ENSEMBLE ASCOLTA - Elbphilharmonie...alle Vögel, außer vielleicht das Huhn und vielleicht der...

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4. MÄRZ 2020 ELBPHILHARMONIE KLEINER SAAL ENSEMBLE ASCOLTA

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  • 4. MÄRZ 2020ELBPHILHARMONIE KLEINER SA AL

    ENSEMBLE ASCOLTA

  • Abbildung zeigt Sonderausstattungen.

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  • Mittwoch, 4. März 2020 | 19:30 Uhr | Elbphilharmonie Kleiner Saal State of the Art | 3. Konzert

    18:30 Uhr | Einführung mit Verena Mogl im Kleinen Saal

    ENSEMBLE ASCOLTA MARKUS SCHWIND TROMPETE ANDREW DIGBY POSAUNE HUBERT STEINER PERFORMANCE ERIK BORGIR VIOLONCELLO FLORIAN HOELSCHER KLAVIER BORIS MÜLLER SCHLAGZEUG JULIAN BELLI SCHLAGZEUG

    HEIKKO DEUTSCHMANN SPRECHER

    Elena Mendoza (*1973) Fremdkörper / Variationen (2015)für Violoncello, Schlagzeug, Klavier und Performer

    ca. 20 Min.

    Jennifer Walshe (*1974) Violetta Mahon’s Dream Diaries (1998–2008) für Ensemble und Video-Projektion

    ca. 25 Min.

    Pause

    Francesco Filidei (*1973) L’Opera (forse) / Acht Skizzen in einem Akt nach einem Text von Pierre Senges (2009)Für sechs Spieler und Sprecher

    ca. 25 Min.

    Ende gegen 21:15 Uhr

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    Projektpartner

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    OSTERFESTIVAL

    9.–14.4.2020

    EINE MUSIKALISCHE ENTDECKUNGSREISEVON VENEDIG BIS CHINA

  • »Schlicht überragend«, nennt die Frankfurter Allgemeine Zeitung das experimentier freudige Ensemble Ascolta. Mit mehr als 250 Urauffüh-rungen und grenzüberschreitenden Projekten zwischen Musik, Performance und Multi media, bei denen gerne auch mal gelacht werden darf, gehören die sieben Instrumentalisten zu den wichtigen Impulsgebern zeitgenössischer Musik. Ihr Debüt in der Elbphilharmonie feiern sie mit drei so großartigen wie kuriosen Werken aus der Feder elektrisierender zeitgenössischer Komponisten: Francesco Filidei, Elena Mendoza und Jennifer Walshe. Alle Stücke stammen aus den vergangenen zwölf Jahren; alle laden dazu ein, sich für einen Abend von Gewohntem zu lösen – um etwas ganz Neues zu entdecken.

    WILLKOMMEN

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    OSTERFESTIVAL

    9.–14.4.2020

    EINE MUSIKALISCHE ENTDECKUNGSREISEVON VENEDIG BIS CHINA

  • VERTRAUT UND DOCH ANDERS

    Elena Mendoza: Fremdkörper/Variationen

    2019 war für die spanische, mittlerweile in Berlin lebende und lehrende Kom-ponistin Elena Mendoza ein besonderes Jahr. In Schwetzingen wurde ihre Oper Babel mit großem Erfolg uraufgeführt; wenige Monate zuvor erhielt die ehe-malige Kompositionsschülerin von Manfred Trojahn und Hanspeter Kyburz den Heidelberger Künstlerinnenpreis. In seiner Laudatio bezeichnete der Musik-wissenschaftler Egbert Hiller Mendozas Werke als »pulsierende Organismen« und »glühende Fantasiegebilde«, die der Macht der Gewohnheit entfliehen und Grenzbereiche ausloten.

    Beispielhaft steht dafür das Quartett Fremdkörper / Variationen, das Mendoza 2015 dem Ensemble Ascolta widmete. Von einem dumpfen Klavierton ange-spornt, erkunden die vier Musiker ihre Instrumente nach Klängen, die in keiner Lehrfibel stehen: Die mit Schrauben präparierten und mit einer Wein flasche

    bearbeiteten Klaviersaiten werden von den Hän-den eines zweiten Pianisten unter ein Trommel-feuer gesetzt, das Cello vollführt Haarspangen- Pizzicati, durch den Klang des Schlagwerks schwingt das Echo eines angeschlagenen Glases.

