Entwicklungeiner Fahrerassistenzfunktionzur Echtzeitverifikationdes Fahrerzustandes · 2012. 11....

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Entwicklung einer Fahrerassistenzfunktion zur Echtzeitverifikation des Fahrerzustandes Bachelorarbeit von Lars Schürmann Prüfer : Prof. Dr. rer. nat. Nikolaus Wulff Betreuer : Dipl.-Ing. Torsten Schultz Berlin, 14. September 2012

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  • Entwicklung einerFahrerassistenzfunktion zurEchtzeitverifikation des

    Fahrerzustandes

    Bachelorarbeit von Lars Schürmann

    Prüfer : Prof. Dr. rer. nat. Nikolaus WulffBetreuer : Dipl.-Ing. Torsten Schultz

    Berlin, 14. September 2012

  • DanksagungAn dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit wahrnehmen, mich bei allen Menschenzu bedanken, die mich während der Fertigstellung dieser Arbeit und während meinesStudiums unterstützt haben.

    Zunächst möchte ich Herrn Prof. Dr. rer. nat. Nikolaus Wulff für seine Unterstützungund die Betreuung dieser Arbeit danken.

    Im Weiteren bedanke ich mich bei Herrn Dipl.-Ing. Torsten Schulz, meinem Betreuerin der Firma Berner & Mattner, für seine hilfreichen konstruktiven Kommentare unddie angenehme Zusammenarbeit.

    Mein besonderer Dank gilt weiterhin meiner Familie und meiner Freundin, auf die ichmich zu jeder Zeit verlassen kann und die wesentlich zum Erfolg dieser Arbeit undmeines Studiums beigetragen haben.

    Darüber hinaus bedanke ich mich bei allen, hier nicht im Einzelnen genanntenPersonen, die mich bei der Anfertigung dieser Arbeit unterstützt haben.

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  • Eidesstattliche Erklärung

    Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Arbeit und die zugehörige Implemen-tierung selbstständig verfasst und dabei nur die angegebenen Quellen und Hilfsmittelverwendet habe.

    Berlin, 14 September 2012

    Lars Schürmann

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  • Inhaltsverzeichnis

    Inhaltsverzeichnis

    1 Einleitung 11.1 Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Motivation und Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3 Gliederung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.4 Unternehmensprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

    2 Einführung 52.1 Fahrerassistenzsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

    2.1.1 Informierende Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52.1.2 Agierende Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

    2.2 Fahrerzustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62.2.1 Müdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72.2.2 Gerichtete Aufmerksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.2.3 Vigilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

    2.3 Controller Area Network . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92.4 Rapid Prototyping Plattform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

    2.4.1 VxWorks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112.4.2 MESSINA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

    2.5 Matlab/Simulink . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162.5.1 Code Generation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

    3 Konzept der Fahrerassistenzfunktion 193.1 Bedienprofile der Infotainmentkomponenten . . . . . . . . . . . . . . 19

    3.1.1 Aufteilung in Bediengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203.1.2 Erstellung von Bedienprofilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213.1.3 Analyse der Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

    3.2 Bestimmung der Fahrsituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253.3 Rückschluss auf Fahrerzustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

    3.3.1 Gerichtete Aufmerksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263.3.2 Müdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363.3.3 Vigilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

    iii

  • Inhaltsverzeichnis

    4 Prototypische Implementierung 394.1 Eingabe der Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

    4.1.1 Echtzeitanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394.1.2 Offline-Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404.1.3 Unabhängigkeit von Fahrzeugunterschieden . . . . . . . . . . . 41

    4.2 Datenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424.2.1 Modellstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424.2.2 Ablauf des Algorithmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

    4.3 Ausgabekonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464.3.1 Logging der Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464.3.2 Ausgabe bei einer Offline-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . 47

    5 Test und Auswertung 50

    6 Fazit und Ausblick 52

    Literaturverzeichnis ii

    Abbildungsverzeichnis iii

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  • 1 Einleitung

    1 Einleitung

    1.1 Aufgabenstellung

    Im Rahmen eines vorherigen Projektes der Firma Berner & Mattner SystemtechnikGmbH, im weiteren B&M genannt, wurde eine Rapid Prototyping1 Plattform zumTesten von Steuerungen im Automobil realisiert. Es bestand der Wunsch auf Basisdieser Plattform eine Beispielapplikation in Form einer Fahrerassistenzfunktion zuentwickeln, welche der Echtzeitverifikation von Fahrerzuständen dient.

    1.2 Motivation und Zielsetzung

    Bei der Betrachtung von aktuellen Unfallstatistiken fällt trotz rückläufiger Unfallzah-len auf, dass 84% der Unfälle im deutschen Straßenverkehr durch ein Fehlverhaltendes Fahrzeugführers verursacht werden [2]. Der aktuelle Zustand des Fahrers ist einausschlaggebender Faktor für das Fehlverhalten, da dieser maßgeblich die Fahrzeug-führung beeinträchtigt. Aus Abbildung 1.1 kann entnommen werden, dass 38% derUnfälle mit Todesursache auf deutschen Autobahnen durch Wahrnehmungsstörungendes Fahrers hervorgerufen werden. 14% dieser Unfälle entstehen durch eine Ablenkungdes Fahrzeugführers. Aus der Car100 Studie2 geht ebenso hervor, dass das Unfallrisikobei einer Unaufmerksamkeit des Fahrers erheblich steigt [12].Bei modernen Kraftfahrzeugen geht ein hohes Maß an Ablenkung von dem stetigsteigenden Anteil an fahrzeuginternen Infotainmentgeräten (z.b. Radio, Navigations-geräte und Telefon) aus. Die Bedienung dieser Geräte erfordert meist ein mehrereSekunden andauerndes Abwenden des Blicks und somit der visuellen Aufmerksamkeitvom Straßenverkehr. Die Motorik des Fahrers ist häufig nicht mehr ausschließlich aufdas Führen des Fahrzeugs konzentriert, wodurch das Unfallrisiko deutlich steigt.

    Um einen Nutzen aus den an den Infotainment-Komponenten anfallenden Daten1engl. für schneller Prototypenentwurf, bezeichnet ein Verfahren aus dem möglichst schnell einlauffähiger Prototyp hervorgehen soll.

    2Bei der Car100 Studie wurden 100 Fahrzeuge mit Messtechnik ausgerüstet um ein Jahr lang Datenfür die Untersuchung von Unfällen und Beinaheunfällen zu sammeln.

    1

  • 1 Einleitung

    Abbildung 1.1: Unfallursachen auf deutschen Autobahnen [12].

    Abbildung 1.2: Einfluss der Aufmerksamkeit des Fahrers auf das Unfallrisiko [12].

    2

  • 1 Einleitung

    zu ziehen, wird in dieser Arbeit als zentrale Fragestellung „Die Aussagekraft vonBedienprofilen für die Validierung von Fahrerzuständen“ betrachtet. Um diese Aus-sagekraft herauszustellen wird zunächst ein Algorithmus vorgestellt, welcher dasBedienverhalten des Fahrers an den Infotainment- und Kompfortkomponenten desFahrerinnenraums zu einem Bedienprofil zusammenfügt. Die Daten der Bedienprofilewerden mit weiteren Daten der Fahrdynamik kombiniert um einen Fahrerzustanddaraus abzuleiten. Eine Implementierung zur Evaluierung des Algorithmus findet inForm eines Matlab/Simulink Modells statt. Dabei wird das erwartete Verhalten desFahrers simuliert um die Aussagekraft der aufgenommen Daten zu überprüfen.

    1.3 Gliederung der Arbeit

    Im Kapitel Einführung werden die nötigen Grundlagen und Technologien, die für dieRealisierung dieser Arbeit nötig sind, beschrieben. Außerdem werden die psychologi-schen Hintergründe zu den betrachteten Fahrerzuständen erläutert.

    Das Kapitel Konzept der Fahrerassistenzfunktion schildert den Entwurf der Fah-rerassistenzfunktion. Es wird erläutert, welche Daten für die Analyse verwendetwerden, wie aus diesen der Fahrerzustand abgeleitet wird und welche weiteren Rah-menbedingungen für eine Verifikation des Fahrerzustandes notwendig sind.

    Im Abschnitt Prototypische Implementierung wird vorgestellt, wie die Umsetzung desKonzepts und die Realisierung auf einem Versuchsträger erfolgt.

    Unter Test und Auswertung werden die für das System verwendeten Tests, die verwen-deten Simulationsparameter und das daraus resultierende Ergebnis veranschaulicht.

    Im Kapitel Fazit und Ausblick werden mögliche Erweiterungen des Systems unddie Auswertung der zentralen Fragestellung vorgestellt.

    1.4 Unternehmensprofil

    Das auf Systems Engineering, Entwicklung und Test von elektronischen und mechani-scher Systemen spezialisierte Unternehmen Berner & Mattner wurde im Jahr 1979 inMünchen gegründet. Die Firma beschäftigt zur Zeit 400 Mitarbeitern, verteilt auf 7Standorte in Deutschland und Österreich und ist seit 2011 Mitglied des internationalenUnternehmen Assystems Group. B&M liefert Software- und Engineering-Lösungen

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  • 1 Einleitung

    für seine Kunden aus den Branchen Automobil, Energie, Maschinenbau, Raumfahrt,Transportation und Verteidigung3.

    3http://www.berner-mattner.com

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  • 2 Einführung

    2 Einführung

    2.1 Fahrerassistenzsysteme

    Fahrerassistenzsysteme (FAS) dienen der Unterstützung des Fahrers beim verkehrssi-cheren Führen des Fahrzeuges. Sie erleichtern die Durchführung schwieriger Fahrma-növer und erledigen unangenehme Fahraufgaben, wie beispielsweise die Servolenkung,welche den Fahrer beim Lenken unterstützt. Die Systeme verwenden eine Echtzeitanaly-se der zahlreichen, über die Bussysteme im Auto zur Verfügung stehenden Sensordatenum dem Fahrer die Ausführung der vorliegenden Fahraufgaben zu erleichtern oderteilweise abzunehmen. Man unterscheidet die Fahrerassistenzsysteme von den Fahrer-informationssysteme (FIS), welche in keinem direkten Zusammenhang zur aktuellenFahraufgabe stehen. Zu den FIS gehören das Navigationssystem, der Boardcomputeroder das Autoradio. Bei Fahrerassistenzsystemen wird zwischen informierenden- undagierenden Systemen unterschieden [4].

    2.1.1 Informierende Systeme

    Diese Kategorie der Fahrerassistenzsysteme dient dazu, dem Fahrer zusätzliche Infor-mationen zur Verfügung zu stellen, die das Bewältigen der gegenwärtigen Situationerleichtern. Zu diesem Zweck ist die Interpretation der momentanen Fahraufgabenotwendig, da das Fahrverhalten immer an die Situation angepasst ist. Nur so könnendem Fahrer aussagekräftige Warnungen und Hinweise gegeben werden. Bei der Kon-zeption eines informierenden Systems spielt das Human-Machine-Interface1 (HMI),welches die ermittelten Informationen für den Fahrer aufbereitet, eine große Rolle. DerFahrer soll während einer Fahrt nicht mit Informationen überhäuft werden, da dies zueiner Überlastung und daraus resultierendem Fehlverhalten führen kann. Die Datensollen möglichst einfach verständlich und ohne langes abwenden der Aufmerksamkeitvom Straßenverkehr zugänglich sein. Die Akzeptanz des Fahrerassistenzsystems beimKunden hängt stark von der Konzeption des HMI ab. Bei zu umfangreichen Bedien-konzepten wird der Fahrer schnell überfordert und seine Akzeptanz für das System

    1engl. für Mensch-Maschinen-Schnittstelle, wie beispielsweise eine Multifunktionsanzeige.

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  • 2 Einführung

    sinkt.

    Zu den informierenden Systemen gehört beispielsweise der Spurhalteassistent, welcherden Fahrer durch Einsatz von optischen Systemen beim unbeabsichtigten Verlassenseiner Fahrspur warnt. Das Night Vision wird ebenso dieser Kategorie zugeordnet.Es dient dazu zusätzliche Informationen mit Hilfe einer Infrarotkamera in Form von„Warmen Objekten“ zu visualisieren [9].

    Die im Rahmen dieser Arbeit entwickelte Fahrerassistenzfunktion wird den informie-renden Systemen zugeordnet, da nicht in die Fahrzeugführung eingegriffen, sondernlediglich gewarnt wird.

