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    ENTFESSELTANARCHISTBLACKCROSSINFO

    vonABCBerlinundABCOrkan

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    narchist Black Cross Berlin und Anarchist Black Cross Orkan sind anarchistischeusammenschlsse von Individuen, welche sich seit einigen Jahren zusammengefunden habend von einem gemeinsamen Hass gegen diese kapitalistische Gesellschaft und deren Formen desegsperrens geprgt sind. Unser Schwerpunkt liegt primr in der Untersttzung anarchistischerd sozialer Gefangener, tendenziell von allen Gefangenen die sich gegen diese Gesellschaft der

    usbeutung und Vereinzelung wehren und ihren Kampf mit emanzipatorischen Inhalten fllen.erdings wollen wir weder eine reine Gefangenen-Untersttzungs-Gruppe sein, noch eine die

    ch nur mit politischen Gefangenen beschftigt, weil wir generell alle Knste, Abschiebeknsted jegliche Zwangsanstalten ablehnen: sie sind keine Lsung fr soziale Konflikte, welche ausr aktuellen Organisierung der Gesellschaft entstehen. Auf Grund dessen ist es uns wichtig

    ntiknastarbeit zu machen, um zu verdeutlichen, wieso Zwangsanstalten besser Baulcken seinllten.

    urch die Herausgabe eines monatlichen kleinen Heftes (das Entfesselt), in Form von Flyernd Broschren, die Organisierung von Aktionen wie Kundgebungen und Demos vor Knsten,n Infoveranstaltungen zum Thema Knastkritik und ber Gefangene usw., versuchen wir in derene und im Rest der Gesellschaft bestimmte Diskussionen zu provozieren oder weiter zu fhren.r versuchen auch Antirepressionsarbeit in einen Kontext zu setzen indem es darum geht, dassnicht nur wenn ein 129a gegen uns angewendet wird es wichtig ist Antirepressionsarbeitmachen, sondern das dies immer in Verbindung mit der Infragestellung des gesamten

    nastsystems gesetzt werden muss.

    e Abschaffung aller Zwangsanstalten sehen wir nur mglich innerhalb eines Prozesses, welchere gesamten aktuellen Zustnde umwirft.

    r eine Gesellschaft ohne Knste!

    as Entfesselt ist ein zweimonatlich erscheinendes Infoblatt der Anarchist Black Crossuppen ABC Berlin und ABC Orkan. Wir wollen damit eine Kommunikation zwischen drinnend drauen ermglichen, indem wir Texte und Briefe von Gefangenen, Artikel ber

    efangenenkmpfe und solidarischen Aktionen und verschiedenes mehr abdrucken. Auerdemht es uns darum den Antiknastgedanken zu verbreiten, verknpft mit einer anarchistischenrspektive, denn die Abschaffung von Knsten und Zwangsanstalten kann nur ein Teil auf demeg zur Befreiung von Ausbeutung und Unterdrckung darstellen.

    enn Ihr Texte, Kommentare, Bilder habt oder uns auf die Art und Weise, die Euch gerade mglich, untersttzen wollt, meldet Euch bei uns.

    enn das Entfesselt bei euch nicht ausliegen, schreibt uns und wir schicken euch so vieleemplare wie ihr haben wollt. Wenn Ihr eigene Mglichkeiten der Vervielfltigung habt,nnen wir euch auch Druckvorlagen usw. schicken. ber Spenden freuen wir uns immer, dae Portokosten auch irgendwie gedenkt werden mssen. Als pdf-Datei ist das Entfesselt auf deromepage von ABC Berlin verfgbar: www.abc-berlin.net

    eiheit fr alle Gefangenen! Fr den Anarchismus!

    gentumsvorbehalt: Diese Druckschrift ist solange Eigentum des Absenders/der Absenderin,s sie dem/der Gefangenen persnlich ausgehndigt worden ist. Zur-Habe-Nahme ist keinersnliche Aushndigung im Sinne dieses Vorbehaltes. Wird die Druckschrift dem/der Gefangenencht ausgehndigt, ist sie dem Absender/der Absenderin mit dem Grund der Nichtaushndigungrckzusenden.

    i.S.d.P.: Aus. Bruch,Hubschrauberlandeplatz 1a, Athen

    Vorwort 4Unruhe in den italienischen Gefngnissen - ein Sommer des Widerstands 6

    Mit dem Hubschrauber aus dem Knast 8Drei Ausbrche in Belgien in 12 Tagen 9

    Experimente fr den weiteren Ausbau der sozialen Kontrolle: Beispiel LAquila 10Texte von Thomas Meyer-Falk 12

    Zum Hungerstreik von Thodoris Iliopoulos 17Bewegung in den Knsten in Deutschland 18

    Aufstand in Berliner Jugendknast 18Solidaritt mit Gefangenen der JVA Hannover 19

    Im Knast seit den Action Weeks in Berlin 20Redebeitrag zur Demo in Solidaritt mit Dennis und allen Opfern von Polizeigewalt 21

    Justizskandal in Berlin 21

    Dokumentation direkter Aktionen gegen Staat und Knast 22

    Hftlingsrevolte und Jugendrandale in Brssel 26

    Festival gegen den Jugendknast in Wuppertal 27Jugendknast und kein Ende 27

    Rovereto Carabinieri sind Mrder Blockaden 28Zu den Festnahmen wegen Hakenkrallen in Italien 29

    Zu den Beschuldigten von Chambry 29Erneuter Einschchterungsversuch von UntersttzerInnen von Freddy und Marcelo 30

    Ich will selbst die Kontrolle ber mich und mein Leben haben - Eindrcke 31Der anarchistische Genosse Joaquin Garces ist wieder frei 33

    Repression in Chile nach dem Tod von Mauri 34Serbische AnarchosyndikalistInnen verhaftet 35

    Kurze Texte 36Nichts vergeben, nichts vergessen ... BRD ./. RZ: Nach 30 Jahren droht Auslieferung 38

    Schmerz- und andere Grenzen. 40Ein Brief von Werner Bruner zu unserem letzten Vorwort 41,,*Hrt auf zu heulen, es hat gerade erst angefangen... 42

    Solidaritt mit den Gefangenen! 44Gegen die Mauern! 45

    Italien: Ein Kinnhaken 46

    Anarchistische Gefangene zur Zwangsarbeit verurteilt fr ein Stck Seitan... 47Gefangenenliste 48

    A corps perdu: int. anarchistische Zeitschrift 50Radiosendung Knast und Justiz 50

    Termine 51

    Inhalt

    KontaktadressenABC OrkanInfoladen

    Hansastrasse 4824118 Kiel

    [email protected]

    ABC Berlinc/o M99

    Manteuffelstrasse 9910997 Berlin

    [email protected]

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    ch ein heier Sommer ist vergangen, die Zeit vergehtr schnell. Gerade wenn mensch diese innerhalb der mit-rweile natrlichen Extension des Knastes, und zwar derpitalistischen Gesellschaft, die mehr und mehr den Cha-kter eines sozialen Knastes annimmt, wo die Knste unde Institutionen der Einsperrung nur ihre brutalste Erschei-ng sind, verbringen muss.ders geht es sicherlich den Menschen, die den Sommerter den weniger metaphorischen Gittern verbringen

    ssen und der zustzlichen Folter zum Beispiel der Som-erhitze unterworfen werden.

    oder so hat auch dieser Sommer viele wertvolle Ereig-se geboten, die es zeigen, dass die aktive Verachtungr kapitalistischen Gegenwart nie in den Urlaub geht.m Beispiel, seit der letzten Ausgabe der Entfesselt do-mentieren wir Aktionen die einen klaren Bezug auf Staatd Kapital, aber vor allem auf soziale Kontrolle und dasastsystem, nehmen. Dies machen wir zum einen um zugen, da jenseits von rhetorischen Diskursen und einervon Solidaritt, die sich auf den sogenannten karitati-

    n Aspekt begrenzt (und leider oftmals als sehr bewusstetscheidung), die Institution Knast und all seine Profiteu-

    nen angreifbar bleiben. Das scheint in einigen wtendenpfen sehr klar zu sein, wie die hier enthaltene Dokumen-ion zeigt. Die Erklrungen entnehmen wir der Websiteectactionde.blospot.com, da wir aber als Hauptkommuni-tionsform immer noch das gedruckte Papier bevorzugen,ben wir diesen hier einen Platz. Und das gerade vor allemch, weil viele unserer LeserInnen keinen Internetzugangben, aufgrund ihrer Einsperrung.eil solche Aktionen des Angriffs zumeist von den Medi-

    totgeschwiegen werden, auch um zu vertuschen, dassderstand stattfindet und wahrscheinlich auch um einegliche Verbreitung dessen zu unterbinden (oder wie sienennen - Nachahmungseffekt), sind wir uns sicher, dassmeisten Gefangenen von gewissen Sachen nichts mitbe-

    mmen. Uns ist dennoch wichtig sie auf dem Laufenden zuten, nicht nur im Bezug auf stattfindende Diskussionen,

    ndern auch was diese als praktische Entwicklungen oft-ls mit sich fhren und um zu zeigen, dass es nicht immerl und ruhig um das Thema Knast und soziale Kontrolleibt. Gerade nachdem wir in der letzten Entfesselt denikel ein Blick ber die Situation verffentlicht hatten,r von einer Chronologie der Aktionen des Widerstandes inutschland begleitet wurde, die wir aber nicht hinzugefgttten. Falls Gefangene die Chronologie geschickt bekom-en mchten, entnommen von erwhnter Website, knnense sich bei uns melden und wir werden uns bemhen sieverschicken.

    en heien Sommer gab es vor allem in Italien, wo ver-hiedene Revolten und Protestaktionen in den Knsten desnzen Landes stattfanden: einen Artikel gibt es dazu, umser verschwiegenen Revolte eine Stimme zu verleihen.gab auch verschiedene Ausbrche und Revolten inner-b italienischer Abschiebeknste, nun in Zentren fr

    entifizierung und Abschiebung umbenannt. Durch einengen Kontakt mit anarchistischen GenossInnen, die in ver-hiedenen Stdten ihre Telefonnummern den MigrantInnenkommen lieen, konnte ein wichtiger Kommunikations-nal erffnet werden, welcher, als es notwendig wurde,olgreich anwendet werden konnte: als es Revolten gaber die Eingesperrten misshandelt wurden, konnte diesort bekannt gemacht und solidarische Aktionen unter-mmen werden.s Schweigen um diese Lager wurde gebrochen und dieofiteurInnen dessen, wie etwa das italienische Rote Kreuz,

    sie verwaltet, wurden benannt und aus ihrer Anonymi-gerissen. Sicherlich ist trotzdem anzumerken, dass die

    Radikalitt mit der sich die Ablehnung solcher Zentren ma-nifestiert, keinen Ausgleich drauen finden konnte, wo sichwenige Leute dafr interessieren, was drinnen abgeht undsich nur wenige aktiv fr ihre Zerstrung einsetzen. Aberdie Anstze sind erstmal da und darauf kann aufgebautwerden. Auch wenn hier kein spezieller Artikel ber dieseEreignisse verfasst wurde, wollen wir nochmals betonen,dass sich unser Kampf nicht nur gegen das Knastsystemrichtet, sondern gegen alle Institutionen der Einsperrungund schlussendlich gegen Staat und Kapital. Deshalb kn-nen wir die praktische Umsetzung solcher Solidaritt sei-tens einiger Unbekannter nur begren, die im August zweiAbschiebelagern (ein ehemaliges und eines im Bau) in denNiederlanden und Deutschland die Flammen schenkten.

    Und nochmal eine Anmerkung: wir wollen keine Spezialis-tInnen auf bestimmten Themenfeldern sein und strebennach einem Kampf ums Ganze, wovon der Knast nur ein Teildessen ist, auch wenn einer der brutalsten. Wir lehnen sol-che Spezialisierungen ab und wnschen, dass alle Gruppenund Individuen, die tglich die kapitalistischen Beziehungenangreifen, auf so etwas achten, denn wir sind uns selber be-

    wusst, wie ein solches Risiko immer hinter der Tr steckt.Wir verfolgen die Entwicklungen in Chile nach dem Tod desGenossen Mauricio Morales weiter, der eine Welle der Re-pression auslste, aber auch die Wut der GenossInnen nichtunterbunden hat. Es befindet sich gerade ein Genosse aufder Flucht, seinen Brief aus dem Untergrund knnt ihr aufdiesen Seiten lesen.Es gibt mittlerweile auch einen Film, Bienvenida Democra-cia (Willkommen Demokratie), der in Chile gedreht wurdeund sich mit der Situation der Gefangenen, sowie der So-lidarittsbewegung, auseinandersetzt. Der Genosse Marce-lo Villaroel, gerade in Argentinien gefangenen gehalten, isteine der Hauptfiguren darin und stellt selbst die Situationdar (er befand sich damals auf freiem Fu). Der Film, aufspanisch mit deutschen Untertiteln, wird bald in unseremDistro zu finden seien.

