burgermeister einer Statt ward zu der Hertzoginvon Osterreich geschickt, bottschaft zu werben. Undunter der Ovation und Rede entfur im, ich weiß nitwas, die Kochersperger nennet ein Furtz. Er bewegtsich nit darumb, sunder redt sein Werbung für sich.Die Fürstin nam sich dessen nit an, ob sie es gehörthette. Die Junckfrawen aber, die hinder der Fürstinstunden, lachtend und sahend einander an. Gleich baldso laßt aich iren eine vor Lachen, das sie nit ver¬beißen kundt, ein junckfrawen fürtzlin, das es knaltAls das der Burgermeister hört, sagt er: „Wolan,lieben Junckfrawen, lassends in der Ordnung herumgehn! Wann mich dann die Zal begreiffen würt, sowil ich wider anheben." Gleich wie er also standt-hafftig in seiner Red war und die Junckfrawen auchhet schamrot gemacht, hub yederman an von hertzenzu lachen.

23 Hrsg. v. J. Bolte, Stuttgart 1897.

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ZWEITER TEIL

Das Skatologische im Glauben und Brauch derVölker

I. Skatologische GottheitenDie Verehrung, die die Ägypter dem Dreck-, Stutz-,Mistkäfer oder dem Skarabäus zollten, ist ja bekannt.Außerdem besaßen sie, ebenso wie die Römer, ihrenGott der Darmwinde. „Crepitus", so berichtet ein Alter¬tumsforscher, „ist eine von den lächerlichen Gottheiten,welche die Ägypter verehrten, und vor dem sie mehrScheu sollen getragen haben als vor dem Serapis. Manhat seine Abbildung noch aus einem Karniol ge¬schnitten, wo er als ein junges Kind gestaltet ist,welches sich in der Stellung eines Menschen befindet,der Winde streichen lassen will und sich deswegen an¬strenget. Auf dem Kopfe hat es statt der Mütze einenDreckkäfer als ein sehr schickliches Sinnbild diesesGottes. Auf einem anderen irdenen Denkmale steht eraufgerichtet mit in die Seiten gesetzten Armen, wo¬durch er sich gleichsam drängt, die Winde loszu¬werden, die ihm in seinem aufgeblähten Bauche be¬schwerlich sind. Man hält aber diese ganze Gottheitfür erdichtet 1."Auch der israelitische und moabitische Baal-Phegor,dessen Kultus „mehr schmutzig als obszön" war, muß1 Benjamin Hederichs gründliches mythologisches Lexikon, worin-nen sowohl die fabelhaffte als wahrscheinliche und eigentliche Ge¬schichte der alten römischen, griechischen und ägyptischen Götterund Göttinnen etc., ansehnlich vermehrt und verbessert von Jo¬hann Joachim Schwaben. Leipzig in Pleditschens Handlung, 1770,S. 79,3; vgl. a. Bibl. scat. Nr. 3a.

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als skatologische Gottheit angesehen werden. DerDienst, den man ihm erwies, bestand in der Ver¬bindung des Aktes der Defäkation mit geschlechtlichenAusschweifungen 2, und „einige haben denjenigen inihm zu finden geglaubt, den man unter dem NamenCrepitus anderswo verehrt hat". „Peor" soll voneinem Stammwort herkommen, welches „zu Stuhlegehen" bedeutet. Daher wollen denn einige, die Ebräerhätten den moabitischen Gott des Donners, Baal-Roem,aus Spott den Gott der Bauchwinde genannt 3.Ebenso verehrten die alten Mexikaner in Tlazoltecotloder Ixcuina eine skatologische Gottheit, deren kopro-lagnistischen Ursprung Brasseur de Bourbourg mitfolgenden Worten bezeugt: „Tlacollecoil, la deesse del'ordure, ou Tlycolquani, la mangeuse d'ordure, parcequ'elle presidait aux amours et aux phisirs lubriques *."Jedenfalls kann es keinem Zweifel unterliegen, daßes wirklich einen Gott der Bauchwinde gab. Schon vorBourke haben sich andere Gelehrte in langen Abhand¬lungen mit dieser Frage befaßt. So erschien 1768eine „Oratio pro crepilu ventris, habita ad patres crepi-tantes ab Em. Martins Cosmopoli, ex typ. societatispatrum crepitanlium, Paris", welche Schrift M er derde Compiegne ins Französische übersetzte unter demTitel: „Eloge du Pet, disserlation Jiistorique, analo-mique et philosophique sur son origine, son antiquite,ses vertus, sa figure, les honneurs qu'on lui a renduechez les peuples anciens etc. Paris, Favre, an VII."

2 J. A. Dulaure, Des divinites generatrices ou du culte du phalluschez les Anciens et les Modernes. Paris 1885, S. 67 ff.3 Hederichs mytholog. Lexikon, a. a. 0., S. 4gg.1 J. G. Bourke, Scalologic Rites of all Nations. Washington 1891,S. 130.

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Die Römer besaßen sogar mehrere der hier in Fragekommenden Gottheiten:

1. Den Stercus, den Vater von Picus, den Erfinder derErddämpfe 5.2. Den Sterculius 6, Stercutus oder Sterculinus, dieGottheiten des Mistes. Man beglückte auch den GottFaunus mit diesen beiden Beinamen. Sterculius sollauch die Felddüngung erfunden haben, weshalb manihn den Gott des Ackerbaues nannte 7. Außerdem hatteer die Obhut über die Latrinen 8.

3. Weiterhin besaßen die Römer eine Dreckgöttin, dieVenus Cloacina. Ob sie ihr Verehrung angedeihenließen, ist natürlich eine andere Frage. Sie hatte ihrenTempel auf dem Comitium, der folgender Ursacheseine Entstehung verdankt: Als man einst eine weib¬liche Statue in einer Kloake fand und nicht wußte, wassie vorstellte, heiligte sie Titus Tatius, und weil sie inder Kloake gefunden worden war, nannte man sieCloacina. Indessen ist die Herkunft dieses Namensdurchaus nicht verbürgt.

2. Abergläubische GebräucheÜber dieses Thema liegt bereits eine umfassende Dar¬stellung vor: „Bourke, Der Unrat in Sitte, Brauch undGlauben der Völker" (Beiwerke zu den Anthropophy-theia, Bd. i). Ich verweise hierauf und kann michinfolgedessen nur kurz fassen.Sehr charakteristisch sind in dieser Hinsicht die süd-

5 Augustinus, De civ. Dei i. 18, c. l5.6 Macrobius, Satur. I, 7.7 Hederich, a. a. 0., S. 2261; Bourke, a. a. 0., S. 127—128.8 Lactant. Adv. gentes 1. 4-

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slawischen und magyarischen Gebräuche". Will manjemandem ein Leid zufügen, so nehme man Exkre¬mente, vergrabe sie auf einem Berge, nachdem manin das Loch vorher dreimal den Namen der zu bezau¬bernden Person hineingerufen hat und scharre dasLoch gut zu.Will man den Tod eines Menschen herbeiführen, sosperre man einen schwarzen Hund ein und gebe ihmbei abnehmendem Monde auf Brot etwas vom Spermades Mannes oder dem Menstrualblut der Frau oder vonihrer Nachgeburt oder von der Nabelschnur zu fressen,dann sammle man den Kot des Hundes, pulverisiereihn und mische ihn in die Speisen des Menschen, vondem man die erwähnten Dinge heimlich erlangt hatund dem man den Tod wünscht.

Will man eine Frauensperson unfruchtbar machen, soreibe man die Genitalien eines toten Mannes mit demMenstrualblut des betreffenden Weibes.

Impotenz kann dadurcli entstehen, daß man die Kraftbindet, indem man dem Schlafenden um die Geni¬talien ein Haar wickelt oder seinen Urin auf das Grabgießt. Dabei spreche man: Ich gebe dir das, was dunicht brauchst, ich nehme dir das, was er nichthaben soll.

Die größte Furcht bezeigt der Magyare vor den Hexen,da er ihnen die Macht zuschreibt, die ihnen unsym¬pathischen Menschen verzaubern zu können. Das besteZaubermittel erhalten diese Hexen, wenn sie ein Toten¬bein, auf das sie vorher ihren Urin lassen, mit Weih¬rauch füllen. Dadurch versetzen sie sich in die Lage,

9 Vgl. Heinrich von Wlislocki. Aus dem Volksleben der Magyaren.Ethnologische Mitteilungen. München i8g3.

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alle Türen öffnen und jeden Menschen einschläfern zukönnen. Wo die Hexen ihre Versammlungen abhalten,da wächst kein Gras mehr, da sie alles Grüne durchihren Urin vergiften. Um ihre unheilvolle Macht zubrechen, muß man sich folgender Mittel bedienen: Inder Nacht des i. Mai soll man bestrebt sein, etwas vonden Exkrementen einer Hexe zu erhalten. Diese Aus¬scheidungen soll man verbrennen und die Asche im Hausund Hof verstreuen. Dadurch wird man erreichen, daßkeine Hexe je mehr wieder da einkehren wird.

Im Kalotasceger Bezirk wirft am Vorabend des Georgs¬tages die Hausfrau ein Strohbündel, auf das sie urinierthat, auf das Dach., und das Haus ist geschützt vorHexenbesuchen. Läuft in der Georgsnacht ein Weibnackt um den Acker herum, so ist die Saat vor Hagelgeschützt. Dieselbe Anschauung findet man auch beiden indianischen Völkerschaften vertreten, was Long-fellow in seiner ,,Hiawatha" sehr anschaulich schildert.Die Magyaren vergröbern aber diesen sinnigen Brauch.Bei ihnen muß dabei der Mann in die vier Ecken desAckers urinieren, dann hat er weder Hagel noch Über¬schwemmung zu befürchten 10. In Vorpommern undBügen urinierte ehemals der Bauer ebenfalls auf demFelde, damit das Korn gut wachsen sollte 11.

Auch als Aphrodisiakon dient die Verwendung vonExkrementen: Kocht der Mann, sagt man bei den Ma¬gyaren, seinen Samen mit dem Urin des Weibes, das erbegehrt, und gibt er diesen Absud dem Weibe in dieSpeisen oder Getränke, so muß es ihm willig werden.

10 Anthrop., V, 280; Seligmann, Der böse Blick und Verwandtes,Berlin 1910, I, 3oo ff.11 F. v. Schlichtegroll in Anthrop., VII, 212.

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Hier liegt wohl die Anschauung zugrunde, daß diezwei eins sein sollen, daß eins in dem andern aufgehensoll, was sich am besten in der Redensart: Ich möchtedich vor Liebe fressen! manifestiert. Dem Liebendenist alles, was von der Geliebten kommt, rein und heilig,die Liebe bindet ihm Scheuklappen vor die Augen, sodaß ihm selbst der Kot der Geliebten lieblich duftet.Die „Kryptadia" und „Anthropophytheia" führen man¬ches bezeichnende Beispiel hierfür an. Ich zitiere hiernur eine Anekdote 12 : Ein Jüngling und ein verheiratetesFrauenzimmer gaben einander ein Stelldichein. DerJüngling verspätete sich, traf das Weib nicht mehr an,sondern ihren Dreck. „0 du schöner und süßer Leib,in dem du dich befunden!" und der Jüngling hub denDreck zu küssen an.

Um jemanden in sich verliebt zu machen, koche manseinen Urin. Der, dem es gilt, gerät in starken Schweißund wird um so verliebter, je stärker der Sud brodelt.Das Mittel wird auch angewandt, um Kranke inSchweiß zu bringen, doch muß man sich hüten, denheißen Urin zu plötzlich vom Feuer zu nehmen, dadas unfehlbar den Tod des Betreffenden zur Folgehaben könnte 13. Das gleiche Mittel, zur Liebe anzu¬reizen, kennt man auch im Banat. Hier trachtet dasMädchen, das einen Burschen fesseln will, um jedenPreis zu seinem Halstuch, zu seinem rechten Sockenund zu seinem Urin zu kommen. Das alles kocht sievon einer Mitternacht zur andern und gießt das Gebräuunter ihre Schwelle, über die er treten muß, wenn erzu irgendwelchen Geschäften schreiten will 14 . Auch

12 Anthr., VII, 4a5.13 Anthr., VII, 214.11 Anthr., VII, a 7 5.

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wenn ein Weib einem Manne von dem Wasser, womitsie ihre Geschlechtsteile gewaschen hat, zu trinken gibt,wird er wie rasend nach ihr* 5. Das gleiche glaubendie Weiber Bosniens und der Herzogowina zu erreichen,wenn sie einige Tropfen Menstrualblut mit Honig ver¬mischt, zu einem Teig aus weißem Mehl geknetet undgebacken, dem jungen Burschen zu verspeisen geben 15.Daß die Ausscheidungen des Körpers als Heilmittel an¬gesehen werden, hat Paullini in seiner „Dreckapotheke"ja anschaulich geschildert. Auch heute noch ist dieserAberglaube nicht ausgestorben. Nur einige Beispielefür viele:Bei den Südslawen gilt als Mittel gegen Ohrenschmer¬zen: Man lege sich mit dem Kopf auf die Türschwelleund mit den Füßen gegen die Stube und lasse sich vonseiner Patin seinen eigenen Urin ins Ohr gießen.Auch heute noch wird Kot und Urin als Heilmittelvielfach verwendet, und nicht nur bei weniger kulti¬vierten Völkerschaften, sondern auch in Staaten, diestolz sind auf die Fortschritte in ihrer Zivilisation.Schwindsüchtige trinken in Schlesien ihren eigenenUrin, um von der Krankheit zu genesen. Gegen dieGelbsucht soll ein äußerst ekelhaftes Mittel helfen,nämlich Läuse von dem Kopfe einer Person, die dengleichen Taufnamen führt wie der Patient. Diese sollenin einen Apfel gesteckt, und dieser soll gebraten ver¬zehrt werden. Doch noch nicht genug damit. Es bedarfdazu noch des Kotes dieses Menschen, den man an dieStelle des Dotters eines hartgekochten Eies verpflanzt.Dieses Ei muß heimlich unter das Altartuch gelegtwerden, damit der Priester drei Messen darüber liest

» Anthr., VII, 280.16 Anthr., VII, 282.

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Nach dieser Zeremonie muß der Patient das Ei neunTage, bei sich tragen 1Ca .Hildegard als Äbtissin des Klosters auf dem Ruperts¬berg bei Bingen, 1179 gestorben, rühmt in ihrem„Libri subtilitatum diversarum natur. crealur.", demältesten in Deutschland verfaßten Werk über Mönchs¬medizin, warmes Uterinblut einer Jungfrau als Mittelgegen Podagra 17. Und noch im siebzehnten Jahrhundertschreibt ein „Liebhaber der Medizin": „Die Schmerzendes Podagra stillet die monatliche Zeit einer Jungfrau,wenn man selbige warm darauf streichet 18." „Daß einerim Stechen und Turnieren allezeit obsieget: Nimm einStück von dem Hemd einer Jungfer, so zum erstenMale die Monatsreinigung bekommen. Wickle das inein neues Hosenband, so eine reine Jungfrau gemachet,und binde es auf die bloße Haut unter den rechtenArm, so wirst du die Wirkung spüren 19." Das Rezeptverrät aber nicht, ob das Mittel auch dann wirkt, wennder Gegner im Turnier sich des gleichen Amulettsbedient. Auch Urin einer Jungfrau hob alle Augen¬blendung auf und zerstörte dadurch alle Machinationender Magier 20.

16 " Nach dem Bericht der „Voss. Ztg.", Nr. l\i von 1728, wohntenzu Mecheln im österreichischen Brabant einige „Laboranten, welcheaus Menschenkot und Urin ein allgemeines Gesundheitsmittelmachen wollen".17 Gesta Romanoruni, übersetzt von J. G. T. Grässe, Leipzig igo5,cap. 115.18 H. L. Strack, Das Blut, München 1902, S. 29; Curieuse,Neue, seltene, leichte, wohlfeile, gewisse, bewehrte, nützliche, nö-thige, ergötzliche und Verwunderungswürdige Haus-Apotheke etc.Von einem Liebhaber der Medizin, Frankfurth am Mayn 1699.S. 5o.19 Dr. Heinr. Br. Schindler, Der Aberglaube dos Mittelaitors, Bres¬lau i858, S. i65ff.2" Schindler, a. a. O., S. 166.

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Eine originelle Heilmethode erzählt uns auch Brunlomevon Brusquet, dem Hofnarren König Heinrichs IL,Franz' II. und Karls IX. Als er einen Hofmann von

einer heftigen Kolik befallen sah, empfahl er ihmfolgendes prompt wirkende Heilmittel: „Ich stecke",sagte er, „in solchen Fällen einen Finger der Linken inden Mund, einen Finger der Bechten in die untereÖffnung, dann wieder umgekehrt, eine halbe Stundelang." Einen Beweis, wie zäh derartige Schnurren imGedächtnis des Volkes haften, bietet die Tatsache, daßsie noch in unserem Jahrhundert Friedrich den Großenin den Mittelpunkt dieses Begebnisses stellt. Der großeKönig hatte nämlich einmal ein Geschwür im Halse,das die Ärzte nicht zu schneiden wagten. Es würdeaber zum Aufbrechen kommen, wenn der Patient ein¬mal von Herzen lachen würde. Dieses Verdikt derÄrzte drang zu einem Korporal, der bei einer Besichti¬gung durch Friedrich seinen Leuten befahl: „Hosenrunter! Zeigefinger der Linken in den Mund, Zeige¬finger der Bechten in den Arsch!" Und nach einigenMinuten: ,,Wechselt!" Der beabsichtigte Erfolg sollauch prompt eingetreten sein.Von einer Heilung durch Urin weiß uns Diodor vonSizilien zu berichten: „Ein König von Ägypten, der seilzehn Jahren blind war, bekam vom Orakel den Bat,seine Augen mit dem Urin einer Frau zu waschen,die die Treue gegen ihren Mann niemals gebrochenhätte. Der König gebrauchte zunächst den Urin seinerGemahlin, darauf den Urin der Gemahlinnen seinerHofleute und den von vielen Weibern seiner Besidenz./Vllein keiner von allen verschaffte ihm sein Gesichtwieder. Endlich hatte der Urin einer armen Gärtners-Frau für ihn die erhoffte Wirkung. Er ließ alle Weiber.

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deren Untreue er auf diese Weise erfahren, umbringenund nahm die Gärtnersfrau zur Gemahlin."

In Syrien soll das Urintrinken, um einen plötzlichenSchreck zu bannen, gebräuchlich sein 21 , während dieafrikanischen Dinka sich, wie Schweinfurth erzählt 22 ,täglich mit Rinderurin waschen. Auch bei den Es¬kimos gilt Urin als hochgeschätzte Flüssigkeit, undbei Tische zu pissen, erscheint ihnen ebensowenig wieden alten Römern ekelerregend. Und diesem Beispieleiferten noch im vorigen Jahrhundert deutsche Stu¬denten nach, die, um nicht vom Tisch aufstehen zumüssen, sich darunter hatten einen Trog machen lassen,in den sie nun ihr Wasser abschlugen, ohne sich zuerheben 23. Und die Gräfin Lulu von Thürheim be¬richtet in ihren Memoiren 24 : „Mein Vater erzählte miröfters, daß in seiner Jugend der Kapuziner so ziem¬lich die Rolle des ehemaligen Hofnarren eingenommenhabe. Beim Fürsten Schwarzenberg hatte er gesehen,wie sich im Momente, als der Kapuziner das Tisch¬gebet vollendete, ein Bächlein unterhalb seines Stuhlessich ergoß. Solchergestalt waren die Spässe im acht¬zehnten Jahrhundert in Österreich."

Daß auch heute noch viele Naturdoktoren lediglichaus dem Urin die Art der Krankheit erkennen unddanach ihre Diagnose stellen, ist ja bekannt, und auchdie zünftige ärztliche Wissenschaft geht daran nichtachtlos vorüber. Daß aber ein Arzt den Urin des Kran¬ken auch kostet, dürfte wohl eine Fabel sein. Eine

21 Bernhard Stern, Medizin, Aberglauben und Geschlechtsleben inder Türkei, Berlin 1903, I, S. 21 ti.22 Ebenda, S. 206.23 Kaspar Risbeck, Briefe eines reisenden Franzosen über Deutsch¬land an seinen Bruder zu Paris. 2. A. 178/i, I, S. io5.24 Mein Leben 1788—1819, 2. Band, München 1913, S. 25.

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Anekdote weiß allerdings davon zu berichten: „DerLeibarzt eines indianischen Sultans besuchte seinenHerrn, welcher an einer hitzigen Krankheit darnieder¬lag, und bei einem seiner Besuche betrachtete er denUrin, welchen sein Herr kurz vorher gelassen hatte,sehr aufmerksam. Eine Hofschranze, die dabeistand,sagte zu ihm, daß er ihn auch kosten solle. Er hieltes für widerrechtlich, sich eine Nachlässigkeit zu¬schulden kommen zu lassen, welche vielleicht mit demTode hätte bestraft werden können, und kostete ohneVerzug 25."Die früheren Ärzte behaupteten auch, aus dem Urindes Weibes leicht auf verletzte oder unverletzte Jung¬fernschaft schließen zu können. „Der Urin einer Jung¬frau", sagte einer 26 , „ist klar und rein, der von Frauenhingegen trübe und dick." Ferner: „Die Jungfrauenkönnen in einem Bogen das Wasser lassen, welches dieFrauen nicht können, wegen der Schlaffheit der Teile."Ein anderer meinte: „Eine unverletzte Jungfrau läßtden Urin in einem dünnen Strom und mit einem ge¬wissen Zischen, eine Frau hingegen wird allezeit ineinem breiten Strom und mit weit größerem Geräuschihr Wasser lassen. Denn bei der ersteren sind dieUrinwege verengert, bei der anderen weit und er¬schlafft" Ein dritter versichert, daß er Jungfrauengesehen habe, „welche Wände hoch hätten pissenkönnen," andere, Deflorierte, „könnten aber dies sowenig, daß sie sich alleweil selbst benetzt haben".Dazu paßt, was in der „Zimmerschen Chronik" be¬richtet wird:Eine Klosterfrau (!) hat mit zwei Bittern gewettet,

26 Medizin Vademekum, I, Nr. 43, i5.26 Medizin. Vademekum, I, 4g, Nr. 4 und 5.

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sie wolle iii einen kleinen silbernen Becher pissen,daß kein Tröpflein daneben gehen solle, und hat sichhierauf in aller Beisein auf den Tisch gestellt und das.wie vorausgesagt, verrichtet und damit ihre Wette ge¬wonnen.

Else Hartuiann aus Meßkirch dagegen ist so unver¬schämt gewesen, daß sie oft in Gegenwart vieler Zu¬schauer an eine Wand weit voraus wie ein Mann pißte.Natürlich bemächtigte sich auch der Volkswitz desdankbaren Stoffes. Es seien einige Schnurren wieder¬gegeben :Einen großen Ruf als Urinbeschauer genoß der ArztPorzio in Neapel. Ein Schüler Porzios war schwerkrank, und der Lehrer kam, ihn zu besuchen. Diejungen Leute beschlossen, dem Meister einmal einenPossen zu spielen und ihn auf die Probe zu stellen.Einer von ihnen ließ seinen Urin in ein Glas fließenund stellte es zum Krankenbett Porzio untersuchte denPatienten und erklärte: Der Schüler werde unfehlbargenesen. Nun reichten die Übermütigen ihm das Glas,damit er auch über den Urin sein Urteil abgebe. Nacheinigen Augenblicken sagte er betroffen: „Das ver¬stehe ich nicht, der Kranke ist unbedingt außer Gefahr,und dieser Urin ist wie von einem Menschen, der demTode ganz nahe ist."' lind, wenige Tage darauf starb derStudent, dessen Urin Porzio so furchtbar kritisierthatte, ganz plötzlich 27.Ein Bauer kam in die Stadt zu einem Arzt und brachteihm den Urin, damit er aus demselben nicht nur dieKrankheit, sondern auch die Person und alle Umständedes Kranken erkenne. Der Arzt legte dein Bauer allerleiverfängliche Fragen vor und wußte bald alles, was27 Salzburger medizinisch-chirurgische Zeitung 1794, Nr. 33.

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er wissen wollte. Nun nahm er ruhigen Gemüts dieMiene eines strengen Forschers an und prophezeiteernst: „Ich sehe.. Euer Patient ist eine Mannsperson, istEuer Sohn, er ist eine Treppe hinuntergefallen und hatsich ein Bein gebrochen." Der Bauer war entzückt,doch noch nicht völlig befriedigt. „Aber, Herr Doktor,'"bat er, „kann Er mir auch sagen, wieviel Stufen derJunge herabgefallen ist?" Der Arzt sagte aufs Geratewohl:„Zehn." — „Nein," entgegnete treuherzig das Bäuer-lein, „das hat Er doch nicht gesehen, es waren zwölf."Der Arzt aber half sich schnell aus seiner Verlegen¬heit. ..Bauer." fragte er. „ist dies aller Urin, was EuerSohn gelassen hat?" — „Nein," sagte der Bauer, „einwenig blieb noch zurück, weil das Glas schon vollwar." — „Aha," meinte der Arzt, ...hättet Ihr mir allenUrin gebracht, so würde ich auch die übrigen zweiStufen gesehen baben."In einer kleinen Gemeinde war eine Epidemie ausge¬brochen. Man beschloß, einen Arzt in der Stadt zubefragen. Einer meinte, da alle dieselbe Krankheithätten, brauchte man bloß einen Deputierten in dieStadt zu schicken, und was der Doktor dem einen ver¬schreibe, könnten sie alle gebrauchen. Der Schulzeaber war noch praktischer: „Man soll dem Arzte bloßden Urin schicken!" Und also pißte ein Bäuerlein nachdem andern in ein Faß, und eines schönen Morgenserhielt der Arzt in der Stadt ein mächtiges Faß vollUrin. Welche Diagnose er daraufhin gestellt hat, ver¬schweigt die Geschichte.Die erotische Literatur weiß ebenfalls sehr vortrefflichdas Thema des Urintrinkens und den Genuß deranderen körperlichen Ausscheidungen für ihre Zweckezu verwenden. In dem berühmten Erotikon „Memoiren

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einer Sängerin", die der bekannten Sängerin Wilhel¬mine Schröder-Devrient zugeschrieben werden 28 , be¬richtet die Erzählerin ausführlich von dem wohligenEmpfinden, das durch das Urintrinken aus der Quelleverschafft werde. Ich führe die betreffende Stelle ausder lesbischen Szene hier an:„Das Mädchen ging dem Bette zu und suchte dasNachtgeschirr, der Champagner wollte heraus. ,Oh,so haben wir nicht gewettet', rief ich ihr zu. ,Du,böses Kind, willst mir das Beste entziehen. Ich sagedir, daß du nicht einen Tropfen zurückbehältst, sonstwerde ich böse auf dich. Schnell den rechten Fuß aufden Stuhl gestellt!' Ich kniete nieder und hielt meinenMund an ihre Muschel, den filtrierten Champagner er¬wartend. Bald sprudelte er heraus in meinen Mund. DerWein hatte von seinem Geschmack nicht nur nichtsverloren, sondern sogar gewonnen." Die dritte im Lie¬besbunde erweist der Erzählerin sofort den gleichenDienst

Diese Szene ist öfter verwertet, zum Beispiel in demSotadikon „Sinnenrausch" von Hajos Jusanity, wo sichdieses Urin trinken zwischen einem jungen Mann undzwei Mädchen abspieltIn dem Erotikon „Eine Meisterin der Liebe", zwölf Ka¬pitel, von Davernos, 1920, wird unter anderem die per¬verse Geschmacksrichtung einer ganz jugendlichen Pen¬sionärin beschrieben, die auf das Urinam bibefe direktaus der Quelle geradezu versessen ist, und die dieSekreta aus dem Cunnus ihrer Freundin in sich auf¬zunehmen wünscht.„Ich suche deinen Duft, den Duft deiner Haut. Du

28 Vgl. aber dazu Dr. Paul Englisch, Geschichte der erotischenLiteratur, Stuttgart 1927, S. 262.

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riechst so gut nach Weib. Aber warum parfümierstdu dich? Ich möchte..."„Was?"„Ich möchte deinen ursprünglichen, deinen echten,ganz persönlichen Duft. Wenn du mich lieb hast, par¬fümiere dich nicht, und wasche dich auch mal nicht...drei Tage lang. Sag, willst du?"Sie war bezaubernd... Ich tat, als wollte ich nicht„Unglaublich! Was verlangst du von mir?"„Doch, doch! Versprich es mir!" sagte sie, und mitder Spitze ihrer kleinen Katzenzunge kitzelte sie michdabei im Ohr.„Also gut, du kleines Schwein, ich verspreche esdir..."„Du wirst dich von den Schultern abwärts nicht mehrwaschen?"„Ja, abgemacht!"Die angebliche Erzählerin fügt hinzu, daß diese Szenetatsächlich erlebt wurde und nicht etwa ihrer Phan¬tasie entsprang.

3- Kot in der Medizin, KotfresserDer medizinischen Behandlungsweise durch Urin habeich bereits einige Worte gewidmet und die Verwendungvon Kot kurz gestreift Daß das Volk, in abergläubi¬schen Vorstellungen befangen, zu Urin und Kot seineZuflucht nimmt, um Krankheiten zu bannen, kannnicht überraschen, denn das Wunder ist des Glaubensliebstes Kind. Verwunderung muß es jedoch erregen,daß praktische Ärzte und Gelehrte den Exkrementenheilbringende Macht zuschrieben. Schon in „Plinii Se-cundi Historiae mundi libri, Lugduni 1561", finden sich

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mehrere Abhandlungen „De slercoris humani medicinausu" (Über den Gebrauch von Menschenkot in derMedizin), und die deutschen Ärzte eiferten ihm nach.Helvetius zum Beispiel empfiehlt „stercus humanunirecens et adliuc calidum" (frischen und noch warmenMenschendreck). Auch in Schurigs „Chylologia histo-rico-medica, Dresdae 1725", kann man eine Abhand¬lung ,,De stercoris humani usu medico" (Über den medi¬zinischen Gebrauch von Menschendreck) lesen. DerAutor prüft zunächst die Frage, ob die Anwendung vonMenschenkot erlaubt sei, kommt dann auf das Aus¬sehen, die Farbe, Geruch, Unterschied des Alters zusprechen und studiert sodann seine besonderen, für dieverschiedenen Krankheiten günstigen Eigenschaften. Erempfiehlt schließlich (was als besonderes Kuriosunivermerkt sei) aus Kot destilliertes Wasser als besonderswirksames Haarwuchsmittel.Sogar die französische Akademie der Wissenschaftenhielt es nicht für unter ihrer Würde, die Abhandlungeines solchen Dreckarztes in ihre Berichte 29 aufzu¬nehmen. In dieser Abhandlung, betitelt „Observationssur la matiere /Scale par Guillaume Homberg", be¬richtet der Gelehrte unter anderem, daß er vier Men¬schen eigens mietete, um mit ihnen Experimente nachseiner Dreckheilmethode zu machen.Im „Medizinischen Vademekum", das schon des öfterenherangezogen wurde, findet sich auch 30 eine Stelle ausdem alten „Wirtemb. Apothekerbuch" zitiert, worinein Rezept, „Menschliche Nachgeburt zu bereiten",wiedergegeben ist.„Man nehme einen Mutterkuchen, ziehe die Häute

29 Mcmoires de VAeadfmie des Sciences pour l'nnnre 1711.»0 I; S. 95, Nr. 5.

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und den Nabelstrang davon ab, reinige und wasche ihnin einer genügsamen Menge Weins, schneide ihn so¬dann in Stücke und trockne sie langsam. Bewahre siean einem lauwarmen Ort." Was der Verfasser damitanfangen will, verrät uns die Sammlung ebenfalls ganzunzweideutig. „Wird das so erhaltene Material fein inPulver zerrieben, so gewinnt man ein gutes Mittel, denKropf zu vertreiben, die fallende Sucht zu heilen undals Aphrodisiakon zu wirken. Die größten Dienste ge¬währt es aber bei einer schweren Geburt" Als be¬rühmtestes Werk der medizinisch - komischen Lite¬ratur ragt aber zweifellos hervor: „NeuvermehrteHeilsame Dreck-Apotheke, wie nämlich mit Koth undUrin fast alle, ja auch die schwerste, giftigste Krank¬heiten, und bezauberte Schaden, vom Haupt bis zu denFüßen inn- und äußerlich glücklich curiert worden:durch und durch mit allerhand curieusen, so nütz¬lich als ergetzlichen Historien und Anmerkungen, auchandern seinen Denkwürdigkeiten, abermals bewährt,und um ein merkliches vermehrt und verbessert vonKristian Frantz Pauliini." 1714. In dem Vorwort brichtder A'erfasser eine Lanze für seine Heilmethode:„Es wird ohne Zweifel mancher träge Bankbruder unddünkelwitzige Stumpfhirn, abermals die Nase übermeinen neu vermehrten, heilsamen und so schleunigabgegangnem, auch ernstlich wieder verlangten Dreckrümpfen, dessen Muthwillen ich zwar nicht hemmenkann. Ein Weiser erinnerte sich hiebey, wie er ausLeimen gemacht sey und darum billich alles für Dreckachten sollte, und sein Fleisch um und üm würmichlundkoticht, er selbst Thon, und eitel schändlicher Koth,oder, daß ich etwas höflicher rede, Erde und Aschesey, auf daß er Christum gewinne, und stets mit Hiob

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sagen: Gedenke doch, daß du mich aus Leimen ge¬macht hast, und wirst mich wieder zu Erden machen.Wir sind Thon, du aber bist unser Töpfer, und wirsind alle deiner Hände. Werk. Darum errette mich ausdem Koth, daß ich nicht versinke, daß ich errettetwerde von meinen Hassern. Unsere erste Herberg,darinn wir unter mütterlichem Herzen neun Monat langeingekerkert liegen, ist traun sehr schmutzig, zwischenKoth und Urin. ,Mein Körper ist Dreck, und ebendarum habe ich so dreckichte, unflätige, wohllüsterndeGedanken', sagt der fromme Burgunder und Abt zurClarevall, Bernard. Und wenn ich mich gleich mitWasser wasche, so wirst du mich doch im Koth dunken.Wir stammen alle von Koth und Leimen her. Fürstenund Herren gehen mit nichts liebers als gelbem Dreckum. Auf diesen Dreck prägen sie ihre Bilder, wir hebensolche auf, stutzen damit, und hängen sie gar an Hals.Streuen wir nicht Dreck, Puder wollte ich sagen, indie Haare, und schwäntzen so einher? 0 du dreckichterHochmuth!"Und Pauliini verkündet seine Überzeugung noch weiterin einigen dem Stoffe angemessenen Versen:

Sey nimmer müßig: Hör und schaue, Gottes WunderSind auch im kleinsten Dreck. Ein jede KreaturIst dessen Güte Pfand, und seiner Liebe Zunder,Im Koth und im Urin liegt Gott und die Natur.Kuhfladen können dir weit mehr als Bisam nützen,Der bloße Gänsedreck geht Mosch und Ambra für.Was Schätze hast du oft im Kehricht und Mistpfützen,Der beste Theriak liegt draußen vor der Thür.

