Entscheiden als Prozess - AMS-Forschungsnetzwerk€¦ · Woran sich das Schicksal von...

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3/2006 19. Jahrgang Österreichische Post AG Info.Mail Entgelt bezahlt Entscheiden als Prozess Othmar Sutrich Besser entscheiden in Organisationen Dipl. Soz. wiss. Torsten Groth Entscheiden im Zeitalter der Globalisierung – Achtsamkeit statt Fassadenbau Prof. Dr. Joachim Bauer Woran sich das Schicksal von Entscheidungen entscheidet Mag. Elke Schüttelkopf, MBA Lauter leichte Entscheidungen? Dr. Reinhard Sprenger Wir irren uns voran! Im Gespräch mit Dr. Josef Fiala, Head of Human Resources in der Generali Holding Vienna AG »Lange Entscheidungswege sind ein Grundübel«

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3/2006 19. Jahrgang

Österreichische Post AGInfo.Mail Entgelt bezahlt

Entscheiden als ProzessOthmar SutrichBesser entscheiden in Organisationen

Dipl. Soz. wiss. Torsten GrothEntscheiden im Zeitalter der Globalisierung – Achtsamkeit statt Fassadenbau

Prof. Dr. Joachim BauerWoran sich das Schicksal von Entscheidungen entscheidet

Mag. Elke Schüttelkopf, MBALauter leichte Entscheidungen?

Dr. Reinhard SprengerWir irren uns voran!

Im Gespräch mit Dr. Josef Fiala, Head of Human Resources in der Generali Holding Vienna AG»Lange Entscheidungswege sind ein Grundübel«

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Entscheiden gilt in der Management-Literatur oft als Synonym für Managen. Das Thema »Besser entscheiden«

findet sich dennoch ganz selten in Weiterbildungskatalogen und schon gar nicht auf den Hitlisten der häufig

nachgefragten Seminare und Workshops. Man fragt sich, wieso das so ist, wenn gleichzeitig Manager und

Mitarbeiter in der Meinung übereinstimmen, dass richtige Entscheidungen für die Erfolgsgeschichten von

Unternehmen verantwortlich sind.

Entscheidungen werden gerne personalisiert. Egal wie aufwändig und vielstufig sie in Unternehmen ablau-

fen, am Ende der Kette steht das »Wort des mächtigen Entscheiders«. Entscheidungsstärke gilt als wichtiges

Kompetenzkriterium für Führungskräfte. Dabei wird suggeriert, es handle sich um eine quasi angeborene

Charaktereigenschaft und nicht um eine erlernbare und entwicklungsfähige Management-Kompetenz.

Führungskräfte müssen in Unternehmen dafür sorgen, dass komplexe Probleme gelöst und entschieden wer-

den. Das bedeutet, Verantwortung für Lösungen zu übernehmen, auf die der Letzt-Entscheider nur bedingt

Einfluss hat. Mit dem Festhalten am Mythos, dass Entscheidungen rein rational zu treffen sind, und der Not-

wendigkeit, Entscheidungen für Vorgesetzte, Mitarbeiter und Aufsichtsorgane als logisch richtig darzu-

stellen, begeben sich Führungskräfte in paradoxe Situationen, die immer wieder als sehr belastend erlebt

werden.

In diesem »«Hernsteiner« laden wir Sie ein, sich mit den Autorinnen und Autoren der einzelnen Beiträge auf

eine Spurensuche zu begeben, wie es gelingen kann, individuellen »Entscheidungsfallen« zu entkommen und

wie Sie »Entscheidungsstaus« vermeiden können. Informieren Sie sich, wie Organisationen die »Rentabilität

des Scheiterns« bei Fehlentscheidungen erhöhen und somit Energie für neue Chancen freisetzen können.

Denn eines ist Faktum: »Die Erfolgsgeschichten von heute sind die riskanten Entscheidungen von gestern.«

(Stuart Crainer)

Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen!

Dr. Katharina Fischer-Ledenice

Für die Gesamtredaktion:

Mag. Peter Wagner

Entscheiden als Prozess

H e r n s t e i n e r – F a c h z e i t s c h r i f t f ü r M a n a g e m e n t e n t w i c k l u n g

E d i t o r i a l

I n s t i t u t s l e i t u n gDr. Katharina Fischer-Ledenice

T r a i n e r i n / B e r a t e r i nMag. Herta Fischer

Schwerpunktautorin dieser Ausgabe

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Thema

Besser entscheiden in OrganisationenOthmar Sutrich

Fünf Hauptthesen, wie Führungskräfte das »mysteriöse Selbstverständliche« einkreisen, beim Schopf packen und zähmen können.

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Entscheiden im Zeitalter der Globalisierung – Achtsamkeit statt FassadenbauDipl. Soz. Wiss. Torsten Groth

Ist Entscheiden in den letzten Jahren und Jahrzehnten wirklich schwieriger geworden? Die hier vertretene These lautet: Argumentationen dieser Art unterliegen erstens einem Denkfehler und führen zweitens in die Sackgasse.

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Woran sich das Schicksal von Entscheidungen entscheidet Prof. Dr. Joachim Bauer

Entscheider müssen vor allem nach einer getroffenen Entscheidung die Instrumente zur Hand haben, die zur Einforderung von Kooperation und gemeinsamer Verantwortung benötigt werden. Dafür müssen aber bereits im Vorfeld der Entscheidung die Grundlagen geschaffen worden sein.

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Entscheidenals Prozess

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Wir irren uns voran!Dr. Reinhard Sprenger

Leben ist Leben im Zielkonflikt. Menschliche Handlungsbedingungen sinddurch Widersprüchlichkeiten, Ungereimtheiten und Unsicherheit gekenn-zeichnet. Immerfort müssen wir zwischen Alternativen wählen, die uns beide attraktiv erscheinen oder deren Konsequenzen wir nicht kennen.

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»Lange Entscheidungswege sind ein Grundübel«

Dr. Josef Fiala, Head of Human Resources in der Generali Holding Vienna AG,im Gespräch über das Entscheidungsverhalten in großen Organisationen,

den Trend weg von Kollegialentscheidungen und die Überbewertung »mangelhafter Kommunikation« bei Problemen mit der Realisierung.

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Lauter leichte Entscheidungen?Mag. Elke Schüttelkopf, MBA

Zur Kernkompetenz von Führungskräften gehört das Entscheiden. Tagaus, tag-ein treffen sie eine Vielzahl an Entscheidungen. Dabei haben sie in verstärktemMaß die zunehmende Dynamik und Komplexität des Wirtschaftslebens zu be-wältigen. Mit der Qualität ihrer Entscheidungen steht und fällt die Organisation.Da lohnt sich die Frage, wie es denn eigentlich den EntscheiderInnen beimEntscheiden geht.

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Hernstein Institut

Hernstein Seminare zum ThemaProfessionelles EntscheidungsmanagementErfolgreich führen mit ZielenWirkungsvolle Lösungen erarbeiten und umsetzen

Übergabe in FamilienunternehmenHernstein Business SuccessorLet´s celebrate 40 yearsHernstein Geschichte

Impressum

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Dies sind allesamt Faktoren, die die Risiken ungleich schwerer ein-

schätzbar und das Entscheiden entsprechend prekärer machen. Wie un-

umkehrbar wir damit in eine neue Ära eingetreten sind, die Führungs-

kräfte und Experten permanent mit ungewohnten und mehrdeutigen

Entscheidungssituationen konfrontiert, scheint mir hingegen über-

haupt nicht angemessen gewürdigt zu werden. Die Anforderungen an

gutes Entscheiden haben sich qualitativ verändert, sie sind schleichend

und flächendeckend stark gestiegen, sie betreffen heute einen viel

größeren Personenkreis und schlagen sich gnadenlos in den Kosten und

fehlenden Erträgen nieder. Fazit: Führungskräfte aller hierarchischen

Ebenen und Experten könnten Stärkung und Rückendeckung beim Ent-

scheiden verdammt gut gebrauchen! Diese Einsicht ist in der Realität

der meisten Organisationen aber noch nicht angekommen. Besser-ent-

scheiden-Lernen steht in keiner der Organisationen, die ich kenne, ex-

plizit auf der Entwicklungsagenda, schon gar nicht mit Top-Priorität.

Und das, obwohl Entscheiden in Organisationen unbestritten die exi-

stenzielle Basisoperation und Kompetenz darstellt, die untrennbar in

alle Vorhaben auf allen hierarchischen Ebenen und Funktionsbereichen

eingebettet ist.

Liegt diese Veränderungsresistenz daran, dass Manager zu verunsicher-

ten, aber nichtsdestotrotz heroischen Duldern geworden sind, die die

Last der Entscheidung individuell auf ihre Schulter nehmen? Ist ihre

Sprachlosigkeit ein instinktiver Schutzschild im Wettbewerb? Oder liegt

es daran, dass diverse Entscheidungstechniken, die in den hochemotio-

nalen Situationen des Entscheidens herzlich wenig helfen, den Blick dar-

auf verstellen, dass Entscheiden gezielt erlernbar ist?

Angesichts der weitreichenden Konsequenzen ist es verständlich und

nur allzu menschlich, dass viele Führungskräfte unbewusst reagieren –

durch Bagatellisieren, Verdrängen, Leugnen und, je nach Persönlich-

keitstyp, durch Apathie, Schicksalsergebenheit, Galgenhumor, Fakten-

klauberei oder Aktionismus. Die Option, das individuelle und kollektive

Risikobewusstsein als Grundlage des Entscheidens in einer Reihe von

Punkten explizit zu steigern, ist sicher gesünder und ökonomischer.

Besser entscheiden in Organisationen

Fünf Hauptthesen, wie Führungskräfte das »mysteriöse Selbstverständliche« einkreisen, beim Schopf packen und zähmen können.

Othmar Sutrich ist systemischer Organisationsberater und Coach in München und Wien.

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Hernsteiner 3/2006 t h e m a Entscheiden als Prozess

»Entscheiden kann man – oder man kann’s nicht.« Diesen Satz hört man

in Management-Kreisen häufig. Ähnliches sagte man vor einigen Jahr-

zehnten auch über das Führen und Managen. Entsprechend naturwüch-

sig fällt das Entscheiden im Organisationsalltag aus und entsprechend

selten gibt es in Organisationen ein explizit geteiltes, kommuniziertes

Wissen darüber, was Entscheiden »eigentlich« ist, wie es abläuft, ob

überhaupt, und wenn ja, wie es individuell und kollektiv verbessert wer-

den kann.1 Ich selber beobachte immer häufiger und erschrockener die

enorme Zunahme an Illusionsgebäuden in Unternehmen, den Verlust

der Fähigkeit, ein gemeinsames »Face Reality« zu betreiben. Wo bleiben

die Zwischenrufer aus dem Märchen von des Kaisers neuen Kleidern, die

sich zu sagen trauen, dass der Kaiser nackt ist?

Im folgenden Überblick möchte ich die aktuellen Aspekte dieses kriti-

schen Themas in fünf Punkten so kompakt, kurz und einfach wie mög-

lich umreißen.2

1. Die Ausgangslage: Die Zeit ist reif für einen Bewusstseinswandel.

In den Führungsgremien des Managements herrscht Kontrollverlust: Zu

viele Teilaspekte wirken aufeinander ein, die alle relevant sind und die

man nicht gefahrlos weglassen oder ausblenden kann (siehe Tab. 1).

Tab. 1: Sprunghaft gestiegene Risikolage durch ...

• gestiegene Komplexität unter verschiedensten Aspekten,

• Mehrdeutigkeit und Flüchtigkeit der Daten,

• schnelle Wechsel der Faktenlage und plötzliche Trendbrüche,

• Globalisierung und globale Interdependenz (auch zwischen

Unternehmen),

• gnadenlose Betonung von Leistung und kurzfristigem Gewinn durch

die Börsen,

• Zwang zu Wachstum auf neuen, weniger bekannten und weniger

stabilen Märkten,

• Zwang zur Innovation,

• Technologierisiken,

• mehr Vorschriften und Überprüfungen durch Aufsichtsbehörden,

• höheren Wissenstand/Know-how der Mitarbeiter und

• steigende Erwartungen der Mitarbeiter an ganzheitliche Führung.

1 Das wichtigste Rohmaterial meines Forschungsprojekts zum Thema »Entscheiden« stammt aus vielen Interviews, die ich regelmäßig seit acht Jahren mit erfolgreichen Führungskräften und Beraterkollegen führe.

2 Die vorliegende Fassung wurde erst durch viele Anregungen meiner Sparringpartner möglich. Mein großer Dank geht an Harry Allabauer, Hans-Georg Häusel, Paul Liskutin, Elisabeth Loibl, Wolfgang Looss, Bernd Opp, Ulli Sutrich und Richard Timel.

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Leitfragen zu These 1:

• Wie stark – etwa auf einer Skala von 0 bis 100 markiert – ist Ihnen

persönlich im Führungsalltag bewusst und präsent, dass das

Entscheiden Sie mehr denn je als ganze Persönlichkeit fordert und

manchmal auch überfordert (nicht nur bei Personalentschei-

dungen)?

• Wie gut kennen Sie sich selbst in Ihrem Entscheidungsverhalten?

(Reflexe, Stärken, Anfälligkeiten)

• Wie weit scheint in Ihrer Organisation das kollektive, vergemein-

schaftete Bewusstsein entwickelt zu sein, dass ein »Case for Action«

vorhanden ist?

2. Was heißt das eigentlich: Entscheiden?

Beim Entscheiden geht es ans Eingemachte. Nüchtern gefasst: Es ist die

»selbstverständliche« Basisoperation in jeder Organisation, in den mei-

sten Teams – und im Leben jedes einzelnen Menschen.

Voraussetzung und Essenz jeder Entscheidung ist das Eingehen/Nicht-

Eingehen eines Risikobündels. Und ein Risiko eingehen bedeutet, die

Möglichkeit des Scheiterns als Voraussetzung für Ertrag und Erfolg in

Kauf zu nehmen. Das lockt, macht Angst und erfordert Mut, lähmt oder

beflügelt.

Entscheiden als »eine Unterscheidung, die Folgen hat« verbindet Den-

ken und Fühlen, Reden und Planen auf der einen Seite mit Handeln, In-

vestieren, Erfahrungen machen und Erfahrungslernen auf der anderen

Seite. Wie wenig man Entscheidungen in der Hand hat, zeigt sich darin,

dass man oft erst geraume Zeit später anhand von Folgeentscheidun-

gen und verändertem Handeln bemerkt, dass bzw. wann eine wirklich

relevante Entscheidung tatsächlich »gefallen« ist und wie weitreichend

ihre Wirkung ist. Und zur Kenntnis nehmen muss, dass groß herauspo-

saunte Beschlüsse ohne Konsequenz bleiben. Entscheidungen ohne

Umsetzung sind keine Entscheidungen, sondern Absichtserklärungen,

Wunschdenken, Etikettenschwindel, Selbstbetrug und damit Fluchtver-

such vor dem Risiko – mit garantiertem Bumerangeffekt. »Die Erfolgs-

geschichten von heute sind die riskanten Entscheidungen von gestern.«

(Stuart Crainer)

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t h e m a Entscheiden als Prozess Hernsteiner 3/2006

Risiko ist eine Medaille mit zwei Seiten: der Chancen- und der Ge-

fahrenseite.

»No Risk, No Fun« macht plakativ deutlich, dass es für gute Urteilsbil-

dung und gutes Entscheiden essenziell (wenn auch ziemlich schwierig)

ist, möglichst unvoreingenommen Erfolg und Misserfolg, Chance und

Gefahr als Zwillinge zu sehen, den Aspekt des möglichen Scheiterns als

Schatten, Lustgewinn und auch Ansporn auf dem Weg zum Erfolg an-

zuerkennen. In diesem Sinn ist Risiko gut definiert als »die Möglichkeit

des Scheiterns« und Risikobereitschaft als »das bewusste Akzeptieren

und Einlassen auf das, was ich vorher nicht wissen kann. Risikobewusst-

sein heißt, die Angst nicht auszuschließen.« (Harry Allabauer) Je schwie-

riger und erregender eine Entscheidungssituation ist, desto mehr Lust

und Spaß macht sie auch, desto mehr Kreativität löst sie eventuell aus.

Die Funktion des Entscheidens entsprechend wahrzunehmen bedeutet,

Komplexität und Mehrdeutigkeit zu reduzieren, um Orientierung, Klar-

heit, Sicherheit, Entschlossenheit, Handlungsfähigkeit und Zuversicht

zu gewinnen – und zu geben.

Leitfragen zu These 2:

• Wie schätzen Sie spontan Ihre persönliche Risikobereitschaft in der

Spannung zwischen Wahrnehmung der Chance und realer Ein-

schätzung der Gefahr ein?

• Welche sieben Eigenschaftswörter oder Verhaltensmuster charakte-

risieren Ihr Entscheiden am besten? Welche (zum Teil andere) Liste

würden Freunde, Ehepartner oder kritische Kollegen/Konkurrenten

aufstellen?

• Wie gut schätzen Sie die Fähigkeit Ihres Teams und Ihrer Organisa-

tion(-seinheit) ein, den aktuellen Herausforderungen des Geschäfts

mit angemessener Risikobereitschaft zu begegnen? Wie offen und

wie sehr ohne Schwarz-Weiß-Polarisierung läuft der Risiko-Dialog?

3. Gutes Entscheiden ist einfach und produziert positive psychische

und soziale Energie.

Entscheiden passiert instinktiv aus dem Unbewussten oder Vorbewuss-

ten heraus und bleibt in der Regel unbesprochen/sprachlos. Gelingt

eine organisationsweit gepflegte Kommunikation über die Maßstäbe

besseren Entscheidens, ist viel gewonnen.

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Die einfache Annäherung an gutes Entscheiden ist jene über eine Be-

wertung hinsichtlich Ergebnis und Nutzen. Ich stelle manchmal zum

Einstieg ins Thema und zur Klärung seiner Relevanz die Frage: »Woran

würden Sie erkennen, dass in Ihrer Organisation gut (besser) entschie-

den wird?«

Tab. 2: Stichworte (gekürzt) von Führungskräften eines weltweit tätigen

Druckmaschinenherstellers:

• bezüglich Risiko: kein böses Erwachen, mehr Risikobereitschaft;

• bezüglich Prozess: optimales Timing, Zeit und Kosten sparen im

Prozess, weniger Korrekturen, nachvollziehbare Entscheidungen,

Projekte konsequenter umsetzen, besseres Endergebnis;

• bezüglich eigener Persönlichkeit: geringere Entscheidungslast,

weniger eigene Zweifel, mehr Mut und Kreativität, geringere

Arbeitsbelastung, glücklicher, gutes Gefühl;

• bezüglich Entscheiden in Teams und Netzwerken: besseres Mitein-

ander (wenn höhere Entscheidungsfreudigkeit), hohes Engagement

und Commitment der Beteiligten, mehr Akzeptanz von Entschei-

dungen;

• bezüglich Organisationsebene: Transparenz, mehr Einfluss auf Halt-

barkeit, Nerven sparen (weniger Verletzung), Arbeitsklima besser (da

stressfreier), Machtspiele geringer, Entscheidung in der kompeten-

ten Ebene, Produktqualität höher, Kundenzufriedenheit größer,

Nachhaltigkeit, finanzielle Lage besser, besseres Erreichen der Unter-

nehmensziele.

• Wirkung durchgängig: mehr Zufriedenheit, mehr Motivation,

weniger Stress, mehr Effizienz und Effektivität. Einhelliges Fazit: »Das

Thema ist sehr relevant für uns. Es sollte mehr beleuchtet werden.«

Nutzen und Attraktivität von besserem Entscheiden sind unmittelbar

spürbar für jeden, der in eine entscheidungsfähige Kultur eintaucht. Es

generiert eine Energiespirale, die auf jeder Ebene der Organisation wirk-

sam wird: Auf personaler Ebene werden sich die Protagonisten durch In-

teresse am »Erkenne dich selbst!« ihrer Entscheidungsmuster bewusst,

was ihnen einen Gewinn an Authentizität, Sicherheit und Selbstver-

trauen ermöglicht. Diese Erstarkung kommt der Leistungsfähigkeit der

ganzen Organisation zugute, indem individuelle Egozentrismen à la

»Einsamer Wolf« an Grundlage und Bedeutung verlieren. Und sie beför-

dert Teams, die sich als erkennbar schlagkräftig, konfliktfähig und

schöpferisch erweisen, weil sie mit der Verschiedenartigkeit der ande-

ren Teammitglieder respektvoll umgehen können, die Vielfalt achten,

schätzen und nutzen.

