Entfremdung von der Landwirtschaft SGBV › fileadmin › bauern-sg › ueber_uns › ... · Der...

3
11 St.Galler Bauer 14–2017 SGBV 44. Delegiertenversammlung des St. Galler Bauernverbands Entfremdung von der Landwirtschaft 275 Delegierte und zahlreiche Gäste des St. Galler Bauernver- bands strömten vergangene Woche in die Mehrzweckan- lage Unterdorf in Grabs. Neuwahlen und das Referat «Landwirtschaft wohin? Ein Vergleich mit der Wirtschaft» standen an der diesjährigen Delegiertenversammlung im Zentrum. Text: Melanie Graf, Redaktion «Während der Vorbereitung zur heutigen Delegiertenversammlung habe ich auch meine letztjährige Begrüssungsrede nochmals her- vorgeholt. Eigentlich ist dort schon vieles dringestanden, was ich auch heute vortragen könnte», sagte Peter Nüesch, Präsident des SGBV in der Eröffnung seiner Rede. Auch das Jahr 2016 sei ein Jahr mit Höhen und Tiefen gewesen. Er kritisierte, dass die Negativ-Be- richterstattung im vergangenen Jahr zugenommen habe. Unter an- derem habe die Plakatkampagne von Pro Natura und der Antibioti- kaeinsatz in der Landwirtschaft die Bauern als Sündenbock angepran- gert. Dies zeige, dass sich Land- wirtschaft und Gesellschaft ent- fremdet haben. «Das Interesse an der Landwirtschaft lässt nach, da Lebensmittel aus dem Einzelhan- del kommen und die Produkte in den Regalen der Detaillisten im- mer verfügbar sind.» Der Verbandspräsident kam auf die Märkte zu sprechen. Es freut ihn, dass rotes Fleisch, Geflügel, Gemüse, Obst, Regionales und Bio sehr gut laufen. Sorgenkind sei nach wie vor ganz klar die Molke- reimilchproduktion. Tragfähige Lösungen Auch Regierungsrat Bruno Damann, Vorsteher des Volkswirtschaftsdepar- tements St. Gallen, kam in seinem Grusswort auf die Situation in der Milchbranche zu sprechen. «Ich bin mir bewusst, dass die Einkommens- situation in den Milchwirtschaftsbe- trieben sehr schwierig ist und man- che Familien Mühe haben, ihre Fi- nanzen im Gleichgewicht zu be- halten.» Vor diesem Hintergrund würde man sich Gedanken machen, wie und wo der Kanton Einfluss auf diese unbefriedigende Situation nehmen könne. «Allerdings», so gab er zu, «sind die Handlungs- möglichkeiten der Kantone sehr be- schränkt.» Ein weiteres Thema, welches die Bauern beschäftige, sei die Sorge um das Kulturland. Das Anliegen sei in der politischen Diskussion aufge- nommen worden. «Als Volkswirt- schaftsdirektor muss ich aber zu be- Fast 300 Delegierte des St. Galler Bauernverbands fanden sich zur Versammlung in Grabs ein. Bilder: Daniela Huijser «Lebensmittel kommen aus dem Einzelhandel und sind immer verfügbar.» Peter Nüesch

Transcript of Entfremdung von der Landwirtschaft SGBV › fileadmin › bauern-sg › ueber_uns › ... · Der...

Page 1: Entfremdung von der Landwirtschaft SGBV › fileadmin › bauern-sg › ueber_uns › ... · Der neue Vorstand des SGBV: Peter Nüesch, Brigitte Ammann, Köbi Büsser, Heidi Preisig,

11

St.G

alle

r Bau

er 1

4–2

017

SGBV44. Delegiertenversammlung des St. Galler Bauernverbands

Entfremdung von der Landwirtschaft275 Delegierte und zahlreiche Gäste des St. Galler Bauernver­bands strömten vergangene Woche in die Mehrzweckan­lage Unterdorf in Grabs. Neuwahlen und das Referat «Landwirtschaft wohin? Ein Vergleich mit der Wirtschaft» standen an der diesjährigen Delegiertenversammlung im Zentrum.

