Enzymkinetik (3. Auflage)

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Hans Bisswanger Enzymkinetik Theorie und Methoden Enzymkinetik: Theorie und Methoden, 3. Auflage. Hans Bisswanger Copyright © 2000 WILEY-VCH Verlag GmbH, Weinheim ISBN: 3-527-30096-1

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Hans Bisswanger

EnzymkinetikTheorie und Methoden

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Hans Bisswanger

EnzymkinetikTheorie und Methoden3., völlig neu bearbeitete Auflage

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Prof. Dr. Hans BisswangerPhysiologisch-Chemisches Institutder Universität TübingenHoppe-Seyler-Straße 472076 Tübingen

Das vorliegende Werk wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autor und Verlag für dieRichtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie für eventuelle Druckfehler keine Haf-tung.

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Für Anna und Michael

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Vorwort

Die Zeit, innerhalb welcher eine bestimmte MengeSubstrat verändert wird, also das Maß derReaktionsbeschleunigung durch den Katalysator, hängtin erster Linie von seiner Menge ab. In sehr vielen Fällenist sie sogar direkt proportional der wirksamen Mengedes Fermentes, in anderen Fällen bestehenkompliziertere Beziehungen, die man in densogenannten „Fermentgesetzen“ hat ausdrücken wollen,die aber zum großen Teil sehr mangelhaft fundiert sind.

Carl Oppenheimer (1919) BiochemieGeorg-Thieme-Verlag Leipzig

Nachdem sich bereits die erste Auflage der Theorie und Methoden der Enzymkinetik alsStandardwerk einführte, wurde der Text zur zweiten Auflage völlig überarbeitet mitumfangreichen Ergänzungen im theoretischen und methodischen Teil, um den Stoffzu aktualisieren und das Gebiet auch für Experten in breiterem Rahmen abzudecken.Allerdings mußte damit in Kauf genommen werden, daß der Umfang des Lernstoffesfür Studenten selbst der Biochemie überschritten wurde, doch kann diesen eine sinn-volle Auswahl zugemutet werden. Das erscheint auch dahingehend gerechtfertigt, alsein Fachbuch noch nach dem Studium als Nachschlagewerk dienen soll.

Eine weitere grundlegende Umgestaltung war daher für die dritte Auflage nichtangezeigt, mit der Hinzufügung eines zusätzlichen Kapitels über Isotopenaustauschund Isotopeneffekte wurde aber eine gravierende Lücke geschlossen. Zusätzlich gabdie Neuauflage die Gelegenheit, durch Konvertierung der Textvorlage in ein moder-nes Textprogramm das Schriftbild zu verbessern und dringliche Korrekturen vorzu-nehmen. Bei dieser Gelegenheit sei für die zahlreichen wertvollen Hinweise auf Feh-ler und Verbesserungen gedankt.

Eine grundlegende Veränderung, äußerlich bereits erkennbar an der neuen Form alsCD-ROM, erfuhr das dem Buch beiliegende Enzymkinetik-Programm EKI3.exe durchDmitriy Degtiarev, einem Informatikstudenten aus Moskau, der das Programm völligneu konzipierte. Gegenüber der früheren Version enthält es mehr Diagramme, auchist nun ein direkter Ausdruck der Diagramme möglich. Keine besondere Rücksicht wur-de dabei auf die Kompatibilität mit der älteren Version gelegt. Beigegeben sind Muster-dateien repräsentativer Mechanismen. Das Programm arbeitet unter den Betriebssyste-men Win95/98/NT. Im Interesse eines breiten Nutzerkreises wurden englischsprachigeBezeichnungen gewählt. Da davon ausgegangen wird, daß sich PC-Nutzer weitgehenddurch Ausprobieren in ein Programm einarbeiten, ist die beigegebene Anleitung kurzgehalten. Die meisten Funktionen verstehen sich von selbst. Der Benutzer möge diegegenüber den meist kostspieligen kommerziellen Graphikprogrammen einfache Ge-staltung nachsehen, da sich das Programm als begleitend zum Buchtext versteht.

Tübingen, November 1999 Hans Bisswanger

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Inhalt

Symbole und Abkürzungen XIII

Einleitung 1

1 Multiple Gleichgewichte 5

1.1 Diffusion 51.2 Wechselwirkung von Liganden mit Makromolekülen 101.2.1 Bindungskonstanten 101.2.2 Herleitung der Bindungsgleichung 111.3 Makromoleküle mit identischen, unabhängigen Bindungsstellen 121.3.1 Allgemeine Bindungsgleichung 121.3.2 Graphische Darstellungen der allgemeinen Bindungsgleichung 181.3.2.1 Direkte Auswertung 181.3.2.2 Auswertung von Bindungskurven aus optischen Titrationsverfahren 201.3.3 Bindung verschiedener Liganden, Kompetition 231.4 Makromoleküle mit nicht-identischen, unabhängigen Bindungs-

stellen 271.5 Makromoleküle mit identischen, sich beeinflussenden Bindungsstellen,

Kooperativität 301.5.1 Hill-Gleichung 301.5.2 Adair-Gleichung 321.5.3 Paulingsches Modell 331.5.4 Allosterische Enzyme 341.5.5 Symmetrie-Modell 341.5.6 Sequenz-Modell und negative Kooperativität 391.5.7 Physiologische Aspekte der Kooperativität 431.5.8 Nachweis der Kooperativität 461.5.9 Beispiele allosterischer Enzyme 481.5.9.1 Hämoglobin 481.5.9.2 Aspartat-Transcarbamylase 491.5.9.3 Aspartokinase 491.5.9.4 Andere Beispiele 501.6 Nicht-identische, sich beeinflussende Bindungsstellen 511.7 Literatur 51

2 Enzymkinetik 53

2.1 Reaktionsordnung 532.1.1 Reaktionen erster Ordnung 53

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2.1.2 Reaktionen zweiter Ordnung 552.1.3 Reaktionen nullter Ordnung 562.2 Steady-State-Kinetik und Michaelis-Menten-Gleichung 572.2.1 Herleitung der Michaelis-Menten-Gleichung 572.3 Auswertung enzymkinetischer Daten 602.3.1 Graphische Darstellung der Michaelis-Menten-Gleichung 602.3.1.1 Nicht-lineare Darstellungen 602.3.1.2 Direkt-lineare Diagramme 662.3.1.3 Linearisierungsverfahren 682.3.1.4 Graphische Auswertung von Zeit-Umsatz-Kurven 712.3.1.5 Integrierte Michaelis-Menten-Gleichung 712.3.2 Ermittlung der Reaktionsgeschwindigkeit 742.3.2.1 Experimentelle Bestimmung 742.3.2.2 Graphische Verfahren 752.4 Reversible Enzymreaktionen 782.4.1 Geschwindigkeitsgleichung für reversible Enzymreaktionen 782.4.2 Haldane-Beziehung 802.4.3 Produkthemmung 812.5 Enzymhemmung 842.5.1 Reversible Enzymhemmung 842.5.1.1 Allgemeine Geschwindigkeitsgleichung 842.5.1.2 Nicht-kompetitive Hemmung, graphische Darstellung

von Hemmdaten 872.5.1.3 Kompetitive Hemmung 942.5.1.4 Unkompetitive Hemmung 972.5.1.5 Partielle Hemm-Mechanismen, partiell nicht-kompetitive

Hemmung 992.5.1.6 Partiell unkompetitive Hemmung 1012.5.1.7 Partiell kompetitive Hemmung 1022.5.1.8 Nicht- und unkompetitive Produkthemmung 1052.5.1.9 Substrathemmung 1062.5.2 Irreversible Enzymhemmung 1082.5.2.1 Unterscheidung reversibler und irreversibler Hemmstoffe 1082.5.2.2 Charakterisierung irreversibler Hemmungen 1092.5.3 Enzymreaktionen mit zwei konkurrierenden Substraten 1112.6 Mehrsubstrat-Reaktionen 1132.6.1 Nomenklatur 1132.6.2 Random-Mechanismus (Zufalls-Mechanismus) 1142.6.3 Ordered-Mechanismus (geordneter Mechanismus) 1182.6.4 Ping-Pong-Mechanismus 1212.6.5 Haldane-Beziehungen bei Mehrsubstrat-Reaktionen 1232.6.6 Mechanismen mit mehr als zwei Substraten 1242.6.7 Andere Schreibweisen für Mehrsubstratreaktionen 1262.7 Herleitung von Geschwindigkeitsgleichungen komplexer

Enzymmechanismen 1262.7.1 King-Altman-Verfahren 126

X Inhalt

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2.7.2 Vereinfachtes Verfahren nach der Graphentheorie 1322.7.3 Kombination von Gleichgewichts- und Steady-State-Annahmen 1332.8 Kinetische Behandlung allosterischer Enzyme 1352.8.1 Hysteretische Enzyme 1352.8.2 Kinetische Kooperativität, Slow-Transition-Modell 1372.9 Spezielle Enzym-Mechanismen 1382.9.1 Kinetik immobilisierter Enzyme 1382.9.1.1 Externe Diffusionslimitierung 1402.9.1.2 Interne Diffusionslimitierung 1422.9.1.3 Hemmung immobilisierter Enzyme 1442.9.1.4 pH- und Temperaturverhalten immobilisierter Enzyme 1442.9.2 Polymere Substrate 1452.10 pH- und Temperaturverhalten von Enzymen 1462.10.1 pH-Optimumskurve und Bestimmung von pK-Werten 1462.10.2 pH-Stabilität von Enzymen 1482.10.3 Thermische Stabilität von Enzymen 1492.10.4 Temperaturabhängigkeit enzymatischer Reaktionen 1502.11 Isotopenaustausch 1532.11.1 Isotopenaustauschkinetik 1532.11.2 Isotopeneffekte 1572.11.2.1 Primäre kinetische Isotopeneffekte 1572.11.2.2 Einfluß des kinetischen Isotopeneffekts auf Km und V 1582.11.2.3 Andere Isotopeneffekte 1602.12 Anwendung statistischer Methoden in der Enzymkinetik 1602.12.1 Allgemeine Bemerkungen 1602.12.2 In der Enzymkinetik gebräuchliche statistische Begriffe 1642.13 Literatur 166

3 Methoden 169

3.1 Methoden zur Bestimmung multipler Gleichgewichte 1693.1.1 Gleichgewichtsdialyse und allgemeine Aspekte von Bindungs-

messungen 1713.1.1.1 Prinzip der Gleichgewichtsdialyse 1713.1.1.2 Kontrollexperimente und Fehlerquellen 1733.1.2 Kontinuierliche Gleichgewichtsdialyse 1773.1.3 Ultrafiltration 1793.1.4 Gelfiltration 1813.1.4.1 Batchverfahren 1813.1.4.2 Elution breiter Zonen 1823.1.4.3 Verfahren nach Hummel und Dreyer 1823.1.4.4 Verfahren nach Brumbaugh und Ackers 1833.1.5 Ultrazentrifugationsmethoden 1843.1.5.1 Einfache Ultrazentrifugation 1843.1.5.2 Zentrifugationsmethode von Chanutin et al. (1942) 1843.1.5.3 Rohrzuckergradientenzentrifugation nach Draper und Hippel 186

AInhalt XI

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3.2 Elektrochemische Methoden 1893.2.1 Sauerstoffelektrode 1903.2.2 CO2-Elektrode 1923.2.3 Potentiometrie, Oxidations-Reduktions-Potentiale 1933.2.4 pH-Stat 1933.2.5 Polarographie 1953.3 Kalorimetrie 1963.4 Spektroskopische Methoden 1973.4.1 Absorptionsspektroskopie 2003.4.1.1 Lambert-Beersches Gesetz 2003.4.1.2 Spektrale Eigenschaften von Enzymen und Liganden 2003.4.1.3 Aufbau von Spektralphotometern 2043.4.1.4 Doppelstrahl-Spektralphotometer 2073.4.1.5 Differenzspektroskopie 2083.4.1.6 Doppelwellenlängen-Spektralphotometer 2103.4.1.7 Photochemische Aktionsspektren 2113.4.2 Biolumineszenz 2123.4.3 Fluoreszenz 2123.4.3.1 Quantenausbeute 2123.4.3.2 Störungen von Fluoreszenzmessungen 2133.4.3.3 Fluoreszierende Verbindungen (Fluorophore) 2143.4.3.4 Aufbau von Spektralfluorimetern 2183.4.3.5 Strahlungslose Energieübertragung 2193.4.3.6 Fluoreszenzpolarisation 2213.4.3.7 Pulsfluorimetrie 2233.4.4 Circulardichroismus und optische Rotationsdispersion 2243.4.5 Infrarot- und Raman-Spektroskopie 2303.4.5.1 IR-Spektroskopie 2303.4.5.2 Raman-Spektroskopie 2303.4.5.3 Anwendungen 2313.4.6 Elektronenspinresonanz-Spektroskopie 2323.5 Messung schneller Reaktionen 2343.5.1 Flußmethoden 2363.5.1.1 Continuous-Flow-Methode 2363.5.1.2 Stopped-Flow-Methode 2383.5.1.3 Messung von Enzymreaktionen durch Flußmethoden 2423.5.1.4 Bestimmung der Totzeit 2433.5.2 Relaxationsmethoden 2443.5.2.1 Temperatursprung-Methode 2453.5.2.2 Drucksprung-Methode 2483.5.2.3 Feldsprung-Methode 2503.5.3 Flash-Photolyse, Pico- und Femtosekunden-Spektroskopie 2503.5.4 Auswertung schneller kinetischer Reaktionen (Transient-Kinetik) 2523.6 Literatur 256

Register 261

XII Inhalt

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Symbole und Abkürzungen

(Einheiten in Klammern)Spezielle Abkürzungen sind im Text definiert

A, B, C Liganden, SubstrateA Absorptionsmaßc KonzentrationD Diffusionskoeffiziente Eulersche Zahl (e =2,71828)E Enzym, MakromolekülEa AktivierungsenergieF relative Fluoreszenzintensität� molarer Absorptionskoeffizient� Viskosität�e Effizienzfaktor�e1 Effizienzfaktor für Reaktionen erster Ordnung� optische Rotation�F Quantenausbeute�s Substrat- bzw. Thielemodul�G� freie Standard-EnergieG elektrischer Leitwert (S)�H� Standard-Reaktionsenthalpieh Plancksche Konstante (6,626·10–34 J·s)hs Transportkoeffizient des SubstratsI HemmstoffI LichtintensitätJ FlußIU Enzymeinheit (engl. international unit, �mol/min)K mikroskopische GleichgewichtskonstanteK� makroskopische GleichgewichtskonstanteKa AssoziationskonstanteKapp apparente GleichgewichtskonstanteKd DissoziationskonstanteKg Gleichgewichtskonstante einer ReaktionKi HemmkonstanteKic Hemmkonstante für kompetitive HemmungKiu Hemmkonstante für unkompetitive HemmungKm Michaelis-KonstanteKmA Michaelis-Konstante für Substrat Ak1 Geschwindigkeitskonstante der Hinreaktionk–1 Geschwindigkeitskonstante der Rückreaktion

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kcat katalytische KonstantekB Boltzmann-Konstante (kB = R/N =1,38 .10–23 J·K–1)kat Katal, Enzymeinheit nach dem SI-System (mol/s, 1 nkat =0,06 IU;

1 IU =16,67 nkat)Mr relative Molekülmasse (dimensionslos)m Anzahl der Bindungsklassen pro Makromoleküln Anzahl identischer Bindungsstellen pro Makromolekülnh Hill-KoeffizientNA Avogadro-Konstante (6,022 ·1023 mol–1)Or OrdinatenschnittpunktP, Q, R ProdukteP PolarisationR Gaskonstante (8,314 J·K–1 mol–1)r Fraktion der pro Makromolekül gebundenen Liganden� Dichte (kg·m–3)�S Standard-ReaktionsentropieSt SteigungT absolute Temperatur (K)t Zeit (s)� Elliptizität� RelaxationszeitU elektrische Spannung (V)� Reaktionsgeschwindigkeit�0 Anfangsgeschwindigkeit für t =0V Maximalgeschwindigkeit für Substratkonzentration ��� Fraktion der pro Bindungsstelle gebundenen Liganden

XIV Symbole und Abkürzungen

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Einleitung

Enzymreaktionen erscheinen in der üblichen Formulierung als einfache Prozesse, wieder Fall einer Einsubstratreaktion:

�� � ��� �� ��� �� � �����

doch bei genauer Formulierung erweist sich selbst ein solch simpler Mechanismusals komplexer, aus mehreren Teilschritten zusammengesetzter Vorgang:

�� � ��� �� ��� ��� ��� ��� ��� �� ��� �� � ����� ���

� ���� ���

� ����

In einem schnellen Gleichgewicht bildet sich zunächst ein loser Assoziationskomplexzwischen Enzym E und Substrat A. Daraufhin nimmt das Enzym seine aktive FormE� an und ist nun in der Lage, Substrat in Produkt P zu überführen. Nach der Rück-verwandlung des Enzyms in seine ursprüngliche Form dissoziiert das Produktmolekülab und das Enzym ist zur Wechselwirkung mit einem weiteren Substratmolekül be-reit. Der gesamte Mechanismus besteht aus einer Abfolge von fünf Teilreaktionen,von denen jede zur Gesamtreaktion beiträgt. Um die Reaktion vollständig zu be-schreiben, müßten fünf Gleichgewichtskonstanten bzw. zehn Geschwindigkeitskon-stanten ermittelt werden. Noch viel komplexer und unübersichtlicher werden Enzym-mechanismen durch die Beteiligung von zwei und mehr Substraten, von Cofaktorenund Regulatoren.

Durch enzymkinetische Messungen solcher Mechanismen werden kinetische Kon-stanten, die Michaelis-Konstanten und die Maximalgeschwindigkeiten, erhalten, diesich aus den angegebenen Geschwindigkeitskonstanten zusammensetzen. Ist die Re-aktion, wie in der zweiten Formel dargestellt, reversibel, kann sie in beiden Richtun-gen gemessen und analysiert werden und man erhält den doppelten Satz kinetischerKonstanten. Enzymkinetische Studien erfassen nur den Gesamtprozeß. Um den Reak-tionsablauf auch in seinen Teilschritten vollständig zu verstehen, müssen diese aufge-löst und getrennt analysiert werden.

Jeweils der erste und der letzte Teilschritt einer solchen Reaktion sind schnelle As-soziationsgleichgewichte, die dem katalytischen Umsatz vorangehen. Durch spezielleBindungsmethoden auf der Grundlage der unter dem Begriff multiple Gleichgewichtezusammengefaßten theoretischen Beschreibung (vgl. Kapitel 1) können diese Pro-zesse zugänglich gemacht werden. Man geht dabei davon aus, daß eine zumeist nie-dermolekulare Verbindung, ein Ligand, mit einem Makromolekül eine spezifischeWechselwirkung eingeht, d. h. das Makromolekül verfügt über distinkte Bindungsstel-len für diesen Liganden (im Gegensatz z. B. zu ionischen Bindungen von Kationenund Anionen zur Absättigung von Überschußladungen an Proteinoberflächen oder un-

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spezifischen hydrophoben Assoziationen). Die in diesem Teil behandelten Gesetzmä-ßigkeiten gelten, da katalytischer Umsatz hier ausdrücklich ausgeschlossen ist, nichtnur für Enzyme, sondern allgemein für Makromoleküle, so auch für Transportpro-teine, Rezeptoren oder Nucleinsäuren. Der Ligand kann ein Substrat, Produkt, Cofak-tor, Hemmstoff, Aktivator, Regulator, Hormon, Neurotransmitter oder Pharmakonsein. Enzymsubstrate dürfen allerdings nicht umgesetzt werden. Mit Hilfe der Gesetz-mäßigkeiten der multiplen Gleichgewichte werden Gleichgewichtskonstanten (Asso-ziations- bzw. Dissoziationskonstanten) erhalten und es ist möglich, Wechselwirkun-gen zwischen Enzym und Liganden in Abwesenheit eines katalytischen Umsatzes zuanalysieren. Dadurch vereinfacht sich die Behandlung komplexer Mechanismen, wieder allosterischen Enzyme. Solche Mechanismen, die bereits vollständig über multi-ple Gleichgewichte beschreibbar sind, werden auch dort behandelt, auch wenn sie,aufgrund der besseren Nachweisbarkeit enzymatischer Umsätze gegenüber Bindungs-gleichgewichten vielfach durch enzymkinetische Messungen analysiert werden.

Enzymkinetische Methoden benötigen wegen der außerordentlichen katalytischenPotenz von Enzymen nur katalytische Mengen, die um Größenordnungen unter derSubstratkonzentration liegen. Das sich chemisch vom Substrat unterscheidende Pro-dukt läßt sich durch geeignete Methoden zumeist deutlich nachweisen. Dagegen müs-sen bei Messungen reversibler Gleichgewichte Makromolekül und Ligand in ver-gleichbarer Menge vorliegen. Ausgangszustand, also die getrennten Komponenten,und Endzustand, der Makromolekül-Ligand-Komplex, sind chemisch nicht unter-schieden und daher schwer nachweisbar. Aufgrund der Reversibilität der Bindungsind diese Komplexe nicht stabil und können nicht isoliert werden. Um die oft sehrgeringen durch die Bindung verursachten Veränderungen doch noch sichtbar zu ma-chen, sind sehr hohe Makromolekül-Konzentrationen erforderlich. Schließlich sind,solange keine störenden Nebenreaktionen auftreten, die Reinheitsanforderungen beienzymkinetischen Messungen geringer als bei den direkt auf die Molarität des Ma-kromoleküls bezogenen Bindungsmessungen, teilweise kann sogar in rohen Extraktengemessen werden. Es zeigt sich daran, daß vielfach weniger die theoretischen Analy-sen als vielmehr praktische Erwägungen der Enzymkinetik den Vorzug gegenüberBindungsmessungen geben.

Mit Hilfe der Methoden der Messung schneller kinetischer Reaktionen ist es mög-lich, Teilprozesse zeitlich voneinander zu trennen und die Geschwindigkeitskonstan-ten der einzelnen Reaktionsschritte zu berechnen. So erfordert die detaillierte Ana-lyse einer enzymkatalysierten Reaktion die Kombination sehr unterschiedlicher Ver-fahren. Dieses Vorgehen ist auch im folgenden Text zugrunde gelegt, der damit ins-besondere hinsichtlich der Gleichgewichtsbetrachtungen über die eigentliche Enzym-kinetik hinausgeht, die sich entsprechend dem Wortsinn (griech. �������, Bewegung)mit zeitabhängigen Prozessen beschäftigt. Der Zusammenhang zwischen den ver-schiedenen Kapiteln wird durch eine einheitliche Nomenklatur verdeutlicht. Das En-zym, aber auch nicht-enzymatische Makromoleküle bei Bindungsprozessen werdenE, Enzymsubstrate bzw. Liganden A, B, C, Produkte P, Q, R und Hemmstoffe I (vonengl. inhibitor) bezeichnet.