    2.1.2 Agierende Systeme

    Agierende Fahrerassistenzsysteme greifen, anders als die in Kapitel 2.1.2 angesproche-nen Systeme, direkt und häufig ohne ein Auslösen durch den Fahrer in eine Teilaufgabeder Fahrzeugführung ein. Meistens wird dabei die Lenkung oder das Bremsen desFahrzeugs übernommen. Die Unterstützung durch diese Systeme wird entweder durchden Fahrer initiiert oder anhand seiner erkannten Absichten oder eines Fehlverhaltenseinerseits ausgelöst. Durch das direkte Eingreifen dieser Fahrerassistenzsysteme in dieFahrzeugführung gelten sehr hohe Sicherheitskriterien. Die Akzeptanz dieser Systemeist teilweise umstritten, da der Fahrer zeitweise in Teilaufgaben der Fahrzeugführung„entmündigt“ wird.

    Ein bekanntes System dieser Kategorie ist das Antiblockiersystem (ABS), welchesbeim Bremsen des Fahrzeugs den Bremsdruck regelt um dem Blockieren der Räderentgegenzuwirken. Dieses System ist mittlerweile in fast allen Automobilmodellenserienmäßig enthalten. Das Elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) dient dazu einAusbrechen des Fahrzeugs durch Abbremsen einzelner Räder zu stabilisieren. EinTeil der agierenden Systeme nimmt dem Fahrer sogar komplette Fahraufgaben ab.Der Parkassistent kann beispielsweise vom Fahrer aktiviert werden und führt dannselbstständig das Einparkverfahren in eine erkannte Parklücke aus [9].

    2.2 Fahrerzustände

    Durch den hohen Anteil menschlichen Versagens als Unfallursache2 ist der Zustanddes Fahrers ein ausschlaggebender Faktor für die verkehrssichere Führung eines Au-

    2vgl. Kapitel Einleitung Unfallstatistiken

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  • 2 Einführung

    tomobils. Eine genaue Klassifizierung des Fahrerzustandes ist allerdings schwierig,da dieser von vielen Faktoren abhängt und bei jedem Menschen unterschiedlich zubewerten ist. Ein Beispiel dafür ist die Müdigkeit eines Fahrers, welche von jedemMenschen unterschiedlich eingeschätzt wird.

    Der Fahrerzustand ergibt sich aus den äußeren Einflüssen, die auf den Fahrer einwirkenund den Fahrerzustandsfaktoren. Diese Faktoren beschreiben das Befinden des Fahrersund lassen sich in drei Kategorien unterteilen:

    • nicht bzw. langfristig veränderliche Faktoren z.B. Konstitution, Belastbarkeit,individuelle Fahrerfahrung, Persönlichkeit oder Fahrkönnen.

    • mittelfristig veränderliche Faktoren z.B. Ermüdung, Tagesrhythmus, Alkoholein-fluss oder individuelle Fahrstrategie.

    • kurzfristig veränderliche Faktoren z.B. gerichtete Aufmerksamkeit, Vigilanz,Beanspruchung, Anstrengung, Situationsbewusstsein oder Emotionen.

    Die in dieser Arbeit betrachteten Zustandsfaktoren sind die gerichtete Aufmerksamkeit,die Müdigkeit und die Vigilanz (bzw. ungerichtete Aufmerksamkeit). Sie gehören derGruppe der kurzfristig und mittelfristig veränderlichen Faktoren an [9].

    2.2.1 Müdigkeit

    Die Müdigkeit eines Fahrers entsteht durch die Belastung während einer anstrengendenAufgabe, wie dem Steuern eines Kraftfahrzeugs über einen andauernden Zeitraum.Der Müdigkeitsverlauf des Fahrers während einer langen monotonen Fahrt wird inAbbildung 2.1 dargestellt. Zu Beginn einer Autofahrt ist normalerweise von derabsoluten Wachheit des Fahrers auszugehen. Bei zunehmender Fahrtdauer steigt dasMüdigkeitsniveau stetig an, bis sich eine leichte Müdigkeit eingestellt hat und somitdie Leistung bei aufmerksamkeitsbasierten Aufgaben herabgesetzt wird. Dadurchvermindert sich auch die Vigilanz und die Aufmerksamkeit des Fahrers. Sollte demFahrer die eintretende Müdigkeit bewusst werden, versucht er diese durch Tätigkeitenwie Radio hören oder Fenster öffnen zu kompensieren. Dies hat allerdings nur einebegrenzte Wirkung. Sollte die Fahrt, trotz der steigenden Müdigkeit fortgesetzt werden,stellt sich mit der Zeit eine starke Müdigkeit beim Fahrer ein, welche erneut durchKompensation verbessert werden kann, jedoch nur bis zu einem bestimmten Grad anMüdigkeit. Bei Eintritt der starken Müdigkeit verschlechtert sich auch die Leistungbei routinierten Aufgaben, wie der eigentlichen Fahrzeugführung [7].

    7

  • 2 Einführung

    Abbildung 2.1: Stufen der Müdigkeit und Leistungseinbußen [7].

    2.2.2 Gerichtete Aufmerksamkeit

    Die gerichtete Aufmerksamkeit beschreibt die Konzentration auf eine bestimmteAufgabe. Bei einer Fahrt mit dem Auto ist die Hauptaufgabe die Führung des Fahr-zeugs, somit sollte der Großteil der Aufmerksamkeit des Fahrers auf diese Aufgabegerichtet sein. Durch den in den letzten Jahren stetig steigenden Anteil an Infotain-mentkomponenten und informierenden Fahrerassistenzsystemen entstehen zahlreicheNebenaufgaben für den Fahrer wie z.B. die Bedienung des Navigationssystems, Te-lefonieren, das Einstellen der Klimaanlage und das Abrufen von Informationen derAssistenzsysteme. Die Ressourcen des Fahrers verschieben sich teilweise auf die Bear-beitung dieser Nebenaufgaben. Dies hat eine Herabsetzung der auf den Straßenverkehrgerichteten Aufmerksamkeit zur Folge, was bei der Überschreitung eines gewissen Ma-ßes an Unaufmerksamkeit sicherheitskritische Folgen haben kann. Selbst kurzzeitigesAbwenden der Aufmerksamkeit von Straßenverkehr kann bei hohen Geschwindigkeitenund hoher Verkehrsdichte zu einem Unfall führen.

    Eine „visuelle“ Ablenkung kann ebenso erfolgen, wenn der Fahrer seinen Blick dauer-haft auf den Straßenverkehr gerichtet hält und dabei eine zielgerichtete Bewegungseiner Hand, wie beispielsweise das Betätigen eines Drehschalters, ausführt. Die Hirn-region, welche für den visuellen Sinneskanal zuständig ist, wird für einen bestimmtenZeitraum an das Bewegungsziel gekoppelt. Dadurch ist der Fahrer vom eigentlichen

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  • 2 Einführung

    Straßenverkehr abgelenkt, obwohl sein Blick diesem weiterhin folgt. Dieses Phänomennennt sich „kognitive“ Ablenkung. [5].

    2.2.3 Vigilanz

    Unter der Vigilanz, welche auch häufig als ungerichtete Aufmerksamkeit oder Wachsam-keit bezeichnet wird, versteht man die Bereitschaft, trotz einer monotonen Situationunvorhersehbare Ereignisse wahrzunehmen und auf diese reagieren zu können. Bei lan-gen monotonen Situationen, wie der Fahrt auf einer Autobahn oder einer Landstraße,nimmt die Vigilanz des Fahrers ab. Diese Abnahme wird durch einsetzende Müdigkeitoder Unterforderung des Fahrers hervorgerufen und hat zur Folge, dass wichtigeEreignisse übersehen oder nicht als bedeutend eingestuft werden. Die erforderlicheReaktion auf diese Ereignisse bleibt somit aus oder setzt erst verspätet ein [7].

    2.3 Controller Area Network

    Das Controller Area Network (CAN) ist ein Protokoll zur seriellen Datenübertragungund lässt sich den Feldbussen zuordnen. Diese gehören zu den seriellen Bussen unddienen der Verbindung von Feldgeräten, Sensoren, Aktoren und den zugehörigen Steu-ergeräten. Der Informationsaustausch zwischen diesen Geräten erfolgt bidirektional3.Feldbusse bieten die Vorteile einer hohen effektiven Datenrate, hohe Zuverlässigkeit,geringe Störempfindlichkeit und geringe Kosten pro Knotenpunkt [3].

    Der CAN Bus wurde 1983 von Bosch für die schnelle und störungsfreie Vernetzungim Kraftfahrzeug sowie zur Reduktion von Kabelbäumen und somit der Einsparungvon Gewicht entwickelt. Heutzutage findet der CAN Bus seine Anwendung in derAutomobilindustrie, Fertigungsindustrie, Prozessautomation sowie in der Labor- undLandtechnik [3].

    Der Controller Area Network Bus ist ein Multi-Master-Netzwerk. Dies bedeutet,dass jeder Busteilnehmer gleichberechtigt ist und auf den Bus senden und davonempfangen darf. Um festzulegen, welcher Knoten die Informationen erhalten soll, wirdeine objektorientierte Adressierung verwendet. Das bedeutet, dass nicht jeder einzelneNetzwerkknoten eine Adresse erhält. Stattdessen wird die zu übermittelnde Nachrichtmit einem Identifier4 versehen. Der Identifier besteht aus dem Namen der Nachricht,wie beispielsweise „Bremsdruck“ oder „Geschwindigkeit“, welcher in codierter Form

    3Bei einer bidirektionalen Verbindung ist ein Datenaustausch in beide Richtungen möglich.4engl. für Bezeichner.

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  • 2 Einführung

    verwendet wird. Die Nachricht wird zunächst von allen Knoten empfangen und eswird anhand des Identifiers entscheiden, ob diese Nachricht für diesen Konten relevantist oder verworfen werden kann [3].

    Bei Multi-Master-Netzwerken ist die Zuteilung der Zugriffsrechte auf dem Bus einwichtiger Faktor. Das beim Controller Area Network verwendete Verfahren zur Buszu-griffssteuerung nennt sich bitweise Arbitierung. Dabei werden in den zuvor beschrie-benen Identifier Prioritäten eingebaut. Ein sendebereiter Knoten erkennt automatisch,wenn der Bus bereits belegt ist und wartet mit seiner Übertragung, bis dieser wiederfrei ist. Sollten allerdings zwei Teilnehmer gleichzeitig versuchen eine Nachricht aufdem Bus zu senden, dann setzt sich die Nachricht mit der höheren Priorität (logischeNull, auch „rezessives“ Bit genannt) durch. Diese überschreibt dann die Nachricht mitder niedrigeren Priorität (logische Eins, auch „dominantes“ Bit genannt) und wirdüber den Bus verteilt. Der Sender, der diese Arbitierung verliert, wird nun automatischzum Empfänger und versucht seine Nachricht erneut zu senden, sobald der Bus wiederfreigegeben wird [3].

    2.4 Rapid Prototyping Plattform

    Die in diesem Projekt verwendete Rapid Prototyping Plattform basiert auf einemIndustrie PC mit einem Intel Zweikernprozessor bestückten CompactPCI Board aufdem ein Echtzeitbetriebssystem und die MESSINA Laufzeitumgebung (wird genauerim Kapitel MESSINA beschrieben) installiert sind. Für die Anbindung dieses Com-puters an das Controller Area Network (CAN) ist eine zusätzliches CAN ControllerBoard verbaut.

    CompactPCI ist ein Standard zur Verbindung von Systemen, welcher üblicherweisein Industrie Computern (IPCs) eingesetzt wird. Dabei werden die einzelnen Kom-ponenten über eine Backplane5 mit Spannung versorgt und können darüber Datenmiteinander austauschen. Auf dem CompactPCI Board sind alle für den Betriebeines eingebetteten Systems benötigten Komponenten wie Prozessor, Arbeitsspeicher,Speichermedien und Peripherieschnittstellen enthalten.

    Üblicherweise werden Teststände wie dieser als „Hardware in the Loop“-Teststandeingesetzt. Hardware in the Loop (HiL) ist ein Verfahren zum Testen von eingebettetenSystemen. Dabei wird das eingebettete System an einen Umgebungssimulator ange-

    5engl. für Rückwandplatine, welche meist zum Verbinden der angeschlossenen Komponentenverwendet wird.

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  • 2 Einführung

    schlossen, wodurch der „Loop“ geschlossen wird. Der Umgebungssimulator, welcherim Form von Modellen auf dem HiL Prüfstand eingesetzt wird, bildet eine möglichstreelle Umgebung ab. Das Testobjekt wird von dem Simulator mit Daten versorgt.Die Ausgangswerte des Objekts werden zurück in den Umgebungssimulator eingespeist.