Text: Melanie Graf, Redaktion

«Während der Vorbereitung zur heutigen Delegiertenversammlung habe ich auch meine letztjährige Begrüssungsrede nochmals her-vorgeholt. Eigentlich ist dort schon vieles dringestanden, was ich auch heute vortragen könnte», sagte Peter Nüesch, Präsident des SGBV in der Eröffnung seiner Rede. Auch das Jahr 2016 sei ein Jahr mit Höhen und Tiefen gewesen. Er kritisierte, dass die Negativ-Be-richterstattung im vergangenen

Jahr zugenommen habe. Unter an-derem habe die Plakatkampagne von Pro Natura und der Antibioti-kaeinsatz in der Landwirtschaft die Bauern als Sündenbock angepran-gert. Dies zeige, dass sich Land-wirtschaft und Gesellschaft ent-fremdet haben. «Das Interesse an der Landwirtschaft lässt nach, da Lebensmittel aus dem Einzelhan-del kommen und die Produkte in den Regalen der Detaillisten im-mer verfügbar sind.» Der Verbandspräsident kam auf die Märkte zu sprechen. Es freut ihn, dass rotes Fleisch, Geflügel, Gemüse, Obst, Regionales und Bio sehr gut laufen. Sorgenkind sei nach wie vor ganz klar die Molke-reimilchproduktion.

Tragfähige LösungenAuch Regierungsrat Bruno Damann, Vorsteher des Volkswirtschaftsdepar-tements St. Gallen, kam in seinem Grusswort auf die Situation in der Milchbranche zu sprechen. «Ich bin

mir bewusst, dass die Einkommens-situation in den Milchwirtschaftsbe-trieben sehr schwierig ist und man-che Familien Mühe haben, ihre Fi-nanzen im Gleichgewicht zu be- halten.» Vor diesem Hintergrund

würde man sich Gedanken machen, wie und wo der Kanton Einfluss auf diese unbefriedigende Situation nehmen könne. «Allerdings», so gab er zu, «sind die Handlungs-möglichkeiten der Kantone sehr be-schränkt.»Ein weiteres Thema, welches die Bauern beschäftige, sei die Sorge um das Kulturland. Das Anliegen sei in der politischen Diskussion aufge-nommen worden. «Als Volkswirt-schaftsdirektor muss ich aber zu be-

Fast 300 Delegierte des St. Galler Bauernverbands fanden sich zur Versammlung in Grabs ein. Bilder: Daniela Huijser

«Lebensmittel kommen aus dem Einzelhandel und sind

immer verfügbar.»Peter Nüesch

Page 2: Entfremdung von der Landwirtschaft SGBV › fileadmin › bauern-sg › ueber_uns › ... · Der neue Vorstand des SGBV: Peter Nüesch, Brigitte Ammann, Köbi Büsser, Heidi Preisig,

12

SGBV

St.G

alle

r Bau

er 1

4–2

017 denken geben, dass wir auch auf

eine florierende Wirtschaft ange-wiesen sind. Wir brauchen eine Wirt-schaft, die Arbeitsplätze bietet und Einnahmen für den Staatshaushalt generiert.» Weiter sprach Damann über den Wolf, die landwirtschaftli-che Bildung und die Biodiversitäts-strategie. Es gäbe zahlreiche ge-meinsame Fragestellungen und Baustellen. Man werde gemeinsam nach zukunftsfähigen und tragfähi-gen Lösungen suchen.

Löhne wie Bundesräte«Das Jahr 2017 ist ein entschei-dendes Jahr», sagte Nationalrat Markus Ritter, Präsident des Schweizer Bauernverbands. Die Er-nährungssicherheit soll in der Bun-desverfassung verankert werden. Sollte die Bevölkerung am 24. Sep-tember ein Ja in Urne legen, werde man Schweizer Geschichte schrei-ben, ist Ritter überzeugt. Dazu sei es nötig, dass die Landwirte mobil machen.Er sprach weiter von einem stabilen Zahlungsrahmen bei den Direktzah-lungen. Viel wichtiger aber seien die Erlöse am Markt. In der Schweiz werden zehn Milliarden Franken am Markt mit landwirtschaftlichen Pro-dukten erzielt. Das sei dreimal mehr als das Direktzahlungsbudget. «Un-