    Ein paar Worte mchten wir auch ber die Entwicklungender Repression ganz speziell in Berlin verlieren. Zuallererstfreuen wir uns euch mitteilen zu knnen, dass Christian S.,antifaschistischer Gefangener aus Berlin, der die letztenpaar Jahre aufgrund seines Engagements eingesperrt warund unzhligen Schikanen unterworfen wurde, im Augustentlassen wurde. Er htte bis November diesen Jahres sit-zen mssen, hatte aber die Bedingungen fr seine frhzei-tige Entlassung gefllt und blieb aber weiter drinnen auf-grund des Willens der Staatsanwaltschaft. Nun ist er raus,

    die Reststrafe von drei Monaten wurde ausgesetzt auf dreiJahre Bewhrung. Wir begren ihn ausdrcklich und wn-schen ihm eine gute Wiedereingliederung in den Widerstandhier drauen.

    Seit einigen Monaten befinden sich zwei jngere GenossIn-nen, Alex und Christoph, in Berliner Knsten, beschuldigtLuxusautos angesteckt zu haben. Ihre Einsperrung folgt ei-ner Hetzkampagne der Presse und der PolitikerInnen, diedie unaufhaltsamen Brandstiftungen an Autos, seien siehochwertig oder von irgendwelchen Firmen, die die kapi-talistischen Verhltnisse vorantreiben, seit drei Jahren denAlltag Berlins begleitet.In diesem Jahr gab es um die 210 Brandstiftungen bis jetzt,was den Zorn der Autoritten verursacht, gerade weil sienie fhig gewesen sind, Leute dafr einzusperren bzw. zuverurteilen. Darber freuen wir uns sehr bzw. freuten wiruns bis es zu den Festnahmen kam. Nun zeigt sich deutlichwie ein Staat reagiert, wenn er gewisse Angriffe nicht mehr

    unter Kontrolle bekommt oder unterbinden kann: um Leutezu verhaften und im Knast festzuhalten werden alle soge-nannten Regeln der Demokratie temporr aufgehoben imNamen der Sicherheit. Alex und Christoph sitzen in Unter-suchungshaft mit einer Beweislage gleich Null, sie werdenals Sndenbcke behalten, aber vor allem als Mahnung frdiejenigen, die solche Angriffe unternehmen (knnten). Wirglaubten nicht an Sachen wie faire Verfahren, Justiz undhnliches, die Begriffe Schuld und Unschuld befinden sichauch nicht in unserem Wrterbuch. Und egal welche kapi-talistische Demokratie regiert, sie wird nie fair zu ihrenAngreiferInnen sein, dies sollte allen bewusst sein.Trotzdem beobachten wir gerade einen grundstzlichenWechsel in der repressiven Politik dieser Stadt und mchtendies benennen, ohne dabei rumheulen zu mssen - knowyour enemy und handelt dementsprechend.Frher war es auch nicht besser und wir mssen uns so-gar auf schlimmere Zeiten einstellen, denn wenn der Kampflangsam zunimmt (was in den letzten Jahren der Fall ist),folgt die Repression gleich nach.Deshalb hoffen auch wir, dass sich all diejenigen, die han-deln sich dies bewusst sind oder werden, ohne deshalb ihreHandlungen einzustellen.Die Verfahren gegen die Gefangenen des 1. Mai gehen auchweiter und die StaatsanwltInnen knnen mal wieder ihre

    Frustration rauslassen und viele erhebliche Strafen anhn-gen. Gerade laufen auch die ersten Anhrungen gegen zweider vier Menschen, die wegen versuchten Mordes angeklagtsind (aufgrund einiger Molotowcocktailwrfe am 1. Mai inBerlin), mit den Urteilen wird im Oktober gerechnet. DieJustiz mchte auch in diesem Fall einen Einschchterungs-versuch gegen alle potenziellen KrawallmacherInnen un-ternehmen, wie sich schon an dem krassen Vorwurf zeigt,denn dass ein/e massivst ausgerstete/r PolizistIn wegenein paar Mollies abkratzt glaub keine/r.Fakt ist, dass sich mal wieder der Ab- und Nachlauf des 1.Mai besttigt hat: viele Menschen wurden verhaftet, meis-tens haben sie mit der Bewegung nicht viel zu tun und oft-mals waren sie alkoholisiert, die meisten von ihnen wollenauch keine Solidaritt erhalten, weil es ihre Situation in Ge-fahr bringen knnte, sowieso gibt es relativ wenig Solida-ritt von drauen im allgemeinen und dazu exemplarischeStrafen seitens der Justiz.Trotzdessen mchten wir auch die kraftvollen und ent-schlossenen Demonstrationen und Auseinandersetzungendieses Jahres nicht kleinreden, denn sie waren wichtig undnotwendig und stellten endlich eine andere Situation dar,jenseits von besoffenen myfest-Randalierern und prgeln-den Bullen.Ob nchstes Jahr die Musik eine andere sein wird und das1. Mai-Ritual gebrochen werden kann, ohne dabei die legi-timen Ausdrcke unseres Zorns an diesem Tag einstellen zu

    mssen, wird sich zeigen, wir sind gespannt.Zu erwhnen ist auch die Verhaftung eines ehemaligen Mit-glieds der RAF, Verena Becker, diese wurde am 27. Augustaufgrund ihrer angeblichen Beteiligung an der Erschieungvon Buback vollzogen. Whrend wir weder fr Buback nochfr Verena Trnen zu verlieren haben (denn sie hat einigeJahre lang mit dem Verfassungsschutz kooperiert), mch-ten wir allen Leuten nochmals die Tatsache bewusst ma-chen, dass der Staat Aktionen des Widerstandes nie ver-gisst und auch 30 Jahre spter immer noch versucht dafrEinzusperren (wie auch die verschiedenen Verfahren gegendie Revolutionren Zellen zeigen). Der Staat hat ein lan-ges Gedchtnis, wie die Elefanten, deshalb gilt wie immer:sauber arbeiten und nie denken, dass nach der Aktion allesvorbei wre! Lasst euch nicht erwischen.

    In dieser Ausgabe der Entfesselt befindet sich auch ein ln-gerer Artikel, der uns zugeschickt wurde und den Wunsch

    uert eine Diskussion ber Solidaritt anzuregen. Als wirden Text gelesen haben, waren unsere ersten Gedanken,dass er einige Bauchschmerzen bei vielen verursachenknnte. Gerade deshalb finden wir den Text gut, weil erohne falschen Bedarf an Harmonie einige Sachen direktausspricht, auch wenn diese vielleicht vielen als ungemt-lich gelten oder sogar als unsolidarische Angriffe usw. ange-sehen werden. Wir haben schon oft gesagt, dass wir solcheDiskussionen nur begren knnen, weil Kritik das Salz un-seres Kampfes bleibt und nur Harmonie ist auch langweilig.Wir mchten fr diese Diskussion auch hier in der EntfesseltPlatz anbieten und bemhen uns um einen Antworttext frdie nchste Ausgabe. Hoffentlich bleibt die Debatte sachlichund solidarisch und hilft uns in unseren theoretischen sowiepraktischen Anstzen, was Solidaritt betrifft, weiter. Dennder Bedarf ist gro...

    Wir erhielten auch Texte, die unsere Positionen gegenberdem in Sehnde sitzenden Gefangenen Dirk Dettmar kriti-sieren: einmal ein Brief von Werner Bruner, inhaftiert inSehnde, und ein lngerer Text von den GenossInnen der akantirepression aus Hannover. Auf verschiedene Art und Wei-se werden wir dafr kritisiert, dass wir in der letzten Ausga-be der Entfesselt geschrieben haben, warum wir Texte vonDirk nicht weiter verffentlichen werden und ihm jegliche

    Untersttzung entziehen, aufgrund der Tatsache, dass erGeld an eine Polizeistiftung spendet bzw. gespendet hat,was wir als AnarchistInnen als unverteidigbar betrachten.Die Kritiken bewegen sich darber hinaus und werfen ande-re kritische Fragen auf, was Antiknastarbeit, Solidaritt undKampf gegen die Gegenwart angeht.Beide Texte formulieren Kritiken, die von unserer Seite eineAntwort bentigen, die sich weder in diesem Vorwort, nochin einem auf die Schnelle geschriebenen Text (wie etwa un-sere paar Worte ber Dirk letztens) zusammenfassen lsst.Deshalb werden wir unsere Antwort in der nchsten Ausga-be verffentlichen. Dass wir aber auf alle Flle eine solcheDebatte spannend finden, knnen wir schon jetzt sagen.Aber wie gesagt, erstmal verschoben.

    Demnchst stehen einige interessante Termine auf derAgenda: erstmal Ende des Monats in Kln, wo wir unsereSolidaritt mit den Weggefhrten Gabriel und Jos, sowieallen anderen kmpfenden Gefangenen, auf die Strae tra-gen werden und die Zeit auch nutzen werden, um Diskussi-onen ber das Knastsystem und die mglichen Wege seinerBekmpfung zu veranstalten. Einer der nchsten Termine istdann Ende Oktober in England, wo ein zweitgiges Treffenstattfindet wird, was uns stark an das Kieler No Prison NoState im vergangenen Jahr erinnert. Auch in Wien organi-sieren MitgefhrtInnen ein Wochenende mit kritischen Dis-kussionen ber die anarchistische Intervention im Kampfge-

    biet Knast und Solidaritt, dass auch sicherlich einige guteMomente fr die Reflektion unserer gegenwrtigen Kmpfebieten wird. Auf alle Flle drei wichtige Momente um sichtreffen zu knnen und gemeinsame (oder auch nicht) Per-spektiven zu entwickeln, unsere Affinitten zu verstrkenoder entdecken und solidarische Kritik auszuben.

    Alle unsere LeserInnen mchten wir daran erinnern, dasswir uns ber jegliche Form der Untersttzung freuen, umdieses kleine Projekt weiter aufrechterhalten zu knnen undzu verbessern. Vor allem ber Beitrge freuen wir uns, fhlteuch mehr als angesprochen...

    Indem wir dieses Vorwort abschlieen, wnschen wir allenunseren LeserInnen einen kmpferischen Herbst, egal woihr seid, die Wege der Revolte kennen weder Grenzen nochGitter.

    ABC Berlin

    Vorwort

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    Eine kleine Chronologie der Ereignisse:

    Anfang September: Como und Mailand, die Gefangenen

    unternehmen wieder eine Battitura.27.08.09: Teramo, vier Gefangene greifen Schlieer an.26.08.09: Pisa, die Hlfte der 400 Gefangenen setzenGegenstnde, auch persnliche, in Brand und werfeneinige Gaskartouchen und Flaschen in die Korridore.22.08.09: Vibo Valentia, einige Gefangene setzenGegenstnde in Brand.21.08.09: Rom, die Battitura geht innerhalb derFrauenabteilung des Knastes Rebibbia weiter, einigeGaskartouchen werden zur Explosion gebracht. Gefangeneerzwingen die dauerhafte ffnung ihrer Zellen aufgrundder unmenschlichen Hitze.21.08.09: Venedig, Revolte im knast, Gegenstnde werdenangezndet und die Zellen zerstrt.21.08.09: Trani, 270 Gefangene im Protest, sieunternehmen die Battitura.20.08.09: Monza, eine Gefangene flieht.19.08.09: Prato und Pesaro, Battitura drei Mal am Tag.18.08.09: Firenze, Inhaftierte zndeten Matratzen undBettlaken an, nachdem die wchentlichen Besucheverweigert worden waren. Die Situation im Gefngnis istexplosiv; das Gefngnis wurde fr 460 Menschen gebautund inhaftiert sind jetzt mehr als das doppelte. 3-4Menschen schlafen zusammen in einzelnen Zellen, bis zusechs Menschen in Zellen fr drei erlaubt zu arbeiten.Die meisten Hftlinge verbringen 22 Stunden pro Tagin ihren Zellen. Frauen werden die wenigen Ttigkeitendie verfgbar sind unter dem Vorwand verwehrt, dass

    nicht gengend Frauen da wren obwohl es mehr als100 gibt. Die berbelegung, die ranzigen Mahlzeiten,die Beschrnkung von Duschzeiten, die Forderung nacheiner zweiten Kche - sind nur einige der Forderungender Hftlinge. Die Behrden haben die Hftlinge ermahnt,ihren Protest zu beenden und sie wegen des Schadensam Gefngnis angeklagt. Mehr als 50 Menschen sind auchangeklagt worden, weil sie an einer Solidarittsdemoauerhalb des Gefngnisses am 29. August teilgenommenhaben. Der Protest hat sich auf andere Gefngnissen- Pisa, Naples, Mailand - in den folgenden Tagenausgebreitet. Es gab eine Demo vor dem SolliccianoGefngnis am Samstag den 5. September.18.08.09: Bologna, zwei Gefangene fliehen whrenddes Hofgangs aus dem Jugendknast, nachdem sie einenSchlieer angegriffen haben und ber die Knastmauernkletterten.18.08.09: Reggio Emilia, Pistoia und S. Gimignano:Schlieer werden erneut angegriffen.