    Die Besonderheit an der verwendeten Plattform ist zum einen der Einsatz im Au-tomobil. Zum anderen findet eine Umkehrung zwischen Testobjekt und Umgebung,in welcher das Objekt verwendet wird. Bei Hardware in the Loop ist die Fahreras-sistenzfunktion, welche auf der Steuerung ausgeführt wird, das Testobjekt und derUmgebungssimulator wird durch Modelle realisiert. Bei der Rapid Prototyping Platt-form hingegen werden die Modelle, welche nun nicht mehr als Umgebungssimulatorsondern als Funktionssimulator dienen, zum Testobjekt. Diese Funktionssimulatorenwerden mit dem Fahrzeug verbunden, welches in diesem Fall das Modell mit Datenversorgt.

    Die Spannungsversorgung der Rapid Prototyping Plattform geschieht über das Bord-netz des Automobils. Für die Anbindung an dieses Netz wird ein DC/DC-Wandlerverwendet um die Boardspannung von 12 Volt auf die benötigten 24 Volt zu wan-deln. Um den IPC vor den Schwankungen im Boardnetz zu schützen werden eineUnterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) und ein Akku verwendet. Die Kompo-nenten der Spannungsversorgung werden in ein zusätzliches Gehäuse eingebaut umdie Wärmeentwicklung in dem Gehäuse des CompactPCI Boards möglichst gering zuhalten.

    2.4.1 VxWorks

    VxWorks ist ein Unix-ähnliches Echtzeitbetriebssystem der Firma WindRiver undfindet seine Anwendungsgebiete in der Industrie, Automobilbranche, Verteidigungsin-dustrie oder in der Raumfahrt. Ein bekanntes Beispiel für den Einsatz von VxWorksist die Pathfinder und die Mars Science Laboratory Mission der NASA, bei der einmit VxWorks betriebener Mars Rover sowie diverse Satelliten den Mars erkundenhaben.

    Die Echtzeitfähigkeit des Betriebssystems zeichnet sich durch dessen zeitlichen Deter-minismus aus. Es muss garantiert werden, dass das Zeitverhalten des Systems unterallen Bedingungen vorhersehbar ist. Die Echtzeitanforderungen einer Anwendungwerden nach der Auswirkung, beim Verletzen dieser Anforderungen, in die folgendenGruppen unterteilen:

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  • 2 Einführung

    • Harte Echtzeitanforderungen bestehen, wenn die Überschreitung der vorge-schriebenen zeitlichen Schranken schwere Systemfehler zur Folge hat, z.B. dasÜberschreiten der Zeitschranke bei der Reaktion einer Kollisionserkennung.

    • Weiche Echtzeitanforderungen bestehen, wenn die Überschreitung der vorge-schriebenen zeitlichen Schranken Systemfehler zur Folge hat, z.B. das Überschrei-ten der Zeitschranke einer Multimediaanwendung, was lediglich einen Verlustvon Frames zur Folge hat.

    • Keine Echtzeitanforderungen bestehen, wenn keine zeitlichen Schranken für dieseAnwendung bestehen, z.B. eine simple grafische Oberfläche, bei der es zwar wün-schenswert ist bestimmte Reaktionszeiten einzuhalten, aber die Überschreitungdieser Zeiten keine Folgen hat.

    Die Verwendung eines Echtzeitbetriebssystems beim Testen von Steuergerätefunktio-nen im Automobil ist besonders wichtig, da bei der Entwicklung dieser Funktionenharte Echtzeitanforderungen gelten, welche auch in den Tests berücksichtigt werdenmüssen [10].

    VxWorks verwendet prioritätenbasierte präemtive Schedulingalgorithmen, bei de-nen bis zu 256 Prioritätsstufen festgelegt und während der Laufzeit verändert werdenkönnen. Dabei werden nur Tasks berücksichtigt, Prozesse werden nicht gescheduled.Tasks sind die bei VxWorks eingesetzte ausführbare Einheiten, welche bei Unix/Linuxdurch Prozesse realisiert sind [10].

    Der VxWorks Kernel wird aus einem Board Support Package (BSP) erstellt. DasBoard Support Package dient zur Konfiguration des Kernels für die jeweilige Hardwareund besteht aus C und Assembly Quellcode. Das Erstellen und Konfigurieren desKernels geschieht in der von WindRiver gelieferten, auf Eclipse basierenden, Entwick-lungsumgebung WindRiver Workbench. Bei der Konfiguration des Kernels könnenbeispielsweise unterstützte Netzwerkprotokolle oder Hardwarekomponenten eingebun-den werden oder Treiber für weitere CompactPCI Boards, wie für die Verwendung desCAN Bus, hinzugefügt werden. Die Verwendung eines BSP bringt den Vorteil, dass derKernel nicht für jede Hardware erneut angepasst werden muss. Diese Portabilität wirddurch Routinen erzielt, welche während des Boot Prozesses oder beim Ansprechenbestimmter Hardware aufgerufen werden. Die Vertreiber der Hardware stellen häufigdirekt ein Board Support Package für ihre Boards zur Verfügung.

    Zum Laden des Kernel Images beim Bootprozess wird ein Bootloader verwendet.Der Bootloader wird wie der VxWorks Kernel aus dem Board Support Package erstelltund dient dazu das Kernel Image zu laden. Dabei kann über die Einstellung von

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  • 2 Einführung

    Boot Parametern bestimmt werden, wie dieses Image zu laden ist. Beispielsweise kannder Bootloader dieses Image über eine FTP Verbindung von einem anderen Rechnerherunterladen oder direkt über die integrierte CompactFlash Card beziehen. DieNetzwerkvariante über FTP wird häufig verwendet um sparsam mit den Ressourcendes Echtzeitrechners umzugehen.

    Die Entwicklung von Applikationen für VxWorks geschieht nicht auf dem Betriebs-system VxWorks, sondern wird auf einem anderen Betriebssystem wie Unix oderWindows vorgenommen. Um das entwickelte Programm für VxWorks zu kompilierenwird ein sogenannter Cross-Compiler verwendet. Dieser erstellt eine ausführbare Dateifür die Verwendung auf dem entsprechenden Betriebssystem.

    2.4.2 MESSINA

    Die Testplattform, über welche die entwickelte Fahrerassistenzfunktion auf der ra-pidprototyping Plattform getestet und ausgeführt wird, heißt MESSINA und ist einSoftwareprodukt der Firma Berner & Mattner. MESSINA dient zum Testen von Steu-ergeräten im Automobil und lässt sich auf allen Ebenen des Entwicklungsprozesseseinsetzen6. Die Testausführung in MESSINA geschieht in harter Echtzeit, sowohl aufeinem Prüfstand als auch auf dem Host Rechner. Die Softwareplattform besteht auszwei Komponenten, der MESSINA Laufzeitumgebung und der grafischen Oberflächevon MESSINA, welche im weiteren MESSINA GUI genannt wird.

    Die in Abbildung 2.2 dargestellte MESSINA GUI basiert auf der Eclipse Rich-ClientPlattform und dient zur Testfallerstellung, zum Simulieren und zum Ausführen vonSoftware- und Modelltests (Sofware in the Loop und Modell in the Loop). Die Testfal-lerstellung kann sequentiell mit JAVA vorgenommen werden. Java Testfälle bestehen inMESSINA aus drei Phasen, welche sequentiell abgearbeitet werden. Die verwendetenFunktionen sind:

    • Die preCondition() Methode wird als erstes ausgeführt und kann zum Initia-lisieren und Einstellen des Tests verwendet werden.

    • Die run() Methode dient zur Ausführung des Tests. Hier können alle üblichenTestanweisungen verwendet werde.

    • Die postCondition() Methode wird nach der Ausführung des Tests aufgerufenund kann zum Zurücksetzen von Werten oder Wiederherstellen von Standarde-instellungen verwendet werden.

    6http://www.berner-mattner.com/de/berner-mattner-home/produkte/messina/index.html

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  • 2 Einführung

    Abbildung 2.2: Grafische Oberfläche von MESSINA.

    Die Automatisierung von Testfällen lässt sich in MESSINA durch das Hinzufügen vonTests zu den Test Campaigns erreichen. Test Campaings sind Ansammlungen vonTestfällen und bieten die Möglichkeit eine Gruppe von Tests mit der selben Konfi-guration auszuführen. Dabei können die Campaigns gleichzeitig auf verschiedenenPlattformen ausgeführt werden.

    In MESSINA werden sämtliche in den Testfällen verwendete Signale in dem so-genannten Signalpool verwaltet. Auf die im Signalpool enthaltenen Signale kann ausden Java Testfällen bequem wie über Objekte zugegriffen werden. Es besteht die Mög-lichkeit Matlab/Simulink Modelle, in Form von Adaptern, direkt an den Signalpoolanzubinden. Adapter bieten nicht nur eine Schnittstelle zu Matlab/Simulink Modellen,sondern ermöglichen auch die direkte Anbindung zu den Busnetzwerken im Automobil,wie z.B. CAN-Bus, Flexray, LIN oder Ethercat. Um Hardwaretests (Hardware in theLoop) durchzuführen wird ein HiL-Prüfstand (der Target PC) benötigt, auf welchemdie MESSINA Laufzeitumgebung läuft. Dieses Target kann dann in der MESSINAGUI hinzugefügt werden, was ein einfaches Umschalten zwischen den Konfigurationenwie SiL und HiL ermöglicht. Die Benutzersicht bleibt dabei unverändert.

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  • 2 Einführung

    Die MESSINA Laufzeitumgebung wird auf dem Echtzeitbetriebssystem des Tar-get Computers installiert und dient dem Ausführen von Hardwaretests auf diesemSystem. Die in der MESSINA GUI erstellten Testfälle können direkt auf dem TargetPC ausgeführt werden. Dazu wird eine TCP Verbindung zum Agent der MESSINALaufzeitumgebung aufgebaut. Der Agent dient zur Administration der Laufzeitumge-bung und zur Kommunikation mit dem Host Rechner. Über die aufgebaute Verbindungwerden alle benötigten Daten, wie z.B. die Matlab/Simulink Modelle und die Test-fälle an den Target Rechner gesendet. Der Agent stellt eine Verbindung zu demSignalpool Access Layer (SAL) der Laufzeitumgebung her. Diese Verbindung wirdüber Message Queues realisiert und dient dazu dem SAL die Konfiguration des Si-

    Abbildung 2.3: Kommunikation der MESSINA Komponenten.

    gnalpools zu übermitteln. Der Signal Access Layer verwaltet die Signale und bietetneben der administrativen Schnittstelle zum Agent noch weitere Datenverbindun-gen an, über welche sich andere Komponenten (wie beispielsweise die Adapter) mitdem SAL verbinden können um mit diesem Informationen über Signale auszutauschen.

    Um die Tests automatisiert und ohne zusätzlichen Host Rechner im Automobilauszuführen wird ein ConfigLoader Tool verwendet, welches die zuvor im Labor erstell-

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  • 2 Einführung

    ten Testfälle lädt und der MESSINA Laufzeitumgebung übermittelt. Dies geschiehtauf Basis von Skripten, welche die Abfolge der zu sendenden Nachrichten enthalten,die zuvor über ein Recorder Tool in der MESSINA GUI erstellt werden.

    2.5 Matlab/Simulink

    Matlab ist eine Programmierumgebung der Firma Mathworks. Matlab dient derAlgorithmenentwicklung, Datenanalyse, Visualisierung und numerischer Berechnungund findet seine Einsatzgebiete bei der Singal- und Bildverarbeitung, Tests und Mess-verfahren sowie bei der Kommunikation. Matlab arbeitet insbesondere mit Matrizenund Vektoren, was bereits durch die Bedeutung des Namens MATrix LABoratory klarwird [1].

    Das Basismodul von Matlab beinhaltet die gängigen Ein- und Ausgabefunktionenund Befehle zur Steuerung des Programmflusses. Es sind bereits eine Vielzahl vonmathematischen Funktionen und Möglichkeiten zur Visualisierung von Daten enthal-ten. Das Matlab Basismodul unterstützt ebenso einen Ansatz zur objektorientiertenProgrammierung7. Matlab Toolboxen erweitern das Basissoftwarepaket um zahlreicheFunktionalitäten wie z.B. Toolboxen für die Regelungstechnik, Signalverarbeitung,Verwendung von Fuzzy Logik, neuronalen Netze oder Bildverarbeitung. Die bekann-testen Erweiterungen von Matlab sind Simulink und Stateflow [1].