Diese Verehrung des Kotes mag noch hingehen, wennsie uns heute auch als lächerlich und guter Witz er¬scheint Weniger annehmbar erscheinen uns dagegendie Kotfresser, die es immer gegeben hat und auch

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Tilelbild ron , Le nouveau mcrdianu ou i\Ianuel ca­tologique par une socieLe de ()'ens an. gene . . \Pari

el en lou licux r87o'·

..

heute noch gibt, wobei die Motive hierzu außer Be¬tracht bleiben sollen. Bei den meisten solcher Per¬sonen wird, auch wenn das Kotfressen in der Libidosexualis begründet ist, ein geistiger Defekt vorliegen,wodurch das Aussetzen der moralischen Hemmungen,der naturgemäßen physischen Aversion erklärlich wird.Im dritten Kapitel des zweiten Buches der „Memoireneiner Sängerin" wird eine Bordellszene beschrieben, inder ein impotenter Lustgreis nur dann zur Liebe reifwird, wenn er die Fäkalien einer Bordelldirne ver¬schlingt Diese Szene ist, wie jeder Kenner der Sexual¬pathologie bestätigen wird, durchaus kein bloßes Phan¬tasiegebilde, sondern der Wirklichkeit abgelauscht Diehier in Frage stehende Verirrung findet sich in allenStänden vertreten, wovon in den Kryptadia und denAnthropophytheia reichliche Belege beigebracht wer¬den 31 . Zuweilen ist in solchen Ausschnitten oder Anek¬doten die sexuale Note unverkennbar. Da der Urindurch die Sexualorgane den menschlichen Körper ver¬läßt und der Anus in unmittelbarer Nähe dieser Teilegelegen ist, wird eine Verknüpfung der Vorstellungenvon den einzelnen Organen in ihren Verrichtungenwesentlich erleichtert, und die Phantasie pervers emp¬findender Menschen, die sich vorzugsweise mit denFunktionen des Darmkanals beschäftigen, sehr leichtzu aktiver und passiver Koprolagnie geführt. Einnormaler, sinnenkräftiger Mensch wendet sich mit Ekeldavon ab. Nicht so der Impotente, der zur Aufpeit¬schung seiner Libido der unnatürlichsten Reizmittelbedarf. Deshalb finden sich Kotfresser nie unterFrauen, da diese immer kohabitationsfähig sind, auch

31 Vgl. a. Albert Hagen (i. e. Iwan Bloch), Die sexuelle Ophresio-logie. Berlin 1906.

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nicht bei jungen Männern, sondern stets bei älterenSemestern. Krauß führt in den „Anthropophytheia" 32ein eigenes Erlebnis an. Ein hübsches nettes Mädchenberichtete ihm, daß sie von einem reichen Hauswirtausgehalten werde. Wenn sie Entleerungsdrang ver¬spüre, gehe sie zu ihm, hocke auf den Tisch, woraufsie ihr Bedürfnis in die Kaffeetasse des Schweinigelsverrichte. Dieser rühre das Ganze mit dem Löffeldurcheinander und verzehre es mit schmatzendem Be¬hagen! Uff, Kellner, einen Schnaps!Von ihm kann man die Verse der „Chezonomie" mitRecht anführen:

Et mangeant de la merde avec un goiü extremeII semblait avaler une glace ä la creme.

(Er fraß mit Lust den Dreck vom Steiß,Als äße er das beste Eis.)

Paullini erzählt bereits in seinem Werk von einerschwangeren Frau, „die aus sonderbarem Appetit denKoth ihres Mannes aß, oder, wie es heißt, den frischenRauch, den dieser ins Gras gelegt hatte". Und weiter:„Solcher Schweinigel war auch jener Lothringer, dernichts Lieberes aß als warmen Kuhfladen. Eine frantzö-sische Dame trug immerfort ihr Konfekt, pulverisier¬ten Menschenkoth, bey sich und leckte die Finger dar¬nach... Andere, sonderlich im Königreich Boutan (?),würtzen ihre Speisen mit dürrem Menschenkoth, brau¬chen solchen anstatt Schnup-Tobacks (Dulaure, His-toire de Paris 1825, VII, 262, erzählt von einem ge¬wissen Bullien, der in seiner goldenen Tobacksdose stattdes Tobacks immer pulverisierten Menschenkoth hatteund diesen schnupfte) und mischen ihn, als eine rechtePanacee, unter alle ihre Artzneyen."32 V, 368, Anm. i. _

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Nicht jedermanns Geschmack wird die Glorifikationdes Kotes sein, die sich ein anonymer französischerVerfasser gestattet. In der „Ode ä la Merde, avec desnotes", par M. de Peressoncu (Pseudonym), Montpellier1807, läßt er sich, wie folgt, vernehmen:

Gourmands, qui des mets les plus raresGoütez ä peine les douceurs;Vous, de Flore amateurs bizarres,Et vous partisans des senteurs;Sur vos delicieuses tables,Dans vos parlerres agreabl.esDans vos sultans, dans vos Sachets,Fut-il jamais rien que n'efface,Par son Parfüm, son goüt, sa gräce,Un ambigu d'Etrons lout frais?

Ein gesunder, vernünftiger Mensch nimmt diese fürden Homo sapiens beschämende Tatsache achselzuckendzur Kenntnis. Chacun ä son goüt. Der Geschmack istverschieden, und deshalb hat ein Dichterling ganz recht,wenn er kurz und bündig den Rat gibt:

Mangez donc des etrons,Si vous les trouvez bonsl

Diese Stelle findet sich in „La Foiropedie, almanachdes Chieurs, contenant ce qu'il y a de plus agreable surcette matiere aussi utile que precieuse; etc." s. d.

In deutschen Sprichwörtern wird auch der Kotfressergedacht:

Friß Kot, gib Gold,So wird dir alle Welt hold.

Er ist so geizig, daß er seinen eigenen Dreck frißt.Wenn du mich fressen willst, dann fange hinten an,so hast du den Senf zum besten* 3 .

83 Dr. Kainis, Die Derbheiten im Reden des Volkes. 2. A.. Leipzig,o. J., S. 58.

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DRITTER TEIL

Die Exkremente in der LiteraturI. Didaktische Literatur

Der Mediziner darf selbstverständlich an den Ausschei¬dungen des menschlichen Körpers nicht achtlos vor¬beigehen. Sie verhelfen ihm oftmals dazu, seine Dia¬gnose richtig zu stellen, nachzuweisen, ob Gifte nochim Körper sind, festzustellen, ob eine Krankheit imAbnehmen begriffen ist usw.An derartige Schriften wird hier nicht gedacht. Zu allenZeiten haben sich Männer gefunden, die dem Stoff¬wechsel, ohne selbst Ärzte zu sein, ihre ganz besondereAufmerksamkeit widmeten und sich eingehend damitbefaßten. Viel davon ist heute nur noch als Kuriosumzu werten, viel aber kann auch jetzt noch als Quellebenützt werden. Ein großer Teil ist im Laufe der Jahiv;außerordentlich selten geworden, und nur wenige derSchriften haben es auf mehr als eine Auflage gebracht.Die gelegentliche Abschweifung auf das skatologischeGebiet oder die Freiheit in der Wahl der Ausdrückesoll hier nicht weiter erwähnt werden. Zeiten, die vonEuropens übertünchten Sitten noch nicht infiziert sind,reden ohne Scheu und ungeschminkt von den natürlich¬sten Dingen, und es wäre wirklich schwer, Anfang undEnde zu finden, wenn jeder skatologische Ausdruckhistorisch treu gebucht werden sollte. Die alten Griechenund Römer, die Humanisten, die italienischen Novel¬listen, die deutschen Schwankerzähler, die Verfasser der

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französischen Fabliaux übertreffen einander an Derb¬heit, ohne jedoch in die Fäkalienatmosphäre lediglichum des Skatologischen willen hinabzusteigen. Geradeaber über die Werke dieser Außenseiter der Literatursollen einige Worte gesagt werden.Die älteste Schrift über unser Thema ist wohl: „Libriduo de excrementis, foecibus etc.", auct. J. B. Montano,Patavii et Venetiis i55/i, in 4°- Sie mag nur registriertsein. Fast ebenso alt ist: „De Egestionibus", auct. J. M.de Savonarola, Lugduni i56o, in 8°. Lange Zeit hin¬durch scheut man sich, über dieses verfängliche Themain der Muttersprache zu schreiben, ein Beweis dafür,daß sich derartige Abhandlungen nicht an die breitereÖffentlichkeit wandten, sondern lediglich für einenengeren wissenschaftlichen Kreis bestimmt waren. Hier¬her gehören: „Pharmacopaea nova de hominis stercore",auct. J. D. Bulando, Nürnberg i644, in 12°. — „Disser-tatio de remediis et corpore humano", Erfordiae 1788,in 4° (eine Doktorarbeit). — „Dissertatio de medicinastercoria", auct C. Buckio, Utrajecti 1700, in4°- — „Deofficio et praxi exonerandi ventrem", von dem berühm¬ten Christian Wolf. Nur C. F. Paullini scheut sich nicht,um die breitere Masse für seine Ideen zu gewinnein,deutsch zu schreiben: „Heilsame Dreck-Apotheke, wienemlich mit Koth und Urin fast alle, auch die schwerstenKrankheiten curieret. werden", Francfort 169G, in 8°.Dieses Medizinbuch wurde mehrfach neu aufgelegt,1713/i4, 1748 und sogar noch (bei Scheible in Stutt¬gart) 1847/^18. Die Mehrzahl dieser dem Gebiet derSkatologie angehörigen Schriften sind von geringererBedeutung. Hervorgehoben zu werden verdienen nurwenige. Interessant ist der Artikel: „Latrinae QuerelaCaroli Liebardi Langmarcaei Flandri" (aus Dornavii

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Amphitheatrum I, 348/349, worin eingehende Ausfüh¬rungen mit Nachweisungen über das antike Latrinenwesenenthalten sind, die von Ersch und Gruber in ihrem be¬kannten Lexikon anscheinend mitverwertet wurden.In „J. Ravisii Textoris officinae Epitome, Lugduni,Gryphius i5g3", findet sich ein Abschnitt: „In latrinismortui aut occisi", worin die bekanntesten Persönlich¬keiten der Weltgeschichte, die auf dem Abort gestorbensind oder das Licht der Welt erblickt haben, aufgezähltwerden.England hat seinen Swift als Verfasser eines Skato-logikums, das ins Französische übersetzt wurde: „hegrand Mister e, ou Varl de mediter sur la garde-robe,renouvele et devoile par l'ingenieux docteur Swift, avecdes observations historiques, politiques et morales, quiprouvent l'antiquite de cette science et qui conliennentles usages differents des diverses nations par rapport äcet important sujet, trad. de l'anglais (par l'abbe Des-fontaines)", La Haje, Van Düren 1729, pet. in 8°. Diezweite Ausgabe von 17 t\ 3 hat einen etwas abweichendenTitel: „L'art de mediter sur la chaise percee, par l'auteurde Gulliver Vaine. Avec un projet pour bätir et entretenirdes iMtrines publiques dans la ville et faubourgs de Paris,sous la direction d'une compagnie, dans laquelle 0.1pourra s'interesser en prenant des actions. Dublin, del'impr-du docteur Swift", 17/^3, in 12". Diese kleineSchrift ist nach der „Bibliotheca scatologica" eines deramüsantesten Produkte. Nach einer ironischen Einlei¬tung an den Dr. W... d (Woodward) überläßt sich Swiftphilosophischen Betrachtungen über die Würdigkeit sei¬nes Themas. Er weist vor allem auf die Wichtigkeithin, die der Staat auf Grund der Aufsicht über die Fä¬kalien dieser ganzen Materie beilegen müßte und ver-

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langt, daß Fachleute an der Spitze stehen sollten. Dannfordert er in seiner skurrilen Art die Errichtung vonSchulen, in denen gelehrt werden solle, mit Anstandund Würde sich seiner Exkremente zu entledigen.Schließlich entwirft er in durchaus anerkennenswerterWeise ein Projekt über den Bau und die Unterhaltungöffentlicher Latrinen in den Städten und Vorstädten vonLondon und Westminster. Leider predigte Swift taubenOhren, und erst viel später kam sein Projekt zur Aus¬führung.

In sehr zopfiger Manier packt der Verfasser folgenderSchrift sein Thema an: „La Chezonomie, ou Varl dech ..., poeme didactique en U chants, par C. R . ,.(Charles Remard). A Scöropolis et Paris, Merlin 1806",in 8°. Es war damals die Zeit, in der alles in ein Sy¬stem gebracht wurde. Es gab da: „Die Kunst, zu lie¬ben", „Die Kunst, zu gefallen", „Die Kunst, zu essen",warum sollte es darum nicht auch eine Kunst geben, denStuhlgang richtig auszuführen? Der Verfasser gibt zu¬nächst einige Untersuchungen über diese Tätigkeit beiden Alten, behandelt die Verstopfung, den Einflußscharf gewürzter Speisen auf die Verdauung usw.

Der Wichtigkeit regelrechter Verdauung legt auch derVerfasser des folgenden Schriftchens große Bedeutungbei: „Chute de la Medecine et Chirurgie, ou le Monde,revenu des son premier Age, traduil du Chinois par leBonzeLuc-Esiab. AEmeluogna, la präsente anneeOOOO".

Es handelt sich hier um ein Rezept, bei dessen pünkt¬licher Befolgung eine Lebensdauer bis zu 3oo Jahrengewährleistet sein soll. Das Rezept stammt von dem be¬rühmten Doktor Reihc-a-Top, Arzt des großen Luc-Ecus. Die Bestandteile der Medizin sind folgende:

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Essius-ed Norte. ein Groß,Etomram-ed-Eriof, 2 Unzen,Neihc-ed Edrem, U Unzen.

Alles gut miteinander vermischt, zeitigt die erhoffteWirkimg. Wenn man den Sinn der Abhandlung entzif¬fern will, muß man von hinten anfangen zu lesen.

2. Belletristisdie Werke

Auch hier will ich mich, wie bei dem vorigen Abschnitt,nur auf Stichproben beschränken. Die Farcen und Fa-bliaus würden eine ergiebige Ausbeute geben. Es seienzur Illustrierung nur zwei angeführt In dem „Fabliau dela Merde" wettet eine Frau mit ihrem einfältigen Mann,daß er nicht erraten können werde, was sie in der Handhabe. Nachdem er hin und her geraten hat, steckt ihmdas Weib das fragliche Stück in den Mund, und nunweiß er auf einmal, daß es „Dreck" sei, ein Beweis,daß er wahrgesagt hat.In der „Farce nouvelle des cinq sens de Vkomme, mora-lisee et fort ioyeuse ... et est ä sepl. personnaige. C'estassouoir, Vkomme, la Bouche, les Mains, les Yeux, lesPieds, louye et le Cul." Imprime nouvellement ä Lyon, enla maison de feu Barnabe Chaussard... l'an MDXLV,will der Mensch den fünf Sinnen einen Schmaus geben.Der Hintere beschwert sich darüber, da er nicht mit ein¬geladen sei, und will als sechster Sinn angesehen wer¬den. In dem darauf folgenden Streit obsiegt er. DerSchluß des nur acht Seiten starken Poems lautet:

Qa'il n'est roys, ducz, comtcs, empereurs,Marquis, ne cheualiers d'honneurs,Femme, ne homme, tant soit-il, nulQu'ils ne soyent subiectz au cul,Comme nous auons cy monslre.

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Der Körperteil, den wir euphemistisch als „Allerwerte¬sten" bezeichnen, muß sich deshalb notgedrungen einergroßen Wertschätzung erfreuen, und wir verstehen esdurchaus, wenn ein Dichter ausruft (allerdings nur beimAnblick weiblicher Hemisphären):

Je jure, 6 beaute qui m'engage,Que ton derriere m'a vaincu,J'aimerais mieux baiser ton CulQu'Helene auf plus beau du visage.Cctte Grecque pleine d'appas,Par qui le bon roi MinelasSe vit coeffe comme une huppe,Encor qu'on la vanlc si bien,Ne porta jamais sous sa jupeUn Cul si rare que le tien.

(Aus „Le Plat du carnaval, ou les heignets appretes parGuillaume Bonnepate [par Pierre Simeon CaronJ. ABonne-Huile, chez Feu-Clair . . . Van dix-huit cenld'ceufs.")Und das vielfach künstlerisch behandelte Motiv, daß sichein weiblicher Hinterer beim Falle entblößt, hat wohlkeiner eleganter in Reime gegossen als höret in seiner„Muse historique" (Bibl. scat. 80):

L'autre jour une demoiselleJeune, aimable, charmante et belle,Non sans se faire un peu de mal,En chassant tomba de cheval;Et Zephir, la prenant pour Flore,Hormis quelle est plus fraiche encore,Lui souleva, quand eile chut,Chemise et cotillon. Mais chut!Je suis si simple et si modesteQue fai pcine ä dire le reste.On ne vit qu'un beau cul pourtant,Admirablement eclatant,

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Et dont la Manchem- sans pareilleDes autres culs est la merveille;Cul royal et des plus polis,Puisqu'il est tout sem& de Iis;Cul qui, celte fois, sans obstacleFit voir un pvodige ou miracle:Car c'est la pure veritiQue, dans un des chauds jours d'ete,Quand il fit ce plaisant parterre,On vit de la neige sur terre.Plusieurs se trouvant vis-a-visDe cet objet furent ravis,he nommant, en cette aventure,Un chef-d'ceuvre de la nature;Et mime un auteur incertainComposa ce joli hultain:Tresor cache, beaute jumelle,Brillant sejour de l'embonpoint,Ta splendeur a paru si belleEt mit ta gloire ä si haut poinl,Qu'il faul qu'incessament Von pröne,0 cul qui les dieux charmeret,Que si tu n'es digne du tröne,Tu l'es au moins du tabouret.

Freilich gilt diese Lobpreisung nur, solange der Culnicht in Aktion tritt. Andernfalls können die Wirkungenfurchtbar sein. Das beweisen: „Grandes etrecreatives pro-gnostications, pour cette presente annee 08145000470.Selon les promenades et beuvetles du Soleil, par lesdouze cabarets du Zodiaque, et ennuisagemeni des con-ionctions copulatives des Pianettes. Par maistre Aslro-phile le Rovpievx ... premier valet de la garderobbe d<>.Cypris. Dediees aux beaux expritis" (1615). Diese Fa-zetie im Stile von Rabelais enthält folgendes Epitaphiuniauf Rude-en-Soupe:

Cy gist dans ce tombeau foireuxRud-en Soupe le valeureux,

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Qui voyant la guerre entrepriteAu pays, et qu'on le cherchait,Se cacha dessous la chemiseDe sa grand Jeanne qui petoit.Luy qui tout tremblant escoutoilTant redoubler des petarades,Saisi de peur, creut qu'il estoitAu milieu des harqubusardes.Qu'en aduint-il? Ses sens malades,Et le trou de son cul puantPerdant sa vertu retentrice,Au Heu de combattre en la lice,II mourut de peur en chiant.

Die fruchtbarsten Schriftsteller auf skatologischem Ge¬biete waren unstreitig Grandval pere und fils. Von er-sterem stammt: „Le pot de chambre casse, tragedie pourrire ou comedie pour pleurer. A Ridiculomanie, chezGeorges V Admirateur", s. 1. s. d. In der Vorrede beklagtsich der Verfasser über den herrschenden Zeitgeschmack.Man beklatscht Tragödien, die zum Lachen, und Komö¬dien, die zum Weinen sind. Ein Liebhaber, der in denKampf zieht, macht seiner Geliebten zum Abschied einGeschenk, das für den Nachtgebrauch bestimmt ist. Pro-pet, ein abgewiesener Liebhaber, will sich an der Damerächen. Mit einer Horde von Abtrittsfegern stürmt er denPalast, und die Dame, in die Enge getrieben, weiß sichnicht anders zu retten, als daß sie das Töpfchen auf dasHaupt des Angreif ers herniedersausen läßt, samt dem In¬halt, was den Sterbenden am meisten kränkt. — Von sei¬nem Sohne stammen die beiden Stücke: ,.Sirop-au-cul, ouVheureuse delivrance, tragedie heroi-merdifique, par M.,comedien italien. Au temple du Goüt", s. d. in 8°, und„Les deux biscu.its, tragedie traduile de la langue, que Vonpaloit jadis au royaume d'Astracan, et mise depuis peuenversfrangois. Astracan,chezunlibraire", i7Öi, in 8°.

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Die Initialen der Schauspieler ergeben den NamenGrandval und die Schlußbuchstaben das Wort le fils.Die Dienerin verabreicht ihrer Herrin ein Klistier underhält den ganzen Darminhalt ins Gesicht, worauf sie dietreffende Bemerkung macht:

Les derrieres des rois et ceux de leurs sujelsSont egaux pour l'odeur, quand ils ne sont pas nels.

Die besten skatologischen Produkte sind zusammenge¬faßt in „Merdiana, recueil propre u certain usage. AnXI, i8o3, in i8° {it\k S. mit einem Holzschnitt)".Diese Sammlung wurde oft nachgedruckt und enthältalles Wertvollere auf diesem Gebiete. Sie wurde nach¬geahmt in „Nouveau Merdiana ou rnanuel des facetieuxbons chieurs, recueil de poesies et d'anecdotes propresä certain usage journalier. A Merdianopolis, chez lameredes Vidangeurs, rue de la Torchetle", s. d., auch bloßunter dem Titel „he nouveau merdiana ou manuel sca-tologique par une societe de Gens sans gene. A Paris eten lous lieux", 1870, 8°.Nicht eigentlich skatologisch. wohl aber in diesem Milieuspielend, ist „Serrefesse, parodie en cinq actes et envers", von Louis Protal. oder M. Ponsard (nach der Bihl.scat Nr. 56). Aborträumer spielen neben der Titelheldindie Hauptrolle. Serrefesse wird von Pinecul vergewal¬tigt, den man entmannt 1.Ein stark skatologisches, daneben aber auch sehr witzi¬ges Stück enthält „Le theatre erotique de la rue de laSante, suivie de la Grande Symphonie des punaises. Par¬tout et nulle pari (Bruxelles), Van de joie (i86f\)".

1 Das Erotikon erschien auch deutsch: Serrefesse. ParodistischeTragikomödie von Louis Pine-a-l'Envers, Mitglied des Caveau. —Aus dem Franz. übersetzt von Theophil Marquardt. PrivatdruckLeipzig 1910, in 5oo Ex.

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Dieses „Theatre" hat folgende Vorgeschichte:Im Kreise junger französischer Bohemiens kam derGedanke auf, ein kleines freies Marionettentheater zuschaffen zur Belustigung ganz weniger Auserwählter.Es sollten hierbei Stücke gegeben werden, in denen dieDichter ihrer Laune die Zügel schießen lassen könnten.Die Idee kam auch zur Ausführung. Am 27. Mai 1862wurde das Theater in Anwesenheit von 2 5 jungen Künst¬lern und Verlegern eröffnet 3. Hierher gehört das Stück„Signe d'argenl" von Amadee Rolland und Jean Du-boys. Dieses Singspiel ist neben Monniers Einakter „Lagrisetle et l'etudiant" das beste der Sammlung. Inhalt:Der Herr Marquis, ziemlich abgelebt, wünscht sich einenErben. Er macht deshalb alle Anstrengungen, um zumZiele zu gelangen. Es bedarf jedoch mancher Kunst¬griffe, zum Beispiel daß der Marquis sich eine Pfauen¬feder in den Anus steckt und nun stolz als Pfau in derStube herumstolziert. Doch auch dieses Mittel versagtzuletzt. Es kommt zu einem Zwist. Im zweiten Akt pflan¬zen ein Soldat und ein Hausierer je einen „Wächter" vonverschiedener Größe. An diesen Platz kommen später derMarquis und die Marquise. Ersterer hält sich die Nase zuund meint, es stinke. Letztere äußert sich entzücktüber den würzigen Duft. Bei dem daraufhin entstehen¬den Streite fällt die Schwangere in Ohnmacht Um siezu erwecken, gerät der Marquis auf den Gedanken,ihr das Corpus delicti unter die Nase zu halten. Aberwie? Mit bloßen Fingern wagt er es nicht. Da tauchtzum Glück der Hausierer auf, von dem der Marquis ein

2 Vgl. Gay, Bibliotheque des ouvrages relatifs ä l'araour etc. 3. A.,VI, S. 325, und besonders: Apollinaire, Fleuret et Perceau, L'enferde la bibliotheque nationale. Nouvelle Edition. Paris 1919. S. 92bis 114.

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Buch erwirbt, ein Blatt herausreißt und damit den Hau¬fen anfaßt Bei dem Duft verfliegt die Ohnmacht imNu. Die Marquise befiehlt nun dem Pantoffelhelden, dieExkremente bei sich zu behalten, da sie noch öfter daranzu riechen gedenke. Entsetzt willfährt der Gatte, derspäter auf alle mögliche Weise trachtet, sich des übel¬riechenden Stoffes zu entledigen. Immer kommt dieMarquise dazu, die endlich den Wunsch äußert, die Ex¬kremente gekocht zu sehen. Nach erfülltem Wunsch sollder Marquis davon essen. Da er sich weigert, taucht siesein Gesicht in die Brühe und läßt ihn angeekelt stehen.Ungeachtet des unsauberen Stoffes ist der Dialog sehrwitzig.Um aber nicht den Eindruck zu erwecken, daß nurFrankreich derartige Werke aufzuweisen hat, seien auchein italienisches, spanisches und deutsches hier ange¬führt

„he lodi sopra il cacatajo", in Londra 1786, heißt dasitalienische. Der Autor ist von seinem Stoff so begei¬stert, daß er sein Erstaunen nicht verbergen kann, daßJupiter, anstatt sich in einen Stier, einen Schwan usw. zuverwandeln, nicht die Gestalt eines Nachtstuhls ange¬nommen hat.

Mi stupisco ci Giove fortemente,Che essendosi converso in cigno, e in toro,Per godersi con altri allegramente,Non abbia preso mai de CacatoroLa forma, che goduto certamenteAvrebbe piü d'allor, che divenn'oro;Danae, Europa, et heda poi rubareVoteva, quando andavano a cacare.

Das spanische betitelt sich: „hos Perfumes de Barcelona,cancion catable, que si oliera el diablo que la leyera.Poema en cinco cantos." Palma, imprenla de A. Gibert,

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ano i8^3, in 16 0 , 64 S. (3. Auflage unter dem Titel„Gancion catable" bereits i836 erschienen). Und schlie߬lich das deutsche: „Über die Posteriora von Dr. Pru-zum." Leipzig 179/i, in 8°. Genauer heißt der Titel:„Adam Theobald Pruzum. Uber die Posteriora. Einephysiologisch-historisch-philosophisch-litterärische Ab¬handlung. Naturalia non sunt turpia. Buslar 1794.Gedruckt auf Kosten eines Hypochronisten." Das Ge¬genstück hierzu ist: „Über die Priora. Eine physio¬logisch-historisch-litterarische Abhandlung. Buslar1795, gedruckt auf Kosten eines Menschenfreundes/'Beide Abhandlungen zusammen mit der obenerwähntenSchrift von Swift erschienen 1908 in einem Neudruck 3.Yerfasser ist der bekannte Ch. Fischer-Althing 3 a.An originaler deutscher skatologischer Literatur ist ver¬hältnismäßig wenig erschienen. Amüsant zu lesen ist dashumoristische Werkchen „Untersuchungen über dieKakteen. Nach dem natürlichen System von Jussieu.7. A. Leipzig 1908, 8°, 3o S." Als Vorbild für dieseSchrift dienten: „DePeditu ejusque speciebus, crepituetvisio. Discursus methodicus in Theses digestus: desBuldrianus Sclopetarius" und das „Amphitheatrum" desCaspar Dornavius von 1719. Die vorliegende, i65o zumerstenmal erschienene Abhandlung geht jedoch durch¬aus selbständig vor und ist für alle diejenigen eine Quelleurwüchsigen Humors, die einen derben Scherz zu schät¬zen wissen. Wie gründlich der Verfasser sein Themazu behandeln verspricht, geht aus der Vorrede hervor. Ersagt: „Zunächst wäre der Zweifel zu lösen, ob das Genus

3 Hayn-Gotendorf, Bibliotheca Germanorum erotica. 3. A. Mün¬chen 191&, VI, 3i4.3 * Vgl. Dr. Paul Englisch, Geschichte der erotischen Literatur,Stuttgart 1926, S. igl\.