Diese Grundhaltung stiftet eine (Organisations-)Kultur des Gebens und

Nehmens, der Loyalität und des Vertrauens. Tatsächlich und ohne Be-

schönigung. Individual- und organisationspsychologisch ist diese posi-

tive Energiespirale leicht erklärlich: »Geleugnete Realitäten und nicht

getroffene Entscheidungen blockieren Energie, klug getroffene Ent-

scheidungen geben und verstärken Energie.« (Bernd Opp) Die unver-

stellte Perspektive, der konkreten, aktuellen Aufgabenstellung der Or-

ganisation gerecht zu werden, sich selbstverantwortlich aus

verschiedenen Perspektiven und Optionen eine Meinung zu bilden und

im Team gute Entscheidungen auszuhandeln und zu verantworten,

führt zu einer entscheidungsfreudigen Organisationskultur, die einen

handfesten und nicht leicht imitierbaren Wettbewerbsvorteil verschafft.

Leitfragen zu These 3:

• Woran würden Sie persönlich sowie relevante (Projekt- und

Führungs-)Teams erkennen, dass in Ihrer Organisation gut/besser

entschieden wird?

• In welchem Ausmaß (auf einer Skala von 0 bis100) findet ein offener

und ehrlicher Risiko-Dialog statt? Haben Sie Plattformen für Story-

telling (Jahreskonferenz, Klausuren, Seminare) zu gelungenem/

misslungenem Eingehen von Risiken?

• Wie stark fördert und belohnt Ihre Organisationskultur Autonomie,

d. h. selbstverantwortliches Entscheiden und Handeln?

4. Es gilt, sich einigen Kernthemen des Entscheidens zu stellen.

Meine persönliche Liste der Schwerpunktthemen reicht über die stereo-

type Shortlist von Tugenden wie Konsequenz, Geduld und Authentizität

hinaus. Sie möge Sie zu einem Aktionsprogramm inspirieren, das für Sie

selbst und Ihre Organisation relevant ist.

• Den Fokus auf Entscheiden statt Entscheidung legen. Man muss den

ganzen Entscheidungsprozess verstehen, gestalten, verantworten,

damit sich Entscheidungen in der Umsetzung bewähren, anstatt die

Hammerfallsekunde des Entschlusses isoliert überzubewerten. Und um

den höchsten Wirkungsgrad in der Umsetzung zu erzielen gilt es, dem

»Wie« denselben Stellenwert beizumessen wie dem »Was«.

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Hernsteiner 3/2006 t h e m a Entscheiden als Prozess

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• Wenn Hirn, Herz und Mut gut zusammenspielen, wird daraus viel

mehr als eine simple Addition. Dieser Top-Balance-Akt ist konstitutiv für

ausgewogenes, ganzheitliches Entscheiden und Leadership! »Jene

Führungskräfte, die Mut beweisen und dies mit kognitiver und emotio-

naler Intelligenz verbinden, sind am besten fähig, mit der Komplexität

zurechtzukommen, mit der sich die Organisationen heute konfrontiert

sehen. (...) Diese Erkenntnis (...) wird heute mehr denn je gebraucht.«

Dieser Einschätzung von Dotlich/Cairo/Rhinesmith3, die dafür den Be-

griff »Whole Leadership« prägen, kann ich mich uneingeschränkt an-

schließen. Ihr harsches Urteil »Unsere Leader stützen sich häufig aus-

schließlich auf eine einzige Qualität – Kopf oder Herz oder Mut (Partial

Leadership)« möchte ich differenzieren: Dem »Hirn« als Verortung des

fachlichen Wissens von Führungskräften wird traditionell ein zu hoher

Stellenwert zugestanden. Dem »Herz«, das immer auch die Bedürfnisse

und Möglichkeiten der Menschen mit den Notwendigkeiten des Ge-

schäftes in Einklang zu bringen sucht, wird schon seltener unabding-

bare Relevanz zugestanden, und »Mut« ist als die dritte Bewegkraft

noch über weite Strecken unerforschtes Terrain: »Die Bereitschaft, das

als richtig Erkannte zu tun – unabhängig davon, wie schwierig das ist.«

Damit ist Risikobereitschaft gemeint, die auf Integrität, starken Über-

zeugungen und Werten beruht. Mut heißt auch, der Intuition Raum zu

geben. Und das kann gelernt werden: die schrittweise graduelle Verän-

derung der Einstellung zum Eingehen von Risiken, die Kultivierung der

Intuition! Es lohnt sich und ist notwendige Voraussetzung für jeden

Wandel4.

• Anregungen aus der Neurobiologie aufgreifen. Die jüngsten Erkennt-

nisse aus der Forschung auf diesem Gebiet werfen ein neues Licht auf

die Grenzen und Möglichkeiten des Entscheidens. Die Erkenntnisse über

die »energiesparenden« Programme des limbischen Systems im Gehirn

und im Unbewussten sind faszinierend und belegen die These, dass

nachhaltiger Wandel und Leistungssteigerung nur über Bewusstwer-

dung und geduldiges Üben zu erzielen sind: »Bewusstsein ist die Mon-

tagehalle für das Unterbewusste und die Intuition.« (Hans-Georg Häu-

sel) Bestärkt von diesen Forschungsergebnissen haben wir eine »Matrix

der 4 ökonomischen Zugänge bzw. Normstrategien des Entscheidens«

abgeleitet (Tab. 3).

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t h e m a Entscheiden als Prozess Hernsteiner 3/2006

3 D o t l i c h / C a i r o / R h i n e s m i t h ( 2 0 0 6 ) : Head, Heart, and Guts Jossey-Bass, San Francisco.4 K l e i n / N a p i e r ( 2 0 0 3 ) : The Courage to Act. Five factors of courage to transform business. Mountain View.

Sutrich Organisationsberatung © 2006

Tab. 3: RISIKO

RISIKO

PROBLEMLAGE(Entscheidungssituation)

bekannt/transparent/klar

undurchsichtig/diffus

(noch) gering

Quadrant 1:• sehr energiesparend – unbewusst • die limbischen Programme

Dominanz-Stimulanz-Balance laufen lassen• nur aussteigen, wenn die Routinen nicht mehr passen

Normstrategie: LAUFEN LASSEN

Quadrant 3:• mit begrenztem Aufwand ...• Raten, Würfeln oder• mit Rundumblick »Driften« • Fähigkeit zum Antizipieren üben• auf den richtigen Moment warten

Normstrategie: AUFMERKSAM KOMMEN LASSEN

hoch oder vermutlich hoch (unbekannt)

Quadrant 2:• unbewusst – intuitiv• je nach persönlicher Risikoneigung (»Spielertyp«)• je nach Erfahrung (Beispiele: Roulette, Poker, Börse)• einfache Heuristiken, Prozeduren, Rituale, Aberglauben

Normstrategie: BE YOURSELF

Quadrant 4:• Bewusstsein aktivieren und fokussieren• Reflexion und Kommunikationskultur verbessern• ausgewogen Hirn, Herz und Mut• offen für alle Risikoaspekte• in beste Entscheidungstechniken investieren• Unterstützung durch Team/Berater organisieren

Normstrategie: INVESTIEREN IN BESSER ENTSCHEIDEN

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Die Matrix hilft, zu sortieren und Prioritäten zu setzen: Da »Bewusstsein

energetisch ein sehr teurer Prozess« ist, plädieren wir nicht pauschal

dafür, mehr Aufmerksamkeit und Zeit für das Entscheiden aufzuwen-

den, sondern differenziert vorzugehen. Bei allen Entscheidungen im

Quadranten 4 bin ich überzeugt, dass es sich nachhaltig lohnt, in per-

sönliches und kollektives Lernen und Üben variantenreich zu investieren.

Aus guten wie auch aus schlechten Entscheidungen lernen. Detaillierte

Ausführungen darüber, wie das konkret funktioniert und durch Training

und Beratung unterstützt werden kann, würden den Rahmen dieses

Überblicks sprengen. Gewiss ist: Offen über Fehlentscheidungen zu

reden ist für nachhaltige Leistungssteigerung in Organisationen ge-

nauso weichenstellend wie die Sicherheit, das Selbstvertrauen und die

Routinen, die aus gut gelungenen Entscheidungsprozessen erwachsen.

Noch fehlen selbst nach gelungenen Entscheidungen »Lessons Learned«

im Standardrepertoire; noch ist es kaum denkbar – und undenkbar in

hervorgehobener Führungsrolle – einzugestehen: »Ich kann’s nicht

gut.« Oder: »Ich fürchte, falsch zu entscheiden.« Oder: »Ich habe falsch

entschieden.« Dabei liegt doch in der »Rentabilität des Scheiterns«

(Wolfgang Looss5) die Einladung zum nicht immer bequemen »doppel-

schleifigen Lernen« (Chris Argyris6), was bekanntlich ein notwendiges

Moment aller Veränderungsprozesse ist (Peter Senge7).

Trotz alledem ist es uns aber ab und an vergönnt, Top-Managern zu be-

gegnen, die ihren souveränen Erfolg auf genau diese Lernerfahrungen

zurückführen. Einer dieser Pioniere lässt in Bezug auf Fehlertoleranzkul-

tur, Offenheit und Ehrlichkeit keinen Zweifel offen: »Es ist ein absolutes

No-Go, wenn jemand etwas verschweigt. Lügen nimmt die Möglichkeit,

Fehler zu korrigieren, das ist der zentrale, pragmatische Punkt. Irren ist

okay. (...) Wenn es keine Fehlertoleranz gibt im Sinne von Fehler anneh-

men und daraus lernen, dann wird nichts entschieden. Es ist Chefsache,

das vorzuleben. Wir haben diesbezüglich ein Ritual eingeführt. (...),

einen Regelkreis: Fehler machen, Fehler bekennen, annehmen, Korrek-

turvorschlag, Ausführung, Wirksamkeit überprüfen. Wenn das Teil einer

Unternehmenskultur ist, ist Entscheiden relativ leicht.« 8

Leitfragen zu These 4:

• Was sind die 3 bis 5 Kernthemen, denen Sie persönlich bzw. Ihr

Team/Ihre Organisation(-seinheit) sich stellen könnten, um zu

nachhaltig besseren Entscheidungsprozessen zu kommen?

• Was sind aktuelle riskante Projekte oder latente strategische

Weichenstellungen, in denen Ihnen die bestmögliche Entschei-

dungsqualität zu organisieren sehr am Herzen liegt?

5. Tipps für pragmatische nächste Schritte – nach dem Motto von

Erich Kästner: »Es gibt nichts Gutes außer: Man tut es.«

Angenommen, Sie können sich den realen Nutzen des hier vorgestellten

Modells gut vorstellen: Hier ein paar Tipps für Ansatzpunkte und näch-

ste Schritte.

• Mit der Entscheiden-Brille im Alltag bewusster zu spielen beginnen

kann eine kleine, unaufwendige Übung mit großer Wirkung sein.

Zum Beispiel mit Fragen wie: Gibt es etwas zu entscheiden?

Was, präzise? Für welche Entscheidung ist die Zeit reif, überreif, noch

nicht reif? Was müssen wir tun, um schnell zu einer guten Entschei-

dung zu kommen?

• Organisieren Sie in Ihrem (Führungs-) Team regelmäßig eine kleine

Dialogsequenz, z. B. zum Abschluss Ihrer regelmäßigen Sitzung,

fordern Sie Feedback ein, bieten Sie Feedback an: Wie entscheiden

wir eigentlich? Wie zufrieden/unzufrieden sind wir mit unserer Ent-

scheidungsqualität? (Durch Beispiele aus jüngster Vergangenheit

konkretisiert!) Was entscheiden wir leicht und gut? Was fällt uns

schwer? Was vermeiden wir (weil eine Offenlegung nachteilig sein

könnte)? Wie könnten wir uns das Entscheiden leichter und befriedi-

gender machen?

• »Spezial-Entscheider-Teams« für hochriskante, komplexe Entschei-

dungen schnell entscheidungsfähig zu machen, beginnt mit einer

bewussten Teamzusammensetzung nach ergänzenden Perspektiven

(sachlich und emotional), Risikoneigungen und Entscheidungs-

mustern.

• Wenn Sie wollen, dass Ihre Personalentwicklung bzw. Management-

Qualifizierung geschäftsnäher und effizienter konzipiert ist, haben

Sie zwei Möglichkeiten. Die einfache: spezielle Module zum Thema

8

Hernsteiner 3/2006 t h e m a Entscheiden als Prozess

5 W o l f g a n g L o o s s ( 1 9 9 9 ) : Scheitern im Management und das Management des Scheiterns. Hernsteiner 2, Wien.6 C h r i s A r g y r i s ( 1 9 8 2 ) : Reasoning, Learning, and Action: Individual and Organizational. Jossey-Bass, San Franzisko7 P e t e r S e n g e ( 1 9 9 6 ) : The Dance of Change.8 N o r b e r t Z i m m e r m a n n ( 2 0 0 6 ) , persönliche Mitteilung

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»Besser entscheiden« für einzelne Zielgruppen, z. B. für Nachwuchs-

führungskräfte oder Experten, anzubieten. Oder die tief greifende:

eine ganz neue Architektur zu konzipieren, in der sichergestellt ist,

dass das Üben von »Besser-Entscheiden« als Basisoperation den roten

Faden quer durch alle Module bildet.

• Der große Hammer: Einen existenziellen Kern-Geschäftsprozess des

Unternehmens einmal anhand der Leitfrage »Wie, nach welchen

Regeln und Mustern, laufen in diesem Kernprozess die Entscheidun-

gen ab?« mit neuen Augen zu analysieren und zu verbessern. Diesen

sehr tief greifenden Schritt werden Sie auf jeden Fall tun (müssen),

wenn die Flop-Rate in den letzten Jahren sehr unangenehm bis

bedrohlich hoch war.

Leitfragen zu These 5:

• Wie kann ich mir selbst mehr gezielte Aufmerksamkeit für mein

Entscheiden im Alltag organisieren und gönnen?

• Was soll durch meine Entscheidungen und Verantwortung ent-

stehen?

• Was wären meine drei wichtigsten Entscheidungen, wenn mir für

meine gegenwärtige Aufgabe nur noch zwei Jahre Zeit blieben?

So wie die längste Reise mit dem ersten Schritt beginnt, beginnt auch

der Weg zum »Besseren Entscheiden« mit der Wahrheit im Sinne des

Märchen von des Kaisers neuen Kleidern – mit der unbestechlichen

Wahrnehmung der Wirklichkeit des Entscheidens in Ihrer Organisation,

wie sie ist, und nicht, wie Sie diese gerne hätten. Das erfordert wenig

mehr als Neugier und den Mut, Fragen zu stellen.

9

t h e m a Entscheiden als Prozess Hernsteiner 3/2006

Der Pentaeder symbolisiert die fünf Elemente eines dynamischen Entscheidungsprozesses.

1. Risiko – der Motor des Entscheidens

2. Prozess – das »Wie«

3. MeinePersönlichkeit als Entscheider (in Rollen)

4. Teams – Perspektivenvielfalt und Umsetzung

5. Organisation – die Stellhebel für Nachhaltigkeit

Sutrich Organisationsberatung © 2006

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scheint). Dabei unterliegen die Argumentationen erstens einem Denk-

fehler und führen zweitens in die Sackgasse. Der Denkfehler besteht

darin, die Entwicklung der letzten Jahrzehnte als einen Verlauf von ein-

fachen (früher), zu komplizierteren (70er und 80er Jahre) bis hin zu

komplexen Verhältnissen (heute) zu rekonstruieren und diese damit als

eine stetige Steigerung der Relationierung von Elementen zu denken.

Ein kurzer Rückblick auf Komplexitätstheorien zeigt jedoch, dass das

Einfache keineswegs einen Gegenbegriff von Komplexität darstellt.1

Komplexität ist vielmehr definiert als prinzipielle Undurchschaubarkeit,

die dann vorliegt, wenn sachlich, zeitlich oder sozial nicht mehr alles mit

allem verknüpft werden kann. Gerade in zeitlicher Hinsicht stellt sich

somit jede Entscheidung als komplex dar, da man beispielsweise nie alle

positiven und negativen Folgen der Entscheidung vorhersehen kann.

Mit dem prinzipiellen Risiko, eine Entscheidung zu treffen, die sich

zukünftig als falsch herausstellt, und zugleich mit dem Risiko, dass sich

die (Entscheidung zur) Nichtentscheidung als noch größerer Fehler her-

ausstellen kann, muss und musste jedes Management umgehen. Kom-

plex waren die Verhältnisse also schon immer, einfach waren sie noch

nie.

In eine Sackgasse führt die Rhetorik von der steigenden Komplexität

durch die Verknüpfung der Diagnose mit immer neuen, andersartigen

Lösungen, die kontrafaktisch in der Lage sein sollen, das Komplexitäts-

problem rational zu bearbeiten. Die »große alte Dame« der Betriebs-

wirtschaftslehre und Entscheidungstheorie – wenn man sie so bezeich-

nen will – bleibt also unangetastet: Es ist die Prämisse, dass

Entscheidungen rational zu treffen sind. Die eingangs beschriebene und

in jedem Unternehmen anzutreffende Stresserfahrung im Management

hat ein Gutteil mit diesem Festhalten am Prinzip rationaler Entschei-

dungsfindung zu tun. Nichts setzt Personen mehr unter Stress, als sie in

Situationen zu bringen, die sie (allein) nicht durchschauen können, und

zugleich von ihnen zu fordern, sie allein müssten die richtigen Lösungen

formulieren bzw. haben die Konsequenzen einer Fehlentscheidung zu

tragen. Gesteigert wird dieses Empfinden noch durch die der Rationa-

lität nachfolgende Prämisse, es gebe einzig richtige Lösungen.

Wer nach Alternativen zu diesem Denken und nach Anregungen für den

Umgang mit komplexen Verhältnissen sucht, muss keineswegs nach al-

lerneuesten Konzepten und Instrumenten Ausschau halten.

Entscheiden im Zeitalter der Globalisierung – Achtsamkeit statt Fassadenbau

Ist Entscheiden in den letzten Jahren und Jahrzehnten wirklich schwieriger geworden? Die hier vertretene Theselautet: Argumentationen dieser Art unterliegen erstens einem Denkfehler und führen zweitens in die Sackgasse.

Dipl. Soz. wiss. Torsten Groth ist Geschäftsführer des Management Zentrum Witten (MZW).

10

Hernsteiner 3/2006 t h e m a Entscheiden als Prozess

Wer heutzutage als Wissenschaftler und Berater Zustimmung unter Ma-

nagern erheischen möchte, bauscht zu Beginn seiner Ausführungen die

Globalisierung zu einer noch nie da gewesenen Herausforderung auf:

Der Markt verändert sich immer schneller, die Vernetzung nimmt stetig

zu, die Erfolge von heute sind die Untergangsgründe von morgen etc.

Kurz gesagt: Er stellt die Diagnose, die Komplexität steigert sich immer

weiter, gar bis ins Unermessliche. Wer diesen Einstieg wählt, beschreibt

einen Zustand, der dem Erleben vieler Entscheider in Unternehmen ent-

spricht. Zu hinterfragen ist jedoch, ob man auf diesem Wege zu einer

angemessenen Problembeschreibung aktueller Herausforderungen

kommt.

Die folgenden Ausführungen gehen in eine andere Richtung. Sie führen

zurück zu vermeintlich alten Überlegungen zur Rationalität von Ent-

scheidungen. Hierbei wird deutlich, dass die heutigen Entscheidungsla-

gen durchaus neu, das Entscheidungsproblem aber prinzipiell gleich ge-

blieben ist. Der Beitrag endet mit einem Aufruf zu einer Achtsamkeit,

die im Bewusstsein agiert, dass jederzeit unerwartete Ereignisse auf-

tauchen könnten, auf die ein Unternehmen antwortfähig sein muss.

Denkfehler und Sackgassen

Wirft man einen Blick in die Management-Ratgeber der letzten 20 Jahre,

so kann man den Eindruck gewinnen, das Entscheiden sei immer

schwieriger geworden. Aus einer ehedem geordneten Welt, in der es

noch einfache Antworten auf die gängigen Probleme des Managements

gab, ist eine komplexe, undurchschaubare Welt voller unvorhersehba-

rer Effekte geworden. Es treten immer neue Probleme auf, die dann

auch einzigartiger neuer Lösungen bedürfen – nicht ganz zufällig derje-

nigen, die der jeweilige Autor auf den Folgeseiten präsentiert. Die dia-

gnostizierte Undurchschaubarkeit und Unvorhersehbarkeit gilt also nur

bedingt, denn zumindest eine Person (der Autor) oder eine Personen-

gruppe (die Beratungsgesellschaft) hat zumindest so weit den Durch-

blick gewinnen können, dass sie entweder bestimmte Instrumente

empfehlen oder bestimmte Manager-Typen einfordern können.