    So erforscht das Stück die Grenze zwischen musikalischem Geschehen und theatralischer Handlung, zwischen vertrautem Musikinstru-ment und fremdem Alltagsobjekt. »Aus einem Kern mit heterogenen Klangmaterialien ent-wickeln sich vier Variationen, die prozesshaft ineinander übergehen«, so Mendoza. »Gemein-sam ist ihnen, dass sie Alltagsgegenstände in die Komposition integrieren. Während der vier-ten Variation sammelt sie der zweite Klavier-spieler allmählich ein. In Nr. 5 ändert sich dann die Situation: Der zweite Pianist rückt in den Vor-dergrund und wird zum Performer, der mit den Objekten Aktionen an einem Tisch durchführt.« Ein Stück, das geschickt mit der Kluft zwischen Erwartung und Realität spielt.

    Elena Mendoza

    DIE MUSIK

  • Jennifer Walshe – oder Violetta Mahon?

    TAGEBÜCHER EINER PAKETZUSTELLERIN

    Jennifer Walshe: Violetta Mahon’s Dream Diaries

    Die Kreativität der Komponistin Jennifer Walshe beschränkt sich nicht auf Töne. Oh nein, was in ihrem Kopf vor sich geht, braucht umfassendere Kanäle. So dachte sie sich insgesamt zwölf unterschiedliche Künstleridentitäten mit detail-lierten, teils bizarren Biografien aus, die gemeinsam das Grúpat-Kollektiv bil-den. Zum Beispiel Violetta Mahon: Angeblich ist sie etwa so alt wie Walshe selbst und ebenfalls in Dublin geboren. Als Bildende Künstlerin erschafft sie unter anderem surreale, bisweilen albtraumhafte Puppen-Objekte (siehe Foto nächste Seite), die in Top-Museen von New York und London ausgestellt wer-den. Weil sie davon allein trotzdem nicht leben kann, arbeitet sie parallel als Paketzustellerin und Telefonistin. Ihre beste Freundin ist die fingerlose Kon-zertpianistin Flor Hartigan, ebenfalls Teil von Grúpat. Alles klar?

    Jennifer Walshe jedenfalls scheint Spaß zu haben an ihren Fantasie-Kol-leginnen. Regelmäßig schlüpft sie in die Rolle eines der fiktiven Grúpat- Mitglieder, um sich künstlerisch ganz offen bewegen und betätigen zu können.

  • Installationen, Filme, Bücher, Fotografien, Mode und Skulptu-ren haben die zwölf Alter Egos von Walshe mittlerweile pro-duziert. Und bisweilen lässt Walshe sie sogar in ihren Kom-positionen auftreten, die oft die Grenzen zur multimedialen Performance überschreiten. Damit gastiert Walshe regelmä-ßig auf den weltweit wichtigsten Neue-Musik-Festivals; 2000 wurde sie mit dem renommierten Kranichsteiner Musikpreis der Darmstädter Ferienkurse ausgezeichnet.

    In ihrem riesigen musikalischen Schaffen, das von einer Oper für Barbie-Puppen bis hin zum Duo für Harfe und Waffen reicht, finden sich auch die Traumtagebücher von Violetta Mahon. Inspirationsquelle für diese Dream Diaries für Ensemble, Szene, Zuspielband und Video waren die von André Breton in seinem berühmten Manifest des Surrealismus angestellten Traum-Reflexionen. In die Traumwelten ihres Alter Egos ist Walshe nun hineingetaucht und macht sie hör- und sichtbar.

    In nahezu vollständiges Dunkel gehüllt, pulsieren vom Podium aus immer wieder geheimnisvolle Klanggesten in die Stille hinein. Lautlose Videoprojektionen von rituell anmuten-den Aktionen werden von einem merkwürdigen Geklicker und Geklacker kommentiert. Ein Pianist kämpft mit sich und sei-nem Instrument; aus einem Soundgebräu flackert die Melodie Amazing Grace hervor. Und während zwischendurch geheimnis-volle Pflanzengebilde zu sehen sind, die Violetta Mahon laut ihres von Walshe kuratierten Werkkatalogs fotografiert haben soll, erwacht zum Schluss, nach einer dreistimmigen Litanei, das verspielte Kind im Manne. Mit Logik geht hier nichts zu. Wie soll es auch – schließlich hat Violetta Mahon ihre Traum-tagebücher ja zudem noch in zwei unterschiedlichen Alphabe-ten notiert: in dem von den Mormonen entwickelten »Desert- Alphabet« sowie im musikalischen Alphabet »Solresol«. Wer da nicht mitkommt, ist absolut auf der richtigen Fährte.