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Cactus in das Pflanzenreich oder in das Gebiet desmenschlichen Kunstfleißes — und im letzteren Falle,ob es zu der höheren Monumentalkunst zu rechnen sei.Für und wider sind von Sachverständigen gewichtigeGründe beigebracht worden, und die Kontroverse dürftewohl dahin zu bescheiden sein, daß — da nirgends in derNatur ein Übergang fehlt — dieser zwischen Pflanzen¬reich und der Architektur durch den Kaktus vermitteltwird." Es wird nun eine Einteilung nach LinneschemSystem gegeben.In die gleichen Fußstapfen tritt der Verfasser von „Hi-storia naturalis cactuum oder ausführliche Naturge¬schichte der Kakteen". 3o. vermehrte Auflage. Leipzig1921*. Er behandelt die Kakteen nach folgendemSchema:

1. Verbreitung und Fundorte der Kakteen.2. Die Form der Kakteen.3. Anpflanzung und Behandlung der Kakteen.4. Die Farbe der Kakteen.5. Der Geruch der Kakteen.6. Größe und Gewicht der Kakteen.7. Die Pseudo- oder falschen Kakteen.8. Die idealen Kakteen.9. Über den Nutzen und die Verwendung der Kakteen.Hayn-Gotendorf (III, 280) verzeichnen noch einige wei¬tere hierher gehörende Abhandlungen. „Historia natu¬ralis cactuum von Jaunus. i4-A. Leipzig 1874", scheintmit der vorstehenden Ausgabe identisch zu sein. „Hi¬storia naturalis locis oder Naturgeschichte des Steißesvon S. T. Eisbein (Pseudonym), 2. A., Leipzig, Expe¬dition der Naturgeschichten, o. J. (ca. 1870), K1.-8 0.,

1 Hayn, III, 280.

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Aus: Gillray, Nationale Gebräuche

Aus: Gillray, Nationale Gebräuche

ao S." — „De loci historia natura et varietate tractatio,cui illustrandae Corpus inscriptionum a locis abditis con-quisitarum adscripsit S. Webesius, Görlitz, A. Wolmann 5.Von diesem Webesius, richtig Student Schwebs in Bres¬lau, erschienen mehrere solcher Jocosa: die bereits er¬wähnte „Historia vaporum ex humano corpore effluen-tium" und vielleicht auch „Historia naturalis pissuum.Das ist Naturgeschichte der natürlichen Fontänen. Er¬gänzungsheft zu jedem hydraulischen Werke von P. Is-sor major, 2. sehr vermehrte u. verb. Aufl. Leipzig1875, K1.-8 0 , 24 S." Aus der Perspektive der Rotunden¬frau erzählt „Wetti Himmelreich" ihre Erlebnisse, „Le¬ben, Meinungen und Wirken der Witwe Wetti Himmel¬bach, die ihre Laufbahn als Malermodell angefangen,langjährige Toilettenfrau gewesen etc. Leipzig 1906".Sehr viel skatologisches Material bringt das Mitte derachtziger Jahre erschienene Werk „Das Arschenal derLiebe! Bilder von der Kehr- und Kehrichtseite des Le¬bens. Führer durch dunkle und üble Stätten der Liebe.12°, 2 1\ 8 S., o. O. u. J." c. Als humoristisches Preisliedfür eine ordnungsgemäß funktionierende Verdauungwäre zu rubrizieren: „Sang von des menschlichen Lei¬bes Verhärtung und Wiederbefreiung. Hämorrhoidi-sches Epos vermischt mit lyrischen Liedern. Leipzig,Rainer Wunderlich, o. 0., 8°, 26 S."„Der Undank des Menschen gegen seinen all er wer¬testen, treuesten Freund" (o. 0. u. J.), den uns einanonymer Verfasser in beweglichen Worten schildert,entbehrt auch tatsächlich jeder Berechtigung. Ich kannes mir nicht versagen, diese witzige Jeremiade hier inextenso wiederzugeben:

6 Anthr., IX, 5o5.6 Anthr., VII, 4o3.

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Meine Herren!„Das größte Laster ist der Undank", hat ein großerDichter irgendwo einmal gesagt. Deshalb glaube ich,Sie auf einen großen, von Ihnen begangenen Undankaufmerksam zu machen, in der Hoffnung, daß Sie sichbessern werden.Man hat in der letzten Zeit an den verschiedenstenOrten alle möglichen und unmöglichen Arten von Er-innerungs- und Gedächtnisfeiern begangen, nur einestreuen Menschenfreundes hat niemand gedacht, ja seinName wird von der undankbaren Welt so selten ausge¬sprochen, daß er geradezu „Der Unaussprechliche"heißt, während er auf der anderen Seite einem jedenvon uns so teuer ist, daß ihn jeder mit voller Über¬zeugung seinen Allerwertesten nennt.Dieser Allerwerteste, an dessen Wohlergehen unsallen so viel gelegen ist, den man auch wohl den „gro¬ßen Unbekannten" nennen könnte, weil ihm sicher nochkeiner direkt ins Antlitz gesehen hat, obgleich ihn jederals seinen getreuen Freund überallhin mitnimmt, undden auch momentan jeder, wenn auch nur maskiert,mitgebracht hat, ist auch, wie gleichgültig er auch aus¬sehen mag, sehr empfindlicher und zartfühlender Naturund über die beständige Hintansetzung, welche er seinLeben lang erdulden muß, sehr bedrückt und betrübt.Ich habe ihn neulich bei einem längeren Selbstgesprächbelauscht und will nun die Wehklagen, durch welcheer seinem beklommenen Herzen Luft zu machensuchte, Ihnen getreulich mitteilen, vielleicht daß da¬durch der eine oder der andere von Ihnen in Zukunft zueiner liebevolleren Behandlung seines treuesten Freun¬des und zu häufigerer Erleichterung seines drücken¬den Loses Veranlassung nehmen wird.

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Dieser allerwerlesle Freund ließ sich nun, soviel iclivon seiner Sprache, über welche bis jetzt leider wedereine Grammatik noch ein Wörterbuch geschriebenwurde, verstehen konnte, folgendermaßen aus:..Ich bin", brummte er, „von uraltem Geschlecht, warschon mit Adam im Paradiese auf das innigste ver¬bunden, habe den Sündenfall mitgemacht und nament¬lich von dem fatalen Apfelbiß meinen Teil mitbekom¬men und nachträglich die Folgen verspürt Soweitsich seitdem die Menschen über die Erde ausgebreitethaben, bin ich ihnen als ihr unzertrennlicher Beglei¬ter überallhin gefolgt. Ich schließe mich dem Men¬schen gleich bei der Geburt an, begleite ihn durchsganze Leben und lasse mich aus purer Anhänglichkeitsogar mit ihm begraben.Durch meine sich bei Mohren wie bei Kaffern, Es¬kimos, Lappländern, Buschweibern und Hottentottenüberall findende unleugbare Familienähnlichkeit undgleichförmige Bildung liefere ich allen entgegengesetz¬ten gelehrten Ansichten zum Trotz den evidenten Be¬weis, daß alle Menschen von einem Paare nur abstam¬men und Brüder sind.In meiner Jugend habe ich noch einige Freiheit unddarf mich hinter Hecken und Sträuchern zuweilen derÖffentlichkeit zeigen, aber bei fortschreitendem Altermuß ich der Luft und dem Licht entsagen, weshalb ichdesselben so ungewohnt werde, daß, wenn man mix aufmein hartnäckiges Drohen doch einmal die Freiheit aufAugenblicke gibt, mich die ungewohnte Luft sofort zumÜbergeben bringt.Selbst wenn ich mich freimachen und mit Vatermör¬der und Krawatte ausstaffieren würde, dürfte ich michin anständiger Gesellschaft nicht blicken lassen; sogar

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meinen ehrlichen Namen auszusprechen, hält man fürunschicklich. Trotzdem habe ich auf der Welt gar vielzu bedeuten. Was hülfen alle Schätze, wenn man michnicht besitzen könnte. Ein jeder anständige Mensch ver¬wahrt mich deshalb auf das sorgfältigste, hüllt mich,solange er noch einen Groschen in der Tasche hat, inSamt, Seide und feine Leinwand und nennt mich sei¬nen Allerwertesten. Wer mich nicht mehr bekleidenkann, den sieht man für einen Lumpen an.Durch mich wird die Jugend gebildet und erzogen;durch mich sitzt der König auf seinem Thron, ja —Markus saß durch mich auf den Trümmern Karthagos,und der Verbrecher sitzt durch mich in seiner Zelle.Mit den edelsten Geschlechtern stehe ich in der innig¬sten Verbindung. Kaiserinnen, Königinnen, Fürstinnengehen mit mir zu Bette, und ich habe gleich der Gardedas Vorrecht, in Gegenwart des Königs bedeckt zu blei¬ben. Dessenungeachtet fühlt sich doch der geringsteBettler beleidigt, wenn er bei mir zu Gaste gebeten wird.Im Punkte der Ehre bin ich sehr kitzlich. Es kann sichniemand rühmen, mich jemals an der Nase herum¬geführt zu haben.Obgleich ich die Ruhe liebe, stehe ich in dem Gerüche,sehr häufig Stänkereien anzufangen.Bei den feierlichen Sitzungen der Gerichte und Kam¬mern habe ich besonders viel zu dulden, spiele aberdabei die Hauptrolle; denn, wenn auch bei der Abstim¬mung meine Stimme nicht mitgezählt wird, so weißdoch ein jeder, daß die ganze Sitzung nur auf mir be¬ruht und ohne mich nicht aufgehoben werden kann.Trotz der Ähnlichkeit meiner Wangen und der feinenBildung meines Mundes bin ich kein großer Redner, undnehme ich mir einmal die Freiheit, zu reden, so stiebt

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gleich alles auseinander, schlimmer wie beim langwei¬ligsten Kammerredner.Doch bin ich sehr musikalisch, und meine Stimme istgar oft .melodisch', dem Waldhorn vergleichbar. ZumSänger bin ich jedoch wegen meines sehr kurzen Atemsnicht geeignet; dagegen habe ich meiner kurzen, kräfti¬gen und sonoren Ausdrucksweise wegen ein entschiede¬nes Talent zum Posaunisten.Außerdem bin ich Ritter yom Hosenband und vomgoldnen Sporn, habe als ehrsames Handwerk das Seil¬drehen gelernt, und wenn sich meine Fabrikate auchnicht gerade durch eine besondere Länge auszeichnenund besondere Haltbarkeit aufweisen, so kann ich dochdas mit vollem Recht von ihnen rühmen, daß sich nochkein Mensch mit ihnen aufgehangen hat.Im ganzen bin ich nicht sehr gesprächig, nur wennman mir meine Lieblingsgerichte, als da sind: ein so¬lider Erbsenbrei, Rüben oder Zwiebeln, in genügenderMenge verabreicht hat, ergehe ich mich später aus Be¬haglichkeit in längeren Perioden. Zwar protestiert meineNachbarschaft immer gegen dergleichen Redensarten,allein ob mit Recht, kann ich selbst nicht beurteilen,da die Natur leider meinem sonst so reichlich bedachtenAntlitz das Riechorgan zu versagen für gut befundenhat

Ich bin noch ganz unverdorbener Natur, auf welchedie Mode und Eitelkeit dieser Welt ihre Herrschaftnoch gar nicht auszudehnen vermochte. Eau de Co-logne, Lilionese, Moras orientalisches Enthaarungs¬mittel, ungarische Bartwichse oder gar die Hand einesBarbiers haben mich noch niemals berührt. Selbst diegrößte Kokette hat niemals versucht, meine großartigenWangen zu schminken. ;

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Leider bin ich nicht ganz einig, sondern in zwei Par¬teien gespalten, eine rechte und eine linke, und hat eineVereinigung derselben trotz der redlichsten Anstren¬gungen und der gründlichen Bearbeitung mancherSchulmeister bis jetzt noch nicht zustande gebrachtwerden können.Auf alle Journale bin ich abonniert, alle, auch diegelehrtesten Schriften, dann aber auch manche un-quittierte Rechnung und feine Liebesbriefe werdenschließlich mir zur letzten Begutachtung vorgelegt.Doch noch keines dieser Werke hat meinem hohenVerstände genügen können, vielmehr lasse ich sie alle,mit meinem Handzeichen versehen, in den Abgrund derVergessenheit fallen. Ich muß bemerken, daß ich beidieser kritischen Arbeit meist durch eine große Brillesehe.

Trotz aller dieser Vorzüge werde ich sehr von derMenschheit vernachlässigt und habe fortwährend unterdem Drucke zu leiden. Während zum Beispiel meinglücklicher Stiefbruder da oben in der Beletage stetsmit Speise und Trank bis zum Überfluß angefülltwird, denkt niemand daran, mir auch einmal ein Pries-chen anzubieten. Doch werde ich mich nicht rächen,obgleich ich es sehr leicht könnte, denn die ganzeWelt machte ja bankerott, wenn ich nur einmal sechsWochen lang die Türe zuhalten und meine Ausgabeneinstellen wollte, oder wenn ich 2 k Stunden in einemStück räsonierte.So schleiche ich denn ungesehen und im Dunkelndurch dies undankbare Leben als ein gezwungener Jung¬geselle, da man bei der Erschaffung der Welt sogarvergessen hat, mir eine Lebensgefährtin zuzuteilen. —Doch eines tröstet mich für alles Ungemach und läßt

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mich alle Bedrückung ohne Stircirunzeln erlragen, dasist das Bewußtsein, daß meine Seufzer nicht vergeb¬lich und auch nicht der kleinste derselben — unge-rochen — bleibt."

3. Skatologische Episoden aus der WeltliteraturDas Folgende sollen nur Streif züge durch das Gebiet derLiteratur sein, keine systematische Erfassung des gan¬zen Stoffes. Wir werden dabei Gelegenheit haben, fest¬zustellen, daß Erotik wie die Skatologie sich an keinVolk und keine Zeit binden, sondern daß sie überall zuHause sind. Wir wollen uns dabei an keine bestimmteBeihenfolge und keine bestimmte Epoche klammern,auch nicht streng nach literarischen Gesichtspunktenvorgehen, sondern auf dem weiten Gebiete ungebundenumherschweifen. In dieser Wahllosigkeit liegt eben derReiz des Ganzen, und nur so läßt sich die Szylla derLangweile und die Charybdis der Weitschweifigkeitvermeiden. Und nun in medias res!

Bei der realistischen Ausmalung von weitverbreitetenLastern, gegen die sich der Angriff richtet, verfällt derAngreifer nicht selten ins Unflätige. Ein Beispiel hier¬für bildet das „Kurtzweilig Gedicht von den vier unter¬schiedlichen Weintrinkern". Von dem Phlegmatikerheißt es hier:

Wenn fürs drill ein Phlegmutikus,Der Wein trinkt mit Überfluß,Gewinnt er bald der Sau Figur,Weil ist von Wasser sein Natur.Wenn er zu Irinken. fähet an,Er schwerlich bald nachlassen kann.Bis er sein Wanst gefüllet hatUnd liegen bleibt auf der Walstatl.

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Will ihn jemand von dannen führen,So tut man bald sein Säuart spüren.Er treibt gar unverschämte WortBei der Gesellschaft fort und fort.Solchs währet bis zu Mitlernacht,Bis daß die Zeche wird gemacht,Daß jedermann soll gehn zu Haus,So will er nicht zur Stuben raus,Sondern darf sich legen auf die BankUnd drinnen machen großen Gestank.Kommt er dann endlich auf die Gassen,So torkelt er über die Maßen,Als wärn die Häuser alle sein.Im Kot wälzt er sich wie ein Schwein,Bis er zuletzt wird gebracht zu Haas.Seine Frau muß bald ihn ziehen aus,Find't aber in dem G'säße seinIch weiß nicht was für Weinbeerlein,Dafür sie, einen Ekel hat,Also daß sie rieht an ein BadUnd putzet ihm die Hosen aus,Davon stinket' das ganze Haus.Wenn sie nun solches hat vollbracht,Alsdann sie ihn nimmt wohl in acht.Mit großer Müh zu Bette bringt,Allda er mit der Sauglock klingt,Wann er ist zugedecket wohl,So farzet er das Bette voll,Er grolzt, bis ihm das KellergeschoßAusstößt ein Haufen Brocken groß,Vielleicht hofiert auch ins Bett,Daß eine Sau bei ihm Nahrung hätt usw. usw.

Abraham a Santa Clara (iG/j/i—1709) ist wohl der po¬pulärste Kanzelredner seiner Zeit gewesen, und seinePredigten sind auch heute noch lesenswert Unser Wie¬ner Hofprediger scheut sich nicht, alle Register zuziehen, selbst an die heikelsten Dinge heranzugehen unddiese mit solch unverblümter Deutlichkeit seinen Hörern

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vor die Nase zu halten, daß die erhoffte Wirkung wohlselten ausgeblieben sein wird. Ich setze aus seiner Schrift„Wunderwürdiges, ganz neu ausgehecktes Narren-Nestoder Curieuse Oficin und Werkstatt mancherlei Narrenund Närrinnen" 7 eine Probe aus den „Weiber-Narren"im Auszug hierher: „Es trinken viele die Gesundheitenihrer Weiber nicht nur aus denen Stengelgläsern, son¬dern auch aus denen Pantoffeln; und hat der Herr Co-ridon neulich seine schöne Frau Amaryllis versichert,daß er sie dergestalten liebe, daß er nicht entblödete,ihre Gesundheit aus dem zinnernen Nachttopf zu trin¬ken, welcher unter ihrem Bette stunde. Es ist mir un¬längst von einer klugen und schlauen Magd vor gewißerzählet worden, daß dieselbe bei einer solchen Fraugedienet, deren Mann allezeit in das geheime Gemachdem Weib das Papier nachgetragen, und der Frau ihrerMüh überhebt, welches ich um desto ehender glaubenkönnen, indem mir die Magd hochbeteuert, daß sie diesesschöne Spektakel mit Augen durch eine Klumsen derThür gesehen. 0 ihr wilde, garstige Säu-Närren, ihraberwitzige Courtisanen! Ist dieses dann eine so anstän¬dige und zulässige Liebe gegen eure Weiber!"Diese auf Grund masoehistischer Einstellung resultie¬rende Unterordnung des Mannes nimmt indessen zuwei¬len noch krassere Formen an. Moscherosch spricht inden „Wunderlichen und wahrhafftigen Gesichten Phi-landers von Sittewald" auch von solchen Weibernarren,die da begehren, das Brett auf dem geheimen Kabinettzu sein, auf daß ihnen die „Tränen" aus der LiebstenGesäß ins offene Maul fallen.

In der „Wohlausgeführten Jungfern-Anatomie usw."

7 Im i3. Band seiner „Gesammelten Werke", Passau i84o.

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meint Verfasser (wahrscheinlich Karl Seyffart. um1660), man müsse die Frauen Göttin titulieren usw.Man muß sich wünschen offt zum schwartzen Floch zu

werden,Zu hüpffen in das Bett, sonst oder an der Erden.Ja mancher wünscht offt: Ach wäre ich die Sach,Darauff das Jungfervolck sich setzet im Gemach,Ach war ich doch die Schürtz, das Hündgen und das Kät:-

gcn usw.Dieser alle Manneswürde verleugnende, aktiv sich be¬tätigende Masochismus findet einen weiteren Verteidigerin der Person des bekannten Dichter-Zeichners AubreyBeardsley, der sich in „Venus und Tannhäuser" fol¬gendermaßen mit seinen Wünschen manifestiert:„Ganz entfernt am Rande der Wiese saß ein Jünglingunter einem Rosenbusch und nahm einsam sein Früh¬stück. Nervös wendete er die aufgetragenen Speisen, aberdie meiste Zeit saß er ganz reglos da in seinen Stuhl zu¬rückgelehnt und schmachtete zu Venus hinüber. Aufeine Frage des Chevaliers antwortete die Göttin: ,Diesist Felix!' Und sie erzählte ihm, weshalb jener ein soeigentümliches Renehmen zur Schau trage. Felix saßda und wartete jedesmal, bis Venus sich auf den gehei¬men Ort zurückzog. Er war ihr dort behilflich, be¬diente sie sorgsam und demütig und war ganz versessendarauf, ihr die Kleider zu lösen, die Röcke zu hebenund zu sehen, wenn es fiel. Dann steckte er einen Fin¬ger oder gar die gespitzten Lippen in die göttliche Ab¬sonderung, bemalte sich auf eine befremdende Art da¬mit und schätzte es als höchstes Glück, in solchemAugenblick dicht unter ihr zu liegen und diese ersehnteGunst zu empfangen..."In Zeiten, da man das Natürliche zu schätzen wußte,bildete überhaupt das skatologische Moment ein beliebtes

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und nicht zu unterschätzendes Kampfmittel im Streiteder aufeinander platzenden Meinungen. Man denke nuran die Ref ormationskämpfe!Luther forderte iÖ2 6 seine Anhänger auf, den römi¬schen Antichrist mit Bildern anzugreifen. Man müssedessen Dreck, „der so gern stincken wolle, weidlichrühren, bis sie Maul und Nasen voll kriegen". Und sofertigte denn Lukas Cranach als „Abbildung des Papst¬thums" jene Holzschnitte, die Luther unter seinem Na¬men und mit Versen versehen im Jahre i5/j5 heraus¬gab. Auf einem dieser Holzschnitte hält der Papst eineBannbulle, aus welcher Flammen und Steine nach zweivor ihm stehenden Männern sprühen, die dem Papst ihrenentblößten dampfenden Hintern zeigen. Auf einem an¬deren reitet der Papst in vollem Ornat auf einer Sauund spricht seinen Segen über einen Haufen Kot, nachdem die Sau den Rüssel streckt Auf einem dritten ent¬leert sich ein Mann in die Höhlung einer päpstlichenKrone, ein anderer bereitet sich vor, dasselbe zu tun,während ein dritter neben dem Tisch sein Gewand wiederzuknöpft s . Auf einem anderen zeitgenössischen Holz¬schnitt, „Die Erschaffung der Mönche" 9 , sitzt wiederumder Teufel auf einem Galgen und läßt seinen Kot inGestalt von Mönchen fallen. Fuchs bringt sehr reichhal¬tiges Material, aus dem die Einschätzung der Möncheund Nonnen deutlich hervorgeht.Mit zu den bissigsten und wirksamsten Streitschriften ge¬gen das Mönchswesen gehört unstreitig „Jo. Physiophilispccimen monachologicae methodo Linneana Iribusaeneis illustratum cum thesibus. Aug. Vindeb. 1783",

8 Ed. Fuchs, Geschichte der erotischen Kunst, Berlin 1910,S. ig4—196.9 Fuchs, S. 193.

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4°, von Ignaz von Born (17/12—1791), einem sehr ver¬dienstvollen Gelehrten am Hofe der Kaiserin Maria The¬resia 10. Das Werk soll nach Linneischem Muster eine

Naturgeschichte der Mönche geben und war ursprüng¬lich lateinisch geschrieben. Die drei beigegebenen Kup¬fertafeln sind von der gleichen Derbheit wie der In¬halt der Spottschrift Besonders kommt die zweite hierin Betracht. Sie enthält nämlich die Ansicht „eines fastunverkennbaren Afters in einer vollständigen Samt¬hose", dann „eines Dickarsches in halber Tuchhose" unddrittens „eines Schmalafters in Leinwandumhüllung".Nach einer allgemeinen Beschreibung der Mönche wer¬den die einzelnen Orden gebührend abgehandelt. VomKapuzinermönch heißt es:„Das Wesen des Kapuziners ist ein sehr erbärmliches,sein Gang träge, das Gesicht wüst, am ähnlichsten einemSatyrn aus dem Affenlande. Es ist nicht gut, sich ihmzu nahen, denn er läßt einen fürchterlichen Gestankvon sich. Allen Vorrat verwahrt er am Leibe in Säck¬chen. Rücksichten kennt er nicht, ohne weiteres schlägter die Kutte in die Höhe und scheißt und brunzt, ohneden geringsten Anstand — dann wischt er sich den Po¬dex mit dem Strick am Leib ab."Aus dem reichhaltigen Material, das uns G. J. Wit-kowsky in seinem zweibändigen, reich illustriertenWerke „L'art profane ä l'eglise" bietet, können wirschließen, daß das Mittelalter an der Darstellung vonPersonen bei der Verrichtung natürlicher Bedürfnissekeinen Anstoß nahm Man sah derartige Fakta eben alsganz natürlich an und hatte um so weniger Grund zum1° Die Bibliographie dieser lehrreichen Schrift ist in Pisanus Praxi,Centuria librorura absconditorum, p. XXXIII, Anm. 4i unter Essaisur l'histoire naturelle de quelques Especes de Moines, bei Hayn-Gotendorf und Gay enthalten.

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Einschreiten, als der Künstler sein Bestreben daraufrichtete, diese Darstellungen an möglichst nicht in dieAugen fallenden Stellen anzubringen, entweder im Dun¬kel des unteren Chorgestelles oder hoch oben an denSäulenkapitellen oder Dachfirsten. Als Dachtraufen fin¬det die Darstellung von männlichen oder weiblichen Per¬sonen im Zustande der Entleerung sich nicht oft Sonstbeschränkt sich der Künstler in der Hauptsache auf dieWiedergabe eines Mannes, der die Hosen niedergelassenhat oder sein Wasser abschlägt Merkwürdigerweise fin¬den sich derartige Profanierungen an Kirchen meistensnur bei den Flämen, und die einzelnen Bildwerke, diein Frankreich anzutreffen waren, verdankten flämischenKünstlern ihre Entstehung. Der Fläme ist in dieser Hin¬sicht sehr ungezwungen. Ich erinnere nur an die vielenNotdurftszenen, die uns Bubens, Bembrandt, Ostade,Jan Steen, Brouwer und Breughel gemalt haben. Mittenin einer lustigen Gesellschaft findet sich häufig einMann oder ein Kind, die ihren Bedürfnissen freien Lauflassen, seltener ist es ein Weib. Joachim Patenier hattedie Gewohnheit, in seinen Landschaften einen Mann an¬zubringen, der seine Blase erleichtert. Marcus Ghee-raerts aus Brügge dagegen fügte eine Frau ein, die aufeiner Brücke oder an einer anderen Stelle kauerte undein kleines Bedürfnis verrichtete.Beroalde de Verville bringt in seinem „Moyen de par-venir" zahllose skatologische Anekdoten und Schnurren,und man gerät tatsächlich in Verlegenheit, wenn man einbezeichnendes Beispiel auswählen soll. Es sei deshalbnur die Schnurre wiedergegeben, in der das Vergnügeneiner guten Entleerung gepriesen wird 11.

11 Der Weg zum Erfolge, deutsch von Mario Spiro, Berlin, BrunoCassirer 1914, S. 35g.

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„Wie sie eines Nachmittags miteinander plauderten, ihrGemahl und sie, kam ihr bei, zu ihm zu sagen: .Aber,mein Schatz, ich bitte dich, mir zu sagen, ob du michwohl liebst.' — ,Ei freilich, meine Liebe!' — ,Wiewas, mein Herz?' — ,Wie einen guten Schiß, liebstesSchwesterlein!' — .Wahrlich, Ihr achtet meiner rechtgering!' Er bemerkte diesen Unwillen und beschloß, desRats zu schaffen. Eines Tages, wie er auf dem Lande zuthun hätt, sagte er zu seiner Frau, daß er wünsche, siebegäben sich selbander hin. Worein sie willigte. Er hießsie früher aufstehen denn gewöhnlich, ehe noch dieNatur die auszuscheidenden Stoffe gehörig präparierthatte, so daß sie noch nit ihr Bedürfnis zu erledi¬gen vermochte, wozu auch kam, daß er sie zu großerEile antrieb. Sie stiegen zu Pferde, er auf seinen Karren¬gaul, und sie auf das wackere Lastpferd mitsamt demBediensteten, so es am Halfter führte und des unter¬richtet war, was er zu thun hätt. Wie sie zwo Meilenhinter sich hatten, verspürte die Dame ein Gelüsten nachdem Misten. Aber der Diener sagte ihr, daß er sich nitgetraute anzuhalten, und daß man eilen müsse, so daßsie an sich hielt und so trefflich, daß sie sich bei ihrerAnkunft mit eins gedrängt fühlte, ihr Geschäft zu ver¬richten. Und stracks lief sie zum Purgatorium, allwo siesich reichlich entleerte und mit so viel Vergnügen, daßihr die Freundschaft zu Sinn kam, so ihr Gemahl fürsie empfand. Derowegen sprach sie — zurückgekehrt:,Ei, mein Freund, nun habe ich getreulich erkannt, daßIhr mich mächtig liebt Ich habe selbiges soeben emp¬funden und glaube, daß nichts so gut ist wie ein wack¬rer Schiß. Nur eines hat mich traurig gemacht, ich warnämlich gar betrübt, daß ich kein Papier hatte, um mirden A ... zu wischen.' "

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Ein weiteres Skatologikum ist das etwa um 1190 voneinem unbekannten Spieiniann verfaßte Epos „Salomonund Morolf", dessen Spruchgedicht uns hier interes¬siert. Morolf ist ein häßlicher, unflätiger Possenreißer,der mit dem Könige Salomo in einen Disput gerät undauf Salomos Weisheitssprüche mit einer skatologischenRedensart antwortet. Der Gegensatz zwischen den er¬habenen Worten Salomos und der ganz im gemeinenwurzelnden Sprechweise des groben Bauemklotzes istungemein reizvoll 12.Eins der bekanntesten Stücke von Hans Sachs ist sein„Nasentanz", der i55o gedichtet wurde. Ein Schultheißträgt an seiner Stange drei Schmuckstücke und verheißtsie den drei größten Nasenträgern als Preis. Die nunauftretenden Bewerber preisen die Vorzüge ihrer Nasenin recht drastischer Weise. Schon die Namen gehörenin das Reich der Skatologie. Da ist zum Beispiel ein12 Vgl. Salomon und Marcolf, hrsg. von Hans W. Fischer, Leipzig1907. Die Beliehtheil dieses Dialoges geht daraus hervor, daß er inverschiedenen Sprachen fast gleichzeitig erschien, z. B. französisch:Les Diclz de Salomon avec les responces de Marcon fort joyeuses,s. 1. n. d. (vers i5oo; vgl. Gay, Analectes III, 20—21) undpolnisch, vgl.: Collationes inier Salomonen! et Marcolphum. —Rozmowy ktore myat Zmarchottem gruhym a sprosnym / ä wssäkoziäka o llyem powyedäia bärzo zwymownyem zfigurämi y zgadkamismyessnymi. Wydat Ludwik Bernacki, Folio. Haarlem, Joh. En-schede en Zonen Nakladem Wydawcy 1913. Nur in 125 nume¬rierten Exemplaren hergestellt. — Das Werk ist in mehrfacherHinsicht interessant. Es bringt den Neudruck von drei Marcolf-Frag-inenlen, Krakow i5ai, i5a5 und i535. in altpolnischer Sprache,also die überhaupt ersten polnischen Drucke; ferner „Wyj^tki z,Marchotla'. Wokahularz rozmaitych sentencyi. Krakow, H. Wie¬tor / i53g". Mit 3i Faksimilcreproduktionen, darunter von einigendurch Holzschnitte illustrierten alten Ausgaben. — Das „Woka-bularz" stellt eine bisher unbekannte deutsche Obersetzung desMarcolf dar, und außerdem sind zwei noch nicht bekannte latei¬nische Inkunabeln des Buches, gedruckt von Quentell und Kachel¬offen, darin genau beschrieben.

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Kunzel Kleienfurz, ein Friedel Zettelscheiß, die sichrühmen — der erste:

Schultheiß, ich heiß Kleienfurz,Mein Nas ist breit, plump, munk und kurz.Daran die Naslöcher aufzannen (klaffen),Breiten sich aus wie ein Futterwannen,Womit ich sehr viele Fürz auffang,Die mir zuhlasen früh und z'NachtVon Mägden, Knechten und Roßbuhen,Wenn ich bin in der Rockenstuben...

Der andere:

Schultheiß, ich heiß Friedel Zettelscheiß,Am Tanz ich zu bestehn nicht weiß,Weil ich noch war ein Kind beschissen,Da hat mir ein Sau mein Nas abbissen usw.

