ENTREPRENEURSHIP: MEHR ALS GRÜNDUNGS- UND KMU …

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1 ENTREPRENEURSHIP: MEHR ALS GRÜNDUNGS- UND KMU-MANAGEMENT Dr. Sascha Kraus, Wirtschaftsuniversität Wien Dr. Matthias Fink, Wirtschaftsuniversität Wien 1. Einleitung In der Diskussion über die Entwicklung von Gesellschaften und Volkswirtschaften moderner Nationen wird dem Unternehmertum insbesondere seit den 1990er Jahren eine zunehmend wichtige Rolle zugeschrieben. 1 Unternehmerisches Denken und Handeln wird dabei gerade in dynamischen Kontexten verstärkt als geeignete Antwort auf den sich zusehends verschärfen- den internationalen Wettbewerb gesehen. 2 In dieser Zeit wird unternehmerisches Denken und Handeln in neu gegründeten oder in bereits etablierten Betrieben mit dem Begriff Entrepreneurship bezeichnet. 3 Entrepeneurship ist eine der jüngsten Teildisziplinen der Betriebswirtschaftslehre, mit den Hauptthemen Wachstum, Innovation und Flexibilität. 4 Dabei sind die Leitfragen der Entrepreneurshipforschung: 1.) Wie wirkt unternehmerisches Handeln? (volkswirtschaftliche Perspektive), 2.) Warum handeln Personen unternehmerisch? (verhaltenswissenschaftlich- psychologisch-soziologische Perspektive), 3.) Wie handeln Unternehmer? (betriebswirt- schaftliche Fragestellungen). 5 Damit geht es der Entrepreneurshipforschung im Kern darum, zu klären welche Personen wie, warum, mit wem, wo und unter Einsatz welcher Ressourcen welche Art von Firma gründen, welche Produkte oder Leistungen dabei am Markt angeboten werden und welcher geschäftliche Erfolg damit verbunden ist. 6 Sämtliche erfolgreichen Unternehmen der heutigen Zeit existieren aufgrund unter- nehmerischer Bemühungen ihrer Gründer. Der Begriff Entrepreneurship bezeichnet in den Medien, aber auch in der Literatur daher häufig nur die Gründung neuer Unternehmen. Analog werden die Begriffe Entrepreneur und Unternehmensgründer oft synonym ver- wendet. 7 Genauer wäre allerdings eine Übersetzung mit Unternehmer, die auch den Unter- nehmensgründer inkludiert. Eine solche Übersetzung des ursprünglich aus dem Französischen stammenden und anglisierten Begriff Entrepreneurship lässt aber das innovative bzw. kreative Element außer Acht. 8 Ein gemeinsames Begriffsverständnis festzumachen wird auch dadurch erschwert, dass es für den ursprünglich aus dem Französischen stammenden und anglisierten Begriff Entrepreneurship im Deutschen kein perfektes Synonym gibt. Bei Entrepreneurship geht es – wenn auch nicht ausschließlich, aber zumindest meist – um kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Diese bilden mehr als 95 Prozent aller Unter- nehmen in den OECD-Mitgliedsländern und beschäftigen 66 Prozent aller Erwerbstätigen in der Privatwirtschaft innerhalb der Europäischen Union. Gemessen an der Anzahl der Unter- nehmen sowie der Beschäftigten sind KMU also keine Randgruppe, sondern ein erheblicher 1 Vgl. Brock und Evans (1989), S. 7 ff.; Carree und Thurik (2000), S. 437 ff. 2 Vgl. Dess et al. (1999), S. 85; Hitt und Reed (2000), S. 23 ff. 3 Zumeist als „Intrapreneurship“, tw. auch „Corporate Entrepreneurship“ bezeichnet; vgl. z.B. Pinchot (1986); Kieser und Armbruster (2003); Frank (2006). 4 Vgl. Vgl. Kuratko (2003), S. 1 ff.; Churchill und Lewis (1983), S. 30 ff. 5 Vgl. Stevenson und Jarillo (1990b), S. 17 ff. 6 Vgl. Davidsson (2006) 7 Vgl. Harms (2004), S. 63. 8 Vgl. Malek und Ibach (2004), S. 105; Füglistaller et al. (2004), S. 2

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ENTREPRENEURSHIP: MEHR ALS GRÜNDUNGS- UND KMU-MANAGEMENT

Dr. Sascha Kraus, Wirtschaftsuniversität Wien Dr. Matthias Fink, Wirtschaftsuniversität Wien

1. Einleitung In der Diskussion über die Entwicklung von Gesellschaften und Volkswirtschaften moderner Nationen wird dem Unternehmertum insbesondere seit den 1990er Jahren eine zunehmend wichtige Rolle zugeschrieben.1 Unternehmerisches Denken und Handeln wird dabei gerade in dynamischen Kontexten verstärkt als geeignete Antwort auf den sich zusehends verschärfen-den internationalen Wettbewerb gesehen.2 In dieser Zeit wird unternehmerisches Denken und Handeln in neu gegründeten oder in bereits etablierten Betrieben mit dem Begriff Entrepreneurship bezeichnet.3

Entrepeneurship ist eine der jüngsten Teildisziplinen der Betriebswirtschaftslehre, mit den Hauptthemen Wachstum, Innovation und Flexibilität.4 Dabei sind die Leitfragen der Entrepreneurshipforschung: 1.) Wie wirkt unternehmerisches Handeln? (volkswirtschaftliche Perspektive), 2.) Warum handeln Personen unternehmerisch? (verhaltenswissenschaftlich-psychologisch-soziologische Perspektive), 3.) Wie handeln Unternehmer? (betriebswirt-schaftliche Fragestellungen).5 Damit geht es der Entrepreneurshipforschung im Kern darum, zu klären welche Personen wie, warum, mit wem, wo und unter Einsatz welcher Ressourcen welche Art von Firma gründen, welche Produkte oder Leistungen dabei am Markt angeboten werden und welcher geschäftliche Erfolg damit verbunden ist.6

Sämtliche erfolgreichen Unternehmen der heutigen Zeit existieren aufgrund unter-nehmerischer Bemühungen ihrer Gründer. Der Begriff Entrepreneurship bezeichnet in den Medien, aber auch in der Literatur daher häufig nur die Gründung neuer Unternehmen. Analog werden die Begriffe Entrepreneur und Unternehmensgründer oft synonym ver-wendet.7 Genauer wäre allerdings eine Übersetzung mit Unternehmer, die auch den Unter-nehmensgründer inkludiert. Eine solche Übersetzung des ursprünglich aus dem Französischen stammenden und anglisierten Begriff Entrepreneurship lässt aber das innovative bzw. kreative Element außer Acht.8 Ein gemeinsames Begriffsverständnis festzumachen wird auch dadurch erschwert, dass es für den ursprünglich aus dem Französischen stammenden und anglisierten Begriff Entrepreneurship im Deutschen kein perfektes Synonym gibt.

