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8 85. Jahrgang August 2016, S. 534542 ISSN 0038-9145 A 6449 Sonderdruck Entwurfs- und Ausführungsplanung der Vinckekanalbrücke in Duisburg

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885. JahrgangAugust 2016, S. 534–542 ISSN 0038-9145A 6449

Sonderdruck

Entwurfs- und Ausführungsplanung der Vinckekanalbrücke in Duisburg

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3© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 85 (2016), Heft 8

Fachthemen

DOI: 10.1002/stab.201610405

Der Oberbürgermeister-Lehr-Brückenzug in Duisburg verbindet die Stadtteile Ruhrort und Kaßlerfeld. Er überführt die Ruhrorter Straße über mehrere künstliche Wasserstraßen, eine innerört-liche Erschließungsstraße und die Ruhr. Als eine der wenigen Ruhr querungen besitzt die Verkehrsverbindung eine übergeord-nete Erschließungsfunktion für die Stadt Duisburg, insbesondere für den Wirtschaftsstandort rund um den Duisburger Hafen. Um der zunehmenden Verkehrsbelastung gerecht zu werden, müssen die bestehenden Verkehrsflächen des Brückenzuges ausgebaut werden, für den Straßenbahnverkehr ist ein besonderer Bahn-körper vorgesehen. Da eine Erweiterung und Grundinstandset-zung der vorhandenen Brückenbauwerke aufgrund ihrer Bau-weise und des bau lichen Zustandes auszuschließen ist, sind alle Bauwerke neu zu errichten. Die Gesamtmaßnahme zur Erneue-rung des OB-Lehr-Brückenzuges teilt sich in zwei Bauabschnitte auf, der erste Bauabschnitt ist 2015 abgeschlossen worden, die Planungen für den zweiten haben 2011 begonnen. Der vorlie-gende Aufsatz erläutert die wesentlichen Aspekte der Entwurfs- und Ausführungsplanung für den Neubau der Vinckekanalbrücke im ersten Bauabschnitt.

Preliminary und detailed design for the bridge construction crossing the Vincke-Canal in Duisburg. The ”Oberbürger-meister-Lehr” bridge construction in Duisburg connects the ur-ban districts Ruhrort and Kaßlerfeld. With this bridge, the street Ruhrorter Straße crosses over several artificial waterways, a lo-cal access road and the river Ruhr. As one of the few Ruhr cross-ings, the connection holds a primary function for the city traffic of Duisburg, particularly for the industrial location around the harbor. In order to satisfy the increasing traffic load, the existing traffic ar-eas of the bridge construction need to be expanded. The tram traf-fic will be separated with a dedicated track bed. Because of its structure and its state of repair, expansion and renewal of the ex-isting bridge construction is not an option. Therefore all bridges will be rebuilt. The overall project of the renewal of the Ober-bürgermeister-Lehr bridge construction is divided into two con-struction phases. The first construction phase was finalized in 2015. The second phase started with the planning in 2011. The report at hand illustrates the most significant aspects of the preliminary and detailed design of the new construction for the Vincke-Canal bridge in the first construction phase.

1 Einleitung

Der Oberbürgermeister-Lehr-Brückenzug (OB-Lehr-Brü-ckenzug) in Duisburg verbindet die Duisburger Stadtteile

Ruhrort und Kaßlerfeld. Er führt die Ruhrorter Straße über mehrere künstliche Wasserstraßen zur Hafenanbindung, eine innerörtliche Erschließungsstraße und die Ruhr. Als eine der vier Ruhrquerungen in Duisburg besitzt der Brü-ckenzug eine außergewöhnliche Bedeutung sowohl für den innerstädtischen Individual- und Öffentlichen Perso-nennahverkehr als auch für den Wirtschaftsstandort rund um den Duisburg-Hafen, verbindet er doch das Hafen-gebiet mit der BAB A40 und weiteren überregionalen Ver-kehrswegen (Bild 1).