Zur Vereinheitlichung der heterogenen Bezeichnungen und Definitionen in der Li-teratur werden hier soweit möglich Symbole und Terminologie nach den NC-IUB-Empfehlungen (Nomenclature Committee of the International Union of Biochemistry,

2 Einleitung

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1982) und den IUPAC-Regeln (International Union of Pure and Applied Chemistry,1981) verwendet. Konzentrationen werden durch eckige Klammern ([A] etc.) ange-zeigt. Die folgende Literaturliste ist eine Zusammenfassung wichtiger Standardwerkezu den hier behandelten Gebieten.

Literatur

Allgemeine Literatur zu Theorie und Methoden der Enzymkinetik

Ahlers, J., Arnold, A., v. Döhren, F.R. & Peter, H.W. (1982) Enzymkinetik, 2. Aufl. Fischer Verlag,Stuttgart.

Cantor, C. R. & Schimmel, P.R. (1980) Biophysical chemistry. Freeman & Co., San Francisco.Cornish-Bowden, A. (1976) Principles of enzyme kinetics. Butterworth, London.Cornish-Bowden, A. & Wharton, C. W. (1988) Enzyme kinetics. IRL Press, Oxford.Dixon, M. & Webb, E.C. (1979) Enzymes. Academic Press, New York.Edsall, J.T. & Gutfreund, H. (1983) Biothermodynamics. J. Wiley & Sons, New York.Eisenthal, R. & Danson, J. M. (1992) Enzyme assays. A practical approach. IRL Press, Oxford.Engel, P. C. (1977) Enzyme kinetics. Chapman & Hall, London.Fersht, A. (1977) Enzyme structure and mechanism. Freeman & Co., San Francisco.Fromm, H.J. (1975) Initial rate kinetics. Springer-Verlag, Berlin.Klotz, I. M. (1986) Introduction to biomolecular energetics including ligand-receptor interactions.

Academic Press, Orlando.Laidler, K. J. & Bunting, P. S. (1973) The chemical kinetics of enzyme action, 2. edn. Clarendon

Press, Oxford.Lasch, J. (1987) Enzymkinetik. Springer-Verlag, Berlin.Lüthje, J. (1990) Enzymkinetik. Urban & Schwarzenberg, München.Plowman, K.M. (1972) Enzyme kinetics. McGraw-Hill, New York.Price, N.C. & Stevens, L. (1989) Fundamentals of enzymology. Oxford University Press, Oxford.Purich, D.L. (1979/1980) Enzyme kinetics and mechanics. Methods in Enzymology 63 und 64, Aca-

demic Press, New York.Roberts, D.V. (1977) Enzyme kinetics. Cambridge University Press, Cambridge.Schellenberger, A. (1989) Enzym-Katalyse. Springer-Verlag, Berlin.Schulz, G.E. & Schirmer, R.H. (1979) Principles of protein structure. Springer-Verlag Berlin.Segel, I.H. (1975) Enzyme kinetics. John Wiley & Sons, New York.Suelter, C.H. (1990) Experimentelle Enzymologie. Fischer-Verlag, Stuttgart.Wong, J.T.-F. (1975) Kinetics of enzyme mechanisms. Academic Press, London.

Nomenklaturvorschriften

Nomenclature Committee of the International Union of Biochemistry (NC-IUB) (1982) Symbolismand terminology in enzyme kinetics. European Journal of Biochemistry 128, 281–291.

International Union of Pure and Applied Chemistry (1981) Symbolism and terminology in chemicalkinetics. Pure and Applied Chemistry 53, 753–771.

ALiteratur 3

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1 Multiple Gleichgewichte

Im Gegensatz zu chemischen Reaktionen, bei denen zwei verschiedenartige Verbin-dungen in einer Lösung zueinander entweder völlig inert sind oder beim Zusammen-treffen unmittelbar miteinander reagieren und zu Produkten umgewandelt werden:

�� � �� �� �

haben biologisch aktive Makromoleküle, wie Enzyme, die Fähigkeit, den Reaktions-partner spezifisch zu binden, ohne daß sich die Natur beider Partner dadurch verän-dert:

�� � ��� ������

Spezifische Bindung ist die Voraussetzung für alle funktionellen Prozesse, wie Mem-brantransport, Hormonwirkung oder Substratumsatz. Daher kommt dem Studium spezi-fischer Bindungsprozesse große Bedeutung zu. Zunächst muß das Vorliegen einer spe-zifischen Bindung sichergestellt und unspezifische Assoziation, bedingt beispielsweisedurch hydrophobe oder elektrostatische Wechselwirkungen zwischen Makromolekülund Ligand, ausgeschlossen werden. Einen Hinweis dafür gibt die Größe der Dissozia-tionskonstanten, die bei spezifischen Bindungen in der Regel unter 10–3 M liegt (aller-dings gibt es hier auch Ausnahmen, wie die Bindung von H2O2 an das Enzym Katalaseoder die Bindung von Glucose an die Glucose-Isomerase). Spezifische Bindungen ste-hen in striktem stöchiometrischem Verhältnis zur Makromolekülkonzentration und sindabsättigbar, sie streben einem bestimmten Sättigungswert zu. Eine weitere Eigenschaftspezifischer Bindung ist die Möglichkeit der Verdrängung des Liganden durch struktur-analoge Verbindungen. Es soll zunächst eine Vorstellung vermittelt werden, wie der Li-gand seine Bindungsstelle am Makromolekül findet und welche Faktoren die Affinitätzur Bindungsstelle bestimmen. Im Anschluß daran erfolgt eine Darstellung der wesent-lichen Arten der Wechselwirkung von Liganden mit Makromolekülen.

1.1 Diffusion

Voraussetzung für die Reaktion eines Makromoleküls mit seinem Liganden ist, daßbeide Partner zueinanderfinden. Ein Partikel bewegt sich entlang einer Achse mit derkinetischen Energie kBT/2. T ist die absolute Temperatur, kB die Boltzmann-Kon-stante. Nach der Einsteinschen Beziehung hat ein Partikel der Masse m, das sich ineiner Richtung mit der Geschwindigkeit � bewegt, die kinetische Energie m�2/2, d. h.

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�� � ����� � �����

Demnach würde ein Makromolekül der Größe der Lactat-Dehydrogenase(Mr =140 000) pro Sekunde 4 m zurücklegen, während ihr Substrat, die Milchsäure(Mr =90,1), in der gleichen Zeit 170 m und ein Wassermolekül (Mr =18) 370 mdurchmessen würden. Enzym und Substrat flögen gleich Schrotkugeln aneinandervorbei und erreichten in Sekundenbruchteilen die Zellgrenzen. Im dichtgedrängtenMedium des Zellinneren stellen sich den sich bewegenden Teilchen jedoch beständigHindernisse in den Weg, wie Wassermoleküle, Ionen, Metabolite, Makromoleküleund Zellorganellen, so daß die Wanderung der Moleküle eher dem Torkeln Betrunke-ner als einer geradlinigen Bewegung gleicht. Diese Taumelbewegung verzögert nichtnur die Fortbewegung der Moleküle, sie erhöht auch ganz beträchtlich die Wahr-scheinlichkeit des Aufeinandertreffens bestimmter Moleküle.

Die Strecke x, die ein Molekül in einer Lösung in der Zeit t in einer Richtung zu-rücklegt, hängt ab vom Diffusionskoeffizienten D nach der Beziehung:

�� � ��� � �����

Der Diffusionskoeffizient ist seinerseits eine Funktion der Konzentration des diffun-dierenden Stoffes, kann aber bei verdünnten Lösungen als konstant angesehen wer-den. Er ist weiterhin abhängig von der Partikelgröße, der Art des Mediums und derTemperatur. Für kleine Moleküle in Wasser beträgt er D=10–5 cm2/s. Um eine Zelleder Größe 1 mm zu durchwandern, benötigt das Molekül 0,5 ms, für 1 mm dagegen8,33 min, d.h. für die tausendfache Strecke ist die millionenfache Zeit erforderlich.Man erkennt daran, daß es keine „Diffusionsgeschwindigkeit“ gibt, die Bewegung ei-nes Moleküls im Medium ist nicht der Zeit proportional, sondern deren Quadratwur-zel. Ein diffundierendes Molekül erinnert sich nicht an frühere Zustände, d. h. essucht ein Gebiet rein zufällig ab und hat nicht das Bestreben, neue Räume zu er-schließen. So hat ein 10 cm hoher Rohrzuckergradient, der der Partikeltrennung oderder Größenbestimmung von Makromolekülen dient, bei einem Diffusionskoeffizien-ten von D=5 ·10–6 cm2/s für Saccharose eine Lebensdauer von etwa vier Monaten.

Gleichung (1.2) beschreibt die eindimensionale Diffusion eines Moleküls. Da dieDiffusion in den drei Raumrichtungen x, y und z unabhängig voneinander erfolgt, giltfür die Diffusion über die Strecke r im dreidimensionalen Raum:

�� � �� � �� � � � ��� � ����

Für das Zustandekommen einer spezifischen Bindung genügt nicht alleine das Auf-treffen des Liganden auf dem Makromolekül, vielmehr muß der Ligand seine Bin-dungsstelle am Makromolekül suchen. Dies geschieht durch Translokation seines Vo-lumens 4�R3/3 um jeweils die Distanz seines eigenen Radius R. Nach einer Zeit t hatdas Molekül nach Gl. (1.3) für r=R ein Volumen von:

����� ��

� ���� �����

6 1 Multiple Gleichgewichte

Page 17: Enzymkinetik (3. Auflage)

abgesucht. Das abgesuchte Volumen pro Zeiteinheit ist 8�DR, die Wahrscheinlichkeiteiner Kollision für ein bestimmtes Partikel in Lösung ist proportional zum Diffusi-onskoeffizienten und zum Teilchenradius.

Zu Beginn einer Reaktion:

�� � � �

herrscht in der Lösung Gleichverteilung der beiden Partner. Rasch aber verarmen dieMoleküle des einen Typs (z. B. B) zwischen den noch nicht umgesetzten Molekülendes anderen Typs (A), so daß sich ein Konzentrationsgradient ausbildet. Als Konse-quenz dieser Situation erfolgt ein Nettofluß � der B-Moleküle in Richtung der imAbstand r entfernten A-Moleküle:

� � �

�� ��

�� �����

wobei n der Nettoüberschuß der in der Zeiteinheit t durch eine Fläche F tretenden Mo-leküle und c die Konzentration der im Abstand r von den A-Molekülen entfernten B-Moleküle ist. Diese Beziehung in ihrer allgemeinen Form ist bekannt als das 1. Fick-sche Gesetz der Diffusion. In unserem Beispiel der Reaktion zweier Reaktanten hatF die Dimension einer Kugeloberfläche mit dem Radius r. Gl. (1.5) wird dann zu:

� ��

� �

�����������

�� ist der Diffusionskoeffizient für die relative Diffusion der reaktiven Moleküle.Nach Integration wird:

� � � �

����������

wobei cr die Konzentration der B-Moleküle in der Entfernung r und c� diejenige inunendlicher Entfernung von den A-Molekülen ist. Letztere entspricht näherungsweiseder durchschnittlichen Konzentration an B-Molekülen. Der Nettofluß � ist proportio-nal der Geschwindigkeit der Reaktion und diese ist wiederum proportional der durch-schnittlichen Konzentration c derjenigen B-Moleküle, die gerade mit den A-Molekülenkollidieren, wobei rA+B die Summe der Radien eines A- und eines B-Moleküls ist:

� � � ���� � �����

k ist die Geschwindigkeitskonstante der Reaktion im Gleichgewicht, bei dem cr

gleich crA+Bund r gleich rA+B werden. Eingesetzt in Gl. (1.7) ergibt sich:

���� �

�� �

��������

� �����

A1.1 Diffusion 7

Page 18: Enzymkinetik (3. Auflage)

Der Nettofluß im Zustand eines Fließgleichgewichts ist

� � �� � ������

ka ist die zugehörige Assoziationsgeschwindigkeitskonstante. Damit könnenGl. (1.8)–(1.10) umgeformt werden zu:

��� �

��������� �

�� ������

Diese Beziehung läßt sich graphisch in linearer Form darstellen, wenn 1/ka gegen dieViskosität des Lösungsmittels � aufgetragen wird, da nach der Einstein-Sutherland-Gleichung der Diffusionskoeffizient bei unendlicher Verdünnung D0 dem Reibungs-koeffizienten f umgekehrt proportional und dieser wiederum der Viskosität direkt pro-portional ist:

�� � ���

�� ���

����� ������

1/k wird als Ordinatenschnittpunkt erhalten. Ist k4�rA+B��, so liegt dieser Schnitt-punkt nahe dem Koordinatenursprung, es wird dann

�� � �������� � �����

Diese Grenzbeziehung gilt als das Smoluchowski-Limit für translatierende Diffusion,die Reaktion ist diffusionskontrolliert. Bei reaktionskontrollierten Reaktionen ist da-gegen der auf die Diffusion folgende Schritt, also der Substratumsatz, geschwindig-keitsbestimmend. Um das Enzymmolekül entsteht eine Verarmungszone, da die Sub-stratmoleküle nicht rasch genug nachgeliefert werden. Eine diffusionslimitierte Disso-ziation liegt vor, wenn die Abdissoziation des Produkts die Reaktion begrenzt. Betrach-tet man zwei gleich reaktive Kugeln mit den Radien rA und rB und den Diffusionsko-effizienten DA und DB, so erhält man für Gl. (1.13):

�� � �������� � ����� � ������ � ��� ������

unter Einsetzen von Gl. (1.12) und der Näherung rA = rB und D0 = DA = DB:

�� � ����

�� ������

Aus dieser Beziehung ergeben sich die Assoziationsgeschwindigkeitskonstanten fürdiffusionskontrollierte Reaktionen in der Größenordnung von 109–1010 M–1s–1.

Würde die Größe der Geschwindigkeitskonstanten ausschließlich durch Diffusionbestimmt, so sollten weitgehend einheitliche Werte gefunden werden. Tatsächlichaber bewegen sich die gemessenen Werte von Geschwindigkeitskonstanten diffusions-kontrollierter Reaktionen von Makromolekülen in einem Bereich von mehr als fünf

8 1 Multiple Gleichgewichte

Page 19: Enzymkinetik (3. Auflage)

Größenordnungen. Dies ist damit zu erklären, daß für eine erfolgreiche Bindung desLiganden dieser mit dem Makromolekül nicht nur zufällig zusammentreffen muß,sondern beide Moleküle müssen in einer günstigen Orientierung zueinanderstehen.Dieser Umstand bewirkt eine beträchtliche Verzögerung des gesamten Bindungsvor-gangs. Andererseits können Anziehungskräfte die Wechselwirkung begünstigen undden Liganden in die richtige Orientierung dirigieren. Dadurch können Geschwindig-keitskonstanten sogar die Werte der reinen Diffusionskontrolle übersteigen. Die quan-titative Erfassung solcher Einflüsse ist schwierig, da diese von der speziellen Strukturdes Makromoleküls und des Liganden abhängen. Mit Hilfe verschiedener Theorienwird versucht, allgemeine Regeln für die Ligandenbindung zu formulieren.

Ein Ligand nähert sich einem Makromolekül mit einer nach Gl. (1.13) zu berech-nenden Geschwindigkeit, es reagiert aber nur derjenige Anteil, der in der passendenOrientierung auf die richtige Stelle auftrifft. Betrachtet man die Bindungsstelle alsKreisfläche auf dem Makromolekül, die mit dem Mittelpunkt des Makromoleküls ei-nen Winkel � bildet (Abb. 1.1), so wird die Assoziationsgeschwindigkeitskonstante inGl. (1.13) um den Sinus des Winkels reduziert:

�� � �������� ��� � � ������Durch einen weiteren, von der Art der beteiligten reaktiven Gruppen abhängigen Faktorwäre noch die Notwendigkeit der geeigneten Orientierung zwischen Bindungsstelle undLigandmolekül zu berücksichtigen. Andererseits wird auch diskutiert, daß der Ligandzunächst unspezifisch an die Oberfläche des Makromoleküls assoziiert und durch einezweidimensionale Diffusion auf der Oberfläche die Bindungsstelle sucht bzw. nach er-folgloser Suche wieder abdiffundiert (Sliding-Modell; Berg, 1985). Solche unspezifi-schen Bindungen könnten allerdings nicht zwischen dem gesuchten und anderen Meta-boliten unterscheiden, die ihrerseits wieder die zweidimensionale Diffusion behindernwürden. Weiterhin kann die Bindungsstelle durch Konformationsänderungen des Pro-teins gleich einem Tor geöffnet und geschlossen und dadurch die Zugänglichkeit fürden Liganden beeinflußt werden (Gating; McCammon & Northrup, 1981).

Ein unteres Limit der Assoziationsgeschwindigkeitskonstanten für das Substrat beiEnzymen ist der Quotient aus katalytischer Konstante kcat und der Michaelis-Kon-stanten Km (vgl. Abschnitt 2.2)

������� ������

��� � ��������

A1.1 Diffusion 9

Abb. 1.1. Schematische Darstellung derWechselwirkung eines Substratmole-küls mit seiner Bindungsstelle am En-zym.

Page 20: Enzymkinetik (3. Auflage)

der vielfach im Bereich von 108 M–1 s–1 einer diffusionskontrollierten Reaktion liegt.Tatsächlich sind es zumeist die nicht-kovalenten Schritte während der Substratbin-dung und Produktdissoziation, die, mehr als die Spaltung von Bindungen, für diemeisten Enzymreaktionen geschwindigkeitsbestimmend sind.

1.2 Wechselwirkung von Liganden mit Makromolekülen

1.2.1 Bindungskonstanten

Die Bindung eines Liganden A an ein Makromolekül E

�� � ��� �� ����������

läßt sich nach dem Massenwirkungsgesetz durch die Assoziationskonstante Ka oderderen Kehrwert, die Dissoziationskonstante Kd, beschreiben:

�� � ������ ���������� ����� ��

� � ������ ���������� ����� ��

Beide Schreibweisen sind gebräuchlich. Zur Behandlung von Gleichgewichtszustän-den dient häufiger die Assoziationskonstante, während sich die enzymkinetischenKonstanten, wie die Michaelis-Konstante, aus Dissoziationskonstanten herleiten. ZurVerdeutlichung der Analogie zwischen beiden Bereichen wird hier durchgehend dieDissoziationskonstante verwendet. Sie hat die Dimension einer Konzentration (M),die Assoziationskonstante die Dimension einer reziproken Konzentration (M–1). Glei-chung (1.19 a, b) sind genau genommen nicht ganz korrekt, anstelle der Konzentratio-nen [c] wären die Aktivitäten a = f [c] zu verwenden. Die Aktivitätskoeffizienten f derKomponenten gehen jedoch für sehr verdünnte Lösungen, wie sie bei Enzymreaktio-nen normalerweise vorliegen, gegen eins und können daher vernachlässigt werden.

Liegt ein Reaktionspartner gegenüber den anderen in einem derart großen Über-schuß vor, daß seine Konzentration durch die Reaktion nicht meßbar verändert wird,so kann diese in die Konstante einbezogen werden. Dies gilt insbesondere für denReaktionspartner Wasser z. B. bei hydrolytischen Prozessen:

�� ��������� �� � ��

das in seiner Eigenschaft als Lösungsmittel mit einer Konzentration von 55,56 mol/lum Größenordnungen über den zumeist mikro- oder millimolaren Mengen der ande-ren Komponenten der Enzymreaktion liegt. Eine durch den Reaktionsprozeß verur-sachte Veränderung der Wasserkonzentration ist praktisch nicht erfaßbar. Daher las-

10 1 Multiple Gleichgewichte

Page 21: Enzymkinetik (3. Auflage)

sen sich auch keine Bindungskonstanten für Wasser an Enzyme angeben, wie es auchschwierig ist, spezifische Bindungszentren für Wasser nachzuweisen. Die Reaktionwird so behandelt, als würde Wasser nicht teilnehmen:

� � ��������������� � � ����� � � � ���

������ �

Ähnlich verhält es sich mit den vielfach an Enzymreaktionen beteiligten Wasser-stoffionen. Hier wird eine apparente Gleichgewichtskonstante Kapp definiert:

���� � � ���� �

die im Gegensatz zur echten Gleichgewichtskonstanten vom pH-Wert der Lösung ab-hängig ist, was bei deren Bestimmung zu beachten ist.

1.2.2 Herleitung der Bindungsgleichung

Die Berechnung der Dissoziationskonstanten für die Reaktion (1.18) nach dem Mas-senwirkungsgesetz (1.19) setzt die Kenntnis der Konzentrationen des freien Makro-moleküls [E], des freien Liganden [A] und des Makromolekül-Liganden-Komplexes[EA] unter Gleichgewichtsbedingungen voraus. Bekannt sind jedoch zunächst nur dieim Versuch eingesetzten Gesamtmengen [E]0 und [A]0, die sich aufteilen nach denMassenerhaltungsgleichungen in die freien und gebundenen Komponenten:

���� � ��� � ���� ������

���� � ��� � ���� � ������

Durch geeignete Experimente (vgl. Kapitel 3) wird der Anteil des gebundenen Ligan-den [A]geb erfaßt, der in dem einfachen Reaktionsgleichgewicht (1.18) mit nur einerBindungsstelle pro Makromolekül mit [EA] gleichzusetzen ist. Durch Einsetzen vonGl. (1.20) in (1.19b) wird [E] eliminiert:

� � ����� � ��������������� !� � ���� �

�������� � ��� �

Im folgenden Abschnitt wird diese Gleichung für die Bindung eines Liganden an einMakromolekül mit einer Bindungsstelle zusammen mit der analogen Gl. (1.23) fürMakromoleküle mit mehreren gleichen Bindungsstellen ausführlich besprochen.

A1.2 Wechselwirkung von Liganden mit Makromolekülen 11

Page 22: Enzymkinetik (3. Auflage)

1.3 Makromoleküle mit identischen,unabhängigen Bindungsstellen

1.3.1 Allgemeine Bindungsgleichung

Die Mehrzahl der Proteine, wie der Enzyme, ist aus mehreren, zumeist identischenUntereinheiten aufgebaut. Aus Symmetriegründen kann davon ausgegangen werden,daß jede dieser Untereinheiten eine gleichartige Bindungsstelle für den jeweiligen Li-ganden besitzt, so daß die Zahl n an Bindungsstellen derjenigen der Untereinheitengleichzusetzen ist. Auch wenn das in der Regel zutrifft, sei hier darauf verwiesen,daß Identität im Sinne der Bindung als Übereinstimmung der Bindungskonstanten ver-standen wird. Strukturell verschiedenartige Bindungszentren werden sich auch in ihrenAffinitäten unterscheiden. Sind diese aber zufällig identisch, so lassen sie sich alleinedurch Bindungsmessungen nicht unterscheiden. Andererseits könnte, z. B. aufgrund ei-ner Genduplikation, eine Proteinuntereinheit zwei oder mehrere gleichartige Bindungs-stellen besitzen. In solchen, allerdings seltenen, Fällen weicht die Zahl n der identischenBindungsstellen von der Zahl identischer Untereinheiten pro Makromolekül ab.