Bei Entrepreneurship geht es – wenn auch nicht ausschließlich, aber zumindest meist – um kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Diese bilden mehr als 95 Prozent aller Unter-nehmen in den OECD-Mitgliedsländern und beschäftigen 66 Prozent aller Erwerbstätigen in der Privatwirtschaft innerhalb der Europäischen Union. Gemessen an der Anzahl der Unter-nehmen sowie der Beschäftigten sind KMU also keine Randgruppe, sondern ein erheblicher

1 Vgl. Brock und Evans (1989), S. 7 ff.; Carree und Thurik (2000), S. 437 ff. 2 Vgl. Dess et al. (1999), S. 85; Hitt und Reed (2000), S. 23 ff. 3 Zumeist als „Intrapreneurship“, tw. auch „Corporate Entrepreneurship“ bezeichnet; vgl. z.B. Pinchot (1986);

Kieser und Armbruster (2003); Frank (2006). 4 Vgl. Vgl. Kuratko (2003), S. 1 ff.; Churchill und Lewis (1983), S. 30 ff. 5 Vgl. Stevenson und Jarillo (1990b), S. 17 ff. 6 Vgl. Davidsson (2006) 7 Vgl. Harms (2004), S. 63. 8 Vgl. Malek und Ibach (2004), S. 105; Füglistaller et al. (2004), S. 2

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Wirtschaftsfaktor. KMU als Ausbilder, Arbeitgeber, Anbieter und Innovatoren üben wichtige gesellschafts- und ordnungspolitische sowie wirtschaftliche Funktionen aus.

In einem weiten Begriffsverständnis kann man Entrepreneurship als Oberbegriff einer Fach-disziplin betrachten, der neben der Unternehmensgründung und dem KMU-Management auch das Wachstumsmanagement, das Management von Familienunternehmen oder das Corporate Entrepreneurship untergeordnet ist.

2. Zum Begriff Entrepreneurship Der eigentliche Beginn der Entrepreneurshipforschung kann auf die Auseinandersetzung mit der Figur des (Handels-)Kaufmanns z.B. durch den Kroaten Benedict Kotruljic9 in der Mitte des 15. Jahrhunderts oder den Franzosen Richard Cantillon10 im 18. Jahrhundert festgesetzt werden. Entscheidend geprägt wurde das Bild vom heutigen Entrepreneur vor allem durch die Gedanken des Österreichers Joseph Alois Schumpeter11 zu Beginn des 20. Jahrhunderts zur Rolle des Unternehmers in der wirtschaftlichen Entwicklung.12

Der Begriff Entrepreneur selbst stammt aus dem Militärjargon. Im 17. Jahrhundert bezeich-nete er den Leiter einer Militärexpedition. Erst 1734 stellt ihn der irische Bankier Richard Cantillon13 erstmals in einen ökonomischen Kontext, indem er damit einen Akteur bezeichnet, der Güter und Dienstleistungen zu einem bestimmten Preis einkauft, um sie später zu einem nach Möglichkeit höheren Preis wieder zu verkaufen. Diese Definition stellt in Abgrenzung zum Arbeiter vor allem auf die Unsicherheitskomponente unternehmerischen Handeln und die Übernahme von Risiken durch den Entrepreneur ab. Der Entrepreneur verzichtet also zu-gunsten unsicherer Gewinne auf sicheren Lohn. 14

Darauf folgen eine Vielzahl verschiedener Definitionen des Entrepreneurs (siehe Tabelle 1): Beispielsweise war für Turgot das wesentliche Merkmal des Unternehmers die Leitung eines Unternehmens15, für Smith war der Unternehmer primär Kapitalinvestor16, für Say war er Planer von Arbeitsabläufen und Überwacher von Mitarbeitern.17 Die Marginalisten wiederum (Walras, Jevons und Menger) hoben die Prämisse der imperfekten Information auf, womit der Entrepreneur zu einem Vermittler zwischen Produktionsfaktoren- und Absatzmarkt degradiert und den freien Kräften transparenter Märkte unterworfen wurde.

Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts führt Knight18 die Ungewissheit wieder als Prämisse in den Mainstream der ökonomischen Theorie ein. Für Knight trägt der Unternehmer Risiken, welche aufgrund ihrer hohen Zufallsabhängigkeit nicht von einer Versicherungsgesellschaft übernommen werden könnten. Der Unternehmer beurteilt mögliche Zukunftsperspektiven. Dabei hängt der Profit des Unternehmers von dessen Risikobereitschaft ab. Um Gewinn zu machen, muss der Unternehmer innovativ sein und Routinen brechen. Ludwig von Mises19, Friedrich von Hayek20 und auch Israel Kirzner21 betonen die Unsicherheitskomponente, indem 9 Vgl. Cotrugli (1458). 10 Vgl. Cantillon (1755). 11 Vgl. Schumpeter (1912). 12 Vgl. Mugler und Fink (2007), S. 11 f. 13 Vgl. Cantillon (1755). 14 Vgl. Grebel et al. (2001), S. 495; Entrialgo et al. (2000), S. 427. 15 Vgl. Turgot (1766). 16 Vgl. Smith (2000 [1776]). 17 Vgl. Say (1803). 18 Vgl. Knight (1921). 19 Vgl. Mises (1949). 20 Vgl. Hayek, F. v. (1948) 21 Vgl. Kirzner (1973).

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sie die Schwierigkeiten des Unternehmers hervorheben, relevante Informationen zu beschaffen.

Tab. 1: Der Wandel des Begriffsinhalts „Entrepreneur“ im Zeitverlauf

15. Jhd.

Eine Person, die Verantwortung für umfangreiche Produktionsvorhaben besitzt

17. Jhd.

Eine Person, die das Risiko von Gewinn und Verlust trägt und mit der Regierung Verträge zu fest ausgehandelten Preisen schließt

1725 Richard Cantillon

Person, die Risiken trägt, die sich von der reinen Bereitstellung von Kapital unterscheiden

1766 Anne Robert Jaques Turgot

Person, die Kapital investiert und Arbeiter beschäftigt. Unternehmertum ist eine spezielle Form der Arbeit, die nicht durch Zinsen, sondern durch Gewinn belohnt wird.