Der OB-Lehr-Brückenzug gehört mit einer Verkehrs-belastung von ca. 27 000 Kraftfahrzeugen pro Tag, (davon ca. 3 700 Lkw) und der im 7,5-Minuten-Takt verkehrenden Straßenbahnlinie 901 zu den am stärksten befahrenen in-nerstädtischen Straßen Duisburgs. Auf dem bestehenden Brückenzug sind je Fahrtrichtung zwei Fahrstreifen vor-handen, der jeweils linke wird von der Straßenbahn mitbe-nutzt. Da sowohl der Querschnitt als auch der bauliche Zustand der vorhandenen Querungsbauwerke nicht in der Lage sind, die zunehmende Verkehrsbelastung aufnehmen zu können, ist der Neubau des Brückenzuges erforderlich. Im Zuge der Neuplanung ist auch die Schaffung eines be-sonderen Bahnkörpers für den ÖPNV zur Beschleunigung der Straßenbahnlinie 901 vorgesehen.

Die Umsetzung der Maßnahme wurde in zwei Bau-abschnitte aufgeteilt (Bild 2):Bauabschnitt 1: – Neubau der Vinckekanalbrücke – Neubau der Vinckewegbrücke – Neubau der Verkehrsflächen vom Tausendfensterhaus

bis zur Kaiserhafenbrücke – bauliche Umsetzung von 2011 bis 2015

Bauabschnitt 2: – Rückbau der Brücke über den verfüllten Kaiserhafen,

Ersatz der Brücke durch einen Straßendamm – Neubau der Hafenkanalbrücke – Neubau der Ruhrbrücke – Neubau eines Leitungsdükers unter dem Hafenkanal – Neubau der Verkehrsflächen vom Bauabschnitt 1 bis

zum Knotenpunkt Kaßlerfelder Kreisel

Gegenstand dieses Aufsatzes sind die besonderen As- pekte der Entwurfs- und Ausführungsplanung für den Neubau der Brücke über den Vinckekanal im Bauab- schnitt 1.

Entwurfs- und Ausführungsplanung der Vinckekanalbrücke in Duisburg

Johannes HerbortRalf Schubart

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Bild 2.  Gesamtübersicht Bauabschnitte 1 und 2 Fig. 2.  Overview on the construction phases 1 and 2

Bild 1.  Lage und verkehrstechnische Bedeutung des OB-Lehr-BrückenzugesFig. 1.  Location of the “OB-Lehr” bridge construction and its significance for the traffic system

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Sanden unterlagert, im Liegenden stehen ab ca. +8 m NN tertiäre Feinsande bzw. Tone an. Die Bauwerkslasten konnten überwiegend in den gut tragfähigen Terrassen-Kiesen und Sanden abgesetzt werden. Besonders zu be-rücksichtigen war, dass insbesondere die Auffüllungen zum Teil mit großen Steinen und anderen Hindernissen (Fundamentreste, alte Entwässerungsbauwerke etc.) durchsetzt waren. Die Konzeption der Verbauten und Tief-gründungselemente war darauf abzustimmen.

2.4 Wasserstände

Der Vinckekanal ist direkt mit dem Rhein verbunden und unterliegt daher den gleichen Wasserstandsschwankungen. Der Unterschied zwischen mittlerem Hochwasser und mittlerem Niedrigwasser beträgt ca. 6,80 m. Neben diesem großen Höhenunterschied stellt aber insbesondere die Ge-schwindigkeit der Wasserstandsveränderungen eine beson-dere Herausforderung für die Planung und Ausführung dar. Es musste davon ausgegangen werden, dass die Was-serstände innerhalb weniger Stunden um mehrere Meter steigen bzw. fallen können. Sämtliche Vorgänge im Was- serbereich waren so zu planen, dass die dem Wasser aus- gesetzten Arbeitsbereiche kurzfristig geräumt werden kön-nen.