    17.08.09: Como, Gefangene unternehmen die Battituraund lassen ihre Gaskartouchen explodieren um Chaoszu verursachen und whrenddessen legen sie auch

    die Stromversorgung lahm. Sie schtten Wasser undSplmittel in die Korridore, um das Anrcken der Schlieerzu erschweren. Einigen von ihnen kommen zu Fall auf demBoden und einer muss daraufhin ins Krankenhaus.17.08.09: Udine, Gefangene unternehmen einen dreitgigeHungerstreik gegen die berfllung.bis Mitte August: Bologna, die Frauen, die in derFrauenabteilung des Knastes La Dozza eingesperrt sind,protestieren gegen ihr Bedingungen mittels der Battituradrei mal am Tag. Der Knast in Bologna sperrt ber 1.200Menschen (76 Frauen, ein Kind und 1.180 Mnner) ein,obwohl nur 480 Pltze vorgesehen wren.05.08.09: Ivrea, fnf aus Algerien stammende Gefangenedrcken ihren Protest durch Akte der Selbstverletzung aus.05.08.09: Treviso, ein Schlieer wird angegriffen. Nurwenige Tage zuvor gab es einen hnlichen Angriff.04.08.09: Lucca, eine Revolte brich im Knast aus,Gegenstnde werden angezndet und Gegenstnde gegendie Schlieer geworfen.03.08.09: in den Knsten von Cuneo und Neapel werdenwieder Schlieer angegriffen.01.08.09: Venedig, ein Gefangener greift einen Schlieeran und schick ihn ins Krankenhaus.01.08.09: Prato, ein Gefangener greift drei Schlieer an,einer bekommt seine Hand gebrochen.29.07.09: Benevento, ein Schlieer wird von einemGefangenen angegriffen und verletzt.24.07.09: Mailand, ein Gefangener greift einen Schlieer

    sowie einen Knastarzt an.15.07.09: Enna, die Gefangenen beginnen denEinkaufsstreik.14.07.09: Forli, ein Gefangener flieht whrend seinerVerlegung ins Krankenhaus, trotz seiner Fesseln, die er mitsich nimmt.11.07.09: Salerno, ein Gefangener desHochsicherheitstraktes greift einen Schlieer an.10.07.09: Rom, die Gefangenen der Frauenabteilungdes Knastes Rebibbia beginnen ihren Protest - einenEinkaufsstreik zwischen dem 10. und 19. Juli, sowie einetgliche Battitura zwischen dem 10. und 15. Juli.08.07.09: Imperia, ein zu 10 Jahren verurteilterGefangener flieht aus dem Fenster.23.06.09: Genua, die Gefangenen fangen am Abend dieBattitura an und znden Bettwschen an ihre Fensternan. Einige Tagen danach wird ein weiterer Proteststattfinden, Matratzen und andere Gegenstnden werdenangezndet.

    mmer. Meer, Hitze und Spa zu haben darber freuenh sicherlich viele, die gerade ihre paar Wochen Urlaubes grauen Arbeitsalltages erleben. Die Hitze - extrem inn Monaten Juli und August, unweigerlich lsst sich an dielen Leute denken, die gerade in den Urlaub fahren undt ihren Autos Stunden auf der Autobahn verbringen, umn Punkt A nach Punkt B zu gelangen und nun vom Kapitaltierten und begrenzten Spa haben drfen. Sie mssenrade unter der Sonne kochen, denkt mensch, wenn be-mmte Bilder im Fernsehen gezeigt werden. Sie sind aberht die einzigen, die unter der Hitze zu leiden haben. Nochniger sind sie sicherlich diejenigen, die am extremstenrunter leiden mssen. In unsere Kpfe kommen eher dieder von Menschen, die mit anderen zehn oder 15 Men-hen auf wenigen Quadratmeter fast ihren ganzen Tag ver-ngen mssen. Menschen, deren Freiheit geraubt wurded die innerhalb der Kerker des italienischen Staates (unden anderen) mit dieser Hitze auskommen mssen. Eineuation, die sich jeden Sommer erneut abspielt und oftamatische Folgen hat, wie der Anstieg der Selbstmorde

    gt. Eine elende Gegenwart, die den Groteil der Leuteichgltig lsst.

    diesem Sommer scheinen aber die Antworten der Ge-genen in Italien gegenber dieser Hitze etwas anders zun als sonst. Denn wie mensch wei, wrmt die Hitze dashirn und das Herz auf, deshalb kann dies zu gefhrlichend kurzschlussartigen Gedanken und Taten fhren. Unds ist genau dass, was geschah.ch einem Winter, indem Tausende gegen die lebenslngli-e Strafe und die allgemeinen Knastbedingungen gekmpftben, durch einen gestaffelten Hungerstreik, welcher al-dings keines der gesetzten Ziele erreichen konnte, aber solidarisches Gefhl und eine Kommunikation unter denfangenen, sowie nach drauen mit ihren vielfltigen Un-sttzerInnen aufgebaut hat, zeigt sich die Unzufrieden-t der Eingesperrten auf eine andere Art und Weise: jedeng lassen sich Meldungen lesen, wie das der Gefangene XKnast Y die Schlieer angegriffen hat. Die Hitze verur-

    cht ihre ersten resultierenden Folgen. Von Nord- bis Sd-ien sind es viele Knste in denen solche Akte stattgefun-n haben. Akte gegen diejenigen, die fr die Einsperrunggeblich mitverantwortlich sind und als allererste Er-

    scheinung der Staats-macht wahrgenom-men werden, weil siejeden Tag die Tr auf-

    und zuschlieen. Wiemanche dazu schongeschrieben haben,ist dies ein Gefhl,welches mensch seinganzes Leben mit sichherumschleppt.Es gab aber auch an-dere Akte, die dieseAblehnung ausdrck-ten: Momenten, in de-nen viele GefangeneGegenstnde gegendie Gitter geschla-gen haben, um Lrmzu verursachen (einesehr beliebte Form desProtestes, welcher imitalienischen als Bat-

    titura bekannt ist), etwa wie im Juli in der Frauenabteilungdes Knastes Rebibbia in Rom, oder der Einkaufsstreik imKnast Ennas, Sizilien. Dieser wurde in verschiedenen an-deren Knsten Italiens untersttzt und hat innerhalb nureiner Woche im Knast Ennas um die 10.000 Euro Schadenverursacht (denn die Privatfirmen haben keine Einnahmenmehr, sicherlich noch ein guter Weg, um die Knastmachine-rie ein bisschen zu schaden) und hat sich auerdem auchgegen die Spekulation der Privatfirmen innerhalb der Kns-te gerichtet.Es gab aber auch Revolten, wie etwa in Bergamo, Genuaund neulich in Lucca: in den letzten beiden Knsten wurdenBettwsche, Matratzen und hnliche Gegenstnde angezn-det und die anrckenden Schlieer mit Gegenstnden jegli-cher Art beworfen. Die Schlieer beklagen sich nun darber,dass wie so oft Gaskartouchen von Gaskochern als Molliesumgewandelt wurden, um sie damit anzugreifen. Der Pro-test im Knast in Genua, wo gleich zweimal randaliert wur-den, war auch der solidarische Beitrag der dortige Gefange-nen fr den Protest in der rmischen Frauenabteilung, der

    damals gerade stattfand. Die erzwungene Isolierung wirddurch solche Aktionen zeitlich durchgebrochen.Es gab auch ein paar andere erfreuliche Meldungen, wieetwa die Knastausbrche aus den Knsten Imperia (bri-gens das vierte Mal aus dem gleichen Fenster...) und Forlis,sowie einige tieftraurige, wie einige der unzhligen Selbst-morde, die im Sommer normalerweise aufgrund der extre-men Situation zunehmen.Diese andauernde Protestwelle richtet sich untereinandergegen die massive berfllung der italienischen Knste:ber 65.000 Menschen sind eingesperrt, obwohl die Kapa-zitten eigentlich 55.000 vorsehen. Schtzungsweise wer-den es um die 70.000 bis Ende des Jahres werden. Deshalbkann die Hitze nur das Bewusstsein gegen solche Umstndeweiter animieren und diese andauernden Aktionen provo-zieren, die leider drauen eher wenig Echo finden: viele Ge-nossInnen sind im Urlaub oder mit ihren eigenen Problemender Repression betroffen, die anderen schweigen. Auch gibtes die bliche Presse, die sich Mhe gibt, diese Proteste inein schlechtes Licht zustellen, wie sie es immer tun: da esaber dieses Mal um gewaltttige Aktionen geht, berichtensie viel darber, vor allem um Platz fr die Meldungen derSchlieergewerkschaften zu schaffen.

    Mensch sollte aber nicht denken, da die Regierung unt-tig bleibt und nicht gegen diese Situation vorgehen wrde.Im Gegenteil, diese Proteste machen auch sie sehr unru-

    hig, gerade weil solche Art und Weise von Protesten seitlngerer Zeit nicht mehr stattfanden. Sie stellen eine neueQualitt dar, nachdem in den letzten zwei Jahren nur friedli-che Hungerstreiks unternommen wurden, diese liefen unterdem Diktat einiger externer Vereine, die das mit organisierthatten, und mit einer expliziten Ablehnung von Gewalttatenoder Aktionsformen, die sich gegen die BetreiberInnen desKnastsystem richten.Wahrscheinlich weil in diesen zwei Jahren auf diese Art undWeise nichts erreicht werden konnte, auch weil einige An-archistInnen drauen ihre Kritik an der Herangehenswei-se formuliert haben und diese auch von vielen Gefangenenmitgeteilt wurden, wie die vielen Beitrge von ihnen in derAntiknastzeitung La Bella (eine Zeitung, die von Anarchis-tInnen erstellt wird und whrend der beiden Hungerstreiksals wichtigsten weil fast einzigstes Kommunikationsmit-tel unter den Gefangenen galt) zeigen, werden nun andere(alte) Wege ausprobiert. Und deshalb klingelt bei den Regie-renden nun der Alarm und es muss ein Kaninchen aus dem

    Unruhe in den italienischen Gefngnissen- ein Sommer des Widerstands

    Hut raus, sonst kann die Situation wirklich unkontrollierbarwerden. Dieses Mal ist eine der wunderbarsten Ideen, eineErweiterung der Nutzung des Militrs um den Punkt Knast.Denn es geistert seit lngerer Zeit ein Vorschlag in Italienherum, welcher es vorsieht, das Militr in den Knste an-zuwenden.

    Die Abteilung der regierenden Berlusconi-Partei, die PDL,die fr Justizangelegenheiten verantwortlich ist, hat ihreneigenen Weg zum Kampf gegen die Unsicherheiten, die ausder stndigen berfllung der italienischen Knste verur-sacht werden, vorgeschlagen: die Anwendung des Militrsfr die berwachung und Sicherung der Knastperimeter.Da gerade die italienischen Knste 65.000 Menschen ein-sperren und sich ihre berwachung schwierig anstellt, weilnur 45.000 Justizbeamte zur Verfgung stehen, wurdeangedacht, da wenn das Militr fr die Auenberwa-chung und Sicherungsdienste temporr angewendet wer-den knnte, gbe es viel mehr PolizistInnen und hnliche,

    die in die Knste Ordnung bringen knnten. Wie der Plangenau aussieht, unter welchen Bedingungen und ob er ver-abschiedet ist, ist noch nicht bekannt. Eindeutig ist aber derWille zum weiteren Ausbau der Anwendung des Militrs frOperationen der inneren Sicherheit, wie ihre immer weiteransteigende Prsenz auf den Straen der meisten Metro-polen Italiens zeigt. Dann scheint es eine normale Kon-sequenz zu sein, da unter diesem mittlerweile normalenAusnahmezustand das Militr in die Knste geschickt wird.Nichts scheint mehr unmglich in diesem Land aus einemrepressiven Blick heraus: wir knnen nur hoffen, da dieBetroffenen und die solidarischen Menschen ihre eigenenWege finden werden, um solche Entwicklungen konsequentzu bekmpfen. Die Unruhen in den Gefngnissen setzen eingutes Zeichnen dafr. Wir begren sie und wnschen unsihre weitere Ausbreitung, sowie eine entschlossene Unter-sttzung auf den Straen, drauen. Um mit den Knstenund ihrer Welt endlich Schluss zu machen.

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    t es Knste und Anstalten gibt, in denen Leute wegge-errt werden, gibt es Ausbrche aus diesen. Entwederrch die Hilfe von drauen oder durch eigene Kraftanstren-ngen und meist mit ausgeknobelten Plnen und trickrei-en Ideen. Mit dem Voranschreiten der technologischentwicklung werden auch gerne Hubschrauber zur Flucht-fe benutzt. Erst vor wenigen Wochen geschah dies wiedermal, diesmal in Belgien. Diesen und zwei weitere Fllellen wir vorstellen und deren Geschichte verbreiten.

    sgesamt gab es weltweit bis zum heutigen Tage mehr alsVersuche Gefangene mittels von Hubschraubern zu be-

    ien. In einem Fall wurden Waffen aus der Luft in den Knastworfen, mit welchen sich die Inhaftierten nach drauenmpften, in den anderen Fllen nahmen die Hubschrauber

    Gefangenen an Bord und flogen mit ihnen davon. Esb ein paar missglckte Versuche, zum Teil deswegen, weilh zu viele Gefangene in und am Helikopter befanden undser nicht mehr starten konnte und absttzte. Ein Groteilr Ausbrche fand in Frankreich statt, hoch im Kurs liegener auch die USA, Belgien und Griechenland.

    e mglicherweise spektakulrsten Ausbrche waren dien Vasilis Paleokostas und Alket Rizai im Juni 2006 und imbruar 2009 aus dem Knast Korydallos in Athen, jeweilsf die gleiche Art und Weise. Dazu mehr in einem lterenikel von uns.