1776 Adam Smith Unternehmer als Kapitalist; Anwender von Kapital aus eigenem Interesse (Dieses Verhalten ist eine Bedingung für allgemeinen Wohlstand)

1803 Jean Baptiste Say Unternehmer als Informationsträger und Koordinator. Gewinn des Unternehmers ist die Entlohnung für die Bereitstellung verschiedener Produktionsfaktoren wie Grund und Boden, Kapital oder Arbeitskraft.

1876 Francis Walker Differenzierung zwischen denen, die Finanzmittel für Zinserträge bereitstellen und denen, die Gewinn durch Managementfähigkeiten erzielen.

1934 Joseph Schumpeter

Entrepeneur als kreativer Zerstörer im Sinne eines Innovators der durch neue Kombinationen von Produktionsfaktoren stabile Märkte umstürzt

1936 John M. Keynes Entrepreneur als Eigentümer und Entscheidungsträger unter Unsicherheit

1961 David McClelland

Entrepreneur als eine energetische Person, die Risiken übernimmt

1964 Peter Drucker Entrepreneur als Maximierer von Geschäftsgelegenheiten 1973 Israel M. Kirzner Entrepreneur als findiger Arbitrageur der Preisunterschieden aufgrund

unterscheidlicher Informationen ausnützt 1975 Albert Shapero Entrepreneur als Person, die Initiative zeigt, soziale und ökonomische

Zusammenhänge organisiert und das Risiko des Scheiterns akzeptiert 1980 Karl Vesper Entrepreneur wird aus der Perspektive des Ökonomen, Psychologen,

Unternehmenspraktikers und Politikers unterschiedlich betrachtet 1983 Gifford Pinchot Intrapreneur ist ein Entrepreneur innerhalb eines bereits bestehenden

Unternehmens 1985 Robert Hisrich Entrepreneurship ist der Prozess, bei dem etwas werthaltiges

geschaffen wird, indem Zeit und Engagement aufgebracht werden. Der Entrepreneurs ist sich des finanziellen, psychologischen und sozialen Risikos bewusst. Er strebt nach Anerkennung, sowohl in monetärer Form als auch in Form persönlicher Befriedigung.

Quelle: eig. Darstellung, i.A. an Hisrich und Peters (2002), S. 96 (ergänzt).

Das aktuelle Begriffsverständnis ist davon geprägt, dass Entrepreneurship über den (impliziten) Bezug weiter Teile der Fachliteratur auf die Person des Entrepreneurs bzw. des Unternehmensgründers hinaus, seit Ende des 20. Jhd. verstärkt auch unternehmerisches Ver-halten innerhalb etablierter Unternehmen oder innerhalb von staatlichen oder Non-Profit-Organisationen zum Themenbereich Entrepreneurship einbezieht.22 Heute wird Entrepreneurship vor allem als Prozess der Wertgenerierung beschrieben, bei dem eine ein-zigartige Verbindung von Ressourcen dazu eingesetzt wird, eine wirtschaftliche Gelegenheit 22 Vgl. Stevenson und Jarillo (1990a), S. 17; Gartner (1990); Davidsson et al. (2002).

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zu ergreifen.23 Nach Shane und Venkataraman stellt das Ergreifen unternehmerischer Gelegenheiten (entrepreneurial opportunities) den Kern des Entrepreneurship dar.24 Dies wird angereichert um den Aspekt des pro-aktiven bei Innovation und Risikoübernahme (entrepreneurial orientation).25 Eine solche Verhaltensorientierung manifestiert sich nach Stevenson in einem Führungskonzept, das auf das Erkennen von Gelegenheiten und deren Ausnutzung gerichtet ist (entrepreneurial management).26 Für die Entrepreneure sind dabei unbefriedigte Marktbedürfnisse die Quelle der Inspiration. Ziel ist es, einen Zusammenhang zwischen den Marktbedürfnissen und dem Leistungsangebot des Unternehmens herzustellen.27

Auch Morris et al. bezeichnen Entrepreneurship als einen proaktiven, gelegenheits-orientierten, auf Innovationen und Kundenorientierung ausgerichteten Prozess, der Werte schafft und bei dem der Unternehmer das Risiko trägt.28 Ebenso Miller: „An entrepreneurial firm is one that engages in product-market innovation, undertakes somewhat risky ventures, and is first to come up with ‘pro-active’ innovations, beating competitors to the punch“29.

Zusammenfassend kann Entrepreneurship als ein Prozess der Wertgenerierung beschrieben werden, bei dem eine einzigartige Verbindung von Ressourcen dazu eingesetzt wird, eine wirtschaftliche Gelegenheit zu ergreifen. Entrepreneurship bezeichnet somit einen aktiven, gelegenheitsorientierten und auf kundenorientierte Innovationen ausgerichteten Prozess, der zumeist die Übernahme von Risiken voraussetzt.

3. Entrepreneurship: Vom Gründungs- zum KMU-Management Vor dem Hintergrund des oben dargestellten Verständnisses des Begriffs Entrepreneurship spannt das vorliegende Buch den Bogen vom Gründungsmanagement bis hin zum Management etablierter Klein- und Mittelbetriebe (KMU). In diesem Lehrbuch sind die Bei-träge daher so zusammengestellt, dass die gesamte Breite des Fachs Entrepreneurship abge-bildet ist. Im Folgenden werden die für dieses Buch ausgewählten Themenschwerpunkte kurz vorgestellt:

• Unter dem Titel „Unternehmen erfolgreich starten: Der Beitrag der Politik?“ widmen sich Fuchs, Kautonen und Saßmannshausen dem Zusammenspiel von Gründungsdynamik und staatlichen Interventionen. Es wird die theoretische Fundierung von politischen Maßnahmen zur Förderung von Unternehmensgründungen nach drei Stoßrichtungen systematisiert und erklärt, warum staatliches Steuerungshandeln vor dem Hintergrund von Marktversagen gerechtfertigt ist und zu unternehmerischer Innovationstätigkeit, struktureller Erneuerung und Wirtschaftswachstum beiträgt.

• Der Beitrag mit dem Titel „Unternehmerische Grundfunktionen“ von Hering und Vincenti untersucht die Funktionen des Unternehmers nach dem Raster 1.) funktionalen Dimensionen des Handelns, 2.) allgemeinen dynamischen Grundfunktionen und 3.) Grundfunktionen als Gestaltungsmittel.

