Entwicklung eines multifunktionalen Deckensystems mit erhöhter … · 2019. 12. 5. · 2 M....

16
1 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 79 (2010), Heft 4 Sonderdruck Martin Mensinger Mario Fontana Andrea Frangi DOI: 10.1002/stab.201001320 Im Zuge des nachhaltigen Bauens tritt die Multifunktionalität von Decken immer mehr in den Vordergrund und verdrängt rein stati- sche Überlegungen beim Entwurf von Decken. Bereits vorhande- ne individuelle Lösungen und multifunktionale Deckensysteme werden vorgestellt. Ein Vorteil dieser Systeme stellt die Integrati- on der Installationsebene in die Konstruktionshöhe dar. Eine Weiterentwicklung dieser Ansätze stellt das Decken- system Topfloor integral dar, welches aus einem halben Waben- träger und einer Betonplatte besteht. Die Öffnungen in den Waben ermöglichen eine flexible Installationsführung und führen zu einer hohen Materialeffizienz. Versuchsergebnisse von statischen Trägerversuchen werden vorgestellt und mit üblichen Berechnungsmodellen des Verbundbaus verglichen. Anhand der Versuchsergebnisse werden die Schubübertragung und die aus ihr resultierenden lokalen Beanspruchungen im Bereich der Waben detailliert diskutiert. Ingenieurmäßige Nachweise zum Biegedrillknicken und zur Schubeinleitung in den Beton durch Bewehrungsstäbe werden ebenso vorgestellt wie Überlegungen zum Feuerwiderstand und zum dynamischen Verhalten der Decke. Am Ende des Beitrages werden erste Beispiele von mit dem neuen Deckensystem ausgeführten Bauten vorgestellt. Development of a composite slab system with integrated in- stallation floor and increased material-efficiency. The need of sustainable buildings demands the design of multifunctional slabs considering more than only structural aspects. The paper presents state-of-the-art solutions for multifunctional slabs and a novel type of composite floor system using cellular beams. A major benefit of the multifunctional slabs is the integration of an installation floor. The new developed system “Topfloor inte- gral” uses half cellular beams made of existing hot-rolled sec- tions with welded reinforcing bars. The openings in the cellular beams allow the placing of installations in all directions, thus pro- viding excellent flexibility to the user when maintaining or chang- ing installations. The results of tests on the structural behavior and the load-carrying capacity are presented and compared to proposed design models for the “Topfloor integral” slabs. Local stresses caused by shear forces at the web openings are dis- cussed. Additional information about lateral-torsional-buckling, the design of the shear connection using common reinforcing bars, the fire resistance and the dynamic behavior are given. Finally, the paper presents some examples of first buildings where the novel type of floor system is used. 1 Einführung Die an Deckenkonstruktionen gestellten Anforderungen werden traditionell auf drei grundlegende Funktionalitä- ten zurückgeführt: Decken sind lastabtragende Konstruk- tionselemente, trennen Räume und dienen als Versorgungs- ebenen. In den letzten Jahren hat neben den drei klassi- schen Funktionalitäten die Funktion der Decke als Teil der Gebäudeklimatisierung und als Installationsebene für Versorgungselemente der Haustechnik an Bedeutung ge- wonnen. Die in der Vergangenheit übliche Trennung der genannten Funktionen wurde in den letzten Jahren zu- nehmend aufgegeben. Ein Beispiel für die Trennung der Funktionen einer Decke ist in Bild 1 dargestellt. Diese Entwicklung steht in einem engen Zusammen- hang mit der Idee des nachhaltigen Bauens. Dabei werden vor allem ökologische, ökonomische und soziokulturelle Aspekte berücksichtigt. Hier lassen sich Deckensysteme nur im Gesamtkontext des Lebenszyklus eines Bauwerkes betrachten, zum Beispiel auf der Grundlage von [2]. Trotzdem können einige wichtige Aspekte wie Massenop- timierung und Flexibilität in der Nutzung als generell gül- tig angesehen werden. Auch die Reduktion der Gesamt- Entwicklung eines multifunktionalen Deckensystems mit erhöhter Ressourceneffizienz Bild 1. Deckenkonstruktion mit Hohlboden und abgehängter Decke nach [1] Fig. 1. Slab with raised floor and suspended ceiling according to [1]

Transcript of Entwicklung eines multifunktionalen Deckensystems mit erhöhter … · 2019. 12. 5. · 2 M....

  • 1© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 79 (2010), Heft 4

    Sonderdruck

    Martin MensingerMario FontanaAndrea Frangi

    DOI: 10.1002/stab.201001320

    Im Zuge des nachhaltigen Bauens tritt die Multifunktionalität vonDecken immer mehr in den Vordergrund und verdrängt rein stati-sche Überlegungen beim Entwurf von Decken. Bereits vorhande-ne individuelle Lösungen und multifunktionale Deckensystemewerden vorgestellt. Ein Vorteil dieser Systeme stellt die Integrati-on der Installationsebene in die Konstruktionshöhe dar.

    Eine Weiterentwicklung dieser Ansätze stellt das Decken-system Topfloor integral dar, welches aus einem halben Waben-träger und einer Betonplatte besteht. Die Öffnungen in denWaben ermöglichen eine flexible Installationsführung und führenzu einer hohen Materialeffizienz. Versuchsergebnisse vonstatischen Trägerversuchen werden vorgestellt und mit üblichenBerechnungsmodellen des Verbundbaus verglichen. Anhand derVersuchsergebnisse werden die Schubübertragung und die ausihr resultierenden lokalen Beanspruchungen im Bereich derWaben detailliert diskutiert. Ingenieurmäßige Nachweise zumBiegedrillknicken und zur Schubeinleitung in den Beton durchBewehrungsstäbe werden ebenso vorgestellt wie Überlegungenzum Feuerwiderstand und zum dynamischen Verhalten derDecke. Am Ende des Beitrages werden erste Beispiele von mitdem neuen Deckensystem ausgeführten Bauten vorgestellt.

    Development of a composite slab system with integrated in-stallation floor and increased material-efficiency. The need ofsustainable buildings demands the design of multifunctional slabs considering more than only structural aspects. The paperpresents state-of-the-art solutions for multifunctional slabs and a novel type of composite floor system using cellular beams.A major benefit of the multifunctional slabs is the integration ofan installation floor. The new developed system “Topfloor inte-gral” uses half cellular beams made of existing hot-rolled sec-tions with welded reinforcing bars. The openings in the cellularbeams allow the placing of installations in all directions, thus pro-viding excellent flexibility to the user when maintaining or chang-ing installations. The results of tests on the structural behaviorand the load-carrying capacity are presented and compared toproposed design models for the “Topfloor integral” slabs. Localstresses caused by shear forces at the web openings are dis-cussed. Additional information about lateral-torsional-buckling,the design of the shear connection using common reinforcingbars, the fire resistance and the dynamic behavior are given.Finally, the paper presents some examples of first buildingswhere the novel type of floor system is used.

    1 Einführung

    Die an Deckenkonstruktionen gestellten Anforderungenwerden traditionell auf drei grundlegende Funktionalitä-ten zurückgeführt: Decken sind lastabtragende Konstruk-tionselemente, trennen Räume und dienen als Versorgungs-ebenen. In den letzten Jahren hat neben den drei klassi-schen Funktionalitäten die Funktion der Decke als Teilder Gebäudeklimatisierung und als Installationsebene fürVersorgungselemente der Haustechnik an Bedeutung ge-wonnen. Die in der Vergangenheit übliche Trennung dergenannten Funktionen wurde in den letzten Jahren zu-nehmend aufgegeben. Ein Beispiel für die Trennung derFunktionen einer Decke ist in Bild 1 dargestellt.

    Diese Entwicklung steht in einem engen Zusammen-hang mit der Idee des nachhaltigen Bauens. Dabei werdenvor allem ökologische, ökonomische und soziokulturelleAspekte berücksichtigt. Hier lassen sich Deckensystemenur im Gesamtkontext des Lebenszyklus eines Bauwerkesbetrachten, zum Beispiel auf der Grundlage von [2].Trotzdem können einige wichtige Aspekte wie Massenop-timierung und Flexibilität in der Nutzung als generell gül-tig angesehen werden. Auch die Reduktion der Gesamt-

    Entwicklung eines multifunktionalenDeckensystems mit erhöhter Ressourceneffizienz

    Bild 1. Deckenkonstruktion mit Hohlboden und abgehängterDecke nach [1]Fig. 1. Slab with raised floor and suspended ceilingaccording to [1]

    01_16_SD.qxd 23.04.2010 13:02 Uhr Seite 1

  • 2

    M. Mensinger/M. Fontana/A. Frangi · Entwicklung eines multifunktionalen Deckensystems mit erhöhter Ressourceneffizienz

    Sonderdruck aus: Stahlbau 79 (2010), Heft 4

    konstruktionshöhe einer Geschossdecke spielt eine großeRolle, da sich mit schlanken Decken eine größere Anzahlan Geschossen und damit eine höhere Ausnutzung vorallem innerstädtischer Flächen erzielen lässt. Diese Über-legungen haben in der jüngeren Vergangenheit sowohl zurRealisierung innovativer Einzellösungen als auch, vorallem im europäischen Ausland, zur Entwicklung inno-vativer Stahlbaulösungen für multifunktionale Decken-systeme geführt.