    Simulink ist eine Toolbox zur Simulation und modellbasierten Entwicklung vondynamischen und eingebetteten Systemen. Die Erweiterung bietet eine grafische undblockbasierte Oberfläche, in der die Subsysteme und deren Assoziationen dargestelltund verändert werden können. Die Verbindungen zwischen den Systemen veranschau-lichen den Datenfluss und stellen somit einen grafischen Zusammenhang zwischenallen Subsystemen dar, was einen guten Überblick über das zu entwickelnde Modellbietet. Simulink selbst bietet ebenfalls eine Erweiterungsmöglichkeit durch sogenannteBlocksets, über welche zusätzliche Funktionsblöcke zur Entwicklungsumgebung hinzu-gefügt werden können.

    Simulink eröffnet die Möglichkeit Matlab Quellcode in die Modelle zu integrieren. Dazuwerden Matlab-Function-Blöcken verwendet. Die Ein- und Ausgänge dieses Blockswerden durch die Übergabe- und Rückgabewerte der in dem Block definierten Funktionbeschrieben. Stateflow ist nahtlos in Simulink und Matlab integriert und erweitertdiese um eine Plattform zur Entwicklung und Simulation von Zustandsautomaten [1].

    7http://www.mathworks.de/products/matlab/description1.html

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  • 2 Einführung

    Abbildung 2.4: Beispielhaftes Simulink Modell in der Entwicklungsumgebung.

    2.5.1 Code Generation

    Mit Hilfe einer Toolbox für Simulink, dem Simulink Coder, kann aus Matlab/SimulinkModellen Quellcode anderer Programmiersprachen generiert werden. Diese Funktionvon Simulink wird verwendet um Code zu erstellen, welcher dann in die MESSINAGUI als Adapter integriert werden kann. Der Simulink Coder kann C und C++Quellcode oder direkt ausführbare Programme erstellen. Dabei wird die Ausführungin Single- oder Multitasking sowie die Mehrkern-Ausführung unterstützt.

    Die Generierung des Codes kann für verschiedenste Targets vorgenommen werden.Die Auswahl eines Target geschieht über eine System-Target Datei, welche alle für dieCodegenerierung notwendigen Informationen zu der entsprechenden Umgebung ent-hält. Die System-Target Datei dient als makefile für die Code Generierung und enthältbeispielsweise den Pfad zu dem zu verwendenden Compiler und die Compiler Flags,welche benutzt werden sollen. Matlab liefert bereits diverse System-Target Dateien fürverschiedene Plattformen. Der Simulink Coder kann den in Matlab-Function-Blöckenerstellten Matlab Quellcode mit Hilfe des integrierten Matlab Coders umwandeln. DerMatlab Coder kann allerdings nur aus einer Teilmenge der Matlab Programmierspra-che Quellcode generieren. Nicht unterstützt werden anonyme Funktionen, Cell Arrays,try/catch Anweisungen oder Rekursion. Bei der Erstellung des Quellcodes könnenOptimierungsoptionen für die Wiederverwendung von Code und Signalspeicher oderfür die Eliminierung von toten Pfaden vorgenommen werden um ein besseres Ergebniszu erzielen.

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  • 2 Einführung

    Um den durch Simulink erstellten Code als MESSINA Adapter einzubinden müssenalle Eigenschaften des Modells im XML Format abgespeichert werden. Dabei werdenalle Eingänge, Ausgänge und Parameter mit Namen, Datentyp und Defaultwert indie XML Konfiguration aufgenommen. Modellweite Konfigurationen wie die Abtast-zeit werden ebenso dort gespeichert. Um den passenden Quellcode für MESSINAzu generieren wird eine entsprechende System-Target Datei verwendet, welche fürdie Simulation in der grafischen Oberfläche sowie für die Ausführung auf dem HiLPrüfstand konfiguriert ist.

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  • 3 Konzept der Fahrerassistenzfunktion

    3 Konzept derFahrerassistenzfunktion

    In diesem Kapitel wird der zur Erkennung von Fahrerzuständen entwickelte Algorith-mus und die dafür benötigten Daten beschrieben. Es wird vorgestellt, in welcher Formdie Bedienprofile des Fahrers erstellt und verwendet werden.

    3.1 Bedienprofile der Infotainmentkomponenten

    Eine Rahmenbedingung bei der Entwicklung der Fahrerassistenzfunktion ist die Zu-ordnung der Anwendung zu den informierenden Fahrerassistenzsystemen. Es werdenkeine CAN Nachrichten gesendet, sondern nur Daten empfangen, analysiert und aufBasis des so erhaltenen Wissens eine Aussage getroffen.

    Unter Betrachtung der im Kapitel Motivation beschriebenen Unfallstatistiken kannder Mensch bzw. der Fahrer als häufigster Auslöser für Unfallursachen angesehenwerden. Dies macht die Analyse des Fahrerzustandes zu einem sinnvollen Thema fürdie Erstellung einer solchen Überwachungsfunktion. Es existieren bereits videobasierteFahrerzustandserkennungen, welche anhand eines Kamerabildes die Blickrichtung unddie Dauer des Augenschließens beobachten um daraus die Müdigkeit des Fahrers ab-leiten. Weitere Fahrerassistenzfunktionen untersuchen das Lenkverhalten des Fahrersum durch Müdigkeit hervorgerufene Korrekturmanöver zu erkennen.

    Die durch Bedienung an den Infotainment- und Komfortkomponenten anfallendenDaten werden hingegen nur für die Verwaltung der Einstellungsmöglichkeiten verwen-det. Im Rahmen dieser Arbeit wird ein weiterer Nutzen aus diesen Daten gezogenwerden, indem man die Bedienungen an diesen Komponenten registriert, speichertund daraus ein Bedienprofil zusammenstellt. Anhand der Variation der Daten undder Abweichungen von den bisher aufgenommenen Profilen kann eine Änderung desaktuellen Fahrerzustands abgeleitet werden.

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  • 3 Konzept der Fahrerassistenzfunktion

    3.1.1 Aufteilung in Bediengruppen

    Im Automobil werden enorme Mengen an Daten über die vorhandenen Bussystemezwischen verschiedenen Steuerungen und Sensoreinheiten ausgetauscht. Dabei stehenfür nahezu jede erdenkliche Bedienung Datensätze auf diesem Bus zur Verfügung,die den aktuellen Status und die Konfiguration der Komponente widerspiegeln. Umanhand von den Bedienprofilen eine Analyse des Fahrerzustandes durchzuführen, giltes zunächst die dazu benötigten Datensätze zu identifizieren und aus der Menge anDaten herauszufiltern. Für die Aufstellung der Bedienprofile des Fahrers werden dieDaten der Betätigung aller im Fahrerraum befindlichen Tasten und Bedienmöglich-keiten verwendet. Dazu gehören beispielsweise sämtliche Tasten der Klimaanlagen,des Radios, des Navigationssystems und sämtlicher Multifunktionseinheiten sowie dieHebel des Scheibenwischers und des Fahrtrichtungsanzeigers. Zusätzlich werden dieEinstellungsänderungen an den Komponenten herangezogen. Hierzu gehören Datenwie die Änderung einer Route im Navigationssystem, das Einstellen eines neuenRadiosenders oder die Änderung der Solltemperatur im Fahrzeug.

    Zur besseren Klassifizierung der Ablenkungsursache und zur besseren Anpassungsmög-lichkeit der Anwendung werden die Daten der Bedienmöglichkeiten im Fahrzeugin-nenraum in mehrere Bediengruppen unterteilt. Dabei findet eine weitere Separationin Haupt- und Nebengruppen statt. Diese sind von den Haupt- und Nebenaufgabendes Fahrers zu unterscheiden, welche die Gewichtung der Tätigkeiten bei der Fahr-zeugführung beschreiben. Die Hauptaufgabe beschränkt sich auf die Steuerung desFahrzeugs und alle weiteren Tätigkeiten, welche keinen unmittelbaren Einfluss auf dieFahrzeugführung haben, werden als Nebenaufgaben beschrieben.

    Bei der Bedienung der Hauptgruppen verfolgt der Fahrer meistens ein Bedienziel,welches eine gewünschte Einstellung oder Auswahlmöglichkeit an dieser Bediengruppesein kann. Die Bedienung wird fortgesetzt, bis das Ziel erreicht ist und somit dieBedienphase beendet ist. Eine Bedienphase besteht aus mehreren Zyklen, in denender Fahrer kurzzeitig seine Aufmerksamkeit auf die jeweilige Bediengruppe lenkt umdie Bedienung fortzusetzen. Diese Zyklen werden unterbrochen um der eigentlichenHauptaufgabe, dem Steuern des Automobils, weiterhin nachzugehen und somit dieRessourcen auf diese Aufgabe zurück zu verschieben. Das Einstellen einer Route imNavigationssystem benötigt beispielsweise viele Zyklen, in denen der Fahrer kurzseine visuelle Aufmerksamkeit auf das Display richtet um dann eine entsprechendeEinstellung vorzunehmen. Danach richtet er aber direkt wieder seinen Blick auf denStraßenverkehr. Das Ziel der Bedienphase beschränkt sich auf eine einzelne Bedien-komponente. Der Fahrer wird beispielsweise nicht während der Einstellung einer

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  • 3 Konzept der Fahrerassistenzfunktion

    neuen Route im Navigationssystem eine Änderung der Speicherposition seines fa-vorisierten Radiosenders oder Einstellungen am Telefon vornehmen. Die Dauer derBedienungen und das von ihnen ausgehende Maß an Ablenkung variiert zwischen denverschiedenen Komponenten. Beispielsweise dauern Änderungen an den Einstellungendes Navigationssystems länger als das Wechseln eines Radiosenders und sind ebensoweitaus komplexer, was die dafür benötigten Ressourcen und somit die Ablenkungvom Straßenverkehr erhöht.

    Als Hauptbediengruppen wurden folgende Komponenten definiert:

    • Navigationssystem

    • Radio

    • Klimaanlage

    • Telefon

    Diese Komponenten sind meistens, wie in Abbildung 3.1 verdeutlicht, in der Mittel-konsole des Armaturenbretts untergebracht, was zur Folge hat, dass ein vollständigesAbwenden des Blicks vom Straßenverkehr für die Bedienung an diesen Komponentennotwendig ist. Dies hat ebenfalls zur Folge, dass die Ablenkung, ausgehend von dieserGruppe, größer ist als bei den Routineaufgaben der Nebenbediengruppen.

    Die Verwendung der Nebenbediengruppen gehört zu den Routineaufgaben des Fahrersund dient vornehmlich der verkehrssicheren Führung des Fahrzeugs. Daher wird dieseden Hauptaufgaben des Fahrzeugführers zugeschrieben. Bei der Verwendung dieserGruppe gibt es keine Bedienziele, welche eine längere Dauer als einen Zyklus habenund kann mit der Betätigung eines Schalters, Hebels oder Drehknopf abgeschlossenwerden. Folglich werden weniger Ressourcen für die Betätigung der zu dieser Gruppegehörenden Systeme benötigt, da diese Tätigkeiten regelmäßig von Fahrer ausgeführtwerden. Komponenten, die dieser Gruppe angehören, sind beispielsweise die Bedien-felder für das Licht, Scheibenwischer, Tempomat, Fahrtrichtungsanzeiger oder dieWarnblinkeinrichtung.

    3.1.2 Erstellung von Bedienprofilen

    Das aufgestellte Bedienprofil des Fahrers soll dessen Verhalten bei der Verwendung derim Automobil enthaltenen Infotainment- und Komfortkomponenten widerspiegeln. ImWeiteren wird es dazu verwendet, Abweichungen in dem Bedienverhalten des Fahrerszu erkennen und zu klassifizieren. Für die Aufstellung der Bedienprofile werden allean den Hauptgruppen registrierten Änderungen an Einstellungen oder Betätigungen

    21

  • 3 Konzept der Fahrerassistenzfunktion

    Abbildung 3.1: Hauptbediengruppen in der Mittelkonsole.

    der zugehörigen Bedienfelder hinzugezogen. Die Daten werden für jede Bediengrup-pe separat aufgenommen, weiter verarbeitet und im späteren Verlauf wieder überlagert.