• Anschließend fokussiert Freiling in seinem Beitrag „Unternehmerfunktionen und Gründungsmanagement“ die Unternehmerfunktionen im Kontext des Gründungs-managements. Hier wird die Wahrnehmung von Unternehmerfunktionen entlang einer er-

23 Vgl. Stevenson et al. (1999), S. 4. 24 Vgl. Shane und Venkataraman (2000), S. 217 ff. 25 Vgl. Covin und Slevin (1986). 26 Vgl. Brown et al. (2001). 27 Vgl. Osborne (1995), S. 4 f. 28 Vgl. Morris et al. (2002), S. 1 ff. 29 Miller (1983), S. 771.

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folgreichen Unternehmensentwicklung von der Gründung bis zur nachhaltigen Etablierung nachgezeichnet und eingehend analysiert.

• Der Beitrag von Halberstadt und Welpe „Motive, Eigenschaften und Emotionen von Unternehmensgründern“ beschäftigt sich mit den persönlichen Einflussfaktoren auf die Entscheidung, ein Unternehmen zu gründen. Dazu wird zuerst auf allgemeine Karriere-motive und dann auf gründungspezifische Motive eingegangen.

• Vor dem Hintergrund der Diskussion um die Bedeutung von Kernkompetenzen für Jung-unternehmen und KMU untersucht Kailer unter dem Titel „Kompetenzentwicklung in jungen Unternehmen und KMU“ die Rolle betrieblicher Kompetenzentwicklung als strategischen Erfolgsfaktor. Dabei werden folgende Fragen aufgeworfen: Welche Mit-arbeiter mit welchen Kompetenzen werden benötigt? Wie können diese gefunden, ausge-wählt und für das Unternehmen gewonnen werden? Wie kann deren Einführung erfolgen, um möglichst schnell eine vollwertige Arbeitsleistung zu erbringen? Wie können Mitar-beiter längerfristig ans Unternehmen gebunden und ihre Kompetenzen unternehmens-bezogen weiterentwickelt werden?

• Die Autoren Harms, Konrad und Kraus stellen in ihrem Beitrag „Planung von Unternehmensgründungen: In 5 Schritten von der Geschäftsidee zum Businessplan“ ein Planungsschema vor, dass zur Überprüfung der Zielkongruenz, der Umsetzbarkeit, der ökonomischen Tragfähigkeit einer Geschäftsidee bis hin zur Entwicklung eines Businessplans dient.

• Im Beitrag „Entrepreneurial Marketing: Innovatives und unternehmerisches Marketing für KMU und Gründungsunternehmen“ entwickeln Kraus, Harms, Fink und Rößl eine Konzeption, welche die wechselseitigen Beziehungen und Überschneidungsbereiche der Disziplinen Marketing und Entrepreneurship sowie die inhaltlichen Aspekte des Entrepreneurial Marketing abbildet.

• Unter dem Titel „High-Tech-Entrepreneurship“ präsentiert und diskutiert Kuckertz die Besonderheiten dieser spezifischen Form der Unternehmensgründung. Dabei werden die entscheidenden Bereiche Managementteam des Unternehmens, Finanzierung sowie Wachstumsstrategien eingehend ausgeleuchtet.

• Der Beitrag mit dem Titel „International Entrepreneurship“ von Schulz und Lehmann zeigt auf, dass junge Unternehmen und KMU im Rahmen der Internationalisierung mit einer Vielzahl an Fragen konfrontiert sind, die neu für sie sind, wie: Haben die Kunden im Ausland die gleichen Bedürfnisse wie jene im Inland? Wie vermarktet man ein Produkt im Ausland? Wie begegnet man politischen Risiken in unstabilen Ländern? Im Beitrag werden Antworten auf diese Fragen entwickelt und an den Erfahrungen eines international erfolgreichen Betriebes gespiegelt.

• Die Autoren Frank und Keßler bieten unter dem Titel „Corporate Entrepreneurship“ einen kompakten Überblick dieses Themenfeldes bestehend aus einer Begriffsdiskussion, einer Darstellung unterschiedlicher Intensitäten von Corporate Entrepreneurship (CE) sowie einer Vorstellung unterschiedlicher Konzeptionen von CE, die in eine integrative Gesamtkonzeption mündet.

• Unter dem Titel „Entrepreneurial Finance“ beschäftigt sich Mitter in ihrem Beitrag mit der Beschaffung und Allokation finanzieller Mittel in der Gründungs- und Wachstums-phase eines Unternehmens und beleuchtet Besonderheiten bezüglich der Finanzierungs-struktur in Abhängigkeit der jeweiligen Entwicklungsphase des Unternehmens.

• Darauf folgt der Beitrag von Schwarz, Faullant und Krajger mit dem Titel „Innovations-management für dienstleistungsorientierte Gründungsunternehmen: Das 4-Ampel-

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Modell“. Das hier vorgestellte Modell ermöglicht es Kunden, bereits in den frühen Phasen der Dienstleistungsentwicklung zu kontaktieren und deren Know-how im Entwicklungs-prozess zu berücksichtigen. So können junge Unternehmen ihre noch flexiblen Strukturen effektiver und effizienter nutzen, um auf Kundenprobleme reagieren und innovative Lösungen für Kunden anbieten zu können.

• Der Beitrag „Gründungsberatung“ von Schulte erarbeitet die wesentlichen Punkte zu die-ser Dienstleistung, mit der externe betriebswirtschaftliche Expertise in den Prozess der Unternehmens- oder Existenzgründung eingebracht wird, um die Ziel orientierte Gestal-tung der Gründungs- und Frühentwicklungsprozesse des Unternehmens zu unterstützen und die genannten Erfahrungs-, Kompetenz- und Informationsdefizite auszugleichen.

• Im Beitrag mit dem Titel „Konzepte und Problemfelder der Unternehmensnachfolge“ von Deimel und Zacharias werden vor dem Hintergrund empirischer Daten zur Unter-nehmensnachfolge Bereiche identifiziert, die mittelständische Unternehmen vor besondere Herausforderungen stellen. Zudem werden Lösungsansätze zur Bewältigung dieser Hürden entwickelt.