Ratgeber dieser Art sind allseits bekannt und ihre Funktionalität ist

leicht zu durchschauen (Wer sehnt sich nicht nach dem, was verspro-

chen wird: Lösungen zu einem Problem, das einen selbst zu überfordern

1 D i r k B a e c k e r : Organisation als System. Frankfurt a. M., Suhrkamp, 2003, S. 28.

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Die Organisationstheorie, oder zumindest ein Teil von ihr, hat sich schon

seit Langem mit der Rationalität von Entscheidungen auseinanderge-

setzt. Eine der frühesten Forschergruppen, die sich dem Entscheidungs-

problem kritisch genähert hat, war die Carnegie Mellon School um Her-

bert Simon, James March und Kollegen. Schon vor mehr als 50 Jahren

konnte Simon nachweisen, dass die Rationalität keineswegs den Ent-

scheidungen zugrunde liegt. Sowohl sachlich, sozial und zeitlich spricht

einiges dagegen.

Sachlich fehlt es Entscheidern schlicht an Aufmerksamkeitsressourcen,

um wie ein »Economic Man« (der gleichzusetzen ist mit dem »Rational

Man«) zu handeln.2 Auch wenn Entscheider intentional rational zu ent-

scheiden glauben, zeigt sich, dass sie ihre Entscheidungen auf der Basis

eines stark vereinfachten, von der Realität abweichenden Modells tref-

fen. Aufgrund der begrenzten Aufmerksamkeitsressourcen kann man

auch nicht mehr vom Finden optimaler Lösungen sprechen. Entscheider

halten in der Regel nur so lange nach Alternativen Ausschau, bis sie eine

»Satisficing«, also eine befriedigende Lösung gefunden haben.

Sozial, also mit kollektiven Abstimmungsprozessen, erreichen Organi-

sationen nur »halbwegs handhabbare Entscheidungssituationen, indem

sie Pläne dort vermeiden, wo Pläne von Vorhersagen unsicherer künfti-

ger Ereignisse abhängen, und indem sie die Planungen dort in den Mit-

telpunkt stellen, wo die Pläne so gestaltet werden können, dass sie sich

durch bestimmte Kontrollmechanismen selbst bestätigen.«3

In zeitlicher Hinsicht haben March und Kollegen den Ausdruck »Garbage

Can« geprägt.4 Organisationen sind »Mülleimer«, in denen Lösungen

neben Problemen, Gelegenheiten und Teilnehmern liegen. Zufälle, wie

der Zeitpunkt des Einwurfes, bestimmen, was nebeneinander liegt und

dann aufgegriffen und miteinander verknüpft wird. Diese Gemengelage

nennen sie »Organized Anarchy«. Sachliche Erwägungen geben bei die-

ser Gemengelage weniger den Ausschlag. »Was in den Mülleimer rein-

kommt und was – wenn überhaupt – wieder herauskommt, hängt in

weit höherem Maße von den zeitlichen Abfolgen des Einwerfens und

Herausnehmens ab als von sachlich begründeten Notwendigkeiten.«5

Schon vor mehreren Jahrzehnten, denn so alt – vielleicht besser: gereift?

– sind die hier skizzierten Forschungsergebnisse, sprach vieles dafür,

sich vom Ideal rationaler Entscheidungen und Prinzip einzig richtiger Lö-

sungen zu verabschieden. Schon damals konnte empirisch nachgewie-

sen werden, dass man es mit komplexen Entscheidungslagen zu tun hat,

in denen das Management nur mit Not den an sie gerichteten Erwar-

tungen entsprechen konnte. Was ist also hinsichtlich der Entschei-

dungsproblematik neu an der jetzigen Situation? Prinzipiell nichts: Wie

schon immer geht es, so könnte man mit Heinz von Foerster formulie-

ren, um die Entscheidung nicht entscheidbarer Entscheidungen.

Bröckelnde Fassaden

Niklas Luhmann hat in seiner Organisationstheorie die Rationalitätskri-

tik der Carnegie Mellon School weiter zugespitzt und das Entscheiden

als paradox dargestellt. Die »Paradoxie des Entscheidens«6 liegt gerade

darin, dass eine Entscheidung nur dann eine Entscheidung ist, wenn sie

als Wahl prinzipiell wählbarer Alternativen dargestellt wird und zugleich

mitkommuniziert, welche Alternative zu wählen ist. Wenn aber sowieso

klar ist, was zu tun ist, hat man es nicht mehr mit einer Entscheidung zu

tun ... Wenn hingegen alle Alternativen zu entscheiden sind, muss man

Unentscheidbares entscheiden (s. o.). Die Organisation behilft sich hier

mit einem Trick: »Man löst das Paradox, wenn es um Entscheidung geht,

durch Bezeichnung des Entscheiders auf. (...) Die Organisation vergisst

sich gleichsam selbst.«7

Damit kommen wir dem Überforderungssymptom vieler Manager auf

die Spur. Ihnen wird etwas aufgebürdet, mit dem sich Organisationen

auseinandersetzen müssten. Statt der Paradoxie ansichtig zu werden

und beispielsweise auf Fehlerfreundlichkeit zu setzen sowie unterneh-

merisches, also chancen- und risikobehaftetes, scheiternswahrscheinli-

ches Denken zu belohnen, wird von Managern verlangt, sie müssten die

komplexe Problemlage so weit analytisch durchdringen, dass sie die

Auswirkungen der Globalisierung auf ihr Unternehmen beherrschen

können.

11

t h e m a Entscheiden als Prozess Hernsteiner 3/2006

2 H e r b e r t A . S i m o n : A behavioral model of rational choice. Quarterly Journal of Economics 69, 1955, p. 99-118. 3 R i c h a r d M . C y e r t / J a m e s G . M a r c h : Eine verhaltenswissenschaftliche Theorie der Unternehmung (2. Aufl.).

Stuttgart 1995, S. 160.4 M . C o h e n / J a m e s G . M a r c h / J o h a n P . O l s o n : A Garbage Can Model of Organizational Choice. Administrative Science

Quarterly 17, 1972, p. 1-25. 5 T o r s t e n G r o t h / A l e x a n d e r T . N i c o l a i : Das intelligente Management von Mülleimern.

Organisationsentwicklung 21, H. 4, 2002, S. 60.6 N i k l a s L u h m a n n : Organisation und Entscheidung. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, 2000, S. 122-153.7 Niklas Luhmann a. a. O., S. 147.

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Damit sind Unternehmen nichts anderes als (kommunikative) Fassa-

denerbauer, die sich immerzu mit dem Problem beschäftigen, nicht

durchscheinen zu lassen, dass alles keineswegs so rational zugeht, wie

man immer vorzugeben versucht, dass keiner genau weiß, wie es wei-

tergeht, dass die großen Innovationen ungeplant und die Umsatzzuge-

winne durch zufällige Konstellationen hervorgerufen wurden. »Organi-

sationen sind«, so Karl Weick, »trotz ihrer scheinbaren Inanspruch-

nahme durch Fakten, Zahlen, Objektivität, Konkretheit und Verant-

wortlichkeit in Wahrheit voll von Subjektivität. Abstraktionen, Rätseln,

Schau, Erfindung und Willkür ... ganz wie wir alle.«8

Mit der Globalisierung und mit der Internet-Ökonomie wird es nun

immer schwieriger, die Fassade rationaler Entscheidungen aufrechtzu-

erhalten. Bruchstellen tun sich auf, denn angesichts vollkommen neuer

Märkte und neuer Marktdynamiken kann nicht mehr verdeckt werden,

dass im Kern der Organisation weit mehr Willkür als Rationalität waltet.

Was ist demnach zu tun? In dem neuen Phänomen (mit dem alten Kom-

plexitätsproblem) steckt die Chance, das Selbstverständnis des Unter-

nehmens grundlegend zu ändern. Anstatt immer weiter Energie in die

Fassadenerneuerung zu stecken, dass heißt zum Beispiel immer weiter

Unmögliches vom Management zu verlangen, das dann wiederum

seine Energie darauf verwendet, sich mithilfe von Expertenberatung, Si-

cherheit versprechenden Studien (»Indien als Zukunftsmarkt«) oder Bu-

siness as usual aus der Schusslinie zu bringen, könnte die eingesparte

Energie darauf verwendet werden, den Herausforderungen der Globali-

sierung mit »Achtsamkeit« (Mindfulness) zu begegnen.

Achtsamkeit9

Es gibt eine Unternehmensform, die es sich schon seit Langem nicht

mehr leisten kann, in den Fassadenbau zu investieren. Dies sind soge-

nannte High Reliability Organizations (HROs). Hierunter versteht man

Organisationen, die Sorge tragen müssen, dass ein Unfall auf alle Fälle

vermieden werden muss (z. B. Atomkraftwerke, Öltanker, Flugzeugträ-

ger oder Notfallmedizin). Im Gegensatz zu »normalen« Unternehmen

haben diese Organisationen keine Gelegenheit, Fehler zu vertuschen.

Stattdessen muss es ihnen gelingen, eine hohe Sensibilität für kleinste

Unregelmäßigkeiten zu entwickeln, damit es gar nicht erst zum Äußer-

sten kommt.

In ihrem Werk »Das Unerwartete managen« haben Weick und Sutcliffe10

diesen Typ Organisation untersucht. Ihre Grundthese lautet, dass in Zei-

ten wachsender Unsicherheiten alle Organisationstypen von den HROs

lernen können. Dies können wir noch weiter zuspitzen. HROs sind Vor-

bilder für Unternehmen, die ihre Energie nicht mehr in den Fassadenbau

stecken. Was sie stattdessen machen, lässt sich anhand von fünf Eigen-

schaften aufzeigen:

1. Konzentration auf Fehler:

Gerade weil nichts passieren darf, wird jede noch so kleine Panne als

Chance gesehen, eine potenzielle Schwachstelle zu erkennen. Fehler

sind »Fenster zum Gesamtsystem«11. Darum werden alle Mitarbeiter

motiviert, jeden noch so kleinen Fehler zu melden. Im Wissen, dass

jeder erkannte Fehler die Sicherheit der Organisation erhöht, muss auch

niemand Sanktionen befürchten.

2. Abneigung gegen vereinfachende Interpretationen:

Um eine permanente Achtsamkeit gegenüber allen Veränderungen auf-

rechtzuerhalten, konzentrieren sich HROs darauf, Vereinfachungen

komplizierter zu machen. Das Grundprinzip der Organisation wird

damit auf den Kopf gestellt: Nicht das Team erntet Lob und Anerken-

nung, das nach langen Überlegungen eine schnelle Lösung für ein Pro-

blem gefunden hat, sondern das Team, das einfache Lösungen hinter-

fragt. Man könnte auch formulieren, die HROs wissen um die »Paradoxie

des Entscheidens« (s. o.). Weick und Sutcliffe plädieren deshalb dafür,

Leitungs- und Kontrollteams immer aus Mitgliedern verschiedener Ab-

teilungen zu besetzen. Nur so werden blinde Flecken vermieden und

bleibt ein achtsamer Umgang mit dem Unerwarteten gewahrt.

3. Sensibilität für betriebliche Abläufe:

Im Wissen um die Unmöglichkeit, alle Abläufe hierarchisch steuern und

alle Abweichungen in ihren Auswirkungen einschätzen zu können, ver-

trauen Vorgesetzte in HROs weit mehr ihren Untergebenen als in nor-

malen Unternehmen: »In HROs werden Befugnisse beispielsweise in

Richtung Know-how delegiert, wo immer es liegt, und nicht die Hierar-

chie hinauf und herunter in Richtung Dienstalter oder Dienstrang.«12

Man sieht, auch in diesem Falle wird ein Grundprinzip der Organisation

auf den Kopf gestellt. Es geht nicht mehr um die oben erwähnten

12

Hernsteiner 3/2006 t h e m a Entscheiden als Prozess

8 K a r l E . W e i c k : Der Prozess des Organisierens. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1985, S. 15.9 T o r s t e n G r o t h : Wider die Verdummung durch Substantive. Organisationsentwicklung 23, H. 3, S. 93ff.1 0 K a r l E . W e i c k / K a t h r i n S u t c l i f f e : Das Unerwartete managen. Stuttgart: Klett-Cotta, 2003.1 1 Karl E. Weick/Kathrin Sutcliffe a.a.O., S. 70.1 2 Karl E. Weick/Kathrin Sutcliffe a.a.O., S. 77.

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13

t h e m a Entscheiden als Prozess Hernsteiner 3/2006

Absicherungsstrategien, nicht mehr um die Wahrung von Hierarchie,

sondern darum, die vorhandenen Kompetenzen für die Organisation zu

nutzen.

4. Streben nach Flexibilität:

Das Unerwartete zu managen, führt bei HROs nicht zu dem Reflex, für

alle möglichen Szenarien Pläne zu entwerfen. Diese Pläne würden nur

dazu führen, eine Sicherheit vorzutäuschen, die es nicht geben kann.

Stattdessen investieren HROs in allgemeine Ressourcen, z.B. in die

Fähigkeit, rasch Rückmeldungen von Kompetenzträgern einzuholen,

um so schnelle Lernprozesse herbeizuführen. Wenn man nicht weiß,

was auf das Unternehmen zukommt, hilft nur das Wissen, ein Reper-

toire an schnell generierbaren Lösungen parat zu haben, das situativ an-

zupassen ist. Man kann sich nur wiederholen, auch hier agiert das Un-

ternehmen im Bewusstsein, dass dem Neuen nicht mit vorhandenen

Zuständigkeiten und Entscheidungsroutinen beizukommen ist.

5. Respekt vor fachlichem Wissen:

HROs sind permanent bestrebt, Probleme von dem jeweils fachlich

kompetentesten Mitarbeiter lösen zu lassen. Keine Lösung parat zu

haben, ist kein Makel, fatal wäre es, diesen Umstand vertuschen zu wol-

len: »Es ist ein Zeichen von Stärke und Selbstbewusstsein, zu erkennen,

wann man die Grenzen des eigenen Wissens erreicht hat und die Hilfe

anderer in Anspruch nehmen sollte.«13

Vor dem Hintergrund der in den meisten Unternehmen stattfindenden

hierarchischen Absicherungsstrategien, Planungs- und Regelungsdich-

ten, mikropolitischen (Blockade-)Spielen, Überforderungen des Mana-

gements etc. wird die Radikalität dieser von Weick und Sutcliffe identi-

fizierten Lösungen sichtbar. Genauso achtsam, wie die HROs das

Unerwartete managen, sollten Unternehmen mit den Herausforderun-

gen der Globalisierung und der Internet-Ökonomie umgehen.

Hervorheben sollte man auch noch, dass in dem Konzept nicht der Ma-

nager achtsam agieren muss, sondern dass die Organisation mit all

ihren Strukturen auf Achtsamkeit getrimmt wird. Dies geht so weit,

dass selbst der einfachste Arbeiter, z.B. ein Helfer auf dem Flugzeugträ-

gerdeck, quasi zum Chef der Organisation wird, nämlich in dem Mo-

ment, wo er spürt (nicht begründet), dass im Landevorgang der Flug-

zeuge »etwas nicht stimmt«. Von Fall zu Fall sind HROs also in der Lage,

die Hierarchie zu drehen, um so die Erfahrungen und Empfindungen

aller Mitarbeiter organisational wirksam werden zu lassen.

HROs zeigen damit, wie eine Musterunterbrechung vollzogen werden

könnte. Jenseits einfacher Management-Moden wird die Denkspirale

zerstört, alles werde komplexer und erfordere quasi automatisch immer

größere Anstrengungen. Wie gesagt, komplex waren die Verhältnisse

schon immer. HROs finden eine Antwort, indem sie etwas machen, was

man als Minus-Management bezeichnen könnte: Sie regen dazu an, all

das wegzulassen, was einzig dem Bau einer rationalen Fassade dient, um

so den Blick frei zu bekommen für die Chancen und Risiken, die früher

hauptsächlich auf der Straße lagen und heute vielleicht in den zahllosen

virtuellen Räumen des World Wide Web oder wo auch immer stecken

könnten.

1 3 Karl E. Weick/Kathrin Sutcliffe a.a.O., S. 92.

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Bereits jetzt wird deutlich, dass es bei Entscheidungen in wesentlicher

Weise um die Interaktion zwischen Menschen geht, nämlich zwischen

Entscheidern und denen, die von Entscheidungen betroffen sind und die

daran mitwirken sollen, sie zu einem Erfolg werden zu lassen. Zu einem

Erfolg können Entscheidungen nur dann werden, wenn alle Beteiligten

Motivation entwickeln und kooperieren. Erst in den letzten Jahren

stellte sich – im Rahmen neurobiologischer Untersuchungen – heraus,

welchen Grundregeln die menschliche Motivation folgt, welche äuße-

ren Stimuli Motivation hervorrufen können und was beim Menschen die

Ziele motivierten Verhaltens sind2. Das auch für viele Fachleute erstaun-

liche Ergebnis wissenschaftlicher Analysen war: Die Grundmotive, auf

die menschliches Verhalten gerichtet ist, sind Anerkennung und gelin-

gende soziale Beziehung. Dies bedeutet einerseits: Der Mensch ist ein in

seinen zentralen Motivationen auf Kooperation zielendes Wesen, sozu-

sagen ein »Beziehungstier«. Dies ist der Grund, warum wir bereit sind,

Anstrengungen und Mühen auf uns zu nehmen, wenn die Aussicht

besteht, damit – direkt oder indirekt – um uns herum gute soziale Be-

ziehungen aufzubauen und zu erhalten. Andererseits bedeutet dies

aber auch: keine nachhaltige Motivation ohne gelingende Beziehungs-

gestaltung.

Die »eingebettete Entscheidung«: Die Phase davor und danach

Entscheidungen gleichen in gewisser Weise einer Geburt: Der vom Arzt

bzw. von der Ärztin supervidierte und durch dessen bzw. deren Ent-

scheidungen beeinflusste optimale Ablauf der Geburt ist eine notwen-

dige, bei Weitem aber keine hinreichende Bedingung für die Entwick-

lung eines vitalen Kindes. Von mindestens gleichrangiger Bedeutung

sind die Schwangerschaft vor und die Betreuung des Kindes nach der

Geburt. Ähnlich verhält es sich mit dem Schicksal einer Entscheidung:

Die Frage, ob sie letztlich als »gut« oder »erfolgreich« angesehen wird,

entscheidet sich zu 30 Prozent auf dem Weg, der zur Entscheidung hin-

führt, zu 30 Prozent an der getroffenen Entscheidung selbst, und zu 30

Prozent daran, was nach der Entscheidung passiert (die restlichen 10

Prozent gehen auf das Konto von Zufallsfaktoren und Glück).

Woran sich das Schicksal von Entscheidungen entscheidet

Entscheider müssen vor allem nach einer getroffenen Entscheidung die Instrumente zur Hand haben, die zur Einforderung von Kooperation und gemeinsamer Verantwortung benötigt werden. Dafür müssen aber bereits im Vorfeld der Entscheidung die Grundlagen geschaffen worden sein.

Prof. Dr. Joachim Bauer ist Mediziner, Neurobiologe und Psychotherapeut. Er leitet am Uniklinikum Freiburg die Ambulanz derAbteilung Psychosomatische Medizin1.

14

Hernsteiner 3/2006 t h e m a Entscheiden als Prozess

Es ist die wichtigste Frage, die sich all denen stellt, die Verantwortung in

Wirtschaft und Gesellschaft tragen: Wie treffe ich »gute« Entscheidun-

gen? Was sind Voraussetzungen und Prediktoren, die Einfluss darauf

haben, dass Entscheidungen sich als »gut« oder »schlecht«, als »richtig«

oder »falsch« erweisen?

Bei Entscheidungen geht es um weit mehr als um die »richtige« Bewer-

tung auf der Basis von »Rational Choice«, eine gute Entscheidung erfor-

dert Komponenten, die über eine rationale Analyse vorhandener Daten

weit hinaus gehen. Fakten, Daten und die Gesetzmäßigkeiten von Ab-

läufen zu kennen, zu analysieren und daraus Schlüsse zu ziehen – dies

sind zwar absolut notwendige, bei Weitem aber keine hinreichenden

Voraussetzungen für erfolgreiches Entscheiden. Die Missachtung dieses

Umstandes ist die wichtigste Ursache, wenn Entscheidungen Miss-

erfolge produziert haben. Ich werde an einigen Punkten aufzeigen, was

helfen kann, erfolgreich zu entscheiden.