    2 Aktuelle Konstruktionsformen2.1 Gefaltete Deckenkonstruktion beim Hochhaus

    WestendDuo in Frankfurt am Main

    Als Beispiel einer besonders gelungen Einzellösung seihier auf das Hochhaus WestendDuo in Frankfurt amMain verwiesen. Mit dem Ziel der Konstruktionshöhen-optimierung wurde bei dem WestendDuo ein integriertesDeckensystem entwickelt, dessen Idee darin besteht, so-wohl die obere als auch die untere Installationsebene indie Konstruktionshöhe des Tragwerkes zu integrieren(Bild 2). Die Konstruktion wird dabei durch schlanke ge-schweißte Stahlträger mit Spannweiten von ca. 12 m ge-bildet. Die in den Außenbereichen untenliegende, in derGebäudemitte aber nach oben verspringende, schlaffbe-wehrte Ortbetondecke mit einer Dicke von 15 cm bildetden Raumabschluss und erfüllt die Anforderungen an denSchall- und den Brandschutz. Zusätzlich übernimmt siestatische Funktionen wie Scheiben- und Plattentragwirkung.

    In den Bereichen, in denen die Stahlträger nicht in dieDeckenplatte einbinden, sind diese mit einer Brandschutz-verkleidung geschützt, so dass die Konstruktion (auch imHohlboden) einen Feuerwiderstand von R120 erfüllt.

    Der Vorteil der gefalteten Decke ist dabei in ihrerraumteilenden Funktion zu sehen. Die den einzelnenStockwerken zugehörigen Installationen müssen nichtdurch schall- und brandschutztechnisch möglicherweiseproblematische Durchbrüche geführt werden. Die Kon-struktion basiert auf der Erkenntnis, dass ein Hohlbodenzur Leitungsführung nur im Bereich der Büronutzung undeine Zu- und Abluftzufuhr nur im Flurbereich nötig ist.

    Das gewählte Deckensystem benötigt keine Zwi-schenstützen und erfüllte die Anforderungen des Bau-herrn: – Flexibilität des Grundrisses (Stützenfreiheit)– Minimierung der Geschosshöhen (es konnten gegen-

    über konventionellen Lösungen zwei zusätzliche Ge-schosse realisiert werden)

    – Minimierung der Tragwerkslasten (führte zu reduzier-ten kleineren Dimensionen der Stützen und zu Einspa-rungen bei der Gründung)

    – Integration der haustechnischen Installationen– Ermöglichung wirtschaftlicher Bauabläufe

    Nach [3] hat die Inkaufnahme der höheren Baukostenaufgrund des Mehrertrags in der Vermietung der Immobi-lie die Rentabilität des Projektes erhöht. Weitere Informa-tionen zum Projekt finden sich in [4].

    Bild 2. Gefaltete Decke beim Hochhaus WestendDuo in Frankfurt am Main [3]Fig. 2. Folded slab used at the high-rise building WestendDuo in Frankfurt/Main [3]

    01_16_SD.qxd 23.04.2010 13:02 Uhr Seite 2

  • 3

    M. Mensinger/M. Fontana/A. Frangi · Entwicklung eines multifunktionalen Deckensystems mit erhöhter Ressourceneffizienz

    Sonderdruck aus: Stahlbau 79 (2010), Heft 4

    2.2 Slimline Buildings / Infra+

    Dieses von der niederländischen Firma Slimline Buildingsvertriebene Deckensystem (s. Bild 3) folgt ebenfalls derIdee, die Installationsebenen in die Ebene der Konstruk-tion zu integrieren und so schlanke und flexible Decken-konstruktionen zu ermöglichen. Das System, für welchesin den Niederlanden eine bereits über 10-jährige Anwen-dungstradition besteht, wurde in Deutschland bisher nochnicht eingesetzt. Im Unterschied zur bereits vorgestelltenOrtbetonlösung handelt es sich um eine schnell zu ver-legende Stahl-Beton-Fertigteillösung. Diese besteht ausWalzprofilen, die zusammen mit einer ca. 70 mm starkenBetonplatte eine umgekehrte PI-Platte bilden, aber nichtim Verbund mit ihr wirken. Die Betonplatte spannt als un-tere Decke zwischen den Stahlträgern, die einen Abstandzwischen 0,6 m und 1,20 m aufweisen. Die Platte dientdem Raumabschluss (Brand und Schall), kann zur Klima-tisierung aktiviert werden und trägt die Lasten aus denInstallationen.

    Der obere Boden der Decke kann wahlweise als Hohl-raumboden oder als Doppelboden ausgeführt werden(Bild 4). Bei der Ausführung als Hohlraumboden wird derEstrich mit integrierter Fußbodenheizung auf ein niedri-ges, schwalbenschwanzförmig hinterschnittenes Profil-blech aufgebracht. Dieses wird, um eine sehr gute Tritt-

    schalldämmung zu erreichen, mit Hilfe von Elastomer-streifen gefedert auf die Stahlprofile aufgelagert.

    Die Stahlträger selbst weisen, je nach Bedarf, großeindividuelle Aussparungen zur Durchführung der Installa-tionen auf. In der Installationsebene werden sowohl diefür eine Klimatisierung nötigen Zu- und Ablaufleitungenals auch die Versorgungsleitungen für eine Büronutzunggeführt. Durch dieses Konzept können Durchbrüchedurch die Decke notwendig werden, die für den Brandfallabgeschottet ausgebildet werden müssen und auch schall-technisch sorgfältig geplant werden sollten.

    Die Deckenkonstruktion weist für den Fall einerBrandbelastung von unten einen Feuerwiderstand größerals REI 120 min auf, ohne dass Brandschutzmaßnahmenfür die Stahlträger nötig sind [6]. Bei den in [6] dargestell-ten Brandversuchen wurden dabei Deckendurchbrüchefür Beleuchtungselemente, Elektroverteilerdosen und iso-lierte Installationsrohre etc. berücksichtigt. Die im Versuchaufgetretenen Temperaturen lagen auch nach 145 minBranddauer oberhalb des Betons jeweils unter 140 °C.

    Bei einer Brandbelastung von oben kann auf die Feuer-widerstände der Bodenelemente zurückgegriffen werden.Aufgrund der in Doppelböden üblicherweise vorliegendengeringen Brandlast und den für eine Brandentstehung un-günstigen Ventilationsverhältnissen wurde ein Brand imHohlraum des Doppelbodens selbst nicht betrachtet.

    Tabelle 1. Vorbemessungstabelle für Gebäude mit einer Ausbaulast von 1,0 kN/m2 und einer Nutzlast von 4,0 kN/m2 [5]Table 1. Preliminary design values for buildings with 1,0 kN/m2 additional dead load and 4,0 kN/m2 live load

    s = s = s = s =6000 mm 8000 mm 10000 mm 12000 mm

    a = 600 mm IPE 220 IPE 270 IPE 300 IPE 360

    a = 900 mm IPE 240 IPE 300 IPE 360 IPE 400

    a = 1200 mm IPE 270 IPE 330 IPE 400 IPE 450

    a: Trägerabstand / s: Trägerspannweite

    Bild 3. Multifunktionales Deckensystem der Firma SlimlineBuildings [5]Fig. 3. Multifunctional floor system “Slimline Buildings” [5]

    Bild 4. Bodenausbildung als höhenjustierbarer Doppelboden mit akustischer Trennung [5]Fig. 4. Construction details of the adjustable raises floor with acoustic separation [5]

    01_16_SD.qxd 23.04.2010 13:02 Uhr Seite 3

  • 4

    M. Mensinger/M. Fontana/A. Frangi · Entwicklung eines multifunktionalen Deckensystems mit erhöhter Ressourceneffizienz

    Sonderdruck aus: Stahlbau 79 (2010), Heft 4

    Für das System liegen zahlreiche Detaillösungen hin-sichtlich der akustischen Trennung von Nutzereinheitenvor. Die akustische Trennung erfolgt dabei nicht nurdurch die Decke selbst, sondern zum Beispiel auchzwischen zwei benachbarten Wohneinheiten. Auf dem inBild5 dargestellten Detail wird durch Ausführung des Auf-lagerträgers mit zwei U-Profilen eine akustische Trennungder Konstruktionselemente erreicht. Werden diese U-Pro-file an ein und dieselbe Stütze angeschlossen, kann dieseTrennung jedoch zumindest teilweise wieder aufgehobenwerden. Bei der Detaillierung derAnschlüsse derAuflager-träger sollten daher schalltechnische Erfordernisse mit be-rücksichtigt werden. Es kann in bestimmten Fällen auchsinnvoll sein, Doppelstützen anzuordnen, die eine kom-plette akustische Trennung zwischen Nutzereinheiten er-möglichen.

    Laut Herstellerangaben sind mit dem System folgen-de schalltechnischen Werte erreichbar:

    Luftschall: R'w = 60 – 62 dBTrittschall L'm,w = 47–50 dB

    Das System wurde in den Niederlanden für eine Vielzahlvon Büro- und Wohngebäuden sowie Hotels eingesetzt.Durch den hohen Grad der Vorfertigung sind sehr kurzeMontagezeiten möglich. Hauptargumente für die Anwen-dung sind jedoch die durch das System zur Verfügung ge-stellte Flexibilität in der Nutzung, die optimale Integrationvon Heizung und Kühlung sowie der geringe Ressourcen-verbrauch. In bestimmten Fällen, insbesondere bei Auf-stockungen, ist auch das besonders geringe Eigengewichtder Konstruktion von Bedeutung.