    »Als ich Ende der 90er Jahre in Chicago studierte, zeichnete meine Mutter zu Hause Ge- räusche auf einem Diktier- gerät auf und schickte mir die Kassetten per Post. Beim Aufnehmen erklärte sie die Geräusche parallel: ›Das ist der Pinsel, der gegen den Gasbehälter schlägt … und das ist der Hund von nebenan‹. Dies sind wahrscheinlich die Klänge, die mir am meisten am Herzen liegen.«

    – Jennifer Walshe

    Kunst von Violetta Mahon

  • Francesco Filidei

    NACHTIGALL LIEBT KARPFEN

    Francesco Filidei: L’Opera (forse)

    Zunächst eine Vorwarnung: Diese etwas andere, aber herzzerreißende Kammer oper ist nichts für Vegetarier. Gegen Ende passiert es nämlich, das große Dinieren und Verspeisen der beiden Protagonisten. Bis dahin aber dürfte sich niemand dem Charme, Witz und Humor entziehen können, mit dem Fran-cesco Filideis Ein-Akter L‘Opera (forse) auf das kulinarische Finale zusteuert.

    Dass ein zeitgenössischer Komponist vom Rang dieses Italieners sich auch auf das burlesk-unterhaltsame Fach versteht, ist nicht unbedingt selbstver-ständlich. Schließlich gelten solche führenden Neue-Musik-Köpfe oftmals als allzu verkopft. Doch der aus Pisa stammende Filidei ist anders, zumal in sei-ner Musikerbrust schon seit jeher verschiedene Herzen aktiv sind.

    Als Organist etwa, der vom legendären Franzosen Jean Guillou ausgebildet wurde, schlägt Filidei ganz selbstverständlich den Bogen von der Renaissance bis zu komplexesten Partituren, die namhafte Kollegen für ihn schreiben. Und

    DIE MU S IK

  • als Komponist, der bei Salvatore Sciarrino studierte, sind für Filidei Epochen- und Gattungsgrenzen ebenfalls irrelevant. Am besten zeigt dies ein Blick auf sein breites und originelles Œuvre. So schrieb Filidei etwa eine Oper über den Astronomen und Ketzer Giordano Bruno; im Orchesterwerk Killing Bach dage-gen kommen Klangerzeuger wie Elektroschocker, Spraydosen und Vogel pfeifen zum Einsatz. Und mit einer ganzen Batterie solcher Vogelpfeifen legte sich Fili-dei in seiner Humoreske über den leidenschaftlichen Jäger Giacomo Puccini musikalisch auf die Lauer.

    Francesco Filidei probt mit dem Ensemble Ascolta

  • All die Lerchen und Enten, Eulen und Haselhühner, Turteltäubchen und sogar Teichrallen lassen jetzt ebenfalls wieder von sich hören – in Filideis L’Opera (forse). Dass der Komponist auch hier keine Oper von der Stange geschrieben hat, unterstreicht allein schon der in Klammern gesetzte Titelzusatz »forse« (vielleicht). In der Besetzung zum Beispiel gehorcht dieses Musiktheaterstück überhaupt nicht den Konventionen: Das Ensemble besteht aus einem Sprecher und sechs Spielern. In der kommenden halben Stunde wird also nicht gesun-gen; zumindest nicht in der üblichen Form.

    In insgesamt acht Skizzen beziehungsweise Kapitelchen erzählt L’Opera von der schicksalhaften Liebe zwischen einer Nachtigall und einem Karpfen, die auf einer Textvorlage des zeitgenössischen französischen Schriftstellers Pierre Senges basiert. Und kaum hat der Sprecher seine Überlegungen, ob er nicht besser mit tiefschürfenden Gedanken aus der Feder Machiavellis oder Novalis’ beginnen solle, wieder verworfen, erklingt auch schon – wie es sich für eine Oper gehört – eine Ouvertüre. Wild krächzt es da durcheinander aus sechs sogenannten Krähen-Pfeifen, mit denen die Instrumentalisten in die freie Natur ausbrechen. Daraufhin wird die männliche Haubennachtigall namens Battibecco vorgestellt, die sich über beide Flügelspitzen in das Karpfenweib-chen Abboccata verliebt.