Mehr als »Rational Choice«: Akteure, Mitspieler und Betroffene

Eine Entscheidung ist mehr als die rationale Schlussfolgerung aus der

Analyse von Daten und Fakten. Mit dem Wort der »Entscheidung« be-

schreiben wir – soweit es Wirtschaft und Gesellschaft betrifft – jene Mo-

mente, in denen die Möglichkeit oder die Notwendigkeit besteht, dem

Ablauf eines Geschehens, welches ansonsten seinen gewohnheitsmäßi-

gen Regeln folgen würde, etwas Gestaltendes hinzuzufügen. Im Zen-

trum des Entscheidungsgeschehens stehen auf der einen Seite mensch-

liche Akteure, die gestalten können bzw. müssen. Auf der anderen Seite

handelt es sich bei dem, was gestaltet wird, um – meist recht komplexe

– Strukturen, in denen wir es wiederum mit Menschen zu tun haben,

nämlich mit jenen, die in diesen Strukturen ihre Arbeit tun. Mitarbeiter

sind nicht nur die von einer Entscheidung Betroffenen, sondern spielen

eine entscheidende (!) Rolle, wenn es darum geht, das, was entschieden

wurde, umzusetzen. Mitarbeiter sind daher, auch wenn sie weisungsge-

bunden sind, immer auch »Mitspieler«. Es zeigt sich immer wieder, dass

sie einen Entscheider – selbst wenn er eine potenziell »gute« Entschei-

dung getroffen hat – durchaus scheitern lassen können. Anders als

immer wieder zu hören ist, bedeutet dies jedoch keineswegs, dass Ent-

scheider keine Spielräume mehr haben oder dass man Mitarbeiter in

Watte packen müsste.

1 Prof. Bauer ist Verfasser viel beachteter Bücher, darunter »Das Gedächtnis des Körpers« (Piper 2004), »Warum ich fühle was du fühlst (Hoffmann und Campe, 2005) und das jüngst erschienene Werk »Prinzip Menschlichkeit« (Hoffmann und Campe, 2006).

2 Eine Zusammenfassung der neueren neurobiologischen Forschung zum Thema Motivation findet sich bei Joachim Bauer: »Prinzip Menschlichkeit – Warum wir von Natur aus kooperieren« (Hoffmann und Campe, 2006).

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Der Phase, die zur Entscheidung hinführt, wird meistens mehr Aufmerk-

samkeit geschenkt als der Phase danach, obwohl dies – ich werde dar-

auf zurückkommen – ein gravierender Fehler ist. Vor der Entscheidung

haben Entscheider eine Reihe von Gesichtspunkten zu berücksichtigen

und gegeneinander abzuwägen. Entscheider tragen Verantwortung für

Investoren und deren bereitgestelltes Kapital, eventuell für weitere ma-

terielle Ressourcen, für Kunden und, last but not least, für ihre Mitarbei-

ter, welche die »menschliche Ressource« des Unternehmens bzw. der In-

stitution darstellen. Entscheider werden sich in dieser Phase daher nach

drei Seiten hin abstimmen: Erstens zur Seite der Investoren bzw. der Be-

sitzer hin (in der Regel hat man es mit deren Stellvertretern zu tun, also

mit Vorständen oder Vorgesetzten unterhalb der Vorstandsebene),

zweitens mit gleichrangigen Kollegen oder Mit-Entscheidern (unter

ihnen eventuell solche, die z.B. als Marketingleute die Perspektive des

nicht mit am Tisch sitzenden Kunden bzw. des Absatzmarktes vertre-

ten), und drittens mit nachgeordneten Mitarbeitern. Die Frage, worauf

es in der Phase vor einer Entscheidung ankommt, sei noch einen Mo-

ment aufgeschoben.

Von überragender Bedeutung für Erfolg oder Nichterfolg ist die Phase

nach einer getroffenen Entscheidung. Kurzfristig entscheidend ist jetzt

vor allem, ob die als Erstes Betroffenen – in der Regel die nachgeordne-

ten Mitarbeiter, aber auch gleichrangige Kollegen – die Entscheidung

mittragen, die Notwendigkeiten und die sich bietenden Chancen erken-

nen und sich mit der getroffenen Entscheidung identifizieren. Hier

kommt nun die bereits erwähnte Tatsache zum Tragen, dass Mitarbei-

ter, auch dann, wenn sie weisungsgebunden sind, immer auch »Mit-

spieler« sind. Verweigern sie die Kooperation – eine solche Verweige-

rung wird meistens nicht offen gezeigt –, so steht der Entscheider mit

seiner Entscheidung bald alleine da. Er erlebt nun nicht nur den sich aus

verweigerter Kooperation ergebenden Fehlschlag, sondern bekommt

dazu auch noch die Rolle des Verantwortlichen zugewiesen: Man wird

versuchen, die Ursache des Scheiterns zu verschieben, weg von der ge-

zeigten Sabotage (welche die Ursache des Scheiterns war) hinüber zur

getroffenen Entscheidung (welche im Rahmen einer Umdeutung zur

Ursache erklärt wird). Aus diesen Überlegungen wird deutlich, dass es

nicht damit getan ist, eine optimale Entscheidung getroffen zu haben,

sondern dass gerade nach Entscheidungen besonders intensive Arbeit

zu leisten ist. Nun zeigt sich auch, dass zwischen dem, was Entscheider

im Vorfeld einer Entscheidung tun, und dem, was sich danach abspielt,

ein enger Zusammenhang besteht.

Mitverantwortung einfordern und nachhaltig sicherstellen

Entscheider müssen vor allem nach einer getroffenen Entscheidung die

Instrumente zur Hand haben, die zur Einforderung von Kooperation und

gemeinsamer Verantwortung benötigt werden. Dafür müssen aber be-

reits im Vorfeld der Entscheidung die Grundlagen geschaffen worden

sein. Erste Voraussetzung für kooperatives Verhalten und gemeinsame

Verantwortung ist die Herstellung einer Beziehung, d.h. eines kontinu-

ierlichen Dialogs des Entscheiders mit den bereits genannten Partnern

(Eigner, Kollegen und Mitarbeiter). Wenn Entscheidungen zu einem

Fehlschlag werden, dann häufig deswegen, weil Beziehungsgestaltung

und Dialog nicht gelungen sind. Die drei wichtigsten Komponenten

einer im professionellen Rahmen gestalteten Beziehung3 sind 1. Re-

spekt und gegenseitige Achtung, 2. die Fähigkeit, die Perspektive des

Gesprächspartners zu erkennen, die Motive des anderen zu verstehen

und dieses Verständnis für die andere Seite auch spürbar werden zu las-

sen, und 3. den Mut zu haben, die eigene Perspektive deutlich zu ma-

chen und auszusprechen, was man sich selbst wünscht und von seinem

Gegenüber erwartet.

Im Rahmen des Dialogs, der Entscheidungen vorausgegangen sein

sollte, muss sowohl die Interessenperspektive des Gesprächspartners

zur Sprache kommen (diese wird der Gesprächspartner in der Regel

selbst formulieren) als auch diejenige der jeweils nicht anwesenden an-

deren Parteien (deren Perspektive sollte der Entscheider benennen,

ohne sich dabei auf die Seite einer Partei zu stellen). Der Entscheider

sollte für sich selbst eine möglichst parteiunabhängige Position bean-

spruchen. Er sollte für sich eine Position beschreiben, welche die Inter-

essen des Gesamtunternehmens – und damit die Interessen aller – im

Auge hat. Je mehr für die anderen deutlich wird, dass der Entscheider

die Perspektive seiner verschiedenen Partner kennt und versteht, umso

glaubwürdiger wird er sein, wenn er seine Absicht bekundet, eine Ent-

scheidung zu finden, die allen möglichst weitgehend gerecht werden

möchte, allen aber auch Kompromisse abfordern muss. Bewegt sich die

Situation auf eine zu treffende Entscheidung zu, so kann es sinnvoll sein

(dies ist jedoch keinesfalls zwingend und durchaus nicht immer sinn-

voll), diese den Beteiligten in etwa anzudeuten.

Ist die Entscheidung gefallen, beginnt die entscheidende Phase danach.

Die Entscheidung sollte allen Partnern gegenüber zweiseitig kommuni-

ziert werden, möglichst bevor diese sie aus anderer Quelle erfahren.

15

t h e m a Entscheiden als Prozess Hernsteiner 3/2006

3 Siehe dazu auch »Prinzip Menschlichkeit – Warum wir von Natur aus kooperieren« (2006).

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Entscheidend ist jetzt, dass drei Aspekte deutlich werden: 1., dass der

Entscheider selbst von seiner Entscheidung überzeugt ist, dass er sie für

uneingeschränkt richtig hält und ohne Vorbehalte an ihr festhalten

wird; 2., dass die getroffene Entscheidung vor dem Hintergrund der Ver-

antwortung für das Ganze getroffen wurde (je mehr dies tatsächlich zu-

trifft, desto glaubwürdiger wird dies sein); und 3. gegenüber Mitarbei-

tern und Kollegen deren Verantwortung und d.h. die entscheidende

Rolle zu betonen, die sie für den Erfolg tragen. Entscheider sollten zu-

lassen und es ertragen, dass die von ihnen getroffene(n) Entschei-

dung(en) bei Betroffenen kurzfristig ambivalente Gefühle auslösen kön-

nen und dass dies unmittelbar nach einer Entscheidung verbal zum

Ausdruck gebracht wird. Wichtig ist aber – und darauf sollte aufmerk-

sam geachtet werden –, dass die als erste Reaktion verständliche Ambi-

valenz nicht zu einer länger dauernden Einstellung wird und sich nicht

zur stillen Verweigerung entwickelt. Eine getroffene Entscheidung

sollte daher nicht nur einmal, sondern in kürzeren Abständen wieder-

holt kommuniziert werden. Dabei sollte die Mitverantwortung der Part-

ner wiederholt betont und eingefordert werden. Mitarbeiter sollten

spüren, dass Entscheider hier nicht lockerlassen, sondern anhaltende

Verweigerung im Zweifelsfall klar benennen. Im Falle tatsächlich ver-

weigerter Mitverantwortung muss der Entscheider die Verweigerer an-

sprechen, ihnen seinen Eindruck über ihr Verhalten mitteilen und klar-

machen, dass er bei einer weiterhin verweigernden Haltung die

Grundlagen der Zusammenarbeit in Frage gestellt sieht und bereit ist,

ernste Konsequenzen in Betracht zu ziehen.

Tatsächlich ist der erste der drei genannten Aspekte, der manchen banal

erschienen sein mag (»... dass der Entscheider von seiner Entscheidung

überzeugt ist, sie für uneingeschränkt richtig hält und ohne Vorbehalte

an ihr festhalten wird«), mindestens ebenso wichtig wie die beiden an-

deren. Neuere neurobiologische Erkenntnisse konnten bestätigen, was

viele, die in der Praxis stehen, schon lange wissen, zumindest vermutet

haben: Die Gefühle und inneren Einstellungen, die wir ins uns tragen,

teilen sich anderen Menschen – auch dann, wenn wir uns bemühen,

unser Inneres zu verbergen – in erheblichem Umfang mit. Schuld daran

ist das System der Spiegelnervenzellen4: Unser Gehirn ist – ohne dass

wir uns in besonderer Weise darum bemühen müssten – darauf spezia-

lisiert, von anderen Menschen Signale aufzunehmen und auszuwerten,

die sich aus der Mimik, den Blicken, der Stimme und der sonstigen Kör-

persprache ergeben. Diese Signale »verraten« uns – ohne jedes bewuss-

te Nachdenken, ohne absichtsvolles Bemühen, sondern auf intuitive

Weise – vieles von dem, was sich im Inneren unseres Gegenübers ab-

spielt. Doch nicht nur das: Innere Einstellungen und Stimmungen eines

anderen Menschen können auf uns auch abfärben, uns gleichsam »an-

stecken« (wir erleben dies täglich z.B. dann, wenn wir uns durch die

Traurigkeit oder durch die Freude eines anderen Menschen anstecken

lassen).

»Ausstrahlung« ist – nach der Entdeckung der Spiegelnervenzellen –

somit ein jetzt auch objektiv gesichertes Phänomen. Dies heißt: Die Art,

wie Entscheider selbst zu der von ihnen getroffenen Entscheidung ste-

hen, wird von den anderen Beteiligten des Unternehmens nicht nur in-

tuitiv wahrgenommen, die Haltung des Entscheiders kann sich auf Part-

ner, mit denen der Entscheider zu tun hat, auch übertragen. Interne

Konkurrenten werden geneigt sein, wenn sie auf Seiten des Entschei-

ders Unsicherheit und Selbstzweifel angesichts der getroffenen Ent-

scheidung spüren, die Situation für sich auszunützen. Dies gilt auch für

Mitarbeiter, die sich dann, wenn sie sehen, dass der Entscheider selbst

an seiner Entscheidung zweifelt, zur Verweigerung geradezu eingeladen

fühlen (nach der Devise »Soll er doch sehen, wie weit er damit

kommt!«). Ebenso fatal ist jedoch, wenn sich die zweifelnde Haltung des

Entscheiders auf Mitarbeiter direkt überträgt. Wie sollen Mitarbeiter die

ihnen nach einer gefällten Entscheidung zukommende Mitverantwor-

tung übernehmen können, wenn sie spüren, dass der für die Entschei-

dung Verantwortliche selbst nicht an sie glaubt. Damit sind wir – nach-

dem wir bereits die Bedeutung der Vorphase und der Phase nach einer

Entscheidung eingehend analysiert haben – jetzt am Ende doch noch

bei jenem Moment angekommen, an dem der Entscheider seine Ent-

scheidung fällt. Was hier dringend zu empfehlen ist: Nachdem er/sie die

Einbettung seiner/ihrer Entscheidung in das »Davor« und das »Danach«

sorgfältig bedacht hat, sollte er/sie die von ihm/von ihr als richtig er-

kannte Entscheidung klar und ohne weiteres Zögern fällen. Daraufhin

sollte er/sie zu der von ihm/von ihr gefällten Entscheidung stehen und

sollte sie nach außen kraftvoll, unzweideutig und entschlossen vertreten.

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Hernsteiner 3/2006 t h e m a Entscheiden als Prozess

4 Eine zusammenfassende Darstellung der Spiegelnervenzellen findet sich bei Joachim Bauer: »Warum ich fühle was du fühlst – Intuitive Kommunikation und das Geheimnisder Spiegelneurone« (Hoffmann und Campe, 2005).

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t h e m a Entscheiden als Prozess Hernsteiner 3/2006

verhindert werden. Zudem räumen 64,3 Prozent der Führungskräfte

ein, dass Entscheidungsbefugnisse nicht klar definiert seien und 48,6

Prozent bemängeln, dass Entscheidungsbefugnisse für Einzelpersonen

zu gering sind. In der Praxis stellt demnach die Menge an Mitsprachebe-

rechtigten das gravierendste Problem dar. Die »Trägheit der Masse«

blockiert den Entscheidungsprozess. Ein Meeting folgt dem nächsten,

langwierigen Erörterungen folgt keine Entscheidung. Demnach lässt

sich der Studie eine massive Unzufriedenheit mit der Effizienz von Ent-

scheidungsprozessen entnehmen.

An zweiter Stelle der Problemliste rangieren ernste Zweifel an der Qua-

lität der getroffenen Entscheidungen: 76,4 Prozent sind der Ansicht,

dass Macht und Interessenkonflikte ein Votum für die beste Entschei-

dung verhindern. Das mag auch mit der Grund sein, dass 63 Prozent der

Befragten angeben, dass Entscheidungen nur halbherzig getroffen wer-

den. Zudem beklagen 60 Prozent, dass Innovationen und Verbesserun-

gen zu wenig Augenmerk eingeräumt wird. Mit diesen Ergebnissen ver-

deutlicht die Studie die Unzufriedenheit der ManagerInnen mit der

Effektivität der getroffenen Entscheidungen.

An dritter Stelle der Entscheidungsprobleme steht der Transfer: 72,8

Prozent der befragten Führungskräfte sind der Ansicht, dass Entschei-

dungen nicht oder zu wenig kommuniziert werden. 49,2 Prozent weisen

zudem darauf hin, dass zu viele Entscheidungen sich gegenseitig

blockieren. Das Drama nimmt seinen Lauf: Erst gibt es endlose Diskuss-

ionen mit viel zu vielen Beteiligten, dann tauchen berechtigte Zweifel an

der Qualität der Entscheidung auf und zu guter Letzt stellt man fest,

dass die Entscheidung in der Umsetzungsphase versandet. Der Erfolg

bleibt aus, die Integration der Entscheidung in das Handeln der Organi-

sation entfällt und bringt die Führungskräfte um die Früchte ihrer An-

strengungen. »Was alle Erfolgreichen miteinander verbindet, ist die

Fähigkeit, den Graben zwischen Entschluss und Ausführung äußerst

schmal zu halten«, hat schon Peter Drucker, der Pionier der Managem-

entforschung, festgestellt.

Trotz der Entschlussfreude und Entscheidungskraft, die Führungskräfte

als persönliche Stärken in den Entscheidungsprozess einbringen, stoßen

sie an ihre Grenzen. Die komplexen und dynamischen Entscheidungs-

prozesse vermitteln ein Gefühl mangelnder Effizienz und Effektivität

sowie zu guter Letzt auch mangelnder Ergebnisse und Erfolge.

Lauter leichte Entscheidungen?

Zur Kernkompetenz von Führungskräften gehört das Entscheiden. Tagaus, tagein treffen sie eine Vielzahl anEntscheidungen. Dabei haben sie in verstärktem Maß die zunehmende Dynamik und Komplexität des Wirt-schaftslebens zu bewältigen. Mit der Qualität ihrer Entscheidungen steht und fällt die Organisation. Dalohnt sich die Frage, wie es denn eigentlich den EntscheiderInnen beim Entscheiden geht.

Mag. Elke Schüttelkopf, MBA, ist Trainerin am Hernstein Management Institut mit Spezialgebiet Entscheidungsmanagement sowieGeschäftsführerin von Commpass Consulting.

Entscheiden, stellte der Wirtschaftsökonom und Nobelpreisträger Her-

bert Simon bereits in den siebziger Jahren fest, sei lediglich ein anderes

Wort für Management. Das Entscheiden gehört zur Kernkompetenz von

Führungskräften. Für das Entscheiden erhalten Führungskräfte ihre

hochrangige Position, ihren prestigeträchtigen Status und ihr gutes Ein-

kommen.

Kernkompetenz Entscheidungen

Tag für Tag werden unzählige Entscheidungen getroffen. Die Wirt-

schaftsnachrichten sind voll davon: Strategische Neuausrichtungen, Re-

strukturierungen, Mergers, Relaunches etc. Stets fällt der Fokus auf die

Sache. Nur selten stehen die Führungskräfte im Mittelpunkt. Die Frage,

wie es den EntscheiderInnen beim Entscheiden geht, wird nicht sehr

häufig gestellt.

Umso spannender ist eine deutsche Studie, für die 560 ManagerInnen

der deutschen Wirtschaft zum Thema Entscheidungskraft befragt wur-

den. Die Akademie-Studie »Entweder – oder: Wie entscheidungsfreudig

sind deutsche Manager?« hält fest: Führungskräfte glauben an ihre Ent-

scheidungsstärke. »Keine Frage – deutschen Führungskräften fällt es

leicht, Entscheidungen zu treffen. Zumindest behaupten das 78 Prozent

der 560 befragten Führungskräfte. Bei der Bewertung der eigenen Ent-

scheidungsstärke gibt es kein Zögern oder Zaudern.« An Selbstver-

trauen mangelt es den befragten Führungskräften keineswegs. In der

Studie wird eindeutig festgestellt: »Die Führungskräfte entscheiden

gern, beziehen ihre Mitarbeiter ein und beklagen sich nicht über zu

wenig Entscheidungsspielraum.« Diesen Ergebnissen begegnen die Au-

torInnen der Studie jedoch mit einer Portion Skepsis: »Das klingt fast zu

schön, um wahr zu sein.«

Problemfeld Entscheiden

Mit kritischem Blick wird in der Studie festgehalten: »Sobald die eigene

Person nicht mehr im Fokus steht und sich das Interesse eher allgemei-

nen Strukturen und Prozessen in der deutschen Wirtschaft und im Bu-

siness-Alltag zuwendet, fallen die Antworten pessimistischer aus.«

An der Spitze der Problembereiche steht die Anzahl der an der Entschei-

dung beteiligten Personen: 83,6 Prozent der Führungskräfte kritisieren

einen zu großen Personenkreis beim Entscheidungsprozess. Sie konsta-

tieren, dass Beschlüsse durch die Vielzahl der Beteiligten blockiert bzw.