3 Entwurfs- und Ausschreibungsplanung3.1 Hauptabmessungen des Brückenquerschnitts

Aufgrund des Erfordernisses, für die Stadtbahn einen ei-genständiger Gleiskörper vorzuhalten, pro Fahrtrichtung zwei Fahrspuren und jeweils separate Rad- und Gehwege zu erstellen, ergab sich unter der Berücksichtigung von drei Haupttragwerken eine lichte Breite der Brücke zwischen den Geländern von 32,20 m (Bild 5). Die zu realisie- rende Brückenbreite von insgesamt 33,0 m war ins-besondere aufgrund der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Montagefläche damit maßgebend für die Mon-tageplanung. Die Stützweite von 80 m resultiert aus dem Erfordernis, den Vinckekanal ohne Zwischenunterstüt-zung zu queren und dabei vor den aufgehenden Wider-lagerwänden oberhalb der Kanalböschungen ausreichend Verkehrsraum für querende Betriebs- und Radwege zur Verfügung stellen zu können (Bild 6).

3.2 Statisches System und seine Gestaltung

Aufgabe einer separaten Variantenstudie zu Beginn der Bearbeitung war die Erarbeitung einer statischen und ge-

2 Planungsrandbedingungen2.1 Lage, Verkehrssituation und Baustellenandienung

Aufgrund der Bedeutung der Ruhrorter Straße für die in-nerstädtische Erschließung war eine länger andauernde Vollsperrung der Brücke über den Vinckekanal nicht rea-lisierbar. Ein Neubau in Seitenlage kam wegen der direkt angrenzenden Bestandsbebauung nicht in Frage – die neue Brücke war in der bestehenden Achse zu errichten.

Um während der Bauphase sämtliche Verkehre und Leitungsquerungen aufrechterhalten zu können, war der Bau einer Behelfsbrücke in unmittelbarer östlicher Seiten-lage erforderlich. Verbunden mit der quasi Insellage der Baustelle wurde die Baustellenandienung dadurch zusätz-lich erheblich erschwert. Transporte konnten nur von Süden über den ohnehin schon hochbelasteten OB-Lehr-Brückenzug erfolgen, eine Erschließung der Baustelle von Norden, Westen und Osten oder über den Wasserweg war weitestgehend ausgeschlossen (Bild 3).

2.2 Bestand

Der Überbau der Vinckekanalbrücke ist 1958/59 als Deck-brücke über drei Felder errichtet worden. Er besteht aus zwei Hohlkastenträgern mit außen biegesteif angeschlos-senen Kragarmen zur Aufnahme der Gehwege. Die innen-liegende Fahrbahnkonstruktion liegt dagegen ungewöhn-licherweise gelenkig auf Konsolen auf, die seitlich an den Hohlkastenträger angeschlossen sind. Diese besondere Bauweise des Überbaus machte es für den Rückbau erfor-derlich, eine separate Kippsicherung für die Hauptträger einzubauen, bevor die Fahrbahn zurückgebaut werden konnte.

Wesentlich entscheidender für die Konzeption der Neubaumaßnahme war jedoch die Tatsache, dass die abzu-brechende Brücke auf Unterbauten aufgelagert war, die noch von der ersten Brückenquerung – einer im Jahre 1923 errichteten Klappbrücke - stammten. Um Verbauten und Gründungselemente einbauen zu können, waren diese Bauteile, über die größtenteils keine belastbaren Bestands-unterlagen mehr vorlagen, zum Teil bis zu 9 m zu durch-bohren (Bild 4).

2.3 Baugrund

Der Baugrund im Baustellenbereich ist geprägt von meh-reren Metern dicken Auffüllungen, die tonige bis feinsan-dige quartäre Schluffe überlagern. Diese bindigen Deck-schichten werden von quartären Terrassen-Kiesen und

Bild 3.  Übersicht Baustellenanbindung von SüdenFig. 3.  Overview on the access of the southern construction site

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mit einem Abstand von ca. 22 m auch optisch nicht über-zeugten, beschränkte sich die Auswahl auf die Varianten 1 und 2 (Bild 7). In Abstimmung mit der Stadt Duisburg und den Beteiligten vor Ort wurde entschieden, die Variante 1 (drei parallele Stabbögen) der Entwurfsplanung zugrunde zu legen.