    Wie aber macht nun ein Vogel einem Fisch eine Liebes erklärung? Und wie mag sich wohl im schalldichten Element Wasser die Liebesarie eines Karpfens anhören? Um das zu illustrieren, ziehen die sechs Spieler pantomimisch alle Register. Ein poetischer Moment ist etwa, wenn zu den wundersam sphärischen Klängen einer Glasharfe ein Ensemblemitglied nur lautlos den Mund auf- und zureißt, statt vernehmbare Liebesschwüre zu artikulieren. Irgendwie klappt es aber letztendlich doch mit dem Werben: Battibecco und Abboccata finden in einem sich furios steigernden Liebestaumeltanz zueinander.

    Wie viele der schönsten Lovestorys hängt aber auch diese an einem gefähr-lich seidenden Faden. Tatsächlich erleiden die beiden Liebenden ein tragi-sches Schicksal durch die Angelschnur des Fischers und die Flinte des Jägers. Immerhin erweist Filidei ihnen einen würdigen Abschied mit einem innigen Requiem. Das wahrhaft Versöhnliche am Schicksal der Protagonisten aber ist, dass Battibecco und Abboccata nun in alle Ewigkeit vereint sind. In der Brat-pfanne.

    GUIDO FISCHER

    DIE MU S IK

  • 1.

    Wie Machiavelli sagte …Letzten Endes, nein, nicht Machiavelli: nicht jetzt, nicht heute, ein anderes Mal.

    Wie sagte Friedrich Leopold Freiherr von Hardenberg, sagt Novalis. Nein, mit Novalis geht es auch nicht.

    Ich würde es gern mit William Shakespeare versuchen, aber habe den Eindruck, das Problem liegt woanders: Lassen wir das »wie sagte schon Karl Maier« beiseite. Sie werden eine Liebesgeschichte hören, alles in allem: eine Geschichte über Liebe, Vögel und Fische, in einer Landschaft voll kleiner Zweige und frischer Algen. Was würde Machiavelli tun zwischen einem Vogel und einem Fisch?

    Stellen sie sich vielmehr einen kleinen Fluss vor, den Himmel, den tiefen Wald, alles, was man in einem dieser Wälder findet, verstehen Sie, was ich meine? Pilze, Nacktschnecken, Eichhörnchen, Wanderungen, was noch? Blätter, das heißt mehrere Blätter, in mehreren Schichten. Pilze – das sagte ich bereits.

    Und nun, spitzen Sie die Ohren, hören Sie unsere Liebesgeschichte. Sie beginnt – was wäre natürlicher? – mit einer Ouvertüre: Die Ouvertüre der Krähe.

    FRANCESCO FILIDEIL’Opera (forse)nach einem Text von Pierre Senges (*1968) / Übersetzung: Markus Merz Abdruck mit freundlicher Genehmigung von RAI Com, vertreten durch Alkor-Edition Kassel

    2.

    Diese Liebesgeschichte wird traurig sein, sie wird herzzerreißend sein, aber ich ver- spreche Ihnen, es wird Gezwitscher geben – ich könnte Ihnen sogar sagen, wie viel.

    Haben Sie die Krähe gehört? Gut – und Sie werden, wenn Sie sie hören, den Gesang des Kuckucks, der pfeifenden Amsel und den Ge sang des Ochsenfroschs erkennen. Aber darüber sprechen wir später.

    Später, weil dann erscheint der Vogel. Ein Vogel, das ist poetisch, es ist musikalisch, man kann nicht das Gegenteil behaupten: alle Vögel, außer vielleicht das Huhn und vielleicht der Strauß und vielleicht der Emu – wenn der Emu überhaupt ein Vogel ist.

    Der Vogel heißt Battibecco, er ist eine Nachtigall, eine Haubennachtigall, aber es ist ein Männchen, behalten Sie das gut im Hinterkopf: die Haubennachtigall in ihrer männlichen Version. Jedes Mal, wenn ich sage »die Nachtigall«, dann müssen Sie denken »der junge Mann«.

    Battibecco ist verliebt, schauen Sie, wie er bebt, wie er zittert, auf ein Zeichen lauernd. Die Liebe macht ihn entzückend idiotisch, nur ein kleiner Tropfen – und er erklärt seine Liebe einem Fisch.