Als ein sittengeschichtliches Dokument ersten Rangesist der im Mittelalter sehr verbreitet gewesene „TillEulenspiegel" anzusehen. Die darin enthaltenen Spässedrehen sich fast durchweg um die Verwendung mensch¬licher Exkremente. Da das Werk zu bekannt ist undjederzeit nachgelesen werden kann, gebe ich nur einigebesonders bezeichnende Titel an:

Wie Eulenspiegel ein Hof junge ward und ihn sein Jun¬ker lehrt, wenn er fände das Kraut „Henep", so sollteer darein hofieren, also hofierte er in den „Senep" undmeinte, „Henep" und „Senep" wären dasselbe.Wie Eulenspiegel einMeßner ward im Dorf Buddenstekt,und wie ein Pfarrer in die Kirche hofierte, womitEulenspiegel eine Tonne Bier gewann.Wie Eulenspiegel die Juden zu Frankfurt am Main be¬trog um tausend Gulden, indem er ihnen seinen Dreckals Prophetenbeere vertrieb.Wie Eulenspiegel sich bei einem Kürschner verdingte

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und ihm in die Stube Stank machte, auf daß ein Gestankden andern vertriebe.Wie Eulenspiegel zu Hannover in die Badstube hofierteund meinte, es wäre ein Haus der Reinlichkeit... usw.Aus Paulis „Schimpf und Ernst", einer der beliebtestenFazetiensammlungen des 16. Jahrhunderts, seien nachder Reclamschen Ausgabe zwei bezeichnende Fazetienmitgeteilt:„Wie man die jungen Kinder gewöhnt zur Beichte, sokam ein Töchter lein zu dem Priester und beichtete. DerBeichtvater fragt das Kind, ob es auch in das Bett brun-zele. Es sprach: ,Ja!' Der Beichtvater sprach: ,Lug, daßdu es nicht wieder tuest, ich esse die Kinder, die in dasBett briinzele!' Das Töchterlein sprach: ,Nein, du sollstmich nicht essen, weil ich in das Bett briinzele! Ichhabe ein Brüderlein daheim, das kackt ins Bett, das iß!' "„Es war ein Arzt, der hatte zween Kranke oder Brest-haftige angenommen und wollte ihnen beiden helfen,wiewohl ihr Gebrest sehr ungleich war. Denn der ersteKranke war ein al l er, betagter Bürger , der hatte eine garschöne junge Tochter zur Ehe genommen, und kam zumArzte und bat ihn, er sollte ihm eine Arznei machen,damit er seiner jungen Frau auf die Nacht wohl gefiele.Der gute Arzt tat das Beste und verordnete dem altenMann ein Rezept, damit er seiner Braut wohl gefiele.Des andern Kranken Siechtage waren also, daß er nichtkonnte zu Stuhle gehen, langer Krankheit halber. Darumverordnete ihm der Arzt ein Bezept, das ihm Stuhlgangbrächte und den Magen weichte. Während diese beidenRezepte gemacht wurden, ging der Doktor zu Gast essenund hinterließ dem Apotheker, die zween Kranken wür¬den die beiden Latwergen holen. Aber der Apothekerward irr und gab dem Kranken, der nicht konnte zu

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Stuhle gehen, die Arznei, die dem alten Manne zugehörte,der gern mit der jungen Frau fröhlich wäre gewesen.Als der die Arzenei einnahm, ward ihm seine Notdurftvonnöten, und als er einmal oder zweimal auf dem heim¬lichen Gemach war gewesen, hatte er doch keine Ruhe,sondern trieb das die ganze Nacht also, daß die jungeFrau gar wenig erfreut ward auf diese Nacht. Sie wardarum sehr traurig, denn sie besorgte, es wäre allsoseine Art und Weise.Der andere Kranke aber lag die ganze Nacht und wartete,wann ihm der Stuhlgang würde kommen. Aber seineArznei wirkte in einem andern Weg, denn er hätte liebereine Frau bei sich gehabt, als daß er wäre zu Stuhlegegangen. Des Morgens kam der Arzt zuerst zu demalten Manne und wollte sehen, was er ihm als Honorargäbe, aber der gute Mann lag noch und ruhte, denn erhatte die ganze Nacht nicht viel geschlafen und war soschwach geworden, daß er kaum reden konnte und sagtedem Arzte: ,Fürwahr, Herr, Ihr habt mir ein böses Stückgetan! Wenn ich stärker wäre, als ich bin, so solltet Ihres keinem Pfaffen dürfen beichten!' Der Arzt fragte:,Wieso?' Der Alte sagte ihm, wie er die ganze Nacht hättelaufen müssen und die Braut seiner gar wenig froh ge¬wesen wäre. Da erkannte der Doktor, daß der Apothekerdie Arzeneien verwechselt hätte und bat den alten Mannum Entschuldigung. Der andere Patient ist natürlichebensowenig erbaut, daß er statt einer ,Weichung desBauches inwendig' eine ,Härtung des Bauches aus¬wendig' erreicht hat"Nicht minder beliebt als Paulis „Schimpf und Ernst"war Jörg Wickrams „Rollwagenbüchlein". Der ziemlichderbe Schwank „Von der Bäuerin und der süßen Mar¬tinsmilch" gehört ebenfalls hierher. Da er aber sehr

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weitschweifig ist, lasse ich die Erzählung nur auszugs¬weise folgen. Nach einer reichhaltigen Abendmahlzeit beieinem wohlhabenden Bauern, bei der es viel süße Milchgegeben hatte, bekommen zwei Knechte des Bauern, diein der Stube nebenan schlafen, Durst. Der eine Dreschererhebt sich leise, um in die Milchkammer zu gehen undeine Satte Milch für sich und seinen Genossen zu holen.In der dunklen Nacht verfehlt er aber den Weg, denn alser meinte, er ginge wieder zu seinem Gesellen, kam erin des Bauern Kammer. „Da lag die, Bäuerin mit blo¬ßem Hintern unbedeckt. Der gute Drescher meinte,es wäre sein Gesell, der wäre wieder entschlafen,und hob der Bäuerin die Milch vor den Hintern. In¬dem ließ die Bäuerin einen Wind von sich gehen, derDrescher sagte: ,Du Narr, was blasest du in diekalte Milch? Ich meine, du seiest voller Wein seit demAbend.' Indem entfuhr der Bäuerin noch ein Bläster-ling, da ward der Drescher erzürnt, erwischte die Milch,vermeinte, sie seinem Gesellen in das Angesicht zu schüt¬ten, und schüttete sie der Bäuerin in den Hintern. Davonerwachte die Bäuerin und wußte nicht, wie ihr geschehenwar, sie gebärdete sich übel darob. Der Bauer wachteauch auf und fragte sie, was ihr geschehen wäre. ,0 weh!'sagte die Bäuerin, ,ich weiß nicht, ich liege ganz naß imBette.' Der Bauer sprach: .Sagte ich dir nicht amAbend, als du der Milch so viel zu essen tatest? Dir isteben recht geschehen!' usw."Von den deutschen Schwankerzählern wagen wir einengroßen Schritt zu den italienischen Fazetisten. Sacchetti,Straparola und die andern Novellisten zeichnen sichdurch überquellende Lebensfreude aus. Die Derbheitenin ihren Schriften lassen sich nicht mit wenigen Wortenerschöpfen. Immer aber ist das skatologische Moment

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nur Beiwerk, bildet nicht den Mittelpunkt, um den sichalles dreht Ein solches Aufgehen im rein Skate-logischenfinden wir nur bei dem Erzschelm Gonella, den wir miteinigen Schnurren zu Worte kommen lassen wollen:Einstmals versprach er einem Ferraresen, der dies sehn¬lichst wünschte, ihn für wenige Groschen zum Wahr¬sager zu machen. Nachdem sich der Mann auf sein Ge¬heiß zu ihm ins Bett gelegt hatte, ließ er einen geräusch¬losen Wind streichen. Dann befahl er ihm, den Kopfunter die Decke zu stecken. Der tat es, zog ihn abervor Gestank eiligst hervor und sagte: „Wie ich sehe, hastdu gefurzt." Darauf Gonella: „Zahl mir das Geld, denndu hast richtig wahrgesagt 13." Auch Poggio führt siean 14 in etwas geänderter Fassung: „Zu einem Floren¬tiner, der ein Wahrsager zu werden wünschte, sagte Go¬nella : ,Mit einer einzigen Pille werde ich dich zum Wahr¬sager machen.' Da der einverstanden war, gab er ihmeine aus Dreck gedrehte Pille in den Mund. Der Armespie vor Ekel aus und sagte: ,Das schmeckt ja nachDreck, was du mir gegeben hast.' Nun bestätigte ihmGonella, daß er wahrgesagt habe, und verlangte seinenLohn." Dieses Motiv, nach dem Geschmack die Herkunfteiner übelduftenden Sache zu erraten, scheint nach denNachweisungen, die Albert Wesselski in „Die Begeben¬heiten der beiden Gonella 15 " bietet, sehr beliebt gewesenzu sein, denn es findet sich in altfranzösischen, italieni¬schen und deutschen Novellen. Das altfranzösische Fa-

13 S. a. Poggio, Facetien Nr. 166; dieselbe Geschichte findet sichauch in Grimmelshausens Abenteuerlichem Simplicissimus, I. Buch,28. Kapitel, Ausgabe von Tittmann, 2. A., Leipzig 1877, I,S. 77 ff.14 Les faceties de Pogge. traduiles en Francais, aven le texte laiin.Edition compldte. Paris 1878, Nr. i65.ir> Weimar, Alex. Duncker, 1920, S. 99—102.

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bliau 16 , Nie. de Troyes 1?, Sacchetti 18 erzählen die Ge¬schichte, Seb. Branl hat sie in die „Aesopi vita et fabulae"aufgenommen, und Hans Sachs geht darauf zurück 19.Damit ist das Wandern der Novelle aber noch nicht er¬schöpft. Wesselski gibt noch mehrere Nachweise, aufdie ich verweise.

„Groß geworden, verfügte sich Gonella zu Herzog Borso,Als er bei diesem von ungefähr krank wurde, kam ihnder Herzog zum Zeitvertreib alltäglich besuchen, und beieiner solchen Gelegenheit sagte er ihm einmal, wenner irgendeinen Wunsch habe, solle er ihn nur freiheraussagen. ,Herr,' antwortete Gonella, ,ich schämemich, zu sagen, was ich möchte, und doch glaube ichsicherlich, daß ich genesen würde, wenn ich es äße,'Der Herzog entgegnete ihm: ,Laß dir nicht bange sein,du sollst bekommen, was du willst, und wenn es Dreckwäre.' — ,Du hast es erraten', sagte Gonella; ,ichmöchte einen dicken Strunz und habe ihn auch schon vondem verlangt, der mir das Bett macht, aber er will mirkeinen geben, und so bitte ich dich, sieh zu, daß er mireinen bringt.'Der Herzog rief diesen Diener und sagte zu ihm: ,Merk'dir's, wenn du nicht alles tust, was dir Gonella befiehlt,so lass' ich dich henken.'

Aus diesen Worten gewann der Schalk Mut und heischteden Strunz von dem Diener, und der Diener brachte ihnihm auf einem Teller. Nun sagte Gonella: , Jetzt habe ich

16 G. Raynaud et A. Montaiglon, Recueil general et complet desfabliaux.'Paris 1872, III, S. 46 ff.17 Parangon des nouvelles honnestes et deleclables, 3U. Nov.18 Übersetzt von Floerke, III, S. a 16 ff.19 Sämtliche Fabeln und Schwanke, hrsg. v. E. Goetze und C. Dre¬scher, Halle 1893 ff., IV, S. 463 ff.

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keine rechte Lust, darum sei so gut und kau' mir ihnvor, und da wird mir die Lust wieder kommen.'Den Diener deuchte das wohl seltsam, aber aus Furchtvor dem Herzoge, der zugegen war, steckte er ihn inden Mund und kaute eine Weile daran herum. Dannwollte er ihn erbost dem Narren reichen. Der jedochsagte schmunzelnd, während jeder gespannt war, ob erihn essen werde: ,Du hast mir ja den ganzen Saftherausgezogen, und weil du die Trester herausgezogenhast, so iß jetzt alles, und laß es dir wohl bekommen.'Und so sah sich der arme Schelm von einem Dieneraus Angst, es könnte ihm etwas noch Schlimmeres zu¬stoßen, gezwungen, diese Schweinerei hinunterzu¬schlucken 20 ."Zuweilen aber fällt Gonella selber in die Grube, dieer anderen gegraben hat. Davon ein Beispiel, das dieDichtergestalt Dantes zum Gegenstand hat:„Von den Florentinern war Dante, der Dichter, als Ge¬sandter zu den Venetianern geschickt worden. Auf derDurchreise hielt er sich einige Tage in Ferrara bei demHerzog auf und war dort Gegenstand vieler Ehrungen.Eines Tages sali nun Gonella die Kapuze, die Dante nachflorentinischer Weise trug, und da sagte er zu dem Her¬zog: ,Herr, ich sterbe, wenn du mir nicht eine Gnadeerweist.' Der Herzog antwortete: ,Verlange, was duwillst!' Und der Possenreißer verlangte die Kapuze Dan¬tes. Dieser, der sah, daß er damit dem Herzog einen Ge¬fallen tat, gab sie ihm. Kaum aber hatte sie Gonella,so hofierte er hinein. Nun bat Dante den Herzog um dieGnade, daß sie Gonella sich aufsetzen müsse, und ihmwurde willfahrt, und Gonella setzte sie sich auf und

20 Die Begebenheiten der beiden Gonella, hrsg. v. A. Wesselski,Weimar 1920, S. 69—70.

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teigte sich völlig ein zum großen Vergnügen aller, diedabei waren. Also war der Schalk dank der Hoheit vonDantes Geist der Gefoppte 21 ." Einigermaßen ähnlich istder 52. Schwank in Jörg Wickrams „Rollwagenbüch-lein" 22 : „Einer satzt seinem gefaxtem ein hut mit Bruntzauf den kopff in einer abenzech."Daß viele solcher skatologischen Erzählungen Allgemein¬gut waren, zeigt sich an folgender Schnurre:„Als Gonella einmal nach Neapel kam, sah er beim For-mellinischen Brunnen eine aufgeschürzte Magd, die dortwusch, und weil sie ihren Leib bei der Arbeit tüchtigrührte, hatte sich ihr das Hemde im Hintern eingeklemmtDa sagte Gonella zu ihr: ,He, Mädchen, merkst dues denn nicht, daß dir dein Arsch dein Hemd frißt?'Ohne sich erst zu besinnen, antwortete sie: ,Bei Gott, dubist im Irrtum, das Hemd wischt nur den Arsch, damitdu ihn sauber küssen kannst' " Dazu vergleiche MorlmisNovellen 23 . Auch Lodovico Domenichi 24 erzählt densel¬ben Schwank. In der etwa 1600verfaßten „Saladed'esphsa grame" des Grafen d'Aube 25 steht ein Epigramm„Conlre-pique", das auf Domenichi zurückgeht In einemStücke der zuerst i52Ö erschienenen „Hundred MeryTales" 26 ist nicht Gonella, sondern ein Mönch der Ge¬hänselte.In der Art wie Rochesters „Sodom", nur nach der skato¬logischen Seite gerichtet, ist folgendes Stück: „Crasseau-cul, roi d'Etronie, trag, biblique en un acte et en vers",

21 Die Begebenheiten der beiden Gonella, S. 75f.22 Herausg. v. J. Bolte, Tübingen 1903, S. 68 ff.23 Herausg. v. A. Wesselski, München 1908, Nov. 5o.24 Facette, molti et burle di diversi signori et persone private.Raccolte per M. Lodovico Domenichi. Venelia i58i, S. 20ff.26 Becueil de piüccs rares et facitieuses anciennes et modernes,Paris 1872, S. 170.26 Ed. by Oesterley, London 1866, S. 44, Nr. 23.

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par M____r, Paris i855 (Bruxelles 1867). Dieses Stück,das in Sodom einige Tage vor seiner Zerstörung spielt,erschien zuerst in „Nouveau Theälre Gaillard" und ist,wenn man Gay 27 glauben darf, die stärkste obszöne Bur¬leske skatologischer Art 28 . Und nun noch einen kurzenSprung nach Deutschland.Goethes „Leiden des jungen Werther" (1774) riefenbekanntlich eine ganze Flut von Spott- und Gegenschrif¬ten auf den Plan. So trat unter anderen Nicolai (17-33bis 1811) mit seinen „Freuden des jungen Werther"(1775) an die Öffentlichkeit, worin Goethe gehörigparodiert wurde, was ihm dieser mit dem derben Schmäh¬gedicht „Nicolai auf Werthers Grab" vergalt:

Ein junger Mann, ich weiß nicht wie,Verstarb an der HypochondrieUnd ward dann auch begraben.Da kam ein schöner Geist herbei,Der halle seinen Stuhlgang frei,Wie ihn so Leute haben.Der setzt sich nieder auf das GrabUnd legt sein reinlich Häuflein ab,Schaut mit Behagen seinen Dreck,Gehl wohl eratmend wieder wegUnd spricht zu sich bedächtiglich:„Der gute Mann, er dauert mich,Wie hat er sich verdorben!Hält' er geschissen so wie ich,Er wäre nicht gestorben!"

In dem anonym erschienenen „Marioneltentheater" desJohann Friedrich Schink, Wien, Berlin und Weimar(Berlin, Himburg) 1778, findet sich das Drama „Hans-

27 3. A., II, 3 7 6.2S Vgl. a. Drujon, Calulogue des ouvrages condamnes. Paris 187;),S. 110.

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warst von Salzburg mit dem hölzernen Gat", das einegenaue Parodie des Götz ist 28 ". Im Prolog heißt es:

Und der Doktor Goethe ist doch ein Genie —(Sagen's ja alle Kriticil)Mischt in seinem Schauspiel, wie Hecksei und Stroh,Zigeuner und Reitknechte, Pfaffen und Helden,Lassen sich auch — mit Ehren zu melden —Die Helden im Arsch lekken, wie solches gar schönIm Götz von Berlichingen zu sehn.

Und am Schluß:Werden also, meine Herren und Frauen,Ein Schauspiel ä la Goethe hier schauen:Wird darin geschcißkerlt, geschioerenoth't und gekokt.Es folgt nunmehr der erste Akt.

Auch die „Leiden des jungen Franke, eines Genies"( 1 777) von J° n - Mc-ritz Schwager gehören zu den gegenGoethe gerichteten Spottschriften. Der Held des Stückesschleicht sich zu seiner Geliebten, einer verheiratetenFrau, fällt aber- deren eifersüchtigen Gatten in dieHände, der ihn zum Kapaunen macht. Aus Schmerz er¬hängt er sich an einer alten Eiche, hält aber noch imTod eine Reliquie seiner Geliebten, nämlich deren Nacht¬topf, in der Hand, was auf dem Titelbild getreulichabgebildet ist 29 .Goethe war bekanntlich einem derben Wort nicht ab¬

geneigt, wenn dadurch der Sinn am deutlichsten undsinnkräftigsten wiedergegeben werden konnte 30. Ihmwar deshalb in die Seele zuwider diese alberne Sucht,durch euphemistische Ausdrücke mit den allermensch-lichsten Bedürfnissen Verstecken zu spielen und sich der

281 Vgl. Goedeke IV, 1, 911, 11.29 Ebeling, Geschichte der komischen Literatur. Liegnitz und Leip¬zig i 7 83, I, S. 554-30 Schopenhauers Gespräche und Selbstgespräche, hrsg. v. Ed.Grisebach, Berlin 1898, S. 28.

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Funktionen seines eigenen Leibes zu schämen. Im Laufeder Jahre wandelte sich allerdings darin sein Geschmackein wenig, dann, als er abgeklärt war oder zu seinglaubte. Aber in seinen Sturm- und Drangjahrenkonnte ihm die ängstliche Prüderei wenig imponieren:

Mußt all die garst'gen Wörter lindern,Aus Scheißkerl Schurh, aus Arsch mach Hintern,

empfiehlt er einmal ironisch, und Götz von BerlichingensAntwort ist ja bereits zum geflügelten Wort geworden.Auch in dem Spiel „Hanswursts Hochzeit" hat er seinersprudelnden Laune die Zügel schießen lassen. Leider istdas Stück ein Torso geblieben und über das Namens¬verzeichnis und kurze Bemerkungen nicht hinausgekom¬men. Aber die Namen verraten schon, von welcher Derb¬heit das beabsichtigte Drama gewesen wäre, wenn Goetheden Mut besessen hätte, es auszuführen. Er konnte sichnicht genug tun, die niederen Beziehungen von Männleinund Weiblein und ihre körperlichen Geschlechtsmerk¬male und -unterschiede in Namensform zu kleiden. Da

war vorgesehen: Hans Arsch von Bippach, Neckärsch-chen, Schnuckfötzchen, Quirininus Schweinigel, ThomasStinckloch, Stinkwitz, Blackscheißer, Hosenscheißer,Wurstfresser aus dem Scheißhaus, Leckarsch, Lapp¬arsch, Dr. Bohnefurz, Scheißmatz, Piephahn, Farzpeter,Heularsch, Jungfer Arschloch, Hans Schiß, Nonnen-fürzchen usw. usw. 31War dieses Stückchen eine Ausgeburt toller Laune, sozeugt das Pamphlet „Doctor Bahrdt mit der eisernenStirn" (1790) von einer pöbelhaften Gemeinheit. Indieser Schrift schüttet Kotzebue, der hier wirklichseinem Namen alle Ehre macht, Kübel von Schmutz auf

31 Vgl. die von Stammler besorgte Ausgabe bei Paul Steegemann,Hannover 1921.

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seine Gegner aus, um zur Ehrenrettung Zimmermannsbeizutragen. Für uns kommt hier insbesondere der dritteAkt in Betracht. Nachdem sich die Verschworenen zumSturze Zimmermanns verbunden haben, sind „alle tüch¬tig besoffen, taumeln, krakeelen und rülpsen". Gedickewill sich schlechterdings Lichtenbergs Munde als einesunaussprechlichen Geschirrs bedienen. Kästner machtkeine Epigramme mehr, sondern gibt halbverdaute Vik-tualien von sich. Brie schnarcht, sperrt das Maul seinerGewohnheit nach dabei auf und erhält die ganze Masseeines Magenüberladenen dabei hinein. Campe verrichtetseine Notdurft an der Nasenspitze seines schlafendenKollegen Trapp und reinigt sich mit einem Stück derBerliner Monatsschrift, wovon er aber Giftblasen amHintern bekommt Klockenbring ruht in einem Schweine¬stalle „wie unter Brüdern" usw. usw. 32

Im allgemeinen hat die neuzeitliche belletristische Lite¬ratur der Deutschen wenig für die skatologische Bich-tung übrig. Deshalb finden sich derartige Züge nur ver¬einzelt Chamisso erlaubt sich in der letzten Stropheseiner Schauerballade „Der arme Sünder" eine Ideineskatologische Abschweifung 32a , und nur der in seinerzügellosen Kühnheit auch vor dem Äußersien nicht zu¬rückschreckende Oskar Panizza bringt von seinem aufden Mond verschlagenen Erdenbewohner eine ganzeSzene, in der eine eingehende Beschreibung der Ent¬leerung enthalten ist 32b .Auch dem begeistertsten Verehrer der Exkremente wirdes nicht immer angenehm sein, wenn er wider Willen

32 Ebeling, Geschichte der komischen Literatur, Leipzig und Lieg¬nitz 1869, Bd. 1, S. 43/i—44i.32 » Richard M. Me)er, Deutsche Parodien, S. 177.82b Visionen der Dämmerung, München iai4, S. i38.

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mit ihnen Bekanntschaft machen muß. Daraus folgt er¬stens, daß entweder nur die Ausscheidungen des gelieb¬ten Wesens geschätzt werden, und daß sich der Lieb¬haber in seiner Phantasie zu ihnen in Beziehung bringenmuß, um sexuell erregt zu werden, oder zweitens, daßes der Wärme der Ausscheidungen bedarf, um denandern in Erregung zu versetzen. Alles andere wirktpeinlich oder stößt ab. Für jeden Dritten erregt der un¬verhoffte Gegensatz zwischen höchster Wollust und Be¬kanntschaftmachen mit dem Unreinen die Lachlust. Einbezeichnendes Beispiel finden wir in dem Erotikon:„Priaps Normalschule, die Folge guter Kinderzucht, einkleiner Boman in gefühlvollen und zärtlichen Briefen."Berlin 1789. S. 78. Bei einem Schäferstündchen ineinem Viehstalle hat ein Ziegenbock einen hinterlistigenAngriff auf den Liebhaber gemacht. „Itzt wanderten siebeide miteinander zur Thüre hinaus, und es wäre gewißfür einen vierten eine äußerst komische Szene gewesen,den Passagier mit nackichtem Podex und den Bock mitgesenkten Hörnern in seinen Hosen zu sehen. Ich wußtenicht, sollte ich weinen oder lachen: aber das Lustigstekam erst. Kaum waren sie vor der Thüre, so stolpertemein Freund und fiel samt seinem Führer nach aller

Länge in die Mistpfitze, in welcher eine Menge Küh¬fladen und Menschensatzungen herumschwammen. DerBock arbeitet aus allen Kräften, um aus der Pfütze zukommen, und brachte seinen Gegner immer noch tieferhinein, bis ihm auf mein hierüber erregtes Geschreieinige Leute zu Hilfe kamen und vom Bock erlöseten.Das erste, was er that, war, daß er hurtig, noch in derPfütze, die Hosen hinaufzog und zuknöpfte, aber erhatte zugleich auch eine Parthie solcher schwimmenderMaterialien mit hineingeschlagen, daß sie ihm unter den

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Kniegürteln hervorquatschelten, und er sich weder zurathen noch zu helfen wußte. Alles, was in der Gaststuhewar, lief heraus, den armen Schelmen zu betrachten, derwie ein Aas stank."

In gleich übler Verfassung befand sich auch der Teil¬nehmer einer Soiree, der auf den teuflischen Rat desverschmähten Liebhabers der Hausfrau in deren Bou¬doir Erleichterung seiner Magenpein sucht. Ehe er abernoch dazu kommen kann, wird er von der Hausfrau, dieder Meinung ist, ein Liebespärchen entdecken zu kön¬nen, und deren Ehemann, dem zugesteckt wurde, erkönne seine Gattin mit ihrem Galan in flagranti ertap¬pen, überrascht und muß nun vor Angst seine Hosenals Ablagerungsstätte für seine Exkremente wählen 32 c .

4. Skatologisches aus der WeltgeschichteVom Erhabenen zum Lächerlichen ist bekanntlich nurein Schritt, und wenn es etwas gibt, das uns unsereErdenschwere so recht zum Bewußtsein bringt, so ist esdie Notwendigkeit der Entleerung. In diesem Punkteheißen wir alle „Hase"! Das Gesetz des Ausgleichsherrscht überall. Mag ein Mensch auf der sozialen Stu¬fenleiter noch so hoch stehen, er ist den Gesetzen seinesKörpers unterworfen wie der niederste Bettler. DieseTatsache tröstet das nicht zur Klasse der Beati. possiden-les gehörende Volk einigermaßen, und es zieht mit Vor¬liebe derartige Fakta ans Tageslicht, aus denen dieNiedrigkeit des Menschenlebens recht deutlich erhellt.So weiß man von großen Männern zu berichten, dieauf dem Abort geboren worden sind, zum Beispiel

32 ' Der deutsche Casanova, herausgegeben von Max Bauer, Berlin,Eigenbrödlerverlag, o. J., Bd. II, S. 1^9.

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Karl V. In Gent kann man im Fürstenhof noch das ge¬heime Gemach sehen, in welchem Johanna von Ara-gonien am 2 5. Februar i5oo von den Wehen plötzlichüberfallen wurde und niederkam Wieder andere be¬schlossen in dieser unreinen Zufluchtstätte ihrer TageLauf. So wird berichtet, daß Arius und Papst Leo, dieangesehensten Häupter der arianischen Ketzerei, wegenheftigen Bauchgrimmens aus der Disputation weg zumPrivet eilen mußten und dort den Geist aufgaben. Mansah in diesem plötzlichen Tode an unreiner Stätte dieStrafe Gottes für die beiden „Ketzer". Indessen so ganzstimmt das wohl nicht, denn auch der fromme Irenäuserlitt das gleiche Schicksal. Kaiser Heliogabal wurdeauf dem Abtritt, auf dem er sich am sichersten glaubte,von den Meuchelmördern überrascht und umgebracht 33 .Mögen die vorstehenden Tatsachen nun verbürgt seinoder nicht: der tiefere Grund für die Abfassung undVerbreitung derartiger Geschichten war wohl das Be¬streben, zu nivellieren, der revolutionäre Gedanke derGleichmacherei, der Wunsch, auch die Größten in ihrermenschlichen Hilflosigkeit, unterworfen den Gesetzender Natürlichkeit, mit faunischem Behagen darzustellenund grinsend auf sie zu weisen: „Seht, das sind eureHelden!"

Dem Kaiser Napoleon I. hat man sogar ein eigenes (nuracht Seiten starkes) skatologisches Büchlein gewidmet,worin erzählt wird:

Vn certain jour chiant sans peurSe chia lui — rneme l'empereur,

33 I. Ravisii Textoris officinae Epitome, Lugduni i5o,3, enthältein Kapitel über die auf dem Abort Verstorbenen und Geborenen„In Latrinis mortui aut occisi". Vgl. auch Montaigne, Gedankenund Meinungen über allerley Gegenstände, Berlin 1793, II, i3i.

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II emmerda la Republique,Ainsi il nous emmerda tous.Malgre sa merde despotiqueSes etrons elaient encore doux u .

Selbst der ehrwürdige Dante wird zum Helden einerskatologischen Anekdote gemacht (wie an anderer Stelledes näheren dargetan ist), und Beroalde de Vervillabringt in seinem „Moyen de parvenir" noch weitere be¬zeichnende Beispiele.In der deutschen Literatur wird oft Friedrich der Großein den Mittelpunkt mancher skatologischen Anekdotegestellt, zum Beispiel:„Ein Bauer klagte einst bei Friedrich dem Großen, erhabe beim hohen Senate eine Bittschrift eingereicht, undselbe wäre ihm nicht angenommen worden. Der Königuntersuchte die Sache und fand, daß diese Weigerungauf sehr unerheblichen Gründen beruhe. Hierüber auf¬gebracht, befahl er dem Bauern, bei nächster Baths-sitzung jene Sache nochmals vorzutragen, und wenn siesich wieder weigerten, ihm zu willfahren, ihnen dasA... lecken zu schaffen, er wolle schon Sorge tragen,daß ihm nichts geschähe. Der Bauer erscheint und wirdsehr unhöflich abgewiesen. Aufgebracht schreit er: ,Ichwerde mit dem Könige selbst reden, dann kann mir derversammelte Bath den A... lecken!' und läuft davon.Der ganze Bath ihm nach. Plötzlich tritt der hinter derThür verborgene König hervor. ,Wohin, meine Herren?'redete er sie an. Man weigerte, es ihm zu sagen. ,Ich be¬fehle es!' war seine Bede. Schäumend erzählte der Prä¬sident, der Bauer habe ihnen dies und das empfohlen.,Und muß das so eilig sein?' erwiderte der König 35."

La merde historique de Napoleon etc. Dzagnignan, imprimeriede P. Garcin, 1848.35 Vgl. auch noch Anthropophytheia, Bd. a, S. ao5, Nr. 3o.

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Neben Friedrich dem Großen ist die Kaiserin MariaTheresia eine beliebte Heldin skatologischer Anekdoten:„Ein Hofbediensteter ging zu Maria Theresias Zeitenam Graben spazieren. Da erblickte er vor sich ein nettesMäderl und zwickte es beim Vorbeigehen in den Hin¬tern. Als sich die Gezwickte jedoch umdrehte, erkannteder Mann die Kaiserin, fiel auf die Knie imd sagte:,Majestät, wenn Ihr Herz auch so hart ist wie Ihr Hin¬tern, so bin ich verloren." Diese Anekdote wird übrigensauch anderen, weniger bedeutenden Frauen angedichtetKaiserin Katharina II. fehlt nicht im Reigen. WienerUrsprungs ist diese Geschichte:„Kaiserin Katharina von Rußland läßt bei der Hoftafeleinen Wind ziemlich laut streichen. Alles wird verlegen.Ein junger Leutnant von der Marine will diese Gelegen¬heit benützen, um sich bei der Regentin beliebt zumachen, wird rot, springt auf und stürzt aus dem Saal.Am andern Tag beruft ihn die Kaiserin und ernennt ihnzum Kapitän mit den Worten: ,Ein Leutnant, der einenungünstigen Wind so zu benützen versteht, verdient Ka¬pitän zu sein 315.'"

Von einem ungenannten Herrscher wird berichtet:

„Ein König kam nach Wien und wollte sich von derberühmten Grobheit der Fratschlerinnen (Obstverkäu¬ferinnen) überzeugen. Er begab sich auf den Nasch¬markt und stieß aus Spaß einen Stand um. Die Fratsch-lerin überschüttete ihn darauf mit einer Flut von

Schimpfworten. Endlich sagte der König: ,Wissen Sie,wer ich bin?' — ,Na, so a Sakramentspflastertreta sanS', Sö Äff, Sö!' — ,Nein, ich bin der König von

36 Eine mit einer derberen Pointe ausgestattete Anekdote findetsich in Anthr. 2, 207/8.

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Auf dies hin dreht sich die Fratschlerin um und sagtzu einer andern: ,Geh, Nani, scheiß ihm a Krön 37 1' "

5. Skatologisdie SprichwörterWill man das Wesen eines Volkes erkennen, so frageman nach seinen Sprichwörtern. Sie geben aufs unver¬blümteste den Glauben und die Lebensauffassung einesVolkes wieder. Skatologische Sprichwörter finden sichim Sprachschatz jedes Volkes. Ich kann mich hier nurauf einige Stichproben beschränken.Der Lateiner sagt treffend: Stercus cuique suum beneolet. Zuweilen streift diese Art Volksliteratur das Ero¬tische oder direkt Obszöne. So sagt der Pole: Lepiejdobrze sie wyszcuac niz kiepsko schedozyc (Es ist immerbesser, gut zu pissen, als schlecht zu koitieren), womiter sagen will, daß man eine Krankheit erwischt hat,die einem das Urinieren beschwerlich machtFür Deutschland liegen über diese Materie zwei um¬fassende Sammlungen vor: „Dr. Kainis, Die Derbheitenim Reden des Volkes, Leipzig, Verlag des Literatur-Bureau, o. J. (1872) 38" und „Tausend Bauernwitze.Kluge Derbheiten aus Bauernmund. Mit Zeichnungenvon Walter Trier. München und Berlin. G. Müller,1914". Aus diesen beiden Sammlungen seien folgendeSprichwörter hier angeführt:Er sieht aus wie ein Bettpisser, das heißt, er ist ein Schwäch¬

ling, zu nichts nutze.Es pißt ihn kein Hund mehr an (als Zeichen der Verach¬

tung).hat lüpen, see Lütje, dö pißte he in de Brök.Dat 's ken Spaß, sed de Nachtiuätter, wenn man mi in't

Hurn schitt.

3' Anthr. 2, S. 209, Nr. 45.ss Vgl. Hayn-Golendorf, III, 5o5.

9I2Q

Schmeckt's gut in der Küche, so schmeckt's um so üblerim Abtritt.

Hei deut so dick, as wenn he recht wat weer und 't is dochmit 'n Sehet besegelt.

Ih, sä' de besopen Buer, da ehne Jürgen in de Hosen schetenharre, Arften getten und Linsen schelten.

Er sieht einen Hundsdreck für einen Grenzslein an, sagtman von einem Menschen, der aus einer Mücke ein Kalbmacht.

De kackt di vor de Dor un bringt di ken Beesen mit, sagtman von einem Menschen, der einem anderen einen Flohins Ohr gesetzt hat. '

He het got kacken, he hell 'n Eers bi sick, mit anderenWorten: er kann gut reden.

Kacken un Sorgen kuml alle Morgen.Da haben wir den Dreck, sagte der Pfarrer und ließ das

Kind fallen.Da wird er kleine Dreckle sch . . ., das heißt, er wird sich

einschränken müssen.Den Dreck soll niemand rütteln, er stinkt sonst um so mehr.Was natürlich ist, das hat man sich nicht zu schämen, sagte

der Kerl und setzte einen Haufen auf den Markt.Wat woßl eine Kuh, wenn's Sonnta ist. man geit'r ja kenn

iveß hemmet.Das ist schändlich! sagte der Bauer, da die Kuh int Wasser

machte, das Land ist groß genug.Es kommt, sagte der Bauer, da hatte er drei Tage auf dem

Nachtstuhl gesessen.Wer hol de Wost fraten? reip de Burhier mal. all up 'n

Em.mer!Der Hund mag Geld sch .. ., sagte der Bauer, als der Knecht

mehr Lohn verlangte.Dat's ken Spaß, ma kann jetzunder den eegenen Ers nich

truen, sät Josef Maier, da woll hei en Furz laten un harresi darbi in de Büx schitten.