• Der Beitrag „Turnaround-Management in KMU – Krisen erkennen, bewältigen und vor-sorgen“ von Kolb und Welter erläutert die Unternehmenskrise als Anlass für das Turnaround-Management, um die besonderen Herausforderungen vorzustellen, denen sich KMU und junge bzw. Gründungsunternehmen bei der Krisenbewältigung gegenüber sehen und bespricht die vielfältigen Aufgaben und Hürden, die mit dem Turnaround-Management verbunden sind.

In diesem Buch liegt der Fokus auf den Grundlagen zu und den Zusammenhängen zwischen den einzelnen Themenschwerpunkten. Die Darstellung der Inhalte erhebt den Anspruch einer geringen Komplexität, ohne dadurch übermäßig zu verkürzen. Dennoch ist hier der didaktischen Aufbereitung Vorrang von wissenschaftlicher Präzision gegeben. Um den Nutzen des Lehrbuches für Lehrveranstaltungen an deutschsprachigen Universitäten und Fachhochschulen, aber auch für das Selbststudium weiter zu erhöhen, ist der kompakt darge-stellte Lehrstoff jedes Themenschwerpunkts in einer Mikro-Fallstudie aufbereitet, zu der Re-flektionsfragen als Arbeitsaufgaben formuliert sind.

Das Konzept dieses Lehrbuchs ist darauf ausgelegt, nicht nur die unterschiedlichen Themen-schwerpunkte innerhalb des Faches Entrepreneurship abzudecken, sondern auch möglichst viele Sichtweisen und Zugänge zu diesem Fach abzubilden. Damit liefern wir nicht nur einen der umfassendsten deutschsprachigen Sammelbände zum Boom-Thema Entrepreneurship, einem der am schnellsten wachsenden Teilbereiche der Betriebswirtschaftslehre mit inzwischen ca. 95 Lehrstühlen an deutschsprachigen Hochschulen, auf dem neuesten wissen-schaftlichen Stand, sondern durch die Verbindung mit den Kapitelabschließenden Mikro-Fall-studien ein direkt in der Hochschulausbildung einsetzbares Werk.

Dieser Zielsetzung entsprechend liegt nun ein Lehrtext vor, zu dem 27 Wissenschaftler von nicht weniger als 16 Hochschulen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Liechtenstein und Finnland beigetragen und damit ihre Expertise eingebracht haben. Dafür und für die her-vorragende Zusammenarbeit bedanken sich die Herausgeber ganz herzlich bei den Autoren. Auch Herrn Peter Wittmann vom facultas.WUV Universitätsverlag sei an dieser Stelle aus-drücklich für die reibungslose Abwicklung der verlagstechnischen Belange dieses Publikati-onsprojekts gedankt.

Wir hoffen, mit diesem Lehrbuch bei vielen Studierenden und anderen Interessentenkreisen die Begeisterung für das Fach Entrepreneurship zu wecken und nützliche Inhalte für

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(potenzielle) Gründer und Unternehmer in einer leicht fassbaren Form vermitteln zu können. Ebenso soll dieses Lehrbuch mit dem Konzept der geschlossenen Theorie-Fallstudien-Pakete zu den wichtigsten Themenschwerpunkten des Entrepreneurship viele Kollegen bei einer didaktisch hochwertigen Gestaltung von Lehrveranstaltungen unterstützen. Das Lehrbuch ist sowohl für die neuen Bachelor- und Master-Studiengänge als auch für die (auslaufenden) Diplomstudiengänge abschnittsübergreifend einsetzbar.

Wir weisen an dieser Stelle darauf hin, dass sämtliche Formulierungen im Rahmen dieses Bandes ausdrücklich geschlechtsneutral zu verstehen sind und alleine aus praktischen Gründen die jeweils männliche Form verwendet wird.

Wien, im März 2008

Sascha Kraus & Matthias Fink

Literatur Brock, W.A. und Evans, D.S. (1989): Small business economics, In: Small Business

Economics. 1. Jg., Nr. 1, S. 7-20. Brown, T.E., Davidsson, P. und Wiklund, J. (2001): An Operationalization of Stevenson's

Conceptualization of Entrepreneurship as Opportunity-Based Firm Behaviour, In: Strategic Management Journal. 22. Jg., Nr. 10, S. 953-968.

Cantillon, R. (1755): Essai sur la nature de commerce en général. Paris (englische Über-setzung: Higgs, H., 1931). Macmillan, for the Royal Economic Society, London.

Carree, M.A. und Thurik, A.R. (2000): The impact of entrepreneurship on economic growth, In: Audretsch, D.B. und Acs, Z.J. (Hrsg.): Handbook of Entrepreneurship. Kluwer Academic Publishers, Boston, S. 437-471.

Churchill, N.C. und Lewis, V.L. (1983): The five stages of small business growth, In: Harvard Business Review. 61. Jg., Nr. 3, S. 30-49.

Cotrugli, B. (1458): Della mercatura et del mercante perfetto (Ragusa/Dubrovnik). Zit. Baletic, Z. (1987): Handel und Beruf des Kaufmanns. Ökonomische Sicht im 15. Jahr-hundert, In: Internationales Gewerbearchiv. 35. Jg., S. 48-53.

Covin, J.G. und Slevin, D.P. (1986): The Development and Testing of an Organizational-Level Entrepreneurship Scale, In: Ronstad, R., Hornaday, J.A., Peterson, R. und Vesper, K.H. (Hrsg.): Frontiers of Entrepreneurship Research. Babson College, Wellesley, Mass., S. 628-639.

Davidsson, P. (2006): New Firm Startups. Edward Elgar, Cheltenham. Davidsson, P., Delmar, F. und Wiklund, J. (2002): Entrepreneurship as Growth - Growth as

Entrepreneurship, In: Hitt, M. und Ireland, R.D. (Hrsg.): Creating a New Mindset: Integrating Entrepreneurship and Strategy Perspectives. Blackwell Publishers, Oxford, S. 328-338.

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Frank, H. (2006): Corporate Entrepreneurship. Facultas, Wien. Füglistaller, U., Müller, C. und Volery, T. (2004): Entrepreneurship - Modelle, Umsetzung,

Perspektiven. Mit Fallbeispielen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Gabler, Wiesbaden.

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Gartner, W.B. (1990): What Are We Talking About When We Talk About Entrepreneurship?, In: Journal of Business Venturing. 5. Jg., Nr. 1, S. 15-28.

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Meyer, G.D. und Heppard, K.A. (Hrsg.): Entrepreneurship as Strategy. Sage Publications, Thousand Oaks, S. 23-48.