ser Ziel ist es, die Rahmenbedingun-gen weiter zu verbessern und den Landwirten Perspektiven zu bieten. In der Milchproduktion sei dies im Moment sehr schwierig. Er kritisier-te den Zwischenhandel auf dem Molkereimilchmarkt. Die Geschäfts-führer der grössten Milchverarbei-ter hätten mehr Lohn als der Bun-desrat. Andreas Widmer ergänzte den Jah-resbericht 2016 mit einigen Wor-ten. Rückblickend könne festgehal-ten werden, dass die Verbandsar-beit 2016 fast ausnahmslos die generelle Situation in der Landwirt-schaft spiegle. «Die Interessensver-tretung für unsere St. Galler Land-wirtschaft – die Kernaufgabe unse-rer Verbandstätigkeit – wurde auch 2016 nochmals breiter und kom-plexer», sagte Widmer. Dies habe den Verband aber nicht daran ge-hindert, die Interessen der 3368 Mitglieder mit den möglichen und unmöglichen Mitteln wahrzuneh-men. Rund ein Drittel der Mitglie-der habe irgendwann während des Jahres direkt den Support der Ge-schäftsstelle in Anspruch genom-

men. 98 Betriebe habe der Verband 2016 bei teilweise umfangreichen Abklärungen und Rechtsverfahren begleitet.

Neue VorstandsmitgliederErika Schlegel aus Hemberg, Toni Huber aus Oberhelfenschwil (Vize-präsident) und Christian Vetsch aus Sevelen traten aus dem Vorstand zurück. Heidi Preisig aus Frümsen, Fredi Louis aus Ennetbühl und

Andreas Studach aus Mörschwil stellten sich an der Delegiertenver-sammlung zur Wahl. Der St. Galler Bauer hat die drei Kandidaten be-reits in der Ausgabe sechs vom 10. Februar vorgestellt. Alle drei Kan-didaten wurden von den Delegier-ten einstimmig für die Amtsdauer 2017 bis 2021 in den Vorstand ge-wählt. Brigitte Ammann aus Watt-

Der neue Vorstand des SGBV: Peter Nüesch, Brigitte Ammann, Köbi Büsser, Heidi Preisig, Bruno Wagner, Fredi Louis, Emil Tschirky, Fredi Mosberger und Andreas Studach (von links).

Ein Betrieb pro WochePro Woche schliesst im Durch-schnitt im Kanton St. Gallen ein Betrieb die Stalltore. Ende 2016 zählte der Kanton 3566 direktzah-lungsberechtigte Betriebe. Davon werden 382 biologisch bewirt-schaftet. 241 Betriebe haben die Milchviehhaltung innert zwei Jah-ren aufgegeben. Trotzdem werden mit 325 Millionen Kilo Milch im-mer noch zehn Prozent der ge-samtschweizerischen Menge im Kanton St. Gallen produziert. sgbv.

«Die Kernaufgabe der Verbandstätigkeit wurde breiter rund komplexer.»

Andreas Widmer

Page 3: Entfremdung von der Landwirtschaft SGBV › fileadmin › bauern-sg › ueber_uns › ... · Der neue Vorstand des SGBV: Peter Nüesch, Brigitte Ammann, Köbi Büsser, Heidi Preisig,

13

St.G

alle

r Bau

er 1

4–2

017

SGBV

wil, Köbi Büsser aus Amden, Bruno Wagner aus Niederbüren und Emil Tschirky aus Weisstannen wurden in ihrem Amt bestätigt. Das bisheri-ge Vorstandsmitglied Fredi Mos-berger aus Gossau ersetzt Toni Hu-ber als Vizepräsident. Peter Nüesch wurde für eine weitere Amtsdauer als Präsident gewählt.45 Personen zählt der Landwirt-schaftsrat. Er besteht aus Vor-