    GESANGSTEXT

  • 3.

    Diejenigen unter Ihnen, die schon einmal, nur einmal in einen Fisch verliebt waren, werden für den Inhalt dieser Geschichte empfänglich sein. Ich weiß, wovon ich spreche.

    Der Vogel kam gerade angeflattert. Nun kommt der Fisch angeschwommen: Er glänzt auf beiden Seiten, der Rand seiner Kiemen ist von einem schönen Rosa, welches sich von der Blässe seines Gesichtes abhebt. Im Allgemeinen vernachlässigt man zu sehr die verführerische Kraft eines Kiemens, wenn dieser rosa ist.

    Zu ganz nützlichen Zwecken öffnen und schließen sich die Kiemen mit Hilfe einesKiemendeckels.

    Unser Fisch ist ein Karpfen, um genauer zu sein, ein Karpfen mit einem dicken Kopf. Er trägt den Namen Abboccata, da es sich um ein Weibchen handelt: Jedes Mal, wenn ich »der Karpfen mit dem dicken Kopf« sagen werde, müssen Sie verstehen »die junge Dame«.

    Abboccata ist verliebt, jede ihrer Schuppen trägt das Zeichen der Leidenschaft, als wären es die mit einem glühenden Eisen eingebrann-ten Buchstaben des Namens ihres Geliebten. Ich übertreibe ein wenig, damit Sie verstehen. Und ihre Leidenschaft adressiert sie Blase für Blase an ihren Vogel Battimbecco.

    FRANCESCO FILIDEIL’Opera (forse)nach einem Text von Pierre Senges (*1968) / Übersetzung: Markus Merz Abdruck mit freundlicher Genehmigung von RAI Com, vertreten durch Alkor-Edition Kassel

    4.

    Der Regenbogen, das Blattwerk, die Wassertröpfchen: Hier sind wir im Herzen des Themas, hier ist die Liebe präsent, zwischen dem von Vögeln bevölkerten Wald und dem mit dickköpfigen Karpfen gefüllten Fluss. Und die Liebe wird harmonisch sein, sie wird die Hochzeit der Federn und Flossen sein, sie wird den Gesang der Sirenen in den Rang des Quietschens einer Feder abschieben. Fragen Sie mich nicht, wie oder durch welches Wunder, aber Abboccata, der Karpfen, welcher eine junge Frau ist, wie wir wissen, bietet seine Lippen Battibecco an, der Nachtigall, welche ein junger Mann ist, wir haben es gesagt, und sie hat einen so feinen Schnabel, dass sie den Mund Abboc-catas kosten kann, ohne ihn zu zerbrechen.

    Im Augenblick danach ist es an Battibecco, seinen Schnabel der verliebten Abboccata anzubieten, welche so weiche Lippen und ein so weiches Gewissen hat und wenn nötig, den Schnabel eines Vogels mit einem weichen Wattwurm zu vertauschen weiß.

    Sie werden entdecken, wie ein Fisch spritzt, wenn er sich in einen Vogel verliebt – und umgekehrt. Sie werden die Zahl der Ehe-schließungen hören. In einer Tierdokumenta-tion würde man Ihnen nicht so viele zeigen.

  • 5.

    Die Hochzeitstänze sind sehr schön – aber Mutter Natur birgt ebenso viele Gefahren.

    Karl Marx hat uns erhabene Seiten über die Fischerei hinterlassen. Uns fehlt die Zeit, darüber zu sprechen, wir würden Stunden brauchen und der Fischer ist bereits unter-wegs: Der Fischer ist ein Frühaufsteher, das macht ihn manchmal enervierend.

    Der Fischer ist stolz darauf, Stiefel an den Füßen zu haben, die ihm bis zum Kinn reichen, sie verleihen ihm eine gummihafte Eleganz. In seinem Taschentuch hat er ein Bündel Regenwürmer, unter denen er den besten auswählt, als wäre es ein kleiner Ofen auf dem Cocktailtablett.

    Hier ist er schon am Flussufer, er trotzt dem Brombeergestrüpp, er betrachtet den Tagesanbruch über irgendwelchen Bergen, er schüttelt mit ausgestreckten Armen einen Halm, der dreimal höher ist als er.

    Er verliert dann Stunden in der Betrachtung einer Schnur, die in zwanzig Zentimeter tiefem Wasser eingetaucht ist.