    Als ein Anwendungsbeispiel sei hier das als Wohnge-bäude genutzte Hochhaus La Fenêtre in Den Haag genannt

    Bild 5. Lagerung der Deckenelemente mit Auflagerknaggen (links) und direkte Auflagerung auf Stahlträger mit breitemunterem Flansch (rechts) [5]Fig. 5. Support of the slab element using steel angles (left) and direct support on steel beams with broad lower flanges (right) [5]

    Bild 6. Wohngebäude La Fenêtre in Den HaagFig. 6. Residential building La Fenêtre, Den Haag

    01_16_SD.qxd 23.04.2010 13:02 Uhr Seite 4

  • 5

    M. Mensinger/M. Fontana/A. Frangi · Entwicklung eines multifunktionalen Deckensystems mit erhöhter Ressourceneffizienz

    Sonderdruck aus: Stahlbau 79 (2010), Heft 4

    (Bild 6). Das Gebäude mit 16 Stockwerken besitzt eineHöhe von 70 m. Im Projekt wurden insgesamt 16000 m2

    Deckenelemente verlegt. Die Deckenelemente sind größ-tenteils in Längsrichtung des Gebäudes angeordnet undhaben eine durchschnittliche Spannweite von 7,2 m. Auf-grund der Gebäudenutzung wurde kein Doppelboden,sondern ein Hohlraumboden ausgebildet. Die akustischeTrennung zwischen den Wohneinheiten erfolgte wie inBild 7 dargestellt.

    3 Ressourceneffizientes multifunktionales Deckensystem3.1 Prinzip des Deckensystems

    Das Deckensystem Topfloor integral ist eine Entwicklungder ETH Zürich, und der Schweizer Stahlbaufirma H.Wetter AG, für das in Deutschland ein Gebrauchsmuster-schutz [7] und in der Schweiz Patentschutz ([8] und [9])besteht. Das System verfolgt die Grundidee der Integra-tion des Hohlbodens in die statische Konstruktionshöheund realisiert dies mit Hilfe einer Fertigteillösung. Im Un-terschied zur niederländischen Lösung werden jedochnicht ganze Stahlträger zur Herstellung des Fertigteils ge-nutzt, sondern es werden halbierte Wabenträger in einemAbstand von 1,25 m schubfest mit der unten liegenden90 mm bis 100 mm dicken Betonplatte verbunden. Da-durch wird, ganz im Sinne des nachhaltigen Bauens, eine

    größere Materialeffizienz und eine größere Flexibilitäthinsichtlich der Installationsführung und auch der mög-lichen späteren Veränderung der Installationen erzielt.

    Beim Einsatz in Negativlage (d. h. mit Betonplattenach unten, vgl. Bild 8) können Doppel- und Hohlraum-böden in ähnlicher Weise ausgebildet werden, wie diesbeim im vorigen Abschnitt vorgestellten System möglichist. Die Aktivierung der Decke als Kühlelement und dieIntegration einer Fußbodenheizung erfolgen ähnlich wiebei dem bereits beschriebenen System. Beim Einsatz inPositivlage (d. h. mit Betonplatte nach oben, vgl. Bild 9)wird das System zweckmäßig mit einer abgehängtenDecke kombiniert, mit deren Hilfe sich auch Brand-schutzanforderungen erfüllen lassen.

    3.2 Bauteilversuche an Biegeträgern

    Das Trag- und Verformungsverhalten des DeckensystemsTopfloor integral sowohl in Negativ- als auch in Positiv-lage wurde durch zwei großmaßstäbliche Bauteilversuchean der ETH Zürich untersucht [10]. Besondere Beachtungwurde der Anwendbarkeit der Regelungen der EN 1994-1-1[11] und EN 1992-1-1 [12] für die Schubübertragunggewidmet. Ein Probekörper wurde in Positivlage (vgl.Bild 10, Beam 1) und ein Probekörper in Negativlage (vgl.Bild 11, Beam 2) getestet. Die Probekörper wiesen eineLänge von 7,4 m auf. Als Grundprofil der halben Waben-träger wurde ein IPE360 in der Stahlgüte S 235 eingesetzt.Der Wabenschnitt wurde so gewählt, dass die Höhe deshalbierten Trägers 270 mm betrug. Die Dicke des Beton-gurtes betrug jeweils 80 mm. Es wurde ein normaler Betonder Festigkeitsklasse C25/30 gemäß EN 1992-1-1 [13] ver-wendet.

    Zur Schubübertragung zwischen Stahlträger undBetonplatte wurden jeweils zwei Bewehrungsstäbe mitDurchmesser 16 mm für den Versuchskörper in Positiv-lage und Durchmesser 20 mm für den Versuchskörper inNegativlage seitlich an den Stegen der Stahlträger ange-schweißt. Die Betonplatten wurden mit einer Netzbeweh-rung (Durchmesser 10 mm, Abstand 150 mm für beideRichtungen) bewehrt. Für den Versuchskörper in Negativ-lage wurden drei zusätzliche Bewehrungsstäbe mit einemDurchmesser von 10 mm durch jede Öffnung der Waben-träger in Querrichtung geführt. Dazu wurde Betonstahlder Festigkeitsklasse B500 gemäß EN 1992-1-1 [13] ver-wendet.

    Bild 7. Akustische Trennung zwischen zwei Nutzereinheiten[5]; zusätzlich ist der Hohlraum in der Decke, z. B. mitMineralwolle, zu schließen (hier nicht dargestellt)Fig. 7. Acoustic separation between two building units;further, the hollow space should be filled e.g. with mineralwool [5]

    Bild 8. Konstruktionsprinzip Topfloor integral in Negativ-lage [8], [9]Fig. 8. Principal design of “Topfloor integral” elements withconcrete slab on the bottom [8], [9]

    Bild 9. Konstruktionsprinzip Topfloor integral in Positivlage[10], [8]Fig. 9. Principal design of “Topfloor integral” elements withconcrete slab on the top side [10], [8]

    01_16_SD.qxd 23.04.2010 13:02 Uhr Seite 5

  • 6

    M. Mensinger/M. Fontana/A. Frangi · Entwicklung eines multifunktionalen Deckensystems mit erhöhter Ressourceneffizienz

    Sonderdruck aus: Stahlbau 79 (2010), Heft 4

    Die Versuche wurden als 4-Punkt-Biegeversuchedurchgeführt. Bild 12 rechts zeigt das Last-Durchbie-gungs-Diagramm für den Versuchskörper in Positivlage.Der Träger zeigte ein linear-elastisches Materialverhaltenbis zu einer Last von ca. 70 kN und begann bei einer Lastvon ca. 93 kN zu fließen. Der Biegeversuch wurde nach

    Erreichen einer Durchbiegung von mehr als 200 mm ab-gebrochen (vgl. Bild 12, links). Bild 14 rechts zeigt dasLast-Durchbiegungs-Diagramm für den Versuchskörper inNegativlage. Der Träger zeigte ein rein linear-elastischesMaterialverhalten bis zu einer Last von ca. 8 kN, als sichder erste Riss in der auf Zug beanspruchten Betonplatte

    Longitudinal section

    2400 2400

    300

    2400100 100

    180 420 180

    18090

    Detail steel beam

    180

    Cross-section 625 625

    1/2 WPE 360220

    30

    Steel reinforcing

    mesh φ10-1502 φ16 300

    30

    3020

    50

    Stiffener StiffenerStiffenerF F

    Bild 10. Versuchskörper in Positivlage (Beam 1)Fig. 10. Test specimen with concrete slab on top (Beam 1)

    Longitudinal section

    2400 2400

    290

    2400100 100

    Cross-section

    625 625

    1/2 WPE 360210

    60

    Steel reinforcing

    mesh φ10-150 2 φ20 φ10

    Stiffener Stiffener

    180420180

    18090

    Detail steel beam180

    20

    290

    303020

    StiffenerF F

    Bild 11. Versuchskörper in Negativlage (Beam 2)Fig. 11. Test specimen with concrete slab on the bottom (Beam 2)

    Bild 12. Biegeversuch am Träger in Positivlage (links) und Vergleich zwischen Versuchsresultaten und Berechnungsmodellgemäß EN 1994-1-1 [11] (rechts)Fig. 12. Bending test with composite beam with concrete slab on top (left) and comparison between test results and simplecalculation model according to EN 1994-1-1 [11] (right)

    01_16_SD.qxd 23.04.2010 13:02 Uhr Seite 6

  • 7

    M. Mensinger/M. Fontana/A. Frangi · Entwicklung eines multifunktionalen Deckensystems mit erhöhter Ressourceneffizienz

    Sonderdruck aus: Stahlbau 79 (2010), Heft 4

    bildete. Mit zunehmender Last bildeten sich weitere Rissein der Betonplatte, die die Biegesteifigkeit des Verbund-trägers reduzierten und zu einer nicht-linearen Zunahmeder Durchbiegung führten. Der letzte Riss wurde bei einerLast von ca. 45 kN beobachtet. Die in der Betonplatteverlegte Längsbewehrung begann bei einer Last von ca.66 kN zu fließen. Der Biegeversuch wurde nach Erreicheneiner Durchbiegung von ca. 200 mm abgebrochen (vgl.Bild 14 links). Gemäß visueller Beobachtungen nach demBiegeversuch kann angenommen werden, dass der obereFlansch des Stahlträgers während des Fließens der in derBetonplatte verlegten Bewehrungen auch die Fließgrenzeerreichte.