Erfolgt die Besetzung der einzelnen Bindungszentren durch Liganden unabhängigvoneinander, d. h. ohne gegenseitige Beeinflussung, so sollte es gleichgültig sein, obdie Bindung, wie in Gl. (1.22) angenommen, an isolierten, oder aber an miteinanderassoziierten Untereinheiten stattfindet. Das Enzym würde durch den Liganden stufen-weise abgesättigt und für jede Bindungsstelle [U] gälte Gl. (1.22), so daß eine Sum-me aus n gleichen Gliedern resultierte:

�"��� � �"��� � �"�� � � � � �"��� � ��� !� ���������� � ��� � �����

DieseGleichungunterscheidet sichvonGl.(1.22)fürdieBindunganeinMakromolekülmiteiner einzigen Bindungsstelle durch den Faktor n für die Zahl identischer Bindungsstellenpro Makromolekül, auch kann hier [A]geb nicht mehr mit [EA] gleichgesetzt werden,vielmehr stellt es die Summe aller mit Liganden gebundener Makromolekülformen dar.

Durch diese Ableitung wurde zwar das richtige Resultat erhalten, die Herleitungwar jedoch vereinfacht. Vernachlässigt wurde die Tatsache, daß nicht ein einziges,sondern vielmehr n Gleichgewichte mit n Dissoziationskonstanten vorliegen:

�� � �� � �� �����������

��� � ��� � �� �������������

��� � � �� � � �������������

��� ��

����� � � ��� � �� ���������������� �

12 1 Multiple Gleichgewichte

Page 23: Enzymkinetik (3. Auflage)

Diese durchaus vorliegenden Gleichgewichte sind zu berücksichtigen und führen zueiner wesentlich komplizierteren Ableitung. Obwohl auch auf diese Weise nur die be-reits auf einfachem Wege erhaltene Gl. (1.23) resultiert, soll hier das vollständigeVerfahren demonstriert werden, da es besonders für komplexere Mechanismen vonBedeutung ist. Der eilige Leser kann getrost zu Abschnitt 1.3.2 überwechseln.

Die Konstanten � � der einzelnen Teilschritte werden als makroskopische Dissoziati-onskonstanten bezeichnet. Der Unterschied zwischen diesen und den mikroskopischen(auch intrinsischen) Dissoziationskonstanten sei an einem einfachen Beispiel verdeut-licht. Ein Makromolekül besäße drei, als 1–3 bezeichnete Bindungsstellen in der An-ordnung 2E1

3 (vgl. Schema 1.1). Der erste an das Makromolekül bindende Ligand kannzwischen diesen drei Bindungsstellen frei auswählen. Für den einfach besetzten Makro-molekül-Ligand-Komplex sind somit drei Formen mit drei mikroskopischen Dissozia-tionskonstanten möglich. Der zweite Ligand kann noch zwischen zwei Bindungsstellenwählen und es ergeben sich 6 Konstanten, während drei Gleichgewichte zur voll gesät-tigten Form führen. Den drei makroskopischen Bindungskonstanten des gesamten Bin-dungsprozesses stehen somit 12 mikroskopische Dissoziationskonstanten gegenüber.

Die makroskopische Bindungskonstante des ersten Schritts ist:

� �� ����������� �

���������� � ���� � ���� �

Die einzelnen Enzymformen werden durch die mikroskopischen Bindungskonstantenersetzt:

A1.3 Makromoleküle mit identischen, unabhängigen Bindungsstellen 13

Schema 1.1. Makroskopische und mikroskopische Bindungskonstanten eines Makromoleküls mit dreiidentischen Bindungsstellen. Die linke E-Form im unteren Schema zeigt die relative Orientierung unddie Bezeichnung der Bindungsstellen. Die Benennung der Konstanten bezieht sich auf die Reihenfol-ge der Besetzung, die jeweils letzte Ziffer gibt die aktuelle Besetzung an.

Page 24: Enzymkinetik (3. Auflage)

�� � ���������� � ���� � ��������

�� � ���������� � ���� �������

��

� � ���������� � ���� � �������

� �� ��

��� �

��� �

Sind die Bindungsstellen 1–3 identisch, dann gilt K1 =K2 =K3 =K und

� �� ��

Entsprechend gilt für den zweiten Bindungsschritt:

� �� ������������� �

����� � ���� � ������������� � ���

�� � �����

��� � ������������ � ����� � ��

�����#��

$�%&' ���$�

� �� �������� � ������� � �������

���� � ����� � ������

Für ��� � �� � ��� � � wird � �� � �. Der dritte Bindungsschritt ist:

� � ������������� �

������ � ����� � �������������

���

��� � ������������

��� ����� � �������

����� $�%&

Für ��� � ��� � ��� � � wird � � � ��� � ��� � ��� � �.

Man erkennt, daß auch bei Gleichheit aller mikroskopischen Konstanten sich diemakroskopischen sowohl von diesen wie auch untereinander für jeden Teilschritt un-terscheiden. Zwischen makroskopischer und mikroskopischer Bindungskonstanten fürn Bindungsstellen gilt die allgemeine Beziehung:

� � � � �

�� �� ��� ������

wobei i der jeweilige Bindungsschritt ist. Ebenfalls abhängig von diesem ist die Zahlder Orientierungsmöglichkeiten � des Liganden auf dem Makromolekül:

14 1 Multiple Gleichgewichte

Page 25: Enzymkinetik (3. Auflage)

� � ��

��� ����� ������

Zur Vereinfachung der Herleitung der allgemeinen Bindungsgleichung wird eine Sät-tigungsfunktion r als Quotient aus dem Anteil des gebundenen Liganden [A]geb undder Gesamtmenge des Makromoleküls [E]0 definiert:

� � ��� !������ ���� � ������ � ���� � � � � ��������� � ���� � ����� � ����� � � � ����� � ������

Die experimentell nicht zugänglichen Konzentrationen der einzelnen Formen des Ma-kromoleküls werden durch die makroskopischen Bindungskonstanten ersetzt:

� �� ����������� � ���� � ������

� ��

� �� ������������� � ����� � �������

� ��� ������

� ��� ��

� � ������������� � ���� � ��������

� �� ������

� ������ �

��� ��

� ���

� �� ����������������

� ����� � ����������� ��

� ���������� ��� � � � �� ��

Damit wird:

� ����� �� �����

� ��� ��� ���

� ������ �� � � �

������ ���

���� � � � � ��

�� ���� ��� ���

� �����

� ���� ���

��� �� � � �

����� ���

���� � � � � ��

�����

����������

� ��

� �

����

���

���������

� ��

������

Für den Fall unabhängiger identischer Bindungsstellen lassen sich die makroskopi-schen Bindungskonstanten der Einzelschritte nach Gl. (1.24) durch eine einheitlichemikroskopische Konstante Kd ersetzen:

A1.3 Makromoleküle mit identischen, unabhängigen Bindungsstellen 15

Page 26: Enzymkinetik (3. Auflage)

� �

��

������

���

�� �� �

� �����

� ��

����

���

��

���

�� �� �

� �����

� ��� ������

Die Produktglieder von Zähler und Nenner sind Binomial-Koeffizienten, die in derfolgenden Weise umgeschrieben werden können:

� ��

����� ���� �

so daß sich Gl. (1.28) in der Form schreiben läßt:

� �

��

����

����

� ��

����

���

����

� �� �

Unter Verwendung des Binomialsatzes kann man den Nenner umschreiben als(1+[A]/Kd)n, für den Zähler wird dagegen der abgeleitete Binomialsatz verwendet:

� ������

� ��� ���

� ����

�� ����

� �� �

Durch Kürzen ergibt sich schließlich die bereits bekannte Form der Bindungsglei-chung:

� � ��� !������ ����

� � ��� � �����

Eine Gleichung dieser Art erstellte 1916 Irvin Langmuir für die Adsorption von Ga-sen an feste Oberflächen. Die Urheberschaft wird daher vielfach diesem Autor zuge-sprochen, obwohl bereits um 1900 A.J. Brown und V. Henri eine vergleichbare Be-ziehung entwickelten, die 1913 von L. Michaelis und M. Menten ausführlich be-schrieben wurde und der als „Michaelis-Menten-Gleichung“ zentrale Bedeutung inder Enzymkinetik zukommt (vgl. Abschnitt 2.2).

Gleichung (1.23) stellt einen einfachen Zusammenhang zwischen den Konzentra-tionen an freiem und gebundenem Liganden her. Bei Variation des ersteren erhältman für die Zunahme des gebundenen Liganden den in Abb. 1.2A gezeigten Kurven-verlauf, der, wie in Abschnitt 2.2 erläutert wird, der Funktion einer rechtwinkligen

16 1 Multiple Gleichgewichte

Page 27: Enzymkinetik (3. Auflage)

Hyperbel gehorcht. Aus dieser Darstellung kann sowohl die DissoziationskonstanteKd, als auch die Zahl der Bindungsstellen n ermittelt werden. Für sehr große Liga-ndenkonzentrationen, d.h. [A]��, geht r�n, da in diesem Fall Kd im Nenner zuvernachlässigen ist. Die Kurve nähert sich asymptotisch dem Sättigungswert, bei demalle vorhandenen Bindungsstellen besetzt sind. Bei der Hälfte dieses Sättigungswer-tes, n/2, nimmt, wie ebenfalls Gl. (1.23) zu entnehmen, die freie Ligandenkonzentra-tion den Wert der Dissoziationskonstanten an: [A]= Kd.

Bei der graphischen Auswertung von Bindungsexperimenten kann der Anteil desgebundenen Liganden [A]geb direkt oder in Form der um die Makromolekülkonzen-tration [E]0 reduzierten Sättigungsfunktion r eingesetzt werden. In beiden Fällen wer-den übereinstimmende Kurvenverläufe erhalten. Im ersten Fall hat die Sättigung denWert n[E]0, im zweiten Fall n, d. h. die zufällig gewählte Makromolekülkonzentrationgeht nicht in die Bestimmung ein und unterschiedliche Experimente sind besser mit-einander vergleichbar. Ist die molare Konzentration des eingesetzten Makromolekülsnicht bekannt, so kann man die um n reduzierte Sättigungsfunktion � verwenden:

� � ��� !������

� ���� � ��� � ���� ��

A1.3 Makromoleküle mit identischen, unabhängigen Bindungsstellen 17

Abb. 1.2. Graphische Auswertungsverfahren von Bindungsdaten. A) Direkte Darstellung, B) halbloga-rithmische Darstellung, C) Diagramm nach Scatchard, D) doppelt-reziproke Darstellung, E) Dia-gramm nach Hanes.

Page 28: Enzymkinetik (3. Auflage)

� , der Anteil des pro Bindungsstelle gebundenen Liganden, nimmt bei Sättigung im-mer den Wert 1 an, d. h. beliebige Meßwerte können darauf normiert werden. �wird daher bei Experimenten verwendet, bei denen der Anteil an gebundenem Ligan-den nur als relative Meßgröße erhalten wird, wie bei spektroskopischen Titrationen(vgl. Abschnitt 1.3.2.1). Es dient auch bei theoretischen Behandlungen, da der Kur-venverlauf von der speziellen Zahl der Bindungsstellen unabhängig immer dem glei-chen Sättigungswert zustrebt. Die Zahl der Bindungsstellen wird jedoch mit dieserFunktion nicht erhalten.

1.3.2 Graphische Darstellungen der allgemeinen Bindungsgleichung

1.3.2.1 Direkte Auswertung

Abbildung 1.2A zeigt die direkte Darstellung von Daten aus Bindungsmessungenund die Bestimmung der Konstanten nach Gl. (1.23). Obwohl diese Art der direktenWiedergabe experimentell erhaltener Daten grundsätzlich empfehlenswert ist, dakeine durch Umrechnung bedingten Verzerrungen auftreten, birgt das Diagrammdoch einige Probleme. Umfaßt der freie Ligand einen breiteren Konzentrationsbe-reich, dann schmiegt sich der vordere Kurventeil so nahe der Ordinate an, daß Kd

schwer zu bestimmen ist. Wird dagegen nur der vordere Bereich aufgetragen, dannist die Sättigung nicht erkennbar. Man kann sich in solchen Fällen durch logarithmi-sche Auftragung der Ligandenkonzentration auf der Abszisse behelfen (Abb. 1.2 B).Diese Form der Darstellung rückt die geringeren Werte, die für die Kd-Bestimmungwichtig sind, besser ins Bild. Die Kurve erhält eine sigmoide Form. Bei Halbsätti-gung hat die Kurve einen Wendepunkt, dessen Abszissenwert log Kd ist.

Nicht-lineare Diagramme zeigen folgende Nachteile:

1) Der Verlauf der Hyperbelfunktion ist bei experimentell erhaltenen, d.h. streuendenWerten, nicht immer eindeutig. Einer gegebenen Punkteverteilung können teilwei-se recht unterschiedliche Kurvenverläufe mit vergleichbarer Zuverlässigkeit ange-paßt werden (vgl. Abb. 2.5, Abschnitt 2.3.1.1).

2) Die Bestimmung der kinetischen Konstanten hängt von der Anpassung der Asym-ptoten ab, die vielfach zu niedrig geschätzt wird.

3) Abweichungen vom hyperbolen Kurvenverlauf infolge artifizieller Einflüsse (sy-stematische Fehler) oder dem Vorliegen anderer Mechanismen sind aus nicht-li-nearen Funktionen schwer erkennbar.

Mit Hilfe nicht-linearer Regressionsverfahren lassen sich zumindest die in Punkt 2aufgeführten Probleme vermeiden und es werden in der Regel zuverlässige Werte fürdie Konstanten erhalten. Nicht aber garantieren solche Verfahren die Vermeidung deranderen Nachteile. Vielmehr vermitteln sie oft den Eindruck zutreffender und objekti-ver Interpretation der Daten. Hierin sind linearisierte Darstellungsformen, die auf derUmformung der Gl. (1.23) in Geradengleichungen basieren, überlegen, da sie charak-teristische Abweichungen vom linearen Verlauf zeigen, wenn die angenommene Glei-chung nicht erfüllt ist. Aus der Art der Abweichung kann bereits auf mögliche ande-re Mechanismen geschlossen werden. Darüber hinaus erlauben solche Diagramme

18 1 Multiple Gleichgewichte

Page 29: Enzymkinetik (3. Auflage)

die Bestimmung der Konstanten durch einfache Extrapolation auf die Koordinate-nachsen. Es gibt insgesamt drei einfache Umformungen von Gl. (1.23) in Gerade-ngleichungen. Jede dieser Darstellungsarten hat wiederum gewisse Nachteile, so daßsich die Auswertung nach mehreren Verfahren empfiehlt, insbesondere bei atypischenKurvenverläufen.

Dem doppelt-reziproken Diagramm nach I. Klotz (1946) liegt die reziproke Formder Gl. (1.23) zugrunde:

�� �

�� �

���� � ������

Bei Auftragung von 1/r gegen 1/[A] wird eine Gerade mit der Steigung Kd/n erhal-ten, die die Ordinate bei 1/n und die Abszisse bei –1/ Kd schneidet (Abb. 1.2D). Die-ses Diagramm hat seine Entsprechung im Lineweaver-Burk-Diagramm der Enzymki-netik (vgl. Abschnitt 2.3.1.3). Dort wird auch ausführlich auf dessen Nachteile einge-gangen, die bei Bindungsmessungen noch gravierender sind, da durch die starkeKomprimierung der Werte im hohen Konzentrationsbereich infolge der reziprokenAuftragung eine exakte Bestimmung von n schwierig ist. Zusätzlich verursacht diereziproke Auftragung eine beträchtliche Verzerrung der Fehlergrenzen, so daß dieAnwendung einfacher nicht-linearer Regressionsverfahren ohne Berücksichtigung ge-eigneter Gewichtungsfaktoren unzulässig ist.

Wesentlich günstiger ist das von G. Scatchard (1949) beschriebene (dem Eadie-Hofstee-Diagramm der Enzymkinetik entsprechende) Diagramm. Multiplikation vonGl. (1.29) mit rn/Kd führt zur Beziehung:

��� ��

� � �

� � �����

wobei r gegen r/[A] aufgetragen wird (Abb. 1.2 C). Bei diesem Diagramm ist n di-rekt aus dem Abszissenschnittpunkt der Geraden abzulesen. Der Ordinatenschnitt-punkt hat den Wert n/Kd , die Steigung ist –1/Kd. Die Fehlergrenzen weiten sich so-wohl zu geringeren wie zu hohen Ligandenkonzentrationen auf. Diese relativ symme-trische Fehlerverzerrung macht die Anwendung einfacher linearer Regressionen unterVorbehalt möglich.

Durch Multiplikation von Gl. (1.29) mit [A] erhält man die in der Enzymkinetikals Hanes-Diagramm gebräuchliche Darstellungsform

����� ���

�� �

�� �����

bei der [A] gegen [A]/r aufgetragen wird (Abb. 1.2 E). Dieses Diagramm findet beiBindungsmessungen wenig Verwendung, da n nur aus der Steigung (1/n) oder zusam-men mit Kd aus dem Ordinatenschnittpunkt (Kd/n) erhalten wird, so daß sich ein Feh-ler in der Bestimmung der einen Konstanten auch auf die andere überträgt. Die Feh-lerverzerrung ist in diesem Diagramm allerdings geringer als in den beiden anderenDiagrammen. Dieses hat zusammen mit dem Scatchard-Diagramm den Nachteil, daßdie beiden Variablen durch die Achsen nicht getrennt werden.

A1.3 Makromoleküle mit identischen, unabhängigen Bindungsstellen 19

Page 30: Enzymkinetik (3. Auflage)

1.3.2.2 Auswertung von Bindungskurvenaus optischen Titrationsverfahren

Die bisher besprochenen Auswertungsverfahren gehen davon aus, daß die Menge desfreien Liganden [A] im Gleichgewicht bekannt ist. Bei verschiedenen Bindungsmetho-den, insbesondere bei spektroskopischen Titrationen (vgl. Abschnitt 3.4.1.5), wird [A]jedoch nicht unmittelbar aus der Messung erhalten. Das gleiche gilt auch für enzymki-netische Messungen. Dort wird das Problem durch die Vereinfachung [A]0= [A] umgan-gen, was aufgrund der in der Enzymkinetik generell geltenden Vorbedingung[E]� [A]0 näherungsweise zulässig ist. Damit wird auch der Anteil an gebundenemLiganden gering gegenüber der Gesamtmenge, [A]geb� [A]0, die Gesamtmenge desLiganden wird durch die Bindung kaum verändert, der überwiegende Teil des zugege-benen Liganden verbleibt in freier Form. Bei Bindungsmessungen sind die Verhältnissevöllig anders. Als gleichberechtigte Partner werden Makromoleküle und Ligand in ver-gleichbarer Menge eingesetzt. Die Gesamtmenge des Liganden wird durch den Anteildes gebundenen spürbar reduziert, [A]0 ist nicht mehr mit [A] gleichzusetzen. Dies be-dingt, daß die aus optischen Titrationen erhaltenen Sättigungsfunktionen nicht mehrdem durch Gl. (1.23) beschriebenen hyperbolen Verlauf folgen (Abb. 1.3A) und daherauch nicht nach den bisher besprochenen Verfahren ausgewertet werden können. Weiterwird der Anteil an [A]geb nur als ein dem Sättigungsgrad des Makromoleküls propor-tionales optisches Meßsignal und nicht in molaren Einheiten erhalten.

Zur Auswertung optischer Titrationen wird eine Asymptote an die Kurve im Be-reich der Sättigung gelegt (Abb. 1.3 A). Gegenüber einer hyperbolen Sättigungsfunkti-on nähert sich die Titrationskurve rascher der Sättigung, die Asymptotenbildung istdaher zuverlässiger. Der Ordinatenschnittpunkt der Asymptote ist x·n[E]0, x ist einvom Meßsignal abhängiger Proportionalitätsfaktor. Der Sättigungswert x·n[E]0 wirdwillkürlich 1 gesetzt und alle Ordinatenwerte darauf bezogen. Sie entsprechen dannder in Gl. (1.23a) definierten Sättigungsfunktion � . Durch den Koordinatenursprungwird eine Tangente an die im Anfangsbereich bei niederer Ligandenkonzentration na-hezu linear ansteigenden Werte gelegt. Beide Geraden schneiden sich beim Abszis-

20 1 Multiple Gleichgewichte

Abb. 1.3. Auswertung spektroskopischer Titrationen. A) Direkte Auftragung, B) Diagramm nachStockell.

Page 31: Enzymkinetik (3. Auflage)

senwert [A]0 =n[E]0. Daraus erhält man n und mit dessen Kenntnis läßt sich auch derProportionalitätsfaktor x bestimmen und damit die Ordinatenwerte in [A]geb umrech-nen. Werden diese von den zugehörigen Abszissenwerten [A]

0abgezogen, resultieren

die Werte für [A]. Damit können die Daten nun nach den in Abb. 1.2 gezeigten Dia-grammen ausgewertet werden. [A] ergibt sich aus der Titrationskurve auch graphisch,wie in Abb. 1.3A gezeigt. Während die gesamte Distanz von der Ordinaten zu einembestimmten Meßpunkt [A]0 ist, beträgt der Abszissenabschnitt bis zur Ursprungstan-genten [A]geb und von dort zum Meßpunkt [A]. Diese Tangente entspricht einem Bin-dungsverhalten bei unendlich hoher Affinität (Kd�0), wobei der Ligand vollständigan das Makromolekül bindet ([A]0 = [A]geb), so daß kein ungebundener Ligand in derLösung verbleibt. Sind jedoch alle Bindungsstellen abgesättigt, dann kann weiter zu-gesetzter Ligand nur noch in freier Form vorliegen ([A]0 = [A]), die Bindungskurvegeht in die Sättigungsasymptote über. In dem Maße wie, bei endlicher Affinität inrealen Systemen, bereits vor Erreichen der vollen Absättigung freier Ligand auftritt,weicht die tatsächliche Meßkurve von der idealen Form ab. Das Abweichen ist eindirektes Maß des freien Liganden, d.h. die Kurvenform läßt bereits die Stärke derAffinität erkennen. Kurven hoher Affinitäten schmiegen sich enger den beiden Asym-ptoten an als solche geringerer Affinität. Im letzteren Fall ist die tatsächliche Lageder Geraden schwerer erkennbar und insbesondere die Ursprungstangente wird zuflach angelegt, was gravierende Abweichungen bei der Auswertung zur Folge hat.Auch zu geringe Konzentrationen des konstant gehaltenen Makromoleküls [E]0 be-dingen zu flache Kurvenverläufe.