    Ausbruch aus belgischem Knastmit einem Hubschrauber

    m 23. Juli 2009 buchten zwei Personen eine Sightseeing-ur mit einem Hubschrauber fr die Region um Brgge ingien. Als sie sich in den Lften befanden, befahlen siem Piloten, mittels einer vorgehaltenen Waffe, zum naheegenen Knast zu fliegen. Dort landete der Hubschrauberd drei Inhaftierte kletterten hinein. Ein vierter musste zu-ckgelassen werden, da kein Platz mehr fr ihn war und derot es ablehnte mit mehr als sechs Personen zu fliegen, errde von den Wachen festgenommen. Die drei anderentkamen und landeten in der Umgebung von Brgge, kid-ppten ein Auto an einer Tankstelle und verschwanden.

    e drei Entflohenen saen aufgrund von BankberfllenKnast und sollen die gefhrlichsten Kriminellen Belgiensn. Ashraf Sekkaki, einer der drei, gelang schon einmalr fnf Jahren die Flucht, wurde aber nach fnf Monateneder inhaftiert. Die beiden anderen sind Mohammed Joh-und Abdelhaq Melloul-Khayari, nach allen dreien wurde

    fort nach Bekanntwerden des Ausbruchs eine Interpol-ndung eingeleitet. Die Person, welche den Hubschraubermiete, soll die Freundin eines der Entflohenen sein, sieebenfalls untergetaucht. Am 2. August hie es von Sei-

    n der Behrden in Belgien, dass die Entflohenen fr vier

    Bankberflle verantwortlich sein sollen, die Beute betrgtmehr als 100.000 Euro. Einer der drei wurde am Morgendes 3. August in Brssel wieder festgenommen, mit 20.000Euro in der Tasche. Die anderen wurden spter in Marokkofestgenommen.

    Bereits im Oktober 2007 gelang es dem inhaftierten Nor-din Benallal, ein sogenannter Ausbrecherknig dies warbereits seine vierte Flucht, mit Hilfe eines Helikopters auseinem belgischem Knast zu fliehen. Komplizen kidnappteneinen Hubschrauber inklusive des Piloten und flogen zumKnast von Ittre und landeten im Hof, genau zu der Zeit,als alle Gefangenen gerade die Freistunde abhielten. Nordinstieg in den Hubschrauber, beim Abheben versuchten wei-tere Gefangene ebenfalls zu entkommen, indem sie sich anden Hubschrauber hngten. Dieser strzte aber aufgrunddes Gewichtes ab und es gab eine Vielzahl an Verletzten.Die Komplizen zwangen daraufhin die Schlieer unter Waf-fengewalt das Tor zu ffnen und Nordin konnte trotzdemfliehen. Vor dem Knast stand ein auf ihn wartender Klein-transporter mit laufendem Motor, mit welchem sie davonfuhren. Nur drei Tage spter wurde Nordin in den Niederlan-

    den wieder festgenommen.

    Nur wenige Monate zuvor gelang einem anderen Gefange-nen, dem Franzosen Erik Ferdinand, die Flucht aus einembelgischen Knast per gekaperten Helikopter.

    1971: Der erste Ausbruch per Hubschrauber

    Der erste bekannte Knastausbruch mit einem Hubschraubergeschah am 19. August 1971 in Mexiko-City. Im Knast San-ta Martha Acatitla gab es eine Filmvorfhrung, zu welcherdie Inhaftierten und der Groteil der 136 Wachen zusam-men kamen, als im Hof ein Hubschrauber zur Landung an-setzte, welcher die gleiche Farbe, wie der des Justizminis-ters hatte. Die Wachen vermuteten, dass es sich um einenunangemeldeten offiziellen Besuch handeln wrde, aber dieRealitt sah anders aus. Als der Helikopter auf dem Bodenaufgesetzt hatte, kamen zwei Gefangene aus der Zelle Nr.10 gerannt und waren in weniger als zwei Minuten in derLuft, in der kurzen Zeit fielen keine Schsse, noch gab esVerletzte.

    Einer der beiden Entflohenen war Joel David Kaplan, ein NewYorker Geschftsmann, verurteilt wegen Mordes an seinemGeschftspartner und behauptete felsenfest unschuldig zusein und durch ein Komplott im Knast gelandet zu sein, derandere war sein Mitgefangener Carlos Antonio ContrerasCastro, ein venezuelanischer Flscher. Die Ausbruchsplnewurden erst am Tag vor der Flucht vollendet, als ein Ame-rikaner die Zelle Nr. 10 besuchte, begleitet von den Frau-en der beiden Inhaftierten. Nach dem Flug mit dem Hub-schrauber stiegen die beiden Entflohenen, auf einem in derNhe gelegenen Flugplatz, in eine kleine Cessna um, welchesie zu einem Flugplatz nahe der texanischen Grenze brach-te. Zwei weitere Flugzeuge warteten bereits auf sie. Castroflog mit einer Maschine nach Guatemala, Kaplan flog nachTexas und dann weiter nach Kalifornien. Der Hubschrauberund die Cessna wurden spter verlassen gefunden, gekauftwurden sie vor dem Ausbruch in den USA fr eine geschtz-te Summe vom 100.000 US Dollar.

    In Mexiko wurde der Justizminister Julio Sanchez Vargasdazu gezwungen zurckzutreten und alle 136 Wachen wur-den verhrt. Die Filmvorfhrung war die erste nach berzwei Jahren gewesen. Die beiden Entflohenen wurden nichtgefunden. Spter schrieb David Kaplan ein Buch ber sein

    Mit dem Hubschrauber aus dem Knast Erlebnis - The 10-Second Jailbreak, welches 1975 verfilmtwurde unter dem Namen Breakout mit Charles Bronson inder Hauptrolle.

    1973: Und wieder ein Ausbruchmit einem Hubschrauber

    Nur zwei Jahre spter, am 31. Oktober 1973, gelang Gefan-genen wieder eine Flucht aus einem Knast mit Hilfe einesHubschraubers. Diesmal auf der anderen Seite des atlan-tischen Ozeans, in Irland, aus dem Mountjoy-Gefngnis inDublin. Es wurden drei Personen aus der Fhrungsebeneder IRA befreit, die zum Teil erst seit einer kurzen Zeit imGefngnis saen.

    Ein Mr. Leonhardt mietete wenige Tage zuvor einen Hub-schrauber am Dubliner Flughafen, mit der Begrndung am31. Oktober Fotoaufnahmen der Umgebung aus der Luftmachen zu wollen. An besagtem Tag flog der Pilot, wie ver-abredet zu einem Feld in der Nhe, wo das Fotoequipmenteingesammelt werden sollte. Stattdessen erschienen zweibewaffnete und maskierte Personen, welche den Piloten un-ter Waffengewalt zwangen zum Knast in Dublin zu fliegenund allen Anweisungen Folge zu leisten.

    Der Hubschrauber landete innerhalb der Knastmauern nahedes D-Flgels, in welchem die politischem Gefangenen ein-sitzen, und wenige Augenblicke spter kamen Samus Two-mey, JB OHagan und Kevin Mallon angelaufen und entertenden Helikopter. Die Wrter realisierten erst nicht was vorsich ging, da einige von ihnen dachte, dass es sich um ei-nen Besuch des Verteidigungsministers handeln wrde. DieVersuche der Wrter die Flucht zu verhindern wurden vonden anderen Gefangenen, welche sich auf dem Hof befan-den, vereitelt, indem diese die Wrter zum Teil krperlichangriffen. Der Pilot wurde angewiesen auf einer stillgeleg-ten Rennstrecke auerhalb der Innenstadt von Dublin zulanden, dort wartete eine Auto, welches Stunden zuvor inder Nhe entwendet wurde und brachte die Entflohenen ineine sichere Umgebung.

    Unterdessen liefen die Gefangenen des Knastes immer fortauf dem Hof herum, um den Schlieern das Ermitteln derIdentitt der Entflohenen zu erschweren. Erst nachdem dieGefangenen in die Zellen zurckgekehrt waren, konnte fest-gestellt werden wie viele und welche Gefangenen entkom-men konnten.

    In Belfast gab es daraufhin unzhlige Freudenfeste, hin-gegen es in Dublin ber 300 Hausdurchsuchungen auf derSuche nach den drei Entkommenen gab. In allen Teilen derWelt verursachte der Ausbruch Schlagzeilen und brachte dieRegierung in eine missliche Lage. Alle restlichen IRA-Gefan-genen wurden in ein anderes Gefngnis verlegt. Der ersteder drei Entflohenen wurde im Dezember des selben Jahreswieder festgenommen, der nchste im Jahr 1975 und derletzte im Dezember 1977. Es konnte nie ermittelt werden,wer dieser mysterise Mr. Leonhardt war. Die Irish RebelMusic-Band the Wolfe Tones setzte den Ausbruch musika-lisch um: The Helicopter Song (gibt es bei youtube)

    Innerhalb von zwei Wochen Ende Juli und Anfang Augustdiesen Jahres gab es in Belgien drei Gefngnisausbrche.Dies geschah zum Teil nur durch die Hilfe von denjenigen,die es nicht ertragen knnen ihre Freunde und Weggefhr-

    ten hinter Gittern zu sehen und viel lieber mit ihnen denSommer oder was auch immer genieen wollen. Durch soli-darisches Handeln lsst sich jede Knastmauer berwinden.

    In den Vormittagsstunden des 4. August strmten zweimaskierte, bewaffnete Personen in einen Gerichtsverhand-lung im Justizgebude in Brssel, bedrohten die Wachenund befreiten die drei Angeklagten, die wegen Einbruch undAutodiebstahl angeklagt wurden.

    Am 28. Juli entwendeten sechs Inhaftierte der HaftanstaltMerkplas, stlich von Antwerpen, eine Leiter auf einer Bau-stelle im Knast und kletterten ber eine Mauer. Vier der Ent-flohenen wurden direkt wieder eingefangen, zwei befindensich noch immer auf der Flucht.

    Am 23. Juli befreite ein entfhrter Hubschrauber drei Inhaf-tierte des Knastes in Brgge.

    Drei Ausbrche in Belgien in 12 Tagen

    Der Knast in Brgge

    Der whrend der Flucht der IRA-Gefangenenverwendete Hubschrauber

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    e schon so oft gesagt, mchten wir aus der Entfesseltht eine ber Knste spezialisierte Zeitung machen,ndern wir wnschen uns viel mehr das hier verschiede-Beitrge ihren Platz finden, die auch andere Themens einer anarchistischen Perspektive aufgreifen. Etwa wieTexte aus Italien, die kurz vor dem G8 verffentlicht

    rden und die Situation um LAquila (eine Stadt mitten inlien, wo vor einigen Monaten ein starkes Erdbeben war)leuchteten. Vor allem warnen sie vor der Entwicklungenr sozialen Kontrolle und den Experimenten dort, einenze Bevlkerung zu isolieren und zu kontrollieren unterer Situation des Ausnahmezustandes, welche auch als

    e Zukunft der Aufstandsbekmpfung und hnliche Ma-hme fr westlichen Lndern vorgesehen ist.zu noch, hat in LAquila der G8 stattgefunden, unterdes-n, auch weil die Chaoten sich nicht trauen werden, einehon verwstete Stadt in Asche zu legen, so Berlusconi,r manchmal nicht so dumm ist, wie viele ihn beschrei-n, denn er hat dabei eine gute Lsung gefunden umht wieder einen Genua-Effekt zu haben (denn auch auf-

    und dessen gab es sehr wenige militante Aktionen gegens Treffen die Situation ist aber zu kompliziert um hierschrieben zu werden...). Dementsprechend ist dort auche Menge des Geldes, dass eigentlich in den Wiederauf-u der Stadt flieen sollte zum Ausbau eines grerenhereitsapparates verwendet worden. Als erstes ver-entlichen wir hier einen Text der von anarchistischennossInnen aus Lecce geschrieben wurde und als zweites direktes Zeugnis eines Genossen vor Ort. Weil solche

    enarien bald Alltag werden knnen.

    C Berlin

    LAquila, Palstina

    nchtlicher Aufschrei nderte das Leben einer gemtli-en Stadt des Westens; dreihundert Tote, die Huser, dieschfte, die Bros, das Haus der Studenten, Teile desankenhauses, viele Monumente und vieles mehr wurdenrch das Erdbeben zerstrt. Dutzende Menschen habenes verloren. Es werden Lager und Zelte vom Staat ge-ut, um die Evakuierten unterzubringen. Die Menschenben Angst, auch weil sich neue Erschtterungen bis heu-wiederholen knnten. Und deshalb entscheidet jemand,ss diese Menschen und diese Lager ein Prfstand seinnnten, um eine militrische Kontrolle ber eine gesamte

    vlkerung zu testen und zu experimentieren, ohne dassauen die anderen etwas davon erfahren wrden; ein Na-dokument ber die Metropolen wnscht fr das Jahr 2020en solchen militrischen Nutzen.

    hrend Zeitungen und Fernsehen eine Szenario von Todd Zerstrung darstellen, fngt nach der Beerdigung dieunde der Missinformation und der Propaganda an. Tausen-von Militreinheiten jeglicher Art kommen nach LAquila.

    nerhalb der Lager werden echte Check-Points aufgebaut -m rein und raus zu kommen, Durchsuchungen, die Unmg-hkeit, Besuch von FreundInnen zu bekommen oder Tiere sich zu haben. Mensch darf nichts selbstorganisieren, al-wird vom Katastrophenschutz organisiert, der auch ent-

    heidet was mensch essen darf und was nicht. Kein Inter-tzugang, keine Flyer, berhaupt keine selbstorganisierteche, gar keine Orte fr Auseinandersetzung und Diskus-n. Dafr nchtliche Kontrollen whrend mensch schlft,

    auen duschen, ungeeignete Toiletten: fr die Menschen,

    die schon unter vielen Einschrnkungen leiden, zu den altenkommen neue, alles wird noch komplizierter. Es sieht auswie ein Kriegstheater, es scheint wie in Gaza zu sein, undwahrscheinlich ist es auch nicht so unterschiedlich.