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Entscheidungsroutinen im Wandel

Immer wieder wird die zunehmende Dynamik des Wirtschaftslebens

betont. Doch in wenigen anderen Tätigkeitsbereichen ist dies tagtäglich

so sehr zu spüren wie beim Entscheiden: Die Zeiten der Fünf-Jahres-

Pläne und langer Produktlebenszyklen sind längst passé, nun müssen

strategische Entscheidungen laufend getroffen werden. Es ist ein Leben

im rasanten Wandel. Entscheidungen sind nicht nur öfter und schneller

zu treffen, sondern auch unter zunehmend größerer Unsicherheit. »Das

Entscheiden unter Bedingungen hoher Unsicherheit, das Gestalten von

Situationen, in denen man bei weitem nicht alle Einflussfaktoren

überblickt, bilden den unvermeidlichen Kern heutiger Führungsaufga-

ben«, meint der Organisationstheoretiker Rudolf Wimmer und verdeut-

licht den notwendigen Paradigmenwechsel: »Die Vorstellung, man

könnte Entscheidungsprozesse unter großer Unsicherheit so weit‚ ›ra-

tionalisieren‹, dass wiederum Sicherheit einkehrt, ist schlicht eine Illu-

sion. Angesichts des zunehmenden Risikos unternehmerischen Han-

delns versagt die ökonomische Rationalitätssemantik der vergangenen

Jahrzehnte, die ja stets von Entscheidungen bei vollständiger Infor-

miertheit ausgegangen ist.«

Zur rapide wachsenden Informationsflut im Zeitalter der globalen Wis-

sensgesellschaft kommen weitere gravierende Veränderungen: Im

Zuge von Umstrukturierungen wurde die klassische Hierarchie mit einer

hohen Konzentration von Entscheidungsbefugnissen auf oberster

Ebene von flachen Hierarchien und breiten Entscheidungsprozessen ab-

gelöst. Anstelle weniger EntscheidungsträgerInnen an der hierarchi-

schen Spitze sind nun unzählige Personen aus verschiedenen Prozessen

und Projekten an den Entscheidungsvorgängen beteiligt. Parallel zu den

strukturellen Veränderungen verlaufen auch zentrale Verschiebungen

auf der organisationalen Werteskala. Vor allem der Anspruch auf Em-

powerment und Partizipation beeinflusst die Entscheidungsroutinen im

Unternehmen. Häufig schlägt das Pendel dann so weit vom autoritären

zum kooperativen Entscheidungsstil aus, dass im demokratischen Über-

eifer alle alles entscheiden wollen und müssen.

Innerhalb kürzester Zeit sind die Anforderungen an Entscheidungsträ-

gerInnen rasant gestiegen: Die Häufigkeit von Entscheidungen, die Viel-

zahl an Optionen sind ebenso wie die Vernetztheit, die Vielschichtigkeit

und Langfristigkeit der Auswirkungen massiv angewachsen. Entschei-

den erfolgt nun unter enorm gestiegener Dynamik und Komplexität.

Diesen Entwicklungen wurde bislang nicht adäquat begegnet: Weder in

der schulischen und beruflichen Ausbildung noch in der beruflichen

Weiterbildung wurde diesem Anstieg an Dynamik und Komplexität in

Entscheidungsprozessen so weit Rechnung getragen, dass das metho-

dische Repertoire systematisch erweitert wurde.

Noch immer wird Entscheidungskompetenz fälschlicherweise als Aus-

druck der eigenen Persönlichkeit betrachtet statt als Resultat erlern-

und trainierbarer Arbeitsmethoden und -techniken. Peter Senge, der

»Erfinder« der Lernenden Organisation, weiß jedoch genau um die pro-

duktiven Wirkungen professioneller Entscheidungsinstrumente. Allein

die Methode, Entscheidungen richtig zu kommunizieren und unter fünf

verschiedenen Umgangsweisen die jeweils adäquate zu wählen, bringt

einen enormen Gewinn an Effizienz mit sich: »Führungskräfte, die die-

ses einfache Werkzeug einsetzen, berichten, dass sich ihr Team 20 bis

30 Prozent seiner Zeit und sehr viel Ärger erspart.« Statt sich wie in an-

deren Bereichen neuen Anforderungen durch gezielte Kompetenz-

aneignung zu stellen, wie dies bei Business-Englisch oder EDV-Kenntnis-

sen ganz selbstverständlich passiert, erfolgt hier nicht selten ein Ver-

drängungsverhalten, das die eigene Führungsstärke hemmt und häufig

das Unternehmen ein Vermögen kostet.

Delegationsgegenstand Entscheidungen

Entscheidungen stellen Führungskräfte oft vor eine schwierige und mit-

unter sogar unlösbare Aufgabe. Allein mit einer gehörigen Portion Mut

und Einsatzbereitschaft ist einem komplexen System nicht beizukom-

men. Davon profitieren die großen Consulting-Unternehmen. In »Bera-

ten und verkauft« heben Unternehmensberater das Entscheiden als eine

ihrer wesentlichsten Funktionen heraus. Ein McKinsey-Berater berichtet

im Interview, »dass Unternehmensberatungen zum Teil das Nachden-

ken und das übernehmen, was ich eigentlich als Führungsperson leisten

muss: nämlich zu entscheiden.« Ein Berater der Boston Consulting

Group bestätigt dies und spezifiziert seine Rolle: »Ich sehe mich als Un-

terstützer bei der Entscheidungsfindung unserer Kunden, ähnlich wie

ein Mitarbeiter, aber mit deutlichen Vorteilen im Methodenwissen und

in einer unabhängigen Position.«

Der deutsche Bundesrechnungshof, der sich mit der Definition und

Funktion externer Beratung beschäftigt hat, stellt ebenfalls die Unter-

stützungsleistung bei Entscheidungen in den Mittelpunkt: »Gegenstand

der externen Beratung ist eine entgeltliche Leistung, die dem Ziel dient,

im Hinblick auf konkrete Entscheidungssituationen des Auftraggebers

praxisorientierte Handlungsempfehlungen zu entwickeln und zu be-

werten, den Entscheidungsträgern zu vermitteln und gegebenenfalls

ihre Umsetzung zu begleiten.«

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Die Beobachtungen der befragten Unternehmensberater korrelieren

mit den Ergebnissen der Führungskräfte-Befragung: »Im Unternehmen

gibt es Interessen, beispielsweise die Interessen innerhalb einer Abtei-

lung. Wenn ich unternehmensintern Projekte aufsetze, die abteilungs-

und konzernübergreifend agieren, habe ich eine solche Interessenviel-

falt, dass zwei Dinge passieren: Ich kann das Ergebnis nicht mehr kon-

trollieren und nicht mehr steuern, weil es natürlich schon eine klare Vor-

stellung davon gibt, welches Ergebnis gewünscht ist. Zweitens dauert

der Prozess viel länger. Bis sich in einem Großkonzern unterschiedliche

Betriebsteile, unterschiedliche Abteilungen auf irgendwas verständigt

haben, kann das Jahre dauern.«

In diesen Entscheidungsprozessen, die durch Externe gestaltet werden,

ist vor allem Reduktion wichtig: »Die Welt ist komplex. Alles hängt mit

allem zusammen. Das Ziel, klare Alternativen zu haben, würde ich des-

halb gar nicht gering schätzen. Ich halte es schon für vernünftig zu

sagen: Wir sehen zwei, drei Entwicklungspfade, die man so und so be-

schreiten kann. Bürokratien neigen nämlich dazu, Komplexität immer

komplexer zu machen, so dass am Ende niemand mehr in der Lage ist,

überhaupt Entscheidungsalternativen zu treffen.«

Entscheiden bringt viele Führungskräfte an ihre Grenzen. Das Wissen

über Entscheidungsmethodik und die Kompetenz über das Gestalten

von Entscheidungsprozessen ist bei einer Vielzahl von Organisationen

nur rudimentär ausgebildet. Folglich verzeichnet externe Beratung jähr-

lich zweistellige Umsatzsteigerungsraten. Allein die zehn größten Bera-

tungsunternehmen haben in Deutschland im Jahr 2004 einen Umsatz

von knapp zweieinhalb Milliarden Euro erzielt, hält Thomas Leif, Autor

der kritischen Analyse über die Unternehmensberaterbranche, fest. Das

Delegieren von Entscheidungen hat sich zu einem gigantischen Markt

entwickelt. Die Frage, was die Unternehmen in Deutschland dazu ver-

anlasst, an McKinsey, Berger und die BCG jeweils etwa eine halbe Milli-

arde für ihre Unterstützung bei Entscheidungsprozessen zu sorgen, ist

ebenso kurz wie klar: »An der Spitze steht die Methodenkompetenz.«

Führungskompetenz Entscheidungsmethodik

Techniken und Methoden, die Entscheidungsprozesse erleichtern, be-

schleunigen und für produktivere Prozesse sowie qualitativ bessere Er-

gebnisse sorgen, stehen folglich im Mittelpunkt von Entscheidungsma-

nagement-Seminaren. Die Seminare haben das Ziel, die Methodenkompe-

tenz von ManagerInnen zu optimieren. Denn auch im österreichischen

Management-Alltag sind viel zu viele Personen an viel zu vielen Ent-

scheidungsprozessen beteiligt. Das verringert nicht nur die Effizienz,

sondern minimiert die Handlungsfähigkeit und Reaktionszeit einer Or-

ganisation. Zudem verursachen zu große und unstrukturiert verlau-

fende Entscheidungsteams horrende Kosten: Jedes ineffiziente Meeting

erhöht die Personalkosten und senkt die Produktivität der Organisation.

In Entscheidungsmanagement-Seminaren geht es darum, eine Balance

zwischen Effizienz und Effektivität zu finden. Dafür ist es hilfreich, die

Vielfalt der Entscheidungsstile zu erkennen, sein eigenes Entschei-

dungsspektrum zu erweitern und ein Instrument kennenzulernen, das

den der jeweiligen Entscheidungsthematik angemessenen Entschei-

dungsstil erhebt. Wie viele Personen in welcher Form in den Entschei-

dungsprozess eingebunden werden sollen, lässt sich dabei einfach am

Entscheidungsbaum ermessen.

Zum anderen geht es in Entscheidungsmanagement-Seminaren darum,

die individuelle Balance zwischen Schnelligkeit und Genauigkeit zu fin-

den. Auch hier ist das Lernziel, mit methodischem Wissen das Tempo

sowie die Qualität von Entscheidungen bewusst zu steuern. Damit ge-

lingt es nicht nur, individuellen Tendenzen zu unüberlegten Schnell-

schüssen oder übermäßigem Perfektionismus gegenzusteuern, son-

dern je nach Entscheidungsgegenstand situationsadäquat das richtige

Maß an Schnelligkeit und Genauigkeit zu finden.

Diese Kompetenz bildet auch ein zentrales Kriterium bei der Hernstein

Potenzial-Analyse. Sibylle Benedikt, zertifizierte Master Person Analysis-

Beraterin beim Hernstein Management Institut, erklärt das dabei reflek-

tierte Verhaltensspektrum wie folgt: »Eine Dimension der beruflich rele-

vanten Verhaltensweisen, die wir näher beleuchten, heißt ›Ab-

sicherung‹. Da sehen wir uns das Entscheidungsverhalten konkret an.

Die Felder spannen einen Bogen von Pol zu Pol.

Auf der einen Seite steht Feld 1. Das bedeutet, die Person ist in ihrem

Entscheidungsverhalten sehr risikoreich und spontan: Sie braucht nicht

lange zu überlegen, geht für schnelle Entscheidungen auch Risiken ein

und kommt rasch zur Handlung. Sie kann getroffene Entscheidungen

auch wieder verändern. Dadurch ist sie flexibel, kann allerdings auch

voreilig wirken. Sie beansprucht großen Entscheidungs- und Hand-

lungsspielraum und braucht für ihre Entscheidung kein stabiles Umfeld,

das Sicherheit vermittelt.

Auf der anderen Seite steht Feld 5: Die Person agiert vorsichtig und ist

bei der Arbeit auf Sorgfalt und Sicherheit bedacht. Sie sichert sich ab,

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bevor sie eine Entscheidung trifft, und kalkuliert Risiken sehr genau,

indem sie alle Möglichkeiten analysiert und gegeneinander abwägt. Sie

bevorzugt Entscheidungsprozesse mit genügend Zeit für gründliche

Überlegungen. Sie erhebt Anspruch auf fehlerfreies Arbeiten mit lang-

fristig bindenden Ergebnissen. Sie beansprucht ein Umfeld, das ihr Sta-

bilität und Sicherheit vermittelt. Aufgrund ihrer Vorsicht kann sie zöger-

lich erscheinen. In die Dimension ›Absicherung‹ fließen zwei Aspekte

ein: die Zeit, die eine Person braucht, um eine Entscheidung gut treffen

zu können, und die Info/das Wissen, das sie sich wünscht, um eine Ent-

scheidung gut zu treffen.«

Dieser Aspekt stellt sich in den Potenzial-Analysen als besonders er-

folgskritisch heraus. Michaela Kreitmayer, stellvertretende Leiterin des

Hernstein Management Instituts, erläutert die Ergebnisse aus den Po-

tenzial-Analysen: »Im Abgleich des Persönlichkeits- und Anforderungs-

profils zeigt sich oftmals ein großer Gap beim Punkt ›Absicherung‹. Ent-

scheidungen zu treffen hat viel mit dem Bedürfnis nach Absicherung zu

tun. Es gibt Personen, die kein großes Bedürfnis nach Absicherung

haben und dadurch rasch entscheiden. Andere wiederum, die ein

großes Bedürfnis nach Absicherung zeigen, kalkulieren gerne sehr

genau und entscheiden folglich eher langsam bzw. gar nicht, in dem sie

die Entscheidung hinauszögern oder delegieren.« Daraus ergibt sich fol-

gende Problematik: »Oft passt das Anforderungsprofil nicht mit dem

Persönlichkeitsprofil überein, weil sich die Leute selbst oder deren Vor-

gesetzte meist ein rascheres Entscheidungsverhalten wünschen. Ge-

rade bei Führungskräften ist es eine zentrale Aufgabe, Entscheidungen

zu treffen.«

Diesem Leidensdruck, der sich durch die Kluft zwischen unbewussten

Entscheidungsroutinen und externen Erwartungshaltungen ergibt,

können sich EntscheiderInnen entziehen, indem sie externe Beratungs-

leistungen in Anspruch nehmen. Oder indem sie sich Methoden und

Techniken aneignen, die das eigene Entscheidungsverhalten verbes-

sern. In Spencer Johnsons Management-Geschichte begibt sich ein jun-

ger Manager auf diesen Weg. Auf einer Bergtour findet er seinen Lehrer

und erläutert sein Ziel: Er möchte lernen, wie er die besten Entschei-

dungen treffen könne. Nach einer Weile sagt sein Lehrer: »Vielleicht

musst du nicht immer die besten Entscheidungen treffen. Schon bes-

sere Entscheidungen können die Dinge positiv verändern. Vielleicht

wirst du wie wir alle schließlich feststellen, dass du erfolgreicher sein

wirst, wenn du nur konsequent bessere Entscheidungen triffst als vorher.«

An einem Wochenende in den Bergen lernt der Manager Methoden ken-

nen, mit denen er den Entscheidungsprozess optimieren kann. Er lernt,

systematisch bessere Entscheidungen zu treffen. Damit ist er nicht al-

lein: Vor der Entscheidung, die eigenen Entscheidungskompetenzen sy-

stematisch zu optimieren, steht jede Führungskraft jeden Tag. Doch nur

die mutigsten und entschlusskräftigsten machen sich auch auf den

Weg, um effizientere und effektivere Methoden kennenzulernen. Ihr

Ziel ist es, der Dynamik und Komplexität des gegenwärtigen Berufsle-

bens erfolgreich zu begegnen.

Zitate aus:

Die Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft: »Entweder – oder: Wie entschei-

dungsfreudig sind deutsche Manager? Befragung von 560 Führungskräften der Wirt-

schaft«, Überlingen 2005

Spencer Johnson: »Die ›Ja oder Nein‹-Strategie für Manager. Entscheidungen erfolg-

reich treffen«, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2004

Thomas Leif: »Beraten und verkauft. McKinsey & Co. – der große Bluff der Unterneh-

mensberater«, Bertelsmann Verlag, München 2006

Peter M. Senge/Art Kleiner/Brian Smith/Charlotte Roberts/Richard Ross: »Das Field-

book zur Fünften Disziplin«, Stuttgart 1996

Rudolf Wimmer: »Organisation und Beratung«, Carl-Auer-Systeme Verlag, Heidel-

berg 2004

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erscheint. Sie wählen nicht zwischen richtig und falsch, sondern immer

zwischen verschiedenen Münzen, die alle eine Vorder- und eine Rück-

seite haben. Also liegt in jeder Entscheidung ein Widerstand, gegen den

Sie anzugehen haben. Derjenige, der diesem Widerstand ausweicht, gilt

als »entscheidungsschwach«. In vielen Unternehmen hat die Präsenta-

tion von Gesinnung und lautstarker Entschlossenheit die Entscheidung

zu ersetzen begonnen. Dort ist das Vermeiden von Fehlern weitaus loh-

nender als eine Entscheidung in der Sache. Zum Beweis ihrer Tatkraft

legen die Topmanager dann Zukunftsprogramme vor.

Entscheiden heißt: auf Optionen verzichten

Die Entscheidung kommuniziert zweierlei: was und dass Sie entschie-

den haben. Festlegung und Verzicht auf eine Option. »Wir machen es

so, aber es wäre auch anders gegangen.« Mit welchem Ergebnis – bes-

ser? schlechter? – können Sie nicht wirklich wissen, weil Sie die Alterna-

tive abgewählt haben und daher ihre Folgen nicht kennen. Konsequent

gedacht können Sie erst nach einer Entscheidung wissen, wie Sie sich

entschieden haben. Das gilt insbesondere – wie manche leidvoll erfah-

ren haben – auch für Karriere-Entscheidungen. Erst nach einer Entschei-

dung wissen Sie, was Sie sich da eingebrockt haben. Deshalb werden die

getroffenen Entscheidungen gerechtfertigt, die Alternativen minimiert

oder schlecht gemacht. Die Psychologie nennt das »postdezisionale Dis-

sonanz-Reduktion«. Von einer Entscheidung kann man daher im stren-

gen Sinne nur sprechen, wenn in einer prinzipiell unentscheidbaren Si-

tuation entschieden werden soll. Wenn in einer Welt voller Alternativen

gleichwertige Argumente für oder gegen ein Handeln sprechen. Der

Rest ist dann Fortune und die berühmte glückliche Hand, ohne die auch

der Fähigste scheitert. Sie können also auch Karten legen oder zum

Astrologen gehen. Und Glück haben. Was vorhersehbar war, weiß man

bekanntlich hinterher am besten. Odo Marquard hat dazu das Nötige

gesagt: »Wir irren uns voran.«

Wiederholt wurde ich von Managern gefragt, wann wir denn »da« wären

(im Sinne von »angekommen«). Dabei wissen wir alle: Es gibt kein »da«.

Einige der geschicktesten Verhaltensweisen langlebiger Unternehmen

(Collins und Porras 1995) sind Experimentierfreude, Herumprobieren

und Irrtum, Opportunismus und Zufall. Was wie brillante Planung aus-

sieht, ist oft das Ergebnis der Devise: »Probieren wir eine Menge aus und

bleiben wir bei dem, was funktioniert. So lange, bis es nicht mehr funk-

tioniert.«

Wir irren uns voran!

Leben ist Leben im Zielkonflikt. Menschliche Handlungsbedingungen sind durch Widersprüchlichkeiten,Ungereimtheiten und Unsicherheit gekennzeichnet. Immerfort müssen wir zwischen Alternativen wählen,die uns beide attraktiv erscheinen oder deren Konsequenzen wir nicht kennen.

Dr. Reinhard Sprenger ist selbstständiger Unternehmensberater in Essen und Autor zahlreicher Management-Bestseller1.

Jede Führungskraft kennt die Dilemmata, aus denen es keinen gesicher-

ten Ausweg gibt: Zentral oder dezentral organisieren? Global oder

lokal? Groß oder klein? Freie Handelsvertreter oder angestellter Außen-

dienst? Langsam und wenig ändern oder rasch und viel? In Deutschland

oder im Ausland produzieren? Diversifizieren oder konzentrieren? Mit-

arbeiterorientiert oder aufgabenorientiert? Konkurrenz oder Koopera-

tion? Fusionieren oder aus eigener Kraft wachsen?

Aber menschliche Handlungsbedingungen sind auch durch Wider-

sprüchlichkeit ausgezeichnet! Ihr Wesen ist Freiheit:

1. Die Umstände sind nie identisch.

2. Es führen immer verschiedene Wege zum Ziel.

3. Es müssen zumeist gleichzeitig mehrere konkurrierende

Ziele verfolgt werden.