Eine direkte Linearisierung von Bindungskurven bei optischen Titrationen ist nachA. Stockell (1959) möglich, wenn in Gl. (1.29) für r= n� = n[EA]/[E]0 gesetzt wirdund [A]geb =n[EA]:

�� �� �

���� � ����� � �� �

���� � �� �����

Durch Umformung erhält man über

������ ���� � �������� �� � �

die Gleichung:

���������

� �

������� �� � � � �����

Diese Gleichung enthält nur noch bekannte bzw. direkt bestimmbare Größen und er-gibt bei Auftragung von [A]0/[E]0� gegen 1/[E]0 (1–�) eine Gerade mit der SteigungKd, dem Ordinatenschnittpunkt n und dem Abszissenschnittpunkt –n/Kd (Abb. 1.3 B).Bei dieser Art der Auswertung kann, im Gegensatz zu den Linearisierungsverfahrenvon Gl. (1.23), der Sättigungswert nicht durch Extrapolation gewonnen werden, son-dern ist zur Definition von � =1 der Asymptoten der Sättigungskurve (Abb. 1.3 A) zu

A1.3 Makromoleküle mit identischen, unabhängigen Bindungsstellen 21

Page 32: Enzymkinetik (3. Auflage)

entnehmen. Daher sind die Messungen bis weit in den Sättigungsbereich hinein fort-zusetzen. Das Stockell-Diagramm reagiert empfindlich auf Abweichungen der Meß-werte vom normalen Kurvenverlauf, so daß eine zuverlässige Auswertung nur beisehr geringen Fehlerstreuungen möglich ist. Auch ist dieses Diagramm beim Vorlie-gen anderer Mechanismen schwieriger zu interpretieren als die direkten Linearisie-rungsverfahren.

Nach dem Auswertungsverfahren für Bindungskurven von P. Job (1928) wird dieGesamtkonzentration von Ligand und Makromolekül konstant gehalten und nur dasmolare Verhältnis beider Komponenten verändert. X ist die Molfraktion des Makro-moleküls und Y die des Liganden, X+Y=1. Dieses Verhältnis wird gegen einen Para-meter der Komplexbildung, z. B. [A]geb, ein optisches Signal oder die Enzymaktivi-tät, aufgetragen. Abbildung 1.4 zeigt den Kurvenverlauf. An den Stellen X =0 undY=0 werden Tangenten angelegt, deren gemeinsamer Schnittpunkt den Wert

��

��� � � � �

� � �����

hat. Xi und Yi sind die Molfraktionen von Enzym und Ligand an der Stelle desSchnittpunkts, c0 = [E]0+[A]0 ist die konstant gehaltene Gesamtkonzentration an Ma-kromolekül und Ligand. Für c0 Kd wird Yi /Xi =n. In diesem Fall ist die Stöchio-metrie der Bindung aus dem Verhältnis der Molfraktionen am Tangentenschnittpunktabzulesen. Für c0�Kd wird Yi/Xi =1, der Kurvenverlauf nimmt eine symmetrischeForm an und der Schnittpunkt ergibt, unabhängig von der tatsächlichen Zahl der Bin-dungsstellen, den Wert 1. Es liegt darin eine Schwäche des Job-Diagramms, die abervermieden wird, solange die Summe von Makromolekül- und Ligandenkonzentrationüber dem Wert der Dissoziationskonstanten liegt. Bei Kenntnis von n läßt sich Kd

aus Gl. (1.33) errechnen, wobei hierfür die Bedingung c0�Kd vorteilhaft ist. Auchkann Kd aus dem Maximum der Kurve in Abb. 1.4 nach der Beziehung

� � ���� �� ��� ����

�����

22 1 Multiple Gleichgewichte

Abb. 1.4. Auswertung von Bindungsdaten nachP. Job.

Page 33: Enzymkinetik (3. Auflage)

erhalten werden, wobei � das Verhältnis des Meßwerts beim Maximum Mm zum Sät-tigungswert M� ist.

Weitere Verfahren zur Auswertung von Bindungsdaten aus spektroskopischen Ti-trationen sind in Abschnitt 2.3.1.1 beschrieben.

1.3.3 Bindung verschiedener Liganden, Kompetition

Aufgrund der hohen Bindungsspezifität von Proteinen und insbesondere von Enzy-men wird in der Regel nur der von der Natur vorgesehene Ligand, z. B. das Enzym-substrat, gebunden und alle anderen Verbindungen ausgeschlossen. Diese Selektionkann jedoch nicht absolut sein und, abhängig von der speziellen Beschaffenheit derBindungsstelle und deren Bindungsaffinität, werden, trotz hoher Spezifität, struktur-analoge Verbindungen im Maße ihrer Homologie zum natürlichen Liganden mehroder minder gut akzeptiert. Bestimmte Verbindungen sind aufgrund besondererWechselwirkungen mit den Bindungszentren sogar in der Lage, deutlich stärker zubinden als der eigentliche Ligand. Analoge Verbindungen des Liganden entwickelnmanchmal gleichartige Wirkungen wie dieser, meistens sind sie jedoch selbst inaktiv,blockieren aber die Bindungsstelle für den eigentlichen Liganden und wirken durchdessen Verdrängung antagonistisch. Dieser Vorgang der Konkurrenz um eine Bin-dungsstelle, der Kompetition, kann dazu dienen, die spezifische Bindung von Ligan-den nachzuweisen, auch beruht auf ihr die Wirkung vieler (antagonistischer) Arznei-mittel und Drogen (z. B. �-Rezeptor-Blocker). Der Mechanismus der Kompetitionläßt sich folgendermaßen formulieren:

Die Bindungsaffinitäten sind durch die Dissoziationskonstanten

�� � ���������� $� �� � ���������� ���� ��

ausgedrückt. Die Gesamtmenge an Makromolekül ist

���� � ��� � ���� � ���� �

Nach Gl. (1.35 a) lassen sich [E] und [EB] durch KA und KB ersetzen:

���� ����������

�� �����

� �� ���� �

A1.3 Makromoleküle mit identischen, unabhängigen Bindungsstellen 23

Page 34: Enzymkinetik (3. Auflage)

Durch Umstellung wird daraus:

���� � ���������� � �� �� ���

��

� � �

Für ein Makromolekül mit n Bindungsstellen ergibt sich, wie für Gl. (1.23) disku-tiert, die Beziehung

� � ������� � �� �� ���

��

� � � �����

Die doppelt-reziproke Form lautet:

�� �

�� ��

���� �� �����

� ������

und die Scatchard-Gleichung:

��� ��

�� �� �����

� �� �

�� �� �����

� � � �����

Gegenüber der einfachen Bindungsgleichung erscheinen nun zwei variable Konzen-trationsglieder, doch sind die einfachen Beziehungen weiter anwendbar, solange eineKomponente, z. B. B, während der Variation der anderen als konstant betrachtet wer-den kann. Damit bleibt auch der Klammerausdruck konstant, KA erhöht sich schein-bar um diesen Wert. Es werden aber weiterhin hyperbole Kurven erhalten. Eine zwei-te Meßreihe mit veränderter Konzentration [B]2, die aber innerhalb der Meßreihekonstant bleibt, ergibt ebenfalls eine hyperbole Kurve, jedoch mit anderer Steilheit,da das scheinbare KA wieder einen anderen Wert annimmt (Abb. 1.5A). Da Gl.(1.23) erfüllt ist, lassen sich die Kurven auch mit den entsprechenden graphischenVerfahren linearisieren, nur wird anstelle von KA der um den Klammerausdruck ver-änderte Wert erhalten. Dagegen bleibt der Sättigungswert n unverändert. So besitzenim doppelt-reziproken Diagramm (Abb. 1.5 B) alle Geraden einen gemeinsamen Ordi-natenschnittpunkt, im Scatchard-Diagramm (Abb. 1.5 C) treffen sie sich auf der Ab-szisse. Solche Geraden-Muster sind charakteristisch für die Kompetition zweier Li-ganden um die gleiche Bindungsstelle. Geht [A]��, so wird B aus allen Bindungs-stellen verdrängt (und umgekehrt).

Zur Bestimmung der Dissoziationskonstanten für A und B kann man zunächst,wie für die einfache Gl. (1.23) beschrieben, KA in Abwesenheit von B bestimmen,z. B. beim doppelt-reziproken Diagramm aus dem Abszissenschnittpunkt(Abb. 1.2 D). In Anwesenheit von B läßt sich auf gleichem Wege KB erhalten, wennanstelle von KA der Ausdruck KA(1+[B]/KB) gesetzt wird, da [B] bekannt und KA be-

24 1 Multiple Gleichgewichte

Page 35: Enzymkinetik (3. Auflage)

reits bestimmt ist. Weitere Verfahren zur Auswertung von Kompetitionen sind Ab-schnitt 2.5.1.3 beschrieben.

Für den Fall, daß B zwar die Bindung von A an das Makromolekül beeinflußt,diesen Liganden aber nicht vollständig verdrängen kann (z. B. durch Bindung in un-mittelbarer Nachbarschaft von A oder durch Induktion einer die Bindungsstelle vonA beeinflussenden Konformationsänderung des Makromoleküls), gilt folgender Me-chanismus:

Gegenüber dem kompetitiven Mechanismus werden, neben Gl. (1.35 a), zwei weitereDissoziationskonstanten erhalten:

� �� ������������� $� � �� �

������������ � ���� ��

A1.3 Makromoleküle mit identischen, unabhängigen Bindungsstellen 25

+

Abb. 1.5. Kompetition zweier Liganden um eine Bindungsstelle. Die Konzentration von A wird vari-iert bei unterschiedlichen, jeweils konstant gehaltenen Mengen von B. A) Direkte Auftragung, B)doppelt-reziproke Darstellung, C) Diagramm nach Scatchard, D) Diagramm nach Hanes.

Page 36: Enzymkinetik (3. Auflage)

die nach Gl. (1.35 a) und (1.35 b) zusammenhängen:

��

��� � ��

� ��� �����

Damit lassen sich aus der Beziehung für die Gesamtmenge des Makromoleküls

���� � ��� � ���� � ���� � �����

die einzelnen Enzymformen durch Konstanten ersetzen:

���� � ��� �������

��� ������

��� ���������

��� ���

��� � ������ ���

��� ���

��� ������

��� ��

Der Anteil des gebundenen Liganden [A]geb ist

��� !� � ���� � ����� �������

��� ���������

��� ���

��� !� ��������

���� ���

� ��

� �

�� ������ ���

��� ������

��� ��

Bei Ersatz von [A]geb durch r=[A]geb/[E]0 unter Annahme von n Bindungsstellenund bei Multiplikation mit KA ergibt sich Gleichung:

� ����� �� ���

� ��

� �

�� �� �����

� �� ��� �� ���

� ��

� � � ������

Eine gegenseitige Beeinflussung der Bindung der Liganden erfolgt nur für den Fall���� ��, ���� ��, während sich Gl. (1.40) für �� =� ��, �� =� �� zur normalen Bin-dungsgleichung 1.23 reduziert. Jeder Ligand bindet dann unabhängig vom anderen.In den linearisierten Darstellungen werden, gemäß den Gleichungen für das doppelt-reziproke Diagramm

�� �

��

�� �� �����

� �

���� �� ���� ��

� �� ������

26 1 Multiple Gleichgewichte

Page 37: Enzymkinetik (3. Auflage)

und das Scatchard-Diagramm

��� � �

�� ���� ��

� �

�� �� �����

� �� �

�� ���� ��

� �

�� �� �����

� � � ������

Geradenscharen mit gemeinsamen Schnittpunkten erhalten, die ebenso liegen wie imFalle der Kompetition (Abb. 1.5), so daß beide Mechanismen nicht zu unterscheidensind. Darin liegt eine Gefahr, Kompetitionsexperimente falsch zu interpretieren. Un-terschieden werden können beide Mechanismen durch die in der Enzymkinetik häu-fig verwendeten Sekundärauftragungen (Abschnitt 2.5.1.2), wo die Geradensteigun-gen (beim Scatchard-Diagramm die positiven reziproken Werte der Steigungen) ge-gen den konstant gehaltenen Liganden B aufgetragen werden. Beim kompetitivenMechanismus wird eine Gerade mit dem Abszissenschnittpunkt – KB erhalten. ImFalle getrennter Ligandenbindung ergibt das Sekundärdiagramm gekrümmte Kurven.

Die Wechselwirkungen unterschiedlicher Liganden mit dem Makromolekül habenihre Entsprechung bei der reversiblen Enzymhemmung (Abschnitt 2.5.1), wobei dieKompetition der kompetitiven Hemmung, der zuletzt dargestellte Mechanismus dage-gen einer partiell kompetitiven Hemmung entspricht. Diese Analogie folgt daraus,daß [A]geb sich aus [EA] und [EAB] zusammensetzt, wie auch bei der partiell kom-petitiven Hemmung Enzym-Substrat-Komplex und Enzym-Substrat-Hemmstoff-Kom-plex als gleich aktiv gelten.

1.4 Makromoleküle mit nicht-identischen,unabhängigen Bindungsstellen

Verschiedene Makromoleküle, wie Enzyme oder Membranrezeptoren, besitzen fürden gleichen Liganden unterschiedliche Bindungszentren. Diese können auf der glei-chen Untereinheit liegen, häufig jedoch sind unterschiedliche Bindungszentren einHinweis für das Vorliegen nicht-identischer Untereinheiten, wie bei der aus jeweilszwei Untereinheiten vom �- und �-Typ bestehenden Tryptophan-Synthase aus Esche-richia coli (�2�2), die beide das Zwischenprodukt Indol binden können. Ein Makro-molekül kann somit mehrere Bindungsklassen mit jeweils mehreren identischen Bin-dungsstellen (n1, n2, n3 usw.) besitzen.

Es ist offenkundig, daß Liganden zunächst die Stelle höchster Affinität und erstmit steigender Konzentration die niederaffinen Bindungsstellen besetzen. Bei unab-hängiger Bindung der Liganden an die verschiedenartigen Zentren gilt für jedes Zen-trum die allgemeine Bindungsgleichung 1.23, der Gesamtvorgang ist also eine Sum-me der Einzelvorgänge:

� � ������ � � ��� �

������ � � ��� � � � �

������ � � ��� � �����

A1.4 Makromoleküle mit nicht-identischen, unabhängigen Bindungsstellen 27

Page 38: Enzymkinetik (3. Auflage)

Kd1, Kd2 usw. sind die Dissoziationskonstanten der unterschiedlichen Bindungsklas-sen. Jeder Vorgang für sich folgt einer normalen hyperbolen Sättigungsfunktion. AlsGesamtfunktion resultiert eine Überlagerung zweier oder mehrerer Hyperbeln(Abb. 1.6 A). Im niederen Konzentrationsbereich des Liganden erfolgt zunächst einsteiler Anstieg durch die Besetzung der hochaffinen Stellen. Wo diese Funktion derSättigung zustrebt, setzt die Besetzung der niederaffinen Stellen ein und läßt die re-sultierende Kurve weiter ansteigen. Im Vergleich zu einer einfachen hyperbolenFunktion fällt daher der vordere steile Anstieg und ein langes Auslaufen zur Sätti-gung auf, dessen Ausprägung vom relativen Verhältnis der Bindungskonstanten undder Anzahl gleichartiger Zentren innerhalb der verschiedenen Bindungsklassen ab-hängt. Daher ist auch diese Art des Abweichens von einer normalen Hyperbel nichtleicht erkennbar, wie auch eine Bestimmung der Konstanten aus dieser Kurve nichtsinnvoll ist. Es erweist sich hier der Vorteil linearisierter Darstellungen, die für die-sen Mechanismus ein charakteristisches Abweichen vom linearen Verlauf zeigen. Diejeweiligen Kurvenformen resultieren aus einer Überlagerung zweier oder mehrererGeraden, wie in Abb. 1.6 B–D gezeigt. Im doppelt-reziproken Diagramm (Abb. 1.6 B)und im Diagramm nach Hanes (Abb. 1.6 D) weicht die Kurve nach rechts unten vomlinearen Verlauf ab, im Scatchard-Diagramm (Abb. 1.6 C) erscheint die Kurve alsÜbergang von einer steilen zu einer flachen Geraden.

28 1 Multiple Gleichgewichte

Abb. 1.6. Bindung eines Liganden an zwei Bindungsstellen unterschiedlicher Affinität. Gezeigt sinddie Kurven für die separate Bindung an die nieder- und hochaffine Bindungsstelle und die aus beidenAnteilen resultierenden Kurvenverläufe. A) Direkte Darstellung, B) doppelt-reziprokes Diagramm, C)Scatchard-Diagramm, D) Hanes-Diagramm.

Page 39: Enzymkinetik (3. Auflage)

Die Auswertung solcher Kurven gestaltet sich nicht ganz einfach. Die Gesamtzahlaller Bindungsstellen des Makromoleküls für den Liganden kann durch Extrapolationder Kurve auf die Ordinate im Falle der doppelt-reziproken Auftragung und auf dieAbszisse beim Scatchard-Diagramm erhalten werden. Nicht direkt bestimmbar sinddie Anzahl der Bindungsklassen, die Zahl identischer Bindungsstellen pro Bindungs-klasse und die zugehörigen Bindungskonstanten. Liegen, wie in der Mehrzahl derFälle, nur zwei Bindungsklassen vor, dann kann man davon ausgehen, daß in den bei-den Extrembereichen der Ligandenkonzentration jeweils nur eine Bindungsklassevorherrscht. Im niederen Substratbereich werden vorzüglich die hochaffinen, im Be-reich der Sättigung dagegen die niederaffinen Zentren besetzt. Trotzdem wäre derSchluß nicht korrekt, die beiden Kurvenenden repräsentierten die getrennten Bin-dungsklassen und aus Tangenten an diese ließen sich die Konstanten direkt ermitteln,wie sich aus Abb. 1.6 B–D erkennen läßt. Näherungsweise kann man beim Scatchard-Diagramm (Abb. 1.6C) diese Tangenten derart parallel verschieben, daß die Summeihrer Ordinatenschnittpunkte dem Ordinatenschnittpunkt der experimentellen Kurveentspricht. Nach einem graphischen Verfahren nach Rosenthal (1967) erhält man dieresultierende Bindungskurve aus zwei solcher Geraden mit Hilfe von Ursprungsgera-den. Die Summe der Strecken vom Koordinatenursprung zu jeder der beiden Geradenentspricht einem Punkt der resultierenden Bindungskurve (Abb. 1.7). Eine rechneri-sche Analyse solcher Kurvenverläufe gelingt auch mit geeigneten Computerprogram-men durch numerische Parameteranpassung oder mit Hilfe der Methode der kleinstenFehlerquadrate (Weder et al., 1974). Solche Verfahren ermöglichen auch die Analysevon Kurven mit mehr als zwei Bindungsklassen. Trotzdem ist es schwierig, solcheFälle allein anhand von Bindungskurven nachzuweisen, da sich die Kurven für dreiund mehr Bindungsklassen in ihrer Form nur wenig von denjenigen für zwei Bin-dungsklassen unterscheiden. Auch finden sich ähnliche Kurvenverläufe bei Isoenzy-men, bei negativer Kooperativität und bei Halbseitenreaktivität (vgl. Abschnitt 1.5.6).

A1.4 Makromoleküle mit nicht-identischen, unabhängigen Bindungsstellen 29

Abb. 1.7. Graphisches Verfahren der Analyseeiner Bindungskurve mit zwei Bindungsklassennach Rosenthal (1967). 1 und 2 sind die Ge-raden der separaten Bindungsklassen, die Ur-sprungsgerade hat die Steigung 1/[A]. IhrSchnittpunkt P mit der Meßkurve mit seinenKoordinaten [A]geb//[A]geb/[A] ist die Summeder Bindungskoordinaten der Schnittpunkte P1

und P2 mit den Geraden der separaten Bin-dungsklassen.

Page 40: Enzymkinetik (3. Auflage)

1.5 Makromoleküle mit identischen,sich beeinflussenden Bindungsstellen, Kooperativität

1.5.1 Hill-Gleichung

Seit hundert Jahren ist bekannt, daß die Bindung von Sauerstoff an Hämoglobin keinereinfachen, hyperbolen Funktion gehorcht, sondern einen charakteristischen S-förmigenoder sigmoiden Verlauf nimmt, während die Bindung an das eng verwandte Myoglobinvöllig normal ist (Abb. 1.8). Dieses auffallende Verhalten gab seither den Anstoß füreine Vielzahl theoretischer und methodischer Studien. Noch größeres Interesse gewanndieses Phänomen, als vergleichbare Sättigungskurven auch bei Enzymen gefunden wur-den, die Schlüsselpositionen im Stoffwechsel innehaben. Damit wurde offenkundig, daßsich hierin ein wichtiges regulatorisches Prinzip der Zelle verbirgt.

Einen ersten Erklärungsversuch unternahm 1910 A.V. Hill, der postulierte, daß anein Hämoglobinmolekül mehrere (n) Sauerstoffmoleküle gleichzeitig binden:

�� �� ��� � ������

Das Massenwirkungsgesetz für dieses Reaktionsgleichgewicht lautet:

� � �������

����� � ������

Eine Bindungsgleichung kann in analoger Weise, wie für Gl. (1.23) gezeigt, hergelei-tet werden, nur daß [A] durch [A]n zu ersetzen ist:

� � ������ � ���� � ������

30 1 Multiple Gleichgewichte

Abb. 1.8. Sauerstoffsättigungskurven für Myoglobin und Hämoglobin (nach Perutz, M.F. 1978, Scien-tific American 239, 6, 68–86).

Page 41: Enzymkinetik (3. Auflage)

Diese Hill-Gleichung beschreibt sigmoide Bindungskurven, wie sie für das Hämoglo-bin gefunden wurden. Um n, die Zahl der pro Hämoglobin gebundenen Ligandenmo-leküle, zu bestimmen, überführte Hill Gleichung (1.46) durch Logarithmieren in einelineare Form, wobei r durch � � ��� ersetzt wurde:

�� �� ���

� �

() �

�� �� � � () ��� � () � � ������

Logarithmische Auftragung von ����� �� gegen die Ligandkonzentration ergibteine Gerade mit der Steigung n (Abb. 1.9). Die Zahl der bindenden Sauerstoffmole-küle wäre demnach direkt aus der Steigung abzulesen. Tatsächlich lassen sich aberdie von Hämoglobin und verschiedenen Enzymen erhaltenen sigmoiden Bindungskur-ven in einem solchen Hill-Diagramm weder linearisieren noch ergibt die Steigungden erwarteten Wert von 4 für die Zahl der Bindungsstellen. Vielmehr bekommenalle experimentell erhaltenen sigmoiden Kurven in diesem Diagramm einen charakte-ristischen dreiphasigen Verlauf. Bei geringen Substratkonzentrationen ist die Kurvelinear mit einer Steigung von 1, die im mittleren Sättigungsbereich auf einen maxi-malen Wert, beim Hämoglobin um 2,8, ansteigt und im Sättigungsbereich wieder zueiner Geraden der Steigung 1 zurückkehrt (Abb. 1.9). Hyperbole, der einfachen Bin-dungsgleichung gehorchenden Kurven, ergeben, unabhängig von der Zahl der Bin-dungsstellen des Makromoleküls, im Hill-Diagramm immer Geraden mit einer Stei-gung von 1. Dieses Diagramm wäre demnach eine weitere Möglichkeit der linearenDarstellung der allgemeinen Bindungsgleichung, doch bietet es gegenüber den bereitsbeschriebenen Verfahren keine besonderen Vorteile. Vielmehr sind die Konstantenumständlicher zu ermitteln. So entspricht Kd dem Abszissenwert an der Stelle����� �� � � (Halbsättigung).