    6.

    Der Jäger besitzt zwei Federn: Wir wissen zumindest, dass eine der beiden dazu dient, seinen Hut zu schmücken. Ansonsten erkennt man ihn schon von Weitem, nicht nur wegen der beiden Federn, die ihn schmücken, sondern dank seiner Tarn- kleidung. Durch seine Tarnkleidung auf sich aufmerksam zu machen, wenn man bedenkt, ist ein schönes Paradoxon. Aber der Jäger hat nicht die Zeit, an solche Albernheiten zu denken; er liegt schon auf der Lauer.

    Ah, es ist so bukolisch, die Nachtigall jagen zu gehen – wie soll ich sagen? Es ist ländlich und forstlich zugleich, und ein wenig herbst-lich, wenn Sie mir den Ausdruck gestatten. Vor Tagesanbruch aufstehen, auf herabge- fallenen Blättern laufen, Humus bis zu den Knien, ein Stück Kautabak zum Essen, die Meute in der Ferne hören, das Parfüm der Patronen einatmen, heben, senken, die Sicherheitsraste entfernen, zuletzt nach dem Leder seiner Schultertasche tasten.

    Um zum Ende zu kommen, füge ich an: Ein Jäger, der dieses Namens würdig ist, geht auch nicht ohne Fußwärmer und ohne Horn hinaus – Sie werden es selbst feststellen.

  • 7.

    In Gegenwart des Todes kann man mit offenem Mund dastehen. Genau dies tut Abboccata, der Fisch. Der Karpfen mit dem dicken Kopf hatte auch einen dicken Mund: Sie reißt den Mund weit auf, einen Haken an der Seite und lässt das Nichts hindurch, nichts weniger, in beide Richtungen.

    Angesichts ihres bevorstehenden Todes ziehen es manche vor, faltig zu werden: eine ehrenhafte Wahl, nicht wirklich mutig, aber ehrenhaft und, wenn bedenkt man’s, schreck-lich menschlich. Wir anderen, Lebendigen, die teils aus geringerem Grunde faltig werden, sollten die Wahl der Toten respektieren.

    Verkümmern ist genau das, was Battibecco tut, die Nachtigall, auf einem Haufen alter Blätter, ein Blei in der Brust. Vor weniger als einer Minute war er ein Vogel, war er die Flüchtigkeit selbst; und jetzt schrumpft er zusammen, er sieht aus wie ein kleines Häufchen. Schade für ihn.

    8.

    Requiem

    Lombricum æternam dona eis, Piscator, Et aqua perpetua abluat eis. Te decet ludibrium pisces, et tu quoque avis, Et reddetur vaguletta sub ventusExaudi friturem nostram,Ad nos omnis condimenti convenietLombricum æternam dona eis, Venator, Et aqua perpetua abluat eis.

    Lacrimosa

    Lacrimosa dies illa, Lacrimosa crocodilisQua resurget ex laguna Voluptatus ucello reus Voluptatus pesco reus Huic ergo parce, Venator, Huic ergo parce, Piscator Acephalum bovem filii Dona eis semper pacem. Amen, amen, amen, amen, Amen, amen, et cætera.

    9. Nachtigall an Karpfen

    – Eine ausgewachsene Nachtigall– Ein Karpfen mit dickem Kopf ohne Kopf, vorzugsweise tot, aber das erklärt sich von selbst.– Ein Pfund Butter; manche verwenden zwei– Drei rasierte Suppenlöffel Mehl Verstehen Sie es so, dass die Löffel rasiert sein sollen, nicht das Mehl.– Salz, Pfeffer – unnötig, das zu erwähnen. Würzen je nach Geschmack oder nach Verfügbarkeit.

    Entfernen Sie das Blei aus der Nachtigall.Entfernen Sie auch den Haken. Rollen und braten Sie den Vogel und den Fisch jeweils im Mehl, anschließend in Butter. Salzen, mit dem Spatel vermischen; pfeffern, vermischen – immer mit demselben Spatel, immer. Wenn man die Nachtigall und den Karpfen geschmacklich nicht mehr unterscheiden kann, servieren. Dieses Gericht schmeckt aufgewärmt am folgenden Tag noch besser. Mit einem Vernaccia di San Gimignano vielleicht sogar am übernächsten Tag.