    Die Bedienprofile bestehen aus mehreren Faktoren, welche zunächst aufgenommen, ana-lysiert und abgespeichert werden müssen, damit in einer späteren Betrachtung daraufzurückgegriffen werden kann um einen Zusammenhang zum Fahrerzustand herzustel-len. Die Speicherung der Daten ist dabei auf die aktuelle Fahrt bzw. klassifizierbareFahrsituationen, welche im Kapitel Einschätzung der Fahrsituation beschrieben wer-den, beschränkt. Weiterhin werden immer nur begrenzt viele Werte hinterlegt, umausschließlich die aktuellsten Werte zu verwenden und die letzten Veränderungendes Bedienprofils analysieren zu können. Die Speicherung der aufgenommenen Datengeschieht in einem mehrdimensionalen Ringspeicher. Ein Ringspeicher ist eine Da-tenstruktur, in der kontinuierlich Daten abgelegt werden, bis das Speicherlimit derStruktur erreicht ist. Sobald der Ringspeicher vollständig befüllt ist, werden die Daten,angefangen beim ältesten Wert, überschrieben. Die Verwendung mehrerer Dimensio-nen ist vorteilhaft, da in jedem Iterationsschritt alle logisch zusammenhängendenDaten abrufbar sind. Somit sind alle einer Bedienphase zugehörigen Daten in dieserSpeicherstruktur abgelegt und lassen sich zusammen abrufen. Die Funktionsweise desmehrdimensionalen Ringspeichers ist in Abbildung 3.2 dargestellt. Für die Verwaltungder Daten im Speicher wird ein Zeiger auf die als Nächstes zu beschreibende Spei-

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  • 3 Konzept der Fahrerassistenzfunktion

    Abbildung 3.2: Struktur des mehrdimensionalen Ringspeichers.

    cherstelle verwendet. Dieser Zeiger wird nach jedem Speichervorgang inkrementiert.Weiterhin muss die Größe des Ringspeichers bekannt sein, sodass der Speicherzeigerbeim Erreichen und Beschreiben des letzten Elements wieder an den Anfang desRingspeichers gesetzt werden kann.

    Als wichtigster Faktor, für die in dieser Arbeit erstellten Bedienprofile wird diean der Bediengruppe aufgenommene Intensität der Bedienungen ermittelt. Diese wirdin Form der Bedienfrequenz berechnet. Die Bedienfrequenz beschreibt die Anzahl derÄnderungen an den Signalen der Bediengruppe SBedienungn pro Zeiteinheit und wirdüber die Dauer einer kompletten Bedienphase tBedienphase aufgenommen um einendurchschnittlichen Wert für diesen Zeitraum zu erhalten. Dazu wird die Anzahl derVariationen an der Bedienkomponente beschrieben durch

    ABedienung =N∑

    n=1SBedienungn . (3.1)

    Mit Hilfe dieser Daten kann die durchschnittliche Bedienfrequenz fBedienung wie folgtberechnet werden.

    fBedienung =ABedienungtBedienphase

    (3.2)

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  • 3 Konzept der Fahrerassistenzfunktion

    Die Bedienphase wird beendet, wenn über einen eingeschränkten Zeitraum keineweiteren Änderungen an der jeweiligen Bediengruppe vorgenommen wurden. DieDauer dieses Zeitraums, im weiteren maximale Inaktivitätszeit genannt, wird dyna-misch an das bisher aufgenommene Bedienprofil angepasst, insofern Daten vorherigerBedienphasen im Ringspeicher zur Verfügung stehen. Sollte dies nicht der Fall sein,wird ein Schwellwert eingesetzt. Zum Anpassen der maximalen Inaktivitätszeit wirdals weiterer Faktor für das Bedienprofil die Bedienzeit aufgenommen. Diese Zeitbeschreibt die komplette Dauer einer Bedienphase und wird wie die Bedienfrequenz

    Abbildung 3.3: Funktionsweise eines Ringspeichers.

    in dem Ringspeicher abgelegt, sobald das Ende einer Bedienphase detektiert ist.

    Ein weiterer Faktor, welcher sowohl in das Bedienprofil als auch in die Berech-nung der Leerlaufzeit einfließt, ist der längste Zeitraum ohne eine Änderung an denEinstellungen der Gruppe während einer laufenden Bedienphase. Dieser Faktor wirdim folgenden als Leerlaufzeit bezeichnet, welcher von der maximalen Inaktivitätszeit,die lediglich als Schwellwert für das Beenden der Bedienphase eingesetzt wird, zuunterscheiden ist. Da nach der Inaktivitätszeit die Bedienphase als beendet angesehenwird, ist diese automatisch die längste Zeit ohne eine Bedienung. Sie wird aber nichtfür die Bestimmung der Leerlaufzeit berücksichtigt. Die maximale Inaktivitätszeitkann aus dem Mittelwert der abgespeicherten Bedienzeiten und der Leerlaufzeit wiefolgt berechnet werden:

    tInaktivität = tLeerlauf +tmean

    4 . (3.3)

    3.1.3 Analyse der Daten

    Um auf Basis der während einer Bedienung aufgenommen Daten einen Zusammenhangzu einem Fahrerzustand zu erschließen, werden diese entsprechend untersucht undaufbereitet werden.

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  • 3 Konzept der Fahrerassistenzfunktion

    Zur Erkennung von Unregelmäßigkeiten im Verhalten des Fahrzeugführers werdendie Mittelwerte der sich im Ringspeicher befindlichen Daten berechnet. Dazu wirdder durchschnitt aller beschriebenen Speicherzellen des Ringspeichers gebildet. UmAbweichungen zu erkennen, wir der so erhaltene Durchschnittswert mit den aktuellenWert verglichen werden. Dieses Verfahren wird ebenso für den Minimal- und Maxi-malwert durchgeführt. Die Werte werden dann im Weiteren für eine Berechnung vonSchwellwerten verwendet.

    3.2 Bestimmung der Fahrsituation

    Da die meisten der zur Validierung der Fahrerzustände verwendeten fahrdynamischenMaße, welche in den folgenden Kapiteln beschrieben werden, abhängig von der Artder aktuellen Fahrsituation sind, muss vorab eine Unterscheidung dieser Situationengetroffen werden. Die Fahrsituation wird in dieser Arbeit durch die Komplexität derStrecke und die Verkehrssituation definiert. Es wird eine Unterteilung folgende dreiFahrsituationen vorgenommen:

    Stadtfahrt ist die komplexeste Fahrsituation, bei welcher häufiges Abbiegen, Be-schleunigen, Bremsen und Spurwechsel vorgenommen werden. Eine Validierungder Ablenkung durch die Betrachtung der Bedienkomponenten und der fahrdyna-mischen Maße kann bei dieser Fahrsituation nicht vorgenommen werden, da diehohe Variation der Fahrtstrecke bei vielen Faktoren als eine erhöhte Ablenkunggedeutet werden würde.

    Landstraßenfahrt ist eine weitaus weniger komplexe Fahrsituation im Vergleich zurStadtfahrt. Die Validierung der bedienungsbasierten Ablenkung findet bei dieserFahrsituation statt, da sich ein korrektes Verhalten des Fahrers für diese Situationantizipieren lässt und somit ein Abgleich der fahrdynamischen Maße mit dieserVorhersage vorgenommen werden kann.

    Autobahnfahrt ähnelt stark der Landstraßenfahrt. Im Normalfall wird auch hiereine Vorhersage eines korrekten Verhaltens vorgenommen werden und somitder Fahrerzustand anhand der Bedienprofile und der fahrdynamischen Maßeerkannt werden.

    Die bewertbaren Situationen Autobahn- und Landstraßenfahrt werden im folgendenals monotone Fahrsituationen zusammengefasst.

    Bei der Unterscheidung der Fahrsituationen sind die ausschlaggebendsten Fakto-ren das Lenkverhalten und die Geschwindigkeit, da sich diese bei der Stadtfahrtsehr stark von der Landstraßen- und Autobahnfahrt unterscheiden. Für die Faktoren

    25

  • 3 Konzept der Fahrerassistenzfunktion

    werden in dieser Arbeit einfache Regeln, welche sich mit einer gewissen Toleranz andenen der StVo1 orientieren, definiert. Eine monotone Fahrsituation liegt somit vor,wenn die durchschnittliche Geschwindigkeit über 70 Kilometer pro Stunde liegt undder Mittelwert der Lenkradwinkeländerungen niedriger als 20 Grad ist. Die Durch-schnittswerte werden dabei jede Minute erneut berechnet, um laufend die aktuelleFahrsituation zu bestimmen.

    3.3 Rückschluss auf Fahrerzustände

    Aus den zuvor aufgenommenen und analysierten Bedienprofile wird nun ein Zusam-menhang zu dem momentanen Zustand des Fahrers geschlossen. Dabei werden dieeinzelnen Fahrerzustände und die Mechanismen zur Erkennung eines Eintreten dieserZustände vorgestellt.

    3.3.1 Gerichtete Aufmerksamkeit

    Die gerichtete Aufmerksamkeit ist der wichtigste, in dieser Arbeit betrachtete Fahrer-zustand. Die Relevanz der Aufmerksamkeit für die Verkehrssicherheit wird deutlich,wenn man betrachtet, welche verheerenden Folgen bereits sehr kurze Zeiträume derAblenkung vom Straßenverkehr haben. Betrachtet wird dazu beispielsweise ein Fahrerder mit 140 Kilometer pro Stunde auf der Autobahn fährt. Sollte der Fahrer für denrealistischen Zeitraum von vier Sekunden seinen Blick vom Straßenverkehr abwendenum eine Einstellung an der Klimaanlage vorzunehmen, dann hat das Fahrzeug bereitseinen Weg von 150 Meter zurückgelegt, auf denen der Fahrer keine Informationenüber seine Umwelt aufnimmt.

    Das Abwenden der Aufmerksamkeit durch den Fahrer geschieht in Phasen, in denener das Gefühl hat genug Informationen über den Verkehrsfluss zu haben und keineGefahr für den Zeitraum der Abwendung voraussieht. Er nimmt die Situation somitals sicher wahr. Das dadurch hervorgerufene Abwenden vom Straßenverkehr zieht zweiArten von Gefahren mit sich.

    1. Der Fahrer wendet seine Aufmerksamkeit länger, als bei der zuvor getätigtenGefahrenabschätzung eingeplant, vom Straßenverkehr ab. Dies kann durch einelange Reaktion- oder Ladezeit einer Ausgabe durch das Bedienelement oderdurch die Bedienung einer komplexer als angenommenen Einstellungsmöglichkeithervorgerufen werden.

    1Abkürzung für Straßen Verkehrsordnung.

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  • 3 Konzept der Fahrerassistenzfunktion

    2. Während der Dauer der Ablenkung tritt ein unvorhergesehenes Ereignis ein, aufwelches direkt durch den Fahrer reagiert werden muss, wie z.B. das Einschereneines vorausfahrenden Fahrzeugs auf die Autobahnspur, ein Fußgänger betrittdie Fahrbahn oder auch unbewusste Handlungen des Fahrers, wie das Verlassender Fahrspur durch mangelndes Spurhalteverhalten.

    Die Erkennung einer Ablenkung der Aufmerksamkeit durch die Bedienung einer Ne-benaufgabe erfolgt durch die Analyse der Intensität und der Dauer der Bedienung.Diese Erkennung geschieht wenn eine laufende Bedienphase detektiert wird. Da zuvorsämtliche Daten separat für jede Bediengruppe aufgenommen wurden, wird die Bedi-endauer der einzelnen Komponenten überlagert um eine komplette Bedienphase zuerhalten. Da die Bedienfrequenz alleine keine qualitative Aussage über den Zustanddes Fahrers zulässt, wird überprüft, ob während dieser Bedienzeit durch Ablenkungvom Straßenverkehr verursachtes Fehlverhalten auftritt.

    Das Auftreten von Fehlverhalten, wie der ungenauen Spurführung, greift Geiger [5]auf. Es wird ein Fahrtsimulator verwendet, in dem Probanden während der Ausübungder Hauptaufgaben, d.h. dem Steuern eines Fahrzeugs, weitere Nebenaufgaben wie die

    Abbildung 3.4: Zeitlicher Verlauf der X-Position aus dem Fahrversuch von Geiger[5].

    Bedienung von Tastern oder Drehschaltern durchgeführt hatten. Die Steuerung desFahrzeugs wird durch eine Regelung einer Soll-Marke über eine Ist-Marke simuliert.Aus den Ergebnissen des Versuchs, welche in Abbildung 3.4 dokumentiert sind, lässtsich feststellen, dass während der Bedienung dieser Nebenaufgabe die Regelung desFahrzeugs vernachlässigt wird. Es ist ebenso zu erkennen, dass bereits Regelfehler auf-treten, während die Nebenaufgabe vorgelesen wird. Dieser Zeitraum ist in Abbildung3.4 zwischen der Anweisung und dem Ausführungsbeginn gekennzeichnet und lässtsich als kognitive Ablenkung erklären.