3.3 Montagefläche

Bestimmende Aufgabe der Bauablaufplanung war es, zwi-schen Bebauung und Behelfsumfahrung eine anlieferbare Montagefläche für einen 33 m breiten und 80 m langen Überbau zu finden. Die einzig zur Verfügung stehende Fläche, die den Ansprüchen genügte, lag südlich des Vin-ckekanals direkt hinter dem alten Widerlager, unmittelbar vor der bestehenden Bebauung. Wie Bild 8 zu entnehmen ist, konnte die Montage dort nur in mehreren Abschnitten realisiert werden. Der süd-östliche Kragarm konnte zum Beispiel erst nach einem Zwischen-Längsverschub in Richtung Kanal erfolgen, da die auskragenden Gehweg-teile ansonsten in den Lichtraum der Umfahrung ragen würden.

stalterischen Vorzugslösung. Aufgrund der erforderlichen Stützweite von 80,0 m und der zur Verfügung stehenden Querträgerhöhe von maximal 1,48 m konnten Deckbrü-cken bei der Variantenuntersuchung ausgeschlossen wer-den. Auch seilabgespannte Lösungen und Pylonbrücken wurden aufgrund der örtlichen Randbedingungen nicht untersucht, da eine optisch zufriedenstellende Einbindung in das Stadtbild nicht möglich erschien.

Gegenstand der Variantenbetrachtung waren somit Brückenkonzepte mit obenliegenden Tragwerken, Stab-bögen, Fachwerke und entsprechende Kombinationen. Im Detail untersucht wurden folgende Lösungen: – Variante 1: Brücke mit drei parallelen Stabbögen – Variante 2: Brücke mit zwei Stabbögen und einem Mit-

teltragwerk als Vierendeelträger – Variante 3: Brücke mit nur zwei außenliegenden Stab-

bögen

Die statische Voruntersuchung ergab, dass grundsätzlich alle drei Varianten umsetzbar sind, Lösungen mit nur zwei außenliegenden Tragwerken aber große Verformungen im Bereich der Schienenachse aufwiesen. Da zwei Tragwerke

Bild 4.  a) Neuplanung über Bestand;  b) Bestand Widerlager KlappbrückeFig. 4.  a) New design in connection with existing construction; b) Existing abutments of the bascule bridge

a)

b)

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Bild 5.  BrückenquerschnittFig. 5.  Cross section of the bridge

Bild 6.  Längsschnitt BrückeFig. 6.  Longitudinal section of the bridge

Bild 7.  a) Visualisierung Variante 1; b) Visualisierung Variante 2Fig. 7.  a) Visualization of variant 1; b) Visualization of variant 2

a) b)

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sich, anders als beim neuen Überbau, die vorhandene Verkehrsfläche.

Die Ausschreibung sah eine Systembrücke vor. Die Brückenteile sollten durch den AN geliefert, montiert, für die Dauer der Baumaßnahme vorgehalten, nach Abschluss der Bauarbeiten wieder demontiert und abtransportiert werden.

Das beauftragte Angebot der bauausführenden Ar-beitsgemeinschaft ging für die Behelfsbrücke über den Vin-ckekanal von einem kompletten Neubau aus.

Die Behelfsbrücke wurde als modulare geschweißte Fertigteilbrücke mit geschraubten Stößen konzipiert. Sie bestand aus insgesamt sieben symmetrischen Segmenten mit Längen von 12,00 m bis 14,70 m. Damit kann diese Brücke später auch bei kleineren Spannweiten im Raster von 12,00 m (also 78 m, 66 m, 54 m, 42 m) eingesetzt wer-den. Sowohl die je sieben Fachwerksegmente der Haupt-träger als auch die Querträger mit den Hauptträgern sind durch gleitfeste Schraubverbindungen mit Schrauben M36

Kurios am Rande: Da die Montagefläche direkt vor der Wohnbebauung im Brandfall das Anleitern zur Ret- tung von Personen nicht zuließ, war der Aufbau eines tem-porären Gerüstes an die Hausfassade erforderlich, um während der Bauzeit einen zweiten Rettungsweg gewähr-leisten zu können.