Kieser, A. und Armbruster, D. (2003): Jeder Mitarbeiter ein Unternehmer!? Wie Intrapreneurshipprogramme Mitarbeiter zwar nicht zu echten Unternehmern machen, aber doch zu höheren Leistungen anspornen können, In: Zeitschrift für Personalforschung. 17. Jg., S. 151-175.

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modelle zur Unternehmensgründung im Informationszeitalter. dpunkt, Heidelberg. Miller, D. (1983): The correlates of entrepreneurship in three types of firms, In: Management

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Philosophia-Verlag, München 1980. Morris, M.H., Schindehutte, M. und LaForge, R.W. (2002): Entrepreneurial marketing: A

construct for integrating emerging entrepreneurship and marketing perspectives, In: Journal of Marketing Theory & Practice. 10. Jg., Nr. 4, S. 1-19.

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Pinchot, G. (1986): Intrapreneuring. Why You Don't have to Leave the Corporation to Become an Entrepreneur. Perennial Library, New York.

Say, J.B. (1803): Traité d’Economie Politique. Paris, Crapelet. Schumpeter, J. (1912): Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. Duncker & Humblot,

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management, In: Strategic Management Journal. 11. Jg., Nr. 4, S. 17-27. Stevenson, H.H., Roberts, M.J., Gousbeck, H.I. und Bhidé, A.v. (1999): New business

ventures and the entrepreneur. 5. Irwin McGraw-Hill, Boston.

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UNTERNEHMEN ERFOLGREICH STARTEN: DER BEITRAG DER POLITIK

Dr. Barbara Fuchs, Hochschule Liechtenstein Prof. Dr. Teemu Kautonen, Universität Vaasa

Dipl.-Kfm. Patrick Saßmannshausen, Universität Wuppertal 1. Ökonomische Begründungen für Gründungspolitik Der vorliegende Beitrag widmet sich dem Zusammenspiel von Gründungsdynamik und staatlichen Interventionen. Die theoretische Fundierung von politischen Maßnahmen zur Förderung von Unternehmens-gründungen lassen sich drei theoretischen Stoßrichtungen zuordnen. Gemeinsam ist allen An-sätzen, dass sie staatliches Steuerungshandeln aufgrund von Marktversagen rechtfertigen und einen positiven Zusammenhang zwischen unternehmerischer Innovationstätigkeit, struktureller Erneuerung und Wirtschaftswachstum sehen. Die Neue Wachstumstheorie baut auf den Annahmen der neoklassischen Gleichgewichts-theorie auf und beschäftigt sich mit Ursachen und Dynamik von technologischem Wandel. Vereinfacht dargestellt können Unternehmen über Investitionen in Forschung und Entwick-lung neue Verfahren und Produkte einführen, die ihnen zumindest kurzfristig eine Monopol-stellung am Markt mit höheren Renditen sichern. Die Konkurrenz versucht durch Nach-ahmung oder eigene Innovation an die Erfolge der Marktführer anzuschließen. Dadurch wird ein struktureller Erneuerungsprozess ausgelöst, der zu einer allgemeinen Steigerung von Pro-duktivität und wirtschaftlichem Wachstum führt. Forschung und experimentelle Entwicklung sind jedoch für die Unternehmen mit beträchtlichen Risiken hinsichtlich Kosten, Vorherseh-barkeit und kommerzieller Verwertbarkeit von Innovationsergebnissen verbunden. Aufgabe der Politik ist es deshalb, einer mangelnden Investitionstätigkeit in Forschung und Entwick-lung, die negative Effekte auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung hätte, durch eine Ab-federung der unternehmerischen Innovationsrisiken entgegen zu wirken.

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Die Evolutionäre und die Institutionelle Ökonomie konzipieren technischen Fortschritt nicht primär als Ergebnis von betriebsinterner Wissensproduktion durch Forschung und Ent-wicklung, sondern als Ergebnis eines komplexen Systems sozialer Interaktionen, die zu neuen Erkenntnissen und ihrer gesellschaftlichen Verwertung führen. Wissen und Information sind nicht nur in kodifizierbarer Form, wie beispielsweise in technischen Plänen und Produkt-beschreibungen vorhanden, sondern an Personen und Organisationen gebunden. Diese ver-fügen sowohl über explizites Wissen als auch über Erfahrungswissen, dass nur mit Ein-schränkungen schriftlich dokumentiert und vermittelt werden kann.31 Der Innovationsprozess als Triebfeder für Transformation und Wachstum hängt wesentlich von der Art, Intensität und Dynamik der Beziehungen unterschiedlicher Akteure ab. Dem Staat kommt im nationalen Innovationssystem die Aufgabe zu, optimale Rahmenbedingungen für Aufbau und Austausch von Wissen zu schaffen sowie Lernen und Anwendung von Lernergebnissen durch Unter-nehmen, Einzelpersonen und andere gesellschaftliche Institutionen zu fördern.

32 Drittens beschäftigen sich die ökonomischen Konzeptionen von Entrepreneurship mit der Frage nach den Ursachen von wirtschaftlichem Wachstum. In den Mittelpunkt rücken dabei die Wirkungszusammenhänge zwischen unternehmerischer Tätigkeit, Wachstum und Be-schäftigung. Bis zu den 1970er Jahren bestand in der Ökonomie weitgehend Übereinstim- 30 Grundlegende Beiträge zur Neuen Wachstumstheorie lieferten u.a. Romer (1986); Lucas (1988); Grossmann

und Helpman (1991) sowie Aghion und Howitt (1998). 31 Vgl. Nelson und Winter (1994), S. 51 und S. 76; Patel und Pavitt (1995), S. 19. 32 Vgl. Edquist (1999), S. 7 und S. 16, Lundvall (1999), S. 23.