    27

  • 3 Konzept der Fahrerassistenzfunktion

    Die in dieser Arbeit betrachteten Fälle eines, durch Ablenkung vom Straßenverkehrverursachten Verhalten, sind:

    • Spurhalteverhalten

    • Durchschnittliche Geschwindigkeit

    • Standardabweichung der Gaspedalstellung

    • Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug

    • Lenkverhalten

    Ein Auftreten eines dieser Unregelmäßigkeiten und dessen Ausmaß werden dann inden Zusammenhang mit den erstellten Bedienprofilen gebracht um eine Aussage überden Fahrerzustand zu treffen. Die dazu betrachteten Faktoren und deren Berechnungwerden im Folgenden erläutert.

    Spurhalteverfahren

    Das Spurhalteverhalten beschreibt die Querregelung des Fahrers zum Halten derFahrspur. Zum Analysieren dieses Verhaltens wird die Zeit bis zum Überfahren derFahrbahnmarkierung durch das jeweilige Vorderrad (Time to Linecrossing - TLC)berechnet. Dieser Wert errechnet sich aus dem Abstand zur Fahrbahnmarkierung(Distance to Linecrossing - DLC), der Geschwindigkeit des Fahrzeugs, der Gierge-schwindigkeit, der Krümmung der Straße und der Winkeldifferenz zwischen dem Kursdes Fahrzeugs und der Fahrbahnrichtung. Die Verwendung von Time to Linecrossingim Gegenteil zur Distance to Linecrossing hat den Vorteil, dass dieser Wert relativzur Geschwindigkeit immer die gleiche Aussagekraft besitzt, wobei beim Distance toLinecrossing dies sehr unterschiedlich ist. Von den so erhaltenen TLC Werten werdenweiterhin nur die Minima betrachtet, da diese Werte einen geringen Abstand zurFahrbahnmarkierung beschreiben und somit als besonders kritisch gelten. Bei derweiteren Betrachtung werden alle Minimumwerte die größer als 20 Sekunden sindentfernt, da diese keinesfalls als kritisch angesehen werden können [6].

    Um mit Hilfe der berechneten Minima eine Aussage über die Aufmerksamkeit desFahrers zu treffen, wird zunächst der Schwellwert von 1,5 Sekunden als besonders kriti-scher Wert gesetzt. Alle während einer Bedienphase auftretenden Minima ntlc

  • 3 Konzept der Fahrerassistenzfunktion

    Der daraus berechnete Wert beschreibt den prozentualen Anteil der kritischen TLCMinima bezogen auf die komplette Bedienphase und ermöglicht somit eine qualitativeAussage über die Beeinflussung des Spurhalteverhaltens durch die Bedienung einerNebenaufgabe.

    Zur Betrachtung des Spurhalteverhaltens wird ein weiterer Faktor hinzugezogen,da der Anteil der kritischen Minima nur eine Aussage über das beinahe Verlassender Spur zulässt. Die Variation der Position in der Spur kann bei einer Ablenkungdes Fahrers stärker variieren, auch ohne häufig in den kritischen Bereich zu gelangen,als bei der vollen Konzentration auf die Führung des Fahrzeugs. Diese Variationwird durch die Standardabweichung der lateralen Position (SDLP) beschrieben. ZurBerechnung der SDLP wird der Mittelwert der lateralen Position davg benötigt, welchersich aus dem Durchschnitt des Abstandes d eines festen Fahrzeugpunkts zu der Fahr-bahnbegrenzung über der Anzahl der aufgenommenen Abstandswerte n berechnenlässt [6].

    davg =

    n∑i=1

    di

    n(3.5)

    Aus diesem Durchschnittswert lässt sich die Standardabweichung der lateralen Positionwie folgt berechnen:

    SDLP =

    √√√√√ n∑i=1(di − davg)2n

    . (3.6)

    Der SDLP alleine ist für die Untersuchung der Ablenkung nicht aussagekräftig genug,wie aus Fahrversuchen von Müller [8] hervor geht. Bei einer Ablenkung durch eineNebenaufgabe verringert der Fahrer die Geschwindigkeit des Fahrzeugs um besserdie Spur halten zu können. Um qualitativ die Variation des Spurhaltens zu analysie-ren muss der Quotient aus der Standardabweichung der lateralen Position und derdurchschnittlichen Geschwindigkeit während der Bedienphase gebildet werden. DieBerechnung der durchschnittlichen Geschwindigkeit wird in Formel 3.8 dargestellt.Ein steigender Quotient beschreibt ein unruhiges Spurhalteverhalten des Fahrers.

    qspur =SDLP

    vavg(3.7)

    Um die Steigung des Quotienten als normierten Wert zur Verfügung zu stellen, wirdder Mittelwert während der Bedienphase mit dem letzten Mittelwert während einernormalen Fahrt verglichen und die prozentuale Steigung bereitgestellt. Während dernormalen Fahrt wird dieser Durchschnitt jeweils für den Zeitraum von einer Minuteberechnet.

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  • 3 Konzept der Fahrerassistenzfunktion

    Durch die Kombination des Spurhaltequotienten qspur mit dem prozentualen Anteil derkritischen TLC Minima nkrit lässt sich nun eine Aussage über das Spurhalteverhaltenwährend einer Bedienphase treffen.

    Bei der Berechnung der beiden beschriebenen Faktoren muss ein Fehlverhalten aufGrund einer Ablenkung von einem beabsichtigten Spurwechsel- oder Abbiegemanöverunterschieden werden. Dazu wird das Signal des Fahrtrichtungsanzeigers überwacht.Bei einem gesetzten Fahrtrichtungsanzeiger wird davon ausgegangen, dass das dabeiauftretende Spurhalteverhalten, welches gegebenenfalls als kritisch gedeutet wer-den könnte, beabsichtigt ist. Ein solches beabsichtigtes Verhalten wird nicht für dieValidierung des Fahrerzustandes herangezogen, sondern verworfen.

    Durchschnittliche Geschwindigkeit

    Die Berechnung der durchschnittlichen Geschwindigkeit wird äquivalent zum Durch-schnittlichen Abstand zur Fahrbahnmarkierung bei der Ermittlung der Standardab-weichung der lateralen Position durchgeführt. Der Durchschnitt wird über der Anzahlder Messwerte während einer Bedienphase nBedienphase ermittelt.

    vavg =

    n∑i=1

    vi

    nBedienphase(3.8)

    Die durchschnittliche Geschwindigkeit wird hier zur Erkennung einer Reduktion derGeschwindigkeit während der Ausführung einer Nebenaufgabe verwendet. Diese Re-duzierung der Geschwindigkeit wird vom Fahrer als Möglichkeit genutzt die, durchdie Zusatzaufgabe ausgehende, erhöhte Beanspruchung zu kompensieren [11]. DiesesVerhalten konnte auch während im Vorfeld durchgeführter Fahrversuche, deren Ergeb-nis in Abbildung 3.5 zu beobachten sind, festgestellt werden. Der rot gekennzeichneteBereich beschreibt die Geschwindigkeit während der Bedienphase, diese wird zu Be-ginn der Phase gesenkt und steigt nach Beendigung der Bedienung wieder stark an.Für den Zeitraum der Bedienphase ist in 3.6 die durchschnittliche Geschwindigkeitabgebildet, bei der das zuvor beschriebene Verhalten zu erkennen ist. Problematischbei der Betrachtung dieses Durchschnittwerts ist die Abhängigkeit von der aktuel-len Verkehrssituation. Daher wird dieser Faktor nur analysiert, wenn eine monotoneFahrsituation, wie z.B. die Fahrt auf einer Autobahn oder auf einer Landstraße vorliegt.

    Um einen normierten Wert für die Kompensation durch das Herabsetzen der Geschwin-digkeit zur Verfügung zu stellen, wird die Differenz zwischen der Ausgangsgeschwin-digkeit und dem geringsten Geschwindigkeitswert während der Bedienphase berechnet

    30

  • 3 Konzept der Fahrerassistenzfunktion

    Abbildung 3.5: Verlauf der Geschwindigkeit während einer Bedienphase.

    Abbildung 3.6: Verlauf der durchschnittlichen Geschwindigkeit während einerBedienphase.

    31

  • 3 Konzept der Fahrerassistenzfunktion

    Abbildung 3.7: Differenz der Durchschnittsgeschwindigkeit.

    und durch die Ausgangsgeschwindigkeit geteilt um die normierte Abweichung zuerhalten. Abbildung 4.1 veranschaulicht die bei dieser Berechnung verwendeten Daten.

    Standardabweichung der Gaspedalstellung

    Bei der Betrachtung der Gaspedalstellung gilt es, wie bei der Standardabweichungder lateralen Position, ein unruhiges Fahrverhalten zu analysieren. Die Standard-abweichung wird dabei, wie bereits zuvor beschrieben, berechnet. Es wird davonausgegangen, dass der Fahrer während einer Bedienphase eine geringere Regelaktivitätzeigt.

    Zur Normierung wird wie bei dem Spurhaltequotienten mit dem letzten Mittelwert,welcher vor der Bedienphase aufgenommen wurde, verglichen und die Steigung, soferndiese ein negatives Vorzeichen besitzt, in Prozent berechnet. Der Unterschied beider Betrachtung der Gaspedalstellung zur durchschnittlichen Geschwindigkeit sinddie dabei relevanten Fahrzeugcharakteristiken, welche bei der Gaspedalstellung nichtmit einfließen. Daher gibt diese Standardabweichung noch genauer die Regelaktivitätdes Fahrers wieder und kann zusammen mit dem berechneten Durchschnittswert derGeschwindigkeit zur Analyse des Fahrerzustandes herangezogen werden [11].

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  • 3 Konzept der Fahrerassistenzfunktion

    Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug

    Das Abstandsverhalten zu einem vorausfahrenden Fahrzeug ist der sicherheitskritischeWert, welcher in dieser Arbeit betrachtet wird, da die späte Erkennung von Fahr-zeugen als eine der Hauptunfallursachen gilt und durch eine früheres Ausführen desentsprechenden Fahrmanövers das Aufkommen der Auffahrunfälle minimiert werdenkönnte.

    Ein aussagekräftiges Maß für das Abstandsverhalten ist die Zeit bis zur Kollisi-on (Time to Collision - TTC), da dieser Wert aus der Geschwindigkeit des eigenenFahrzeugs, die Relativgeschwindigkeit zum vorausfahrenden Fahrzeug und der ver-muteten Reaktionszeit berechnet werden kann. Es wird zunächst ein kritischer Wertdefiniert, bei dessen Unterschreitung ein gefährlich nahes Auffahren aufgenommenwird. Der kritische Wert liegt etwas über den Vorgaben der StVo, die ein zeitlichenMindestabstand von 0,8 bis 1,2 Sekunden bis zum voran fahrenden Fahrzeug verlangtund beträgt hier 1,5 Sekunden. Die Anzahl der Unterschreitungen des kritischenZeitbereichs werden während einer Bedienphase gezählt und durch die gesamte An-zahl der Messwerte während der Bedienphase geteilt, um eine Aussage über dasAbstandsverhalten zu treffen [11].

    Lenkverhalten

    Der neben dem Spurhalteverhalten ausschlaggebendste Faktor für die Betrachtung desdurchAblenkung verursachten Verhaltens ist das Lenkverhalten des Fahrers. Für dieim Folgenden beschriebenen Betrachtungen des Lenkverhaltens wird in jedem Fall derLenkwinkel analysiert. Zum einen wird die Standardabweichung des Lenkradwinkelsund die Steering Reversal Rate2 (SRR) zur weiteren Analyse herangezogen [6].

    Bei der Steering Reversal Rate werden die Extremwerte des Lenkradwinkelsignalsmiteinander verglichen. Dabei werden die aufeinander folgenden Extremwerte ge-zählt, welche zueinander den Mindestabstand ∆αgap besitzen. Die Anzahl dieserÜberschreitung nreversal des Abstands zwischen den Extremwerten wird während einerkompletten Bedienphase gezählt und durch die Dauer der Bedienphase geteilt. DieBerechnung der Steering Reversal Rate und die Bestimmung des Abstandes zwischenden Extremwerten wird beispielhaft in Abbildung 3.8 verdeutlicht.

    SRR = nreversaltBedienung

    (3.9)

    2engl. für Lenradrückstellrate.

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  • 3 Konzept der Fahrerassistenzfunktion

    Abbildung 3.8: Beispielhafte Berechnung der Steering Reversal Rate [6].