Führung lebt in diesen Widersprüchen, weiß, dass beide Alternativen

unverzichtbar sind, muss täglich ein neues Gleichgewicht finden, täg-

lich wählen, welche Alternative sie in dieser Situation vorzieht. Das

nennt man »Entscheidung«. Die Festlegung auf eine Handlungsalterna-

tive mit Blick auf eine unbekannte Zukunft. Wobei ein geflügeltes Wort

von Fritz Ammann, dem ehemaligen CEO von Swatch, zu berücksichti-

gen ist: »Die Zeit, die ein Manager für eine Entscheidung aufwendet,

verhält sich immer umgekehrt proportional zur Größe und Wichtigkeit

der Entscheidung.«

Eine Entscheidung akzeptiert mithin nicht den Lauf der Dinge, den der

Mythos vom (im Doppelsinn:) »entscheidenden« Manager als Strategie

und Zielorientierung tarnt, sondern verschiebt bewusst die Verhaltens-

gewichte zu der bevorzugten Seite. Das tun Sie unter der Bedingung der

Unsicherheit. Gäbe es den Zweifel angesichts von Handlungsalternati-

ven nicht, wären Sie nicht auch im Zweifel mit sich selbst, mit Ihrer Ana-

lysefähigkeit, bräuchten Sie nur den besten Effekt zu berechnen und

wüssten damit schon, was Sie zu tun hätten. Die Lösung des Problems

fiele Ihnen wie eine reife Frucht in die Hände. Das wäre keine Entschei-

dung. Nur wenn es vollkommen unklar ist, wohin die Reise gehen wird,

wenn Sie angesichts der differenten Handlungsmöglichkeiten ernsthaft

im Zweifel sind, dann ist eine Entscheidung fällig. Die kostet Kraft. Denn

die praktische Option für eine Alternative bedeutet zugleich die zu

rechtfertigende Ausgrenzung der anderen, die Ihnen ebenfalls plausibel

1 Unter anderem: »Mythos Motivation«; »Die Entscheidung liegt bei Dir«; »Das Prinzip Selbstverantwortung«, »Vertrauen führt«.

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Widersprüchlichkeit und Entscheidungszwang sind also die Existenzvor-

aussetzungen der Führungskraft. Wir entscheiden immer in Situationen

unvollständiger Information. Sonst könnte man auch einen Großrech-

ner zum CEO machen. Führen erfordert unausweichlich Kompromisse

zwischen Alternativen, die beide unverzichtbar sind. Handeln heißt

daher immer Ausschluss von Alternativen: You can’t have the cake and

eat it too. Dann heißt Handeln immer auch: sich schuldig machen. Dafür

bekommt man – je nach Tribünenplatz – Prügel. Aber wer als Führungs-

kraft geliebt werden will, ist ohnehin im Unmöglichen zu Hause.

Führung muss Entscheidungsfähigkeit sichern

Wird diese Unschärfe personalisiert, bezieht der Einzelne die Wider-

sprüchlichkeit auf sich, wird das als Stress erlebt. Gut verstehen kann ich

daher den Ruf vieler Führungskräfte nach Orientierungsgrößen und Ein-

deutigkeiten, nach denen man sich richten könne. Aber dann wird Sol-

len mit Müssen identifiziert. Dann wird die differenzierte Identität des

Einzelnen preisgegeben. Und es zerstört Freiheit und die Existenzvor-

aussetzung der Führung. Ein Programm zur Selbstabschaffung. Ist es

doch die unbestrittene Leistung der Hierarchie, die Entscheidbarkeit

nicht entscheidbarer Situationen zu sichern.

Soll eine Entscheidung auf breite Basis gestellt und nicht gegen Wider-

stände durchgesetzt werden, dann bietet sich die dialogische Ge-

sprächsform an. Das ist intelligent. Das ist langsam. Der Dialog ist mit-

hin kein Allheilmittel. In manchen Situationen ist es ratsam, schnell zu

entscheiden und klar und deutlich anzuweisen. Nicht nur im Turn-

around-Management sind mitunter sehr schnelle Entscheidungen unter

hoher Unsicherheit angezeigt. Die Führungskraft muss wählen, wann

welche Vorgehensweise praktisch ist. Viele Führungskräfte trauen sich

jedoch nicht mehr, schnelle Top-down-Entscheidungen zu fällen. Sie

halten das für unkooperativ. Damit aber entwerten sie den Dialog. Mit-

arbeiter tragen jedoch auch eine situationsgebundene Anweisung mit,

wenn sie im Regelfall dialogisch eingebunden werden und zudem das

haben, was jede funktionierende Kooperation letztlich zusammenhält:

Vertrauen.

Wir brauchen also nicht nur runde Tische, sondern auch eckige Ent-

scheidungen. Besonders in der Krise ist eine von allen respektierte Hier-

archie die letzte Ausfahrt Brooklyn. Wenn sich die Menschen nicht eini-

gen können, muss die Entscheidungsfähigkeit gesichert werden. Das

muss Führung leisten. Davon leben Führungskräfte. Führungskräfte

sind auch in dieser Hinsicht Kooperationsparasiten. Ziel muss es also

sein, eine Gruppe von Mitarbeitern so zusammenzustellen, dass sie das

wieder aus eigener Kraft können. Das beste Mittel, eine Führungskraft

zu messen, ist mithin die Leistung ihrer Mitarbeiter in ihrer Abwesen-

heit. Die beste Führungskraft macht sich überflüssig. Dennoch gilt auch

für diese Aussage: Führen ist immer Führen im Dilemma.

Spät- und Nebenwirkungen

Die grundsätzlich dilemmatische Situation von Führung wird noch kom-

plexer, wenn wir die Spät- und Nebenwirkungen einer Entscheidung be-

trachten. In komplexen Situationen muss davon ausgegangen werden,

dass die Nebenwirkungen (zweite Ordnung) gleich groß oder sogar

größer sind als die beabsichtigte Hauptwirkung (erste Ordnung). Eine

Entscheidung entlastet oft kurzfristig, indem sie langfristig Probleme

schafft. Beispiele dafür gibt es genug: Die griechischen Städte, deren

Häuser oft eine hässlich unverputzte Wand aufweisen, weil erst für ein

voll verputztes Haus die Steuern fällig sind. Die Regierung von Mexico

City, die, um die Luftverschmutzung zu reduzieren, Autos mit geraden

Kennzeichen an geraden Tagen und Autos mit ungeraden Nummern an

ungraden Tagen fahren lässt und dadurch die Zahl der Autozulassungen

binnen Wochen vervielfacht. Die Fluggesellschaft, die im Zuge der Kun-

denorientierung die Abflugpünktlichkeit durch das Ablegen des Fliegers

am Gate misst und damit erreicht, dass die Passagiere oft stundenlang

auf dem Rollfeld warten müssen. Die Bank, die die Neukundengewin-

nung an der Zahl neuer Kontonummern misst und damit eine Num-

merninflation und extremen bürokratischen Aufwand erzeugt. British

Petroleum (BP), das, um die Reisekosten einzudämmen, mit Video-Kon-

ferenzen experimentiert, aber das Steigen der Reisekosten hinnehmen

muss, weil Menschen im Unternehmen, die sich zuvor nicht kannten,

Beziehungen zueinander entwickeln und mehr und mehr beschließen,

sich persönlich zu treffen. Der Vertriebsleiter, der den Verkauf bestimm-

ter Produkte durch Bonussysteme fördern will, und damit erreicht, dass

die anderen Produkte wie Blei im Lager liegen bleiben. Der Verkäufer,

der im November seine Ziele erreicht hat und seitdem jeden weiteren

Umsatz für das Unternehmen verhindert.

Wer misstrauisch beäugt, dass die Mitarbeiter nicht geschlossen hinter

den Unternehmenszielen herrennen, greift zur Brieftasche, um dem En-

thusiasmus nachzuhelfen. Eine typische Reaktion des Managements er-

22

Hernsteiner 3/2006 t h e m a Entscheiden als Prozess

Page 24: Entscheiden als Prozess - AMS-Forschungsnetzwerk€¦ · Woran sich das Schicksal von Entscheidungen entscheidet Prof. Dr. Joachim Bauer Entscheider müssen vor allem nach einer getroffenen

ster Ordnung, die zunächst die Komplexität reduziert und später mit

den Folgeproblemen zu kämpfen hat. Er könnte sich auch – und richti-

gerweise – fragen: Warum fehlt es an Leidenschaft? Könnten die Ziele il-

legitim sein? Könnten sie gegen die Interessen der Mitarbeiter laufen?

Müssen sie Nachteile in Kauf nehmen? Erleben die Mitarbeiter ihre Ar-

beit als »sinnlos«?

So wie sich das Verhalten eines Menschen verändert, wenn er beobach-

tet wird, so kann man bei vielen Management-Entscheidungen erleben,

wie die ursprüngliche Ausgangslage so durch den Prozess verändert

wird, dass das ursprüngliche Ziel nicht mehr existiert. Oder aber sich

verändert und neue Veränderungsnotwendigkeiten erzeugt. Das führt

zu allerlei Alibiveranstaltungen, um zu zeigen, dass man die Lage im

Griff hat. Wie ein Autofahrer, der über die Autobahn rast und sich über

die vielen langsamen Fahrer aufregt. Er sieht nicht, dass er das Phäno-

men selbst erzeugt, das er beklagt. Die Manager rufen ihren Mitarbei-

tern »Ändere dich!« zu und sehen nicht, dass sie mit ihrem Verhalten

dazu beitragen, dass sich gar nichts ändert. Vielmehr mit ihrem Druck

Gegendruck erzeugen. Das Management zweiter Ordnung betrachtet

sich selbst als Drückenden, als mitverantwortlich für die Phänomene; es

fragt: »Was ist mein Beitrag?« Wenn ich z.B. Ziele vereinbare und mit

einem Belohnungssystem koppele, grenze ich alle Zieldimensionen aus,

die von der Vereinbarung nicht erfasst werden. Zudem erzeuge ich eine

Abhängigkeit von immer neuen Belohnungen. Diese Ausgrenzungen,

Spät- und Nebenwirkungen sind die »blinden Flecken«. Sie können so

wirkungsmächtig sein, dass sie die angestrebte Hauptwirkung gegenla-

gern und über Rückkopplungen die Ausgangslage sogar erheblich ver-

schärfen.

Da die Nebeneffekte meistens mit zeitlicher Verzögerung auftreten und

sich auch dann oft nicht mehr an den Ort ihres Ursprungs zurückverfol-

gen lassen, ist die Versuchung groß, sie zu bagatellisieren. Vorbeugen-

des, weitsichtiges und mögliche Spätwirkungen berücksichtigendes

Handeln gibt es daher in Unternehmen kaum. Es zählt der kurzfristige

Erfolg. Unterstützung für nur Wahrscheinliches ist schwer zu organisie-

ren. Diese Ignoranz äußert sich z.B. in Sprüchen wie »Was nicht gemes-

sen werden kann, kann nicht gemanagt werden«: Diese reduktionisti-

sche Auffassung von Führung setzt auf kurzfristige Erfolge und

überlässt die Spätwirkungen den Nachgeborenen. In vergleichbarer

Weise lösen Unternehmensberater ein Problem und werden dann er-

neut gerufen, um die Probleme der Problemlösung zu lösen. Sie lösen

Probleme erster Ordnung und bewirtschaften dann anschließend die

aus der Problemlösung entstehenden Probleme zweiter Ordnung.

Wenn also Führung für kurzfristige Erfolge belohnt wird, erzeugt man

mit mechanischer Sicherheit jene Nach-mir-die-Sintflut-Haltung, die

nicht selten von jenen beklagt wird, die sie ausbeuten.

Das Management zweiter Ordnung versteht Unternehmen als kom-

plexe, nichtlineare und dynamische Systeme. Es weiß, dass jede Pro-

blemlösung, jede Reduktion von Komplexität neue Probleme erzeugt,

die Komplexität wieder erhöht, und kalkuliert diese Effekte mit – soweit

es ihm möglich ist. Das kann im Extremfall dazu führen, ein Problem un-

gelöst zu lassen, weil man sich die Nebenwirkungen der bisher verfüg-

baren Lösungen ersparen will. Auch Nichtentscheidung ist dann eine

Entscheidung. Und nicht selten eine intelligente. Denn oft haben wir es

mit einer Situation zu tun, die sich der Analyse entzieht. Nicht etwa, weil

wir über zu wenig Daten verfügen, sondern – wie oben gezeigt – weil

wir keine Hinweise bekommen, welche Argumente überwiegen. Die Re-

aktion auf diese Komplexität ist oft Ärger und Verwirrung. Seien Sie

mutig! Denn da ist er wieder, der Moment der Entscheidung.

23

t h e m a Entscheiden als Prozess Hernsteiner 3/2006

Page 25: Entscheiden als Prozess - AMS-Forschungsnetzwerk€¦ · Woran sich das Schicksal von Entscheidungen entscheidet Prof. Dr. Joachim Bauer Entscheider müssen vor allem nach einer getroffenen

Absolut. Gerade in großen, komplexen Organisationen gibt es ständig

den Ruf nach der klaren Zuordnung von Verantwortung. Festgemacht

wird das an der Frage, wer jeweils für die Entscheidung zuständig ist.

Der Schrei nach klaren Verantwortungen ist also ein Schrei nach klaren

Zuständigkeiten für Entscheidungen. Das ist eine ganz wesentliche Di-

mension für Effektivität und Effizienz, denn lange Entscheidungswege

sind in großen Organisationen ein Grundübel. Und mit einer klaren Ver-

antwortungszuordnung kann man diese Wege stark verkürzen.

Hat sich das in den letzten Jahren wirklich geändert? Es ist immer davon die

Rede, dass sich die klassische Hierarchie aufgeweicht hat, Entscheidungen

mehr nach unten verlagert wurden und es immer mehr Entscheidungen vor

Ort gibt. Mein Eindruck ist, dass viele Mitarbeiter aufgrund der häufigen or-

ganisatorischen Veränderungen sehr verunsichert sind, was sie wirklich ent-

scheiden dürfen und was nicht, und sich daher nach oben absichern.

Das stimmt. Vielleicht bin ich hier ein wenig von der eigenen Unterneh-

menssituation geprägt. Eine wesentliche Zielsetzung bei unseren Ge-

schäftsmodellüberlegungen ist genau das: klare Zuordnung der Funk-

tionen, klare Zuständigkeiten für Entscheidungen möglichst nah bei

demjenigen, der die Leistung am Kunden erbringt. Das ist allerdings

nicht nur eine Frage der Organisation und ihrer Ausrichtung, sondern

auch der Unternehmenskultur. Wenn Mitarbeiter das Gefühl haben,

dass ihre Entscheidungen – manchmal auch etwas über ihre Kompetenz

hinaus – positiv gewürdigt werden, dann werde ich in meiner Organisa-

tion tendenziell Mitarbeiter haben, die aktiv entscheiden und dafür Ver-

antwortung übernehmen. Wenn sie aber stattdessen nur Vorhaltungen

zu hören bekommen, werden sie das naturgemäß nicht tun. Entschei-

dend ist, was das Management vorlebt.

So gesehen denkt man nicht über das Thema Entscheiden nach, sondern

über klare Prozesse, und diese Klarheit bemisst sich an klaren Verantwor-

tungen, die wiederum am Entscheiden festgemacht werden?

Ja, klare Prozesse und klare Zuständigkeiten in der Organisation sind

eine wesentliche Vorbedingung, um Entscheidungen zu treffen. Das ist

die eine Dimension, das andere ist das Kulturthema: Welche Kultur

haben wir? Ist sie entscheidungsfreudig oder herrscht primär Angst vor

Fehlern, die zu Absicherungsstrategien führt?

»Lange Entscheidungswege sind ein Grundübel«

Dr. Josef Fiala, Head of Human Resources in der Generali Holding Vienna AG, im Gespräch über dasEntscheidungsverhalten in großen Organisationen, den Trend weg von Kollegialentscheidungen unddie Überbewertung »mangelhafter Kommunikation« bei Problemen mit der Realisierung.

24

Hernsteiner 3/2006 t h e m a Entscheiden als Prozess

Wann wird man als Manager auf das Thema Entscheiden aufmerksam?

Wenn sich die Leute über schleppende Entscheidungen beklagen oder wenn

eklatante Fehlentscheidungen offensichtlich werden? Wann kommt das

Thema in den Aufmerksamkeitsfokus?

In einem großen Unternehmen ist das Thema Entscheidung überlagert

mit dem Thema Zuständigkeiten und in hohem Maß mit dem Team-

und Projektthema. Viele Entscheidungen, gerade auch strategische Ent-

scheidungen des Top-Managements, werden in Projektaufträge gegos-

sen, an denen dann ein Projektteam arbeitet, und schließlich präsen-

tiert. Die Entscheidung ist hier eigentlich die Abnahme einer Arbeit, die

andere tun. Das ist für mich ein ganz spezieller Aspekt der Organisati-

onsform Projekt. Die Entscheidung – gerade beim Projekt – reduziert

sich eigentlich auf ein Abnehmen. Das Projektergebnis ist also nicht nur

eine Vorarbeit, ein Vorschlag, eine Analyse, auf Basis deren ich als Top-

Management die Entscheidung treffe, sondern Projektergebnisse wer-

den entweder verworfen oder abgenickt.

Ein anderes wichtiges Thema ist, dass es immer wieder Entscheidungen

gibt, die man miteinander treffen muss. Die klassische Situation des Al-

leingeschäftsführers in einem Familienbetrieb, wo das Oberhaupt alles

allein entscheidet und dadurch auch ganz klar ist, wer die Entscheidun-

gen trifft, ist in einem großen Konzern nicht gegeben. Dort gibt es ei-

gentlich immer ein Duett, eine Gruppe, einen Kreis, der die Entschei-

dungen trifft.

Haben diese Teamentscheidungen zugenommen?

Ich habe den Eindruck, dass es bereits eine Gegenbewegung gibt. Wenn

man den Vorstand als Organ nimmt, gibt es nach meiner Beobachtung

immer mehr Konstellationen, wo die Ressortvorstände innerhalb der

Ressortverantwortungen wieder allein entscheiden anstatt alles ins Vor-

standsgremium zu tragen. Insofern ist wichtig, in der Geschäftsord-

nung klar festzuschreiben, was Beschlüsse des Kollegialorgans sind und

was nicht.

D.h. die Gefahr besteht, angesichts der zahlreichen Entscheidungsnotwen-

digkeiten das Kollegialorgan zu überlasten, weshalb wieder genauer darauf

geschaut wird, welche Entscheidungen im eigenen Bereich getroffen werden

können?

Page 26: Entscheiden als Prozess - AMS-Forschungsnetzwerk€¦ · Woran sich das Schicksal von Entscheidungen entscheidet Prof. Dr. Joachim Bauer Entscheider müssen vor allem nach einer getroffenen

Eine weitere Dimension, speziell im gehobenen Management und im

Top-Management, ist das Vordenken im Sinn der Strategie. Die Überle-

gung, welche Entscheidungen ich schon jetzt vorbereiten muss, um

zukünftig im Sinn der strategischen Ausrichtung keine Probleme zu

haben. Das Top-Management muss erkennen, dass das Unterlassen von

Weichenstellungen, das Unterlassen von Entscheidungen im Sinn der

Strategie ein ganz kritisches Misserfolgspotenzial sein kann.

Die Frage »Wie werden hier Entscheidungen getroffen« wird ja kaum jemals

bewusst oder gezielt reflektiert, oder?

Man merkt es interessanterweise oft im Beschwerdemanagement. Eine

Beschwerde zeigt, dass irgendwelche Entscheidungen und damit Hand-

lungen nicht erfolgt sind. Hier genau hinzuschauen, was in der Organi-

sation passiert, welche Entscheidungen wo liegen, aber im Beschwerde-

fall nicht getroffen wurden, ist ein guter Indikator. Ein anderer Indikator

ist das Instrument der Mitarbeiterbefragung. Das berühmte Thema der

Bürokratie steht ja für nichts anderes als lange und intransparente Ent-

scheidungswege: Der Sachbearbeiter, der Spezialist bereitet etwas vor

und hört dann nichts mehr darüber oder das dauert extrem lange. Inso-

fern ist die Mitarbeiterbefragung ein gutes Instrument, um in die eigene

Organisation hineinzuhorchen, wie es um das Entscheidungsverhalten

bestellt ist.

Einerseits sprechen Sie von klaren Prozessen, aber gleichzeitig bauen Orga-

nisationen immer mehr Matrixstrukturen auf.

Damit kämpft jede größere Organisation. Ich kann Ihnen nur meinen

Zugang sagen. Das Wesentliche bei einer Matrix ist, dass ich ein klares

Richtlinien- und Regelwerk habe. Ein Beispiel aus meinem Verantwor-

tungsbereich. Ein Regionaldirektor muss wissen, welche Kompetenzen

er vor Ort für Personalentscheidungen hat. Das muss transparent sein.