A1.5 Makromoleküle mit identischen, sich beeinflussenden Bindungsstellen, Kooperativi-

Abb. 1.9. Hill-Diagramm für die Fällepositiver und negativer Kooperativität.Die gepunkteten Tangenten an die Kur-ven im unteren und oberen Liganden-bereich haben die Steigung 1 und ent-sprechen einer normalen, hyperbolenBindung. Der Hill-Koeffizient ist dieSteigung der gestrichelten Tangentenan die Bereiche maximaler Ab-weichung.

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1.5.2 Adair-Gleichung

G.S. Adair (1925) erbrachte den Nachweis, daß Hämoglobin tatsächlich aus vier Un-tereinheiten besteht und konnte somit zeigen, daß weder die Zahl der Bindungsstel-len der Steigung des Hill-Diagramms zu entnehmen ist noch die Hill-Gleichung dieBindungsverhältnisse hinreichend beschreibt. Sie berücksichtigt nicht, daß mehrereBindungsstellen auf einem Makromolekül nacheinander in einer Folge einzelner Re-aktionsschritte besetzt werden, wie bereits für die allgemeine Bindungsgleichung inAbschnitt 1.3.1 formuliert. Tatsächlich ist der der Hill-Gleichung zugrunde gelegteMechanismus der Reaktionsgleichung (1.44) die Summierung aller Einzelschritte,wobei die Zwischenformen EA bis EAn–1 eliminiert und daher als nicht vorhandenangesehen werden. Um einem solchen Mechanismus zu genügen, müßten alle Liga-ndenmoleküle gleichzeitig an das Makromolekül binden und dieses in einem einzi-gen Schritt völlig absättigen. Teilgesättigte Formen dürften nicht auftreten. Ein sol-cher Mechanismus ist schwer vorstellbar, da sich die Liganden nicht gegenseitig ab-sprechen können und ein einzelnes Ligandenmolekül nicht daran gehindert werdenkann, alleine eine freie Bindungsstelle zu besetzen. Näherungsweise finden sich Vor-gänge solcher Art bei Kristallisationen und Polymerisationen aus übersättigten Lö-sungen, wo die Bildung einer Keimzelle der limitierende Prozeß ist und selbst Tageund Wochen dauern kann. Findet dieser Schritt jedoch statt, dann setzt die Kristalli-sation der gesamten Lösung nahezu augenblicklich ein. Übertragen auf ein Makromo-lekül mit einer begrenzten Anzahl von Bindungsstellen wäre zu fordern, daß diesenahezu keine Affinität zum Liganden besitzen. Tritt schließlich doch ein Ligand inWechselwirkung mit einer Bindungsstelle, so steigert sich die Affinität der noch frei-en Bindungsstellen des Makromoleküls derart drastisch, daß diese in unmittelbarerFolge besetzt werden. Der erste Ligand macht den Weg frei und verhilft den nachfol-genden zur Bindung. Diese Art von Bindung bezeichnet man als Kooperativität.

Zur Beschreibung der sigmoiden Bindungskurve des Sauerstoffs beim Hämoglobinentwickelte Adair eine Gleichung unter Einbeziehung der Einzelschritte der Bindung.Das Vorgehen entspricht prinzipiell demjenigen für die allgemeine Bindungsglei-chung, nur werden die Konstanten für die einzelnen Teilschritte als unterschiedlichangenommen und sind daher nicht durch eine einzige Konstante zu ersetzen. In dernach Gl. (1.26) definierten Sättigungsfunktion r werden die verschiedenen Enzymfor-men durch die makroskopischen Dissoziationskonstanten der Teilschritte ersetzt undso die bereits in Abschnitt 1.3.1 hergeleitete Adair-Gleichung (1.27) erhalten:

� ����� ��� �����

� ��� ��� ���

� �������

� � � ������

� ��� ���� � � � � ��

�� ���� ��� ���

� ��� ��� ���

� ��� ����

� � � �����

� ������ �

������

Für die direkte Auswertung experimenteller Daten eignet sich diese Gleichung weni-ger, da die verschiedenen Konstanten nicht unmittelbar bestimmbar sind. Umgekehrtlassen sich aber durch willkürliche Vorgabe bestimmter Werte Kurvenverläufe simu-lieren und experimentell erhaltenen Daten anpassen. Sigmoide Sättigungskurven re-

32 1 Multiple Gleichgewichte

Page 43: Enzymkinetik (3. Auflage)

sultieren, wenn die Konstanten vom ersten zum letzten Bindungsschritt abnehmen, al-so die Affinität der Bindungsstellen mit dem Besetzungsgrad zunimmt. Diese Kurvenzeigen nun auch im Hill-Diagramm den beobachteten dreiphasigen Verlauf und derWert der maximalen Steigung ist geringer als die tatsächlich vorliegende Zahl derBindungsstellen, wie es bei realen Systemen beobachtet wird. Die Steigung hängt abvom relativen Verhältnis der Konstanten zueinander. Sie wird steiler und nähert sichder Zahl der Bindungsstellen, je mehr die Konstanten der Teilschritte im oben ange-gebenen Sinne divergieren, d. h. je stärker die Kooperativität ausgeprägt wird. Keines-falls aber kann der Wert der Steigung die Zahl identischer Bindungsstellen überstei-gen. Umgekehrt geht die Steigung in dem Maße gegen 1, wie sich die Konstanteneinander annähern. Das Adairsche Modell ist demnach eine Verfeinerung der Vorstel-lung von Hill: anstatt der simultanen Besetzung aller Bindungsstellen wird eine se-quenzielle Bindung mit steigender Affinität angenommen.

Obwohl die Adair-Gleichung, im Gegensatz zur Hill-Gleichung, experimentell er-haltene Bindungskurven vollständig beschreiben kann, bleibt sie dennoch unbefriedi-gend, da ihr kein plausibler Bindungsmechanismus zugrunde liegt. Der AdairscheMechanismus unterstellt, daß sich nicht die Bindungsstellen des Makromoleküls, son-dern die Bindungsschritte in ihrer Affinität unterscheiden. Alle Bindungsstellen sindgleich, aber jeder Bindungsschritt geht mit einer definierten Änderung der Affinitätenaller noch unbesetzten Stellen einher. So würde beim Hämoglobin mit zunächst vieridentischen Bindungsstellen die zuletzt besetzte Stelle viermal ihre Affinität ändern,von � �� nach � ��. Es ist ein formaler Mechanismus, der nichts darüber aussagt, wiedas Makromolekül die Affinitätsänderungen realisiert.

1.5.3 Paulingsches Modell

Die erste plausible Beschreibung kooperativer Phänomene stammt von Linus Pauling(1935), der ebenfalls davon ausging, daß das Makromolekül aus identischen Bin-dungsstellen mit einheitlichen Bindungskonstanten Kd besteht. Er machte jedoch dieweitergehende Annahme, daß jede mit einem Liganden beladene Untereinheit desMakromoleküls eine stabilisierende Wirkung auf die noch unbesetzten Untereinheitenausübt. Diese wird ausgedrückt durch einen Interaktionsfaktor �, der eine Erhöhungder Bindungsaffinitäten bewirkt. Unter Berücksichtigung der statistischen Faktorenaus Gl. (1.24) ergeben sich die Bindungskonstanten für jeden Teilschritt zu:

� � � ��

�� � � � �

��

�� � � �

���� � � � �

��

��

Werden diese Konstanten in die Adair-Gleichung (1.27) eingesetzt, so ergibt sich fol-gende Bindungsfunktion:

� ������ � �������

��

� �������

� ���������

�� ����� � ������

��

� ������

� ��������

� ������

A1.5 Makromoleküle mit identischen, sich beeinflussenden Bindungsstellen, Kooperativi-

Page 44: Enzymkinetik (3. Auflage)

Auch mit dieser gegenüber der Adair-Gleichung vereinfachten Beziehung lassen sichsigmoide Sättigungskurven befriedigend beschreiben.

1.5.4 Allosterische Enzyme

In der Folgezeit wurde zunehmend offenkundig, daß sich das atypische Bindungsver-halten dieser Klasse von Makromolekülen nicht in der sigmoiden Form der Sätti-gungskurve eines Liganden (homotroper Effekt) erschöpft, sondern daß zusätzlicheBeeinflussung des Bindungsverhaltens in positiver oder negativer Weise durch an-dersartige Liganden (Aktivatoren bzw. Hemmstoffe) erfolgen kann (heterotrope Effek-te). Diese Effektoren wirken nicht durch direkte Wechselwirkung mit dem eigentli-chen Liganden, z. B. durch Verdrängung aus dessen Bindungsstelle (Kompetition),sondern besitzen einen eigenen, räumlich getrennten Wirkort, ein allosterisches Zen-trum (griech. ����� anders; ���� starr). Dies ermöglicht mit hoher Spezifität dieRegulation der Bindung und damit der Wirkung eines Liganden durch einen zweiten,völlig andersartigen Metaboliten, wie im Falle der Feedback-Hemmung, wo das End-produkt einer Stoffwechselkette den ersten katalytischen Schritt derselben steuert.Die Wirkung heterotroper Effektoren auf die sigmoide Sättigungsfunktion eines Li-ganden erfolgt übereinstimmend in der Weise, daß Aktivatoren die sigmoide Abwei-chung, d. h. die Stärke kooperativer Wechselwirkungen, abschwächen, währendHemmstoffe diese intensivieren. Im Falle von Enzymen wird das sigmoide Sätti-gungsverhalten in der Regel auch bei Messungen der Reaktionsgeschwindigkeit inAbhängigkeit von der Substratkonzentration sichtbar und die Effektoren veränderndie Enzymaktivität in der oben geschilderten Weise. Dieser Klasse regulatorischerEnzyme wurde die Bezeichnung allosterische Enzyme verliehen. Es sei darauf ver-wiesen, daß Kooperativität, die sich in veränderten Bindungskurven ausdrückt, undAllosterie, also die Beeinflussung eines Zentrums durch ein zweites, räumlich ge-trenntes, prinzipiell unabhängige Phänomene darstellen, die auch getrennt für sichvorkommen können. In der Regel treten sie jedoch gemeinsam auf und entfalten, wienoch gezeigt wird, nur so ihre volle regulatorische Wirksamkeit. Die Verknüpfung al-losterischer Eigenschaften mit der Kooperativität wurde von den bisher beschriebe-nen Modellen nicht berücksichtigt.

1.5.5 Symmetrie-Modell

Jaques Monod, Jeffries Wyman und Jean-Pierre Changeux präsentierten 1965 in demArtikel On the Nature of Allosteric Transition: A Plausible Model das erste umfas-sende Modell zur Beschreibung allosterischer Enzyme. Es wurde richtungsweisendfür das Verständnis regulatorischer Mechanismen an Enzymen. Das Modell stütztsich auf bestimmte Voraussetzungen (vgl. Abb. 1.10), die bei mehreren allosterischenEnzymen, wie auch dem Hämoglobin, beobachtet wurden:

1) Ein allosterisches Enzym ist ein, aus einer begrenzten Anzahl n identischer Ein-heiten (Protomere) gebildetes, Oligomer. Ein Protomer kann selbst eine Unterein-

34 1 Multiple Gleichgewichte

Page 45: Enzymkinetik (3. Auflage)

heit (Polypeptidkette) sein oder sich aus mehreren nicht-identischen Untereinhei-ten zusammensetzen.

2) Protomere besetzen äquivalente Positionen im Enzymmolekül, das damit zumin-dest eine Symmetrieachse besitzt.

3) Das Enzym kann in mindestens zwei Konformationszuständen exisitieren, die alsT-Zustand (von engl. tense, gespannt) und R-Zustand (von engl. relaxed, ent-spannt) bezeichnet werden und sich in ihrem Energiegehalt unterscheiden. In Ab-wesenheit des Liganden stehen beide Enzymformen miteinander in einem durchdie Konstante L charakterisierten Gleichgewicht:

� � �*��+� � ������

4) Beim Übergang von der einen in die andere Enzymform bleibt die molekulareSymmetrie erhalten. Alle Untereinheiten eines Enzymmoleküls existieren zurgleichen Zeit entweder nur im T- oder nur im R-Zustand, Zwischenformen mitProtomeren in verschiedenen Konformationen sind nicht möglich.

5) Beide Enzymformen unterscheiden sich in ihrer Affinität zum Liganden. T ist dieweniger affine (bzw. weniger aktive) Form, d. h. das Verhältnis c der Dissoziati-onskonstanten ist:

A1.5 Makromoleküle mit identischen, sich beeinflussenden Bindungsstellen, Kooperativi-

Abb. 1.10. Schematische Darstellung der Konformationszu-stände und der fraktionellen Absättigung eines tetramerenMakromoleküls nach dem Symmetrie-Modell.

Page 46: Enzymkinetik (3. Auflage)

� �+

�*� � � ������

6) Die weniger affine Enzymform liegt in Abwesenheit des Liganden gegenüber deraffineren Form im großen Überschuß vor, d.h. L >1.

Für die Bindung des Liganden an die beiden Enzymformen ergeben sich folgendeGleichgewichte:

* +

* � � *� + � � +�

*� � � *�� +� � � +��

*�� � � *� +�� � � +�

��� ��

*���� � � *�� +���� � � +�� �

Unter Annahme gleicher mikroskopischer Bindungskonstanten für Bindungsstellen anidentischen Untereinheiten können die einzelnen Enzymformen durch die Konstantenausgedrückt werden:

�*�� � �*�� ����*

�+�� � �+�� ����+

�*��� � �*����� �����

��*�+��� � �+��

��� �������+

��� ��

�*��� � �*����� �����*

�+��� � �+����� �����+

Aus dem Anteil der durch den Liganden besetzten Bindungsstellen

� � �

�� ��*�� � ��*��� � � � � ��*���� � ��+�� � ��+��� � � � � ��+������*�� � �*��� � � � � �*���� � ��+�� � �+��� � � � � �+����

������

erhält man unter Ersatz von [A]/KR =� die allgemeine Sättigungsfunktion für dasSymmetrie-Modell:

� � � ���� ����� � ���� ��������� ��� � ��� ��� � ������

Sigmoide Sättigungskurven werden immer dann erhalten, wenn gleichzeitig die dreiBedingungen L>1, c <1 und n >1 erfüllt sind. Ist nur eine dieser Bedingungen nicht

36 1 Multiple Gleichgewichte

Page 47: Enzymkinetik (3. Auflage)

erfüllt, so daß c oder n=1 bzw. L sehr klein wird, reduziert sich Gl. (1.52) auf dieForm der normalen Bindungsgleichung:

� � �

�� �� ���

�+ � ��� � �����

Das Ausmaß der Krümmung, d.h. die Sigmoidität bzw. die Stärke der Kooperativität,ist um so ausgeprägter, je eindeutiger diese Bedingungen erfüllt sind, d. h. je größerL und n und je kleiner c wird. In der direkten, nicht-linearen Darstellung(Abb. 1.11 A) ist dies weniger gut zu erkennen als in den linearen Diagrammen, dienun charakteristische Abweichungen von der Geraden zeigen, im Falle der doppelt-reziproken Darstellung (Abb. 1.11B) nach rechts oben, im Hanes-Diagramm(Abb. 1.11 D) nach links oben und im Scatchard-Diagramm (Abb. 1.11 C) wird einMaximum durchlaufen. Zur Analyse kooperativer Systeme eignet sich besonders dasHill-Diagramm (Abb. 1.9), aus dem zwei charakteristische Größen ermittelt werdenkönnen. Wie bereits erwähnt, verläuft die Kurve von einer Geraden der Steigung 1bei geringen Ligandenkonzentrationen über einen steileren mittleren Bereich wiederin eine Gerade der Steigung 1 im Sättigungsbereich. Die beiden Geraden repräsentie-ren die einfachen Funktionen der Bindung des Liganden an den T-Zustand im unte-ren und an den R-Zustand im oberen Sättigungsbereich. Hier liegen diese Zustände

A1.5 Makromoleküle mit identischen, sich beeinflussenden Bindungsstellen, Kooperativi-

Abb. 1.11. Bindungskurven kooperativer Systeme nach dem Symmetriemodell in verschiedenen gra-phischen Darstellungen. Die Konstanten L und c sind für schwache Kooperativität 5 bzw. 0,1, fürstarke Kooperativität 100 bzw. 0,01 und für nicht-kooperatives Verhalten 1. A) Direkte Darstellung,B) doppelt-reziprokes Diagramm, C) Scatchard-Diagramm, D) Hanes-Diagramm.

Page 48: Enzymkinetik (3. Auflage)

in praktisch reiner Form vor, der Ligand bindet an ein einheitliches System nach denRegeln der einfachen Bindungsgleichung. Der Abstand zwischen beiden Geraden istein Maß für die Energiedifferenz zwischen R- und T-Zustand. Im mittleren Bereichwird der kooperative Effekt wirksam, das System geht vom niederaffinen T-Zustandzum hochaffinen R-Zustand. Die maximale Steigung wird als Hill-Koeffizient (nh) be-zeichnet und gibt Auskunft über die Stärke der Kooperativität (s.u.).

Anschaulich kann der kooperative Effekt so verstanden werden, daß der erste Li-gand für seine Bindung zunächst sehr wenig affine, da im Unterschuß befindlichenMoleküle im R-Zustand vorfindet. Durch seine Bindung stabilisiert er jedoch den R-Zustand und zieht ihn aus dem Gleichgewicht. Zur Aufrechterhaltung des ursprüngli-chen Gleichgewichts muß daher ein Makromolekül aus dem überschüssigen T-Zu-stand nachgeliefert und in den R-Zustand umgewandelt werden. Der folgende Ligandfindet somit sowohl die dem ursprünglichen Gleichgewicht entsprechenden wie dienoch freien Bindungsstellen der aus dem Gleichgewicht entfernten teilbesetzten Formvor. Die Menge verfügbarer Bindungsstellen nimmt damit rascher zu als die Konzen-tration des Liganden. Bei 4 Protomeren setzt jeder bindende Ligand neben seiner ei-genen noch 3 weitere Bindungsstellen frei. Ist schließlich der Vorrat an T-Form er-schöpft und besteht die gesamte Makromolekülpopulation nur noch in der R-Form,dann folgt die Bindung einer normalen Funktion mit einer Steigung von 1.

Der Hill-Koeffizient bewegt sich in den Grenzen 1 � nh � n, wobei seine relative Grö-ße durch L und c bestimmt wird: je deutlicher die Bedingungen L�1 und c1 erfülltsind, um so mehr nähert sich nh der Protomerenzahl n. Keinesfalls kann er diese jedochübersteigen, wie auch umgekehrt nh durch keine Kombination von L und c die Zahl 1unterschreiten kann. Der Hill-Koeffizient erweist sich damit als ein Maß für die Stärkeder Kooperativität, je mehr er sich der Protomerenzahl angleicht, um so ausgeprägter istdie Kooperativität. Im Extremfall wird nh =n, d. h. es gilt der durch die Hill-Gleichung(1.46) beschriebene Mechanismus. Daran zeigt sich die Bedeutung des Hill-Koeffizien-ten, er gibt die Reaktionsordnung hinsichtlich des variierten Liganden wieder. Nach derReaktionsgleichung 1.44 dürfte zwar n nur ganze Zahlenwerte annehmen, aufgrund derWechselwirkung der Untereinheiten sind aber auch gebrochene Reaktionsordnungenmöglich. Die höchstmögliche Reaktionsordnung wird bei simultaner Besetzung allerBindungsstellen, d.h. maximaler Kooperativität, erreicht. Damit ist der Hill-Koeffizi-ent auch kein direktes Maß für die Zahl der Untereinheiten (bzw. Protomeren), jedochist die tatsächliche Protomerenzahl gleich dem Hill-Koeffizient oder größer (soweitnicht andere Mechanismen für den sigmoiden Kurvenverlauf verantwortlich sind). Erist auch (bei gleichen Werten für L und c) nicht proportional zu n. Tabelle 1.1 zeigtam Beispiel verschiedener sauerstoffbindender Proteine, daß nh viel schwächer an-steigt als die Protomerenzahl. Während diese von 1 bis über 100 zunimmt, steigt derHill-Koeffizient nur bis 6 an. Dies zeigen auch theoretische Berechnungen.

Heterotrope Effektoren beeinflussen im Symmetrie-Modell über die allosterischenBindungszentren das Gleichgewicht zwischen den R- und T-Zuständen. Aktivatorenverhalten sich wie der kooperative Ligand selbst, sie binden mit höherer Affinität andie R-Form und verschieben das Gleichgewicht in deren Richtung. Dadurch verrin-gert sich L, die Kooperativität schwächt sich ab, der Hill-Koeffizient wird kleiner.Der Ligand findet in Gegenwart des Aktivators eine größere Menge des Makromole-küls bereits im R-Zustand vor, so daß sich die Aktivität insgesamt erhöht. Umgekehrt

38 1 Multiple Gleichgewichte

Page 49: Enzymkinetik (3. Auflage)

bindet ein Hemmstoff an die T-Form und stabilisiert diese. L und damit nh steigenan, die Kooperativität wird verstärkt. Es ist nun eine größere Menge des Ligandennotwendig, um die Verschiebung des Gleichgewichts zur T-Form auszugleichen, sodaß eine Hemmung resultiert.

Heterotrope Effekte werden in Gl. (1.52) durch Modifizierung der Gleichgewichts-konstanten L zu �� berücksichtigt:

�� � ��� ��

�� �

� ��

� �� ��

�� �

� ��

� �����

� und � sind die um ihre Bindungskonstanten an die R-Form (KRi bzw. KRa) reduzier-ten Hemmstoff- bzw. Aktivatorkonzentrationen; d =Kri/KTi >1 und e =KRa/KTa <1 sinddie Verhältnisse der Bindungskonstanten für R- und T-Zustand des Hemmstoffs unddes Aktivators.

1.5.6 Sequenz-Modell und negative Kooperativität

Ein Jahr nach der Postulierung des Symmetrie-Modells publizierten D.E. Koshland,G. Nemethy und D. Filmer (1966) ein weiteres Modell allosterischer Enzyme, daskooperative Phänomene und heterotrope Effekte vergleichbar gut beschreibt. Auchdieses Modell setzt den Aufbau des Makromoleküls aus mehreren identischen Unte-reinheiten und das Vorliegen von zumindest zwei Konformationen unterschiedlicherAffinität voraus. Der wenig affine bzw. inaktive T-Zustand (zur Einheitlichkeit wer-den die Bezeichnungen aus dem Symmetrie-Modell übernommen) herrscht in Abwe-senheit, der affine bzw. aktive R-Zustand in Gegenwart des Liganden vor. Kt ist dieGleichgewichtskonstante beider Enzymformen in Abwesenheit des Liganden:

�� � �*��+� � � ������

Gegenüber dem Symmetrie-Modell sind zwei wesentliche Unterschiede hervorzuhe-ben. Bereits vor der Postulierung des Sequenz-Modells entwickelte Koshland die in-

A1.5 Makromoleküle mit identischen, sich beeinflussenden Bindungsstellen, Kooperativi-

Tab. 1.1. Beziehung zwischen Protomerenzahl n und Hill-Koeffizient nh bei Hämproteinen verschie-dener Organismen (nach Wyman, 1967).