    Ein Anstieg der SRR während einer Bedienphase spiegelt ein hohes Vorkommen anstarken Lenkbewegungen wider, welche zur Korrektur der Position in der Spur nach derAblenkung vom Straßenverkehr verwendet werden. Wie bei den zuvor beschriebenenMaßen findet auch hier eine Normierung statt, so dass später anhand einer Skalaentscheidbar ist, was für einen Einfluss die Bedienung auf die Aufmerksamkeit desFahrers nimmt. Um die Steering Reversal Rate zu normieren, wird diese durch dieAnzahl der Extremwerte, welche während der Bedienphase erkannt wurden, geteilt.Dieser Wert wird wiederum, wie bei der Standardabweichung der Lateralen Position,mit einem vor der Bedienphase aufgenommenen Mittelwert vergleichen.

    Eine Problematik bei der Betrachtung des Lenkverhaltens anhand der SRR ist dieBestimmung der passenden Abstandsgröße ∆αgap. In der verwendeten Literatur wer-den Abstandsgrößen im Bereich von weniger als ein Grad und zehn Grad verwendet.Der in dieser Arbeit verwendete Wert von 3,5 Grad wurde auf Basis von Daten einesFahrversuchs bestimmt.

    Zur Verifizierung einer Ablenkung durch die Verwendung einer Infotainment- oderKomfortkomponente, wird zusätzlich die Standardabweichung des Lenkradwinkelsi-gnals (SDLW) verwendet.

    SDLW =

    √√√√√ n∑i=1(αi − αavg)2n

    (3.10)

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  • 3 Konzept der Fahrerassistenzfunktion

    Die Normierung geschieht wie bei den zuvor berechneten Standardabweichungen inForm der prozentualen Steigung im Gegensatz zum letzten Durchschnittswert vor derBedienphase.

    Zusammenführen der Werte

    Zur Validierung einer Beeinträchtigungder Aufmerksamkeit vom Straßenverkehr durchdie Verwendung einer Bedienkomponente werden alle zuvor beschriebenen fahrdy-namische Maße berechnet, gespeichert und zu einem Wert zusammengeführt. DieSpeicherung der Maße erfolgt über die Ringspeicherstruktur, in welcher bereits dieBedienfrequenz, die Bediendauer und die Leerlaufzeit hinterlegt sind. Somit sind indiesem Speicher für jede Bedienphase alle benötigten Informationen abrufbar.

    Die fahrdynamischen Maße werden zur besseren Interpretation zusammen mit derBedienfrequenz auf eine Skala abgebildet, welche einen Wertebereich von 0 bis 100abdeckt. Durch die Verwendung einer Skala für die Aussage über den Fahrerzustandwird eine differenziertere Darstellung der binären Aussage „der Fahrer ist abgelenktoder nicht“ vorgenommen. Dazu findet eine Unterteilung der Skala in vier Bereichestatt, welche jeweils eine Aussage über die Intensität der aktuell verzeichneten Ab-lenkung vom Straßenverkehr treffen. Dabei wird folgende gleichmäßige Zuteilung derIntensitäten zum Skalenwert getroffen :

    • 0 - 25 stellt eine geringe Ablenkung vom Straßenverkehr dar. Dieser Wert wirdbereits erreicht wenn bei einem der fahrdynamischen Maße ein hohes Ergebnisvorliegt.

    • 25 - 50 stellt eine erhöhte Ablenkung vom Straßenverkehr dar. Die Fahrzeugfüh-rung ist zwar ungleichmäßig aber eine verkehrssichere Führung kann weiterhingewährleistet werden.

    • 50 - 75 stellt eine hohe Ablenkung vom Straßenverkehr dar. Die Erhöhung derfahrdynamischen Maße spiegelt bereits eine sehr unsichere Fahrzeugführungwährend der Bedienung wider.

    • 75 - 100 stellt ein sehr hohes Maß an Ablenkung dar. Eine verkehrssichereFührung des Fahrzeugs ist bei Erreichen dieses Wertes stark gefährdet und essollte eine Warnung an den Fahrer ausgegeben werden.

    Bei der Berechnung des Skalenwerts werden alle bereits normierten fahrdynamischenMaße gleich gewichtet. Daher bietet es sich an, den Durchschnitt dieser Maße zu

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  • 3 Konzept der Fahrerassistenzfunktion

    bilden um sie zusammen auf eine Skala abzubilden. Es werden allerdings nur beimgegenwärtigen Fahrzeugtyp vorhandene Maße in die Berechnung dieses Wertes einbe-zogen, um in jedem Fall eine aussagekräftiges und fahrzeugunabhängiges Ergebnis zuerhalten. Das dabei verwendete Verfahren wird näher im Kapitel Unabhängigkeit vonFahrzeugunterschieden erläutert.

    Als aussagekräftigster Bereich für die Bedienfrequenz haben sich die Daten zwi-schen 0 und 1 Hertz herausgestellt. Ein Hertz, was einer Bedienung pro Sekundeentspricht, sowie alle über diesem Schwellwert angesiedelten Messwerte werden beider Normierung der Frequenz als höchst mögliche Werte verwendet, da diese bereitseine sehr hohe Intensität der Bedienung während einer Fahrt widerspiegeln. Der Fre-quenzwert kann somit einfach auf einem prozentualen Wert für die Bedienintensitätabgebildet werden, so dass zusammen mit dem Durchschnitt der fahrdynamischenMaße erneut der Mittelwert gebildet werden kann, um den letztendlichen Skalenwertfür die Ablenkung zu erhalten.

    3.3.2 Müdigkeit

    Bei steigender Fahrzeit findet, wie im Abschnitt Einführung beschrieben, ein An-stieg der Müdigkeit des Fahrers statt, was die Leistung bei aufmerksamkeitsbasiertenAufgaben und bei weiter steigender Müdigkeit bei routinierten Aufgaben senkt. Diesinkende Leistungsfähigkeit wird ermittelt, um einen ansteigenden Müdigkeitsgrad zuerkennen.

    Die Ermittlung einer sinkenden Leistungsfähigkeit bei den aufmerksamkeitsbasiertenund routinierten Aufgaben erfolgt auf Basis der, für die Einschätzung der Aufmerk-samkeit berechneten Daten, wie die Minima der TLC Werte, die durchschnittlicheGeschwindigkeit, die Zeit bis zur Kollision, die Steering Reversal Rate und die Stan-dardabweichung der lateralen Position des Lenkradwinkels und der Gaspedalstellung.Diese fahrdynamischen Maße werden erneut in Zusammenhang mit den zuvor er-stellten Bedienprofilen gebracht. Eine stetige Verschlechterung der fahrdynamischenMaße bei steigender Fahrtzeit kann einem Anstieg der Müdigkeit zugeschrieben werden.

    Ein Vergleich der fahrdynamischen Maße wird ausschließlich vorgenommen, wenndie Basis, auf welcher diese Daten ermittelt werden, gleich ist. Dazu werden all dieMaße verglichen, welche bei einer ähnlichen Bedienfrequenz aufgenommen werden.Diese Vergleichbarkeit wird durch das Gegenüberstellen des aktuellen Frequenzwertesmit dem bisherigen Durchschnittswert erreicht. Dabei gilt für die Bedienfrequenz ein

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  • 3 Konzept der Fahrerassistenzfunktion

    Bereich der Vergleichbarkeit für

    favg ∗ 0.75 < fBedienung < favg ∗ 1.25 (3.11)

    Wenn diese Bedingung erfüllt ist, kann also ein Vergleich der fahrdynamischen Maßevorgenommen werden. Dazu werden beim Beenden einer Bedienphase die aktuellenfahrdynamischen Maße mit den Werten aus dem Ringspeicher verglichen und danndort abgespeichert. Beim Vergleichen der Werte im Ringspeicher wird überprüft,ob ein Anstieg der Werte über einen bestimmten Zeitbereich zu erkennen ist. AlsErgebnis dieser Untersuchung wird der prozentuale Anstieg der fahrdynamischenWerte ausgegeben, anhand denen ebenso eine steigende Müdigkeit abzulesen ist.

    Um eine Aussage über die Müdigkeit zu treffen, werden die bisherige Fahrzeit und dieaktuelle Tageszeit für die berechneten Daten mit aufgenommen, abgespeichert undausgegeben. Nachts ist der menschliche Körper auf das Regenerieren seiner Ressourceneingestellt, was einen Anstieg der Müdigkeit zur Folge hat. Das Heranziehen derFahrtdauer ist wichtig, um eine qualitative Aussage über den Grund eines erhöhtenWertes bei den fahrdynamischen Maßen zu geben. Beispielsweise wird bei einer rela-tiv kurzen Fahrtdauer ein Anstieg dieser Werte nicht durch eine erhöhte Müdigkeitverursacht, sondern andere individuelle Faktoren zur Grundlage haben. Eine Ausgabedieser Daten ist sinnvoll, um im Nachhinein eine noch genauere Aussage über dieHerkunft der Verschlechterung der fahrdynamischen Maße zu treffen.

    3.3.3 Vigilanz

    Die Vigilanz eines Fahrers ist, wie die Müdigkeit, abhängig von der Dauer der Fahrt.Wenn die Fahrtzeit ansteigt, dann sinkt die Leistung bei Vigilanzaufgaben. Das indieser Arbeit betrachtete Leistungsmaß für die Vigilanz ist die Reaktionszeit aufexterne Ereignisse. Nach dem Erkennen eines solchen Ereignisses wird der Zeitraumgemessen, bis mit der entsprechenden Handlung reagiert wird. Jedem Ereignis sindSchwellwerte für die Reaktionszeit zugeordnet, bei deren Überschreitung von einer,durch eine erhöhte Fahrtdauer hervorgerufenen, herabgesetzten Vigilanz ausgegangenwird. Die Schwellwerte werden bei mehrfachem Aufkommen des selben Ereignisses anden Daten der letzten Ereignisse angepasst.

    tthreshold =tmax − tavg

    2 (3.12)

    Als Schwellwert wird die Hälfte der Differenz zwischen dem Mittelwert und demMaximalwert verwendet.

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  • 3 Konzept der Fahrerassistenzfunktion

    Da es in dieser Arbeit vornehmlich um die Analyse der Bedienung durch die Fahrergeht, werden für die Erkennung der Vigilanz Ereignisse gewählt, deren Reaktioneneine Quittierung mittels eines Bedienelements erfordert. Im Rahmen dieser Arbeitwerden drei Ereignisse beispielhaft betrachtet, da das Hauptaugenmerk auf der Auf-merksamkeitserkennung liegt.

    Ereignis ReaktionEintretender Regen wird durch denRegen-Licht-Sensor3 erkannt

    Betätigung der Scheibenwischer

    Eintretende Dunkelheit beim durchfah-ren eines Tunnels oder Anbruch derNacht

    Betätigung der Scheinwerfer

    Eingehender Anruf an der Telefonein-heit erkannt

    Abnehmen des Anrufs

    3Der Regen-Licht-Sensor ist eine auf der Innenseite der Frontscheibe angebrachte Sensoreinheit,welche mit Hilfe eines optoelektronischen Verfahrens die Menge des Regens erkennt.

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  • 4 Prototypische Implementierung

    4 Prototypische Implementierung

    Im folgenden Abschnitt wird auf die Implementierung des zuvor erläuterten Algo-rithmus eingegangen. Es werden die Komponenten des gesamten Systems, derenAufbau und Kooperation erläutert. Weiterhin werden die unterschiedlichen Ein- undAusgabemöglichkeiten beschrieben und wie der Algorithmus in Zusammenhang mitder Rapid Prototyping Plattform zum Einsatz kommt.

    4.1 Eingabe der Daten

    Das in dieser Arbeit betrachtete Matlab/Simulink Modell, welches im folgendenDriver Condition Verification Modell oder abgekürzt DCV Modell genannt wird,unterstützt zwei Schnittstellen für die Eingabe der zur Analyse des Fahrerzustandesbenötigten Daten, welche über das Controller Area Network von den Steuerung desAutomobils gesendet werden. Zum einen werden die Daten in Echtzeit von dem CANBus ausgelesen und verarbeitet und zum anderen werden die Daten Offline1 aus zuvoraufgenommen CAN Mitschnitten in das Modell eingespeist.