4 Besondere Anforderungen und deren Lösungen in der Ausführungsplanung

4.1 Behelfsbrücke

Während der Bauzeit waren der Straßenverkehr, die bei-den Straßenbahngleise, der Geh- und Radwegverkehr und sämtliche Versorgungsleitungen durch eine Behelfsbrücke (Bild 9) mit einer Spannweite von 90 m östlich der endgül-tigen Trasse zu überführen, um den Neubau der Brücke in der Bestandslage zu ermöglichen. Die Straßenbahngleise waren als so genanntes „überfahrenes Gleisbett“ zu über-führen, das heißt Straßenverkehr und Straßenbahn teilen

Bild 8.  Übersicht MontageflächeFig. 8.  Overview of the assembly area

+39.944

+33.744

Regelquerschnitt 1:20

310

8732

900

2,5 %2,5 % 2,0 %

B A

Verband

1335

2,0 %

345

����

720

690

6200

5200

110

Bild 9.  Querschnitt BehelfsbrückeFig. 9.  Cross section of the temporary bridge

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10.9 verbunden. Die Segmentgrößen wurden so festgelegt, dass ein Transport über die Straße möglich ist.

Die Obergurte bestehen aus geschweißten Hohlkäs- ten und wurden durch Kopfplattenstöße verbunden. Her-ausfordernd war dabei die Gewährleistung der Eben-flächigkeit der Kopfplatten, da diese mit dicken Stumpf-nähten an die Obergurtkästen angeschlossen waren und sich ein großer Schweißverzug einstellte. Künftig sollten diese Anschlüsse als Kontaktstöße mit kleinen Nahtvolu-mina ausgeführt werden. Die Diagonalen wurden aus offe-nen Profilen gefertigt, die durch Laschenstöße an die Kno-tenbleche angeschlossen wurden. Auch die Hauptträger-Untergurte bestehen aus offenen Doppel-T-Profilen, die durch Laschenstöße untereinander verbunden sind. Da-durch ergeben sich einfache Anschlussmöglichkeiten für die Gehwegkonsolen und die Querträger.

Die Fahrbahntafel wurde als orthotrope Platte aus Deckblech, Längs- und Querrippen sowie Längsträgern unter den Schienen gefertigt und modulweise auf die Quer- träger geschraubt. Die Verschraubung erfolgt dabei über Zugangslöcher vom Deck aus. Das erleichtert die Montage von oben erheblich und erlaubt einen Einschub des Trag-werks ohne Fahrbahndeck. Das Deckblech erhielt einen 10 mm dicken reaktionsharzgebundene (RHD) Belag. Die Brücke wurde statisch bestimmt auf Elastomerlagern gela-gert. Die Fahrbahnübergänge wurden mit Schleppblechen ausgeführt (Bild 10).

Die Behelfsbrücke wurde segmentweise angeliefert, in Seitenlage vormontiert und dann ohne Fahrbahndeck ein-geschoben. Der Einschub erfolgte mit Schwerlastrollern sowie einem Ponton im Vinckekanal (Bild 11). Die sehr steife Fachwerkkonstruktion erlaubt sehr große Kragarme beim Einschub. Die hohen lokalen Querdrucklasten wur-den bei der Bemessung der Stege der Hauptträger beson-ders berücksichtigt.

4.2 Längseinschub Bogentragwerk

Zunächst erfolgte die Vormontage des Überbaus auf dem südlich des Vinckekanals gelegenen Vormontageplatz. Die Hänger wurden für den Verschub durch angeklemmte Walzprofile gegen Knicken ausgesteift. Der Verschub er-folgte in überhöhter Lage aufgrund des Platzbedarfs der Wippen. Der Antrieb erfolgt über Litzenzieher, die am Brü-ckenende befestigt wurden und am Widerlager Süd veran-kert waren. Das Verschubgewicht des Überbaus betrug ca. 1 210 t.

Der Längseinschub des Überbaus erfolgte zunächst mit Schwerlastrollern (self-propelled modular transporter – SPMT) am hinteren Brückenende und drei fest installier-ten Verschubwippen unter den Hauptträgern in der Wider-lagerachse des südlichen Widerlagers. Die Verschubwip-pen hatten eine Länge von 1,90 m. Der Überbau wurde bis zu einer Auskragung von ca. 0,4 × L = 32 m geschoben, damit der bereitstehende Ponton im Vinckekanal mit sei-nen ca. 12 m hohen Aufbauten die Last übernehmen konnte. Die Lastübernahme erfolgte durch Auspumpen der zuvor gefüllten Ballasttanks des Pontons. Während des weiteren Verschubes wurden die SPMT am Brückenende freigesetzt und der Verschub wurde auf zwei Achsen, den Verschubwippen auf WL Süd und dem Ponton, fortgesetzt (Bild 12).