    Am Anfang war das Militr auf den Straen, nun herrschtdie totale Militarisierung von LAquila, whrend ein Gesetzber die Sicherheit verabschiedet wird, dass Tausende vonauslndischen Menschen durch ihre Hoffnungslosigkeit zuVerbrechern macht, dass sie als Menschen vernichtet unddie Verachtung und den Rassismus derjenigen, die blo da-ran denken, wie sie weiter ausbeuten, legitimieren wird.Die italienische Regierung wird zur Avantgarde fr die Ver-wirklichung des Krieges berall, nicht nur in weitentferntenLndern.

    Die Krise hat sowohl die Armut als auch das Prekaritt inden reicheren Lndern erhht, aber mit ihr erhhte sichauch die Unzufriedenheit und das Nicht-Einverstndnis den-jenigen gegenber, die an der Macht sind. Deshalb wurden

    hier Instrumente erfunden, um dies zu verhindern: Kontrol-le und Repression. Der Labor LAquila steht als leuchtendesBeispiel dafr. Neben dem Militr spielt der Katastrophen-schutz eine groe Rolle, der schon vor einigen Jahren alsProtagonist der Anti-Terrorbungen die groen Stdte frden Krieg zuhause vorbereitete (der Kreis schliet sich).Dieser hat nun Vollmacht den Ausnahmezustand zu verwal-ten, aber auch fr den Wiederaufbau, der viele reizt unddie blichen Verdchtigen reicher machen wird. Die Abruzzostellt ein groes Stck Kuchen dar, der aufgeteilt werdenmuss. Deshalb stellt sich der Katastrophenschutz als dervertraute Wachhund dar, um alles zu verwalten, genausowie es mit dem Mll in Campania passiert ist. Mll und Opferdes Erdbebens werden vom Staat auf die gleiche Art undWeise behandelt.

    Auch die Organisierung des G8 bleibt dem Katastrophen-schutz in erster Linie berlassen, um unter anderem dieBesuche der Mchtigen auf der Erde unter den Ruinenzu ermglichen. Genauso, der G8. Whrend die Leute inZeltstdten wohnen, isoliert und kontrolliert, findet weni-ge Schritte entfernt der Gipfel der acht Industrielnder derWelt statt, die zwischen einem Aperitif und einem Essendarber diskutieren, wie viel Rest ein jeder abgeben muss,um zu vermeiden, dass die Welt zum kollabieren kommt,oder wann es zumindest sptestens passieren wird.

    Der Poet sagte, wenn dieWahrheit unter der Erdeeingeschlossen wird, wirdsie sich darunter ansam-meln und zu einer groenExplosionskraft heranwach-sen, so dass an dem Tag,an dem sie explodierenwird, alles mit sich bringt.Die Wahrheit fngt an Kraftzu sammeln, und zwar dieder Ausgebeuteten, der Re-bellen und derjenigen diemde sind, sich zu unter-werfen, und sich entfesselnvon den Ausbeutern einesjeden Landes.

    AnarchistInnen

    Experimente fr den weiteren Ausbau dersozialen Kontrolle: Beispiel LAquila, Italien

    Teile eines Zeugnisses aus den Lagern Abruzzos

    Auf LAquila wohnt Mensch unter Kriegszustnden, mrderi-sche Herren gebt uns die Erde zurck!

    ... Wir knnen immer noch nicht verstehen wieso und biszu welchem Punkt sie gehen wollen. Sicherlich ist es sowohleine Kriegsprfung als auch eine totale Herrschaft ber denWillen der Bevlkerung, vielleicht ist es auch der Versuchden Plan der Wiederbelebung von Gelli zu vollfhren.

    Geheimdienste, Bullen jeglicher Art und politische Polizeihaben sich hier um LAquila konzentriert, zusammen mit derMassonerie, der Mafia, der Camorra, di ndrangheta, sacracorona unita, Polizeistaat und G8. Auer der Feuerwehr, fr60.000 AnwohnerInnen, wovon 30.000 evakuierte an derKste sind, gibt es mehr als 70.000 Menschen in Uniformauf LAquila, vom Militr bis hin zur Carabinieri, von derPolizei bis hin zum Gom, von der Finanzwache (auch mitAntiriot Einheiten) bis hin zu FrsterInnen. Und dann gibt esnoch die Polizei, die auch die Aufgaben des Veterinramtesbernimmt, die mit ihrer schn gestrkten Uniform die Aus-weise derjeniger kontrollieren, die rein und raus gehen undRundgnge macht, anstatt sich in den Zeltlagern ntzlichzu machen.

    Es gibt den Katastrophenschutz vom Bertolaso Berlusconi,der die Solidaritt filtriert, die Installierung vom Internetzu-gangspunkten verhindert (naja, sagen sie, wir haben sieschon und das nutzt den Evakuierten nicht) und falls du siefragst, die Dixie-klos am Ende der Lager zu installieren, dawo es weniger Kontrollen gibt, oder nach Klopapier, dannzaudern sie oder fragen nach der Feuerwehr.Und dann gibt es diese ganze Reihe an bezahlten Freiwil-ligen, die vom Katastrophenschutz autorisiert sind: vonden Misericordia bis hin zu den Gottesfrchtigen von die-sem oder jenem Heiligen im Paradies geschickt, vom RotenKreuz bis hin zu den Weien, Grnen oder Blauen.Und dann gibt es auch noch die Digos (politische Polizei)und die Zivis, die auf dem ganzen Areal verteilt sind. Injedem Lager gibt es mindestens 200 Bullen fr 160 Anwoh-nerInnen, ohne die Zivis dazu zu zhlen.

    Solche Zeltanlagen sind einfach Lager. Mensch darf keineTier bei sich haben (auer ein paar vom Fernsehen gut be-worbenen Ausnahmen), Mensch darf nicht Verwandte oderFreundInnen auf anderen Zeltanlagen besuchen ohne iden-tifiziert zu werden, Mensch darf nicht kochen, sich waschen,sich selbstorganisieren. Wenn die LKWs voll mit Wahren an-kommen, prgeln sich die Leute untereinander, um ein paarSocken oder Unterhosen sicherzu bekommen. Sie behan-deln uns wie Gehirnlose.

    Sie haben uns besetzt, kolonisiert, desinformiert. Es kom-men keine Zeitungen hier an. Um einkaufen gehen zuknnen muss mensch am frhen Morgen nach der Identi-fizierung raus gehen und versuchen den nchstgelegenenZeitungsladen, der noch steht, zu erreichen (wir haben dieBrandzeichen der Evakuierten: eine Karte, die Mensch im-mer zeigen muss, selbst wenn Mensch in der Reihe frsEssen oder frs Klo oder zum Duschen ansteht, sogar umalle 15 Tage zum Friseur gehen zu knnen).Fr die Frauen, vor allem fr die lteren, ist es eine Trag-die, um sich duschen zu knnen oder ein Bad zu nehmen,muss Mensch zum Meer oder nach Rom fahren und zurck-

    kommen bevor die Tren zugehen, ansonsten gibt es kal-te Duschen unter guter Beobachtung (vor den Augen allerBullen und Mnner im allgemeinen), denn auf vielen Zelt-anlagen gibt es keine Container fr die Duschen, sondernnur Duschen unter freiem Himmel. Die lteren Frauen, dieBehinderten, die Inkontinenten pissen in die Zelte, weil eskeine Dixie-klos am Ende der Zeltanlage gibt, wo wenigerberwachung ist. Die Klos stehen am Eingang der Zeltanla-ge, dort wo der Katastrophenschutz und alle anderen Bul-len mit ihren Lichtern und Videokameras stehen. Auerdemhaben die Klos keine geeigneten Zugnge fr behindertenMenschen.

    Viele der Zelte des Katastrophenschutzes sind unzumutbar(entweder kommt Wasser rein und die Evakuierten ms-sen Gruben und Kanle fr das Wasser buddeln und aushe-ben, welche am nchsten Morgen wieder entleert werdenmssen) und sehr schwierig zu betreten (denn anstatt desReiverschlusses haben sie Knpfe und Schnre zum zu-machen) und ein junger Mensch in guter physischen Ver-fassung braucht ungefhr zehn Minuten, um sie auf zu krie-gen oder zu zuschlieen. Nachts versuchst du zu schlafenund das ganze Desaster zu vergessen und nicht ber dieZukunft nachzudenken, denn es gibt gar keine, wir hattenund haben noch keine Arbeit, wir hatten und haben kein

    Einkommen und nun haben wir auch kein zu Hause mehr,eine Nest wo wir unter kommen knnen. Und whrend duversuchst, innerhalb dieses ganzen Horrors einzuschlafen,kommen die Menschen in Uniform in die Zelte rein und blen-den dich mit ihren Taschenlampen, um festzustellen wer daist und wer nicht, was er/sie tut und ob sie/er ein Computeran hat oder den Fernseher (denn es ist verboten, sie in denZelten zu haben).Es herrscht Ausgangsperre.Sie verhaften jemanden aus Rumnien, weil er einige Kup-ferrohrstckchen aus den zerfallenen Husern genommenhatte, whrend die wahren Schakale bezahlt werden, umuns innerhalb dieser Lager eingesperrt zu halten oder umuns aufgrund der Hoffnungslosigkeit wegzuschicken. Unddann wird alles mit den G8 noch furchtbarer. Keiner wirdeinen Cent aus diesem Erdbebenverdienen, niemand, auerdie Mchtigen.

    Licio Gelli: Mitgrnder der bekannte Freimaurerloge P2, die das Leben Italiens sehr beeinflusst hat (selbstverstndlich auf einer nega-tiven Art und Weise...). es sind die verschiedenen italienischen Figuren des organisierten Verbrechens, die jeweils in verschiedenen Regionen aktiv sind: Mafiain Sizilien, Camorra im Campanien, sacra corona unita im Puglia und ndrangheta im Calabria, wobei sie blo ihren Ursprung dort haben,aber auch im restlichen Teil des Landes prsent sind. gom: mobile operative Gruppen, sie sind die Anti-riot-Einheit, die fr die Ruhe im Knast verantwortlich ist und sich schon in vielenGewaltskandalen gegenber Gefangenen kritische Worte verdient haben. Sie wurden brigens von dem postkommunistischen MinisterDiliberto geschaffen.

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    Gefngnisschicksale in Deutschland

    Heute soll ber das Schicksal von Ralf Schler (er ist mit

    der Namensnennung einverstanden), der seit 2005 in derJustizvollzugsanstalt (JVA) Bruchsal in Absonderung sitztund ber David S., der im Juli 2008 in der JVA Nrnbergverblutete berichtet werden.

    A.) Ralf Schler und die Sicherungsverwahrung

    Landauf, landab wird von Politik und Justiz betont, in derSicherungsverwahrung sen nur die Gefhrlichsten derGefhrlichen ein. Die SV wurde 1933 von den Nationalsozi-alisten in das Strafgesetzbuch als Maregel der Sicherungeingefhrt; hiernach kann eine Person, welche als all-gemeingefhrlich gilt auch ber das Ende der regulrenStrafzeit hinaus im Gefngnis verwahrt werden. Nach einerReform von 1998 unter SPD/GRNE, kann die SV nun-mehr auch im ersten Fall ihrer Anordnung lebenslang dau-ern (zuvor war sie auf 10 Jahre begrenzt).

    Mit Beschluss vom 07. Mai 2009 ordnete das Landgericht

    Karlsruhe bei Herrn Schler die Fortdauer der SV ber 10

    Jahre hinaus an, da die Gefahr besteht, dass der Unterge-brachte infolge seines Hanges erhebliche Straftaten bege-hen wird, durch welche die Opfer seelisch oder krperlichschwer geschdigt werden. Weswegen sitzt er in der SV?Er hatte sich eine Verurteilung wegen Diebstahls in 17 Fl-len und versuchten Diebstahls in 3 Fllen, wie Gefangenezu sagen pflegen, eingefangen. Konkret ist er mehrfachin Wohnungen und Geschftsrume eingebrochen und hatdort u.a. Bargeld entwendet.