Protein Herkunft n nh

Myoglobin Säugetiere 1 1Myoglobin Mollusken 2 1,5Hämoglobin Säugetiere 4 2,8Hämocyanin Hummer 24 4Chlorocruorin Spirographis

(Röhrenwurm)~80 5

Erythrocruorin Arenicola(Pierwurm)

>100 6

Page 50: Enzymkinetik (3. Auflage)

duced-fit-Hypothese, die, im Gegensatz zu Emil Fischers Schloß-Schlüssel-Theorie,annimmt, daß die Substratspezifität eines Enzyms nicht auf vorgebildeten, starrenBindungsregionen beruht, in die sich nur das eigentliche Substratmolekül gleich ei-nem Schlüssel einfügen kann, sondern sich die passende Bindungsstelle interaktivzwischen Enzym und Substrat ausbildet. Nur das richtige Substrat kann diese Anpas-sung induzieren. Diese Hypothese ist auch Grundlage des Sequenz-Modells. Andersals beim Symmetrie-Modell, wo der Ligand sich selbst nicht aktiv an der Umwand-lung von T- und R-Zustand beteiligt, sondern nur die affinere Form herausgreift, in-duziert im Sequenzmodell der Ligand durch seine Bindung den Konformationsüber-gang. Als zweiter Unterschied zum Symmetrie-Modell erfolgt dieser Übergang se-quentiell, nur Untereinheiten, an die der Ligand bindet, nehmen die R-Form an, alleübrigen verbleiben im T-Zustand. Die Konformationsumwandlung geschieht somitschrittweise mit der Absättigung des Enzyms (Abb. 1.12).

Kooperativität wird durch Wechselwirkungen zwischen den Untereinheiten verur-sacht. Die Stärke dieser gegenseitigen Beeinflussung hängt vom Konformationszu-stand der unmittelbar benachbarten Untereinheiten ab und wird durch Interaktions-konstanten definiert. Diese geben das Verhältnis der miteinander interagierenden(z. B. TT) zu nicht interagierenden Untereinheiten (T, T) an. Da es sich um relativeGrößen handelt, dient die Konstante KTT für T T-Wechselwirkungen als Bezugswertund wird gleich 1 gesetzt:

�** � �*��*��**��**��*��*� � � ������

�+* � �*��+��**��+*��*��*� ��+��**��+*��*� ������

�++ � �+��+��**��++��*��*� � ������

Wechselwirkungen der Untereinheiten beim Übergang vom T- zum R-Zustand könnensomit stabilisierend (KRT und KRR <1) oder destabilisierend (KRT und KRR >1) wirken.

Die Sättigungsfunktion für das Sequenzmodell leitet sich von der hier in allgemei-ner Form dargestellten Adair-Gleichung (1.23) ab:

� � �

����� �� �����

�� ���

� � � �

����� �

� � ��� �� ���

�� ���

� � � �

���� �

� ������

40 1 Multiple Gleichgewichte

Abb. 1.12. Schematische Darstellung der Konformationszustände und der fraktionellen Absättigungeines tetrameren Makromoleküls nach dem Sequenz-Modell.

Page 51: Enzymkinetik (3. Auflage)

Die Terme 0, 1 usw. setzen sich aus allen für den jeweiligen Bindungsschritt rele-vanten Konstanten zusammen. Die Bindungskonstante KR des Liganden für den R-Zustand (die Bindung an den wenig affinen T-Zustand wird vernachlässigt) und dieGleichgewichtskonstanten Kt der beiden Makromolekülformen gehen, wie auch dieSubstratkonzentration [A], mit der Potenz des jeweiligen Bindungsschrittes i ein, dieInteraktionskonstanten dagegen gemäß dem Vorliegen der entsprechenden Wechsel-wirkungen. Tabelle 1.2 zeigt die Bedeutung der Terme am Beispiel eines Makro-moleküls aus drei linear angeordneten Untereinheiten. Durch Einsetzen der -Glie-der in Gl. (1.58) ergibt sich die Beziehung:

� � �

������

+* � ��+*��+��� ��������

+* � ��+*�++���+��

� ������

++�+�

�� ������

+* � ��+*��+��� �������

+* � ��+*�++���+��

� ������

++�+�

������Diese Gleichung ist nur für die Enzymform gültig, für die sie abgeleitet wurde. Diewenig wahrscheinliche lineare Anordnung des Trimers wurde gewählt, da sie die ein-fachste oligomere Struktur darstellt, die die verschiedenen Kombinationen der Inter-aktionskonstanten gut sichtbar werden läßt. Schon für ein im Dreieck angeordnetesTrimer (Abb. 1.13) müßte eine eigene Beziehung hergeleitet werden. Für ein Tetra-mer sind drei Anordnungen denkbar, linear, quadratisch und tetraedrisch. Für höhereOligomere gibt es noch mehr Anordnungsmöglichkeiten. Für die Ableitung einerGleichung nach diesem Modell ist damit nicht nur die Kenntnis der Zahl der Unte-reinheiten, sondern auch deren jeweilige Anordnung erforderlich. Weiterhin sind hiernur gleichartige Wechselwirkungen zwischen Untereinheiten angenommen, was dasVorliegen gleichartiger Kontaktstellen zwischen den Untereinheiten voraussetzt. Ins-besondere bei höheren Aggregaten können gleiche Untereinheiten durch verschieden-

A1.5 Makromoleküle mit identischen, sich beeinflussenden Bindungsstellen, Kooperativi-

Tab. 1.2. Konformationszustände und Definition der -Werte für ein trimeres lineares Makromolekülnach dem Sequenzmodell.

Enzymkonformation Interaktionskonstante -Werte

Unbesetztes EnzymTTT KTTKTT =1 0 = 1

1. BindungsschrittTRT KRTKRT = KRT

2 1 = (KRT2 + 2KRT)KRKt

TTR+RTT KTTKRT + KRT KTT = 2KRT

2. BindungsschrittRTR KRTKRT = KRT

2 2 = (KRT2 +2KRTKRR).KR

2 Kt2

RRT+TRR KRTKRR+KRRKRT = 2KRTKRR

3. BindungsschrittRRR KRRKRR =2KRR

2 3 = KRR2 KR

3 Kt3

Page 52: Enzymkinetik (3. Auflage)

artige Kontaktflächen verbunden sein, wie Abb. 1.13 am Beispiel eines aus zweiübereinanderliegenden Trimeren bestehenden Hexamers zeigt. Die Untereinheiten in-nerhalb der Trimere sind durch einen Typ von Kontaktflächen verbunden, währendein zweiter Typ den Zusammenhalt der beiden Trimere vermittelt. Für jeden Typ vonKontaktstellen sind eigene Interaktionskonstanten zu definieren.

Diese Komplikationen lassen das Modell für reale Systeme als schwierig erschei-nen, da die relative Anordnung der Untereinheiten nur durch Strukturuntersuchungenzu erhalten ist. Es kann aber davon ausgegangen werden, daß bestimmte Anordnun-gen bevorzugt sind, wie eine tetraedrische Anordnung für vier Untereinheiten. Wei-terhin sind die Interaktionskonstanten experimentell nicht bestimmbar. Die Bedeu-tung dieses Modells, wie auch des Symmetriemodells, liegt nicht in der Bestimmungvon Konstanten, sondern im Verständnis eines Regulationsmechanismus, für den bei-de Modelle eine anschauliche Grundlage bieten. Genauere Aussagen über das Vorlie-gen eines bestimmten Modells erfordern eingehende Struktur- und Konformationsstu-dien des Makromoleküls, die bisher nur für einzelne Beispiele vorliegen. Einen Hin-weis kann die relative Lage des kooperativen Bereichs, d.h. die maximale Steigungim Hill-Diagramm, geben. Beim Sequenzmodell fällt dieser genau mit der Halbsätti-gung zusammen, während er beim Symmetrie-Modell von der Anzahl der Protome-ren abhängt. Mit zunehmender Protomerenzahl wandert der kooperative Bereich inden unteren Sättigungsbereich. Bei mehr als zehn Protomeren ist die Verschiebungderart ausgeprägt, daß sie ohne weiteres erkannt werden kann.

Heterotrope Effekte werden im Sequenz-Modell ähnlich erklärt wie im Symmetrie-Modell. Aktivatoren unterstützen die Wirkung des kooperativen Liganden, indem sieebenfalls den Übergang vom inaktiven in den aktiven Zustand induzieren, während al-losterische Hemmstoffe den T-Zustand stabilisieren und den Übergang erschweren.

Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß die Wechselwirkungen auch destabilisie-rend wirken können, falls KTR und KRR größer werden als KTT. Die Abweichung vonder normalen, hyperbolen Sättigungsfunktion kehrt sich um, anstatt sigmoider Kur-ven erhält man einen Verlauf, der dem in Abschnitt 1.4 beschriebenen Fall nicht-

42 1 Multiple Gleichgewichte

Abb. 1.13. Anordnungsmög-lichkeiten der Untereinheitenverschieden aggregierter Ma-kromoleküle. Für das Hexamersind rechts unten die unter-schiedlichen Kontakte der Un-tereinheiten in horizontaler undvertikaler Richtung angedeutet.

Page 53: Enzymkinetik (3. Auflage)

identischer, unabhängiger Bindungszentren ähnlich ist. Auch die Abweichungen inden linearisierten Darstellungen entsprechen diesem Mechanismus (vgl. Abb. 1.6). ImHill-Diagramm (Abb. 1.9) fällt nunmehr die Steigung unter 1. Dieses, der eigentli-chen Kooperativität (auch positive Kooperativität genannt) entgegengesetzte, anti-ko-operative Verhalten wird als negative Kooperativität bezeichnet. Es findet sich relativhäufig bei Enzymen und die diesem Mechanismus gehorchende Bindung von NADan die Glycerinaldehydphosphat-Dehydrogenase galt als erster Nachweis des Se-quenz-Modells (Convay & Koshland, 1968).

Eine Einschränkung erfährt die negative Kooperativität durch die nicht selten zubeobachtende Halbseitenreaktivität. Hier behindert ein bereits gebundener Ligand dieBesetzung der zweiten, identischen Bindungsstelle durch sterische oder elektrostati-sche Effekte oder durch kovalente Reaktionen (Phosphorylierung). Dadurch wird zu-nächst nur die Hälfte der ursprünglich vorhandenen Bindungsstellen abgesättigt, dieandere Hälfte dagegen überhaupt nicht oder erst bei sehr hohen Ligandenkonzentra-tionen. Es handelt sich nicht im eigentlichen Sinne um eine durch Wechselwirkungvon Untereinheiten vermittelte negative Kooperativität, obwohl Bindungsverhaltenund damit die Kurvenverläufe in den Diagrammen sehr ähnlich sind. Halbseitenreak-tivität wurde u.a. gefunden bei der Alkohol-Dehydrogenase, der Malat-Dehydroge-nase und der alkalischen Phosphatase (Levitzki & Koshland, 1976).

Der Umstand, daß verschiedene Mechanismen, wie die negative Kooperativität,die Halbseitenreaktivität, nicht-identische und asymmetrische Bindungszentren oderunterschiedliche Enzymformen bzw. Isoenzyme ähnliche Bindungsmuster ergeben,erschwert den eindeutigen Nachweis eines bestimmten Mechanismus, wie der negati-ven Kooperativität. Strukturuntersuchungen sind sehr hilfreich, da negative Koopera-tivität und Halbseitenreaktivität identische Untereinheiten voraussetzen. Nicht-identi-sche Bindungsstellen sind dagegen zumeist auf nicht-identischen Untereinheiten loka-lisiert. Viele Enzyme, wie die Glycerinaldehydphosphat-Dehydrogenase, die CTP-Synthetase und die Desoxythymidin-Kinase, aber auch Rezeptoren und selbst dietRNA-Bindung an Ribosomen zeigen einen negativ-kooperativen Mechanismus. Derphysiologische Vorteil der negativen Kooperativität könnte in einer größeren Unemp-findlichkeit gegenüber Veränderungen in der Metaboliten-Konzentration (Substrate, Ef-fektoren) liegen. Aufgrund der hohen Affinität des ersten Bindungsschrittes sind dieseSysteme bei geringen Substratmengen sehr aktiv und immer in der Lage, einen Grun-dumsatz aufrechtzuerhalten. Bei hohen Konzentrationen ist die weitere Aktivitätszu-nahme zwar gering, jedoch kann das System einem Substratanstieg über einen sehr brei-ten Bereich, wenn auch abgeschwächt, folgen, ohne sich frühzeitig abzusättigen.

1.5.7 Physiologische Aspekte der Kooperativität

Eine große Zahl biologischer Regulationsprozesse bedient sich der Kooperativität.Neben dem Hämoglobin tritt sie bei vielen Schlüsselenzymen von Stoffwechselwe-gen, aber auch bei membrangebundenen Enzymen auf, wo sie durch die Membran-fluidität beeinflußt wird, bei Transportsystemen und ATPasen, bei Ligandenbindungan Rezeptoren, wie dem Östrogenrezeptor, bei der an der synaptischen Übertragungbeteiligten Acetylcholinesterase und bei der Thrombinaktivität. Der Vorteil kooperati-

A1.5 Makromoleküle mit identischen, sich beeinflussenden Bindungsstellen, Kooperativi-

Page 54: Enzymkinetik (3. Auflage)

ven Sättigungsverhaltens liegt einerseits in der überproportionalen Reaktion des Sy-stems auf Veränderungen in der Ligandenkonzentration selbst, andererseits in der da-mit häufig verknüpften allosterischen Regulation. Allosterische Beeinflussung durchKonformationsänderung mittels eines vom Wirkungszentrum des Makromolekülsräumlich getrennten regulatorischen Zentrums wäre zwar auch für ein normales Bin-dungsverhalten vorstellbar, doch liegt der Vorteil der Kooperativität in der Steilheitder sigmoiden Sättigungskurven besonders im mittleren Sättigungsbereich, der in derRegel dem physiologischen Schwankungsbereich des Liganden entspricht(Abb. 1.14). Eine geringfügige Konzentrationsschwankung bewirkt ein Mehrfaches anAktivitätsveränderung. Das System reagiert viel empfindlicher auf Konzentrationsän-derungen als bei normalem Sättigungsverhalten. Effektoren wirken nicht nur aktivie-rend oder hemmend, sie nehmen dem System auch die Sensitivität gegenüberSchwankungen in der Substratkonzentration. Der Aktivator hebt das System auf volleAktivität, der Hemmstoff drückt es auf ein minimales Niveau.

Auch wenn seither viele Beispiele allosterischer Enzyme nachgewiesen werdenkonnten, verbleibt die Frage nach der Relevanz der hier vorgestellten Modelle. Diefolgenden Beispiele gut untersuchter allosterischer Enzyme sollen zeigen, daß we-sentliche Voraussagen dieser Modelle zutreffen, so der Aufbau aus identischen Unte-reinheiten, die Existenz unterschiedlich aktiver Konformationen und vom aktivenZentrum räumlich getrennter regulatorischer Zentren für die Wirkung von Effektoren.Teilweise werden auch Eigenschaften beider Modelle im gleichen System gefunden,wie beim Hämoglobin, wo die Sauerstoffbindung eine Konformationsänderung indu-ziert, die Konformationsübergänge der Untereinheiten aber konzertiert erfolgen.

Wie Abb. 1.15 zeigt, nehmen beide Modelle unter allen denkbaren Kombinationenvon Konformationsübergängen und Ligandenbindung extreme Positionen ein. DasSymmetrie-Modell läßt nur die in den äußeren Balken eingefaßten einheitlichen Kon-formationen zu, das Sequenzmodell nur die diagonalen Formen der direkten Ver-knüpfung zwischen Ligandenbindung und Konformationsübergang. Die durch beideModelle nicht erfaßten Zustände könnten ebenfalls eine Rolle spielen und durch an-dere Modelle einbezogen werden. Allerdings ist offensichtlich, daß starke Kooperati-

44 1 Multiple Gleichgewichte

Abb. 1.14. Regulatorische Bedeu-tung allosterischer Enzyme. Derphysiologische Ligandenbereich isthervorgehoben. 1) Negative Koope-rativität; 2) normale Bindung. Posi-tive Kooperativität 3) mit Aktivator,4) ohne Effektor und 5) mit Hemm-stoff.

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vität nur durch die extremen Positionen zu erzielen ist, so daß alle möglichen Modelle,die alleine auf der Kombination zwischen Ligandenbindung und Konformationsüber-gängen beruhen, durch die beiden beschriebenen Modelle hinreichend erfaßt sind. An-dere Modelle müßten weitergehend sein und zusätzliche Aspekte einbeziehen.

Ein wichtiges Kriterium für ihre Gültigkeit ist der von beiden Modellen postulierteAufbau aus identischen Untereinheiten. Kooperative Effekte bei monomeren Makro-molekülen können diese Modelle nicht erklären und es ist eine deutliche Bestäti-gung, daß monomeres Myoglobin trotz weitgehender Homologie zu Hämoglobin einenormale Sauerstoffbindung zeigt. Kooperatives Verhalten ist dann noch mit den Mo-dellen in Einklang zu bringen, wenn der Übergang vom T- in den R-Zustand mit ei-ner Aggregation des Monomers zum Oligomer einhergeht. Mit der Ribonucleasewurde ein ausschließlich monomeres Enzym mit sigmoidem Sättigungsverhalten ge-funden, dessen Kooperativität nicht durch Wechselwirkung von Untereinheiten verur-sacht sein kann. Dieser Mechanismus wird als kinetische Kooperativität bezeichnet,

A1.5 Makromoleküle mit identischen, sich beeinflussenden Bindungsstellen, Kooperativi-

Abb. 1.15. Mögliche Konformations- und Bindungszustände eines tetrameren Makromoleküls. Die in-aktiven T-Formen sind quadratisch, die aktiven R-Formen als Kreise dargestellt. Die beiden senkrech-ten Balken schließen die im Symmetrie-Modell erlaubten Zustände, der diagonale Balken die mögli-chen Zustände im Sequenz-Modell ein.

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da er die Kombination eines schnellen katalytischen Umsatzes mit einem langsamenKonformationsübergang zwischen einer inaktiven und einer aktiven Enzymform er-fordert (Slow-Transition-Modell, Abschnitt 2.8.2), also auf zeitabhängigen Vorgängenbasiert, während die bisher beschriebenen Modelle auf (zeitunabhängigen) Gleichge-wichten beruhen. Die kinetische Kooperativität läßt sich relativ einfach dadurch er-kennen, daß sigmoides Sättigungsverhalten nur beim Substratumsatz, nicht aber beider Bindung beobachtet werden kann.

1.5.8 Nachweis der Kooperativität

Kooperative Effekte werden zunächst am atypischen Sättigungsverhalten des Ligan-den erkannt. Da die wesentlichen Mechanismen auf Gleichgewichtsannahmen basie-ren, ist es vorteilhaft, dieses Verhalten durch direkte Bindungsmessungen zu bestim-men, obwohl bei Enzymen die Enzymaktivität einfacher nachweisbar ist und in derRegel auch sigmoide Abhängigkeiten erkennen läßt, da sich Beeinflussungen der Af-finität des Substrats über den Km-Wert auf die Enzymreaktion übertragen (K-Sy-steme). Andererseits können sich die beiden Enzymkonformationen anstatt in ihrerAffinität zum Liganden in ihrer katalytischen Aktivität unterscheiden (V-Systeme),wie auch die Wirkung von Effektoren oft unmittelbar auf die Umsatzgeschwindigkeitzielt. Zur Analyse sigmoider Kurven sind linearisierte Diagramme der direkten(nicht-linearen) Auftragung vorzuziehen, da Abweichungen vom linearen Verlaufdeutlicher erkennbar sind. Für die Dokumentation solcher Mechanismen ist eine grö-ßere Zahl von Meßwerten als bei normalem Verhalten nötig, auch muß ein breitererKonzentrationsbereich des Liganden abgedeckt werden.

Abweichungen vom normalen Verhalten können auch andere, gegebenenfalls auchartifizielle Ursachen haben. Sigmoide Sättigungskurven werden beobachtet bei Mehr-substratreaktionen, bei hohen Enzymkonzentrationen (da hier nicht mehr, wie in derEnzymkinetik allgemein angenommen, [A]0 = [A] gilt), bei Instabilität des Enzyms inverdünnter Lösung, oder bei fehlerhafter Bestimmung der Anfangsgeschwindigkeit(vgl. Abschnitt 2.3.2).

Als Stärke der Kooperativität kann, wie bereits erwähnt, das Verhältnis des Hill-Koeffizienten zur Zahl der Bindungsstellen dienen, bei positiver Kooperativität liegtnh zwischen 1 und n, bei negativer Kooperativität unter 1. Die Asymptoten an dieSättigungskurve im Hill-Diagramm im niederen und hohen Ligandenbereich mit derSteigung 1 können als repräsentativ für die beiden Enzymzustände betrachtet und diezugehörigen Dissoziationskonstanten aus deren Ordinatenwerten bei log [A]=0 erhal-ten werden. Der mit RT

�����

multiplizierte Abstand beider Asymptoten ergibt die Dif-ferenz zwischen den freien Energien für die Wechselwirkungen der Bindung des er-sten und des letzten Liganden (Abb. 1.9).

Ein weiteres Maß der Kooperativität ist der Rs-Wert. Er ist definiert als das Ver-hältnis der Ligandenkonzentrationen bei 90% und 10% Sättigung und hat für einenormale hyperbole Sättigungskurve immer den Wert 81. Bei positiver Kooperativitätnimmt die Steilheit der Kurve zu, der Rs-Wert nimmt mit der Stärke der Kooperativi-tät ab, bei negativer Kooperativität steigt er an (Tabelle 1.3). Hill-Koeffizient und Rs-

46 1 Multiple Gleichgewichte

Page 57: Enzymkinetik (3. Auflage)

Wert stehen in keiner direkten Relation. Während der Hill-Koeffizient die Kooperati-vität an einer bestimmten Stelle, der maximalen Abweichung, erfaßt, berücksichtigtder Rs-Wert einen breiteren Bereich, es geht aber der Bezug zur Protomerenzahl ver-loren. Die Bestimmung des Rs-Werts ist in Abb. 1.16, einem halblogarithmischenDiagramm, gezeigt. Dieses Diagramm eignet sich besonders zur Darstellung weiterLigandenbereiche bei kooperativen Systemen. Allerdings erhalten hier auch normaleBindungskurven eine sigmoide Form, so daß eine Unterscheidung nur anhand derSteilheit der Kurve möglich ist. Bei Halbsättigung zeigt die Kurve einen Wende-punkt, dessen Abszissenwert bei normalem Bindungsverhalten dem Kd-Wert ent-spricht. Bei kooperativen Systemen hat ein solcher bei Halbsättigung definierter Kd-Wert keine theoretische Bedeutung. Da aber auch hier die Ligandenkonzentration beiHalbsättigung für ein gegebenes System spezifisch und konstant ist, wird ein S0.5-Wert als charakteristische Größe für das Makromolekül definiert, der aber nicht dieBedeutung einer echten Bindungskonstante hat.