Je mehr man den Dreck trampt, desto dünner werchl he,das heißt, man soll das Begrabne ruhen lassen.

Smit de Dreck an de wand, klift he, so klift he.Wat soll ein Dreck, ivenn er nicht stinket.

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Wen man aus dem Dreck gezogen, der hofiert einem zumDank aufs Maul.

Wo die Liebe hinfällt, da bleibt sie liegen, und tuär's einMisthaufen.

Einem Horcher an der Wand gibt man einen Dreck in dieHand.

Kälberdreck, armer Leute Hoffart und Gewalt, die verrie¬chen bald.

Dat sin Minschen! segt Füst, erst, schiten se up de Klink,denn seggen's: Füst, mak de toer toi

Schiele, segt KriethelSpezifisch niederösterreichische Sprichwörter verzeich¬nen die Anthr. II, 61 ff.:Herrendreck und Pfaffendreck stinkt im ganzen Land.Friß Fett, so machst du keine Knochen, das heißt, sei dei¬

nen Vorgesetzten gegenüber liebedienerisch, so wirst duein gutes Leben haben.

Man muß nicht stärker farzen wollen, als der Ars vermag,das heißt: Schuster, bleib bei deinem Leisten!

Wer einen Dreck im Munde hat, dem stinkt die ganze Welt,sagt man von einem, der die ganze Welt verlästert.

Wer kann an allen Dreck denken, sagte, die Frau zumManne, als sie das Mittagessen für ihn zu bereiten ver¬gessen hatte.

Eine besonders reiche Ausbeute liefert das Elsaß.Gschisse is nich gmolt, sunscht könnt e jeder Hund mole ?0 .Resser a Schiß gelon, aß of der Doktor verlon (Besser einen

Crepilus lassen, als den Arzt zu Rate ziehen).Von einem, der Sommersprossen hat, sagt man, er hätt' mit

dem Teufel Schißdreck gedroschen.Von jemand, der trotzig ist und gern mit dem Fuß auf¬

stampft, sagt man: Hett nix im Kopf, aber im Ars.Es schißt eme nackichte Mann in de Hossesack — gebraucht

man von einem lügenhaften Weibe.Von einem, der ungern an eine Arbeit, herangeht, sagt man:

Der geht, an d'Arbeit, eer meint, es is ihm in d'Händg'schisse.

39 Vgl. Anthr., Bd. 3, S. i32ff.

131

Über die französischen skatologischen Sprichwörter gibldie Bibliotheca scatologica erschöpfende Auskunft Ab¬schnitt VIII: Mementro scatoparemiologique S. io5 —120 ist nachgedruckt in Anthr. III, 1/17— 15g. Einigebezeichnende Sprichwörter und Redensarten mögen hierfolgen:Server les fesses, quand on a chie au Iii, das heißt: Wenns

Kalb ersoffen ist, deckt der Bauer den Brunnen zu.Von dem Gerede eines unbedeutenden Menschen sagt man:

II parle comme un cul.Von einem Menschen, der von einer schweren Krankheit ge¬

nesen ist, heißt es: II a fait un pet ä la mort. Die Italienerbezeichnen das gleiche mit den Worten: Fare il peto ailupo.

II a chie plus de la moitie de sa merde, ist die Umschrei¬bung für einen todkranken Menschen. Ist er tot: II nepeiera plus; denn:

Pour vivre sain et longuementII faut donner ä son cul vent.

Pisser sans peter, c'est aller ä Dieppe sans voir la mer.Einen langweiligen Menschen läßt man abfahren: Parle ä

mon cul, ma tele est malade.Von einem Schnellauf enden Menschen sagt man: II a le

feu au derriere.Auch in Frankreich kennt man die Redensart: Dorthin

gehen, icohin auch der Kaiser zu Fuß muß (Aller oü le.roi va ä pied).

Der Ausdruck „bescheißen" für ,,betrügen" ist auch inFrankreich gang und gäbe. Von einem, der ihn betro¬gen hat, sagt der Franzose: II a chie dans ma malle (Erhat in meinen Koffer hofiert).

On ne peut pas chier au goüt de tout le monde (Man kannnicht nach dem Geschmack aller Menschen hofieren), dasheißt: Man kann es nicht allen recht machen.

Die russische Sprache ist besonders reich an skatolo¬gischen Ausdrücken:

132

Auf einen schamlosen, unverschämten Menschen sagt man:Kack ihm in die Augen, und er sagt doch, es ist GottesGeschenk.

Einen geschickten Menschen rühmt man: Er macht selbstaus Dreck eine Kotelette.

Honig oder Dreck ist gleich — nur gib den Honig zuerst.Die Erde ist schwarz, und doch gibt sie Getreide; weiß ist

der Schnee, und doch machen die Hunde darauf.Von einer Person, die große Eile hat, sagt man, daß sich der

Dreck bei ihr im Anus entzündet habe.Will man jemandem seine Verachtung bezeugen, so sagt

man: Wenn dem so ist, will ich mit dir nicht einmal ho¬fieren gehen.

Wenn jemand kleinlich verfährt, so sagt man von ihm: Erzieht dem Dreck die Haut ab.

Eine gute Zielscheibe für den Spott gibt der Klerus ab.Auch folgende Sprichwörter und Redensarten sind denbeiden eingangs zitierten Sammlungen entnommen:Luft ist Luft, sagte der Pfaffe, und ließ einen streichen.Ich kann das Nachtgeschirr nicht entbehren, sagte der Pf äff,

als man ihm vorhielt, daß er seine Konkubine mit imLande herumführe.

Dal kümmt von't lange Predigen! säd de Paster, dor harrhe in de Büx schäten.

Die Mönche hat der Teufel vom Galgen gesch . . . und sichden A ... an einer Nonnenkutte gewischt.

An Hoffart xuischet der Teufel den Hintern.

Die Frau erscheint fast noch öfter im Sprichwort alsder Klerus:

Lust und List wachsen auf der Weiber Mist.Wie das Faß, so der Wein, sagte die Frau zu ihrem Mann,

als er von ihrem Urin getrunken.Die zweite Frau hat goldne Hinterbacken.E süfer (sauberes) Maidel ische beseht Kristier (Klistier)

for e Mann, sagt man im Elsaß, um auszudrücken, daßes einen Mann lebensfroh machen kann.

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Frauen sollen sprechen, wenn die Hühner pissen, das heißtalso niemals.

Wie oft die Frauen schwatzen und die Hunde pissen, werkann das wissen.

6. Der Crepitus im SprichwortGemäß seiner Bedeutung ist dem Crepitus auch imSprichwort ein großer Raum eingeräumt worden. Dieallgemeine Anschauung im Volke geht dahin, daß seinVerhalten schwerste gesundheitliche Gefahren mit sichbringt, so daß deshalb der Crepitus als durchaus da¬seinsberechtigt giltDal was 'ne Wohltat! scggte Sievers, als er einen fahren ließ.Wo Wasser ist, da ist auch Wind, sagte jener, schlug sein

Wasser ab und ließ einen streichen.Hei is 'n Dichter! seggl de Buer, hei makt ut'n Furz 'n

Dunnerschlag.Man muß nicht stärker farzen wollen, als der A ... vermag.Welcher farzet, wann er will, der farzet, wann er nicht will.Um auszudrücken, daß es in manchen Fällen klüger ist,

großzügig zu handeln, sagt der ländliche Franzose: Neeau pas boule peta dab la micytat dou cu, das heißt: Mansoll nicht mit dem halben Hintern furzen.

Um kleinliche Menschen abzuführen, sagt man auch: Mankann nicht jeden Furz auf die Wagschale legen.

Ein unbeständiger Mensch ändert sich alle Furzlang.Von einem Vergeßlichen sagt man: Seine Gedanken sind so

kurz wie ein Furz.

Bei den Südslawen muß der Crepitus die Begleitmusikbeim Koitus machen. Man sagt kurz: Nema jeba bezprda (Kein Koitus ohne Furz) 40 , und das gleiche sagtein Reigenlied:

Es gibt keinen Bogen ohne Donner und BlitzenUnd keinen Fisch ohne Wasserspritzen

«o Anthr., Bd. 3, Nr. ölig.

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Und keine Pitschka ohne HinterbackenUnd keine Brust ohne WarzenUnd keinen Koitus ohne Farzen^.

Pitschka ist die Bezeichnung für den weiblichen Ge¬schlechtsteil.Für das kleinere von zwei Übeln sagt man: Besser ein Furz

entrannt, als ein Dorf abgebrannt.Eigene Fürze riechen wohl, das heißt: Jeder Narr lobt seine

Kappe.Wer eigene Fürze hat, braucht keine fremden zu riechen,

sagt man, um auszudrücken: Jeder kehre vor seiner Tür.Um einen anmaßenden Menschen zu kennzeichnen, sagt

schon der Lateiner: Ne sulor supra crepitum, und derPole drückt dies mit dem Satze aus: Er stinkt höher alssein kleines Loch. Auch der Franzose kennt diese Redens¬art: II ne faut pas peter plus haut que le cul i2 .

Ist eine Angelegenheit gänzlich mißlungen, taugt sie alsonichts, so ist sie keinen Furz wert.

Einem Cholerischen kommt jeder Furz in die Quere.Aus einem verschlossenen Menschen kann man noch weni¬

ger herausbringen als einen Furz aus einem toten Esel.

7- Der Podex im SprichwortDer Podex als Vater des Crepitus beschäftigt fast nochstärker als die von ihm ausgehenden Wirkungen diePhantasie des Volkes. Unzählig sind die an ihn anknüp¬fenden Sprichwörter, Vergleiche, Rätselfragen. Überallem aber schwebt der Humor als versöhnendes Ele¬

ment Treffend sind die Vergleiche, Lebenswahrheitenwerden kurz und schlagend in einige kurze Worte de¬stilliert:

41 Bernhard Stern, Medizin, Aberglaube und Geschlechtsleben inder Türkei, Berlin, Bd. 2, S. 199.13 Vgl. Bibliotheca scatologica, Nr. 101.

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Wer den jungen Arsch nicht züchtigt, der züchtigt nochweniger den großen (Was Hänschen nicht lernt, lerntHans nimmermehr).

Er vergäße den Arsch, wenn er nicht angewachsen wäre.I bin au koiner Sau vom Arsch g'falle, sagte der Bauer,

da sich einer mit seiner Abkunft vom Schulmeisterbrüstete.

Hals über Kopf umschreibt man auch mit den Worten:Über Ars, über Kopf.

Etwas Selbstverständliches kann man sich „am Arsch ab¬fingern" oder ,,am Arsch abklavieren". Ein Zaghafterdreht den Finger lang im Arsch herum und bricht nochden Finger im Arsch ab.

Aus einem verdrießlichen Arsche fährt kein fröhlicher Furz.Man mag den Hintern schminken, wie man will, ein ordent¬

liches Gesicht wird nicht daraus.Von einem stolzen Menschen sagt man: Er weiß vor Hof-

farl nicht, wo ihm der Ars stehet.Er springt einem mit dem nackten Arsche ins Gesicht.Wer den Hintern verbrennt, muß auf den Blasen sitzen,

sagt man von einem, der sich die Finger verbrannt hat.Auch Frankreich hat treffende Bezeichnungen:Lever le cul, das heißt flüchten.Man nennt „cul plat" einen unbedeutenden Menschen.Einen armen Menschen bezeichnet man treffend: II na

que le cul.Von zwei Unzertrennlichen sagt man: Ce n'est qu'un cul

et une chemise.Se servir de la chemise d'autrui pour lui torcher le cul,

heißt, sich frei machen von der Hilfe eines, dem manverpflichtet ist.

Gratter son cul au soleil, oder: Geduldig leiden.Laid comme un cul: Schlapper Mensch.Von den Italienern seien gleichfalls einige Sprichwörtergenannt.

Non trovi culo da tuo naso, sagt man von einem Men¬schen, dessen Schwadronieren keinen überzeugen kann.

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// culo alla ortical: Ich lasse mich nicht dumm machen.Konzessionen machen: Dal del culo nella pietra.Ein Schwätzer: Hai mangato merda du cusetta.Bei den Russen fehlen selbstverständlich diesbezüglicheSprichwörter nicht:Wenn man jemanden übertölpeln will, so heißt es vor¬

wurfsvoll: Du ziehst dem Arsch Bastschuhe an.Ein Dummer drischt Getreide mit dem Hintern.Einen faulen Menschen fragt man: Soll man dir nicht

zwei Löffel Teer in den Hinlern gießen?Von einem klobigen Menschen sagt man: Er schneidet den

Hintern wie mit einer Sichel.

8. L. ra. i. A.Die vier Buchstaben sind keine Hieroglyphen, sondernleicht verständlich. Will man jemandem seine Verach¬tung kund tun, so richtet man an ihn die bekannte Auf¬forderung aus dem „Götz von Berlichingen". Die son¬stigen Aufforderungen drehen sich mit abgewandeltenWorten stets um die gleiche Handlung:Küss' mich, wo der Buckel ein End' hat — Küss' micham Ende des Rückgrats. — Küss' mich da, wo derBuckel seinen ehrlichen Namen verloren hat. — Küss'mich da, wo mein Gesicht keine Nase hat — Leck' mich,wo ich hübsch bin.

Die Anekdoten, die sich mit dieser Aufforderung be¬schäftigen, sind sehr zahlreich. Interessenten findensie in den „Kryptadia" und „Anthropophytheia" ver¬zeichnet

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts existierte in Toulouseeine Confrerie des Baise-Culs. Die Mitglieder des Klubswaren Söhne vornehmer Häuser, die in ihrer Aus¬gelassenheit in den langen Winternächten die Gassen

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unsicher machten, was um so leichter möglich war, daman die Straßenbeleuchtung noch nicht kannte. Siehielten die Passanten an, nahmen ihnen ihre Börse, undschließlich wurden die Beraubten gezwungen, den Räu¬bern den Anus zu küssen. Das Parlament von Toulousemußte endlich einschreiten. Da aber viele Parlaments¬mitglieder einen Sohn oder Verwandten unter denTunichtguten hatten, kam es zu keinen Bestrafungen 43 .Das „Juristische Vademekum" bringt einige sehr inter¬essante hierher gehörige Rechtsfälle:„Wenn in Rimini ein Verschwender genötigt war, seineHabe seinen Gläubigern zu zedieren, so geschah diesnach folgendem Ritus:Der Richter hieß ihn unter dem Schall der Trompetenvor seinen Gläubiger nach dem öffentlichen Platze beider Burg führen und ließ ihn dort mit entblößtem Hin¬tern dreimal auf den Stein sich niedersetzen und dieWorte sagen: Ich überlasse mein Hab und Gut meinernGläubiger zur Befriedigung. — Dann wurde die Zessionals gültig angenommen 41."Auch in anderen oberitalienischen Städten, zum Beispielin Padua, herrschte sogar noch im 18. Jahrhundert einähnlicher Brauch. „Wenn jemand seine Schulden nichtbezahlen kann und so arm ist, daß er nicht drei Lire imVermögen hat, so hängt es von ihm ab, sich durch einegerichtliche Erklärung seiner Insolvenz aller Ansprücheseiner Gläubiger zu entledigen. Allein mit dieser Erklä¬rung ist eine Zeremonie verbunden, die so schimpflichist, daß dieses Hilfsmittel höchst selten gewählt wird.Der Schuldner muß sich nämlich auf einen Stein vordem Rathaus mit dem bloßen Hintern setzen und in Ge-

43 Dinaux-Brunet, Societ6s badincs, I, 71.44 A. a. O., I. Nr. 2.

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genwart der Sbirren oder Gerichtsdiener eine Stundelang begaffen lassen' 15."Zum Schlüsse zwei Anekdoten:„Ein Kavalier sah einstmals eine wohl gewachsene undgalant geputzte Weibsperson vor sich hergehen. Da ernun ein großer Liebhaber schöner Frauenzimmer war,so eilte er auch dieser schön scheinenden Person nach.Als er aber nahe an sie kam, wurde er inne, daß sie imGesicht ein häßliches Rabenaas war. Deswegen sagte er:,Madam, wenn Sie von vorne so schön gewesen wärenals von hinten, so hätte ich Sie küssen wollen.' Sie gabihm aber diese nachdenkliche Antwort: ,Küssen Sie mich,mein Herr, wo ich schön bin 46 !'"

Fast dergleichen begegnete einem naseweisen Stutzer,der eine Jungfer mit ihrer langen Nase aufgezogen,wegen welcher man ihren schönen Mund nicht küssenkonnte. Sie gab ihm zur Antwort: Sie wollte ihm leichteinen Ort zum Küssen weisen, da ihn keine Nase hin¬dern würde 47.

Q. AbortinschriftenDie Sitte oder vielmehr Unsitte, die Wände der öffent¬lichen Klosetts zu beschreiben und zu bekritzeln, ist ur¬alt, jedenfalls so alt, wie diese selbst bestehen. SchonMartial erwähnt diesen Brauch 48 :

Nigri formicis cbrium poetam,Qui carbonc rudi putrique coetaScribit carmina, quae legunt cacantes.

45 Ebenda, IV, 16, Nr. 3o.46 Die gleiche Anekdote findet sich auch bei den Südslawen:Anthr., Bd. 3, S. 353.47 Neues Vademekum für lustige Leute, II, 4l, Nr. <j5 und 96.48 Ep. XII, 7.

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Und im Abort, den Papst Pius V. im Lateran erbauenließ, prangte sofort nach Vollendung des Werkes fol¬gendes Epigramm:

Papa Pius quinlus, ventres miseratos onustosHocce cacatorium nobile fecit opus 19 .

Auch heute noch kann man auf seinen Reisen Hunderlesolcher Sprüche sammeln, wenn man sich die Muße dazunimmt, doch — man muß sich beeilen. Denn dem Zugeder Zeit folgend, gehen Eisenbahn, Gastwirte und son¬stige Unternehmer immer mehr dazu über, die Abort¬anlagen so herzustellen, daß ein Beschreiben immög¬lich wird, indem die Wände mit Teeranstrich oderMörtelbewurf ausgestattet oder aus Wellblech errichtetwerden. Die feineren Gaststätten wiederum wählen Ka¬cheln oder Glasursteine, worauf sich natürlich nichtschreiben läßt. Dadurch wird dem Drang, sich mitzu¬teilen, auf die wirksamste Weise ein Riegel vorge¬schoben.Wo liegen nun die tieferen Gründe, die zur Versifizie-rung drängen? Friedrich Erich Schnabel 50 sagt ganztreffend:„Die Inschriften, die man vorfindet, sind teils skato-logisch, teils erotisch. Das Zustandekommen der erste-ren dürfte sich so erklären, daß bei dem Besucher eineergiebige Entleerung ein gewisses Lustgefühl hervorruf LDas Zustandekommen der erotischen hingegen, glaubeich, auf verschiedene andere Beweggründe zurückfüh¬ren zu müssen. Einesteils mag bei dem Besucher durcheine beschwerliche Entleerung eine erotische Stimmungausgelöst werden, indem der gefüllte Darm auf Teiledes Genitalapparates drückt und so eine Erektion ver-

49 Menagiana, ou Bons Mots de Menage, Paris 1693, S. 181.50 Thüringer Abortinschriften in Anthr., Bd. 8, S. 407.

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ursacht. Andernteils wird durch den Alkoholgenuß dieSinnlichkeit gesteigert oder auch durch Anhören undErzählen von Liebesabenteuern usw. eine erotische Stim¬mung hervorgerufen, wobei dann derartige poetische Er¬güsse zustande kommen, die ja im Grunde genommenoft nichts anderes sind als Stoßseufzer nach Befriedi¬gung des Geschlechtstriebes."Hugo E. Luedecke 51 glaubt noch zwei weitere Gründeanführen zu können: die Langeweile und den Nach-ahmenstrieb. „Langeweile und damit skatologische Nei¬gungen treten natürlich dort auf, wo als Papier keineZeitungen hingelegt sind! Auf irgendeine Weise mußman der tödlichen Langeweile entrinnen, die leerenWände laden unwillkürlich zum Beschreiben ein und— das Geistesexkrement steht da." Mit Recht wird hierauch zwischen gebildeten und ungebildeten Verfassernunterschieden. Die Produkte der ersteren zeichnen sichdurch größere Gewandtheit und oft nicht unbeträcht¬lichen Witz aus, was man von den Versen der ungebil¬deten Besucher natürlich nicht sagen kann. Zwei Haupt¬richtungen sind zu unterscheiden: entweder steht dasMoment der Exkrementierung oder der Sexualität imVordergrund.Bei jeder der beiden Richtungen gibt es natürlich wie¬der Unterabteilungen. Sie betreffen:i. Das Gefühl der Erleichterung.

Wer nie mit Schweiß im AngesichtDem Abtritt zugekeucht,Der kennt das Wonngefühl noch nicht,Wenn man ihn hat erreicht.

Hier ist's, wo drängend Fried' ich fand,Drum Drangfried sei der Ort genannt.

51 Grundlagen der Skatologie in Anthr., Bd. !\, S. 317.

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Die Ellenbogen auf das Knie,Dann geht's pardauz, du weißt nicht wie.

2. Inschriften elegischen Inhalts.Ich armer HämorrhoidenmannKann nichts dafür, daß ich nichts kann,Ich quetsch' mir fast die Seele aus,Und doch kommt nichts als Luft heraus.0 heiiger Bullerich, was hast du getan?Das zehntemal fang' ich von neuem an,Doch über sieben Beete jedesmalErgießt unendlich sich ein Wasserstrahl.Arme Köchin, armer Koch,Deine Kunst geht in dies Loch.

3. Inschriften allegorischen Inhalts.In diesem HyazinthengartenMuß einer auf den andern warten,Denn eh der zweite Mann hinein,Muß erst der erste fertig sein.Hier ist das wahre Honighaus,Hier fliegen Bienen ein und aus,Eine jede trägt ihren Honig heran,Und wer's nicht glaubt, der lecke daran.

t\. Mahnungen bzw. Drohungen bei Verunreinigung.Lieber Wirt, ich rate dir,Sorge fleißig für Papier,Denn der Mensch in seinen NötenGreift dir sonst in die Tapeten.Wart, du fauler Junge,Papier her oder deine Zunge!Wenn du zu deiner Leibes Ruh'Den Rest der Mahlzeit spendest,So mache schnell den Deckel zu,Wenn du dein Werk beendest.

Malerei ist fein und zierlich,Aber nicht an diesem Ort,Wo der Finger dient als PinselUnd der A .. .. als Farbentopf.

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Gar höflich wird gebeten,Und dies gilt einem jeden,Daß man zum Spiel der HändeNicht jede Wand verwende.Doch drückt ein Witz dich gar zu sehr,Und ist er wert, bewahrt zu werden.So setz' ihn, bitte, nicht hierher,Dedenk', es gibt noch Schreibpapier auf Erden.

5. Inschriften von Händelsuchern.Ob national, ob liberal,Der Dreck von beiden stinkt egal.Wo ein Pfaffenarsch tat blasen.Riecht es gut kathol'sehen Nasen.Wer nicht richtig k.....kann,Rufe Martin Luther an.Wo man Juden trifft beim Seh..... ,Soll man ihn mit Dreck beschmeißen.

6. Lust an Witz und Spott.Auf dem. Berge SinaiSitzt 'ne Frau und macht Pipi,Kommt der Schneider Meckmeckmeck,Nimmt der Frau den Nachttopf weg.Himmel, Arsch und Wolken,Wie reimt sich das zusammen?Der Himmel, der ist bläulich,Die Wolken, die sind gräulich,Der Arsch, der stinkt abscheulich:So reimt sich das zusammen!

Drücke mutig, drücke mit KraftZum. Wohl der leidenden Landwirtschaft.Salomo der Weise spricht:Laute Fürze stinken nicht,Doch die feinen, doch die zarten,Sind ein übler Blumengarten.

7. Freude an Erotik.Alle Mädchen sollen leben,Die den Rock von unten heben 1

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Es gibt nichts Schönres auf der Welt,Als wenn ein Mädchen stille hält.

Schifferin, du kleine,Zeig' mir deine Beine,Zeig' mir, was dazwischen ist,Ob da noch 'ne Jungfrau bist.

Da ich hier keine skatologische Spruchsammlung bietenwill, sei es mit diesen wenigen Beispielen genug. Kryp¬tadia, Anthropophytheia, Bibliotheca scatologica, Antho¬logie scatologique, Nouveau merdiana enthalten weite¬res Material nach jeder Richtung hin. Ich kann alsodarauf verweisen.

HA

Ans: Gillray, Nationale Gebräuche

Aus: Gillray, Nationale Gebräuche

VIERTER TEIL

Gesdüdite des Aborts, des Leibstuhls und desNachttopfs

I. Die alten ÄgypterIn den ältesten Zeiten besaßen die Ägypter keine Aborte,sondern verrichteten ihre Notdurft in freier Luft, wieDiodor 1 berichtet. Das änderte sich natürlich mit derZeit, und schon Herodot konnte berichten: „Sie aßen inden Straßen und verrichteten in den Häusern ihre Not¬

durft 2." Der strenge Ritus verlangt von ihnen, daß siebei der Verrichtung ihr Antlitz dem Osten oder Westenzuneigten, keinesfalls aber dem Norden oder Süden 3.Die Magier achteten streng darauf, daß diese Vorschriftnicht verletzt wurde. Eingehende Nachweise finden sichin der Bibliotheca scatologica. Solche Aborte sind ausAusgrabungen zu Teil el-Amarna bekannt Sie lagenneben den Bädern. Die Sitze sind gemauert und verputzt.Der Sitz bestand aus zwei kleinen, gegeneinander ge¬neigten Mauern, die einen Schlitz zwischen sich frei¬ließen. Unter diesen Schlitz stellte man ein Aufnahme¬gefäß. Die neuere Form zeigt eine hintere Abrundungdes Schlitzes. Auch der gesundheitsschädliche Kasten,in den ein Aufnahmegefäß gestellt wurde, kommt schonvor*.

1 Sicil. liber I, cap. 6.2 Lib. II, cap. 35.3 Plinius, Hist. nat. lib. 28, cap. 19.* L. Borchardt., Das altägyptischc Wohnhaus in: Zeitschrift fürBauwesen 191G, Bd. 66, S. 542.

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Die Verrichtung der Notdurft galt nicht als schamver¬letzend. Das Volk betrachtete die Darmgase als Zeichenverehrungswürdiger Gottheiten. Der Mistkäfer (Skara-bäus) war für den Ägypter das Sinnbild der Welt. Dergelehrte Jesuit Kircher, der uns die Resultate seiner ein¬gehenden Kenntnisse des ägyptischen Wesens hinter¬lassen hat, berichtet 5 eine diesbezügliche Anekdote:„Ein Ägypter und ein Perser machten miteinander eineReise. Auf ihrem Wege lag ein Mistkäfer. Der Perserbeachtete ihn nicht, sondern zertrat ihn. Wegen diesesMordes schrie der Ägypter laut auf, erhob seine Händegen Himmel und beteuerte laut: ,Ich habe nicht teil andiesem Verbrechen!' Der Perser fragte erstaunt, wasdies zu bedeuten habe, worauf der Ägypter erwiderte:,Unglücklicher, fürchtest du nicht die Rache der Götter,da du das Ebenbild unseres großen Gottes Osiris so un¬ehrerbietig behandelt hast?' Der Perser hütete sich inZukunft, noch einmal auf ähnliche Weise die Götterzu erzürnen."

2. Die alten Hebräer

Die alten Hebräer haben manche der ägyptischen Ge¬bräuche beibehalten. Auch sie verrichteten auf freiemFelde ihre Notdurft und kehrten gleichfalls ihr Ange¬sicht nach Osten oder Westen.

Während der Wanderung durch die Wüste war es ihnenstreng verboten, das Lager irgendwie zu verunreinigen.Sie mußten sich weit hinausbegeben und eine Schaufelmitnehmen, um ihre Exkremente an Ort und Stelle zuvergraben. In 5. Mos. 2 3, n —15, heißt es:

5 Prodromus aegyptiacus, cap. ult.

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„Wenn jemand unter dir ist, der nicht rein ist, daß ihmdes Nachts etwas widerfahren ist, der soll hinaus vordas Lager gehen und nicht wieder hineinkommen, biser vor abends sich mit Wasser bade... Und du sollstdraußen vor dem Lager einen Ort haben, dahin du zurNot hinausgehst. Und sollst eine Schaufel haben, undwenn du dich draußen setzen willst, sollst du damitgraben. Und wenn du gesessen hast, sollst du zuscharren,was von dir gegangen ist... Darum soll dein Lager remsein."

Beim Niederhocken pflegten die Juden ihre langen Ge¬wänder rund um ihren Körper zu legen, damit manihre nackten Körperteile nicht sehen sollte. Dahernannte man diese Tätigkeit „sich bedecken".Erst nach Beendigung der Wüstenwanderung wurdenöffentliche Abtritte angelegt, besonders in Jerusalem. ImSanchedrin Seite 17 heißt es sogar ausdrücklich: „Esist verboten, in einer Stadt zu wohnen, wo kein Abortvorhanden ist." Klosette in Privatwohnungen scheint esselten gegeben zu haben, jedenfalls galten sie als einLuxus, denn derjenige wird als reich bezeichnet, der„nahe seinem Tische einen Abtritt hat".Nach der Zerstörung Jerusalems und der Zerstreuungder Juden in die ganze Welt beschäftigten sich die Rab¬biner häufig mit den Fragen der Verdauung. Reinlich¬keitsfragen und Fragen der Schicklichkeit spielten dabeieine große Rolle. Aus Anstandsgründen wird empfohlen:Wenn einer zu einer Mahlzeit geht, so sollte er zunächstvier Ellen zurücklegen, dann den Abtritt benutzen undhierauf erst zur Mahlzeit sich begeben. Diese Vorschriftist vom hygienischen Standpunkt durchaus zu billigen:Man soll sich nicht mit vollem Magen zu Tische setzen,damit man nicht während der Mahlzeit die Nachbarn

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inkommodiere, wenn man plötzlich aufstehen undhinausgehen muß.Das Zurückhalten eines natürlichen Bedürfnisses kannzu Krankheit und Tod führen, deshalb „zögere undsäume nicht, wenn du den Abtritt benötigst".Im Mittelalter waren die Juden, besonders im Morgen¬land, dem Aberglauben sehr zugetan e. Es gab nach An¬sicht der zeitgenössischen Rabbis keinen gefährlicherenFeind für den Menschen als den Abort Da man ihn vonbösen Geistern belagert glaubte, so hielt man es fürgefährlich, allein Um aufzusuchen, besonders des Nachts,und wenn der Mond im Zunehmen begriffen ist Denn zudiesen Zeiten regiere der böse Feind. Läßt es sich jedochunter keinen Umständen vermeiden, allein auf den Abortzu gehen, so muß man die bösen Geister durch Be¬schwörungen verscheuchen. Fast den gleichen abergläu¬bischen Anschauungen begegnet man seltsamerweise beiden auf der untersten Stufe der Kultur stehenden Süd¬slawen, wovon Krauß 7 mehr als ein bezeichnendes Bei¬spiel bietet Nach der Rückkehr vom Abort hat man wie¬derum verschiedene Gebete zu sprechen.

3- Griechen und RömerDie Griechen besaßen keine öffentlichen Klosette. JederWinkel, jede Straße war ihnen gut genug, um sich derBürde zu entledigen. Das ergibt sich aus einer Stelle der„Wolken" von Aristophanes (V. 2). Hier läßt der Dich¬ter den alten Strepsiades seinem Sohn folgenden Vor¬wurf machen:

6 Vgl. Bernhard Stern, Medizin, Aberglauben und Geschlechts¬leben in der Türkei, Berlin 1903, Bd. I, S. 337.7 Anthr., Bd .5, S. 270—352.

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„Unglücklicher, ich bin es, der dich in deiner Kindheilbewacht hat Kaum konntest du lallen, und ich wußteschon, was du wolltest Stammeltest du: nanan, so eilteich, um dir zu essen zu bringen, und ich wartete nichteinmal, bis du kaka sagtest, um dich auf die Straße zutragen und dich dort zwischen meinen Armen deine Not¬durft verrichten zu lassen. Und du willst mich jetzt er¬würgen? Umsonst rufe ich, daß ich sterbe vor Drangnach Entleerung. Unreiner! Du willst mich nicht aufdie Straße lassen, und indem du mir die Gurgel zu¬sammendrücktest, ließest du mich hier nicht einenWächter setzen."