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mung, dass die Großunternehmen den bedeutendsten Beitrag für Innovation und Beschäfti-gung leisteten. Empirische Studien zeigten jedoch, dass sich die Entstehung neuer Arbeits-plätze und innovativer Marktleistungen seither deutlich zu den kleinen und jungen Unter-nehmungen verlagert hat.33 Seit den 1970er Jahren nimmt in fast allen Industrieländern die Anzahl an selbständig Beschäftigten und Kleinunternehmen wieder zu. Neue Technologien, wie etwa Informations- und Kommunikationstechnologien, ermöglichen die Dezentralisierung von Innovation und Produktion. Ihr Einsatz macht kleine Unternehmen mit kurzen Ent-scheidungswegen und flexiblem Ressourceneinsatz zu mächtigen Konkurrenten, wenn es um die Besetzung und die Bedienung von Nischen geht. Gerade die Ausdifferenzierung von Kundenwünschen im Zuge von wachsendem Wohlstand und der Öffnung von Märkten kommt kleinen Unternehmen zugute. Auch der soziale Status von Unternehmertum und Selb-ständigkeit hat eine kontinuierliche Aufwertung durch die Gesellschaft erfahren. Aufgrund empirischer Nachweise besteht mittlerweile weitgehend Konsens darüber, dass junge und kleine Unternehmen rascher wachsen als etablierte Großunternehmen. Ferner leisten Gründungsaktivitäten – mitunter nach einer Zeitverzögerung von fünf bis zehn Jahren – positive Effekte zur wirtschaftlichen Entwicklung, gemessen in Beiträgen zur Wertschöpfung, Beschäftigung und Wachstum. Insbesondere innovative Jungunternehmen dürften eine wichtige Funktion in der strukturellen Erneuerung und der wirtschaftlichen Entwicklung von Regionen spielen.34 Die theoretischen und empirischen Erkenntnisse weisen allerdings auch darauf hin, dass gerade potenzielle Gründer von innovativen Technologieunternehmen durch fehlende betriebswirtschaftliche Fähigkeiten sowie mangelnden Zugang zu Kapital und Infra-struktur an der Ausführung ihrer unternehmerischen Tätigkeit gehindert werden. Die Über-windung dieser Hemmnisse sowie die Stimulierung von Innovationsaktivitäten stellen somit geeignete Ansatzpunkte für eine Politik dar, die auf eine Steigerung von Gründungsaktivitäten als Voraussetzung für strukturellen Wandel, Beschäftigung und Wachstum zielt.35 Zusammenfassend leiten alle vorgestellten Theorierichtungen aus dem positiven Zusammen-hang von Innovation, Entrepreneurship und Wachstum in Verbindung mit dem Auftreten von Marktversagen politischen Handlungsbedarf ab. Marktversagen tritt vor allem aufgrund von ungleich verteilten und unzureichenden Informationen zur Beurteilung von unternehmerischer Tätigkeit sowie dem Aufbau und der Verwertung von Wissen durch einzelne Unternehmen auf. Marktversagen kann Gründungs- und Innovationstätigkeiten von Individuen und Organisationen behindern, mit negativen Folgen auf die Gesamtwirtschaft. Durch welche Instrumente die Gründung von neuen Unternehmungen gefördert werden kann, darauf gehen die folgenden Ausführungen ein. 2. Ziele und Umsetzung von Gründungsförderung Unter Gründungsförderung lassen sich grundsätzlich alle Aktivitäten zusammenfassen, die eine Intensivierung des Gründungsgeschehens auf regionaler, nationaler und supranationaler Ebene verfolgen.36 Direkte Instrumente der Gründungsförderung richten sich unmittelbar an Gründer und Jungunternehmer. Indirekte Instrumente sollen allgemein ein positives Gründungsklima schaffen. Je nach Trägerschaft können öffentliche, intermediäre und private Förderungen unterschieden werden. Eine weitere Differenzierung von Fördermaßnahmen er-gibt sich aufgrund der angestrebten Effekte. So kann Gründungsförderung auf der Individual-ebene ansetzen, um die persönliche Bereitschaft und Befähigung zum Gründen zu erhöhen,

33 Vgl. Storey (2003), S. 473-475; Carree und Thurik (2003), S. 437-439. 34 Vgl. z.B. Reynolds et al. (2007), S. 123; Audretsch und Keilbach (2004), S. 957; Carree und Thurik (2003),

S. 444-446; für einen Überblick siehe Malecki (1997). 35 Vgl. Fritsch und Müller (2005), S. 91. 36 Die Einteiligung der Gründunspolitik entspricht der allgemeinen Systematik von Wirtschaftspolitik, wie sie

z.B. in Klump (1999) dargestellt wird.

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beispielsweise durch die Durchführung von Businessplan-Wettbewerben und die Organisation von Netzwerken. Ein weiterer Ansatzpunkt für Gründungsförderung ist die Marktebene, mit dem Ziel die Erfolgschancen von jungen Unternehmen am Markt zu unterstützen. In den Mittelpunkt rücken dabei einerseits Maßnahmen, um das Funktionieren von Märkten zu sichern. Andererseits soll gezielt das Wachstum von jungen Unternehmen mittels Finanzie-rung, Infrastruktur und Wissen gefördert werden. Dabei können die jeweiligen Maßnahmen so gestaltet sein, dass Markteintrittsbarrieren abgebaut werden. Schließlich kann Gründungs-förderung auf der Systemebene ansetzen, zum Beispiel durch gründungsförderliche Aus-formulierungen des positiven Rechts. Eine letzte Systematisierung von Gründungsförderung ergibt sich anhand der zeitlichen Betrachtung von Gründung und Wachstum junger Unter-nehmen. Beobachtungen zur Interdependenz von Individual-, Markt- und Systemebene im Zeitablauf belegen, dass sich trotz gewisser Singularitäten im Kontext einer jeden Gründung auch Muster typischer Phasenabfolgen von der Gründung über Wachstum bis hin zur Konso-lidierung ausmachen lassen. Förderungen sollten die spezifischen Bedürfnisse jeder einzelnen Phase aufgreifen und bedienen. In den nachfolgenden Abschnitten werden die wichtigsten Elemente der direkten Gründungsförderung vorgestellt.37

Tab. 1: Systematisierung von Gründungsförderung Unterscheidungs-kriterium Ausprägungen von Gründungsförderungen Adressatenkreis direkt indirekt Trägerschaft öffentlich intermediär privat Wirkungsebene individuell marktbezogen systembezogen Zeitliche Phaseneinteilung Etablierungsphase Wachstumsphase Konsolidierungsphase Kapitalbedarf gering, zunehmend hoch, rasch zunehmend konstant, abnehmend Beratungsbedarf sehr hoch hoch, abnehmend gering, abnehmend Sachmittelbedarf sehr hoch mittel, rasch abnehmend gering