    Während beider Versuche wurde keine relative Ver-schiebung (Schlupf) zwischen Stahlträger und Betonplattegemessen. Die Annahme einer starren Verbundfuge wurdesomit experimentell bestätigt. Bild 12, rechts beziehungs-weise Bild 14, rechts zeigen zudem den Vergleich zwi-schen Versuchsresultaten und Berechnungsmodell gemäßEN 1994-1-1 [11] (vgl. auch Bild 13 und Bild 15), wobeidie Berechnung der Biegesteifigkeit und des Biegewider-standes unter Annahme einer starren Verbundfuge sowieunter Berücksichtigung der effektiven gemessenen Material-kennwerten (Betondruckfestigkeit und Fließgrenze des Bau-stahls und Betonstahls) erfolgte. Eine gute Übereinstim-mung zwischen Versuchsresultaten und Berechnungsmo-

    Tabelle 2. Fließspannung und Bruchspannung der bei Versuch 2 verwendeten StähleTable 2. Yield strength fy and tensile strength fu of Beam 2 and reinforcing steel

    Baustahl Bewehrung ∅ 10 mm Bewehrung ∅ 20 mm

    Test 1 Test 2 Test 1 Test 2 Test 1 Test 2

    fy in N/mm2 314 304 481 475 545 544

    fu in N/mm2 428 430 617 618 649 647

    Mpl

    +

    -0.85.fc

    fy

    Bild 14. Biegeversuch am Träger in Negativlage (links) und Vergleich zwischen Versuchsresultaten und Berechnungsmodellgemäss EN 1994-1-1 [11] (rechts)Fig. 14. Bending test with composite beam with concrete slab on the bottom (left) and comparison between test results andcalculation model according to EN 1994-1-1 [11] (right)

    Bild 13. Vereinfachtes Berechnungsmodell für die Berech-nung des Biegewiderstandes Mpl des Versuchskörpers inPositivlageFig. 13. Simplified model for the calculation of the plasticresistance moment Mpl of the composite Beam 1 withconcrete slab on top

    Bild 15. Vereinfachtes Berechnungsmodell für die Berech-nung des Biegewiderstandes Mpl des Versuchskörpers inNegativlageFig. 15. Simplified Model for the calculation of the plasticresistance moment Mpl of the composite beam with concreteslab on the bottom

    01_16_SD.qxd 23.04.2010 13:02 Uhr Seite 7

  • 8

    M. Mensinger/M. Fontana/A. Frangi · Entwicklung eines multifunktionalen Deckensystems mit erhöhter Ressourceneffizienz

    Sonderdruck aus: Stahlbau 79 (2010), Heft 4

    dell kann für beide Fälle festgestellt werden. Eine ausführ-liche Darstellung der Trägerversuche findet sich in [8].

    3.3 Statische und konstruktive Detailfragen3.3.1 Lokale Instabilitäten

    Lokale Instabilitätserscheinungen können bei Einsatz desSystems in Negativlage nur bei den Stegen der halben Wa-benträger auftreten. Betrachtet man den Stegstummel inder Wabenöffnung als einseitig gestützten Flansch undden Steg zwischen den Waben als beidseitig gestütztenSteg, lässt sich mit Hilfe der c/t-Verhältnisse nach EN1993-1-1, Tabelle 5-2 [12] feststellen, dass für Träger ausS 235 in der überwiegenden Zahl der baupraktischen Fäl-le nicht mit einem lokalem Stabilitätsversagen zu rechnenist (Bilder 16 und 17). Bei höheren Stahlgüten sind lokaleStabilitätserscheinungen, wie zum Beispiel Stegbeulen amÜbergang Wabe – Wabenöffnung, zusätzlich zu untersu-chen. In vielen baupraktischen Fällen wird die Bemessungder Träger jedoch durch die Gebrauchstauglichkeitsanfor-derungen und das Schwingungsverhalten bestimmt, sodass der Einsatz höherer Stahlgüten meist nicht notwen-

    dig wird. Im Weiteren wird in diesem Aufsatz daher aus-schließlich von Klasse-1-Querschnitten ausgegangen.

    3.3.2 Verteilung der Querkraft zwischen Betongurt und Stahlteil

    Für den effizienten Einsatz des Systems sind ausreichendgroße Wabenöffnungen besonders wichtig. Diese erleich-tern zum einen die Installationsarbeiten, zum anderen er-lauben sie größere Konstruktionshöhen und tragen damitzu einem besseren Schwingungsverhalten bei. Die maxi-mal mögliche Wabenhöhe wird durch das Auftreten se-kundärer Biegemomente aufgrund von Querkräften imBereich der Wabenöffnungen limitiert. Die maximal mög-liche Öffnungshöhe kann mit Hilfe einfacher mechani-scher Modelle berechnet werden. Dabei sind die aus pri-märer und sekundärer Tragwirkung auftretenden Span-nungen miteinander zu überlagern. Aktuell wird für dieBemessung der Deckenplatten das in Bild 18 dargestellteModell verwendet, welches für den Fall der Negativlagerealitätsnahe und für den Fall der Positivlage konservativeErgebnisse liefert. Dieses geht aufgrund der einlagigen Be-wehrungsführung im Betonquerschnitt davon aus, dassdieser gelenkig an die Waben angeschlossen ist und selbstkeine Biegemomente aufnimmt. Tatsächlich weist der Be-tonquerschnitt durchaus eine gegenüber dem T-förmigenStahlrestquerschnitt nicht vernachlässigbare Biegesteifig-keit aus, die zu einer geringeren lokalen Beanspruchungdes T-Querschnittes durch Biegung führt. Die tatsäch-lichen Steifigkeitsverhältnisse werden durch die Rissbil-dung im Beton und durch die lokal mitwirkende Breitedes Betonquerschnittes beeinflusst.

    Anhand der in Abschnitt 3.2 geschilderten Träger-versuche wird das Modell überprüft. Es zeigt sich, dass inPositiv- und in Negativlage deutlich unterschiedlicheMechanismen auftreten.

    Bei Versuch 1 in Positivlage wurde das Fließplateaubei einer Pressenlast von ca. 92 kN erreicht. Unter derLasteinleitung traten damit ein Biegemoment M von221 kNm und eine Querkraft V von 92 kN auf. Diese glo-balen Beanspruchungen führen sowohl im Stahl-T-Profilals auch im Betongurt zu einer Beanspruchung durch eine

    Bild 16. c/t-Verhältnisse für den vollständig überdrücktenSteg zwischen den Waben (S 235)Fig. 16. c/t values for the web between the openingsassuming that it acts as internal compression part (steel grade: S 235)

    Bild 17. c/t-Verhältnisse für den einseitig gestützten Steg-stummel der Wabenöffnungen (S 235)Fig. 17. c/t values for the web at the openings assuming thatit acts as outstand flange (steel grade: S 235)

    Bild 18. Mechanisches Modell zur Bestimmung derBeanspruchungen im Bereich der WabenöffnungFig. 18. Static model for calculating stresses in steel sectionat the openings

    01_16_SD.qxd 23.04.2010 13:02 Uhr Seite 8

  • 9

    M. Mensinger/M. Fontana/A. Frangi · Entwicklung eines multifunktionalen Deckensystems mit erhöhter Ressourceneffizienz

    Sonderdruck aus: Stahlbau 79 (2010), Heft 4

    Normal-, eine Querkraft und ein lokales Biegemoment.Dabei sind sowohl der innere Hebelarm (und damit dieNormalkräfte) als auch das jeweilige lokale Biegemomentvon der Verteilung der Querkraft abhängig.

    Für den stählernen T-Querschnitt wurde daher eineplastische Schnittgrößeninteraktion durchgeführt. Dazuwurde für eine, in einem ersten Iterationsschritt geschätz-te, Querkraft im Stahlprofil die notwendige Stegfläche er-rechnet. In der hier vorgenommenen Auswertung wurdediese etwas vereinfacht als über die gesamt Querschnitts-höhe durchgehend angenommen. Für den auf diese Weiseermittelten Restquerschnitt wurde in einem nächstenSchritt unter Berücksichtigung der Ausrundungen die La-ge des Schwerpunktes xs ermittelt.