Daß man den Anstand zu wahren wußte und sich mög¬lichst den Blicken der anderen entzog, ergibt sich ausden „Ekklesiazoußen", wo Blepsyros, der Gemahl derProxagora, von seinem nächtlichen Erlebnis berichtet:„Seit langem lag ich verzweifelt im Bett und starb fastvor Lust nach Entleerung. Aber ich suchte vergebensmeine Schuhe und meinen Mantel und nahm schließlichdas Kleid und die Pantoffel meiner Frau. Könnte ichnicht hier abseits meinen Drang befriedigen? Es ist dochvöllig Nacht. Ich glaube, daß man überall seine Notdurftverrichten kann. Wer wird mich da sehen?"In der gleichen Komödie beschließen die Frauen, daßin der von ihnen gegründeten Frauenrepublik ein Manndie Gunst einer hübschen Frau bloß dann genießen darf ,wenn er erst eine alte und häßliche befriedigt hat In¬folge dieses Beschlusses legen zwei alte Weiber Beschlagauf einen jungen Mann, der alles aufbietet, um sich loszu machen. Doch umsonst. Da ruft er, um auf die Gassegelangen zu können, aus: „So laßt mich doch wenigstensmeine Notdurft verrichten, damit ich meiner Sinne wie¬der mächtig werde, oder ich muß hier alles vollmachen."

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Aber die beiden Alten lassen nicht locker: „Fasse Mutund verrichte dein Geschäft im Hause."Daraus geht hervor, daß Begüterte und Vornehme ihreZimmerklosette hatten. Man nannte solche Gelegen¬heiten ägedgav und die Verrichtung selbst änoircelv (sichzurückziehen).Auch in Sparta benutzte man die Straßen als Ablade¬platz. Plutarch überliefert ein Geschichtchen, das diesbestätigtDeputierte der Insel Chios kamen nach Sparta und be¬gaben sich neugierig auf den Gerichtsplatz. Dabei wur¬den sie von heftigem Leibweh überrascht und verrich¬teten wirklich anstandslos auf den Sitzplätzen der Rich¬ter ihre Notdurft Nach der Entdeckung glaubt man aneinen mutwilligen Streich. Zur Verantwortung gezogen,entschuldigen sich die Fremdlinge damit, sie hätten nichtgewußt, daß man in Sparta überall frei und offen sei¬ner Last sich entledigen dürfe, daß es aber nichtüblich sei, auf den Sitzen der Ephoren dies zu tun.Im Jahre 32 5 v. Chr. scheint es allerdings mit dieserHerrlichkeit ein Ende gehabt zu haben, denn es ergingeine Verordnung, daß derjenige, der die Straßen be¬schmutze, auch den Schmutz wegzuräumen hätte 8.Die Römer besaßen in ihren Häusern, die Paläste derHerrscher und Vornehmen ausgenommen, keine Klo¬sette. Es war indessen auch nicht üblich, in den Straßennach Belieben seinen Drang zu befriedigen, sondern esgab öffentliche Abtritte, und die Kloaken in Rom warenganz außerordentliche Bauwerke. Diese Aborte warenaber nicht auf Rom allein beschränkt. Man fand sieauch in den Kolonien. In der römischen Kolonie Timgad

8 Vade Mecum für lustige Leute, 1768, 2. Teil, Nr. 122.

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in Afrika sind heute noch Überreste von solchen Klo¬setten erhalten. Sie standen direkt mit der Straße in Ver¬bindung. Noch heute lassen sich 2 5 Sitze nachweisen.Setzte man sich auf die Steinsitze, so hatte man untersich ein steinernes Bassin von etwa 20 cm Höhe, dasvon unten her durch eine Leitung mit Wasser gespeistund gesäubert wurde, so daß die Sauberkeit nichts zuwünschen übrig ließ. Von der Straße war der ganzeBetrieb abgesperrt 9.Noch heute läßt sich aus den Überbleibseln der großenKloake erkennen, welches gewaltige Bauwerk vom Zahnder Zeit benagt worden ist. Quadersteine sind vorhanden,die über i5 Fuß breit sind. Sie hatten große Lastenan Gebäuden auszuhalten, so daß sich schon Pliniuswunderte, daß sie darunter nicht zusammenbrachen.Als Kaiser Vespasianus das Amphitheatrum baute, das80000 Sitzplätze und 20000 Stehplätze umfaßte,machte sich auch die Anlage von Massenaborten not¬wendig. Meist waren sie zu etwa 2 5 Sitzen im Kreisangeordnet. „Die altrömische Latrine stellt unzweifel¬haft eine sowohl konstruktiv wie auch hygienisch kei¬nesfalls irgendwie minderwertige Ausführungsform derMassenaborte dar. Lediglich die Anlage einer unterirdi¬schen Fäkalgrube ist im Laufe der Zeit als neu hinzu¬gekommen, und zwar ist dies die einzige wesentlicheVerbesserung auf diesem Gebiete in der Zeit von fast2000 Jahren 10 ." Verschiedene Päpste haben die altenGewölbe ausbessern lassen und mit neuen vermehrt, dochist das nur ein Schatten der ehemaligen Pracht 11 .

3 Boeswillwald, Timgad, Paris igo5, S. i3.10 „Das Wasser", Bd. 9, Nr. 12, v. 25. April igi3, S. 343.11 England und Italien, von J. W. von Archenholtz, Leipzig 178G,Bd. 2, S. i5i.

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Die Reinigung unterstand zur römischen Kaiserzeit denTribunen „rerum nitentium". Es war streng verboten,Unreinigkeiten in den Tiber oder auf die Straße zu wer¬fen. Zuwiderhandelnde hatten Strafe zu gewärtigen.Germanicus, der Neffe des Kaisers Tiberius, wird vonMartial wegen seiner Fürsorge für die Sauberkeit derStadt besungen:Du, Germanicus, zwangst die schmalen Gassen zumWachsen,Und nicht mitten im Kot braucht der Prätor zu gehn 12 .

Die Reinigung der Latrinen wurde von Sklaven besorgtDie öffentlichen Abtritte waren überaus zahlreich. Inallen Straßen und auf den Marktplätzen standen Frei¬gelassene mit Eimern oder Tonnen, um für eine Kleinig¬keit den Vorübergehenden die Blase erleichtern zu las¬sen. Es lag hier durchaus keine menschenfreundlicheAbsicht zugrunde, sondern der Erwerbssinn war rege.Es ist wohl kaum bekannt, daß die Römer Urinwäsche¬reien besaßen. 1826 wurden in Pompeji die wohl¬erhaltenen Reste einer solchen Urinwaschanstalt ausge¬graben. Feldhaus 13 berichtet darüber: „ Die Fullonenstellten im römischen Reich große irdene Töpfe an denStraßen auf, um den Urin der Bevölkerung zu sammeln.Waren die Töpfe voll, dann wurden sie abgeholt. Manließ ihn etwa zehn Tage stehen, bis er gefault war. Mitdem in den zu waschenden Kleidern enthaltenen Fettbildete der Urin eine ammoniakalische Seife. Urin hatnur den Nachteil, daß die Gewebe spröde werden;. . . Aufdie irdenen Urintöpfe der römischen Wäscher beziehtsich ein Epigramm des Spottdichters Martialis, der gegen

12 Ep. Buch 7, Nr. 61; J. Beckmann, Beyträge zur Geschichte derErfindungen, 1788, Bd. 2, S. 351.13 Ka-Pi-Fu, Berlin-Friedenau 1921, S. a3.

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Ende des ersten Jahrhunderts schrieb. Er erzählt voneiner Dame Thais:

Thais duftet so schlecht wie nicht des geizigen WäschersAltes Geschirr, das just mitten im Wege zerbrach.

Aus den erwähnten Wandmalereien und der ausgegrabe¬nen römischen Waschanstalt wissen wir, daß der Urinin vier großen gemauerten Waschbehältern, die unter¬einander in Verbindung standen, gesammelt wurde."In den öffentlichen Abtritten für ernstere Bedürfnisse

(lairinae slerquilianae) gab es geschlossene Gemächermit Sitzplätzen, wie schon aus den Bezeichnungen: sellasperforalae hervorgeht u .Die Privatlatrinen in den kaiserlichen Gemächern warenprächtig ausgestattet. Die im Jahre 1773 ausgegrabenen,später wieder überdeckten Klosette des Kaisers Au-gustus sind ganz aus Marmor. Auch der Sitz ruht aufschön verzierten marmornen Säulen. In dem marmornenFußboden war auch ein Loch vorhanden, über das mansich stellen konnte, wenn man den Sitz nicht benützenwollte. Unter dem Fußboden floß dauernd frisches Was¬

ser, das durch gegossene bleierne Bohren zugeleitetwurde 15 . Das Klosett des Kaisers Hadrian stand mitden großen Abzugskanälen in Verbindung. Seltsamer¬weise hat man aber keinen Palast eines Vornehmen ge¬funden, der gleichfalls Abzugskanäle aufweist.Zur Säuberung waren Eimer mit Wasser aufgestelltJeder Eimer enthielt einen Stab, an dessen einem Endeein Schwamm befestigt war. Nach der Beinigung wurdeder Stock wieder in den Eimer zurückgestellt. Martial,der von der Vanitas vanitatum singt (Ep. 12, 48), sagt,1* Bibl. scatol., S. i4-15 Daremberg und Saglio, Dictionnairc des antiquilis grecques etromaines. Paris 1877ff.: cloaca.

1.53

nachdem er das leckere Mahl gepriesen hat: „Dochnichts sein wird es morgen bereits ... was der leidigeSchwamm des gewünschten Stabes gestehen wird." UndSeneka berichtet in seinem 70. Brief, daß ein germani¬scher Sklave aus Verzweiflung dadurch Selbstmord ver¬übt habe, daß er sich einen solchen Stab in den Schlundhinabstieß.War demnach als hinreichend für Reinigungsge¬legenheiten Sorge getragen, so fanden sich doch schonzur damaligen Zeit Widerspenstige, die „den Abort nichtso verließen, wie sie ihn anzutreffen wünschten". Ver¬unreinigungen und Bekritzeln der Wände waren an derTagesordnung. An den Thermen des Titus mußte zumBeispiel eine warnende Inschrift angebracht werden,die den Zorn der Götter auf das Haupt dessen herab¬rief, der die Mauern zu beschmutzen wagte:

Duodecim dios et Dianam et Jovcm OptimumMaximum habcat iratos quisquis hic mixerit aut cacarit.

Als während der Regierung des Kaisers Nero eine grobeSchmähung gegen den Kaiser jangeschrieben ward, wagtekein vornehmer Römer, diesen Ort mehr zu betreten,aus Furcht, der Verfasserschaft geziehen zu werden.Sehr zimperlich benahm sich in dieser Hinsicht KaiserTiberius. Unter ihm galt es als ein Verbrechen, eineöffentliche Latrine zu betreten, wenn man einen Finger¬ring mit dem Bildnis des Kaisers trug. Ja, man mußtesich sogar hüten, darin ein Geldstück mit dem Ab¬zeichen der kaiserlichen Majestät sehen zu lassenUm die Narrenhände vor dem Bekritzeln der Wändeabzuschrecken, gravierte man neben die Verbote zweiSchlangenbilder. Im ganzen Mittelalter behielt man diese

16 Daremberg und Saglio, a. a. O.

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Inschriften bei, ersetzte die Schlangenbilder nur durchein Kreuz. In Genua wurde die Verunreinigung sogarmit Exkommunikation bestraft 17.

4- MitteleuropaAborte sind in Mitteleuropa bereits frühzeitig nachzu¬weisen. Um das Jahr 820 setzte der Abt Goppert dasetwa 200 Jahre vorher gegründete Kloster des irischenGlaubensboten Gall wieder instand. Es wurden umfang¬reiche Neubauten vorgenommen, und bald gehörte dasKloster St. Gallen zu den schönsten im ganzen Franken¬reiche. In der Klosterschule im Zimmer des Magistersund im Krankenhaus wurde je ein Abort eingebaut 18.Kleine Gänge leiteten zu den Häuschen, die zwei bis sechsvoneinander durch Wände getrennte Sitze aufwiesen. Be¬sonders groß sind die „Necessarien", wie man sie nannte,an der äußeren Schule, wo man 16 Kämmerchen, undam Gasthaus für vornehme Fremde, wo man deren 18zählt Dieses frühe Vorkommen verdient um so mehrunsere Verwunderung, als, wie wir sehen werden, dieBurgen der Bitter und Edlen noch Hunderte von Jahrenspäter sich zu einer solchen Errungenschaft, wie dasKloster St. Gallen sie hat, noch nicht aufschwingenkonnten. Hier sind diese unumgänglich notwendigenOrte viel primitiver. In nur vereinzelten Burgen findetman im Eingangsstockwerk zu den Verließen auch eineneinfachen Abort, so in der Habsburg (gegründet um1020), auf der Lützelburg im Wasgau (um 1100), aufder Nürburg in der Eiffel (um 1110) und auf der Burg

17 Spar und Wheler, Voyage d'ltalie, de Dalmalie, de Grecc et duLevant, La Uaye 172b, I, S. 20.13 F. Keller, Bauriß des Klosters St. Gallen, Zürich

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Stargard in Mecklenburg (ia5o) 15. Auf der n44 er¬richteten Burg Landsberg hat man sich mit geringemAufwand zu helfen gewußt: Aus dem dazu bestimmtenZimmer ist ein schräger Kanal gebaut, der auf bequemeWeise die herunterrieselnden Exkremente ins Freie be¬fördert 20. Ähnlich ist die Vorrichtung auf Burg Birken¬fels im Wasgau 21.Im allgemeinen kannte man keine Abtritte in unseremSinne. Zur Erledigung kleiner und großer Bedürfnissefanden sich wie Schwalbennester an den Mauern an¬geklebte Erker, zum Beispiel auf der stattlichen BurgCarneid an der Mündung des Eggentals in Tirol, die seit1387 vom Grafen Liechtenstein bewohnt wurde 22 , inder Burg Eitz a. d. Mosel. Auch an einer Front des Palaszu Verres im Aostatal in Oberitalien kann man sie sehen.Die oberen Erker sitzen nicht über den oberen, so daßalles hübsch ordentlich nebeneinander herunterfallenkann 23. In der 1180 von Friedrich Barbarossa erbautenKaiserburg in Eger sind neben dem großen Saal zweiZimmer und an jedem ein Abtrittserker angebaut. Manachtete also sorgsam darauf, daß in der Nähe eines höfi¬schen Festsaals ein paar Aborte sich befanden 2*. Zu¬weilen sind die Burgen auch so angelegt, daß derSchmutz in einem darunter liegenden weiten Kellerraumdurch ein Loch des darüber liegenden Fußbodens aufdie Erde fallen mußte, zum Beispiel in der bereits 1240nachweisbaren Burg Maretsch in Tirol. Ein einfachesLoch im Fußboden sehen wir noch heute im Bergfried

19 Vgl. 0. Piper, Burgenkunde, 3. A.. München, 1912, S. 210.2» 0. Piper, a. a. 0., Abb. 520.« O. Piper, a. a. 0., S. 487.22 0. Piper, a. a. 0., S. 48g.« 0. Piper, a. a. 0., S. 489.2" 0. Piper, S. 417.

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zu Morstein in Württemberg (vor 12 /jo erbaut) 2S. Dieseeinfache Handhabung konnte aber auch schwere Gefah¬ren in sich bergen, wie aus folgender verbürgten Tat¬sache ersichtlich ist. Als Kaiser Friedrich I. im Jahre1183 im Schloß zu Erfurt einen Reichstag abhielt, bra¬chen die schwachen, an den Enden angefaulten Balkendes Sitzungssaales unter der Last der versammeltenFürsten durch. Unter diesem Saal lag die seit Jahrennicht geräumte Kloake, so daß drei Fürsten, fünfGrafen, viele Edle und über 100 Ritter den Tod indiesem grausigen Ort fanden. Der Kaiser konnte sichnoch rechtzeitig durch einen Sprung aus dem Fensterretten 2e .

Kuriositätshalber sei noch mitgeteilt, daß auf der Wart¬burg an der Stelle eines jetzt angesetzten zierlichen Bal¬kons sich jahrhundertelang ein Abort befand, der zweiSitze nebeneinander hatte, die sich „durch ihre eigen¬tümlichen Ausschnitte" als für das männliche und fürdas weibliche Geschlecht getrennt bestimmt, erkennenließen 27.

Noch übler als die Herren der Burg waren selbstver¬ständlich deren Gefangene dran. Das ersieht man ausder auf der Burg Bergfried zu Steinsberg in Baden an¬gebrachten Anlage. Die gemauerte Grube hat eine rundeÖffnung von 60 cm Weite. Daran schließt sich einegeräumigere Grube von 3 m Tiefe und 13 5 cm Durch¬messer. Die obere Öffnung scheint durch Bretter, dieeinen Ausschnitt hatten, abgeschlossen gewesen zu sein.Da dieser Abort keinen anderen Zugang hatte als vomKerker aus, scheint er auch nie geleert worden zu sein.25 Vgl. Piper, S. /186 und 488.26 Alwin Schultz, Das höfische Leben zur Zeit der Minnesänger,Leipzig 1879, Bd - I. S. 85." 0. Piper, S. .489.

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Vorbildlich gingen hier die Ritterorden voran. In derrichtigen Erkenntnis, daß bei einem dauernden Zusam¬mensein vieler Menschen für eine geregelte Ablage derExkremente gesorgt werden müsse, wenn nicht Krank¬heiten und Seuchen ausbrechen sollen, errichtete maneine Anlage, die man in der Baukunst „Danzke" oder„Danziger" nennt, und die man auch heute noch aufdem im Jahre 1343 gebauten Schloß der Deutschherrenzu Marienwerder bewundern kann. Vom Schloßbauführt ein überdeckter Gang, der gute Lüftung Tiat, zueinem entfernter liegenden Turm, wo sich die Kammernbefinden. Unter dem Turm floß Wasser, das die Exkre¬mente mit fortspülte 28.Aus den Städten lassen sich erst seit dem i/i- Jahrhun¬dert Aborte nachweisen. Die Rechnungen der Stadt Bernweisen im Jahre i382 eine Ausgabe für Lohn zur An¬lage eines Abortes auf: „Lon umbe den privaten ze ma-chene 29." Die Magdeburger Schöppenchronik verzeich¬net im Jahre i/i52: „In dem sulven Jare leit de rad toMagdeborch umme des gemeinen besten willen buwenein priveten benedden der steinen bruggen an dem teigel-hove, an der Mersche, wente to vorn was to male grotvulnisse mang den holthoppen uppe der Mersche undunreinichkeit 30."Frühzeitig erkennt man auch die verpestende Wirkungder aus den Abtritten fließenden Abwässer. Es werdenVorschriften erlassen, die verbieten, daß diese Aborteirgendeine Verbindung mit den Stadtgräben oder denBrunnen hätten, zum Beispiel in Nürnberg 31 : „Und nie-M 0. Piper, Abb. 5ig.25 Weltli, Stadtrechnungen von Bern. Bern 1896, S. 211.s <> A. Schultz, Deutsches Leben im Mittelalter. Wien 1892, S. 54.31 E. Tucher, Baumeisterbuch i464—1^75, hrsg. v. M. Lexer,Stuttgart i85a, S. Ii3, 180, 282, 28/i, 299.

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mand soll kein unflat in hafen oder in andern Dingen andie Straß werfen." Wer es aber dennoch tut, muß sech¬zig Heller Strafe zahlen. Hilfsweise muß der Haus¬eigentümer einspringen. Der Inhalt der Abtrittsgrubendurfte nicht in den Fischbach vor der Stadt geschüttetwerden.Für München hat die „Bau- und Kundschaftsordnung"eine sehr sanitäre Vorschrift erlassen. Wer „haimlichgemach" neu herstellen lassen will, darf die dazu ge¬hörigen Gruben nicht durch den Lehm graben lassen,damit die benachbarten Brunnen nicht verdorben wür¬den 32.Die Stadt Lauringen a. d. Donau erläßt im Jahre i555in ihrer „Zucht- und Polizey-Ordnung" folgende be¬herzigenswerte Vorschrift: „Damit der hochbeschwer¬liche Gestank in der Stadt abgestellt werde, will einehrbarer Rat, daß alle Bürger, die eigene Häuser haben,„ihre Heimlichkeiten, so auf die Gasse laufen, bis zuWeihnachten bei Vermeidung emstlicher Strafe unter¬graben". Es wird also verordnet, daß der Kot nichtmehr auf die Straße laufen dürfe, sondern daß er inunterirdischen, überdeckten Rinnen abgeleitet werde.Diese sollten zu gebührlicher Zeit ausgekratzt werden.Der Unrat des Hauses sollte den herumfahrenden Kar¬ren mitgegeben werden, damit der Gestank, der „vonPriuet vnnd heimlichen gemachen" käme, verhindertwürde 33.

Man sieht also, daß für die Leerung der Abortgrubenbereits frühzeitig Vorsorge getroffen wurde. Dazu an¬gestellte Arbeiter müssen bereits einige Jahrhunderte

33 J. Wiedenhofer, Die bauliche Entwicklung Münchens. Mün¬chen 1916, S. i5.33 Mitteilungen zur Geschichte der Medizin 1919, Bd. 18, S. 365.

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früher vorhanden gewesen sein, denn schon im Jahrei33o wird im „Confeßbuch" der Stadt Frankfurt a. M.eine Frau Hilla als „schizhuzfegern" erwähnt 3*. 1werden die zum Reinigen gedungenen Arbeiter „husel-feger" oder „heymlichkeitsfeger" genannt Sie hattenden Auftrag, den gesammelten Kot auf der Mainbrückeauszuschütten, beileibe an keinem andern Ort, bei Ver¬meidung von Strafen 35.Die Reinigung solcher Abortgruben geschah aber nurselten, und so ist es verständlich, daß die gelegentlicheSäuberung gewaltige Mengen Schmutz zutage förderte.Die „Frankfurter Chronik" 36 berichtet zum Reispiel ausdem Jahre 1/177, daß die Grube eines „Profait" oder„Profeyen" (Abort) 9 Fuß lang, 6 Fuß breit und 6 Fußtief sei und beim Reinigen 992 Eimer Kot enthaltenhabe, und Anton Tucher, der genaue Aufzeichnungenmachte, erzählt uns von den „haimlichen gemächern" 37aus den Jahren 1607—1517, daß er im Jahre i5o8durch zwei Arbeiter die Grube reinigen ließ. Zum letz¬tenmal war dies 1A99 geschehen. An dieser Grube,die 9 Fuß lang, 8 Fuß breit und 13 Fuß tief war, hattendie Arbeiter 10 Stunden lang zu schöpfen. Rei der näch¬sten Reinigung im Jahre i5i5 wurden in 11 Stunden2 3 Karren Schmutz weggefahren. Das war im Hinter¬hause. Im Vorderhause lag zwischen den beiden Leerun¬gen ein Zwischenraum von sage und schreibe t\o Jahren(1477 und 1517). Man wußte damals den Wert des

34 K. Bücher, Berufe der Stadt Frankfurt a. M. im Mittelalter,Leipzig 1914, S. 10C.35 K. Bücher, a. a. 0.36 C. A. von Lersner, Der Stadt Francfurt Chronica 1706, Bd. 1,S. 5i2.37 Anton Tauber, Haushaltungsbuch, hrsg. v. W. Loose, Stuttgart1877.

IÖO

Ortsärztlidie VorfchrifieuZur Vermeidung von Itr^uikheiten Jindfolgende PbrJ&brz'ften.dezx*u zu txs^chtrn 1ZtrrtälJiftinctfeMuSJciße. yekhe^cnü^ndgroß andau?2>eckel

■p-erjehcn setn mu£, zu scfialfen ßj^ Jj^tlkitte zfi svge /r j<£/3sgmorgens ^ar das H&us-zo /Jt-Lüsj.c^TieKilecrJ zjs- werdest.(KariZerrenbtJchscn. Flascher. IbiHachezi ilxxz bejhndexrs zu fhmzneJxu

Aufaeua Hof und funJer den Mausern darf Jceizi i£Ü? - oder^tTzLlhaut&n angelegt werden

2t2/7&rJ£±er uixt SumpftteBsti aufdein Hof ocfer jaa dsr Jfdheder Quartiere ilhd ettiui etu&za Di e Kell CT*wJndfe zzzxi lec&nfthdzn der Zeit Pom t-t£^iprtj zweimal mir offener* tftqjmreatszuölütsen. um &6chrnzic&*xLbrat zu. prsrtvkfi/en 22tb3 tmt iznJerALL&fctif c£es Gfr^tier-dLte&tLa Zu. ^etbhdäecu

J>ie Ihsö&bunö d&r> -Eir-ujsrjen znuß v^IIzö j°eih ^ehaJJcnTarden Der ffZusSere&fjLLß'muß geregelt feth. Ä "iürÄsc^pfiens unfanthgf. isi die Srnnnen xi>6&nc£ eth eti Ge^n $<3X2ctL^(ttzffl. Steine et a. /hüiexjiziius&fizxi Die Schöpfeimer' Jtnd&wzfbtd3G2*^a halfen, sie dur&rz? njehi eutäk-nat werden 7>fe Srdhnezdseksj tfndzkX'ti GehrcKJCh %,u t^hiiejSen, at &2}tzner> 'A na azifczuzBrunnendeckel z^itlfellen

Die Latrine nstetS fZetsfhubei* deJbaittzn. der£<i/z'th an -decke! riacD Gebraudi g<stth2or?en Verden. Die Entleerungtft xzzi'z Hrde j^^us^rtkn t£i?ixT2*xl fa £>Zzd2tt°f th diel^eirjSeexen!azufeiiet Tr-iitZir'etzczr- CblorJcetK £<v Streuer*

Die is&irzrze xfx in der <3t>qeJuJdetev2, Ifockredfsfellung'ir.-s.

den 1J~^.&Jtabsdwzj- d-J?eS

Feldlatrinenordnung von der Westfront

Inspiration des Künstlers, von Mich! Fingesten

Düngers noch nicht richtig einzuschätzen, und so war esnatürlich, daß zum Beispiel in Paris noch 1780 dieStadtverwaltung für die Fortschaffung des Inhaltes derKloaken 5ooo Livres bezahlte, während etwa 3o Jahrespäter ein spekulativer Unternehmer seinerseits 15o 000Franken für die Erlaubnis bezahlte, allen Kot aus derStadt abführen zu dürfen. Er kam aber glänzend aufseine Kosten, denn zu Montfaucou bei Montmartre er¬richtete er eine Fabrik zur Gewinnung von Düngpuder,und der Vertrieb dieser Fabrikate warf ihm riesige Ge¬winne ab 38.

Paris ging überhaupt allen anderen Städten in bezugauf die Ausgestaltung des Latrinenwesens voran. Schonfrühzeitig begann es mit der Pflasterung der Straßen,was auf folgende Ursache zurückzuführen ist. KönigPhilipp II. stand im Sommer des Jahres 1184 einesTages am Fenster seines Schlosses zu Paris, als einigeschwere Lastwagen vorbeifuhren, die den auf dem Wegeliegenden Kot so sehr aufwühlten, daß ein fürchter¬licher Gestank entstand, wovon der König ohnmächtigwurde. Aus Anlaß dieser Begebenheit erließ er den Be¬fehl, die Hauptstraßen von Paris mit Feldsteinen zupflastern 39. Im allgemeinen führte dieser Befehl natür¬lich keine Änderung in den angestammten Gewohn¬heiten herbei. Nach wie vor schüttete man zum Fen¬ster hinaus, was sich an Unrat im Hause angesammelthatte, so daß die Straßen und Plätze vor Schmutz starr¬ten. König Philipp der Schöne wagte einen schüchternenVersuch, diesen unhaltbaren Zuständen Einhalt zu tun,indem er befahl, daß die Bewohner der Häuser für die

38 V. Hazzi, Über den Dünger, München i8a4» S. III.33 Monumenta trium font. chron. Ausgabe von Leipniz, Hannover1698, S. 367.

Reinigung der dem Haus vorgelagerten Straße selbstzu sorgen hätten 40. Im Jahre 1872 und noch einmal imJahre i3g5 wurde die Verunreinigung der Straßenstreng verboten. Dessenungeachtet herrschte noch dasganze Jahrhundert hindurch und noch lange Jahre nach¬her die grausliche Gewohnheit, daß jeder, was und wanner nur wollte, aus den Fenstern ausgießen oder wer¬fen durfte, wenn er vorher dreimal „Gare l'eau" (Ach¬tung! Wasser!) gerufen hatte. Noch heute hat sich derAusruf „Gare l'eau" für „Kopf weg!" erhalten 41. ImJahre i5i3 schrieb eine Ordonnance vor, daß jedesHaus seine Latrinen haben müsse, die man „Aisements"(Bequemlichkeiten) nannte. Dieser Befehl wurde i533unter Androhung schwerster Strafe wiederholt, undfünf Jahre später wurden alle Häuser von den Polizei¬bedienten besichtigt, um diejenigen zur Anzeige zu brin¬gen, die noch nicht die vorgeschriebenen „Privets" er¬richtet hätten. Doch der eingerissene Schlendrian ließsich auch durch diese Strafen nicht beseitigen, dennnoch in den Jahren 1697 und 1700 erschienen Polizei¬verordnungen, „zureichende Latrinen in den Häusernanzulegen und diejenigen instand zu setzen, die vor¬handen sind, und zwar binnen eines Monats; andernfallsdie Häuser so lange zu schließen, bis alles in gutem Zu¬stand sei 42."

Auch in den französischen Schauspielhäusern scheintman zu dieser Zeit keine Aborte gekannt zu haben, oderdie „Damen", von denen uns Bussy-Rabutin in seinenErinnerungen erzählt, standen auf der Stufe der Gassen¬dirnen.

40 J. Beckmann, Beyträge zur Geschichte der Erfindungen 1788,Bd. 2, S. 356.41 J. Beckmann, a. a. O., S. 356.42 Beckmann, a. a. O., 35g.

IÖ2

„Die Damen de Saulx, de la Trernouille und die Mar-quise Le Ferte begaben sich nach einer üppigen Mahl¬zeit in die Komödie. Sie wurden von einem plötzlichenBedürfnis gezwungen, das, was sie nicht zurückhaltenkonnten, in ihrer Loge zu entleeren. Dann aber fühltensie sich von Gestank so belästigt, daß sie ihre Exkre¬mente zusammenpackten und ins Parterre hinabwarfen.Die damit Beworfenen überschütteten diese schamlosenHerzoginnen und Marquisen mit solchen Injurien, daßdie Damen sich schleunigst zurückziehen mußten." 43Öffentliche Latrinen gab es im 18. Jahrhundert bisin die letzte Zeit noch nicht. 1800 werden als besondereMerkwürdigkeiten zwei öffentliche Klosette genannt undbeschrieben, das eine nahe beim Theätre de la Republi-que, das andere in der Passage du Theätre Feydeau 44.Am 10. März 1809 wurde in Paris verfügt, daß jederAbort einen vollkommen undurchdringlichen Sammel¬behälter haben müsse. Jede Grube sollte gleichfallsmit einer Lüftungsvorrichtung versehen werden. Dochauch diese gewiß nützliche und selbstverständliche Vor¬schrift kam nicht zur Durchführung, aus dem ein¬fachen Grunde, weil die Kosten für die Herstellungzu hohe waren 45.Als Kuriosum sei vermerkt, daß das Wasserklosett,welches von England aus seinen Siegeszug durch dieLande angetreten hat, noch einmal erfunden wurde.Eine Madame Benoist ließ sich im Jahre 1823 ein Pa¬tent auf „einen nicht riechenden Sitz" erteilen 46 . Dieim Gebrauch befindlichen Klosette hatten zur Ableitung

43 Supplement aux Memoires et lettres du comte Bussi-RabutinLL, 199.44 London und Paris. Weimar 1800, 9. Bd., S. 429/430.45 Die beweglichen Abtrittsgruben. Weimar 1819, S. 4-46 Franz. Patent Nr. i335 v. 19. Juni i823: Feldhaus, S. a5i.

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der Gase einen zum Dach hinausf ührenden Schamstein* 7.Dessenungeachtet kann man sagen, daß Frankreichallen anderen Ländern hinsichtlich des Latrinenwesensvorausgeeilt war, mit Ausnahme Englands, denn noch1823 war man in Österreich mit derartigen Einrich¬tungen so weit zurück, daß dem Baumeister Wit-halm in Grätz ein Patent auf einen Abort erteilt wurde,das als einzige Neuerung dünne Abzugsröhren aufwies,um „den üblen Geruch abzuleiten". Und zwei Jahrespäter erteilte man einem Schweizer Gutsbesitzer einPatent auf ein Tonnensystem 48. i835 wird ein Patentdem Wiener Tischler Krupnik gegeben für „englischeRetiraden". Die „Erfindung" bestand in der Verwen¬dung von zwei übereinanderliegenden Blechgefäßen.Nach Benützung öffnete man durch eine Vorrichtungdie Verbindungsklappe, und der Kot fiel in das untereGefäß. Die Verwendung von Wasser wurde ängstlichvermieden. Auf dem gleichen System beruhte die Er¬findung des Spenglers Morsch, der sich ein Patent auf„geruchlose Retiraden in Sekretärs, Kommoden, Garde-rob- und Nachtkästchen" erteilen ließ 49.In England fand sich bereits frühzeitig ein findiger,gleichzeitig aber auch geistreicher Kopf, der die ganzeMaterie gewissenhaft durchdachte und die Resultateseiner Forschungen in zwei von großem Scharfsinnzeugenden Schriften niederlegte. Es ist der bekannteHumorist Swift. Diese Abhandlungen führen in fran¬zösischer Übersetzung den Titel:„Le grand Mistere, ou Varl de mediter sur la garderobe,renouvele et devoile par l'ingenieux docteur Swift, avec47 Instruction des Gesundheitsconseil zu Paris, deutsch von Gels¬haus, Lemgo 1826.48 Beschreibung der Erfindungen, Wien i84i, Bd. 1, S. 317.49 Beschreibung der Erfindungen, a. a. 0., S. 319.