Bild 10.  Fingerübergang BehelfsbrückeFig. 10.  Expansion joint of the temporary bridge

Bild 11.  Einschub der BehelfsbrückeFig. 11.  Positioning of the temporary bridge

Bild 12.  Einschub der neuen Brücke – Lastübernahme durch PontonFig. 12.  Positioning of the new bridge, support with pontoon

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nicht realisiert werden. Deshalb wurde im Bereich zwi-schen dem Schrammbord und den unmittelbar daneben liegenden Hängeranschlüssen eine zusätzliche Leiteinrich-tung aus einem durchlaufenden Rundrohr angeordnet, um insbesondere die für Fahrzeuganprall empfindlichen Hän-ger zu schützen.

Weitere Besonderheiten waren die große Anzahl der Leitungsdurchführungen in den Kragkonsolen sowie die Trennung des Gleisbettes vom Straßenverkehrsraum über längs verlaufende Stahlhohlkästen, die fester Bestandteil der orthotropen Fahrbahn sind und wie obenliegende Längssteifen statisch berücksichtigt wurden.

6 Zusammenfassung und Ausblick auf den 2. Bauabschnitt

2015 konnte der erste Abschnitt des neuen OB-Lehr Brü-ckenzuges für den Verkehr freigegeben werden. Gegen-stand des ersten Bauabschnittes war der Neubau von zwei Brücken über den Vinckekanal und Vinckeweg sowie der Ausbau der Verkehrswege für Straßenbahn und Individu-alverkehr.

Die Planungsarbeiten für den 2. Bauabschnitt haben begonnen, die Entwurfs- und Ausschreibungsunterlagen werden vorbereitet.

Die Baukosten für den ersten Bauabschnitts lagen bei etwa 26 Mio. €, das Gesamtprojekt Erneuerung OB -Lehr-Brückenzug von Kaßlerfeld nach Ruhrort wird mit etwa 100 Mio. € veranschlagt. Die Gesamtmaßnahme wird von Bund und Land gefördert.

Wir danken der Stadt Duisburg und den Wirtschafts-betrieben Duisburg-AöR für die freundliche Unterstützung im Zusammenhang mit diesem Fachbericht.

Das Gerüst auf dem Ponton war in Verschubrichtung mittels Haltelitzen zunächst mit dem Widerlager Süd ge-koppelt. Nach der Lastübernahme des Pontons wurde die Brücke um 15 m auf dem Ponton verschoben, um nach Durchquerung des Vinckekanals mit der Auflagerachse des Bogentragwerks die Brücke auf dem WL Nord ab-setzen zu können. Der Verschub auf dem Ponton bei schwankenden Wasserständen des Vinckekanals war die schwierigste Passage des Verschubs und erforderte von allen Beteiligten höchste Aufmerksamkeit.

Anschließend schwamm der Ponton mit der Brücke durch den Vinckekanal bis ans nördliche Ufer. Jetzt konnte der Überbau auf die vorbereiteten, ca. 3,90 m hohen Stapel angesetzt werden. Danach wurde der Überbau um 3,30 m auf die Endhöhe abgestapelt.

4.3 Zum statischen System der 3-Bogen-Brücke

Die 3-Bogen-Brücke wurde als räumliches Stabwerk mo-delliert (Bild 13). Die drei freistehenden Bögen tragen über die 105 mm dicken Rundstahlhänger die Versteifungs- träger mit der Fahrbahn.

Die Durchbiegung aus Eigengewicht und 50 % Ver-kehrslast von maximal ca. 85 mm wurde durch eine Über-höhung der Stahlkonstruktion ausgeglichen.