Wie in Abb. 1.11 gezeigt, geben allosterische Enzyme charakteristische Abwei-chungen in linearen Diagrammen. Doch lassen sich diese Kurven wieder linearisie-ren, wenn [A]n anstatt [A] aufgetragen wird, wobei hier, gemäß der Hill-Gleichung,n die Reaktionsordnung hinsichtlich [A] bedeutet und damit dem Hillkoeffizient nh

und nicht der Zahl der Bindungsstellen entspricht.

A1.5 Makromoleküle mit identischen, sich beeinflussenden Bindungsstellen, Kooperativi-

Tab. 1.3. Vergleich zwischen dem Hill-Koeffizienten nh und dem Rs-Wert (nach Taketa und Pogell,1965).

nh Rs

0,5 65701,0 812,0 94,0 3

Abb. 1.16. HalblogarithmischeDarstellung von Sättigungskur-ven zur Bestimmung des Rs-Werts aus dem Verhältnis der Li-gandenkonzentrationen bei 90%und 10% Sättigung für 1) nega-tiv kooperatives, 2) normalesund 3) positiv kooperatives Ver-halten. Der S0,5-Wert, die Liga-ndenkonzentration bei Halbsätti-gung, ist als 1 angenommen.

Page 58: Enzymkinetik (3. Auflage)

1.5.9 Beispiele allosterischer Enzyme

1.5.9.1 Hämoglobin

Obwohl selbst kein Enzym, gab das Hämoglobin wesentliche Impulse für zahlreichetheoretische Studien, wie der kooperativen Modelle. Auch inspirierte es die Entwick-lung so wichtiger Methoden, wie der Röntgenstrukturanalyse und schneller kineti-scher Apparaturen. Der Vergleich der sigmoiden Bindungscharakteristik des Sauer-stoffs beim tetrameren Hämoglobin mit dem einfachen Sättigungsverhalten des engverwandten monomeren Myoglobins demonstriert augenfällig die Bedeutung derWechselwirkung von Untereinheiten für die Kooperativität. Hinsichtlich der Postulateder allosterischen Modelle zeigt Hämoglobin einen scheinbaren Widerspruch durchseinen Aufbau aus zwei Paaren nicht-identischer Untereinheiten, d.h. 2 Protomeren.Demgemäß dürfte es einen Hill-Koeffizient von 2 nicht überschreiten, tatsächlichaber liegt dieser nahe 3. Die �- und �-Untereinheiten sind jedoch in ihren Affinitätenfür den Liganden vergleichbar und daher als identisch zu werten. Detaillierte röntgen-kristallographische Untersuchungen von Max Perutz (1970, 1990) erlauben einen ge-nauen Einblick in das allosterische Geschehen des Hämoglobins. In Abwesenheit vonSauerstoff (Desoxy-Hämoglobin) existiert das Hämoglobin in einem niederaffinen T-Zustand, der gegenüber dem hochaffinen R-Zustand des mit Sauerstoff besetztenOxy-Hämoglobins durch acht zusätzliche Ionenbindungen zwischen den Untereinhei-ten stabilisiert ist. Im Desoxy-Hämoglobin liegt das Eisenion in einem High-Spin-Zu-stand vor und ragt um 0,06 nm aus der Ebene des Porphyrin-Rings heraus, wo esvon einem Histidinrest über seine fünfte Koordinationsstelle gehalten wird. Die ande-ren vier Koordinationsstellen sind durch Porphyrin-Stickstoffatome besetzt. Durch dieBindung eines Sauerstoffmoleküls an die sechste Koordinationsstelle des Eisens gehtdieses in den Low-Spin-Zustand über und wandert in die Ringebene des Porphyrins.Es zieht das Histidin mit sich und löst damit die Konformationsänderung zum R-Zu-stand unter Spaltung der acht ionischen Bindungen zwischen den Untereinheiten aus.Der R-Zustand wird durch das gebundene Sauerstoffmolekül stabilisiert.

Die Bedeutung des sigmoiden Sättigungsverhaltens für die Regulation der Sauer-stoffbindung wird durch deren Abhängigkeit von der Protonenkonzentration (Bohr-Effekt) deutlich. Die in den Blutkapillaren aus Hydrogencarbonat freigesetzten Proto-nen binden an die endständigen Aminosäuren des Hämoglobins und stabilisieren denT-Zustand. Die Sigmoidität der Sättigungsfunktion wird ausgeprägter, die Bindungs-kapazität sinkt und Sauerstoff wird an das Gewebe abgegeben. Umgekehrt setzt diedurch den hohen Sauerstoffdruck in der Lunge bedingte verstärkte SauerstoffbindungProtonen aus dem Hämoglobin frei, der pH-Wert sinkt und die Sigmoidität schwächtsich infolge der Stabilisierung des R-Zustandes ab. Der geringere pH-Wert verursachtwiederum die Freisetzung von CO2 aus Hydrogencarbonat in der Lunge. Eine Stabili-sierung des T-Zustandes durch Verknüpfung der �-Untereinheiten und infolgedesseneine Abnahme der Sauerstoffbindungskapazität bewirkt auch 2,3-Bisphosphoglycerat,das ebenfalls an der Regulation der Sauerstoffbindung teilnimmt.

48 1 Multiple Gleichgewichte

Page 59: Enzymkinetik (3. Auflage)

1.5.9.2 Aspartat-Transcarbamylase

Dieses aus Escherichia coli gewonnene und eingehend untersuchte Enzym demon-striert augenfällig die räumliche Trennung von katalytischen und regulatorischenZentren auf separaten Polypeptidketten. Das native Enzymmolekül besteht aus sechskatalytischen Untereinheiten (C, Mr =33000), die zu zwei Trimeren zusammengefaßtsind und aus sechs regulatorischen Untereinheiten (R, Mr =17000), die drei Dimerebilden, so daß sich eine (C3)2(R2)3-Struktur ergibt. Katalytische und regulatorischeZentren sind 6 nm voneinander entfernt. Der allosterische Aktivator ATP und der In-hibitor CTP binden beide an die gleiche Region der R-Untereinheit. CTP stabilisiertden T-Zustand und erhöht den sigmoiden Charakter der Substratsättigungsfunktion,ATP bindet bevorzugt an die R-Form und stabilisiert diese unter Abschwächung derKooperativität des Substrats Aspartat. Letzteres bindet ebenfalls bevorzugt an die R-Form. Beim Übergang vom T- in den R-Zustand rücken die beiden katalytischen Tri-mere um 1,1 nm auseinander und rotieren um 12� relativ zueinander, während sichdie regulatorischen Dimere um 15� um die zweizählige Molekülachse drehen. Durchdiesen Übergang bewegen sich mehrere für die Bindung von Aspartat wichtige Ami-nosäurereste in Richtung des aktiven Zentrums und erhöhen die Affinität für das Sub-strat. Die Abtrennung der regulatorischen Untereinheit führt zum Verlust der Regula-tion durch ATP und CTP und der Kooperativität, die katalytische Aktivität bleibt je-doch erhalten. Am Beispiel dieses Enzyms war es auch möglich, einen konzertiertenÜbergang vom T- zum R-Zustand gemäß dem Symmetrie-Modell nachzuweisen. Esgenügt die Besetzung der Hälfte aller Bindungsstellen durch eine analoge Verbin-dung des Übergangszustandes (PALA, N-Phosphonacetyl-L-aspartat), um das ge-samte Enzymmolekül in den R-Zustand zu überführen.

Die Aspartat-Transcarbamylase ist ein gutes Beispiel für eine Endprodukt-Hem-mung. Das Enzym steht am Beginn der Synthesekette der Pyrimidin-Nucleotide undwird durch deren Endprodukt, CTP, gehemmt. Der Aktivator ATP ist Endprodukt derPurinbiosynthesekette. Da für die Nucleinsäure-Biosynthese beide Nucleotide imgleichen Verhältnis gebraucht werden, stimuliert ein Überschuß der Purin-Nucleotidedie Pyrimidinsynthese, die wiederum durch einen Überschuß an Pyrimidin-Nucleoti-den gehemmt wird (Kantrowitz & Lipscomp, 1990).

1.5.9.3 Aspartokinase

Die Aspartokinase I: Homoserin-Dehydrogenase I aus Escherichia coli katalysiertden ersten und den dritten Schritt der Threonin-Biosynthese-Kette. Von diesem Wegzweigt die durch eine Aspartokinase II: Homoserin-Dehydrogenase II kontrollierteMethionin-Biosynthese und der durch eine Aspartokinase III regulierte Biosynthese-weg für Lysin ab. Die Aspartokinase I: Homoserin-Dehydrogenase I besteht aus vieridentischen Untereinheiten (Mr =86000), wobei jede Untereinheit katalytische Zen-tren für die beiden Enzymaktivitäten auf zwei getrennten Domänen besitzt (multi-funktionelles Enzym). Durch partielle Proteolyse bzw. durch Mutationen konnten diegetrennten Domänen mit ihren zugehörigen Enzymaktivitäten erhalten werden, wobeidie Aspartokinase ihre tetramere Struktur behält, während die Homoserin-Dehydroge-

A1.5 Makromoleküle mit identischen, sich beeinflussenden Bindungsstellen, Kooperativi-

Page 60: Enzymkinetik (3. Auflage)

nase in Dimere zerfällt. Im nativen Enzym unterliegen beide Aktivitäten der Endpro-dukthemmung durch Threonin, das ein sigmoides Sättigungsverhalten zeigt, welchesfür die Aspartokinase-Aktivität ausgeprägter ist (nh =4) als für die Homoserin-Dehy-drogenase-Aktivität (nh =3). Die getrennte Aspartokinase-Domäne zeigt noch volleHemmbarkeit durch Threonin, nicht aber die Homoserin-Dehydrogenase-Domäne,d. h. das native Enzym besitzt nur eine regulatorische Bindungsstelle auf der Asparto-kinase-Domäne, die für beide Enzymaktivitäten wirksam ist. Das konnte auch durcheine Ein-Schritt-Mutation gezeigt werden, bei der die Kooperativität für beide Aktivi-täten um einen vergleichbaren Betrag reduziert wurde, nämlich auf nh =1,65 für dieAspartokinase und nh =1,45 für die Homoserin-Dehydrogenase. Es ist daraus zuschließen, daß das native Enzym durch die Fusion der Gene zweier ursprünglich ge-trennter Enzyme entstanden ist, einer allosterischen, durch Threonin hemmbarenAspartokinase und einer ursprünglich nicht regulierten Homoserin-Dehydrogenase,der die allosterischen Eigenschaften durch die Fusion aufgezwungen wurden.

1.5.9.4 Andere Beispiele

Die Phosphofructokinase ist das wichtigste regulatorische Enzym der Glykolyse. Derentsprechende Reaktionsschritt in der umgekehrten Richtung, der Gluconeogenese,wird durch ein anderes Enzym, die Fructose-1,6-Bisphosphatase, katalysiert. Hier isteine enge regulatorische Kopplung notwendig, um einen ATP-Abbau durch Leerlauf(Futile Cycle) der beiden gegenläufigen Reaktionen zu verhindern, da die Hinreakti-on ein ATP verbraucht, das in der Rückreaktion nicht zurückgewonnen wird. AMPist Aktivator der Phosphofruktokinase und Hemmstoff der Fructose-1,6-Bisphospha-tase. Die Phosphofructokinase, ein tetrameres Enzym, wird durch Phosphoenolpyru-vat gehemmt, das den T-Zustand stabilisiert. Das Substrat Fructose-6-phosphat zeigteinen kooperativen Effekt, wobei der Übergang vom T- in den R-Zustand durch eineDrehung um 7� jeweils zweier Dimeren gegeneinander bewirkt wird. Eine Umorientie-rung zweier Dimeren um 19� verursacht die Bindung des Hemmstoffes AMP bei derebenfalls tetrameren Fructose-1,6-Bisphosphatase. In Säugetieren werden beide En-zyme zusätzlich durch Fructose-2,6-bisphosphat reguliert, die Phosphofructokinasewird allosterisch aktiviert und die Fructose-1,6-Bisphosphatase in negativ kooperativerWeise gehemmt. Beide Enzyme unterliegen somit einem entgegengerichteten Regula-tionsprinzip, was verhindert, daß beide Reaktionen simultan nebeneinander ablaufen.

Einer allosterischen Regulation gehorchen auch die beiden für Auf- und Abbaudes Glycogens verantwortlichen Enzyme. Hier wird die allosterische Regulation zu-sätzlich durch kovalente Modifikation überlagert, einer über einen zyklischen Kaska-denmechanismus gesteuerten Phosphorylierung. Die Glycogen-Synthase wird durchGlucose-6-phosphat aktiviert und durch AMP gehemmt, während die Glycogen-Phos-phorylase durch AMP aktiviert und durch Glucose-6-phosphat und ATP gehemmtwird. Der Übergang vom T- in den R-Zustand ist bei der Glycogen-Phosphorylasebegleitet von einer Rotation der Untereinheiten relativ zueinander um 10�. Es ändertsich die Quartärstruktur des Enzyms in Richtung einer günstigeren Packung, wobeidas katalytische Zentrum in die Nähe der allosterischen AMP-Bindungsstelle und derPhosphorylierungsstelle gerückt wird. Dieser enzymatisch aktive R-Zustand wird ei-

50 1 Multiple Gleichgewichte

Page 61: Enzymkinetik (3. Auflage)

nerseits durch AMP, andererseits durch kovalent gebundene Phosphatreste an derPhosphorylierungsstelle stabilisiert.

1.6 Nicht-identische,sich beeinflussende Bindungsstellen

Der Beschreibung des Bindungsverhaltens von Liganden an identische, an nicht-iden-tische, unabhängige und an identische, sich beeinflussende Bindungsstellen müßtenunmehr die Bindung von Liganden an nicht-identische, sich beeinflussende Bin-dungsstellen folgen. Allerdings konnten solche Fälle bisher nicht überzeugend nach-gewiesen werden. Hämoglobin wäre zwar ein solches Beispiel, doch wird es auf-grund vergleichbarer Bindungskonstanten dem Fall identischer Untereinheiten zuge-rechnet. Unterschiedliche, unabhängige Bindungsstellen verursachen, wie in Ab-schnitt 1.4 gezeigt, ein Abweichen vom normalen Bindungsverhalten (Abb. 1.6), dasdemjenigen identischer, sich beeinflussender Bindungsstellen (für den Fall positiverKooperativität) entgegengesetzt ist (Abb. 1.9). Dies ist deutlich im doppelt-reziprokenDiagramm zu erkennen (Abb. 1.6 B und 1.11B). Die Kurve für positive Kooperativi-tät weicht nach rechts oben, die für unterschiedliche Bindungszentren dagegen nachrechts unten ab. Bei vergleichbarer Ausprägung kompensieren sich beide Effekte undeine lineare Abhängigkeit wie für normales Bindungsverhalten resultiert. Auch beiunterschiedlicher Stärke beider Effekte erfolgt eine teilweise Kompensation und nurder überwiegende Mechanismus kann sich in abgeschwächter Form manifestieren.Gleiches gilt für gleichzeitiges Vorliegen positiver und negativer Kooperativität, daletztere eine ähnliche Kurvenform ergibt wie die Bindung an nicht-identische Bin-dungsstellen. Es läßt sich zwar über die Bedeutung solcher Überlagerungen im Sinneeiner Gegenregulation oder Feinabstimmung diskutieren, auch könnten solche Über-lagerungen Ursache manchmal beobachteter Inhomogenitäten in Kurvenverläufensein. Aufgrund des Fehlens überzeugender Beispiele bleibt aber offen, inwieweit ge-gensätzliche Mechanismen im gleichen System tatsächlich verwirklicht sind.

Eine Verstärkung zweier gleichgerichteter Effekte hätte dagegen die Verknüpfungvon negativer Kooperativität mit Wechselwirkungen nicht-identischer Untereinheitenzur Folge, doch auch hier fehlt es an überzeugenden Beispielen.

1.7 Literatur

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52 1 Multiple Gleichgewichte

Page 63: Enzymkinetik (3. Auflage)

2 Enzymkinetik

Gegenüber den als zeitunabhängig anzusehenden multiplen Gleichgewichten befaßtsich die Enzymkinetik mit den zeitabhängigen Reaktionen von Enzymen, mit derenHilfe Mechanismen enzymatischer Katalyse und Regulation aufgeklärt werden sollen.Beide Gebiete ergänzen sich, da, wie aus dem vorigen Kapitel ersichtlich, durchGleichgewichtsbetrachtungen bereits Teilbereiche der Enzymkinetik, wie die Sub-stratbindung oder kooperative Phänomene, vorweggenommen sind, die hier nichtmehr behandelt werden müssen. Während die Gesetzmäßigkeiten der multiplenGleichgewichte auf alle Bindungsvorgänge anwendbar sind, beschränkt sich die En-zymkinetik, mit wenigen Ausnahmen, wie Transportsysteme, auf Enzyme. Der wich-tigste und daher bevorzugt behandelte Ligand ist nunmehr das Substrat, das durchdas Enzym zum Produkt umgesetzt wird. Diese Umsetzung wird gegebenenfallsdurch andere Liganden, wie Cofaktoren, Hemmstoffe oder Aktivatoren beeinflußt.Als Voraussetzung zur Behandlung der enzymkinetischen Gesetze wird zunächst aufdie chemische Reaktionsordnung eingegangen.

2.1 Reaktionsordnung

Die Ordnung einer chemischen Reaktion bezüglich der einzelnen Komponenten istdefiniert als die Potenz, mit der die Konzentration der Komponente in die Geschwin-digkeitsgleichung eingeht. Die gesamte Ordnung der Reaktion ist die Summe derOrdnungen aller Komponenten. Eine Reaktion:

��� �� �

ist insgesamt dritter Ordnung in der Hinreaktion, jedoch zweiter Ordnung bezüglichdes Reaktanten A und erster Ordnung sowohl bezüglich B, wie auch insgesamt inder Rückreaktion.

2.1.1 Reaktionen erster Ordnung

Die einfachste chemische Reaktion ist die spontane Umwandlung eines Stoffes A ineinen Stoff P wie beim radioaktiven Zerfall:

���� � �

Die Geschwindigkeit der Reaktion � ist meßbar durch die zeitliche Abnahme von Aoder die Zunahme von P und sie ist direkt abhängig von der Menge an A:

Enzymkinetik: Theorie und Methoden, 3. Auflage. Hans BisswangerCopyright © 2000 WILEY-VCH Verlag GmbH, WeinheimISBN: 3-527-30096-1

Page 64: Enzymkinetik (3. Auflage)

� � �������� ����

��� ����� � ����

k1, die Geschwindigkeitskonstante erster Ordnung, hat die Dimension s–1, sie ist kon-zentrationsunabhängig. Integration der Gl. (2.1) von 0 bis zur Zeit t ergibt:

����

��

������� �

� �

��

���� �

���� � ��������� � ����

��� � �������� � ����

Substratabnahme bzw. Produktzunahme verlaufen exponentiell mit der Zeit(Abb. 2.1 A). Nach Gl. (2.2) lassen sich solche Kurven durch halblogarithmische Auf-tragung der Substrat- bzw. Produktkonzentration nach der Zeit linearisieren. Die Ge-schwindigkeitskonstante kann aus der Steigung (Abb. 2.1B) oder der Halbwertszeitt1/2, bei der das Substrat zur Hälfte umgesetzt ist, erhalten werden. [A] ist dann [A]0/2 und ln ([A]0/[A]) = ln 2:

�� � � �

����� ���

����� ����

54 2 Enzymkinetik

Abb. 2.1. Zeit-Umsatz-Kurven nullter und erster Ordnung für Produktbildung und Substratverbrauchin der direkten (A) und der halblogarithmischen (B) Darstellung. Die Ermittlung der Umsatzge-schwindigkeit durch Tangenten an die Kurven ist in A gezeigt.

Page 65: Enzymkinetik (3. Auflage)

2.1.2 Reaktionen zweiter Ordnung

�� ���� � �

Die Umsatzgeschwindigkeit ist bei dieser Reaktion proportional der Abnahme an Aund an B, sowie der Zunahme an P:

� � � ������� �����

��� ����

��� �������� � ����

In die Dimension der Geschwindigkeitskonstanten zweiter Ordnung k1 (s–1 M–1) gehtnun auch die Konzentration ein. Integration von Gl. (2.5) führt zu:

��� � �

���� � �������������������

� ����

t ist nun abhängig von zwei Variablen, A und B, die Gleichung läßt sich in der halb-logarithmischen Darstellung nicht mehr linearisieren. Sie ist nur zu lösen, wenn eineder Variablen als konstant angesehen werden kann, was dann zutrifft, wenn ein Reak-tionspartner gegenüber dem anderen in sehr großem Überschuß vorliegt, so daß sichdessen Konzentration während des Reaktionsverlaufs nur unwesentlich ändert. DieReaktion wird dadurch pseudoerster Ordnung:

� � ��������� � ����� � ����

Die als konstant angesehene Konzentration [B]0 wird in die Geschwindigkeitskon-stante pseudoerster Ordnung einbezogen: k1

=k1[B]0. Bei Gültigkeit dieser Vorausset-zung läßt sich diese Reaktion wie eine Reaktion erster Ordnung behandeln und in ei-nem halblogarithmischen Diagramm wie in Abb. 2.1B linearisieren. Die Steigung, ge-teilt durch die Konzentration des konstant gehaltenen Reaktionspartners, ergibt dieGeschwindigkeitskonstante zweiter Ordnung. Eine Unterscheidung der pseudoerstenOrdnung von der ersten Ordnung ist in diesem Diagramm durch Veränderung derAusgangskonzentration des konstanten Reaktionspartners möglich, da sich die Stei-gung in diesem Sinne ändert, während sie im Falle der ersten Ordnung von der Kon-zentration unabhängig ist. Auf solche Weise läßt sich z. B. unterscheiden, ob dieKonformationsveränderung eines Enzyms spontan abläuft oder durch Ligandenbin-dung induziert wird.