    Unter Berücksichtigung der plastischen Druckzonen-höhe des Betons kann so der innere Hebelarm des Gesamt-systems und die Normalkraftbeanspruchung des T-Quer-schnittes in der Wabe sowie die Normalkraftbeanspru-chung im Betonquerschnitt aus dem globalen Moment be-stimmt werden. Über die Verschiebung des Schwerpunktsxs des Restquerschnittes beeinflusst die im T-Querschnittvorhandene Querkraft damit die aus dem globalen Mo-ment resultierenden Normalkräfte im T-Querschnitt undim Betongurt. Die zurAufnahme der Normalkraft aus demglobalen Moment notwendige Fläche lässt sich einfachmit Hilfe der Fließspannung errechnen und wird symme-trisch zum Schwerpunkt des Restquerschnittes angeord-net. Die verbleibenden Flächen im Steg und im oberenTeil des Flansches können zur Aufnahme des durch dieQuerkraft verursachten lokalen Biegemomentes im Be-reich der Wabenöffnungen genutzt werden:

    (1)

    Dabei ist b die obere Öffnungsbreite der Wabe im Falledes Stahlteils und die untere Öffnungsbreite im Fall desBetongurtes. Durch Gegenüberstellung des einwirkendenlokalen Momentes Mlokal und des durch die Restflächengegebenen aufnehmbaren Moments kann überprüft wer-den, ob der Querschnitt in der Lage ist, die ihm zugewie-sene Querkraft aufnehmen zu können.

    Die durch den Betongurt aufnehmbare Querkraftkann unter Berücksichtigung der Längsspannungen nachDIN 1045-1, Abschnitt 10.3.3, Gl. (70) [14] oder alternativnach EN1993-1-1Abschnitt 6.2.2, Gl. (6.2a) [13] bestimmtwerden. Die Defaultwerte des Eurocodes führten dabei zueiner besseren Übereinstimmung mit den Versuchsergeb-nissen als die Werte der DIN 1045-1.

    M V blokal = ⋅ 2

    Für den Betongurt lässt sich damit die aufnehmbareQuerkraft wie folgt bestimmen:

    (2)

    mit

    Bewehrungsgrad des Betongurtes

    Normalspannung im Betongurt (beiDruck positiv)

    d statische Höhe; Nutzhöhe der Biegebe-wehrung, im hier betrachteten Fall ent-spricht dies der halben Dicke des Be-tongurtes

    bw lokale mitwirkende Breite des Beton-gurtes

    Die Gleichung gibt die Abhängigkeit der aufnehmbarenQuerkraft von den Betonlängsspannungen wider: Druck-spannungen in Längsrichtung führen zu einer Erhöhungder Querkraftfähigkeit, Zugspannungen zu einer Reduzie-rung. Erreicht die Längsbewehrung des Gurtes die Fließ-grenze, verliert der Gurt praktisch seine Schubtragfähig-keit. Die lokale mitwirkende Breite des Betongurtes konn-te bei den Versuchen nicht exakt bestimmt werden. DieAuswertungen deuten jedoch daraufhin, dass sie in derGrößenordnung zwischen 600 mm und 500 mm gewesensein muss. Das durch die im Betongurt übertragene Quer-kraft erzeugte lokale Biegemoment kann auch bei teilwei-ser Ausnutzung der Bewehrung durch Biegung im Beton-gurt selbst aufgenommen werden und ist für bauprakti-sche Abmessungen als unkritisch zu betrachten.

    Mit Hilfe des dargestellten plastischen Bemessungs-konzeptes für Träger in Positivlage wurde Versuch 1 aus-gewertet. Dazu wurde die durch das Stahlprofil aufnehm-bare Querkraft iterativ ermittelt, der Rest der Querkraftwurde dem Betongurt zugewiesen. Weiter wurde unter-sucht, welchen Einfluss Biegung im Betongurt auf dieQuerkraftkapazität des T-Querschnittes ausübt. Dazuwurden drei Szenarien betrachtet: 1. Der Betongurt beteiligt sich nicht an der Abtragung des

    globalen Biegemomentes.2. Der Betongurt beteiligt sich an der Abtragung des glo-

    balen Biegemomentes. Dabei erreicht die Bewehrungeine Spannung von 50 % der Fließgrenze.

    σcpc

    NA

    =

    ρ =⋅

    ≤A

    b dsl

    w0 02,

    V f bRk c ck cp w,/

    , ,= ⋅ ⋅ ⋅( ) + ⋅⎡⎣⎢

    ⎤⎦⎥

    ⋅0 36 100 0 151 8

    ρ σ ⋅⋅ d

    Tabelle 3. Verteilung der Schnittgrößen bei Versuch 1 (V = 92 kN, M = 221 kNm)Table 3. Distribution of the internal forces and moments for the bending test with Beam test 1(V = 92 kN, M = 221 kNm)

    Betongurt Stahlteil

    Szenario Mc Nc Vc Mc,lokal bw Ns Vs Ms,lokalkNm kN kN kNm cm kN kN kNm

    1 0,0 833 73,5 15,5 60 833 18,5 1,66

    2 10,3 793 63,5 13,3 55 793 28,5 2,54

    3 20,6 754 55,0 11,5 50 754 37,0 3,38

    01_16_SD.qxd 23.04.2010 13:02 Uhr Seite 9

  • 10

    M. Mensinger/M. Fontana/A. Frangi · Entwicklung eines multifunktionalen Deckensystems mit erhöhter Ressourceneffizienz

    Sonderdruck aus: Stahlbau 79 (2010), Heft 4

    3. Der Betongurt beteiligt sich an der Abtragung des glo-balen Biegemomentes. Dabei erreicht die Bewehrungeine Spannung von 100 % der Fließgrenze.

    In Tabelle 3 sind sich aus den Berechnungen ergebendemaßgebende Größen angegeben. Dabei wurde die lokalmitwirkende Breite des Betongurtes so gewählt, dass die-ser den Querkraftanteil des Betongurtes gerade aufneh-men konnte, da im Versuch ja kein Querkraftversagen be-obachtet wurde.

    Die in Tabelle 3 angegebene Schnittgrößenverteilungzeigt auf, dass das Stahlprofil bei einer Belastung mitF = 92 kN voll durchplastiziert war. Eine weitere, kleineLaststeigerung wäre nur durch Umlagern von Querkräftenaus dem Stahlprofil heraus in den Betongurt hinein denk-bar gewesen. Ein Vernachlässigen der Spannungen ausQuerkraft und lokalen Biegemomenten im Stahlträgerwürde zu einer Überschätzung der Tragfähigkeit führen.

    Aus der Auswertung der Tabelle kann man erkennen,dass die Querkraft im Stahlquerschnitt sich zwischen18,5 kN bis maximal 37 kN bewegte, also nur zwischen20 % und 40 % der Gesamtquerkraft. Bemerkenswert istauch der relativ große Einfluss der Biegung des schlankenBetongurtes, der das Stahlprofil nennenswert von Nor-malspannungen entlastet und diesem ermöglicht, sich ver-stärkt am Querkraftabtrag zu beteiligen.

    Wird das System in Negativlage eingesetzt und damitder Betongurt auf Zug belastet, führt dies zu einer drasti-schen Abnahme der Querkraftkapazität des Betongurtes.Dieser beteiligt sich aufgrund der Nulllinienlage zudemnicht mehr durch Biegung an der Abtragung der globalenBiegemomente. Da er aber nicht völlig querkraftfrei ist,tritt neben der Zugbeanspruchung aus dem globalenBiegemoment auch lokale Biegung auf. Für den Stahl-querschnitt gelten dagegen die gleichen Interaktionsbezie-hungen wie für den Fall der Positivlage.

    Versuch 2 versagte durch Fließen der unteren Beweh-rungslage bei einer Querkraft von V = 66 kN und einemBiegemoment von 158,4 kNm. Dieses globale Momentwurde durch ein Kräftepaar mit N = 629 kN und eineminneren Hebelarm von 252 mm vom Stahlprofil und vonder Bewehrung des Betongurtes aufgenommen. Die Kraft N führte in der Bewehrung zu Spannungen von ca.500 N/mm2, also ca. 10 % unterhalb der Fließgrenze derBewehrung.

    Die verbleibende Querkraftkapazität des Stahlteilsunter Berücksichtigung der lokalen Biegung betrug unterdieser Belastung ca. 56 kN, das heißt, der Betongurt muss-te eine Querkraft von mindestens 10 kN aufnehmen. Beieiner angenommenen lokalen mitwirkenden Breite desBetongurtes von 50 cm betrug die Querkraftkapazität deszugbeanspruchten Gurtes nur ca. 13 kN. Diese Querkraftverursachte ein lokales Biegemoment im Betongurt, wel-ches wiederum zu zusätzlichen Zugspannungen in der Be-wehrung in der Größenordnung von ca. 50 N/mm2 führ-te, wodurch das Fließen in der Bewehrung einsetzte. Dasheißt, es ist als unwahrscheinlich anzusehen, dass der Be-tongurt sich in einem stärkeren Maß am Querkraftabtragbeteiligte. Eine ausreichend hohe verbleibende Querkraft-kapazität des Stahlteils hätte jedoch die Ausbildung einesstatischen Systems ermöglicht, welches eine reine Zug-gurtwirkung des Betongurtes erlaubt (vgl. Bild 18).

    Die Anwendung des in Bild 18 dargestellten stati-schen Systems liefert unter Verwendung der vorgestelltenplastischen Interaktion für das T-Profil realitätsnahe Er-gebnisse für den Einsatz des Systems in Negativlage. Fürden Einsatz des Systems in Positivlage können wirtschaft-liche Ergebnisse durch die Berücksichtigung der Biege-und Querkrafttragfähigkeit des Betongurtes erzielt wer-den, da dieser dann einen erheblichen Teil der Querkraftüberträgt.