    Frustriert ber den Umstand, da nach seiner Beobachtungin der SV-Station der JVA Freiburg, wo er von 1999-2005einsa, zwar Diebe und Betrger bis zum Tode verwahrtwrden, man jedoch Sexualverbrecher frei lasse und er frsich als Einbrecher keine realistische Entlassungsperspek-tive sah, begann er Nachschlssel herzustellen um aus derHaft fliehen zu knnen. Bei der Erprobung der Schlssel imSeptember 2005 wurde Alarm ausgelst und Herr Schlerentdeckt.

    Texte von Thomas Meyer-FalkKnast und Kriminalittsfurcht

    herheitsgefhl und Kriminalittsfurcht beherrschen viel-h die Diskussion, wenn ber den Strafvollzug und diert einsitzenden Gefangenen die Rede ist. Medien und Po-k tun das ihre, um bestehende Vorurteile zu verstrkend tendenziell Stimmung gegen Gefangene zu machen.

    haut man sich die einschlgigen Statistiken, von welchenFolgenden die Rede sein soll an, so wird deutlich, wie

    hr die Stimmungsmache Wirkung zeigt.

    Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS)

    der PKS verffentlicht das Bundesministerium des Inne-n alljhrlich die der Polizei bekannt gewordenen Strafta-n, bietet also einen Einblick in das Hellfeld der Kriminali-sentwicklung in Deutschland (das Dunkelfeld, also jenelikte, die nicht zur Anzeige gebracht werden, wird nichtasst).asste die PKS 1993 circa 6,75 Millionen Flle, so warenfr 2008 nur noch 6,11 Millionen. Davon waren ber 55

    der Delikte Diebstahl oder Betrug.chtig zum Verstndnis ist, die Zahl der Delikte in Bezugr Einwohnerzahl zu setzen, denn es macht einen Unter-hied, ob wenige Menschen viele Taten oder viele Men-hen wenige Straftaten begehen. Vor 16 Jahren, also 1993hlte das Statistische Bundesamt circa 80,9 Millionen Ein-hner, 2008 waren es schon 82,2 Millionen.

    s bedeutet, im Vergleich der Jahre 1993 und 2008 stel- wir einerseits einen Rckgang der erfassten Delikte um

    wa 636 000, zugleich aber eine Zunahme der Bevlke-ngszahl um 1,2 Millionen fest.

    r subjektive Eindruck vieler Brgerinnen und Brger, esrden immer mehr und immer schwerere Straftaten be-ngen, lsst sich statistisch nicht belegen. Vielmehr ist dasgenteil richtig.

    xualdelikte, die immer gerne von Politik und Medien he-n gezogen werden, um Gesetzesverschrfungen zu be-nden (aktuell die Bestrebungen der Bundesministerinn der Leyen, auf dem Rcken missbrauchter Kinder eine

    mfassende Internetzensur erfolgreich durchzusetzen),rden in ihrer Zahl, so schockierend und traurig jeder Ein-fall ist, berschtzt. Wie hoch schtzen Sie den Anteiln Sexualtaten an der Gesamtkriminalitt? 5 %? 10 %?%? 30 %?.sind exakt 0,9 %! Wobei man natrlich bercksichtigen

    uss, dass es sich dabei um die zur Anzeige gebrachtenle handelt (vgl. obige Bemerkung zum Dunkelfeld).

    e Zahl der Ttungsdelikte sinkt ebenso wie die Zahl derubberflle.

    hrend somit trotz steigender Bevlkerungszahl (1993 08) die Zahl der erfassten Straftaten, wie auch die Anzahlr schweren Gewalttaten sank, stieg die Zahl der Gefange-n und Sicherungsverwahrten.

    Gefangenenstatistik

    e Zahl der Strafgefangenen und Sicherungsverwahrtennk von 1965 bis 1995 auf 46.516 (1965: 49.573), umtdem wieder zu steigen, auf zwischenzeitlich 62.348 (fr08).

    Befanden sich 1995 ungefhr 0,057 % der Bevlkerung inStrafhaft oder Sicherungsverwahrung, waren es 2008 schon0,076 %, was immerhin einer Steigerung von 33,38 % ent-spricht (im selben Zeitraum 1995 2008 sank die in derPKS erfasste Zahl der Flle um 8,32 %!).

    Noch frappierender ist die Situation fr in der Sicherungs-verwahrung untergebrachten Menschen. Die SV ist nachdem Gesetz als Maregel der Besserung und Sicherung frdie (angeblich) schwersten Flle von Gewohnheitsverbre-chern gedacht, wobei die SV nach diversen Reformen- mittlerweile auch gegen Ersttter und nach Jugendstraf-recht Verurteilte (dann auch nachtrglich) verhngt werdendarf.

    Deren Zahl, d.h. der in SV Untergebrachte, sank von 1965,als 1430 in SV saen, auf 183 im Jahr 1995. Seinerzeitwurde sogar die Abschaffung der SV diskutiert und es gabentsprechende parlamentarische Initiativen, unter anderemvon den GRNEN.

    Aber zwischenzeitlich stieg die Belegung der SV um sageund schreibe 152 %! Zum Stichtag 30.11.2008 waren inDeutschland 461 in Sicherungsverwahrung untergebracht,so viele, wie seit Anfang der 70er Jahre nicht mehr. Undauch fr Frauen wird das Klima hrter: Waren ber, mankann sagen Jahrzehnte, keine Frauen in Sicherungsverwah-rung oder nahezu keine (von 1980 1990 je 1; bis 2006keine) sind zum Stichtag 30.11.2008 drei Frauen in SV.

    Auch die Lockerung des Vollzugs, um dadurch Gefangeneneine Reintegration in die Gesellschaft zu ermglichen, etwain Form des Offenen Vollzugs (dabei kann der/die Gefan-gene tagsber in Freiheit arbeiten, muss aber abends undam Wochenende ins Gefngnis) nimmt sukzessive ab; trotzsteigender Gefangenenzahl nimmt die Zahl derer, die im Of-fenen Vollzug untergebracht sind, ab. Wer brigens in derSV sitzt, hat so gut wie keine Chance auf den Offenen Voll-zug. Waren es 2004 noch 8 von 334 Verwahrten, ging dieZahl auf 7 im Jahr 2008 zurck, bei nunmehr jedoch 461Verwahrten (ein Rckgang von 36 %).

    C.) Resmee

    Strafvollzug, Verbrechen im Allgemeinen eignen sich alsProjektionsflche fr ngste und als Instrument Sicher-heitspolitik zu betreiben und Auflage, bzw. Einschaltquotezu steigern. Objektiv rechtfertigen lassen sich die Steige-rungen der Zahl der Gefangenen und Verwahrten ebensowenig, wie der Rckgang der Vollzugslockerungen. Letztlichsind Gefangene auch nur Spielball von Politik, Justiz undMedien. Angesichts der aufgezeigten irrationalen Entwick-lungen sollte ber Alternativen zu Knast mehr denn je nach-gedacht werden.

    Quellen:PKS 2008, Hrsg. Bundesministerium des Inneren;Statistisches Jahrbuch 2008, Hrsg. Bundesministerium frArbeit und Soziales;Bestand der Gefangenen und Verwahrten, Fachserie 10 desStatistischen Bundesamtes, www.destatis.de

    Gericht verweigert Freilassung von Meyer-Falk

    Nach meiner Festnahme 1996 wurde ich 1997 vom Land-gericht Heilbronn wegen eines versuchten Bankberfallszu 11 1/2 Jahren und Sicherheitsverwahrung verurteilt. Inweiteren Verfahren kamen summa summarum 5 Jahre und3 Monate Haft hinzu, da sich einige RichterInnen und Politi-kerInnen von mir beleidigt, bzw. bedroht fhlten.Nachdem 2007 von den Strafen zwei Drittel verbt wa-ren, beantragte ich meine Freilassung auf Bewhrung. Dieslehnte das Landgericht Karlsruhe (Vorsitzender RichterKleinheinz, Richterinnen am Landgericht Grlitz und Herlit-ze) mit Beschluss vom 04. Mai 2009 ab.Die Kammer ist der Ansicht, ich bedrfe einer langjhri-gen Sozialtherapie (in einer entsprechenden Abteilung einerJVA) um dort die bestehende Persnlichkeitsproblematikaufzuarbeiten, insbesondere aber einen sozialkompeten-ten Umgang mit Konfliktsituationen zu erlernen. Es beste-he eine ausgeprgte narzisstische Persnlichkeitsstrung,von deren Hintergrund die Straftaten gesehen werdenmssen.

    Besonders nachteilig wirke, so das Gericht, da ich nicht re-gelmig an gemeinschaftlichen Veranstaltungen innerhalbder JVA teilnehmen wrde; dies lasse nur den Rckschluss

    zu, da ich nach wie vor nicht konfliktfhig im Sinne einersozialkompetenten Auseinandersetzung mit anderen sei.

    Eine gegen den Beschluss eingelegte Beschwerde wurdedurch das Oberlandesgericht (1. Strafsenat) Karlsruhe ver-worfen, so da die Entscheidung nun rechtskrftig ist. Bis2013 kann (und werde ich wohl auch) alle 6 Monate meineFreilassung beantragen und nach Beginn der Sicherungs-verwahrung kann dann alle zwei Jahre ein solches Gesuchgestellt werden.

    Was heit nun sozialkompetenter Umgang mit Konflikt-situationen? Habe ich jemals z.B. einen Wrter der michprovozierte physisch angegriffen? Nein. Oder einen Mitge-fangenen? Ebenfalls nein. Ich nehme mir jedoch die Freiheitber Missstnde im Strafvollzug zu berichten, sie ffentlichzu machen, anstatt sie sozialadquat unter den Teppichzu kehren.

    ber die Sinnhaftigkeit und Wirksamkeit von Sozialtherapi-en kann gestritten werden (erst krzlich wurde ein wegen

    Sexualverbrechen vorbestrafter ehem. Sicherungsverwahr-ter, den die sozialtherapeutische Abteilung in Asperg/beiStuttgart behandelt hatte und den ein Gericht 2007 dannfrei lie, erneut in Bruchsal eingeliefert, nachdem er nmlich2008 prompt wieder eine Frau vergewaltigte). Ich fr michlehne sie ab; denn eine solche Zwangstherapie die daraufsetzt, da der Proband am Ende in die Schablonen der The-rapeutInnen, GutachterInnen und RichterInnen passt istmit meinen Menschenbild nicht zu vereinbaren.

    Diese Haltung brachte mir schon den von mir als zynischerlebten Vorwurf ein: Du willst doch garnicht mehr raus.Es geht mit Sicherheit darum wieder frei zu kommen, abernicht um den Preis sich jahrelang (denn es geht um eineJahre dauernde Therapie) zu verbiegen, von staatlichenPsychologinnen und Psychologen im Hirn herumdoktern zulassen, bis man -wie ein pawlowscher Hund- zu sabbernbeginnt, wenn die TherapeutInnen mit dem Glckchen klin-geln. Das mag eine sehr subjektive Sicht der Dinge sein,jedoch bekam ich von therapeutisch ttigen Personen inmeinem Umfeld durchaus zu hren, da unter qualitativenGesichtspunkten bspw. die Sozialtherapie auf dem Aspergziemlich sinnlos sei.

    Aber auch eine qualitativ hochwertige Therapie kann nichtdem Betroffenen aufgezwungen werden; es mutet zudemperfide an den politischen Aspekt der Handlungen die mitKnast und SV geahndet wurden vollkommen zu negierenund alles einer narzisstischen Persnlichkeitsstrung zu-zuschreiben. Es ist eine banale Erkenntnis, da die mensch-liche Psyche es ist die uns motiviert dieses oder jehnes zutun oder zu lassen.Die hier beobachtbare Pathologisierung menschlichen Tunsentspricht zweifelsohne dem Menschenbild des Gutachtersund der RichterInnen, aber sie ist kein Grund auf ihre For-derungen einzugehen und sich damit ihrem Diktat zu un-terwerfen.

    Und so werde ich vorerst weiter aus dem Knast berichten,anstatt mich in Freiheit an der Auseinandersetzung beteili-gen zu knnen.