Ungewöhnlich war die Kombination von Straßen- und Straßenbahnlasten auf einem Tragwerk – mit der Be-sonderheit, dass der Verkehrsstreifen der Straßenbahn bei Reparaturarbeiten oder Sonderfahrten auch für Straßen-verkehrslasten genutzt werden kann. Als Lastmodell für die Straßenbahnlasten wurden die Angaben der Richtlinie 3.2-10 der DVG (Duisburger Verkehrsgesellschaft AG) mit Achslasten von 10 t im Abstand von mindestens 2,30 m berücksichtigt.

Die Blechdicken des Bogens betrugen 25 bis 35 mm, die Gurte der Hauptträger hatten Blechdicken von 40 bis 70 mm. Die Deckblechdicke beträgt im Gehwegbereich 12 mm, im Straßenverkehrsbereich 14 mm und im Bereich der Straßenbahngleise 16 mm.

5 Highlights in der Ausführung

Da der Überbau einer Vielzahl schwieriger Randbedin- gungen gerecht werden musste, ergaben sich zahlreiche Besonderheiten bei Planung und Bau der Brücke. Beson-ders zu erwähnen ist, dass der Einschub mittels Ponton über einer Wasserstraße mit starken, schwer vorauszu-sehenden Wasserstandsschwankungen stattfand. Wäh- rend des Verschubes waren Wasserstandsänderungen von mehreren Dezimetern durch ständiges Pumpen von Bal-lastwasser sowie durch Höhenkorrekturen an den Auf-lagerkonstruktionen zu kompensieren. Dadurch ergaben sich große Risiken für den Fall von Störungen im Ablauf. Diese wurden durch Vorhalten redundanter Systeme so-wie eine großzügige Auslegung der theoretisch möglichen Ausgleichswege auf ein vernünftiges Maß reduziert, so dass der Verschub planmäßig erfolgreich abgewickelt wer-den konnte.

Aufgrund der geringen zur Verfügung stehenden Bau-höhe von Oberkante der Fahrbahn bis zur Unterkante der Brücke konnten die Schrammbordhöhen, die zur Rückhal-tung abirrender Fahrzeuge erforderlich gewesen wäre,

Bild 13.  Modellierung des statischen Systems als räumliches StabwerkFig. 13.  Static model with three-dimensional framework

Bild 14.  Fertige Brücke, Blick von Süd-OstenFig. 14.  Completed bridge, view from south-east

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Bauunternehmen Echterhoff GmbH & Co. KG, Westerkappeln,SAM Magdeburg GmbH, Magdeburg,Elbe-Stahlbau Schönebeck,Depenbrock Bau GmbH & Co. KG, Stemwede

Autoren dieses Beitrages:Dipl.-Ing. Johannes Herbort,grbv Ingenieure im Bauwesen GmbH & Co.KG,Expo Plaza 10,30539 Hannover,[email protected]

Dipl.-Ing. Ralf Schubart,Meyer+Schubart – Partnerschaft Beratender Ingenieure VBI,Hauptstraße 45,31515 Wunstorf,[email protected]

Am Bau Beteiligte:Bauherr:Stadt Duisburg, Amt für Stadtentwicklung und ProjektmanagementProjektdurchführung:Wirtschaftsbetriebe Duisburg – AöREntwurfsplanung Ingenieurbauwerke:grbv Ingenieure im Bauwesen GmbH & Co.KG, HannoverAusführungsplanung Vinckekanalbrücke:Ingenieurbüro Meyer+Schubart, Wunstorf Ingenieurbüro Lindschulte, GroßburgwedelPrüfingenieur:Dipl.-Ing. Wilfried Hackenbroch, DuisburgDr.-Ing. Dietmar Streck, DuisburgVerkehrsplanung 1. Bauabschnitt:Spiekermann GmbH Consulting Engineers, DüsseldorfBauausführung 1. Bauabschnitt:ARGE Erneuerung OB-Lehr Brückenzug, 1. BA, beste-hend aus den Firmen:

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Hauptsitz HannoverExpo Plaza 1030539 Hannover Telefon +49 511 98494-0Telefax +49 511 [email protected]

Niederlassung BerlinChausseestraße 8810115 Berlin Telefon +49 30 3001316-0Telefax +49 30 [email protected]

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