Es muss klar sein, dass er innerhalb dieses definierten Regelwerkes und

Ermächtigungsrahmens autonom ist. Verantwortung der Zentrale ist

hier nur, dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter, die diese Personalarbeit

in den Einheiten leisten, auch ausreichend dafür qualifiziert sind. Es gibt

also einen klar definierten Rahmen, innerhalb dessen sie autonom sind,

und dann gibt es bestimmte Dinge, die vom zentralen Fachbereich ge-

nehmigt werden müssen. In einer Matrix zu arbeiten, wird dann schwie-

rig, wenn das Regelwerk, die Richtlinien, die Ermächtigungen nicht klar

sind.

Woran machen Sie Entscheidungsqualität fest? Was unterschiedet gute von

weniger guten Entscheidungen?

In diesem Punkt bin ich vielleicht ein wenig von dem Denkmuster ge-

prägt, das man sich als Jurist aneignet. Man hört immer wieder, dass so-

wieso nur aus dem Bauch entschieden wird. Ich glaube, dass es unend-

lich viele Entscheidungen gibt, die einfach im Sinne von Analyse, Logik,

Schlussfolgerung getroffen werden. Damit meine ich Folgendes: Es gibt

Regeln, im Sinne von Normen, und es gibt einen Sachverhalt, der

tatsächlich passiert ist. Ich muss also den Sachverhalt verstehen und ich

muss schauen, was die Regeln im Sinne des Entscheidens vorsehen. Im

Großen und Ganzen macht das ein Richter sein ganzes Leben lang und

im Kleinen macht bei einem Schadensfall der Schadensreferent in einer

Versicherung genau dasselbe. Die inhaltliche Qualität einer Entschei-

dung ist auch messbar im Sinne von richtig oder falsch. Genauso gibt es

in der Produktion viele Handlungen und Entscheidungen, wo man sehr

wohl feststellen kann, was die Ergebnisse sind.

Ein gutes Beispiel ist die Personalentscheidung. Wenn ich die Besetzung

einer Management-Position vornehme, entweder als interne Beförde-

rung oder als Einkauf von außen, dann gibt es – weil wir keine Maschi-

nen sind, sondern Menschen – im Besetzungsprozess nicht richtig oder

falsch. Sondern es gibt einen Blickwinkel, eine Würdigung einer Person.

Wenn ich zwei oder drei Personen draufschauen lasse – das ist unser Sy-

stem – dann bekomme ich mehrere Blickwinkel, über die sich diese Be-

obachter dann austauschen und schließlich gemeinsam eine Entschei-

dung treffen.

Aber wie misst man hier die Qualität der Entscheidung? Man kann ja nicht

feststellen, ob die anderen Bewerber besser gewesen wären, denn diese Op-

tionen hat man mit der Entscheidung abgewählt. Ich kann also nur schauen,

ob die Mitarbeiter zufrieden oder unzufrieden sind, ob die Abteilungsziele er-

reicht werden oder nicht bzw. wie viele der neu eingestellten Manager nach

einer bestimmten Zeit noch da sind.

Ja, ich kann mich in der Analyse auch paralysieren, wenn ich mir im

Nachhinein noch Gedanken mache, ob der, den ich nicht genommen

habe, vielleicht doch der Richtigere gewesen wäre. Aber natürlich ist es

sinnvoll und notwendig, konsequent darauf zu schauen, ob die in Aus-

sicht gestellten Effekte dann auch eintreten. Meine Entscheidungen da-

hingehend zu validieren, was wirklich an Effekten herauskommt, finde

ich gut und wichtig. Auch im Sinne der Qualitätsverbesserung.

Wenn eine Firma neue Manager einstellt und merkt, dass oft danebenge-

hauen wird, dann wäre es doch nahe liegend, sich zu fragen, wie man ei-

gentlich zu seinen Entscheidungen kommt, und sich den Entscheidungspro-

zess genau anzuschauen.

Einverstanden. Aber der Anstoß für genau diese Vorgangsweise ist die

Analyse der Fluktuation! Wenn mir die Neueingestellten immer wieder

abhanden kommen, muss ich mir den Prozess anschauen: Haben wir die

richtigen Anforderungsprofile, die richtigen Beteiligten, worauf schauen

wir bei der Auswahl? Da interessiert mich das Faktum der Fluktuation

und es kann durchaus der Fall sein, dass man durch die Fluktuationsana-

lyse erkennt, dass es neben dem Recruiting-Prozess viele andere rele-

vante Kriterien gibt, warum ein neuer Manager oder ein neuer Verkäu-

fer nicht im Haus bleibt.

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t h e m a Entscheiden als Prozess Hernsteiner 3/2006

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Es gibt zwar alle möglichen Methoden, um zu guten Entscheidungen zu

kommen, aber ich habe noch nie einen Manager kennengelernt, der nach

einem Entscheidungsbaum entscheiden würde. Natürlich hat jeder eine be-

stimmte Vorgehensweise im Sinn von Überlegungen, was ist das Ziel, der

Suche nach Informationen, dem Finden von Alternativen. Insofern hat man

schon eine Methode.

Die Entscheidungsfindung ist geprägt von zwei Dimensionen. Einerseits

dem fachlichen Verstehen, der fachlichen Kompetenz: Wie sehr bin ich

in der Lage, den konkreten Sachverhalt mit meiner Expertise, mit mei-

nem Wissen zu begreifen? Andererseits Persönlichkeitsdimensionen.

Wie risikofreudig bin ich, wie absicherungsgeprägt bin ich, wie mutig?

Diese Dimension halte ich für wenig beeinflussbar. Ich kann nur darauf

hinwirken, eine Kultur zu schaffen, in der zu selbstständigem Entschei-

den ermutigt wird,

Wie schätzt man konkret das mit der Entscheidung verbundene Risiko ein?

Wesentlich ist die Fachkompetenz, kombiniert mit einem Erfahrungs-

schatz bisher getroffener Entscheidungen und der Bereitschaft, hinzu-

sehen, was aus diesen Entscheidungen geworden ist.

Manager treffen zwar ständig Entscheidungen, aber bei vielen Entscheidun-

gen scheint dann wenig oder gar nichts zu passieren, zumal manche Mana-

ger die Realisierung einer Entscheidung magischerweise mit der Verkündi-

gung derselben gleichzusetzen scheinen.

Das ist ein weiteres großes Thema der Organisation, das man mit

Führungsinstrumenten unterstützen kann. Das am besten geeignete ist

die Zielvereinbarung. Wenn ich gewisse Dinge entscheide, z.B. einen

Schwerpunkt im Lebensversicherungsbereich zu setzen, muss ich das

klarerweise operativ in einen Management-Plan pro Bundesland über-

setzen und es dann in der Zielvereinbarung des Regionalchefs mit kon-

kreten Ziffern hinterlegen.

Wenn man den Job schon länger macht, weiß man sehr wohl, auf wen

man sich bei der Realisierung von Entscheidungen verlassen kann und

bei wem man nachhaken muss, ob es wirklich passiert. Ich finde es wich-

tig, Vertrauen zu schenken, aber es auch klar anzusprechen, wenn Ver-

trauen missbraucht wird. Denn wenn ich das nicht tue, sind die Mitar-

beiter irritiert und denken sich: ›Ich mache, aber dem anderen, der nicht

macht, passiert auch nichts. Es ist also scheinbar egal.‹ Das ist eine ganz

kritische Situation. Wenn es solche Doppelbotschaften gibt, ist die ein-

zige Handhabe, das anzusprechen. Das ist leicht gesagt, aber schwierig

ist es in jeder Hierarchieebene. Ob das der Unterreferent gegenüber

dem Oberreferenten anspricht oder das Vorstandsmitglied gegenüber

dem Vorstandsvorsitzenden, das Phänomen gibt es in jeder Ebene. In

manchen Kulturen braucht es dazu mehr Courage, in anderen weniger.

Der Vorstand hat bei seinen Entscheidungen in aller Regel einen anderen Er-

kenntnisstand als die Mitarbeiter an der Basis. Wenn dann die Entscheidung

kommuniziert wird, stößt man häufig auf Unverständnis, vielleicht auch

deswegen, weil dieser Entscheidungshintergrund meist nicht mitkommuni-

ziert wird.

Kommunikation ist wichtig, aber mit dem Thema Kommunikation wird

auch viel Schindluder getrieben. Entscheidungen, die nicht funktionie-

ren, werden häufig auf die falsche oder mangelhafte Kommunikation

reduziert, und das stimmt schlicht und einfach nicht.

Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Natürlich ist es bei Entscheidun-

gen, die Mitarbeiter betreffen, wichtig, nicht nur die Entscheidung zu

kommunizieren, sondern auch das Warum zu erklären. Aber in einem

Punkt müssen Sie realistisch bleiben: Dieses Warum werden manche

verstehen und nehmen können und manche nicht. Bei manchen Ent-

scheidungen gibt es einfach diametral andere Interessen. Das entbindet

mich allerdings nicht der Verantwortung, meine Entscheidung im Sinne

des Warum zu begründen.

Bei Veränderungen, die uns nicht ganz geheuer sind, fallen wir leicht in

einfache Muster zurück: Etwas ist gut oder schlecht, richtig oder falsch.

Diese Verkürzungen erlebt man immer wieder, nur sind die Dinge –

etwa bei Geschäftsmodellen – leider nicht so einfach, sondern komplex.

Diese Komplexität, die Varianten, die Optionen zu thematisieren und zu

erklären, ist die große Herausforderung: Wie ist es zur Entscheidung ge-

kommen? Was war der Ausgangspunkt? Wie ist der Entscheidungspro-

zess abgelaufen? Wer war beteiligt? Welche Alternativen gab es und

warum haben wir letztlich so entschieden? Wenn man darstellt, wie es

zu der Entscheidung gekommen ist – bis hin zur Darstellung der mögli-

chen Alternativen, die man dann verworfen hat – schafft man Transpa-

renz und Vertrauen. Aber selbst dann werden nicht alle mit der Ent-

scheidung glücklich sein.

Wer kommuniziert diesen Hintergrund schon?

Es kommt immer darauf an, welche Auswirkungen eine Entscheidung

auf die Organisation und auf die Mitarbeiter hat. Bei einschneidenden

Veränderungen, wo es viele Betroffene gibt, bin ich sehr dafür, dass das

gemacht wird. Denn wenn ich mich dem stelle, bekomme ich das dop-

pelt und dreifach zurück.

Herr Dr. Fiala, vielen Dank für das Gespräch.

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Hernsteiner 3/2006 t h e m a Entscheiden als Prozess

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Nächste Termine

Professionelles Entscheidungsmanagement

11. 04. 2007 – 13. 04. 2007

Erfolgreich führen mit Zielen

14. 03. 2007 – 16. 03. 2007

Wirkungsvolle Lösungen erarbeiten und umsetzen

16. 04. 2007 – 17. 04. 2007

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H e r n s t e i n I n s t i t u t Seminar Hernsteiner 3/2006

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Ihr Entscheidungsverhalten. Sie lernen eine Palette an Werkzeugen ken-

nen und füllen Ihren Methodenkoffer, um Ihre Entscheidungen effizien-

ter und effektiver zu treffen.

Sie lernen, durch professionelle Prozesse zu höherer emotionaler Si-

cherheit zu gelangen und durch strategisches Vorgehen unerwünschte

Folgewirkungen zu minimieren.

Sie üben rationale und intuitive Entscheidungstechniken und erfahren,

wie Sie durch praktische Entscheidungstechniken Ihre methodische

Entscheidungskompetenz ausbauen.

Sie trainieren einen differenzierten Umgang mit Entscheidungen und

lernen, kritische Entscheidungssituationen zu bewältigen.

Details zu diesem Seminar finden Sie auf Seite 29

Erfolgreich führen mit ZielenIn diesem Seminar lernen Sie Möglichkeiten kennen, die Leistungsreser-

ven und Selbstverantwortung Ihrer Mitarbeiter gezielt zu aktivieren,

und arbeiten an verschiedenen Methoden.

Sie trainieren das Vereinbaren von Zielen, Aufgaben und ressourcen-

orientierten Entwicklungsmaßnahmen und lernen, worauf es beson-

ders ankommt, wenn Sie die Leistung Ihrer Mitarbeiter bewerten und

wie Sie konstruktives Feedback geben. Sie fokussieren dabei auf Ergeb-

nisorientierung wie auch auf das Schaffen eines konstruktiven Klimas.

Reflexion und Erfahrungsaustausch unterstützen Sie bei der Umsetzung

in Ihre persönliche Führungspraxis. Der produktive Umgang mit Fehlern

und das Schaffen einer gemeinsamen Lernkultur helfen Ihnen dabei.

Durch die Beschäftigung mit dem Strategie-Instrument Balanced

Scorecard (BSC) erkennen Sie, wie Unternehmen mit einem durchgän-

gigen Zielsystem auf allen Ebenen erfolgreich gesteuert werden kön-

nen.

Details zu diesem Seminar finden Sie auf Seite 30

SeminarSeite 30

Page 30: Entscheiden als Prozess - AMS-Forschungsnetzwerk€¦ · Woran sich das Schicksal von Entscheidungen entscheidet Prof. Dr. Joachim Bauer Entscheider müssen vor allem nach einer getroffenen

Professionelles Entscheidungsmanagement

Sie stärken Ihre Entscheidungskraft. Setzen zielführende Techniken ein. Und verbessern so Ihre Ergebnisse.

29

H e r n s t e i n I n s t i t u t Seminar Hernsteiner 3/2006

Tag für Tag fordern Entscheidungen das Geschick von Führungskräften

heraus, beanspruchen Zeit und Energien und bestimmen über den Er-

folg der Person, der Abteilung und des Unternehmens. Da liegt es nahe,

die Entscheidungskosten zu minimieren, die Entscheidungsprozesse zu

optimieren und systematisch die Ergebnisse zu verbessern.

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Mit noch professionellerem Entscheidungsmanagement stärken Sie

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denkoffer, um Ihre Entscheidungen effizienter und effektiver zu treffen.

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Zielgruppe

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petenz und Entscheidungsstärke optimieren sowie ihr Team zu effekti-

ven Entscheidungen führen wollen.

Inhalt

In diesem Seminar erproben Sie eine Vielzahl an Methoden und Techni-

ken, die Ihnen bei der zentralsten aller Führungsaufgaben – dem Ent-

scheiden – relevante Unterstützung bieten.

Erstens erfahren Sie, wie Sie Ihren emotionalen und zeitlichen Aufwand

reduzieren können: Sie lernen, durch effiziente Methoden zu schnelle-

ren Entscheidungen zu kommen, durch professionelle Prozesse zu

höherer emotionaler Sicherheit zu gelangen und durch strategisches

Vorgehen unerwünschte Folgewirkungen zu minimieren.

Zweitens erkunden Sie, wie Sie die Qualität Ihrer Entscheidungen ver-

bessern: Sie lernen, durch rationale und intuitive Entscheidungsmetho-

den Ihr gesamtes Potenzial gezielt einzusetzen, durch praktische Ent-

scheidungstechniken Ihre methodische Entscheidungskompetenz

auszubauen und durch eine differenzierte Einbeziehung Ihres Teams

komplexe Themenstellungen zu bewältigen.

Drittens erkunden Sie, wie Sie die Nachhaltigkeit Ihrer Entscheidungen

gezielt stärken: Sie lernen, durch bewussten Umgang mit Entscheidun-

gen die Akzeptanz für Ihre Entscheidung abzusichern, durch Kenntnis

der Entscheidungsgrundsätze die langfristige Tragfähigkeit und Ihre

Umsetzungsstärke auszubauen.

Lernziele

• Eigene und fremde Entscheidungsmuster analysieren

• Den eigenen Entscheidungsspielraum erkennen und nutzen

• Den optimalen Entscheidungsstil finden

• Effektive Entscheidungsmethoden kennenlernen

• Rationale und intuitive Entscheidungstechniken üben

• Eigene Entscheidungsprozesse und Teamentscheidungen gestalten

• (Unpopuläre) Entscheidungen treffen und kommunizieren

• Einen differenzierten Umgang mit Entscheidungen trainieren

• Kritische Entscheidungssituationen bewältigen

Methode

• Pointierte Fach-Inputs

• Strukturierte Übungen zu den eigenen Themen

• Fallanalysen konkreter und schwieriger Fälle

• Fallberatung für Methodenübungen in Kleingruppen

• Praxisnahe Rollenspiele

• Planspiele und Plenumsdiskussionen

• Aufstellungen

Trainerin

Mag. Elke Schüttelkopf, MBA

Nächster Termin

11. 04. 2007 – 13. 04. 2007

Anmeldung und Information

zu diesem Seminar erhalten Sie bei unserem Kundenservice:

Edith Radakovits, T: +43/1/514 50-6611,

E-Mail: [email protected]

www.hernstein.at

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Erfolgreich führen mit Zielen

Die Motivation Ihrer Mitarbeiter setzt klare Ziele voraus. Sie sollen herausfordernd und messbar sein. Vor allem aber eines: akzeptiert.

30

H e r n s t e i n I n s t i t u t Seminar Hernsteiner 3/2006

Manager messen ihren Erfolg an der Erreichung von Zielen wie Gewinn,

Marktanteilen oder Wachstum. In der konkreten Zielvereinbarung wer-

den Ziele als Bilder der Zukunft entwickelt. Das Führen anhand von Zie-

len erhöht die Selbstkompetenz (Empowerment) der Mitarbeiter und

schafft Handlungsspielräume.

Ihr Nutzen

Sie setzen sich damit auseinander, wie Sie Ihre Mitarbeiter fordern und

fördern und wie Sie gemeinsam definierte Aufgabenbereiche, Kompe-

tenzen und Verantwortung erfolgreich delegieren. Sie lernen Möglich-

keiten kennen, die Leistungsreserven und Selbstverantwortung Ihrer

Mitarbeiter gezielt zu aktivieren, und arbeiten an verschiedenen Methoden.

Zielgruppe

Führungskräfte und Nachwuchsführungskräfte, die die Möglichkeiten

der Gestaltung und des Einsatzes von motivierenden Zielsystemen und

Empowerment kennenlernen, anwenden bzw. vertiefen möchten.

Inhalt

Mit Empowerment (Selbstkompetenz) geführte Mitarbeiter gestalten

ihre Aufgabenbereiche selbstbestimmt und eigenverantwortlich. Sie

nehmen ihre Ressourcen wahr und nutzen sie effektiv. Dieses wachs-

tumsorientierte Konzept lässt Sie das Leistungspotenzial Ihrer Mitarbei-

ter punktgenau entwickeln und fördern. Sie trainieren das Vereinbaren

von Zielen, Aufgaben und ressourcenorientierten Entwicklungsmaß-

nahmen und lernen, worauf es besonders ankommt, wenn Sie Leistung

bewerten und konstruktives Feedback geben. Sie fokussieren dabei auf

Ergebnisorientierung wie auch auf das Etablieren eines konstruktiven

Klimas. Reflexion und Erfahrungsaustausch unterstützen Sie bei der

Umsetzung in Ihre persönliche Führungspraxis. Der produktive Um-

gang mit Fehlern und das Schaffen einer gemeinsamen Lernkultur hel-

fen Ihnen dabei. Durch die Beschäftigung mit dem Strategie-Instru-

ment Balanced Scorecard (BSC) erkennen Sie, wie Unternehmen mit

einem durchgängigen Zielsystem auf allen Ebenen erfolgreich gesteu-

ert werden können.

Lernziele

• Nutzen, Struktur und Prozess dieser Führungsprinzipien kennen und

anwenden lernen

• Erarbeiten der Möglichkeiten zur Sicherung des transparenten

Informationsaustausches als Grundlage für verantwortungsvolles

Handeln der Mitarbeiter

• Gründe für das Entstehen von Handlungsfreiheit bei Mitarbeitern

erkennen

• Kompetenz in der Entwicklung von Zielen erlangen

• Analyse der Erfolgsfaktoren von Zielvereinbarungsgesprächen

• Selbstständig handelnde Teams entwickeln

Methode

• Praxisnahes Arbeiten an Zieldefinitionen/BSC der Teilnehmer

• Bearbeiten von Gesprächssituationen der Teilnehmer mittels

Video-Feedback

• Reflexion der Lernerfahrungen und nachhaltiger Praxistransfer

• Umfangreiche Checklisten und Arbeitsunterlagen für die persönliche

Führungspraxis

Trainer

Mag. Matthias Prammer

Mag. Werner Zatorski

Die Auswahl der Trainer ist vom Termin abhängig.