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    egen der nun seitens der Justiz angenommenen erhhtenchtgefahr, wurde er in die JVA Bruchsal verlegt, wo er bisute, d.h. seit bald vier Jahren in Absonderung sitzt. Zwaruss er arbeiten (in einem Minibetrieb, der extra fr einendvoll gefhrlicher Gefangener eingerichtet ist), darfdoch an keinerlei Freizeitveranstaltungen teilnehmen, sei-Zelle bleibt stehts verschlossen und auch die Hofstunde,

    rf er nur mit seinen Arbeitskollegen aus den Minibetriebsolvieren.

    m 02. April 2009 hatte Ralf Schler 10 Jahre der SV ver-t; nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtstte nun positiv festgestellt werden mssen, da er akutefhrlich ist. Wie kann man dies bei einem Einbrecher,r whrend der Einbrche nie Kontakte zu den Bewoh-rn hatte? Der also nie etwa jemanden berwltigte, fes-te - eben weil nie jemand da war!? Kammer und Gutach-gingen ber 22 Jahre (!) in der Vita des Herrn Schler

    rck; damals hatte er mittels einer ungeladenen Schrot-te eine Bank berfallen. Dies dokumentierte, so heuteRichter und der Sachverstndige (Professor Dr. Harald

    eing; Zentralinstitut fr seelische Gesundheit in Mann-m), sei enormes Gefhrlichkeits- und Gewaltpotenzial.

    e Einbrche hatte er whrend des Freigangs begangen;

    er aus dem Umstand, da er bei diesen anerkannter-en unbewaffnet war, wollte man keine positiven Rck-hlsse ziehen. Der Gutachter verstiegt sich zu der These,wieweit der Proband berhaupt die Mglichkeit hatte,h Waffen zu besorgen und einen gewaltttigen berfallrzubereiten. Es wird also unterstellt, er htte im Frei-ng keine Waffen sich verschaffen knnen; eine an deralitt vollkommen vorbei gehende Idee.

    r Sachverstndige fhlte sich offenbar auch davon getrof-n, da Herr Schler jegliches Gesprch mit ihm ablehnted fhrte dann in der Anhrung vor Gericht aus, aufgrundser Verweigerungshaltung, die darin -Zitat- gipfele, Schler sogar die Anhrung bei Gericht verweigere, erletztlich verunmgliche zu beurteilen, welche Entwick-gen bei ihm eingetreten seien.

    ar wurde erwhnt, da Herr Schler weder whrend derftzeit, noch der Jahre in der SV durch gewaltttiges Ver-ten aufgefallen sei - aber dies positiv zu werten kamder dem Gutachter, noch den Richtern in den Sinn. Ei-rseits wurde eben erwhntes nicht positiv bercksichtigt,dererseits wurde prognostisch ungnstig, so der Herrofessor aus Mannheim, gewertet, da Herr Schler inefen an Dritte die Behauptung vertritt, die Hustiz ent-se hoch gefhrliche Kinderschnder und Sexualtter, umf diese Weise eine stndige Verschrfung der Strafgeset-

    rechtfertigen zu knnen, um letztlich Menschen wie ihnuerhaft in der SV unterzubringen.

    Das ist schon faszinierend, wie hier eine zulssige Mei-nungsuerung dazu dient, letztlich die Gefhrlichkeit ei-nes Verwahrten zu begrnden. Heute ist Ralf Schler 46- Mit diesem, Beschluss des Landgerichts wird er noch in 10oder 20 Jahren einsitzen. (Quellen: Beschluss LandgerichtKarlsruhe vom 07. Mai 2009, Az: 15 StVK 81/09 BR; Anh-rungsprotokoll vom 24. April 2009, a.a.O.)

    B.) Gefangener in Nrnberg verblutet

    Straf- und Untersuchungsgefangenen kommt nach der Ge-setzeslage nicht das Recht auf freie Arztwahl zu, sie mssenmit dem Arzt oder der rztin vorlieb nehmen der/die in derJVA arbeitet. Auch wenn gegen diesen wegen des Verdachtseines Ttungsdelikts zum Nachteil eines Gefangenen ermit-telt wird.

    So aktuell der Fall in Nrnberg. Am frhen Morgen des 16.Juli 2008 verblutete der Untersuchungsgefangene DavidS. und starb mutmalich deshalb, weil der sich in seinerNachtruhe von einem Sanittsbeamten per Telefon infor-mierte Gefngnisarzt Kurt P. nicht weiter stren lassen woll-te, und empfahl die klaffenden Wunden von David, dieserhatte sich die Pulsadern erffnet, mit Klemmpflaster zu ver-sorgen. Selbst ins Gefngnis kommen und den Patienten

    untersuchen wollte der Doktor nicht; erst zum regulrenDienstantritt um 7.00 Uhr werde er nach ihm sehen, manmge den Gefangenen solange in die B-Zelle sperren (einRaum, vllig kahl, ein Loch im Boden als WC-Ersatz). Nurlebte um 7.00 Uhr David nicht mehr. Der vom Sanitter zwi-schenzeitlich alarmierte Notarzt konnte spter nur noch denTod von ihm feststellen. Doktor Kurt P. hatte in dieser Nachtausdrcklich Bereitschaftsdienst!

    Der Nrnberger Strafrechtler Bernd Ophoff, der die Elterndes 23-jhrigen David S. vertritt geht von einer Ttungdurch Unterlassung aus.

    Das Justizministerium sah keinen Anlass den Gefngnisarztzu suspendieren, obwohl ihm selbst von der Staatsanwalt-schaft in Auftrag gegebene Gutachten schwer wiegendesFehlverhalten bescheinigen. Zynisch mutet die Aussagedes Leiters der JVA Nrnberg an, der angesichts des Todesvon David S. und dem Verhalten des Arztes Kurt P. davonschwrmt mit welchem groem Einsatz und Engagementdieser seit mehr als 20 Jahren vorbildlich hinter Gittern sei-nen Dienst tue.

    Zwischenzeitlich prft der Petitionsausschuss den Fall, ins-besondere die Frage einer mglichen Suspendierung.

    (Quelle: Sddeutsche Zeitung, 18. Mai 2009)

    Folter in Jugendgefngnis

    fang Juli 2009 wurde ruchbar, dass mehrere Gefangeneder Jugendstrafanstalt Regis-Breitingen im Frhjahr 2008en Jugendstrafgefangenen ber Wochen schwer miss-ndelt haben sollen; am Ende sollen die Tter versucht ha-n, ihr Opfer zu tten, was ihnen jedoch misslungen sei.

    r Aufschrei in den Medien war gro; nicht so gro wieNovember 2006, als in der JVA Siegburg (bei Bonn) eingefangener zu Tode geqult wurde, jedoch immerhin. Esb zahlreiche Berichte in den regionalen und berregiona-Medien ber den Fall an sich und die Situation speziell in

    gendgefngnissen im Besonderen. Was war geschehen?

    Insgesamt neun Gefangene zwischen 15 und 24 Jahren sol-len ihr Opfer, einen 18-jhrigen Mitgefangenen, zwischenApril und Mai 2008 geschlagen, mit kochendem Wasser ver-brht, bedroht und schlielich versucht haben zu erdros-seln. Die Staatsanwaltschaft Leipzig hat die Tatverdchtigenzwischenzeitlich angeklagt.Emprt zeigte sich der Brgermeister von Regis-Breitingenbei Leipzig darber, dass er als Vorsitzender des Anstalts-beirats 2008 nicht von dem Vorgang zeitnah informiertworden sei. Beim Anstaltsbeirat handelt es sich meist umPolitiker oder sonstige Honoratioren aus der Gemeinde derjeweiligen Anstalt, die nach dem Gesetzeswortlaut bei der

    Gestaltung des Vollzuges und bei der Betreuung der Gefan-genen mitwirken (vgl. 163 Strafvollzugsgesetz). Insbe-sondere haben sie durch Anregungen und Verbesserungs-vorschlge den Anstaltsleiter zu untersttzen.

    Im Haftalltag erleben viele Gefangene die jeweiligen Bei-ratsmitglieder als eher desinteressiert, oder aber als verln-gerten Arm des Anstaltsleiters.Aufschlussreich war in vorliegendem Fall eine Pressemittei-lung des Schsischen Justizministeriums vom 06. Juli 2009(Medieninformation 64/09), denn dort merkte man an, derBeirat der Anstalt sei im Juni 2008 ber die Misshandlungdes Gefangenen und die Einschaltung der Staatsanwalt-schaft informiert worden.

    Und so musste am 15.07.2009 der erwhnte Beiratsvor-sitzende kleinlaut einrumen, dass er tatschlich seinerzeitinformiert wurde, jedoch habe man ihm keine Details mit-geteilt, schob er nach.

    Dies deckt sich mit den Erfahrungen der Gefangenen ande-rer Anstalten: die Beiratsmitglieder sitzen mit der Anstalts-leitung bei Kaffee und Keksen zusammen, gelegentlich wer-den sie durch Teile der Anstalt gefhrt. Und wenn sich malein Gefangener zu einem Gesprch meldet und um Hilfe

    bittet, darf der Betreffende schon froh sein, wenn er amEnde die Mitteilung erhlt, man werde die Anstaltsleitungbitten, Stellung zu nehmen. Und mit der dann eingeholtenStellungnahme ist die Angelegenheit auch beendet; d.h.kritisches Hinterfragen der Haltung der Anstaltsleitung isteine Seltenheit. Gerne wird sich jedoch mit der Urkunde ge-schmckt, die es fr dieses Ehrenamt seitens des jeweiligenBundeslandes gibt.

    Gewalt in Gefngnissen, und gerade in Jugendstrafanstal-ten ist Alltag!

    Wo Menschen mit problematischen Biografien auf engstemRaum zusammengepfercht werden, man ihnen die Mglich-keit nimmt, einander auch auszuweichen, gedeihen Nchs-tenliebe und Friede in den seltensten Fllen. Auch wenn diesdas Verhalten der mutmalichen Tter nicht entschuldigt,so sollten gerade solche Vorflle Anlass sein, ber Alterna-tiven zu den Knsten nachzudenken.Aber es ist genauso zu fragen, weshalb weder der Beirat(dem brigens auch eine Abgeordnete der LINKE angehrt)noch der Justizminister von sich aus 2008 die ffentlich-keit informierten. Der Minister behauptet, der Schutz derPersnlichkeitsrechte der betroffenen Jugendlichen (vgl.Medieninformation vom 06.07.2009) habe im Vordergrundgestanden. Soviel Fingerspitzengefhl bewies Minister Ma-ckenroth vor einigen Jahren, als er seine Solidaritt mitPolizei-Vizeprsident Daschner (dieser hatte einem Ver-dchtigen Folter androhen lassen) bekundete, nicht; abervielleicht ist Folter fr ihn auch deshalb nicht etwas allzuauergewhnliches.

    In deutschen Gefngnissen werden nach einschlgigen Un-tersuchungen (vgl. Sicherheitsempfinden im Justizvollzugin: Justiznewsletter der Fhrungsakademie im niedersch-sischen Justizvollzug, Ausgabe 10 vom 16.04.2009, www.fajv.de) fast 30 % der Inhaftierten whrend ihrer Haftzeit

    Opfer von Gewalt, Bedrohung oder Erpressung (nur ber-troffen z.b. von Lettland, Polen und Litauen).

    Seit Gefngnisse existieren gibt es Folter und bergriffe, obnun seitens Gefangener auf Mitgefangene oder Wrter aufInhaftierte und solange es Gefngnisse geben wird, hatdiese Gewaltspirale kein Ende!

    Nachrichten aus dem Strafvollzug August 2009

    Im folgenden berichte ich zum einen ber das Therapiekon-zept des Justizvollzugskrankenhauses Hohenasperg (Ba-den-Wrttemberg) fr Drogenabhngige (1.), im weiterenber den im Juni 2009 im Dsseldorfer Landtag vorgestell-ten Jahresbericht des Ombudsmanns fr den Justizvollzugin NRW (2.) und schliee mit einem Beispiel aus dem kafka-esken Vollzugsalltag unter dem Stichwort Styropor-Kuchen-ring-Affre (3.).

    1.) TherapiekonzeptDrogenabhngige Gefangene in Baden-Wrttemberg kn-

    nen auf dem Hohenasperg (bei Stuttgart gelegen) eine ent-sprechende Therapie erhalten. Sie leben in Mehrmannzellenund haben sich dem Therapiekonzept der Anstalt zu unter-werfen. Der Therapieverlauf wird von einem so genanntenPhasenmodell bestimmt, d.h. nach der Beobachtungspha-se von etwa einem Monat folgt die Zugangsphase (Dauer 3Monate) und hieran anschlieend die Beobachtungsphase(Dauer 8 Monate), wobei nach letzterer Phase eine Entlass-vorbereitung einsetzen sollte.

    Grundlage fr die tgliche Arbeit mit den Gefangenen isteine Interventionssystem genannte Methodik. In dem Pa-pier der Anstalt (Station: PS IV, Stand: 02.07.2009) heites wrtlich: Das Interventionssystem beruht auf dem Ver-stndnis des selbstbestimmten und ressourcenorientiertenHandelns und Verhaltens des Patienten. Sie sollen durch dieregelmige Rckmeldung ihres Verhaltens (in Form vonPunkten) zu positiven Verhaltensnderungen ermutigt wer-den.

    Was hat es mit den Punkten auf sich? Insgesamt gibt esfnf Kriterienlisten: Therapie-Checkliste, HOSS (=Hygi-ene, Ordnung, Sauberkeit, Sicherheit), Sport-Liste, Kom-munikations-Liste und Lockerungs-Liste. Wer nun von einerPhase (siehe oben) in die nchste Phase aufrcken oderspter Vollzugslockerungen erhalten mchte, der bentigteine bestimmte Mindestpunkte-Zahl.Hinsichtlich der HOSS-Liste kontrollieren die Wrter an 7(!) Tagen der Woche Bett, Schrank, Nachttisch, Khlfach,Sauberkeit, etc. und machen Zitat - Hkchen in einerListe, wenn sie meinen, alles sei in Ordnung. 49 Hkchen

    knnen pro Woche ergattert werden. Zwischen 45 und 49Hkchen gibt es am Ende der Woche einen Punkt, zwi-schen 40 und 45 gibt es keinen, bei unter 40 Hkchen er-folgt ein Punkteabzug und Nacharbeit.