    In den meisten Anwendungsfällen wird die maximaleQuerkraft nicht wie in den Versuchen an der Stelle desmaximalen Biegemomentes auftreten. Aufgrund der rela-tiv komplexen Zusammenhänge zwischen lokalen undglobalen Beanspruchungen ist der maßgebende Nach-weisschnitt in vielen Fällen daher nicht an der Stelle desmaximalen Biegemomentes oder der maximalen Quer-kraft.

    3.3.3 Schubeinleitung in den Betongurt

    Die erhöhte Materialeffizienz wird bei dem vorgestelltenKonzept zum einen durch die beim Einsatz von Waben-trägern größere statische Höhe und zum anderen durchdie Nutzung der Verbundwirkung von Stahl und Betonhergestellt. Dieses Konzept führt jedoch auch zu weiter-führenden Fragestellungen bezüglich der statischen undkonstruktiven Auslegung des Systems.

    Bild 19. Plastische Spannungsblöcke im T-QuerschnittFig. 19. Plastic stress blocks at the T-section

    Bild 20. Verteilung der globalen Schnittgrößen beimEinfeldträgerFig. 20. Distribution of shear force and moment for a singlespan beam

    01_16_SD.qxd 23.04.2010 13:02 Uhr Seite 10

  • 11

    M. Mensinger/M. Fontana/A. Frangi · Entwicklung eines multifunktionalen Deckensystems mit erhöhter Ressourceneffizienz

    Sonderdruck aus: Stahlbau 79 (2010), Heft 4

    Bei der Wahl des Verbundmittels wurden dabei diekonventionellen Pfade des Verbundbaus verlassen undstattdessen auf herkömmliche Bewehrungsstäbe zurück-gegriffen, die mit den Waben der Trägerstege verschweißtwerden. Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass im Gegen-satz zu ebenfalls möglichen Lösungen mit liegenden Kopf-bolzendübeln oder mit einer durch die geschickte Wahldes Brennschnittes erzeugten Dübelleiste keine Konstruk-tionshöhe des Wabenträgers verloren geht und die für dieInstallationsführung notwendigen großen Wabenöffnun-gen mit den zur Verfügung stehenden Profilreihen reali-sierbar bleiben. Der an die Waben angeschweißte Beweh-rungsstahl beteiligt sich zudem am Lastabtrag der Zug-kräfte bei Einsatz des Systems in Negativlage, so dass nurein Teil dieser Kräfte in die Betonplatte ausgeleitet werdenmüssen, und erhöht die Steifigkeit der Konstruktion wäh-rend des Betoniervorgangs im Fertigteilwerk.

    Die zwischen den mit den Trägerstegen verschweiß-ten Bewehrungsstäbe und dem Betonteil übertragbarenSchubkräfte können auf der Grundlage der Angaben inEN 1992-1-1, Abschnitt 8.4.2, (8.2) [13] bemessen werden.Dabei ist von einem nichtduktilen Verhalten des Ver-bundmittels auszugehen und elastischer Schubfluss zu be-rücksichtigen. Die Dübeltragwirkung der in den Betoneinbindenden Wabenkanten und der durch die Wabenöff-nung quer durchgesteckten Bewehrungselemente wird beider Schubbemessung vernachlässigt.

    Der Bemessungswert der Verbundfestigkeit fbd kannfür Rippenstäbe unter Berücksichtigung des wirksamenUmfangs (vgl. Bild 21) wie folgt ermittelt werden [13]:

    fbd = 2,25 · η1 · η2 · fctd (3)

    dabei istη1 ein Beiwert, der die Qualität der Verbundbedingun-

    gen und die Lage der Stäbe während des Betonierensberücksichtigt:η1 = 1,0 wenn gute Verbundbedingungen erreichtwerden, undη1 = 0,7 für alle anderen Fälle sowie für Stäbe in Bau-teilen, die im Gleitbauverfahren hergestellt wurden,außer es kann nachgewiesen werden, dass gute Ver-bundbedingungen gegeben sind

    η2 Beiwert zur Berücksichtigung des Stabdurchmessers:η2 = 1,0 für ϕ ≤ 32 mmη2 = (132 – ϕ)/100 für ϕ > 32 mm

    fctd der Bemessungswert der Betonzugfestigkeit gemäßEN 1992-1-1:2004 [13]

    Bei beiden Trägerversuchen konnte weder Schlupf an denTrägerenden noch ein Versagen des Schubverbundes be-obachtet werden. Aufgrund der Durchführung der Versu-che als 4-Punkt-Biegeversuch trat bei beiden Trägern zwi-schen Auflager und Lasteinleitung jeweils ein konstanterSchubfluss auf.

    Die Schubflüsse ergeben sich aus den Überlegungenin Abschnitt 2.3.2 aus den globalen Normalkräften imT-Profil zu:

    (4)TN

    mglobal=

    2 4,

    Im Fall der Positivlage wird dabei der gesamte Schubflussin den Betongurt eingeleitet, während im Fall der Negativ-lage nur der Anteil der nicht mit dem halben Wabenträgerverschweißten Bewehrung eingeleitet werden muss. Die-serAnteil lässt sich leicht über die Fließnormalkraft diesesBewehrungsanteils bestimmen.

    Aus dem Schubfluss lässt sich wiederum die durch dieBewehrung übertragene Schubspannung zurückrechnen.Man erkennt, dass im Fall der Positivlage deutlich höhereSchubspannungen als im Fall der Negativlage übertragenwerden müssen.

    Bei der Rückrechnung der Verbundspannungen fbkann man feststellen, dass der Beton bei Versuch 1 einen5 %-Fraktilwert der Zugfestigkeit fct;0,05 in der Größenord-nung von 2,5 N/mm2 oder höher gehabt haben muss, sichalso im Rahmen der durch die Norm gegebenen Werte be-wegte und dass offensichtlich auch eine gute Verbundwir-kung vorlag.

    3.3.4 Biegedrillknicken

    Aufgrund der Einspannung der Wabenstege in die Beton-platte und der daraus resultierenden Stabilisierung desProfilflansches liegt auch beim Einsatz der Profile inNegativlage in den meisten Fällen nur eine geringe Kipp-gefährdung vor. Dies kann einfach mit Hilfe eines Trog-brückenmodells nachgewiesen werden, mit dem die Knick-länge des Obergurtes bestimmt werden kann. Das Trog-brückenmodell ermöglicht die Berücksichtigung der Stei-figkeit des Betongurtes und die gegenseitige Beeinflussungbenachbarter Träger. Die auf diese Weise ermittelten

    Tabelle 4. Durch Bewehrung übertragene Verbundspannung Table 4. Bond stress of reinforcement

    Nglobal T Uwirk fbkN kN/m mm2/m N/mm2

    Versuch 1

    Szenario 1 833 347 66264 5,2

    Szenario 2 793 330 66264 5,0

    Szenario 3 754 314 66264 4,7

    Versuch 2 340 142 82830 1,7

    Bild 21. Für die Schubeinleitung in den Betongurt wirk-samer Umfang der Bewehrungsstäbe Fig. 21. Effective area for bond between reinforcement andconcrete

    01_16_SD.qxd 23.04.2010 13:02 Uhr Seite 11

  • 12

    M. Mensinger/M. Fontana/A. Frangi · Entwicklung eines multifunktionalen Deckensystems mit erhöhter Ressourceneffizienz

    Sonderdruck aus: Stahlbau 79 (2010), Heft 4

    Knicklängen sind etwas auf der sicheren Seite, da günstigeEinflüsse aus Saint Venantscher Torsion vernachlässigtwerden. Die so ermittelten Abminderungsbeiwerte für dieglobale Normalkraft der Profile sind in Bild 23 dargestellt.Man erkennt, dass ohne den Einsatz von Kipphalterungendie Profile in jedem Fall zwischen 75 % und 80 % statischausgenutzt werden können. Der Einfluss lokaler Bean-spruchungen des T-Querschnittes auf das Kippverhaltendes Stahlquerschnittes wird durch dieses Modell nochnicht abgebildet und ist Gegenstand aktueller Forschung.

    Da in vielen Fällen Gebrauchstauglichkeitskriteriendie Bemessung dominieren, sind Kipphalter nur selten nö-tig. In Trägerversuch 2 konnte auch bei großen Verfor-mungen kein Kippversagen beobachtet werden, obwohlgemäß Bild 23 nur eine rechnerische Ausnutzung des Pro-fils von ca. 86 % möglich wäre. Dies könnte zum einen aufdie vereinfachte Betrachtung des Kippproblems alsKnickproblem des Obergurtes zurückzuführen sein. Mög-licherweise wurde das System auch durch die Lasteinlei-tung und eine Lasteinleitungssteife während des Versuchsausreichend stabilisiert.