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des observations hisloriques, politiques et morales, quiprouvent l'antiquite de cette science et qui contiennentles usages differents des diverses nations par rapportä cet important sujel, trad. de l'anglais (par l'abbe Des-fontaines). La Haje, Van Düren, 1729, pet. 8°, und fer¬ner : L'art de mediter sur la chaise percee, par l'auteur deGulliver l'aine (J. Swift). Avec un projet pour bätir etentretenir des Latrines publiques dans la ville et fau-bourgs de Paris, sous la direction d'une compagnie, danslaquelle on pourra s'interesser en prenant des actions.Dublin, de l'imprimerie du docteur Swift, 17 [[3, in 12 0 ,54 S. 50. Diese Ausgabe enthält größere Varianten ge¬genüber der ersten Schrift.Der Inhalt ist pikant genug. Nach einer ironischen Wid¬mung an Dr. W... (Woodward) überläßt sich Swiftphilosophischen Betrachtungen über die Würdigkeit deszur Behandlung stehenden Stoffes. Er meditiert beson¬ders darüber, welche Vorteile die Politik daraus ge¬winnen könnte, wenn Gelehrte und Forscher aus demKot Schlüsse auf den Charakter der einzelnen Per¬sonen ziehen würden. Dann schlägt er die Gründungvon Akademien vor, in denen die Kunst der Entleerungpraktisch vordemonstriert werden sollte. Nach diesenBuffonerien entwirft er ein Projekt über den Bau unddie Unterhaltung öffentlicher Latrinen in London undWestminster.Swifts durchaus beachtenswerte Vorschläge fielen inEngland aber auf keinen fruchtbaren Boden, denn nochbei Erscheinen der ,£ibliolheca scatologica" (i85o) gabes in London nur zwei Botunden zur Befriedigung klei¬nerer Bedürfnisse 51. Auch hier prangte schon die prä-

60 Biblioiheea scatologica, S. II.61 Bibl. scat., S. 12, Anm. 1.

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zise und knappe Inschrift: You are requesled to rajuslyour dresses before leaving (Knöpfen Sie Ihre Hosenvorm Hinausgehen zu!).Und doch ist England die Geburtsstätte des Wasser¬klosetts, das 1775 vom Londoner Uhrmacher Alex¬ander Cumming erfunden wurde. Das zuerst angewandtePrinzip ist auch heute noch beibehalten. Bedeutsamerals die Wasserspülung ist bei dieser Erfindung das dop¬pelt gekrümmte Abfallsrohr, der sogenannte Siphon,der auf der Anwendung der kommunizierenden Röhrenberuht und die Frage der Beseitigung des unangeneh¬men Geruchs löste. Dieses Wasserklosett bürgerte sichjedoch nicht so schnell ein, wie man hätte vermutensollen. Gegen Ende der sechziger Jahre des 19. Jahr¬hunderts hatten in Manchester von 70 000 Häusern nur10000 Wasserklosette. Bei Neuanlagen bevorzugte maneine Kombination von Abort und Aschengrube, da dieSteinkohlenasche wirksam desinfizierte. Nur in Liver¬pool ging man mit rücksichtsloser Schärfe vor underreichte es 1866, daß von 86000 Häusern in über3i 000 Wasserklosette angelegt wurden. 20000 Klo¬sette hatten die erwähnte Kombination von Abort und

Aschenablage, und nur 2000 waren mit dem auswechsel¬baren Tonnensystem ausgestattet.Von den größeren Städten hatten Birmingham und Edin¬burgh von der segensreichen Erfindung überhaupt kei¬nen Gebrauch gemacht 62.Italiens Unsauberkeit im Punkte der Latrinen ist jahinreichend bekannt, und mancher Italienfahrer wirdsich noch lange Zeit mit Schaudern an die dortigen Reti-raden erinnern. Eine besondere Erwähnung verdientFlorenz. Hier enthielten die Mietskontrakte lange Zeit52 Feldhaus, S. 277.

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hindurch die Klausel, wonach die Mieter verpflichtetwurden, nur den Hausabort zu benützen, dagegen keinenfremden. Diese kuriose Vorschrift verdankt kaufmänni¬schen Erwägungen ihre Entstehung: Die Hausbesitzerverkauften nämlich den Inhalt der Latrinen an die Land¬wirte als Dung und waren natürlich darauf bedacht,möglichst viel von diesem geschätzten Artikel abliefernzu können.

Ehe wir dieses Kapitel beschließen, sei noch einRückblick auf die Zeiten der Postkutsche und der erstenEisenbahnen getan. Feldhaus teilt nach ihm brieflichzugegangenen Mitteilungen des EisenbahnmuseumsNürnberg folgendes mit (S. 275):„Als vor rund 80 Jahren die Postkutsche durch dieEisenbahn abgelöst wurde, entstand die drängendeFrage, wie die Fahrgäste ihre Bedürfnisse verrichtenkönnten; denn man konnte nicht mehr für jeden Fahr¬gast an der Waldesecke anhalten. Zunächst baute manin den Gepäckwagen ein „Cabinet" ein. i863 wird be¬richtet, daß die „Benutzung der Cabinets in den Gepäck¬wagen vollständig an dem richtigen Gefühle der Passa¬giere gescheitert sei". Man empfahl damals bereitsWagen mit Seitengang, damit jeder zu den „Cabinets"gelangen könne. 1866 kamen in Frankreich die erstenWagen dieser Art mit Aborten an beiden Enden derWagen auf. Die Prüderie der Engländer sträubte sichgegen die Einrichtung fahrender Aborte, und so ver¬mißt man diese dort noch im Jahre 1871. In Deutsch¬land kamen sie sogar noch etwas später auf.Sprechen wir von den Eisenbahnen, dann müssen wiruns auch fragen, wie es auf den Schiffen war. ImMittelalter hing zu jeder Seite des Hecks ein Korb, inden man hineinstieg. Auf den Galeeren verrichteten die

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Sträflinge ihre Bedürfnisse dort, wo sie angekettetwaren.Zur Barockzeit brachte man kleine Ausbauten zu bei¬den Seiten des Hecks an, die zur Nelsonzeit als „Ta¬schen" bezeichnet wurden. Nur auf den holländischenSchiffen herrschte die größte Sauberkeit. Dort lag unterdem Bugsprit die „Pißback"... Auf kleinen Schiffenläßt der Seemann noch heute, indem er sich über Bordhockt, „den Mond über dem Wasser leuchten".

5- Interessantes über den Nachttopf undLeibstuhlDer Nachttopf setzt bereits eine gewisse Kultur voraus.Ein Nomadenvolk kann seiner entraten. In Hütten ist erüberflüssig, da der Weg ins Freie nur einige Schritteerfordert. Erst bei Zusammendrängung vieler Men¬schen auf einem kleinen Baum (Städtegründung) machter sich notwendig. Sein Geburtsjahr ist nicht bekannt.Jedenfalls kann er auf ein langes Bestehen zurück¬blicken. So wird uns zum Beispiel schon aus der erstenDynastie in Ägypten berichtet, daß bei den Mahlzeitender Könige zahlreiche Diener mit goldenen und silbernenVasen herumgingen, in welche die Gäste ihr Wasser ab¬schlugen und sogar ihre großen Bedürfnisse verrich¬teten 53. Das gleiche wird vom Kaiser Heliogabal er¬zählt 58".Diesen Luxus scheint sich jedoch nicht nur der Kaisergeleistet zu haben, denn er wird auch von anderen Gro¬ßen berichtet So sagt Martial 63b :

63 Le nouveau merdiana ou Manuel scalologique par une societide Gens Sans gene. A Paris 1870, S. 16.S3' Pelronius, Satyrikon, c. 27.63b E P „ I, 3 7 .

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Während du schamlos Gold mit der Last des Leibes befleckest,Bassus, trinkst du aus Glas: teurer denn leerst du dich aus.Die üppigen, verweichlichten Römer und Römerinnenließen sich von schönen Sklavinnen die Nachttöpfe zuihren lukullischen Schmausereien herantragen und be¬dienten sich ihrer coram publice- 64.Schon frühzeitig scheint der Gebrauch des Nachttopfssich bei allen Schichten der Bevölkerung eingebürgertzu haben, denn Juvenal rügt die Unsitte, derartige Ge¬fäße auf die Vorübergehenden zu entleeren 55.Blicke nun noch auf andre Gefahr und verschiedne der

Nachtzeit,Was bis zur Höhe des Dachs für ein. Raum, von wo aus

dir den SchädelScherben zerschlagen, so oft zerbrochen, lecke GeschirreDort aus den Fenstern man wirft; mit wie großer Wucht

das aufs PflasterStürzt und es zeichnet und sprengt. Du könnlest nach¬

lässig erscheinen,Nicht auf plötzliche Fälle bedacht, wenn du testamentlosGehest zum Mahl; ja der Tode so viele dröhn, wie in der

Nacht,Welche vorüber dich führt, dort aufslehn wachende Fenster.

Wenn im Mittelalter Schlafzimmer bildlich dargestelltwerden, fehlt selten der unentbehrliche Pot-de-cham-bre 56. Im Jahre i5io gab Tucher einiges zerbrocheneZinngeschirr weg und ließ es „für 2 new ozine prunez-scherben" verrechnen. Unter diesen „Prunzscherben"sind natürlich Nachtgeschirre zu verstehen 57. Es gab

54 C. A. Boettger, Sabina oder Morgenszenen im Putzzimmer einerRömerin, Leipzig, Göschen, igoo.55 Sat. III, 268—27/i.56 Vgl. Brunswig, Liber pestilentialis. Straßburg i5oo; K. Sud¬hoff, Beiträge zur Geschichte der Chirurgie in Mittelalter. Leipzigigi4, S. 61.57 Auton Tuchers Haushaltsbuch, a. a. 0.

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also zu dieser Zeit sowohl tönerne wie solche aus Zinlu.Amüsant ist die Vorrichtung, die sich der berühmtePhilosoph Leibniz herstellen ließ. Feldhaus berichtetdarüber aus eigener Anschauung 58 :„Als ich vor einigen Jahren im Kunstgewerbemuseumzu Hannover das Leibnizzimmer besuchte, fiel mir einstarkes Buch auf, das an den Sterbesessel des großenPhilosophen gelehnt stand. Ich besah es mir von allenSeiten und bemerkte, daß es zwar einen schönen Ein¬band, aber keine Blätter enthalte. Also rief ich denDiener herbei und fragte ihn, was dieses sonderbareBuch gerade in diesem Zimmer zu bedeuten habe. Daich in Gesellschaft einer Dame war, machte der Dienerein verlegenes Gesicht und meinte, ob er offen redendürfe. Als wir ihm das gestatteten, nahm er den Folian¬ten und ging damit in die Mitte des Baumes. Dortklappte er die schweren Metallschließen des Großfolio¬bandes auf und stellte die beiden hölzernen Einband¬decken so auf die Erde, daß sie einen rechten Winkelzueinander bildeten. Aus dem einen der Deckel klappte

68 A. a. O., S. 180. Schade, daß der alte Fontane dieses praktischeAushilfsmittel nicht gekannt hat, er hätte sich dann mancherleiUnbequemlichkeiten erspart. In seinem Briefe vom iti. Juli 1887aus dem Seebad Rüdersdorf, in dem er über die kleinen Bedürf¬nisse des täglichen Lebens schlicht und gewinnend plaudert, findetsich die ulkige Stelle: „ . . . wobei mir einfällt, daß mitten imGarten, unter zahllosen Levkojenbeeten, auch der ,Lokus' ist, anwelch letzteren sich für mich tragikomische Erinnerungen knüpfen.Es ist ein durch eine Holzwand geteiltes Häuschen, dessen eineHälfte für Erwachsene, die andere für Kinder ist. Letztere mitsehr niedrig gehaltenem Sitzapparal. Nun trifft es sich so un¬glücklich, daß für mich — der ich ja regelmäßig zu spät komme —immer nur der für Kindermaß berechnete frei ist, was mir Atti¬tüden aufzwingt, die ich meinem bittersten Feind nicht wünsche."(Theodor Fontanes engere Well. Aus dem Nachlaß herausgegebenvon Dr. Mario Krammer, Artur Collignon, Berlin 1920, S. 151.)

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er dann eine Bretterwand heraus. Jetzt bildeten die Ein¬banddecken mit der Bretterwand diese Figur: QErstaunt sahen wir zu. Aus dem anderen Deckel klappteder Alte ein kürzeres Brett mit einem großen Lochheraus und legte es so, daß es die drei Wände obenbedeckte. Ich sah sogleich an der Form des Brettaus¬schnittes, was hier aufgebaut worden war. Aber ichkonnte mir den Zweck dieses Gegenstandes doch nochnicht erklären. Da sagte der Alte so leise, daß meine Be¬gleiterin es noch eben hören konnte: Dieses Buch nahmLeibniz auf allen seinen Beisen in seiner Kutsche mitUnd wenn er denn einmal durch einen Wald kam, bauteer sich den Sitz im Grünen so auf. Das war für denalten Herrn bequem."Erwähnung verdient hier auch der „Kotstuhl" derPäpste. Man erzählte, daß sich der Papst am Tageseiner Weihe auf ihn setzen mußte, wobei der Sänger¬chor den ii3. Psalm sang: „. ..der Herr richtet denGeringen auf aus dem Staub und erhöhet den Armenaus dem Kot..." Alsdann setzte man den Papst aufeinen prächtigen Thronsessel. Das Volk verstand in¬dessen diese symbolische Handlung nicht, und so ent¬stand die Sage, daß sich der Pontifex auf diesen Stuhlsetzen müsse, damit der jüngste Diakon nachsehenkönnte, ob der Papst ein Mann sei. Diese Inspektionleitete man daher, weil der Sage nach eine Päpstin Jo¬hanna auf den Stuhl Petri gekommen sei, deren Ge¬schlecht im Jahre 855 anläßlich ihrer Fehlgeburt beieiner Prozession zutage getreten sei. Friedrich WilhelmBruckbräu beschreibt diese Szene ausführlich in seinemErotikon „Der Papst im Unterrocke" (Stuttgart i832) 59.

59 Vgl. auch Bourke-Krauß, Der Unrat in Sitte, Brauch und Glau¬ben der Völker. Leipzig 1913, S. 187.

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Der Stuhl wird sella perforata oder exploratoria ge¬nannt 60.Auch der Papst hatte wie Leibniz (nur in anderer Ge¬stalt) während des Bestehens des Kirchenstaats seinenLeibstuhl, der ihn auf allen seinen Reisen begleitete.Man sah im Zuge einen Offizier zu Pferde, der amSattelbogen zu jeder Seite ein mit blauem Tuch über¬zogenes Möbelstück befestigt hatte. Diese beiden Stückewaren die Leibstühle des Papstes.König Ferdinand IV. von Neapel glaubte es seinerWürde schuldig zu sein, dem Papste nacheifern zumüssen. Wenn er ins Theater ging, brachte ein voneinem Offizier geführtes Detachement der Garde seinenbequemen Leibstuhl nach der Loge, damit sich die Ma¬jestäten desselben nach Wohlgefallen bedienen konnten.Und die Fremden, die zur Zeit dieses Fürsten Neapel be¬suchten, konnten das wundervolle Schauspiel erleben,daß allabendlich ein prunkvoller militärischer Zug beiFackelbeleuchtung vom Palast zum Theater und zurückwanderte und in seiner Mitte einen Leibstuhl mit sichführte. Und die Offiziere entblößten vor diesem Leib¬stuhl den Säbel, und die Soldaten präsentierten dasGewehr 61.In einem sehr seltenen deutschen Erotikon, das ich ineiner Privatbibliothek fand, und dessen genauen Titelich nachstehend wiedergebe, wird ausdrücklich undsehr eingehend über die eines Fürsten würdige Zere-

60 Er ist abgebildet in L'Enfant, Historie der Päpstin Johanna,Frankfurt i'/S'], S. 207. — Vgl. Dissertatio juridica de eo, quod ju-stum est circa Spiritus familiäres feminarum, hoc est pulices.Aulore Ottone Philippo Zaunschliffer. Prof. ord. jur. utriusqueMarburgonsi. Neu herausgegeben v. Dr. Sabellicus, Heilbronn 1879,S. 55 und 102, Anm. 6.61 Neapel, wie es ist. Aus dem Französischen des Santo Domingovon Dr. Aecht von Santo Domingo. Leipzig 1828, S. 171.

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inonie berichtet, sobald der Herrscher zu Stuhle geht.Der Titel heißt:

Historische RelationVon der

Liebe des KaysersVon

MaroccoVor die

DurchleuchtigsteVerwiltibte Prinzessin

VonConty,

In Form einiger Sendschreibengeschrieben an eine Persohn

von Qualitätdurch

den Herrn Graffen von D . . .Aus dem Frantzösischen in das Hoch-

teutsche übersetzet.Cölln/

Bey Peter Marteau / 1700* 1*Welcher Verfasser und Verleger dahinter zu suchen ist,ließ sich nicht feststellen. Leonce Janmart de Brouillant,Histoire de Pierre du Marteau, imprimeur ä Cologne.Paris 1888 verzeichnet es nicht. Die Bibliotheca sea-tologica und Hayn-Gotendorf kennen es nicht. Aufge¬führt ist es im Katalog der Bibliotheca Zoachina, demeine Bibliotheque des Dames angehängt ist (erschienen1752) auf Seite i/i/i/j als Nr. i4 283.In diesem kleinen Bändchen wird berichtet, wie ein Edel¬mann aus der Normandie, Monsieur de Pierreville, an denHof des Sultans kommt. Es heißt dann: „Nachdem er(der Sultan) nun an den Herrn Pierreville einigeFragen / so von keiner besonderen Wichtigkeit ge¬wesen / getan und in der Meinung auch war / daß dieser«U 12 o, a £ 0 Seiten inklusive Titelblatt.

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neue Sklave müßte von einem vornehmen Geschlecht«seyn / hat er ihn vor seinen Nachtstuhl Sorge zu tragen /bestellet / welche Charge dann vor einer Stunde durchden Todt des vorigen Verwalters wäre ledig worden /und so viel Vertrauen hat / als nimmermehr dieselbe /so der Lord in Engelland hat / und Gromm of the Stoulheißet. Bey dieser honorablen Verrichtung... erkundigtesich der Kaysei' wegen des Ansehens und Magnif icens desfrantzösischen Hoffes... nur eine Sache / welche dasgrößte Kennzeichen ist der Hoheit und einigen Persohndes Kaysers von Marocco / befunde er / daß ihm mangelsder Hoheit des Königes von Frankreich / nehmlichen daßer nicht öffentlich unter gewissen Ceremonien zu Stuhleginge... Wenn der Kayser von Marocco will zu Stuhlegehen / wird solches auff einen hohen Turm kundge-machet / da dann zwölf Trompeter / zwölf Paucker /und zwölf Schalmeyen-Pfeiffer unter einer gantzoffenen und auff allen Seiten übergüldenen Ballistradenumbgebenen Loge sich verfügen / und träget derjenige /so über den Nachtstuhl bestellet ist / solchen auff seyn-men Haupte und gehet also zuerst voran / indem einander ihme zur Linken Seite den Nachtstuhl mit eynerParisol bedekket, hernach folgen vier der größten Herrnvom Hofe / gantz weiß gekleidet / und endlich folgetder Kayser. In diese Loge nun darff über vorerwähntenPersohnen mit dem Kayser kein Mensch gehen: wannsie nun an den Ort gekommen / und der Nachtstuhl zu¬rechte gesetzet worden / setzet sich der Kayser darauf /und thun ihm die vier Minister den Bock ab / und reibenihm über die Achseln von oben bis unten an: der Kayserbleibet allezeit in einer solchen Positur eine gute halbeStund sitzen / während der Zeit lassen sich die Trom¬peter / Tambours und Schallmey-Pfeiffer tapfer hören /

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und darf kein Unterthai) einige Arbeit verrichten / undsobald man auff einer Stangen eine Serviette / welchedas Waschen wol verdienet hat / in die Höhe richtet / sohören die Trompeter / Paucker und Schallmeyen-Pfeif-fer auff / und ruffet das Volk zu dreyen mahlen /Alla Mohamet / worauf der Kayser gantz alleine zurück¬gehet / und muß derjenige / so über den Nachtstuhlzum Aufstellen bestellet ist / solchen wieder auff seinemKopffe zurücktragen in Begleitung der anderen / umbden Nachtstuhl wieder reine zu machen..."Doch kehren wir zu realen Tatsachen zurück, denn daßes sich bei vorstehender Anekdote um ein Phantasiei-gebilde handelt, liegt auf der Hand.So beliebt die Nachttöpfe auch waren, so sehr fürchteteman sie auch. Abortgruben wurden erst spät angelegt.Wohin also mit dem Inhalt der Gefäße? Nun, ganzeinfach: Man griff zu dem Nächstliegenden und leertesie, wie schon im alten Rom, einfach aus dem Fensterauf die Straße. Ergötzliche Berichte sind uns darüberüberliefert Auf emem Holzschnitt von 1/189 finden wirdiese Ausleerung bereits im Holzschnitt dargestellt 65..Man konnte den Kammertopf aus dem Fenster leeren,wenn man (in Paris) dreimal „Gare l'eau" gerufen hatte.Auch in anderen Ländern waren die Zustände um keinenDeut besser. In München erging schon 1870 strengesVerbot, die Nachtgeschirre einfach auf die Straße zuschütten 63. Und aus Schottland berichtet der ReisendeEdward Burst M : „Wir... waren recht lustig, bis die Uhrzehn schlug. Dies ist die Stunde, da jedermann die Frey-

02 Jac. Hartlieb, De fide meretricum in suos araores. Argent. 1489;reproduziert bei Feldhaus, S. 109.63 S. Westenrieder, Beiträge zur vaterländischen Historie, Mün¬chen 1788, Bd. 6, S. 106.64 Briefe über Schottland. Hannover 1776, S. 17.

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heit hat, auf ein durch die Stadttrommel gegebenes Zei¬chen seinen Unflath aus dem Fenster zu werfen... Wieich auf meinem Wege nach Hause, durch einen langenengen Gang, welcher hier Wynde heißt, gehen mußte;so ward mir ein Wegweiser mitgegeben, welcher, um einUnglück, das mir hätte begegnen können, abzuwenden,beständig mit lauter Stimme schrie: Hud your Haunde,das ist: Haltet ein! Ich zitterte, wenn ein Fenster geöffnetward, da immer nicht weit von mir der erschrecklicheGuß, von hinten und vorne herunterstürzete. Jedochich entgieng aller Gefahr glücklich, und kam nicht alleinwohlbehalten und gesund, sondern auch wohlriechend undrein in meinem neuen Quartiere an. Allein, wie ich imBette lag, mußte ich meinen Kopf zwischen den Lakenverstecken; denn der Geruch des Unflathes, welchen dieNachbaren an der Hinterseite des Hauses ausgeworfenhatten, drang dergestalt ins Zimmer, daß ich vor Ge-stanke fast hätte ersticken mögen."Die Benützung des Nachttopfes hatte durchaus nichtsSchamverletzendes an sich. Die Liselotte berichtet inihren „Briefen" 65 über den Dauphin: „Er hat gern,daß man ihm auf dem Kackstuhl entretenierte, aberes ging gar modeste, denn man sprach mit ihm undwandte ihm den Rücken zu; ich habe ihn oft so entre-tenierl in seiner Gemahlin Kabinett, die lachte von Her¬zen darüber, schickte mich allein hin, ihren Herrn zuentretenieren." Das war in der Zeit von 1697—17 12 -Ludwig XIV. pflegte bei seinem Lever einen großenHofstaat um sich zu versammeln und genierte sich da¬bei so wenig, daß er währenddessen vor aller Augen aufden Nachtstuhl sich setzte. Ebenso erteilte auf dem vor¬erwähnten Thron, umgeben von seiner Dienerschaft, der65 Hrsg. v. Helraolt, Annaberg 1909, Bd. a, S. a6o, Nr. 5.

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Herzog von Orleans dem Herzog von Noailles Audienz G6.Selbst der große Rousseau pflegte stundenlang auf sei¬nem Nachtstuhl zu verbringen 67. Unter Ludwig XIV.wurden auch die geheimen Gemächer mit großem Lu¬xus ausgestattet. Chaulieu 68 schreibt von einem Schlossedes Marquis de Bethune: „Jedes Schlafzimmer hat sei¬nen Nachtstuhl (chaise percee) mit Samt überzogen undmit Fransen geziert, mit Porzellanbecken und einemLeuchtertische zum Lesen. Der Marquis von Bethunehat seinen Nachtstuhl neben den meinigen bringen las¬sen, und wir verbringen die Tage an diesem Ort derFreude. Ich weiß außer Montaigne niemanden, der dasKapitel vom Nachtstuhl mit solcher Gründlichkeit be¬handelt hätte." Ein Modenstich von 1688 stellt dieDame von Rang „etant ä ses necessites" dar 69.Wie wenig Aufhebens man von der Verrichtung eineskleinen Bedürfnisses machte, berichtet uns die Liselottegleichfalls in ihren Briefen 70 : Der bekannte FinanzmannJohn Law erfreute sich 1718—1720 großer Beliebt¬heit in Paris. „Wenn Mr. Law wollte, würden ihm diefranzösischen Damen wohl mit Verlaub den Hinternküssen; zu sehen, wie wenig scrupuleux sie seyen, ihnpissen zu sehen; er wollte Damen keine Audienz geben,weil ihm gar noth zu pissen war, wie er es den Damenendlich sagte, antworteten sie: Das macht nichts, pis¬sen Sie, und hören Sie uns an. Also blieben sie so langebei ihm." !Uns modernen Menschen, die wir die Verrichtung der

66 Max Kemmerich, Kulturkuriosa, München, Bd. 1, S. 19/j.67 M. Kemmerich, a. a. O.6S Letlres inidites, p. i4o— i/Ji.69 tlanns Floerke, Die Memoiren des Herzogs von Saint-Simon,München 1913, 2. Bd., S. 367.79 A. a. 0., S. 368, Nr. 7.

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Notdurft unter einem ganz anderen Gesichtswinkel be¬trachten, erscheinen die erwähnten Tatsachen ganz unge¬heuerlich, und wir finden es eher begreiflich, daß solcheUngeniertheit Platz greifen darf, wenn amoureuse Be¬ziehungen bestehen, wie es bei Stendhal der Fall war.Dieser hatte ein Verhältnis mit der Gräfin Curial. Ein¬mal wäre er von dem eifersüchtigen Gatten beinaheüberrascht worden, aber die Geliebte verbarg ihn dreiTage im Keller und kam täglich, um ihm Essen zu brin¬gen und den Nachtstubl zu leeren 71.So ungeniert man auch sonst am französischen Hofewar, so streng hielt man sonst auf die Einhaltung derEtikette. In dem anonym erschienenen Memoirenwerk„Denkwürdigkeiten aus dem Leben der Königin Marie-Antoinette, Königin von Frankreich 72 , findet sich fol¬gende bezeichnende Anekdote:„Die strenge Etikette erstreckte sich auch auf denNachttopf. Als Marie-Antoinette zum ersten Male amfranzösischen Hofe übernachtete, fühlte sie Verlangennach Befriedigung eines kleinen Bedürfnisses. Sie beugtesich unter das Bett und zog das Geschirr herbei und be¬sorgte ihre Sache. Die Kammerfrau bemerkte dies undwar außer sich vor Verwunderung. Und die Oberzeremo¬nienmeisterin gar konnte sich nicht enthalten, der Prin¬zessin den Vorwurf zu machen, daß sie die französischeEtikette in gröblichster und leichtfertigster Weise ver¬letzt hätte: Die Gemahlin des Thronfolgers darf eherdas Bett vollmachen als sich den Nachttopf halten."Der Königin war übrigens bei ihrer Krönung ein Klosettä Vangloise eingerichtet worden, also mit einer .Art Was-

71 Ausgewählte Briefe Slendhals, deutsch von Arthur Schurig. Alün-chen und Leipzig 1910, S. LX.« Leipzig 1837, Bd. III, S. 122.

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serspülung, was man den Spendern als Gipfel der Krie¬cherei verübelte 73.

Die Benützung der Nachttöpfe bürgerte sich allmäh¬lich derart ein, daß eigene Händler deren Vertrieb imStraßenhandel übernahmen. In Bouchardon 74 findet sichdie Wiedergabe eines bezeichnenden Sujets. Ein Mäd¬chen vom Lande, das den Tragekorb bis obenauf mitNachtgeschirren gefüllt hat, ist neben dieser schwerenBürde auf dem Pflaster eingeschlafen. Es gab ganz ein¬fache Töpfe aus Ton und vornehme, wenn man so sagenwill, mit allem Komfort der Neuzeit ausgestattete Nacht¬stühle, die mit Tuch oder Samt überzogen waren unddurch einen Deckel sich verschließen ließen, was schonin den Memoiren des Herzogs von Saint-Simon erwähntwird. Das beweist auch folgende Anekdote:„Ein Mann wollte in einer großen Stadt zu einem gehen,der sehr weit wohnete. Unterwegs kam ihm die Noth-durft dermaßen an, daß er sich kaum halten konnte. Daer keinen bequemen Ort sofort fand und eben bei einemTapezier vorbeiging, so trat er zu ihm herein und fragte,ob er überzogene Nachtstühle fertig habe? Der Mannzeigte ihm einen; da er aber gefragt wurde, ob er keinereicheren habe, antwortete er, daß er welche von Sam-met von allerlei Farben habe. ,Nun, holen Sie einige her',sagte der erstere. Der Tapezier lief weg, um sie zu holen.Unterdessen zog jener die Hosen ab und entledigte sichin den Stuhl, der ihm zuerst gewiesen worden. Als derTapezier wiederkam und ihn in dieser Positur fandjrief er:,Was machen Sie da, mein Herr?' — ,Ich pro¬biere ihn,' antwortete er, ,er stehet mir aber nicht an 75.' "

73 Max Kemmerich, Kulturkuriosa, a. a. 0., I, S. igtt-li Cris de Paris, s6rie 5, Paris 1746, Bl. 8.75 Vademekum für lustige Leute, 177/1, ta Teil, Nr. 337.

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Mit zunehmender Kunstfertigkeit stattete man die Nacht¬töpfe mitunter humorvoll aus oder brachte ßie in Be¬ziehung zu einer mißliebigen Persönlichkeit In einemzeitgenössischen Bericht heißt es: „Bey uns fehlt esauch nicht an besonderen Devisen, Mahlereyen und an¬deren Verzierungen, die man diesem Geschirre gibt. Siesind gemeinhin aber zu zweydeutig, als daß man siefüglich mittheilen könnte. Vor mehreren Jahren warendie porzellanenen Nachtgeschirre mit einem Spiegel aufdem Boden bey Leuten, die den Scherz lieben, sehr be¬kannt 76." Auf dem Boden mancher solcher Gefäße warein offenes Auge gemalt mit der Umschrift: „DasAugesieht den Himmel offen!" Auch der politische Kampftobte sich auf dein Boden der Nachttöpfe aus. Selbstder große Napoleon mußte sich eine derartige Blasphe-mierung gefallen lassen. Ein Zeitgenosse (Der deutscheCasanova usw., herausgegeben von Max Bauer, Eigen-brödlerverlag, Berlin, etwa 1925, II, S. i/|8) berichtetuns folgenden Vorfall:„Die Douaniers an der Küste von Kalabrien hatten einevon Sizilien kommende Barke mit Nachtgeschirren, lauterenglische Ware, gekapert . . . Es waren dies nämlich keinegewöhnlichen, sondern bemalte Nachtgeschirre, in derenGrund Napoleons Porträt mit weit aufgesperrtem Mundsich befand, gleichsam zum Empfang dessen, was in dasGeschirr gegossen wurde. Dergleichen Geschirre bedientensich schon länger in England, die eingefleischten Feindedes französischen Kaisers und hatten sie auch nach Spanienund Sizilien versendet . . . Als die Sache vor Mural kam,befahl er, die Geschirre sämtlich zu zerschlagen und dieTrümmer ins Meer zu werfen, die Schiffer aber, die siegebracht, sollten vor ein Kriegsgericht gestellt und er¬schossen werden. Glücklicherweise aber waren sie ent¬wischt. Bald aber kam die Polizei der Tatsache auf die

76 Krünitz, Enzyklopädie, Bd. 100, S. i3ß, Nr. 12, Abs. 2.

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Spur, daß schon mehrere solcher Geschirre im Reicheeingeschmuggelt worden seien und es selbst in NeapelPersonen gebe, die sich solcher bedienten .... auch ver¬sicherte man, daß sich die alte Königin von Neapel sowieder ganze Hof in Sizilien ihrer bediene. Als aber die Sacheauf dem Festland ruchbar wurde, fanden die Besitzer derGeschirre für geraten, dieses gefährliche Eigentum zuzertrümmern."