Nächster Termin

14. 03. 2007 – 16. 03. 2007

Anmeldung und nähere Informationen

zu diesem Seminar erhalten Sie bei unserem Kundenservice:

Edith Radakovits, T: +43/1/514 50-6611

E-Mail: [email protected]

www.hernstein.at

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Wirkungsvolle Lösungen erarbeiten und umsetzen

Sie stellen die richtigen Fragen. Nutzen systemische Interventionstools als Entscheidungshilfe. Und erreichen Lösungen, die Ihre Mitarbeiter mittragen.

31

H e r n s t e i n I n s t i t u t Seminar Hernsteiner 3/2006

Von Führungskräften wird erwartet, dass sie Entscheidungen treffen

und für deren Umsetzung sorgen, häufig unter ungünstigen Rahmen-

bedingungen wie großem Zeit- und Erfolgsdruck. Erfolgreiche

Führungskräfte kennen die kritischen Erfolgsfaktoren und Interven-

tionstechniken, die für wirkungsvolle Lösungen und deren nachhaltige

Umsetzung von Bedeutung sind.

Ihr Nutzen

Sie machen sich mit systemischen Gesprächsführungstechniken ver-

traut, die Sie dabei unterstützen, die richtigen Fragen zu stellen, um die

wirklich wichtigen Informationen auf den Tisch zu bekommen und alle

für den nachhaltigen Erfolg der Entscheidung relevanten Personen und

Gruppen mit einzubeziehen. Diese Tools unterstützen Sie dabei, Kreati-

vität, Vertrauen und das Engagement Ihrer Mitarbeiter zu fördern und

damit zu guten Entscheidungen zu kommen.

Zielgruppe

Führungskräfte, Projektleiter, die im Prozess der Entscheidungsfindung

und speziell bei der Umsetzung von Lösungen auf mehr Commitment

der Mitarbeiter bauen und die Motivation der Mitarbeiter bei der Um-

setzung von Zielen steigern wollen.

Inhalt

Im Seminar kommen lösungsorientierte Interventionstechniken zum

Einsatz, die das Gegenüber in wertschätzender Weise mit einbeziehen

und somit zu mehr Commitment in der Umsetzung führen. Zirkuläres

Fragen, hypothetisches Fragen, Skalierungsfragen, lösungsorientierte

Fragen, Reframing sowie die fragende Gesprächsführungstechnik sind

Beispiele aus dem Repertoire, mit denen heikle Entscheidungssituatio-

nen gut bewältigt werden können. Je nach Bedarf werden unterschied-

liche Schwerpunkte bearbeitet, z.B. wie Beiträge von Mitarbeitern von

Ihnen aktiv eingefordert, abgeholt und für die Lösung genützt werden

können und wie sich dies auf den Einsatz des Mitarbeiters bei der Um-

setzung und auf die Erfolgsaussichten der Entscheidung auswirkt. Oder

wie z.B. die Schlichtung von Konflikten zwischen zwei Teammitgliedern

gelingt und worauf beim Führen von Kritikgesprächen zu achten ist, um

nicht die Motivation des Mitarbeiters für die Sache an sich zu beein-

trächtigen, ihn aber tatsächlich zu einer Veränderung im Handeln zu be-

wegen.

Sie arbeiten an eingebrachten Praxisfällen sowie in spezifischen Rollen-

settings, reflektieren Ihre Erfahrungen und Ihren persönlichen Zugang

zum Thema und profitieren vom Erfahrungsaustausch mit den anderen

Teilnehmern.

Lernziele

• Problemlösungskompetenz steigern

• Die richtigen Fragen für die Entscheidungsfindung stellen

• Mitarbeiter in den Lösungsprozess erfolgreich einbinden

• Commitment von Mitarbeitern steigern

• Die effizienten systemischen Lösungstools sicher anwenden

• Rascher zu nachhaltigen Lösungen kommen

Methode

• Arbeit an konkreten Praxisbeispielen der Teilnehmer

• Kurzreferate des Trainers

• Rollenübungen und Videoanalysen

• Reflexion

Trainer

Mag. Günter Rothbauer

Nächster Termin

16. 04. 2007 – 17. 04. 2007

Anmeldung und nähere Informationen

zu diesem Seminar erhalten Sie bei unserem Kundenservice:

Edith Radakovits, T: +43/1/514 50-6611;

E-Mail: [email protected]; www.hernstein.at

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Übergabe in FamilienunternehmenMag. Herta Fischer ist Trainerin am Hernstein International Management Institute und Lehrgangsleiterin des Hernstein Business Successor.

Ein gemeinsames Modul für ÜbergeberInnen und ÜbernehmerInnen im Rahmen des Lehrgangs Hernstein Business Successor

32

H e r n s t e i n I n s t i t u t Lehrgang Hernsteiner 3/2006

Der Übergang von einer Generation auf die nächste stellt für Familien-

unternehmen einen äußerst heiklen Entscheidungsprozess dar, in man-

chen Fällen sogar eine existenzbedrohende Phase der Unternehmens-

geschichte. In Österreich sind jährlich etwa 5.000 Unternehmen

gefordert, diese Herausforderung zu meistern. Weniger als 20 Prozent

der Familienunternehmen gehen dabei planvoll und systematisch vor.

Als wichtige Gründe1 für das Scheitern von Übergabeprozessen gelten

nach wie vor:

• mangelnde Planung

• Nichtinanspruchnahme von externen Beratern

• mangelnde Expertise der Nachfolger hinsichtlich einschlägiger

Berufserfahrung bzw. unternehmerischer Erfahrung

Obwohl sich etwa 90 Prozent der EigentümerInnen eine Weitergabe des

Unternehmens innerhalb der Familie wünschen, ist das Thema Über-

gabe in vielen Unternehmerfamilien tabuisiert. Darüber wird nicht bis

wenig gesprochen.

Hernstein Business Successor

Hernstein bietet mit dem »Hernstein Business Successor« einen speziel-

len Lehrgang für NachfolgerInnen in Familienunternehmen an. In die-

sem Programm arbeiten die zukünftigen UnternehmerInnen nicht nur

am betriebswirtschaftlichen Know-how zur Unternehmenssteuerung

und der Weiterentwicklung der persönlichen Führungskompetenzen,

sondern sie setzen sich intensiv mit den Besonderheiten von Familien-

unternehmen auseinander. Und das natürlich nicht in einer abstrakten

oder rein theoretischen Form, sondern durch einen sehr konkreten und

praktischen Zugang, indem jeder die eigene Situation im spezifischen

Kontext seines Familienunternehmens beleuchtet, persönliche Hand-

lungsoptionen erarbeitet und für das Unternehmen Finanz-, Strategie-

und Marketing-Optionen erarbeitet und bewertet. Was heißt es für

mich, in meinen unterschiedlichen Rollen (als Tochter/Schwiegersohn/

Bruder/Vertriebsleiter/Prokurist/ ...) die Gesamtverantwortung für die

Firma zu übernehmen? Welche Potenziale bringe ich dafür mit? Welche

Kompetenzen gilt es für mich noch auszubauen? Wie möchte ich kon-

kret vorgehen? Welche Stolpersteine sollte ich beachten und auf welche

Erfolgsfaktoren möchte ich mich konzentrieren? An solchen und vielen

weiteren Fragen zur Unternehmenspositionierung arbeiten die Teilneh-

merInnen im Laufe von acht Modulen.

Generationswechsel in Familienunternehmen

Für die Lehrgangsgruppe, die im Juli dieses Jahres den »Hernstein Busi-

ness Successor« beendet hat, war das Thema des Generationswechsels

sehr zentral. Auf Wunsch der TeilnehmerInnen wurde zusätzlich zum

Lehrgangsmodul »Übergabe in Familienunternehmen« ein gemeinsa-

mer Tag mit den ÜbergeberInnen durchgeführt. Die TeilnehmerInnen

wollten die Chancen des Lehrgangssettings nutzen, um das heikle

Thema des Übergabeprozesses in einem professionellen Rahmen zu be-

sprechen. Auch für die Übergebergeneration bot sich die Möglichkeit,

sich mit Personen auszutauschen, die in der Situation sind, sich aus dem

operativen Geschäftsleben zurückzuziehen und den Platz für die näch-

ste Generation frei zu machen.

Von einigen TeilnehmerInnen wurde an diesem »Übergabetag« die

Übergabethematik überhaupt erst fundiert zur Sprache gebracht. Es

wurde darüber zwar schon auch vorher gesprochen – oft »zwischen Tür

und Angel« – so richtig Zeit genommen hatte man sich aber nicht. Die

TeilnehmerInnen schätzten es, nach einem strukturierten Vorgehen ge-

meinsam ein Übergabekonzept zu erarbeiten. In einer angenehmen At-

mosphäre, fernab vom betrieblichen Alltag, konnten die gegenseitigen

Erwartungen und Vorstellungen abgeklärt werden. Und bei einigen war

die Überraschung sehr groß, dass die Vorstellungen der anderen Gene-

ration sich genau mit dem deckten, wie sie selbst sich den Übergabe-

prozess und die Unternehmensstrukturen nach dem Generationswech-

sel vorstellten. Man hatte nur nie wirklich darüber gesprochen.

1 vgl. KMU Forschung Austria: Unternehmensnachfolge aus wirtschaftlicherSicht, Forschungsbericht, 2004, und R. Schauer/N. Kailer/B. Feldbauer-Durstmüller(Hrsg.): Mittelständische Unternehmen. Probleme der Unternehmensnachfolge,Trauner Verlag, 2005

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Hernstein Business Successor

Vorbereitung auf eine leitende Funktion im Familienunternehmen

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H e r n s t e i n I n s t i t u t Lehrgang Hernsteiner 3/2006

Nächster Lehrgangsstart: 26. März 2007

Nummer 0321

Block I von Montag 26. März 2007 10.00 Uhr

bis Mittwoch 28. März 2007 17.00 Uhr

Block II von Mittwoch 2. Mai 2007 10.00 Uhr

bis Samstag 5. Mai 2007 17.00 Uhr

Block III von Dienstag 29. Mai 2007 10.00 Uhr

bis Donnerstag 31. Mai 2007 17.00 Uhr

Block IV von Mittwoch 27. Juni 2007 10.00 Uhr

bis Samstag 30. Juni 2007 17.00 Uhr

Block V von Donnerstag 30. August 2007 10.00 Uhr

bis Samstag 1. September 2007 13.00 Uhr

Block VI von Montag 1. Oktober 2007 10.00 Uhr

bis Mittwoch 3. Oktober 2007 17.00 Uhr

Block VII von Mittwoch 14. November 2007 10.00 Uhr

bis Freitag 16. November 2007 17.00 Uhr

Block VIII von Montag 17. Dezember 2007 10.00 Uhr

bis Dienstag 18. Dezember 2007 17.00 Uhr

Details

Lehrgangsbeitrag: € 11.400,– exkl. USt.

Dauer: 24,5 Tage in 8 Blöcken

Aufenthaltskosten: € 2.260,50 inkl. USt. pro Teilnehmer

Ort: Seminarhotel Schloss Hernstein

Maximal 16 Teilnehmer bei 2 Trainern

Anmeldeschluss

26. Februar 2007

Frühbucherbonus

Bei einer Fixanmeldung bis 29. Dezember 2006 erhalten Sie einen

Frühbucherbonus von 3 % des Lehrgangsbeitrags.

Kontakt

Mag. Michaela Frischauf

T: +43/1/514 50-6627

[email protected]

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Let´s celebrate 40 yearsMag. Daniela Kaser, MAS, Leiterin Marketing & Public Relations, Hernstein International Management Institute

Das Hernstein Institut feierte am 15. September 2006 im Schloss Hernstein sein 40-jähriges Bestehen. Ein würdiges Alter für das Top-Management-Institut, das mehr als 100.000 Führungskräfte in ihrer Entwicklung begleitete.

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H e r n s t e i n I n s t i t u t 40 Jahre Hernstein Hernsteiner 3/2006

»Das Hernstein Institut hat sich als eines der führenden Weiterbildungs-

institute für SpitzenmanagerInnen bewährt«, erklärte Brigitte Jank, Prä-

sidentin der Wirtschaftskammer Wien in ihrer Festrede.

Gegründet unter dem Präsidenten der Wiener Handelskammer Rudolf

Sallinger, widmete sich das Hernstein Institut von Beginn an der Ent-

wicklung von Führungskräften. Im Jahr 1966 fand das erste Unterneh-

mensplanspiel statt. Bereits 1967 experimentierten österreichische Ma-

nager und Führungskräfte mit gruppendynamischen Seminaren zum

Thema »Führung und Management«. Ziel war es, durch Selbsterfahrung

die Möglichkeit und Grenzen von Führungsarbeit zu entdecken und aus-

zuloten.

Entwicklungsbedürfnisse von Führungskräften

Seit seiner Gründung begleitet Hernstein Manager und Führungskräfte,

die neben Fachwissen und Management-Techniken auch soziale Kom-

petenzen entwickeln wollen. Anfang der 70er Jahre wurde die bis heute

gültige Hernstein-Philosophie entwickelt, bei der das Verstehen von Ge-

samtzusammenhängen im Vordergrund stand.

»Im Mittelpunkt des in 40 Jahren entwickelten Hernstein Lernansatzes

stehen die Entwicklungsbedürfnisse von Führungskräften, die wir mit

dem aktuellen Wissen über Management, einem systemischen Organi-

sationsverständnis und einer erlebnisorientierten Didaktik kombinie-

ren«, erklärte Hernstein-Kurator Helmut Klomfar den Erfolg von Hern-

stein. Vermittelt wird der Hernstein Lernansatz durch ein mehr als

100-köpfiges TrainerInnen- und BeraterInnenteam.

Leadership – heute und morgen

In einer erfrischenden Podiumsdiskussion hoben die drei Hernstein-

Kunden Jürgen Niemann, Personalvorstand bei der Deutschen Bahn AG,

Markus Pöltenstein, Geschäftsführer der Heintel Medizintechnik GmbH

und Norbert Zimmermann, Vorstandsvorsitzender der Berndorf AG,

die wesentlichen Merkmale von Hernstein hervor: die Praxisnähe im

Training, die Stärkung der »Personal Skills« und die nachhaltigen Trai-

ningseffekte.

Seit 40 Jahren wird das Leistungsspektrum von Hernstein an die Bedürf-

nisse der unterschiedlichen Managementebenen angepasst. Leadership

im 21. Jahrhundert verlangt neue Kompetenzen.

»Auf Unternehmen warten im Zeitalter der Globalisierung eine Reihe

von Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Neue Märkte in China

und Indien, neue Technologien, interkulturelle Kommunikation und

Shareholder-Value-Denken führen zu Veränderungen in Wirtschaft und

Gesellschaft und verlangen von Führungskräften neue Kompetenzen«,

erläuterte Hernstein-Leiterin Dr. Katharina Fischer-Ledenice beim Ge-

burtstagsjubiläum.

Die Kompetenzprofile werden immer anspruchsvoller. Führungskräfte

müssen verstärkt in globalen Zusammenhängen denken, sich in inter-

kulturellen Teams bewähren und zunehmend ihre Führungsaufgaben

auf Distanz umsetzen.

»ManagerInnen von morgen benötigen in Zukunft ein hohes Maß an Re-

flexionsbereitschaft und Dialogfähigkeit, sie müssen sich ihrer Rolle und

somit ihrer Verantwortung klar sein. Gleichzeitig sollen sie Sinnstifter

im Unternehmen sein«, resümierte Fischer-Ledenice bei der Festveran-

staltung.

Kommentar:

Univ.Prof. em. Dr. Hellmut Geißner (Hernstein-Trainer bis 2003: em. Pro-

fessor für Sprechwissenschaft und Sprecherziehung an der Universität

Koblenz-Landau)

Es ist nützlich, Strukturen zu erkennen, Wissen zu mehren, Verhalten zu

trainieren, soziale Kompetenz zu steigern – was jedoch taugen alle

unternehmerische Nützlichkeiten ohne eine fundierende

sozial-verantwortliche Haltung?

Mit diesem Konzept wurde das Hernstein International Management In-

stitute 1966 gegründet, in den letzten 40 Jahren haben es an die

100.000 Führungskräfte in Hernstein erlebt – es ist die Stütze ihres be-

ruflichen Erfolgs.

Deshalb wurde dieses Konzept jetzt gemeinsam gefeiert in einem

großen Fest im Schloss als Zwischenstation, zum Bestaunen der zurück-

gelegten Wege und zum Atemholen für die kommenden Aufgaben.

Fotos: Karl Schöndorfer

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Hernstein Geschichte 1966 – 2006

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H e r n s t e i n I n s t i t u t 40 Jahre Hernstein Hernsteiner 3/2006

2006

Hernstein-Symposium »Leadership Macht

Sinn«

2005

Die Potenzialanalyse wird als Neuprodukt

eingeführt.

2003

Die innerbetrieblichen Seminare wachsen

und werden zu einem wichtigen Stand-

bein.

2001

Der Hernstein Management Report, eine

regelmäßige Studie zu Trends in der Per-

sonal- und Organisationsentwicklung,

wird ins Leben gerufen.

2000

Einführung der neuen Produktreihe

Hernstein Manager UPdate

1999

Einführung der neuen Produktreihe Hern-

stein Braintrust Personalentwicklung

1998

Übergabe der Institutsleitung von Frau

Dkfm. Helga Stattler an Frau Dr. Katharina

Fischer-Ledenice

ThinkSite-Symposium »Virduality – Raum

und Arbeit«

1997

Top Management-Gespräch mit Hirotaka

Takeuchi: »Wissensmanagement«

ThinkSite-Symposium »Geld und Finanz-

märkte«

1996

Start der Hernstein ThinkSite, einem

Forum für die Auseinandersetzung mit

brennenden wirtschafts- und gesell-

schaftspolitischen Fragen

Top-Management-Gespräch mit Nicholas

Negroponte zur Zukunft der Informa-

tionsgesellschaft

ThinkSite-Symposium »Zukunft der Ar-

beit«

1994

Das Seminarzentrum Schloss Hernstein

wird durch einen Zubau erweitert. Die

Räume im Schloss werden für den Semi-

narbetrieb umgebaut.

1987

Gurus aus aller Welt kommen nach Hern-

stein: Fritjof Capra, Peter Gorb, Wally

Olins, Heinz von Foerster, Fred Massarik,

Peter Senge, Marvin Weisbord. Neue Lehr-

gänge und Curricula werden entwickelt

und erstmals auch Coaching angeboten.

1986

Peter Drucker fordert als Gastreferent

beim 20-jährigen Jubiläum von Hernstein

mehr Innovationsgeist und Unternehmer-

tum in der Gesellschaft. Experten aus den

USA und Europa zeigen mögliche Wege

zur Jahrtausendwende auf.

1980

Auch im zweiten Jahrzehnt arbeitet Hern-

stein mit Spitzenreferenten: Daniel Bell,

Ota Sik, Igor Ansoff, Vance Packard, Paul

Watzlawick, Joseph Weizenbaum, John El-

kins, Frederic Vester.

1976

Zur Festveranstaltung »10 Jahre Hern-

stein« kommt Prof. John K. Galbraith aus

Harvard.

1973

Hernstein bietet neben Seminaren auch

innerbetriebliche Trainings an.

1971

Japans Erfolgen auf der Spur ist das Ziel

der ersten Studienreise von Hernstein.

1969

Das erste vierwöchige Hernstein Manager

Training startet.

1967

Prof. Dr. Traugott Lindner führt mit einem

Trainerteam das erste gruppendynami-

sche Seminar in Hernstein durch und legt

damit den Grundstein für die konzeptio-

nelle Ausrichtung von Hernstein und für

den Schwerpunkt im Verhaltenstraining.

Weltbekannte Persönlichkeiten werden

nach Hernstein geholt: Der Motivforscher

Ernest Dichter, der Bürokratiekritiker

Northcote Parkinson, der Motivationsex-

perte Frederik Herzberg und der Konsu-

merismus-Papst Ralph Nader.

1966

Am 15. Februar beginnt das erste Semi-

nar, ein Unternehmensplanspiel.

Bis Jahresende werden 28 Arbeitstagun-

gen durchgeführt.

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ImpressumHernsteinerFachzeitschrift für

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Grundlegende RichtungInformation über

Managemententwicklung

Offenlegung der Eigentums-verhältnisse nach dem MediengesetzHernstein International Management Institute

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Der »Hernsteiner – Fachzeitschrift für

Managemententwicklung«

erscheint 3 x pro Jahr.

Der Inhalt der Beiträge gibt die Meinung

der Autoren wieder, deckt sich aber

nicht unbedingt mit der Meinung

des Herausgebers.

Um die Einheitlichkeit des Textes zu erhöhen

und um die Lesbarkeit zu erleichtern, wurde

in den meisten Fällen auf die explizite Nennung

der weiblichen Endung verzichtet.

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