    3.3.5 Auflagerausbildung und Scheibenwirkung

    Die Auflagerung der Elemente wird zweckmäßig mit Hilfevon Winkelauflagern ausgeführt. Werden die Elemente inPositivlage verwendet, können warmgewalzte Winkel ein-gesetzt werden, die man über die gesamte Elementlängedurchlaufend anordnet (Bild 24). Die Winkel dienen dannim Fertigteilwerk als verlorene Schalung. Im eingebautenZustand reduzieren sie die Schallübertragung über dieFlanken und können zudem als Anschlusswinkel für eineeventuell notwendige Dampfsperre im Fassadenbereichherangezogen werden (vgl. Bild 25). Sie stellen zudem dieAktivierung der Scheibenwirkung der Elemente sicher.Trotzdem sollte auf eine Koppelung der Elemente im Be-reich der maximalen Durchbiegung nicht verzichtet wer-den. Diese wird im Fall von Topfloor integral mit speziellentwickelten Schubverbindern sichergestellt [10].

    3.4 Bauphysikalische Fragestellungen3.4.1 Brandschutz

    Das System weist in der Negativlage einen rechnerischenFeuerwiderstand von R120 und I90 für die Situation

    Bild 23. Abminderungsfaktoren χ für Deckenträger aus IPE bzw. HEA-Profilen (S 235) zur Berücksichtigung desBiegedrillknickens des Stahlprofils in NegativlageFig. 23. Reduction factors χ for buckling of the upper flangeunder compression

    Bild 24. Elemente mit Endwinkel für den Einbau inPositivlage vor dem BetonierenFig. 24. Elements with angles as supports before concreting

    Bild 22. Mechanisches Modell zur Bestimmung der Knicklänge des Druckgurtes [8], [10]Fig. 22. Static model for calculating the buckling length of the upper flange under compression [8], [10]

    01_16_SD.qxd 23.04.2010 13:02 Uhr Seite 12

  • 13

    M. Mensinger/M. Fontana/A. Frangi · Entwicklung eines multifunktionalen Deckensystems mit erhöhter Ressourceneffizienz

    Sonderdruck aus: Stahlbau 79 (2010), Heft 4

    „Brand von unten“ auf. Für die Situationen „Brand vonoben“ kann die Stahlkonstruktion durch die eine entspre-chende Ausbildung des Doppel- beziehungsweise Hohl-raumbodens geschützt werden.

    Zusätzlich zu den Szenarien „Brand von oben“ und„Brand von unten“ ist das Szenario „Brand im Hohlraum“zu betrachten. Für dieses Szenario liegen momentan nurwenig Erkenntnisse und keine normativen Regelungenvor. Aus diesem Grund werden, wie zum Beispiel bei demin Abschnitt 2.1 vorgestellten Gebäude, für Stahlkonstruk-tion im Hohlraum die gleichen Anforderungen wie für dierestliche Stahlkonstruktion gestellt. Da die in der Praxisüblicherweise vorhandenen Brandlasten in Systembödengering sind, ist es fraglich, ob die aus dieser Praxis resultie-renden hohen Anforderungen tatsächlich gerechtfertigtsind. Die geringen Brandlasten in Systemböden begrün-

    den sich in der Tatsache, dass vielfach moderne, wenigerleicht entflammbare Baustoffe für die InstallationenVerwendung finden. Waren vor 20 Jahren noch 40 bis50 kWh/m2 durchaus übliche Werte, so übersteigt dieBrandlast in Doppel- und Hohlböden heute in modernenGebäuden kaum noch 20 kWh/m2. In besonderen Fällen,wie zum Beispiel in Bereichen die zur Stromversorgungvon Server-Räumen dienen, können jedoch auch höhereWerte von 70 bis 80 kWh/m2 auftreten. Bei Brandlastenvon mehr als 6 kWh/m2 sind üblicherweise Brandmelderim Hohlboden anzuordnen.

    Sollte ein Brand im Hohlraum entstehen, ist es auf-grund der Hohlbodengeometrie, der geringen Brandlastenund der Ventilationsverhältnisse fraglich, ob sich das Feuerausbreitet oder ob es von selbst erlischt. Dies ist von derDichtigkeit der Hohl- und Doppelböden genauso abhän-

    Bild 25. Fassadendetail bei Einbau der Elemente in Positivlage für das Wohngebäude Residenza Villa Lugano (CH)Fig. 25. Detail of the facade at the residential building Residenza Villa Lugano (CH)

    01_16_SD.qxd 23.04.2010 13:02 Uhr Seite 13

  • 14

    M. Mensinger/M. Fontana/A. Frangi · Entwicklung eines multifunktionalen Deckensystems mit erhöhter Ressourceneffizienz

    Sonderdruck aus: Stahlbau 79 (2010), Heft 4

    gig wie vom gesamten eingeschlossenen Luftvolumen.Noch nicht abgeschlossene Untersuchungen am Lehr-stuhl für Metallbau an der Technischen Universität Mün-chen bekräftigen die Vermutung, dass die selbst bei nen-nenswerten Undichtigkeiten stark unterventiliertenBrandszenarien eher dahin tendieren selbst zu erlöschenals sich auszubreiten. Die dabei auftretenden Temperatu-ren im Brandraum liegen deutlich unter 500 °C, so dasskeine Gefährdung der Stahlkonstruktion vorzuliegenscheint. Die Ergebnisse lassen zum jetzigen Zeitpunkt je-doch noch keine Verallgemeinerung zu. Wird das Systemin Positivlage eingesetzt, kann der Brandschutz zum Bei-spiel durch Ausbildung einer abgehängten Decke mit ent-sprechendem Feuerwiderstand sichergestellt werden.

    3.4.2 Schwingungsverhalten

    Die Wahrnehmung von Schwingungen durch den Men-schen ist von der Frequenz der Schwingung, der Beschleu-nigungsamplitude und der Schwingungsrichtung in Bezugzum Körper abhängig (Bild 26). Die frequenzabhängigeWahrnehmung kann mit Hilfe von richtungsabhängigenWichtungsfaktoren zum Beispiel für Beschleunigungen,wie sie in [15] angegeben sind, berücksichtigt werden(Bild 27). Für Deckenschwingungen sind in der Regel dieFaktoren Wb (z-Richtung) relevant. Man erkennt, dasssowohl tieffrequente Schwingungen zwischen 1 und 2 Hzals auch höherfrequente Schwingungen oberhalb von ca.30 Hz weniger stark wahrgenommen werden als Schwin-gungen in dem Bereich dazwischen. Beschleunigungenaufgrund von Schwingungen im Bereich typischer Eigen-frequenzen von Decken werden allerdings stark wahrge-nommen.

    Bewertungskriterien für Schwingungen finden sich inverschiedenen Richtlinien und Normen, die zum Beispielin [16] aufgeführt sind. Eine Vorbemessung des Schwin-gungsverhaltens der Decke kann zum Beispiel mit Hilfedes in [17] und [18] vorgestellten Verfahrens einfachdurchgeführt werden. Bei derAnwendung dieses und ähn-licher Verfahren zeigt sich, dass das Schwingungsverhal-ten nicht nur von Frequenz und der Dämpfung sondernauch stark von der modalen Masse abhängt. Zu leichteDeckensysteme können daher auch bei höheren Eigen-frequenzen problematisch sein. In den ausgeführten Pro-jekten wurde daher die Betongurtdicke von 80 mm auf100mm erhöht.

    Das Schwingungsverhalten der Elemente wird starkdurch die jeweils zur Verfügung stehende Konstruktions-höhe der Decke geprägt, kann aber auch durch die Profil-wahl beeinflusst werden. Wirtschaftlich und auch öko-logisch sinnvoll sind sicher die Wahl einer ausreichendgroßen Konstruktionshöhe und der Einsatz von Waben-trägern aus IPE-Profilen. Liegt keine ausreichende großeKonstruktionshöhe vor, kann das Schwingungsverhaltendurch den Einsatz von HEA- statt IPE-Profilen verbes-sert werden. Zudem ist es möglich, bei Bedarf Schwin-

    Bild 26. Schwingungsrichtungen nach [14]Fig. 26. Direction of vibrations according to [14]

    Bild 27. Frequenz-Wichtungsfaktoren für die Wahrnehmungvon Beschleunigungen in z-Richtung (Wb) und in x- und y-Richtung (Wd) aus [15]Fig. 27. Weighting factors for the perception of accelerationin z-direction (Wb) and as well in x- and y-direction (Wd)[15]

    Bild 28. Eingebaute Deckenelemente in Positivlage bei der Erweiterung eines Gartenmöbelgeschäftes im KantonAargau (CH)Fig. 28. Slab elements used for the enlargement of a store in Kanton Aargau (CH)

    01_16_SD.qxd 23.04.2010 13:02 Uhr Seite 14

  • 15

    M. Mensinger/M. Fontana/A. Frangi · Entwicklung eines multifunktionalen Deckensystems mit erhöhter Ressourceneffizienz

    Sonderdruck aus: Stahlbau 79 (2010), Heft 4

    gungsdämpfer im Hohlraum des Bodens auch nachträglichzu integrieren. Wie bei allen leichten Deckensystemen em-pfiehlt sich ein Einsatz in Kombination mit dämpfungser-höhenden Ausbauten, zum Beispiel mit einem schwim-menden Estrich oder mit leichten Zwischenwänden.

    3.5 Aktuelle Projekte

    Seit Sommer 2009 werden mit dem vorgestellten Systemdie ersten Gebäude in der Schweiz realisiert. Dabei han-delt es sich um die Erweiterung eines Gartenmöbelge-schäftes im Kanton Aargau und um ein siebenstöckigesWohngebäude in Lugano mit ca. 3200 m2 Elementfläche(Bild 28), welches sich momentan in der Werkstattferti-gung befindet. Bei beiden Projekten werden die Elementein Positivlage gebaut, obwohl gerade bei dem genanntenWohngebäude ein Einsatz in Negativlage wünschenswertgewesen wäre.