Quelle: Eigene Zusammenstellung, in Anlehnung an Achleitner und Engel (2002), S. 697 2.1. Monetäre Anreize und Finanzierungshilfen Zum Zeitpunkt der Unternehmensgründung lässt sich der zukünftige unternehmerische Erfolg nur eingeschränkt abschätzen. Potenzielle Gründer können deshalb oft nicht die nötige Finanzierung für ihr Vorhaben sicherstellen. In vielen Fällen finden sich wegen hoher Unsicherheiten keine Kapitalgeber oder diese schlagen hohe Risikoprämien auf, wodurch potenzielle Gründer von ihrem Vorhaben abgehalten oder im Wachstum gebremst werden. Aufgrund der unterschiedlichen Finanzierungsbedürfnisse, die wesentlich von der Art und dem Umfang der angestrebten Geschäftstätigkeit abhängig sind, hat sich in der Gründungs-förderung ein vielfältiges Instrumentarium zur Schaffung von monetären Anreizen und zur finanziellen Unterstützung herausgebildet.38 Für Gründer ist dabei von besonderem Interesse wie lange, in welcher Form und zu welchen Konditionen finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden. Zuschüsse und Prämien werden den Gründern und Jungunternehmern für bestimmte Leis-tungen ohne Rückzahlung ausbezahlt. In Österreich zählt hierzu vor allem der Gründungs-bonus. Ähnlich einem Bausparvertrag können Gründer über einen Zeitraum von 6 Jahren Gründungskapital bis zu einer Höhe von EUR 60.000 ansparen. Im Fall der Gründung wird ein Zuschuss von maximal 14% auf das gesparte Startkapital ausbezahlt. Im Rahmen der Jungunternehmerförderung werden außerdem ab 2007 Zuschüsse in Höhe von 10% für Investitionen bis zu EUR 300.000 geleistet. Gefördert werden dabei vor allem Investitionen in

37 Vgl. zu möglichen Systematisierungen von Gründungsförderung Koch et al. (2001). 38 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2003), S. 8-21.

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Qualifizierung und Innovation.39 In Deutschland können Gründer zum Beispiel dann einen Zuschuss erhalten, wenn sie sich aus der Arbeitslosigkeit heraus selbständig machen. Dabei gibt es monatliche Zahlungen zur Sicherung des Lebensunterhalts während einer Startphase von mindestens sechs bis zwölf Monaten, sowie je nach Region die Übernahme der Kosten eines Start-up-Büros, von Gründungsberatung und -coaching oder sogar Zuschüsse in einer Höhe von bis zu EUR 5.000 zur Durchführung geplanter Investitionen.40 Die Vermittlung von Beteiligungskapital zielt auf die Verbesserung der Finanzierungsstruktur und die Stärkung des Eigenkapitals bei jungen Unternehmen. Im Januar 2007 traten in der Europäischen Union neue Eigenkapitalrichtlinien für Banken in Kraft. Diese richten die Eigenkapitalhöhe der Banken stärker am Risiko der vergebenen Kredite aus. Folglich könnte zu befürchten stehen, dass sich viele Banken aus der Gründungs- und Mittelstands-finanzierung zurückziehen. Gründern fehlen jedoch oft die nötigen Eigenmittel und so ver-suchen staatliche Programme Abhilfe zu schaffen. In der Praxis hat sich dabei die Einrichtung von Netzwerken, die Durchführung von Veranstaltungen und die Etablierung von öffentlich gestützten Beteiligungsbörsen durchgesetzt, um private Investoren über Gründungsaktivitäten zu informieren und als so genannte Business Angels an Jungunternehmer zu vermitteln.41 An Bedeutung gewonnen haben auch Kapitalgarantien für private Risikokapitalgeber und Risiko-kapitalfonds. Ziel dieser Instrumente ist es, privaten Investoren zusätzliche Sicherheiten für das eingesetzte Kapital zu bieten und sie so zu einem Engagement bei risikoreichen Jung-unternehmen zu bewegen. Dabei übernimmt in der Regel der Staat zumindest anteilig eine Ausfallshaftung und beteiligt sich selbst finanziell über Fonds an jungen und kleinen Unter-nehmen. In Österreich wurden durch derartige Garantien in der Periode von 2001 bis 2006 rund EUR 2,3 Mrd mobilisiert. Die von der Förder- und Finanzierungsbank der Republik Österreich unterstützten 33 Risikokapitalfonds haben insgesamt in rund 400 innovative kleine und Mittlere Unternehmen (KMU) investiert.42 In Deutschland bietet die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Risikokapitalgebern günstige Refinanzierungen und Garantie-programme an. Für den Early Stage-Bereich hat die KfW-Mittelstandsbank den European Recovery Program (ERP)-Startfonds eingerichtet. Dieser stellt jungen Technologieunter-nehmen Eigenkapital zur Verfügung, ohne Einfluss auf die Geschäftsführung zu nehmen. Die Managementberatung und Kontrollfunktion bleibt einem Lead-Investor überlassen. Damit soll unter anderem die Marktkonformität der Investitionsentscheidungen der staatlichen KfW sichergestellt werden.

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Dem Förderziel, die Eigenkapitalbasis zu stärken, dienen auch die Eigenkapitalhilfen und der Eigenkapitalersatz, die Mischformen zwischen Eigen- und Fremdkapital darstellen und somit zu der Gruppe so genannten mezzaninen Kapitalformen zählen. Es handelt sich bei den öffentlichen Eigenkapitalhilfen um staatlich geförderte, zinsgünstige Darlehen mit tilgungs-freien Anlaufjahren, die Gründern zur Aufstockung des Eigenkapitals zur Verfügung gestellt werden. Die Verbuchung als Eigenkapital ist unter anderem aufgrund eines Rangrücktritts des Kreditgläubigers im Falle einer Insolvenz möglich. Das aufgenommene Darlehen erfüllt somit Eigenkapitalfunktion obwohl es vollständig zurückgezahlt werden muss. In Österreich und Deutschland sind bei Existenzgründungen betriebsnotwendige Investitionen in Grundstücke, Gebäude, Betriebsmittel, Sachanlagen und Markterschließungsaufwendungen wie etwa Marktforschung und der Besuch von Messen förderfähig. Darlehen für Eigenkapitalhilfen haben üblicherweise eine Laufzeit von 15 oder mehr Jahren und werden erst ab dem zweiten Jahr mit Abschlägen auf den geltenden Nominalzinssatz verzinst.

39 Vgl. AWS (2007), S. 17. 40 Vgl. im Internet unter www.arbeitsagentur.de und www.gruendungszuschuss.de. 41 Vgl. für eine Einführung siehe Haps (2001). 42 Vgl. AWS (2007), S. 16. 43 Vgl. www.kfw-mittelstandsbank.de.