    Fr fast jede Lebensuerung innerhalb der Therapie gibtes Punkte, Hkchen oder entsprechenden Punkteabzug. Frkorrekte Sportkleidung ebenso wie fr Wortwahl, akti-ves Zuhren und respektvollen Umgang.

    Wer in der Behandlungsphase die Grenze von 110 Punktenunterschreitet, erhlt keine Vollzugslockerungen, da in die-sem Fall nicht mehr mit gebotener Sicherheit das Vorliegeneiner Flucht- und Missbrauchsgefahr ausgeschlossen wer-den knne. Wer also sein Bett nicht oft genug ordentlichmacht oder zum Sport nicht in angemessener Kleidungerscheint, dem werden in letzter Konsequenz Vollzugslocke-rungen verwehrt. Eine juristisch zumindest kreativ zu nen-nende Auffassung und Praxis aber wo kein Klger, da kein

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    hter. Ob es zudem psychologisch Sinn macht, die Ge-ngenen regelrecht dazu abzurichten, sich Hkchen undunkte durch Anpassungsverhalten zu erdienen, scheintmindest fraglich.

    Jahresbericht des Ombudsmanns NRW

    t 2007, in Folge eines Mordes an einem Gefangenen inr JVA Siegburg, gibt es in Nordrhein-Westfalen einen Om-dsmann fr den Justizvollzug. Seit 2007 wird dieses Amtn dem ehemaligen Direktor am Amtsgericht Rolf Shn-en bekleidet.seinem 74-seitigen Bericht fr den Zeitraum Mrz 2008Mrz 2009 widmet Shnchen sich ausgiebig den Pro-

    men des Vollzugspersonals, angefangen bei hohen Kran-nstnden, geringer Wertschtzung ihrer Arbeit oder derengen ber die lange Dauer von Versetzungsgesuchen, undnn auch den Problemen und Themen, welche Inhaftierteer deren Angehrige beschftigen.einer Sitzung des Rechtsausschusses des Landtags insseldorf vom 17. Juni 2009 (Ausschussprotokoll 14/908,ite 4ff) gab Shnchen seine Einschtzung ber Gefange-wie folgt zu Protokoll:

    egen ihn selbst laufe ein Prozess, weil er einen Gefange-

    n gentigt haben solle. Er wisse, wovon er rede. Deshalblle er dem ein oder anderen in Erinnerung rufen (...),ss die Gefangenen es mit ihrer Wahrheitsliebe nicht sehrnau nhmen.

    ese pauschalisierende Diffamierung der Gefangenen istzeichnend und sagt viel ber die Einstellung des Ombuds-anns aus.

    hrend des Berichtzeitraums habe er mit 529 Bedienste-n und 383 Gefangenen gesprochen (Jahresbericht, a.a.O.,te 9). 57 Bedienstete htten ihn zudem angeschriebend von Gefangenen seien 873 Eingaben, sowie von An-hrigen 36 Eingaben zu verzeichnen gewesen. Die gr-Zahl an Eingaben, so ist dem Bericht (a.a.O., Seite 10)entnehmen, kam aus der JVA Duisburg-Hamborn (151),nach folgte Geldern (69), Gelsenkirchen (55), sowie Bo-um und Kleve mit je 49 Eingaben. Auf den Seiten 20-schlsselt Shnchen die Anliegen im Einzelnen auf. Die

    te Zahl an Eingaben (69) erfolgte zur Problematik derrlegung in den Offenen Vollzug, auf Platz 2 folgten Pro-me mit Bediensteten (4Cool und ein Zuwenig an Voll-gslockerungen (42 Eingaben).

    Teil V und VI seines Berichtes geht der Ombudsmann auf

    insgesamt 43 Problembereiche zumindest etwas nher ein.Ob nun das Problem der Genehmigung einer Playstation II(wird weiterhin vom Justizministerium aus Sicherheitsgrn-den abgelehnt, was aber selbst dem Ombudsmann sachlichnicht wirklich nachvollziehbar erscheinen mag), der Frageder Eingangsbesttigung von Gefangenenantrgen und derfr sie eingehenden Post oder Auswirkungen der vor einigerZeit eingefhrten zustzlichen Prfungsstufe vor der Ge-whrung von Vollzugslockerungen.

    Mittlerweile soll es wohl eine Weisung des Justizministeri-ums geben, wonach die Jahresberichte in den Anstaltsbib-liotheken zur Entleihe fr die Gefangenen bereit zu haltenseien.Von 27 Anstaltsleitern hatten immerhin 10 Bedenken ge-gen eine Auslegung des Berichts, denn schlielich gingendie Gefangenen die in den Berichten geschilderten Proble-me der Bediensteten nichts an (a.a.O., S. 49).

    Wer sich mit der Materie Strafvollzug beschftigen mchte,erhlt durch den Bericht zumindest einen ersten Einblick,wenn dieser jedoch auch mitunter etwas einseitig gert,was aber nicht berrascht, wenn man bedenkt, dass dessenAutor ehemaliger Direktor eines Amtsgerichts und mithinvon Hause aus sehr justiznah ist.

    3.) Styropor-Tortenring-Affre

    Wer kennt sie nicht, die Styropor-Tortenringe von Tiefkhl-torten?Seit Urzeiten knne sich Gefangene in Bruchsal zweimal imMonat von ihrem Verdienst Lebensmittel kaufen, und ebenauch Tiefkhltorten. Gefangener Gerd T. behielt einen sol-chen Styropor-Tortenring in seiner Zelle, da er diesen gutgebrauchen konnte, um sich aus Fertigtortenboden selbsteinen Kuchen zu machen. Eines Tages gefiel es dem Wrter,den Tortenring an sich zu nehmen und als Mll zu entsor-gen und ohne Gerd T. zuvor zu befragen. Dieser wandtesich an das Gericht und dieses gab ihm vollumfnglich recht(LG Karlsruhe, 151 StVK 27/09, 08.07.2009). Die Entnah-me und Entsorgung war, so die Kammer rechtswidrig.

    Wie sah nun die Reaktion der Anstaltsleitung aus? Sie ent-schuldigte sich bei dem Gefangenen T.?? Aber nein! hnlicheinem trotzigen Kind, das aufstampft, wenn Vater mit ihmschimpft, nutzte die Anstalt, bzw. das zustndige Personalseine Macht und verbot kurzerhand den Kauf der besagtenTiefkhltorten fr die Zukunft und setzt so ihre Vorstellungauf diesem Wege durch.

    Schweinegrippe im Knast

    n ist die Schweinegrippe auch im Gefngnis angekom-en. In der JVA Freiburg wurden Anfang August 14 Gefan-ne in Quarantne genommen, sprich in das Krankenre-r verlegt, da sie Kontakt zu einem Wrter hatten der sichf seinem Mallorca-Urlaub mit dem H1N1-Virus infizierte.ch weitere Wrter gelten als potentielle Gefahr, da sie mitm Mallorca-Urlauber eine Fahrgemeinschaft bildeten.leiden haben jedoch alle Insassen des Freiburger Gefng-ses, da vorbeugend die Anstalt nahezu vllig abgeriegeltrde. Keinerlei Besuche durften empfangen werden, keine

    ansporte, keine Termine bei Gericht, keiner darf arbeitens auf die Insassen der Kche und anderer hnlich wichti-r Bereiche), selbst der nun alle 14 Tage stattfindene Ein-ufstag steht auf der Kippe.

    Bei allem Verstndnis fr Prophylaxe, dieses Manahmen-paket, das wohlgemerkt fr die Insassen gilt, nicht nur die14 unter Quarantne stehenden, erscheint berzogen. Zu-mindest erhalten die Gefangenen die Lohnausfall erleidendiesen ersetzt (vgl. 56 Infektionsschutzgesetz, Zahlungs-pflichtig ist das jeweilige Bundesland, vgl. 66 IfSG).

    Bis 9.8.2009 sind die Manahmen vorerst befristet; es bleibtabzuwarten wie danach verfahren wird. Angesichts der umsich greifenden Infektionsflle, wir sind in der Hauptreise-zeit, drfte es noch weitere Knste treffen.

    Wie es sein sollte, der Dezemberaufstand gebar und ent-faltete Gedanken, erschuf und beendete Beziehungen, zer-strte Konsumgter, verdammte und dmmte dominanteStrukturen ein. Dieser Weg, wenngleich hoffnungsvoll underfrischend, hat seinen Preis. Denen, der der Atem genom-men und deren Augen durch Chemikalien verbrannt wur-den, die Tausenden, die verhaftet wurden, die Hunderten,die inhaftiert wurden, die unbekannte Zahl von einfachverschwundenen MigrantInnen, sind diejenigen, die nundiesen Preis tragen zu tragen haben.

    Thodoris Iliopoulos ist ein Anarchist und war der letzteGefangene des Aufstands im Dezember in Griechenland,der in Untersuchungshaft sass. ber acht Monaten langkmpfte er mit der Rache des Staates und seiner Instituti-onen. Am 10. Juli 2009 trat er in einen Hungerstreik. Ver-haftet wurde er am 18. Dezember 2008 in der Akadimias-Strasse in Athen whrend einer groen Aktion der Riotcopsin Folge des Aufstands.Seit dem 22. Dezember befindet er sich im Knast Koryda-los, aufgrund der Anschuldigung drei Verbrechen began-gen zu haben, fr die es aber nur ZeugInnen auf Seiten

    der Bullen gibt. Thodoris weist alle Anschuldigungen gegensich zurck und hat eine Kampagne initiiert, welche seineUnschuld beweisen soll. Am 8. Juli wurde sein Antrag aufEntlassung bis zum Prozess von einer hheren justiziellenInstanz abgewiesen, da er ein Anarchist sei und deswegendie Demokratie verletzt htte und weiterhin eine Gefahrfr die ffentliche Ordnung darstellen wrde. Gleichzeitigwurden sechs weitere Monate Untersuchungshaft ange-ordnet, daraufhin entschied er sich in den Hungerstreik zutreten.In Solidaritt mit Thodoris trat der Gefangene Nicos Tsou-valakis ebenfalls in einen Hungerstreik, um die Freilassungvon Thodoris zu fordern und im Protest gegen die ent-menschlichenden Bedingungen im Knast. Zustzlich erklr-ten die Inhaftierten im Flgel Eins des Knastes Korydalos,dass sie von Montag, 13. Juli an das Essen, welches derKnast ausgibt, verweigert wollen.Am 27. August, nach 49 Tagen im Hungerstreik, nach ei-nem weltweiten Aktionstages am 24. August, und in einemsehr kritischen krperlichen Zustand, weil ihm lange Zeiteine Verlegung in ein Krankenhaus von Seiten des Knastesverweigert wurde, wurde Thodoris entlassen und in einKrankenhaus gebracht. Die Zeit bis zum Prozess wird ernicht hinter den grausamen Gittern des Knastes verbrin-gen mssen.

    Ein Brief vom Thodoros aus dem Knast vom 9. Juli

    Heute, 9. Juli 2009

    Am 8. Juli, nach sechseinhalb Monaten im Knast, wo ichgelandet bin nach den Vorfllen im Dezember, beschuldigtfr Dinge, die ich nie gemacht habe, hat das Gericht frmindere Delikte die Ausweitung meiner Untersuchungshaftbestimmt.

    Das ist die einzigste Gerichtsentscheidung, welche die Aus-weitung einer Inhaftierung fr die Ereignisse von Dezember,angeordnet hat. Zu einem Zeitpunkt, wo jede andere Per-son, die sich in Untersuchungshaft aufgrund des Dezembe-raufstands befand (mit den gleichen oder anderen Anschul-digungen), bereits entlassen wurde.

    Die Entscheidung offenbart persnliche Befangenheit undHass mir gegenber. Gefhle, die sich nicht rechtfertigenoder erklren lassen und eine Entscheidung, die voreinge-nommen, unfair und automatisch illegal ist, so wie jede In-haftierung.

    Konfrontiert mit dem Hass gegen mich, gegen das unfai-re Urteil, das ich absitzen muss in jedem Fall, gegen diedickkpfige Weigerung der RichterInnen und Staatsanwalt-schaft die wahren Fakten und die Wahrheit in meinem Fallzu sehen, gegen die offensichtliche und beispiellose Vorur-teilhaftigkeit, habe ich keine andere Waffe, um zu kmpfen,als mit meinem Krper.

    Ich werde in den Hungerstreik treten. Dies ist das einzigsteMittel, welches mir als Gefangener bleibt, um die Wahrheitherauszuschreien und die Ungerechtigkeit und Voreinge-nommenheit der Mechanismen der Gerechtigkeit zu de-nunzieren. Um die Willkr und die Gewalt der blinden Jus-tiz und ihrer eben so blinden DienerInnen blozustellen.

    Ab Freitag, 10. Juli, werde ich keine Nahrung zu mir neh-men und der Knastleitung eine Hungerstreikerklrung zu-kommen lassen.

    Diejenigen, die die Ereignisse vom Dezember erlebt haben,diejenigen, die die Gewalt dieser Mechanismen erfahren ha-ben, diejenigen, die die Hrte der Knastzellen erlebt haben mit oder ohne Gefngnisstrafe diejenigen, die wissen,dass der einzigsten Weg zur Freiheit der Widerstand ist, die-jenigen, die auf die juristische Willkr und dessen Horror re-agieren, sind d