standsmitgliedern des St. Galler Bauernverbands, Präsidenten der regionalen landwirtschaftlichen Or-ganisationen, bäuerlichen Natio-nalräten, Präsidenten weiterer Or-ganisationen und Branchenvertre-tern. Die Geflügelbranche und der Imkerverband stellten den Antrag, je einen Sitz im Rat besetzen zu können. Da die Mitgliederzahl im Rat beschränkt ist, muss Platz ge-schaffen werden. Die zwei Sitze der Vereinigten Milchbauern Mitte Ost werden auf einen reduziert. Ebenso müssen die Vertreter der Bäuerli-chen Vereinigung Toggenburg zwei von drei Sitzen abgeben.Die Delegierten nahmen den Vor-schlag an und akzeptierten mit ei-ner Gegenstimme und sechs Ent-haltungen die Änderung. Neu be-setzen die Geflügelbranche durch Andreas Lehmann aus St. Peterzell und die Imker durch Felix Neyer aus Abtwil je einen Sitz im Rat. Ebenfalls neu im Rat Einsitz neh-men Margrit Müller aus Schmeri-kon für den Bäuerinnenverband und Markus Müller für die Obst-produzenten.

Ausgezeichnete GastgeberDer 1.-August-Brunch ist in der Schweiz ein Traditionsanlass. Die Familie Annemarie und Gerold Hofstetter aus Benken, die Familie Alexandra und Fritz Roth aus Ober-helfenschwil, Familie Sonja und Meinrad Ramer aus Tscherlach und Christopf Koch aus Gossau haben den 1.-August-Brunch seit zehn Jahren ohne Unterbruch durchge-führt. Für ihr Engagement wurden sie geehrt.Bei der allgemeinen Umfrage gab es keine Wortmeldungen. Als Re-ferent lud der SGBV Josef Schmid ein. Er sprach zum Thema «Land-wirtschaft wohin? Ein Vergleich mit der Wirtschaft». Der ausführliche Bericht dazu ist auf der Seite 16 zu lesen.

Schwerpunkte des SGBV 2017– Abstimmung zur Initiative Er-

nährungssicherheit– Die Lernendenzahl hoch halten

und bei der Bäuerinnenausbil-dung eine definitive und nach-haltige Lösung finden.

– Der Schutz des Kulturlandes– Raumplanung: Lösungen mit

den Behörden finden. – Strategie zum Thema «Wohin

mit der St. Galler Landwirt-schaft» mit Regierung entwi-ckeln.

– Überprüfung des Dienstleis-tungsangebot und der Verbands-finanzierung des SGBV. meg.

Präsident Peter Nüesch am Rednerpult.

Früherer RedaktionsschlussWegen der Osterfeiertage er-scheint die Ausgabe Nr. 15 des «St. Galler Bauer» bereits am Donnerstag, 13. April. Beiträge für diese Ausgabe sind deshalb bis Freitag, 7. April, 12 Uhr, an die Re-daktion zu senden. red.

T E L E XAntibiotika­Datenbank 2019. Die nationale Antibiotika-Daten-bank startet 2019. Beschlossen worden war die Datenbank vom Parlament im Jahr 2014. Mit der Einführung einer nationalen Da-tenbank soll der Antibiotikaver-brauch bei den Betrieben und den Tierärzten überwacht und nötigen-falls gesenkt werden. Die Ver-kaufsmengen, die Details zur Ver-schreibung, zu den Tieren und zum Halter sollen in der Datenbank aufgelistet werden. Ist der Antibio-tikaeinsatz zu hoch, könnte der Betrieb besucht, kontrolliert und beraten werden. lid.

Bundesrat soll Milchverträge durchsetzen. Die Organisationen Uniterre und Big-M haben heute mit einer symbolischen Aktion Bundesrat Johann Schneider-Am-mann aufgefordert, bei den Milch-verträgen zu handeln. Sie bekla-gen, dass heute lediglich zehn Prozent der Bauern über Verträge mit ihren Abnehmern verfügten, die gesetzeskonform seien. lid.

Spargel­Saison steht bevor. In Deutschland wurden in milden La-gen bereits die ersten Spargeln gestochen. Erwartet wird eine ähnliche Erntemenge wie im Vor-jahr, als rund 120 000 Tonnen Spargeln gestochen wurden. lid.