    4.1.1 Echtzeitanalyse

    Die bei der Echtzeitanalyse verwendete Schnittstelle des DCV Modells arbeitet direktmit den in Matlab/Simulink üblichen „Inports“, über welche Signale von Außen in dasModell oder Subsystem2 integriert werden können. Die CAN Botschaften werden vondem in Messina eingebundenen CAN Adapter eingelesen und im Messina Signalpoolverwaltet. Die entsprechend vom DCV Modell benötigten Signale der Botschaft werdendann an das Modell übergeben und dort überprüft.

    1Offline bedeute in diesesm Fall, dass die Daten im Nachhinein analysiert werden und nicht „Online“während der Fahrt.

    2Subsysteme bieten in Matlab/Simulink die Möglichkeit, das Modell in weitere Komponenten zuunterteilen um eine bessere Übersicht zu schaffen.

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  • 4 Prototypische Implementierung

    Abbildung 4.1: Aufbau des DataInput Subsystems.

    4.1.2 Offline-Auswertung

    Eine weitere Schnittstelle des DCV Modells erlaubt die Offline-Analyse des Fahrerzu-standes und der Bedienprofile, was den Vorteil mit sich bringt, dass bereits existierendeMitschnitte des Controller Area Network Datenverkehrs, welche beispielsweise mitder Software CANoe3 erstellt werden können, für die Überprüfung von Änderungendes Fahrerzustandes verwendet werden können. Die Schnittstelle ist so entworfen,dass nur Daten eines einheitlichen Formats akzeptiert werden. Weiterhin kann eineOffline-Auswertung der aufgenommenen Signale nur vorgenommen werden, wenn dasModell direkt aus der Entwicklungsumgebung von Matlab gestartet wird, da bei derSchnittstelle Matlab Aufrufe verwendet werden, die im Zusammenhang einer CodeGeneration nicht funktionstüchtig sind.

    Damit die Daten von dem Matlab/Simulink Modell verwendet werden können, müssendiese in sogenannten MAT-Files verfügbar gemacht werden. MAT-Files dienen inMatlab dem Speichern von Datenstrukturen in Form von Matrizen. Dieses Formatwird auch bei dem Export von CAN Mitschnitten mittels CANoe unterstützt. DasModell bereitet diese Daten mit Hilfe der Callback-Preload-Funktion4 für die Verwen-dung in dem Modell vor. Dabei werden aus 5 MAT-Files (4 Files für die jeweiligen

    3CANoe ist ein Software Produkt der Firma Vector Software und ein vielseitiges Werkzeug zumSimulieren, Analysieren und Testen von Steuergeräten oder ganzer Netzwerke.

    4Callback-Funktionen werden von Matlab als Reaktion auf ein bestimmtes Ereignis ausgeführt, indiesem Fall wird die Funktion vor dem Ausführen des Modells durchlaufen.

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  • 4 Prototypische Implementierung

    Bediengruppen und eines für die fahrdynamischen Maße und die Ereignisdaten derVigilanzuntersuchung) die Daten zunächst in den Matlab Workspace eingelesen undvon dort aus mit Hilfe der From Workspace Blocks sekündlich in das Modell eingespeist.Wichtig dabei ist die Angabe der beim Aufzeichnen der Signale verwendeten SampleTime, da diese benötigt wird um die Daten in passender Zeitfolge in das Modelleinzuspielen.

    Die Verwendung der Offline-Untersuchung von mitgeschnittenen CAN Signalen wirdautomatisch eingeleitet, wenn keine Daten an den Inports des DCV Modells anliegenund die benötigten MAT-Files im Projekt-Ordner vorliegen.

    4.1.3 Unabhängigkeit von Fahrzeugunterschieden

    Durch die Menge an Automobilherstellern, unterschiedlicher Fahrzeugmodelle undderen Ausstattungen ist es sehr wichtig, bei der Implementierung eines Fahrerassistenz-systems wie diesem, eine größtmögliche Unabhängigkeit von Fahrzeugeigenschaftenzu bewahren. Gerade bei den Bedienmöglichkeiten im Fahrzeuginnenraum sind dieUnterschiede signifikant und stark abhängig von der gewünschten Ausstattung desjeweiligen Fahrzeugs. Eine weitere Quelle für Abweichungen stellen die sensorischenEinheiten und vorhandenen Fahrerassistenzfunktionen des Fahrzeugs da, denn je nachFahrzeugtyp werden andere Sensoren verbaut und von den vorhandenen FAS verwen-det. Da in dem beschriebenen Algorithmus, welcher im DCV Modell implementiert ist,Signale von unterschiedlichen, nicht in jedem Fahrzeugmodell verbauten, sensorischenEinheiten verwendet werden, muss dies bei Berechnungen bedacht werden. Ein Beispielfür Unterschiede ist das Vorhandensein einer Sensoreinheit zur Abstandsmessung zumFahrbahnrand, über welche die TLC- und DLC-Werte zur Verfügung gestellt werden.

    Bei der Erkennung einer Ablenkung und deren Validierung anhand der fahrdynami-schen Maße findet eine Normierung aller einfließenden Maße statt um eine Aussageüber die Aufmerksamkeit zu treffen. Um bei dieser Berechnung den korrekten Wertzu erhalten, ist im Vorfeld zu ermitteln, welche der Signale für die Berechnungder fahrdynamischen Maße zur Verfügung stehen. Dafür wird in der KomponenteDataAvailability das Vorhandensein der Signale für die fahrdynamischen Maßeüberprüft und der entsprechenden Skalenbereich angepasst. Bei der Überprüfung indem DataAvailability Subsystem wird davon ausgegangen, dass zumindest eins derfahrdynamischen Maße in jedem Fahrzeugtyp zur Verfügung steht. Als trivialstes Si-gnal, welches in diesem Modell verwendet wird, ist die Geschwindigkeit des Fahrzeugsanzusehen, da für die Messung dieses Werts keine komplexe Sensorik benötigt wird und

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  • 4 Prototypische Implementierung

    das Signal in jedem Fahrzeug zumindest für die Anzeige im Armaturenbrett verwendetwird. Wenn dieses Signal einen positiven Wert annimmt, wird davon ausgegangen,dass eine Fahrt eingeleitet ist und somit die anderen Werte der fahrdynamischen Maßevorliegen müssten, solange dafür die entsprechende Sensoreinheit verfügbar ist. Wennkeine Wertänderung detektiert wird, wird das zugehörige fahrdynamische Maß ausder Berechnung und der späteren Interpretation ausgeschlossen. Selbiges gilt auchfür die in Kapitel 4.1.2 beschriebene Offline-Analyse, da auch dort Unterschiede imVorhandensein von Daten auftreten.

    4.2 Datenanalyse

    4.2.1 Modellstruktur

    Die in Abbildung 4.2 dargestellte Struktur des DCV Modells orientiert sich starkan den unterschiedlichen, zu analysierenden Fahrerzuständen. Die Unterteilung des

    Abbildung 4.2: Komponenten des DCV Modells und deren Datenfluss.

    Modells ist durch Subsysteme gekennzeichnet, welche durch Rechtecke dargestelltwerden. Der Datenfluss zwischen den Systemen ist durch die Pfeile gekennzeichnetund entspricht meistens dem Austausch von mehreren Daten in Form eines Datenbus.

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  • 4 Prototypische Implementierung

    Die Eingabe und Zuteilung der vom Modell benötigten Daten, sowie die Entscheidungüber die zu verwendende Datenquelle, geschieht durch das DataInput Subsystem,welches in Eingabe der Daten weiter erläutert wird. Das Ermitteln der Bedienpro-file und das Ablegen im Ringspeicher findet in der VariationProfile Komponentestatt. Dieses Subsystem teilt allen weiteren Einheiten des Modells mit, wenn eineBedienphase gestartet oder beendet ist und leitet somit weitere Untersuchungen wiebeispielsweise die der fahrdynamischen Maße ein. Diese Analyse beginnt durch eineÜberprüfung des Vorhandenseins der benötigten Daten in dem in Unabhängigkeitenvon Fahrzeugunterschieden beschriebenen Subsystem DataAvailability. Eine Ein-schätzung der vorliegenden Fahrtsituation geschieht ebenfalls in dieser Komponente,um gegebenenfalls eine Analyse auf Grund einer nicht bewertbaren Fahrtsituationabbrechen zu können. Die Untersuchung der fahrdynamischen Maße wird währendder Bedienphase in der CiritcalBehaviour Komponente vorgenommen, welche einennormierten Wert für das aktuelle Verhalten sowie für den Durchschnitt aller bis-herigen Werte zur Verfügung stellt. Dieser wird an die FatigueAnalysis und dieAlertnessAnalysis weitergegeben, wo mit Hilfe der Bedienprofile eine Entscheidungüber den jeweiligen Fahrerzustand getroffen wird. Die Erkennung einer vermindertenVigilanz des Fahrers läuft separat ab, da für diesen Algorithmus weder die Daten derBedienprofile noch die fahrdynamischen Maße benötigt werden. In dem Vigilanz-Analysis Subsystem werden die Ereignisse erkannt, Timer gestartet und Reaktionenabgewartet. Bei jedem Ereignis wird eine Aussage über die Vigilanz des Fahrersgetroffen. Die Ausgabe der so erkannten Fahrerzustände zusammen mit den dabeiermittelten Eckdaten geschieht über DataOutput, welches näher in Darstellung derErgebnisse erläutert wird.

    4.2.2 Ablauf des Algorithmus

    Der Analyseprozess der Fahrerzustände Aufmerksamkeit und Müdigkeit ist in Ab-bildung 4.3 durch ein Ablaufdiagramm dargestellt. Die Vigilanzerkennung wird inAbbildung 4.4 dargestellt, da diese keine Abhängigkeit zu den aufgenommenen Bedi-enprofilen besitzt, welche bei den anderen Zuständen der Fall ist. Bei allen Zuständenwird die Untersuchung direkt beim Start des Systems eingeleitet.

    Beim Untersuchen der Aufmerksamkeit und der Müdigkeit des Fahrers wird zunächstgewartet, bis eine Änderung an den Systemen der Bediengruppen erkannt wird unddadurch die Bedienphase gestartet ist. Die Analyse der fahrdynamischen Maße wirdvorgenommen, solange diese Bedienphase aktiv ist. Bei dem Erkennen eines kritischenZustandswertes wird eine Ausgabe durch das DataOutput Subsystem eingeleitet. So-

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  • 4 Prototypische Implementierung

    Abbildung 4.3: Ablauf der Datenanalyse.

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  • 4 Prototypische Implementierung

    Abbildung 4.4: Ablauf der Vigilanzanalyse.

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  • 4 Prototypische Implementierung

    bald keine Änderungen an den Bedienkonzepten erkannt werden, wird die Bedienphaseund somit die Analyse gestoppt. Es wird nun eine Analyse und gegebenenfalls eineAusgabe einer Verschlechterung der dabei berechneten fahrdynamischen Maße durch-geführt. Sollten dabei kritische Maße auftauchen, werden diese an die Ausgabeeinheitübergeben. Eine Speicherung der Daten wird nach jeder vollständigen Iteration, alsonach jeder beendeten Bedienphase, im mehrdimensionalen Ringspeicher vorgenommen.

    Bei der Vigilanzprüfung in VigilanzAnalysis wird zunächst auf das Eintreffeneines der im Rückschluss auf Fahrerzustände definierten Ereignisse gewartet. Sobaldein solches Ereignis vorliegt, wird ein EventTimer gestartet, welcher so lange läuft,bis die jeweilige Reaktion zu dem Ereignis ausgeführt wurde. Die Dauer bis zumEintreffen der Reaktion wird mit einem Schwellwert verglichen um zu entscheiden,ob eine kritischer Zeitwert aufgetreten ist. Sollte dies der Fall sein, wird dies überDataOutput ausgegeben.

    4.3 Ausgabekonzept

    Die Ausgabe des Systems durch die DataOutput Komponente, dessen Strukturin Abbildung 4.5 verdeutlicht wird, variiert nach Art der Untersuchung und somitden zur Verfügung stehenden Ressourcen. Bei der Online-Analyse stehen nur geringeMittel zur Verfügung, da die Ausführung auf der Rapid Prototyping Plattform ge-schieht und somit keine Visualisierungseinheiten vorhanden sind. Eine Schnittstellezum Ausgeben eines erkannten Fahrerzustandes ist zwar im Modell enthalten, einekonkrete Hardwareanbindung für diese Schnittstelle wurde aus zeitlichen Gründenallerdings nicht realisiert. Bei der Offline-Untersuchung stehen alle in Matlab/Simulinküblichen Ausgabeblöcke zur Verfügung. Die unterschiedlichen Ausgabeoptionen undihre Verwendungen werden im Weiteren beschrieben.

    4.3.1 Logging d