    Das siebenstöckige Wohngebäude Residenza VillaLugano besitzt eine Breite von ca. 10,5 m und eine Längevon 50,0 m (Bild 29). Das Gebäude hat in den unterenvier Geschossen einen Durchgang, der von den oberenGeschossen überbrückt wird. In diesem Bereich werdendie Deckenelemente in Längsrichtung des Gebäudes an-

    geordnet. In allen anderen Bereichen überspannen siestützenfrei die gesamte Gebäudebreite. Es entsteht damitein äußerst flexibel nutzbares Gebäude ohne Innenstützen.

    Die maximale Spannweite der in den Projekten ver-bauten Elemente beträgt jeweils ca. 10,5 m. Aufgrund derLimitierung der statischen Höhe wurden Elemente mitHEA-Trägern eingesetzt, was zu einem geringfügig höherenMaterialverbrauch führte (ca. 10 kg/m2 Mehrverbrauchgegenüber der Standardlösung), aber das Schwingungsver-halten deutlich verbesserte.

    Neben der kurzen Bauzeit waren für die Bauherrenjeweils die geringen Eigenlasten, die große Flexibilität inder Nutzung und der sorgsame Umgang mit den zur Ver-fügung stehenden Ressourcen die wichtigsten Argumentefür die Wahl des Systems. Bei dem Projekt in Luganoführten die geringen Eigenlasten zu erheblichen Einspa-rungen bei den Fundamenten und waren ein Hauptgrundfür die Wahl des Systems, da ein denkbar schlechter Bau-grund vorlag.

    4 Zusammenfassung

    Das Deckensystem Topfloor integral wurde unter den As-pekten der Multifunktionalität und der Nachhaltigkeitentwickelt. Durch die schlanke Konstruktionsform unddie Nutzung der Konstruktionsebene zur Installationsfüh-rung ermöglicht es eine optimale Ausnutzung der zur Ver-fügung stehenden Bauhöhen bei mehrgeschossigen Bau-ten. Durch die Verwendung von halben Wabenträgernweist es zudem eine sehr hohe Materialeffizienz auf. Sobenötigt z.B. ein 10 m stützenfrei gespanntes Decken-element nur einen Baustahlverbrauch von ca. 40 kg/m2.Hinzu kommen ca. 12 bis 20 kg/m2 Bewehrungsstahl und0,1m3/m2 Beton.

    In enger Kooperation der ETH Zürich, der Techni-schen Universität München und der H. WetterAG wurdentheoretische und experimentelle Untersuchungen durch-geführt, das System zur Baureife entwickelt und in erstenProjekten erfolgreich eingesetzt. Für das vorgestellte Sys-tem besteht in der Schweiz Patent- und in DeutschlandMusterschutz.

    Bild 29. CAD-Modelle des 7-stöckigen Wohnhauses Residenza Villa Lugano (CH)Fig, 29. CAD-model of a residential building in Lugano (CH) with 7 stores

    Tabelle 5. Vorbemessungstabelle Topfloor integral für Büro-nutzungTable 5. Preliminary design of „Topfloor integral“ slabs foroffice buildings

    Spannweite 1/2-Träger (in S 235) Konstruktionshöhe

    6,0 m IPE 300 290 mm

    7,5 m IPE 360 350 mm

    9,0 m IPE 450 440 mm

    10,0 m IPE 500 490 mm

    12,0 m IPE 600 590 mm

    (Ausbaulast: 1,5 kN/m2; Verkehrslast: 3,0 kN/m2; Trägerabstand: 1250 mm; Eigenfrequenz unter ständigen Lasten ca. 7 Hz; Konstruktionshöhe ohne Doppelbodenaufbau)

    01_16_SD.qxd 23.04.2010 13:02 Uhr Seite 15

  • 16

    M. Mensinger/M. Fontana/A. Frangi · Entwicklung eines multifunktionalen Deckensystems mit erhöhter Ressourceneffizienz

    Sonderdruck aus: Stahlbau 79 (2010), Heft 4

    Literatur

    [1] Frisch, E. C.: Steeldoc 01/06 Konstruktives Entwerfen –Grundlagen und Praxis. Zürich: Stahlbauzentrum Schweiz(SZS) 2006.

    [2] DIN ISO 14040: 2009-11: Umweltmanagement – Ökobi-lanz – Grundsätze und Rahmenbedingungen.

    [3] Herrmann, A.: Hochhaus „WestendDuo“ in Frankfurt. db(deutsche bauzeitung), 142 (2008), Heft 5, S. 70–73.

    [4] Weischede, D.: WestendDuo in Frankfurt am Main – Pro-jektpräsentation. Stuttgart: Weischede, Herrmann und Part-ner GmbH, Beratende Ingenieure.

    [5] www.slimlinebuildings.com, Zitat vom: 20. August 2009.[6] Brandverhalten A+U INFRA + Boden-Deckensystem ge-

    mäß NEN 6069:1997. A+U Research Institute TechnischeUniversität Eindhoven, Dezember 2005.

    [7] Gebrauchsmusterschutz Nr. 20 2008 014 780.8: Verbund-decke mit integriertem Installationsboden. Zürich: IPC:E04B 5/02 (2006.01) Priorität 14.11.2007 CH 1760/07,06.11.2008.

    [8] Frangi,A., Fontana, M., Mensinger, M.: Innovative composi-te slab system with integrated installation floor. StructuralEngineering International, 19 (2009), pp. 404–409.

    [9] Frangi, A., et al.: Composite Slabs with integrated installati-on floor using cellular beams. Proceedings of 6th EngineeringInternational Conference on Composite Construction inSteel and Concrete, July 20–25, 2008, Devil’s Thumb Ranch,Colorado, USA.

    [10] Kieselbach, K.: Entwicklung eines Bemessungs-Tools zurNachweisführung des Verbunddeckensystems der H. WetterAG. Diplomarbeit an der Hochschule Mittweida (FH) 2009.

    [11] DIN EN 1994-1-1: Eurocode 4: Bemessung und Konstruk-tion von Verbundbauwerken aus Stahl und Beton – Teil 1-1:Allgemeine Bemessungsregeln und Anwendungsregeln fürden Hochbau. Berlin: Beuth Verlag, Juli 2006.

    [12] DIN EN 1993-1-1: Eurocode 3: Bemessung und Konstruk-tion von Stahlbauten. Berlin: Beuth Verlag, 2005.

    [13] EN 1992-1-1: Design of concrete structures – Part 1-1: Ge-neral rules and rules for buildings. Dezember 2004.

    [14] DIN 1045-1: Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spann-beton. Berlin: Beuth Verlag, Juli 2001.

    [15] ISO 10137: Basis of design of structures – Serviceability ofbuildings against vibrations. Geneva: International Organisa-tion of Standardization, 2007.

    [16] Feldmann, M., Heinemeyer, C.: Neues Verfahren zur Be-stimmung und Bewertung von Deckenschwingungen. Bau-ingenieur (2010), Heft 1, S. 36–44.

    [17] Sedlacek, G., et al.: Generalisation of criteria for floorvibrations for industiral, office and public buildings and gym-nastic halls. VoF: RFCS Publication, Report EUR 21972 EN,2006.

    [18] www.stb.rwth-aachen.de/projekte/2007/HIVOSS/download.php, Hivoss – Human Induced Vibration of Steel Structures;RFS2-CT-2007-00033, 2007.

    [19] DIN EN 1994-1-2: Eurocode 4: Bemessung und Konstruk-tion von Verbundtragwerken aus Stahl und Beton – Teil 1-2:Allemeine Regeln – Bemessung für den Brandfall. November2006.

    [20] Kurz,W., et al.: Stahlbaukalender 2010: Verbundträger undDeckensysteme. Berlin: Ernst & Sohn Verlag 2010.

    [21] Mensinger, M., Kieselbach, K.: Interne DokumentationDeckensystem Topfloor Integral. CH-5606 Stetten: H. WetterAG, 2009.

    [22] Müller, G., Möser, M.: Taschenbuch der TechnischenAkustik. Springer Verlag 2004.

    [23] Smith, A., Hicks, S., Devine, P.: SCI Publication P354:Design of Floors in Vibration: A New Approach. The SteelConstruction Institute, 2007.

    [24] Trometer, S.: Beitrag zur dynamischen Bemessung vonFußgängerbrücken bei Personenanregung. Diplomarbeit ander Fachhochschule München, 2006.

    Autoren dieses Beitrages:Prof. Dr.-Ing. Dipl. Wirt.-Ing. (NDS) Martin Mensinger, [email protected],Lehrstuhl für Metallbau, Technische Universität MünchenArcisstr. 21, 80290 München

    Prof. Dr. Mario Fontana, [email protected]. Andrea Frangi, [email protected] für Baustatik und Konstruktion, ETH Zürich, HIL D 36.1Wolfgang-Pauli-Str. 15, 8093 Zürich

    01_16_SD.qxd 23.04.2010 13:02 Uhr Seite 16