Während des Burenkrieges hatte man solche mit demBildnis des englischen Premierministers Chamberlain,und im Weltkrieg konnte man sich das eigentümlicheVergnügen leisten, Nachttöpfe, in denen das Wort„Gott" in der Verwünschung „Gott strafe England!"gemißbraucht war, zur Erleichterung zu verwenden.Ein gewisser Twiß ließ 1776 eine Reise nach Irlanddrucken, in welcher er von der irländischen Nation vielVerächtliches gesagt hatte. Darauf ward in Dublin eineSubskription auf tausend Nachttöpfe von Steingut an¬gekündigt, auf dessen Grunde des Verfassers Bildnisstehen sollte mit der Umschrift:

Dies ist Herr Twiß,Auf den ich piß'.

Die Subskription war in acht Tagen zusammen¬gebracht 77.Diese Nachttöpfe oder Leibstühle waren damals, als dieWasserklosette noch nicht erfunden waren, geradezueine Notwendigkeit, und man kann dem schon mehr¬fach erwähnten Lexikon von Krünitz beipflichten, wennes sagt: „Man muß daher den Gebrauch der Nachtstühlezu den nothwendigen Übeln rechnen, die sich nicht gutvon dem Hauswesen entfernen lassen." Einen Fortschritt

77 Krünitz, a. a. 0., S. i34, Note, und Vade Mecum für lustigeLeute, 7. Teil, Berlin 1777, S. 6, Nr. 9.

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bedeutete die Erfindung des Spenglers Ottacher in Wien,der sich in Wien 182 5 einen Nachtstuhl mit Wasser¬spülung patentieren ließ.Bei dieser allgemeinen Wertschätzung, der der Nacht¬stuhl sich erfreute, nimmt es nicht wunder, daß sichgroße und kleine Dichter zu seiner Verherrlichung fan¬den. Man weiß vom Hörensagen, daß Alois Blumauer,der Vergils Äneis travestiert hat, eine „Ode an denLeibstuhl" gedichtet hat Da seine Werke aber in denBibliotheken friedlich, von Staub bedeckt, schlummern,sei der Wortlaut dieser Ode nachstehend wiedergegeben:

Ode an den Leib stuhl

Du kleiner Sitz, von dessen eignem NamenMan mit Respekt nur spricht,

Den täglich doch die ekelste der DamenBesieht und fühlt und riecht,

Du bist der größte aller Opferherde,Auf deinem Altar nur

Zollt täglich der galantre Teil der ErdeSein Opfer der Natur.

Du bist der Götze, der selbst MajestätenIhr Hinterhaupt entblößt,

Der Freund, vor dem sogar sich ohn ErrötenDie Nonne sehen läßt.

Erhaben setzt, wie auf den Sitz der Götter,Der Weise sich auf dich,

Sieht stolz herab und läßt das DonnerwetterLaut krachen unter sich.

Du bist das wahre Ebenbild der ThronenAuf diesem Erdrevier,

Denn immer sitzt von vielen MillionenEin einziger auf dir.

Du bist's allein, den Prunk und EtiketteSelbst mehr als Thronen ziert,

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Denn sag', bei welchem Thron wird so zur WetteAls wie bei dir hofiert?

Worin jedoch aus allen SorgestählenKein einziger dir gleicht,

Ist dies: Auf Thronen sitzt man oft sich Schwielen,Auf dir sitzt man sich leicht.

Du beutst als Freund den Menschen hier auf ErdenGefällig deinen Schoß

Und machest von den drückendsten BeschwerdenDer Menschlichkeit sie los.

Zu dir wallfahren groß' und kleine Geister,Wenn sie die Milzsucht quält,

Du nimmst von ihnen weg den Seelenkleister,Der sie umnebelt hält.

Man sieht dich täglich viele Wunder wirken:Du bist der Ort, wohin,

So wie nach Mekka die bedrängten Türken,Die armen Kranken ziehn.

Du bist der Heillumstuhl, an dem der KrankeNie fruchtlos Opfer zollt,

Weil er dafür gewiß mit regem DankeSich die Genesung holt.

Du bist der Chef, für den auf seinem StuhleSo mancher H . . schwitzt,

Der Gott, für den so manche FederspulcDes Autors ab sich nützt.

Der Richterstuhl, wo über die GehirneMan streng Gerichte hält;

Der Schlund, worein, gebrandmarkt an der Stirne,So manches Wischchen fällt.

Drum, daß du mich dereinst nicht auch als RichterVerschlingst mit Haut und Haar,

So bring' ich dir, du Erbfeind aller Dichter,Dies Lied zum Opfer dar.

m

Ans der Feder eines anonymen deutschen Dichtersstammt das Poem:

Der Nachttopf und das SiegeszeichenAn einem halbverfallenen PalastSah man ein großes SiegeszeichenDen Trümmern nah — die schwere LastDes Alters droht es bald zu beugen.Es trauerte ob dem RuinUnd glaubte, wenn einst diese ZierdeDie grausame Zerstörerin,Die Zeit, in Staub verwandeln würde,Auch die Triumphe, die erfochtnen Siege,Die es als Sinnbild vorgestellt,Vergessen wären, und die künft'ge WeltVon all den großen Taten schiuiege.Indem es nun zwar traurig, aber immerVoll Heldenmut sein Mißgeschick beklagt,Vernimmt ein Nachttopf, der im nächsten ZimmerAm Fenster stand, was er gesagt.Jetzt sah es ihn und fuhr ihn wütend an:,,Du schändliches Gefäß, aus schlechtem Ton geschaffen,In dem ein Wasser stockt, von dem sich jedermannMit Abscheu kehrt — was hast du hier zu schaffen?Zerbrechliches Geschirr! Des Siegers MonumentenKannst du so frevelvoll dich nahn?" —Der Nachttopf ließ es ruhig endenUnd hub dann seine Antwort an:,,Warum sprichst du auf diese Art mit mir?Weit besser wär's, du hält'st geschwiegen.Wenn ich das Denkmal von den großen SiegenUnd deine Faszes, Pfeile, Fahnen hierBetrachte — was kann dir's wohl schaden?Doch wenn ich höre, daß du dichSo eitel rühmst mit jenen Taten,Dann wahrlich ist mir's lächerlich.Du prahlst mit deinen EhrenzeichenUnd nennst dich des Triumphes Kind.Und deine Faszes? — Ha! was zeigen

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Sie denn wohl an? Beglückte Länder sindDurch des Erobrers Hand verwüstet worden.Man hat geplündert und verheertUnd konnte kalt Geschlechter morden.Ein schöner Gegenstand, des Künstlers Meißel wert,Die Schauder der Natur zu bildenl —Ich aber bin ein nützliches GerätDer Nacht, dem von den unenthülltenGeheimnissen der Liebe nichts entgeht.Wenn eine Frau dem süßen SpieleSich ohne Murren überläßt;Wenn aus des Mädchens Brust, beim wonnigen Gefühle,Sich lüstern mancher Seufzer preßt,Wenn grenzenlos entzückt das frohe FestVon neuem sie beginnt — bin ich ein Augenzeuge,Ein Zeuge, wie das Unheil, das der KriegStets mit sich führt, in Amors ReicheErsetzet wird. — Und nun vergleiche dichMit mir, dein Schicksal mit dem meinen;Zu meiner Ehre wirst du dann gestehn —Die deine wird drum nie geringer scheinen —Daß es iveit besser ist, mit anzusehn,Wenn Amor baut, als wenn in seiner WutMars niederreißt." — Der Schluß ist für die Menschheit gut:Das Siegeszeichen ist Schimäre,Erfunden von der falschen Ehre,Der Nachttopf aber ist ein wahres Gut.

6. Die Reinigungsmethoden

Es ist ein notwendiges Übel, daß jede Entleerung desMenschen auch eine Reinigung erfordert Man hat sichnicht immer der gleichen Mittel hierzu bedient. DieGriechen verwendeten hierzu Steine, wie aus den Ko¬mödien des Aristophanes ersichtlich ist Daß damit dieReinigung nur unvollkommen Yonstatten ging, liegt aufder Hand, und aus diesem Grunde ist es auch verstand-

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lieh, daß bei Homer Nausikaa genötigt war, die Kleiderihrer Brüder gründlich zu waschen 78.Die Römer bedienten sich zu dem gedachten Zweckeder Finger, später eines Stockes, an dem schließlich einSchwamm befestigt wurde. In jedem öffentlichen Klo¬sett befand sich ein mit Salzwasser gefüllter Eimer undeinem derartigen Stock, wie aus Martial 79 ersichtlichist, wo er sagt:Aber das Mahl ist fein: ich gesteh's, das feinste, doch nichts

seinWird es morgen bereits, ja auch heute noch, ja jetzt,Was der leidige Schwamm des gewünschten Stabes geslehn

wird.Das ist die Ursache, warum das Wort spongia(Schwamm) in Latein nur mit „Reverenz zu melden!"gesagt wird. Ein Sklave, der den wilden Tieren vorgewor¬fen werden sollte, wußte kein anderes Mittel, sich demzu entziehen, als daß er diesen Stock sich in die Kehlestieß und daran erstickte 80.

Das in den öffentlichen Latrinen zur Verfügung stehendeSalzwasser konnte natürlich auf die Dauer den an Luxusund Wohlleben gewöhnten Römern nicht genügen. DasWasser wurde mit wohlriechenden Substanzen duftendgemacht, und die Vornehmen parfümierten sich dazunoch am ganzen Leibe 81 .Ob die Römer auch bereits Papier verwendeten, ist nichtganz sicher. Catull spricht allerdings von „cacatacharta". Ob er aber damit ein Werk bezeichnen will,das nur gut ist, bei der Entleerung gelesen zu werden,oder ob die Schrift Reinigungszwecken zu dienen be-

78 Vgl. Homer, Odyssee, cant. VI.™ Ep. XII, 48.s » Nouveau Merdiana, S. 31.81 Montaigne, a. a. 0., II, 651.

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stimmt sein soll, geht nicht ganz klar aus der Stellehervor.Im Mittelalter bediente man sich zum gleichen Zwecke,wie einst in Rom, der Wolle, weicher Stoffe. DasBauernvolk nahm Stroh, Gras und Laub. In der Lebens¬beschreibung des Abbes Leon von Nonantula werdensolche „anitergia" erwähnt 82. Rabelais spricht weiter inseinem „Gargantua" (I, i3) von den „Torche-culs". DieBedeutung dieser Bezeichnung ist klar. Die feinen Rei¬nigungsmittel, die bei der vornehmen Welt Frankreichsgebräuchlich waren, führt ein Rondeau des Eustory deBeaulieu auf:

Du velours vauli mieulx que satin,Pour torcher son cul au matinOu au soir quand on va coucher,Mais c'est lout vng, tnais qu'il soit fin.Taffetas simple, en armoysin,Damas, camelot, chanure ou lin,N'approche (pour vng cul moucher)

Du velours.

S'vng komme chie par cheminEt na papier ne parchemin,N'estoupe ou drap pour se lorcher,II se pourroit hien empecherS'il na au moins a toutefin

Du velours.

Hier wird also bereits Papier erwähnt, das bald alleanders gearteten Säuberungsmittel verdrängen sollte.Bei der Mohammedanern in der Türkei hat das Papierals Reinigungsmittel auch heute noch nicht Anklang ge¬funden. Man verwendet wie zu früheren Zeiten Wasser,ist solches nicht vorhanden, so genügt ein glatter Stein.Zur Bewerkstelligung dieser Verrichtung wird die linke

82 Nouveau Merdiana, S. 32, Anm. b.

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Hand verwendet, die deshalb als unrein gilt. Feldhaus(S. 282) erzählt, daß einem Apotheker, der den Orient¬feldzug mitmachte, seine kleinen Flaschen in rätsel¬hafter Weise abhanden kamen, sobald man mit der tür¬kischen Begleitmannschaft des Lazarettes in die Wüstekam. „Eines Tages klärte sich das Rätsel: Die Flaschenwurden von den Türken in Ermangelung von Steinenzum Abputzen verwendet" Auch bei den Arabern giltdie linke Hand aus dem gleichen Grunde für unrein 83.Einen plausiblen Grund, warum die Mohammedanerkein Papier verwenden, gibt Beroalde de Verville, wiebereits früher angegeben, und weiterhin Kindleben 84 :„Überdies halten sie dafür, daß das Papier nicht so be¬quem dazu ist, diesen Theil des menschlichen Leibes,den die natürliche Nothdurft beständig schmutzigmacht, so zu reinigen, daß gar keine Unsauberkeit übrigbleibt, und daß ihre Gebete nicht erhört werden kön¬nen, wofern sie nicht ganz rein wären, weil sie vor Gottmit einer völligen Reinigkeit des Leibes und der Seeleerscheinen müßten."Der gleichen Anschauung huldigen natürlich auch diePerser, soweit sie Mohammeds Glauben angehören. Jedereinigermaßen Vornehme hat seine Kupferkanne immerbei der Hand, und läßt sie sich gegebenenfalls durchseinen Diener nachtragen 85. Da die Mitführung solcherKannen aber nicht immer angängig ist, schreibt das mo¬hammedanische Ritual vor, die Entleerung möglichst amUfer eines fließenden Baches oder im Wasser selbstzu vollbringen. In früherer Zeit war das anders. Zo-roaster befahl, daß das Wasser überall in seiner Rein-

83 Lane, Die Sitten der Ägypter, I, i53; II, Ii; Anthrop. VII, 23i.84 Galanterien der Türken, Frankfurt und Leipzig 1783, I, 173.85 Dr. I. E. Polack, Persien, Leipzig i865, Bd. I.

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heit bewahrt werden solle. Diese Anschauung vertratenübrigens auch die Griechen, denen es verboten war, dieFontänen oder Flüsse zu verunreinigen 86.Eigentümlicher Reinigungsmittel bedienten sich die Rus¬sen im 17. und 18. Jahrhundert. Man gebrauchte dazu„wohlpolierte kleine Schäuflein von Tannenholz".Die deutschen Rauern bedienen sich noch heute, wennnichts anderes zur Hand ist, der von der Natur zur Ver¬fügung gestellten Mittel, wie Gras, Stroh usw. Papierzur Reinigung ist seit langem gebräuchlich. Das eigensdazu hergestellte Klosettpapier kam 1880 auf und sollamerikanischen Ursprungs sein. Ris 1900 galt die Ver¬wendung solchen Papiers als Luxus. Erst in den letztenzehn Jahren hat es sich eingebürgert. Rollenpapierwurde in Deutschland zuerst von der im Jahre 1896 inRerlin gegründeten „Rritish-Paper-Company Alcock& Co." fabriziert 86 ».

Um nun auch dem Humor zu seinem Recht zu verhelfen,sei schließlich das „Lied von der Reinlichkeit" ange¬führt, das man noch heute nach der Melodie „Studio aufeiner Reis" bei Studentenkneipen singt 87 .

Um die Reinlichkeit zu fördern,Ist vor allem zu erörtern,Wie, womit, wozu und wannMan sich reinlich putzen kann.Schon in seinen KinderjahrenHat ein jeder wohl erfahren,Daß man von dem Stuhlgang herNicht so reinlich wie vorher.

Eh' wir uns vom Sitz erheben,Bleibt doch meistens etwas kleben,

86 Hcsiod. Erga kai Hemerai, Vers 756.86« Feldhaus, a. a. O.. S. a83." Anthr.IX, S. 5o2.

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Dieses schleunigst zu entfernenSoll der Mensch von Jugend lernen.Bauern nehmen sich hierbeiMeistens einen Büschel Heu,Hat man das nicht in der Näh',Nimmt man Stroh, doch tut das weh.

Jeder aber soll sich schämen,Seinen Finger nur zu nehmen.Sitzet man in Rohr und Schilf,Nimmt man dieses rasch zu Hilf.Geht man einsam über Land,Nimmt man wohl auch Gras zur Hand,Doch luenn Nesseln sind dazwischen,Darf man sich damit nicht ivischen.

Denn bevor man umgeschaut,Brennt es heftig auf der Haut,Kleine Bläschen, weiße, gelbe,In dem Loch und um dasselbe.

Der Gebrauch von TannennadelnWäre gleichfalls sehr zu tadeln.Da sie schmerzlich uns berührenUnd doch nicht zum Ziele führen.Handwerksburschen in der Fremd'Tun dies meist mit ihrem Hemd,Mit den Zeiten, mit den LändernTun sich die Methoden ändern.

Wie zum Beispiel die AztekenRieben sich mit einem Stecken,Währenddem die KannibalenSich mit diesem Stoff bemalen.

Doch, gottlob, bei uns zu LandHat man meist Papier zur Hand,Doch darf dieses nicht zu klein,Es muß fest und haltbar sein.

Ist es nämlich dünn und feucht,Bricht es durch nur gar zu leicht,

IQO

Und du fährst mit deinem FingerFrisch hinein in deinen Dünger.Fahr nicht immer drüber weg,Denn sonst geht nicht fort der Dreck;Wischest du nach aufwärts nur,Zeigt sich links und rechts die Spur.Und vom bloßen AbwärtsfahrenBildet sich ein Spieß von Haaren,Durcheinander, auf und ab,Dies allein hilft gründlich ab.Wenn du 's Putzen unterläßt.Hängen sich die Klumpen fest,Die sich dann als lästig zeigenUnd sogar den Wolf erzeugen.Ja sogar mit heißer Brüh'Bringt man sie nur fort mit Müh',Darum spart euch diese Schmerzen,Und ich ruf euch zu von Herzen:Männer, Greise, Weiber, Kinder,Haltet, reinlich eure Hinter.

SchlußWir glauben, eine recht erfreuliche Lektüre gel.x>ten zuhaben. Sie war nicht immer duftend; aber liegt das ander Materie oder an unserer verbildeten Geruchsfunk¬tion? Wenn soviel erreicht ist, daß manchem an „sei¬ner Gotlähnlichkeit bange wird", daß er sich als das be¬trachtet, was er in Wirklichkeit ist, nämlich ein HäufleinDreck, so hat das Büchlein seinen Zweck erfüllt.

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Prof. Dr. Friedrich S. Krauß in Wien, der Begründer der eth¬nologischen Urtriebsforschung, schreibt: In unseren Tagen, in welchendurch das kürzlich erlassene Schund- und Sdimutzgesetz die In¬quisitionstribunale in Deutschland eingeführt werden, ist Dr. PaulEnglischs Geschichte der erotischen Literatur als Aufklärungs¬werk zeitgemäß, eine wahrhaft rühmliche Tat zum Schutze gegendie staatlich unternommene Ächtung der Literatur und die ver¬suchte geistige Volksverseuchung. In Wirklichkeit ächtet das selt¬samste aller Vergcwaltigungsgesetze die Frau als das Gefäß derUnzucht, die Hebe und die geistige Arbeit, die von Frauen undder Liebe handelt. Englisch deckt die Irrgänge der geistigen Ka¬straten aller Zeiten und Völker auf und bespricht mit der Sicherheitdes in der Weltliteratur und der Urtriebsforschung innig vertrautenMannes der Wissenschaft die bedeutendsten Erscheinungen dermeisten Literaturen. Es sind hauptsächlich meistgelesene, darunterauch Meisterwerke, von denen die landläufigen, offenbar für ge¬schlechtslose Menschen verfaßten allgemeinen Literaturgeschichtenso gut wie nichts erwähnen. Eine gründlichere und bei aller Ge¬lehrtheit unterhalt lieh ere Einleitung in die Wissenschaft vom Ge¬

schlechtsleben der Menschheit lag uns bisher nicht vor.

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und archäologischen Instituten des In- und Auslandes angekauftund werden bald zu gesuchten Seltenheiten gehören.

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einem bekannten englischen Privatmuseum.

Das Bück der VersuchungenEine Bildergalerie zum Thema „Sünde" (mit 80 Lichtdruckfafeln)

Von Prof. Dr. E. W. Bredt / MünzenAus einer Besprechung: Im vorigen Jahre erschien „Das Buch derVersuchungen" von Prof. Bredt, München, ein Buch, das mir nichtallein als kunstfreundlichem Mediziner, sondern am meisten rein alsMensch einen ganz ungewöhnlichen Eindrudi machte. Mit der Ver¬suchung verbindet sich im allgemeinen Sinne ja fast ausnahmslos dieVorstellung des intensiv Weiblichen oder irgendeiner anderen grobsinnlich in die Erscheinung tretenden Szene, wie z. B. Susanna imBade, Adam und Eva, der heilige Antonius. Außerdem aber denktman kaum oder nie daran, dafi noch gar sehr viele andere Dinge —sind oder bergen denn nicht die Wunsche meist auch eine \ersuchung? —als eben nur das Weib gewaltige Versuchung auslösen und einenKünstler zur Darstellung begeistern können. Solche bildliche Dar¬stellungen für den fühlenden Leser und denkenden Betrachter aus¬gesucht zu haben, darin besteht ein ganz besonderer Wert und Reizund beweist die tiefe Veranlagung des Werkes: wenn bei den Tafeln,gebunden durch den Umstand, dafi ja für den darstellenden Künstlerbei der Versuchung das Weib meist das sinn- und augenfälligste Sym¬bol ist, eben das weibliche Element vorherrscht, so ist die Darstellungder anderen Versuchungen um so wirksamer und seelisch ergreifender.Noch nie kam mir so das Wesen der Versuchung innerlich näher alsbei den Tizianischen Zinsgroschen, und wie überzeugend ist die Ver¬suchung des Säufers durch einen vollen Krug, wenn die angsterfüllteFrau bekümmert dem Gatten den Trunk, wohl vergebens, vorenthaltenwill. Absichtlich will ich nur zwei Beispiele herausgreifen, der Käuferund der Leser soll selbst suchen und wolle es ihm gehen wie mir.Das Bredtsche Buch hat mir viel, sehr viel gelehrt zu innerlicherÜberlegung, was denn die Versuchung sei, wie sie auftritt und dafjwir ihr allerwärts und in den heimlichsten Formen — das sind ihre

gefahrlichsten — begegnen.Und darum auch mun ich dem Werke einen hohen moralischen Wert,neben dem künstlerischen, zuerkennen. Oft und gerne nahm und neh¬me ich das Buch in nachdenklicher Stimmung zur Hand und fandjedesmal darin neue Ansichten zur Beurteilung des Menschlichen, neue

Anregungen und ergehe mich in Selbstprüfung.In dem Leserkreist befinden sich genug, die mit mir gleicher Ge¬sinnung sind, und ihnen sei die Bcsdiaffung des Werkes, namentlichals Geschenk, besonders ans Herz gelegt. Es ist kein Buch zum Blät¬tern, sondern zum Nachdenken, und bewundernswert ist die vollendeteBeherrschung des ungeheuren Stoffes, aus dem der Autor seine Bilder

entnahm . . .Ausstattung und Wiedergabe der Stiche und Bilder sind vorzüglichund hat der Verlag wirklich grof^c Mühe und Kosten auf die würdigeAusstattung des Werkes verwendet. Ich möchte aus vollem Herzendem Autor und seinem wagemutigen Verleger eine recht weite Ver¬breitung und regen Ankauf ihres Werkes wünschen —denn es sei nocheinmal gesagt, es wird wohl kein Käufer das Buch ohne innere,

sagen wir einmal Erweckung aus der Hand legen.Preis in Ganzleinen 5o RM.

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JULIUS PÜTTMANN / VERLAGSBUCHHANDLUNG / STUTTGART

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Unter den Begründern und Bearbeitern der modernen Sexualwissen¬schaft steht seit einem Mensöhenalter der Verfasser der „Gcschlechts-kunde", Sanitätsrat Dr. Magnus Hirschfeld in Berlin, in erster Reihe.Seine große Spezialpraxis als Sexualarzt, seine ausgedehnte Tätig¬keit als Sachverständiger in zahlreichen Prozessen, in denen Männerund Frauen wegen sexueller Verbrechen und Vergehen vor Gericht stan¬den, die vielen Einzelfragen, die im Zusammenhang mit seinen Veröf¬fentlichungen, besonders auch im Anschluß an die Hunderte von Vor¬trägen aufgeworfen wurden, die er vor Ärzten und allen Schichtender Bevölkerung hielt, haben ihm auf dem Gebiete körperseeiischerGcschlechtlichkelt eine einzig dastehende Kenntnis und Erfahrung

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Ein Schularzt schreibt an den Verfasser: . . . um Ihnen aufrichtigzu danken für den Dienst, den Sie damit der Menschheit leisten.Ihr Werk müßte in den Händen aller Ärzte, Lehrer und Juristensein. Mich haben die ersten Lieferungen derartig gepackt und er¬schüttert, daß ich mit Spannung den weiteren entgegensehe . . . .Die Weltkultur: Alles in allem: Es ist hier ein Standardwerk imEntstehen, das besonders die mit der Materie noch weniger ver¬trauten Eltern und Erzieher unbedingt kennen lernen müssen.Berichte über die gesamte Gynäkologie: • . . daß auch der Fach¬mann dieses Buch ob seines glänzenden Stiles und seines reichenInhaltes nicht nur durchblättern, sondern mit Genuß lesen wird.Zeitschrift für Schulgesundhcltspflege: .... Stehen die weiterenLieferungen den vorliegenden nicht nach, so wird der Sozialhy-gienlker und besonders derjenige, dem als Schularzt oder Lehrerdie Beschäftigung mit Sexualproblemen zur Pflicht gemacht wird,

an dem Werk nicht achtlos vorübergehen dürfen.Zentralblatt für die gesamte Hygiene und ihre Grenzgebiete: DerAnfang eines groß angelegten Werkes liegt vor uns, das verspricht,die Aufmerksamkeit vieler Kreise zu erregen; unter den Ärztenwerden sowohl die in der Praxis stehenden als die Hygieniker undGerichtsärzte dem Buche besonderes Interesse entgegenbringen.

JULIUS PÜTTMANN / VERLAGSBUCHHANDLUNG / STUTTGART

Über den Ursprung der SyphilisQuellengeschichtliche Untersuchungen

vonDr. Gaston Vorberg in München

Über den Ursprung der Syphilis ist viel pestritten worden. Mancheglauben, die Lustseuche schon aus den Schilderungen der Schrift¬steller des Altertums zu erkennen. Andere halten die Syphilis füreine aus Amerika in die Alte Welt eingeschleppte Krankheit. Einbegeisterter Verteidiger dieser Lehre war Iwan Bloch, der, ein zweiterChristoph Girtanner, mit Bienenfleiß alles gesammelt hat, um derLehre vom amerikanischen Ursprung zum Siege zu verhelfen.Der bekannte Geschlechtsforscher Dr. Gaston Vorberg in Mün¬chen hat nach langjährigen quellengeschichtlichen Forschungen dieFrage Ober den Ursprung der Syphilis zum Gegenstand einer ein¬gehenden Untersuchung gemacht. Er beleuchtet kritisch die Lehrevon der Altertumssyphilis. Er verwirft den Glaubenssatz von derEinschleppung der Lustseuche durch die Mannschaft des Kolumbus.In klarer Sprache, mit großer Sachkenntnis und Gründlichkeit zer¬stört er eine bequeme und manchem liebgewordene Legende. Land-laufige Anschauungen und Behauptungen werden widerlegt, die an¬gebliche dunkle Kehrseite der Entdeckung Amerikas wird in einegrelle Beleuchtung gerückt. Das Buch führt aus verworrenem Dik-kicht aufwärts zum Gipfel der Erkenntnis. Es ist nicht nur für denArzt, sondern auch für jeden Quellenforscher eine reiche Fundgrube.Wertvolle Lichtdrucktafeln sind dem Werke zur Erläuterung beige¬geben. — Das Buch in buebtechnisch vollkommener Ausstattungwird jeden Forscher, jeden Sammler erfreuen, seine Bücherei be¬reichern. Preis broschiert 21 KM., Halbleinen 26 RM., Ganzleinen

28 RM., Halbleder 30 RM.Wiener Klinische Wochenschrift: . . . Die wertvolle, vornehm aus¬gestattete und reich illustrierte Schrift verdient das Interesse ärzt¬

licher wie nichtärztlicher Kreise.Zentralblatt für innere Medizin: . . . Die Beweisführung Ist vöUigzwingend. Man weiß nicht, was man an dieser Schrift mehr bewun¬dern soll: den eminenten Fleiß des Verfassers, seine große Belesen¬heit, die ungeheure Sorgfalt, mit der er durch die verworrene Li¬teratur jenes Zeitabschnittes dem Leitgedanken folgerichtig bis inseinzelne hinein nachgeht, oder die Prägnanz, Klarheit und Knapp¬heit der Darstellung, die schon rein stilistisch als Vorbild geltenkann. Man wird nicht bezweifeln, daß dieses Werk eine medizin¬

historisch sehr wertvolle Gabe darstellt.Zentralblatt für Haut- und Geschlechtskrankheiten: . . . Jeder me¬

dizinische Historiker wird von ihm Kenntnis nehmen müssen.

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In meinem Verlage erschien aus dem weiten Gebiete der Seelen¬

kunde eine Reihe fesselnder Einzelabhandlungen unter dem Titel:

KLEINE SCHRIFTENZUR SEELENFORSCHUNGEs sind ernst zu nehmende Einzelarbeiten, deren wissenschaftlicher

Wert über allem Zweifel steht. Wenngleich ihre Fassung flüssig undjedem Gebildeten verständlich ist, so liegt ihr Niveau doch weit überdem sogenannter ,,populärer" Darstellungen. Der Name des Heraus¬

gebers — Dr. med. et phil. Artur Kronfeld, Berlin —bietet dafür jede Gewähr.

Bisher sind erschienen:

HEFT 1

Zur Psychologie der Hypnose und der SuggestionVon Dr. Th. Friedrichs, Berlin, mit einem Vorwort

von Dr. Artur Kronfeld, Berlin

HEFT 2

Über GleicbgeschlechllichkeitErklarungswege und Wesensschau von Dr. med. et phil.

Artur Kronfeld, Berlin

HEFT 3

Das Problem des MediumismusVon Dr. Wilhelm Haas, Privatdozent an der Universität Köln

HEFT 4

Mystisches Denken, Geisteskrankheit und moderne KunstVon Dr. Walter Lurje, Frankfurt a. M.

HEFT 5

Das Problem des UnbewußtenVon Dr. Gaston Rofienstein, Wien

HEFT 6

Das seelisch Abnorme und die GemeinschaftVon Dr. med. et phil. Artur Kronfeld, Berlin

HEFT 7

Vom Wesen der MusikVon Dr. Kurt Singer, Berlin

JULIUS PÜTTMANN / VERLAGSBUCHHANDLUNG / STUTTGART

HEFT 8

Der psychologische RaumEin Beitrag zur Erziehungslehre von Dr. Paul Plaut, Berlin

HEFT 9

Neue Strahlen des menschlichen OrganismusEin Beitrag zum Problem der Hypnose von Dozent

Dr. Sydney Alrutz, Upsala

HEFT 10

Gedanken zur RassenpsychologieVon Dr. med. et phil. Kurt Hildebrandt, Berlin

HEFT 11

Experimentelle TelepathieNeue Versuche zur Gedankenübertragung mittels Zeichnungen

Von Dr. med. Carl Bruck, Berlin

HEFT 12

Zur Psychologie der EunuchoidenVon Dr. med. Gerhard Scherk, Berlin

HEFT 13Uber seelisch bedingte Störungen der Menstruation

Von Dr. med. Theo Brande^, Tübingen

HEFT 14Uber Autosuggestionsbehandlung

insbesondere die Leliren von Coue, nebst Bemerkungen Über Psycho¬therapie und Kurpfuscherei von Dr. med. Emerich Decsi in Budapest

H EFT 15Das Problem des psychologischen Verstehens

Ein Versuch über die Grundlagen von Psychologie, Psychoanalyse undlndividualpsychologie von Dr. Gaston Roffenstein, Wien

HEFT 16

Heilwirkung der MusikVon Dr. Kurt Singer, Berlin

H EFT 17

Die Bitjkysdie DiagnoskopieVon Graf Georg von Arco und Alex. Herzberg, Dr. phil. et med.

Die Preise sind für Heft 1 RM. 1.20 - Heft 2 RM. 1.20 - Heft 3EM. 1.50— Heft 4 UM. 1---Heft 5 RM. 1.50- Heft 6 RM. 1.--Heft 7 RM. 1.50 — Heft 8 RM. 1 50 - Heft 9 RM. 1.50 — Heft 10 RM. 1.—Heft 11 RM. 5.--Heft 12 RM. 1.20- Heft 13 RM. 1 50 - Heft 14 R M. 1.50

Heft 15 RM. 7.50 - Heft 16 RM. 1.50 — Heft 17 RM. 1.50.

JULIUS PÜTTMANN / VERLAGSBUCHHANDLUNG / STUTTGART