    GE S A NG S T E X T

  • ENSEMBLE ASCOLTA»Wer bisher nicht verstanden hat, was zeitgenössische Musik leisten kann, erlebte ein eindrucksvolles Beispiel«, schreibt die Westdeutsche Allgemeinen Zeitung über das Ensemble Ascolta. Seit seiner Gründung im Jahr 2003 hat es sich schnell einen Namen in der europäischen Neue-Musik-Landschaft gemacht – sowohl mit außergewöhnlichen Projekten als auch mit seiner spezi-ellen Besetzung und dem Schwerpunkt auf Blech- und Rhythmusinstrumenten.

    Über 250 Werke hat Ascolta bereits angeregt und uraufgeführt, darunter von Pierluigi Billone, Beat Furrer, Gordon Kampe, Isabel Mundry, Olga Neuwirth und Jennifer Walshe. Regelmäßig gastiert es bei großen internationalen Festi-vals für Neue Musik, unter anderem bei den Donaueschinger Musiktagen, den Wittener Tagen für neue Kammermusik, beim Lucerne Festival, Ultima Oslo, Ultraschall Berlin und Wien Modern, und folgte Konzerteinladungen etwa in die USA, nach Singapur und Israel.

    Szenische Konzertformate interessieren die sieben Musiker ebenso wie die Grenzgebiete zwischen neuer, alter und populärer Musik. In Zusammenarbeit mit Künstlerinnen und Künstlern aus den Bereichen Video, Performance und Multimedia entstanden Projekte wie Der absolute Film und Schatten (in Koope-ration mit ZDF/arte), Simon Steen-Andersens Inszenierte Nacht und die musik-thea tralische Produktion Vor dem Gesetz von Martin Smolka und Jiří Adámek.

    DIE KÜNSTLER

  • Dieses Jahr soll ein neues Werk der Siemens-Preisträgerin Rebecca Saunders für Ascolta und die So pranistin Juliet Fraser in Zusammenarbeit mit den Festivals in Witten, ’s Hertogen-bosch, Huddersfield, Genf und Warschau entstehen. Und für 2022 steht ein Projekt mit den Literatinnen Felicitas Hoppe und Anja Kampmann sowie Musik von Milica Djordjević und Iris ter Schiphorst in den Startlöchern, das bei den Schwetzinger SWR Festspielen, in der Philharmonie Luxemburg, in Innsbruck und Stuttgart zur Aufführung kommen wird, gefördert von der Kul-turstiftung des Bundes.

    Neben seinen überregionalen und internationalen Engage-ments pflegt das Ensemble Ascolta die Zusammenarbeit mit den Stuttgarter Institutionen Musik der Jahrhunderte, Akade-mie Schloss Solitude, der Internationalen Bachakademie, der Staatsoper und den Stuttgarten Neuen Vocalsolisten.

    Ascolta wird gefördert von der Landeshauptstadt Stuttgart und vom Land Baden-Württemberg.

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    JAZZ IMKLEINEN SAAL

    13.05.2020 MYRA MELFORD’S SNOWY EGRET23.05.2020 FLAT EARTH SOCIETY

    10.05.2020 LIEBMAN / BRECKER / COPLAND QUINTET09.05.2020 STEFANO BOLLANI22.03.2020 SYLVIE COURVOISIER TRIO

    19.06.2020 ANTHONY BRAXTON ZIM MUSIC

    Projektförderer

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  • HEIKKO DEUTSCHMANN SPRECHERNach der Schauspielausbildung an der Berliner Hochschule der Künste erhielt Heikko Deutschmann sein erstes Theater-engagement unter Peter Stein an der Berliner Schaubühne und spielte in der Folge unter Regiegrößen wie Robert Wilson, Jür-gen Flimm, Ruth Berghaus und Alexander Lang. Parallel dazu startete der vielseitige Schauspieler seine Film- und Fern-sehkarriere. Den Auftakt dazu machte 1985 der Film Walkman Blues in der Regie von Alfred Behrens. Es folgten zahlreiche Fernseh- und Kinoproduktionen wie die Literaturverfilmung Der Laden, die 1999 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde. Darüber hinaus übernahm Heikko Deutschmann Gast-rollen in diversen deutschen Krimireihen, darunter Der letzte Zeuge, Rosa Roth, Ein starkes Team und Tatort. Zu den jüngsten Produktionen zählen etwa die Märchenverfilmung Schlaraffen-land und Inga Lindströms Zurück ins Morgen.

    Seit einigen Jahren steht Heikko Deutschmann wieder häu-figer auf der Theaterbühne, unter anderem im Renaissance Theater Berlin und im Théâtre National du Luxembourg. Da -rüber hinaus war er in Das Blau in der Wand von Tankred Dorst bei den Ruhrfestspielen und am Düsseldorfer Schauspielhaus zu erleben. Erfolgreich ist er auch als Regisseur und als Spre-cher von Hör büchern, etwa für die Hörbuch-Edition der Zeit-schrift Brigitte. 2015 verwirklichte er den vielfach ausgezeich-neten Kurzfilm Noch ein Seufzer und es wird Nacht.

    DIE K ÜN S T L E R

  • 24.4.— 25.5.2020

    G L A U B E N

    Gefördert durch

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  • DECODER ENSEMBLE UNTERDECKWenn Ihnen der heutige Abend gefallen hat, dann kommen Sie nächsten Dienstag am besten gleich wieder. Im Sou terrain der Elbphilharmonie findet dann nämlich die nächste Aus-gabe der berühmt-berüchtigten Reihe »Unterdeck« statt. Gast - geber ist das Ensemble Decoder (Foto), eines der innovativsten und unberechen barsten Kollektive der internationalen Neue- Musik-Szene, dessen ganz eigene, energetische Klänge in Konzerthäusern ebenso begeistern wie in angesagten Clubs. Ihr Programm entführt diesmal in eine post-apokalyptische Zukunft voll absurder Schönheit und Gefahr. Als Gast reist eigens das Experimentalduo Popebama aus New York an.

    10. März 2020 | Decoder Ensemble

    Es ist nicht gestattet, während des Konzerts zu filmen oder zu fotografieren.

    IMPRESSUMHerausgeber: HamburgMusik gGmbHGeschäftsführung: Christoph Lieben-Seutter (Generalintendant), Jochen MargedantRedaktion: Clemens Matuschek, Simon Chlosta, François Kremer, Laura EtspülerLektorat: Reinhard HellingGestaltung: breeder typo – alatur, musialczyk, reitemeyerDruck: Flyer-Druck.deGedruckt auf FSC-zertifiziertem Papier

    Anzeigen: Antje Sievert, +49 40 450 698 03, [email protected]

    BILDNACHWEISElena Mendoza (Guillermo Mendo); Jennifer Walshe (unbezeichnet); Kunst von Violetta Mahon (Jennifer Walshe); Francesco Filidei (Instituto Italiano di Cultura Stoccarda); Probe Francesco Filidei / Ensemble Ascolta (Ensemble Ascolta); Ensemble Ascolta (Klaus Steffes-Holländer); Heikko Deutschmann (Stefan Klüter); Decoder Ensemble (Richard Stöehr / Lorin Strohm)

    TIPP

    https://www.elbphilharmonie.de/de/programm/decoder-ensemble/12924https://www.elbphilharmonie.de/de/programm/decoder-ensemble/12924

  • WIR DANKEN UNSEREN PARTNERN

    FÖRDERSTIFTUNGENKühne-StiftungKörber-StiftungHans-Otto und Engelke Schümann StiftungHaspa Musik StiftungHubertus Wald StiftungG. u. L. Powalla Bunny’s StiftungCommerzbank-StiftungCyril & Jutta A. Palmer StiftungMara & Holger Cassens StiftungProgramm Kreatives Europa der Europäischen Union

    Stiftung Elbphilharmonie

    Freundeskreis Elbphilharmonie + Laeiszhalle e.V.

    PRODUCT SPONSORSCoca-ColaHaweskoLavazzaMeßmerRicolaRuinartStörtebeker

    CLASSIC SPONSORSAurubisBankhaus BerenbergCommerzbank AGDZ HYPEdekabankGALENpharmaGossler, Gobert & Wolters GruppeHamburg Commercial BankHamburger FeuerkasseHamburger SparkasseHamburger VolksbankHanseMerkurJyske Bank A/SKRAVAG-VersicherungenWall GmbHM.M.Warburg & CO

    ELBPHILHARMONIE CIRCLE

    PRINCIPAL SPONSORSBMWMontblancSAPJulius BärDeutsche Telekom

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    Es ist das Besondere, das Wellen schlägt.

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