Sind Bedingungen pseudoerster Ordnung, d. h. sehr hohe Konzentrationen einesReaktionspartners, nicht zu erreichen, läßt sich Gl. (2.5) dadurch vereinfachen, daßbeide Reaktanten in der gleichen Konzentration eingesetzt werden, [A]0 = [B]0:

� � �������� ������ � ����

A2.1 Reaktionsordnung 55

Page 66: Enzymkinetik (3. Auflage)

Durch Integration nach t

����

��

�������� �

� �

��

����

erhält man die Beziehung:

��� ��

����� ��� � ���

die in einem Diagramm 1/[A] gegen t eine lineare Funktion mit der Steigung k1 er-gibt. Auch in diesem Falle läßt sich k1 auch über die Halbwertszeit berechnen:

�� � �

��������� �����

2.1.3 Reaktionen nullter Ordnung

Reaktionen nullter Ordnung sind von den Konzentrationen der Reaktanten unabhän-gig:

� � � ������� ����

��� � � �����

Integration nach der Zeit ergibt eine lineare Abhängigkeit:

��� � ������� � �����

Reaktionen, die dieser Ordnung gehorchen, sind daran zu erkennen, daß die Abnah-me des Substrat bzw. die Zunahme des Produkts linear mit der Zeit verläuft(Abb. 2.1 A). Nullter Ordnung sind Reaktionen mit Beteiligung eines Katalysators,wenn dieser gegenüber den Reaktionspartnern in sehr geringer Konzentration vorliegtund damit dessen Konzentration allein die Umsatzgeschwindigkeit bestimmt. Diesgilt jedoch nur, wenn die Menge des Katalysators als konstant betrachtet werdenkann. Es ist dann auch unerheblich, wie viele Reaktanten an der Reaktion beteiligtsind und welcher Ordnung die Reaktion in Abwesenheit des Katalysators gehorchenwürde.

56 2 Enzymkinetik

Page 67: Enzymkinetik (3. Auflage)

2.2 Steady-State-Kinetikund Michaelis-Menten-Gleichung

2.2.1 Herleitung der Michaelis-Menten-Gleichung

Der einfachste Fall einer enzymatischen Katalyse ist eine Reaktion, bei der ein Sub-strat umgesetzt wird, wie bei Isomerisierungen oder Spaltungsreaktionen (Peptidasen,Proteasen, Nucleasen etc.), auch wird ein irreversibler Reaktionsverlauf angenom-men. Damit ist es auch gleichgültig, ob ein einziges Produkt entsteht oder mehrereSpaltstücke freigesetzt werden:

�� ���� ��

��� �� � �����

Für die zeitliche Änderung der einzelnen Reaktionspartner ergeben sich folgende Dif-ferentialgleichungen:

������� ��������� � ������� �����

������� ��������� � ���� � ������ � �����

�������� �������� � ���� � ������ � �����

������� ������ � � � �����

Als Umsatzgeschwindigkeit � wird die Produktzunahme definiert, die nach Gl. (2.16)der Konzentration des Enzym-Substrat-Komplexes EA direkt proportional ist. Diesehängt wiederum von der Menge der Reaktionspartner ab. Zur Lösung der Differen-tialgleichungen wäre die Kenntnis der zeitlichen Konzentrationsveränderungen derReaktionspartner erforderlich, was vor allem für [E] und [EA] experimentell kaummöglich ist. In Abb. 2.2 sind solche Veränderungen aller beteiligten Reaktionspartnerunter Vorgabe bestimmter Konstanten berechnet. Drei Phasen sind deutlich zu unter-scheiden: 1. Eine kurze Anfangsphase der Bildung von Enzym-Substrat-Komplex beigleichzeitiger Abnahme des freien Enzyms. In diesem Bereich ist die Umsatzge-schwindigkeit noch gering. 2. Eine mittlere Phase, in der sich die Konzentration desEnzym-Substrat-Komplexes nur wenig ändert, die Umsatzgeschwindigkeit erreichthier ihren maximalen Wert. 3. Die letzte Phase ist geprägt durch den Zerfall des En-zym-Substrat-Komplexes infolge der Erschöpfung des Substratüberschusses, die Um-satzgeschwindigkeit nimmt wieder ab.

Durch Variation der Geschwindigkeitskonstanten ändern sich die relativen Berei-che der drei Phasen. Sind alle drei Konstanten vergleichbar groß, dann ist die Dauerder mittleren Phase relativ kurz, die Konzentration von [EA] erreicht zu keinem Zeit-

A2.2 Steady-State-Kinetik und Michaelis-Menten-Gleichung 57

Page 68: Enzymkinetik (3. Auflage)

punkt einen konstanten Wert. Stellt sich dagegen das vorgeschaltete Gleichgewichtim Vergleich zur Enzymkatalyse rasch ein (eine durchaus plausible Annahme), alsok1�k–1 >k2, dann verlängert sich die mittlere Phase auffallend. Die Konzentrationdes Enzym-Substrat-Komplexes bleibt für eine beachtliche Zeitdauer nahezu unverän-dert. In diesem Bereich halten sich Bildung und Zerfall des Enzym-Substrat-Komple-xes gerade die Waage, es herrscht ein gleichgewichtsähnlicher Zustand, der aber nurfür eine begrenzte Zeit stabil ist. Zum Unterschied von einem echten Gleichgewicht(engl. equilibrium) wird dieser Zustand mit dem englischen Begriff Steady-State(Fließgleichgewicht) bezeichnet. In diesem Bereich beobachtet man, als Folge derKonstanz des Enzym-Substrat-Komplexes, eine lineare Substratabnahme bzw. Pro-duktbildung, die Reaktion wird nullter Ordnung hinsichtlich des Substrats. Da diezeitliche Änderung von Enzym-Substrat-Komplex und freiem Enzym d[EA]/dt =d[E]/dt =0 gesetzt werden kann, vereinfachen sich die Gl. (2.14) und (2.15)

�������� � ���� � ������ �

und unter Ersatz von [E] nach dem Prinzip der Massenerhaltung [E]0 = [E]+[EA] er-gibt sich für [EA] der Ausdruck

���� � �������������� � ��� � ��

der in Gl. (2.16) eingesetzt wird, um eine Beziehung zwischen Umsatzgeschwindig-keit und Substratmenge zu erhalten:

� � ������� ������ � ���������

��� � ��

��� ���

� �����

58 2 Enzymkinetik

Abb. 2.2. Zeitliche Veränderungder Reaktionspartner einer en-zymkatalysierten Reaktion.1) Pre-Steady-State-Phase,2) Steady-State-Phase,3) Substraterschöpfung.

Page 69: Enzymkinetik (3. Auflage)

(k–1+k2)/k1 wird zu einer gemeinsamen Konstanten Km zusammengefaßt. k2[E]0 =Vist die Maximalgeschwindigkeit, da hier die gesamte eingesetzte Enzymmenge an derReaktion teilnimmt. Damit wird Gl. (2.17) zu:

� � � ����� � ��� � �����

Diese von Briggs und Haldane 1925 entwickelte Gleichung besitzt zentrale Bedeu-tung für die Enzymkinetik. Sie ist zwar nur für den einfachen Fall einer irreversiblenEinsubstratreaktion abgeleitet, doch bleibt sie unter bestimmten Bedingungen undmit Modifikationen auch für komplexere Mechanismen gültig. Ähnliche Beziehungenfür die Beschreibung der Invertase-Reaktion wurden bereits 1902 von Adrian J.Brown in Birmingham und von Victor Henri in Paris formuliert. Zusammen mit derKanadierin Maud Menten hat Leonor Michaelis die Gültigkeit der Henrischen Glei-chung ebenfalls am Enzym Invertase 1913 in Berlin untersucht. Deren Verdienst be-stand vor allem in der Erkenntnis, daß zur Dokumentation von Enzymreaktionen ge-nau standardisierte Bedingungen hinsichtlich Temperatur, pH-Wert und Ionenstärkeeingehalten werden müssen. Im Unterschied zur Steady-State-Annahme gingen diesefrühen Studien von einer Gleichgewichtsbetrachtung aus. Die Einstellung des Gleich-gewichts zwischen freiem Enzym und Substrat einerseits und dem Enzym-Substrat-Komplex (Michaelis-Komplex) andererseits erfolge so rasch gegenüber dem katalyti-schen Umsatz, daß die Konzentration des Enzym-Substrat-Komplexes alleine von k1

und k–1, nicht aber von k2 abhinge. Nach Gl. (2.16) ist � ein direktes Maß für [EA]bzw. [A]geb bei Bindungsgleichgewichten. Damit könnte die Geschwindigkeitsglei-chung analog der Bindungsgleichung (1.23) abgeleitet werden (vgl. Abschnitt 1.3.1)und erhielte dann die Form:

� � � ����� � ��� �

� ������

��� ���

� ����

bei der anstelle von Km die Dissoziationskonstante Kd steht. Gleichung (2.19) ent-spricht den realen Verhältnissen weniger als Gl. (2.18), da die katalytische Konstantek2 gegenüber der Gleichgewichtseinstellung häufig nicht zu vernachlässigen ist unddie Menge von EA tatsächlich von Gleichgewichtseinstellung und katalytischem Um-satz bestimmt wird. Entsprechend weicht auch die durch kinetische Messungen be-stimmte Konstante Km vielfach von der aus Bindungsmessungen erhaltenen Dissozia-tionskonstanten Kd ab. Die Steady-State-Annahme ist damit weitergehender und all-gemeiner gefaßt. Trotzdem hat sich für die von Briggs und Haldane entwickelte Be-ziehung die Bezeichnung Michaelis-Menten-Gleichung erhalten, wie auch Km als Mi-chaelis-Konstante bezeichnet wird.

Aufgrund der weitgehenden Analogie der Michaelis-Menten-Gleichung mit derallgemeinen Bindungsgleichung (1.23) gelten auch die dort besprochenen Regeln zurErmittlung der Konstanten sinngemäß. Die Sättigungsfunktion [A]geb bzw. r ent-spricht der Reaktionsgeschwindigkeit �, Sättigung ist dort bei n[E]0 bzw. n, hier bei

A2.2 Steady-State-Kinetik und Michaelis-Menten-Gleichung 59

Page 70: Enzymkinetik (3. Auflage)

V erreicht, Kd wird durch die Michaelis-Konstante Km ersetzt. Ein prinzipieller Unter-schied besteht allerdings im praktischen Vorgehen. Während bei Bindungsmessungendie Konzentration des freien Liganden [A] ermittelt werden muß, wird bei kineti-schen Messungen an dessen Stelle die Konzentration des zugefügten Substrats[A]0 = [A]+[EA] gesetzt, was zwar nicht völlig korrekt ist, da aber für kinetischeMessungen nur katalytische, d.h. äußerst geringe Enzymmengen nötig sind, kannaufgrund der Vorbedingung [E]0� [A] die Menge an enzymgebundenem Substratvernachlässigt werden.

Die Michaelis-Menten-Gleichung ist durch zwei Konstanten charakterisiert: dieMichaelis-Konstante steht in Bezug zur Dissoziationskonstanten und gibt somit Hin-weise auf die Affinität des Substrats, geringe Werte dieser Konstanten sprechen füreine hohe Affinität. Die katalytische Konstante kcat gibt die Umsatzgeschwindigkeitdes Enzyms an. Im Gegensatz zur Km wird kcat nicht unmittelbar, sondern nur alsV =kcat/[E]0 erhalten, d.h. es ist die Kenntnis der molaren Menge des eingesetztenEnzyms erforderlich. Das Verhältnis kcat/Km =kcatk1/(k–1+k2) wird als katalytische Ef-fizienz bezeichnet. Es hat die Dimension einer Geschwindigkeitskonstanten zweiterOrdnung (vgl. Gl. (1.17)). Es gilt als Maß der Substratspezifität, hohe Werte sind einHinweis für hohe Substratspezifitäten.

Aufgrund der zentralen Bedeutung der Michaelis-Menten-Gleichung für die En-zymkinetik sind Auswertung und Art der Darstellung der Daten sehr wichtig undeine umfangreiche Literatur befaßt sich mit diesem Thema. Hier seien nur die ge-bräuchlichsten Verfahren besprochen.

2.3 Auswertung enzymkinetischer Daten

2.3.1 Graphische Darstellung der Michaelis-Menten-Gleichung

2.3.1.1 Nicht-lineare Darstellungen

Wie die allgemeine Bindungsgleichung (1.23) hat auch die Michaelis-Menten-Glei-chung in der direkten Auftragung von � gegen [A] die Form einer rechtwinkligen Hy-perbel (Abb. 2.4 A). Da die Beziehung dieser Gleichung zur Hyperbelfunktion nichtaugenfällig ist, sei sie hier erläutert (vgl. Abb. 2.3). Die allgemeine Hyperbelglei-chung lautet:

��

��� ��

��� � � �����

Für eine rechtwinklige Hyperbel ist A = B (Abb. 2.3A):

�� � �� � �� � �����

Drehung der Koordinaten um den Winkel 45�: X=X cos�–Y sin�, Y=X sin�+Y cos�,ergibt, unter Berücksichtigung von sin 45�=cos 45�=0,7071 (Abb. 2.3 B):

60 2 Enzymkinetik

Page 71: Enzymkinetik (3. Auflage)

�� � �� � �� � �� � � �� �

���� � �� �

Verschiebung des Achsenkreuzes um die Inkremente a und b: X =X+a; Y =Y–b(Abb. 2.3 C):

�������� � � ��

� ������� �� �

����

Wird ab=A2/2 gewählt, dann vereinfacht sich die Gleichung zu

� � �

�� �� �����

aus der die Analogie zur Michaelis-Menten-Gleichung ersichtlich wird, wenn Y��,X� [A], a�Km, b�V.

Für sehr große bzw. unendliche Substratkonzentrationen (Km� [A]) kann Km inGl. (2.18) vernachlässigt werden, sie vereinfacht sich zu � =V, eine Asymptote an dieKurve für [A]�� hat den Ordinatenwert V. An der Stelle V/2 ist die Substratkon-

A2.3 Auswertung enzymkinetischer Daten 61

Abb. 2.3. Transformation einer rechtwinkligenHyperbel in die Form der Michaelis-Menten-Kurve. A) Rechtwinklige Hyperbel, B) Drehungdes Achsenkreuzes um 45 �, C) Verschiebungdes Achsenkreuzes um die Inkremente a und b.Die Entsprechung der kinetischen Konstanten istangegeben.

Page 72: Enzymkinetik (3. Auflage)

zentration zahlenmäßig gleich der Michaelis-Konstanten, [A]= Km (Abb. 2.4 A). Aufdiese Weise lassen sich die kinetischen Konstanten aus dem Diagramm gewinnen.Diese Vorgehensweise ist jedoch nicht ganz unproblematisch. Die Bedingung[A]�� ist experimentell auch nicht näherungsweise zu erreichen, da das Substrat insehr hohen Konzentrationen, wenn überhaupt löslich, vielfach einen negativen Ein-fluß auf die Enzymaktivität hat (selbst wenn keine spezifische Substrathemmung vor-liegt). Andererseits verführt ein mehrfacher Überschuß der Substratkonzentration ge-genüber dem Km-Wert leicht zur Annahme, Sättigung sei „praktisch“ schon erreicht.Tabelle 2.1 zeigt, in welcher Weise eine zu niedrig angenommene Sättigung zu Feh-lern führen kann und wie sich diese auf die Km-Bestimmung übertragen.

Ein weiteres Problem liegt in der Angleichung der Kurve an die Meßwerte, diezwangsläufig einer Fehlerstreuung unterliegen. So kann es für einen gegebenen Da-tensatz durchaus mehrere scheinbar gleichwertige Möglichkeiten geben, eine hyper-bole Kurve anzupassen (Abb. 2.5). Dies gilt ganz besonders, wenn zu wenig Meßwer-te vorhanden sind bzw. wenn nicht über den gesamten Sättigungsbereich gemessenwurde. Wurden nur geringe Substratkonzentrationen erfaßt, so wird die Bestimmungvon V (und damit auch zwangsläufig von Km) unzuverlässig, liegen die Werte dage-gen im Sättigungsbereich, so wird die Km-Bestimmung ungenau. Um die Kurve opti-mal abzudecken, ist eine gleichmäßige Verteilung der Substratmengen in einem Be-

62 2 Enzymkinetik

Abb. 2.4. Nicht-lineare und lineare Darstellungsformen der Michaelis-Menten-Gleichung. A) DirekteDarstellung, B) halblogarithmische Darstellung, C) Eadie-Hofstee-Diagramm, D) doppel-reziprokeDarstellung nach Lineweaver-Burk, E) Hanes-Diagramm. Die Arten der Bestimmung von Km und Vsind angegeben.

Page 73: Enzymkinetik (3. Auflage)

reich um jeweils eine Zehnerpotenz unter und über dem Km-Wert zu empfehlen, wo-bei für eine Kurve zumindest 10 Konzentrationswerte (möglichst durch Mehrfachbe-stimmung abgesichert) gewählt werden sollten.

Nicht-lineare Darstellungen haben auch den Nachteil, daß Abweichungen vom hy-perbolen Verlauf, bedingt durch andere Mechanismen, artifizielle Einflüsse oder sy-stematische Fehler, schwer zu erkennen und zu beurteilen sind. Kurvenverläufe, wiesie bei negativer Kooperativität oder bei Vorliegen verschiedenartiger Zentren gefun-den werden, sind einem hyperbolen Kurvenverlauf sehr ähnlich. Aber auch andereAbweichungen, wie sigmoide Verläufe, sind bei schwacher Ausprägung und großerFehlerstreuung leicht zu übersehen.

Die Anwendung nicht-linearer Regressionsverfahren schützt zumindest teilweisevor den geschilderten Fehlermöglichkeiten. Ein einfaches Verfahren zur Anpassungder Michaelis-Menten-Kurve nach der Methode der kleinsten Fehlerquadrate wurde

A2.3 Auswertung enzymkinetischer Daten 63

Tab. 2.1. Umsatzgeschwindigkeiten eines Enzyms, ausgedrückt in % der tatsächlichen Maximalge-schwindigkeit V bei x-fachem Substratüberschuß gegenüber Km (als 1 angenommen). Die rechteSpalte zeigt die bei V/2 ermittelten scheinbaren Km-Werte, wenn als V anstatt der wahren Maximalge-schwindigkeit die beim jeweiligen Substratüberschuß bestimmte Umsatzgeschwindigkeit genommenwird.

Substratüberschuß x-fach Km Umsatzgeschwindigkeit (% V) Km aus Umsatzgeschwindigkeit

25

1020304050

100�

66,783,390,995,296,897,698,099,0

100

0,500,710,830,910,940,950,960,981

Abb. 2.5. Unsicherheiten in der Bestimmung der kinetischen Konstanten der Michaelis-Menten-Be-ziehung bei unzureichender Abdeckung des Meßbereichs und starker Fehlerstreuung. In A) ist derSättigungsbereich, in B) der niedere Konzentrationsbereich nicht berücksichtigt. Es sind jeweils dreiinnerhalb der Fehlerschwankungen liegende Kurven eingezeichnet.

Page 74: Enzymkinetik (3. Auflage)

von Cornish-Bowden (1984) beschrieben. Allerdings bedürfen auch diese Verfahrender kritischen Beurteilung, insbesondere bei der Feststellung von Abweichungen vomhyperbolen Verlauf. Die Zuverlässigkeit der Anpassung und damit die der berechne-ten Konstanten übertrifft vielfach die von Linearisierungsverfahren. Die Methode derdirekten Auftragung hat gegenüber anderen Darstellungsformen weiterhin den Vor-teil, daß die Meßwerte ohne rechnerische Verzerrung dargestellt werden. Insbesonde-re wird die Fehlerstreuung unverändert wiedergegeben und erlaubt die Einschätzungder Zuverlässigkeit der Werte.

Eine Variante der direkten Auftragung ist das halblogarithmische Diagramm. Dielogarithmische Auftragung der Substratkonzentrationen auf der Abszisse ermöglichtes, auch bei einem breiteren Konzentrationsumfang alle Werte in einem einzigen Dia-gramm unterzubringen und dabei den niederen und den hohen Sättigungsbereich glei-chermaßen sichtbar zu machen (Abb. 2.4B). Die hyperbole Kurve bekommt hier eineS-förmige (sigmoide) Gestalt, ähnlich der, die allosterische Enzyme bereits in der di-rekten Auftragung zeigen. Dies erschwert das Erkennen derartiger Abweichungen.

Ein von Dixon (1965) vorgeschlagenes Verfahren zur Bestimmung der Michaelis-Konstanten berücksichtigt den in der Enzymkinetik meist vernachlässigten Umstand,daß die angegebene Substratkonzentration tatsächlich die Gesamtmenge [A]0 =[A]+[EA] und nicht die in der Michaelis-Menten-Gleichung geforderte Konzentrationdes freien Substrats [A] ist, von der sie bei höherer Enzymkonzentration bzw. beistarker Bindung merklich abweichen kann. Dieses Verfahren eignet sich daher auchzur Auswertung von Bindungsmessungen durch spektroskopische Titrationen (Ab-schnitt 1.3.2.2), erfordert allerdings die Kenntnis des Sättigungswertes (V), der ausanderen Verfahren bestimmt werden muß. Durch den Koordinatenursprung wird eineTangente an die Sättigungskurve gelegt (Abb. 2.6 A). Eine weitere Gerade verbindetden Koordinatenursprung mit dem Punkt der Kurve an der Stelle � =V/2. Die Schnitt-punkte beider Geraden mit der Asymptoten V entsprechen den Substratkonzentratio-nen [A]0

und [A]0, deren Differenz ergibt Km (bzw. Kd). Trägt man diese Differenz

noch einmal auf der Asymptoten nach links ab, so entspricht der verbleibende Ab-stand von diesem Punkt zur Ordinate der eingesetzten Enzymmenge [E]0. Mit Hilfeeiner Verbindungslinie zwischen diesem Punkt der Asymptoten und dem Koordina-

64 2 Enzymkinetik

Abb. 2.6. Bestimmung der kinetischen Konstanten nach den Verfahren von A) Dixon (1965); B) Kil-roe-Smith (1966); C) Dixon (1972).

Page 75: Enzymkinetik (3. Auflage)

tenursprung ist es möglich, die Verteilung der Komponenten in der Lösung an jedemPunkt der Sättigungskurve zu ermitteln. Denkt man sich eine horizontale Linie durcheinen beliebigen Punkt der Sättigungskurve, so entspricht die Strecke auf dieser Li-nie von der Ordinate zu der genannten Verbindungslinie der Menge an EA-Komplexbei diesem Sättigungsgrad. Der Abstand von hier bis zur Sättigungskurve entsprichtdem freien Substrat [A], während der Abstand vom gleichen Punkt bis zum Lot auf[E]0 das freie Enzym [E] angibt (vgl. Abb. 2.6 A).

Um Unsicherheiten in der Tangentenbildung zu umgehen, hat Kilroe-Smith (1966)dieses Verfahren modifiziert (Abb. 2.6B). Es werden Verbindungslinien zwischendem Koordinatenursprung und den Punkten V/2 bzw. 3V/4 der Sättigungskurve gezo-gen. Km ergibt sich nun aus der Distanz der Schnittpunkte einer Horizontalen für V/2mit diesen beiden Verbindungslinien. Verlängert man beide Verbindungslinien bis zurAsymptoten V, so beträgt die Distanz 2Km und eine dritte Verbindungslinie zwischenden beiden, die durch � =2V/3 geht, teilt diese Distanz in zwei gleiche Abschnittevon jeweils Km. Darauf gründet wiederum das weiter modifizierte Verfahren von Di-xon (1972). Ursprungsgeraden werden durch die Punkte � =(n–1)V/n (für n =0, 1, 2,3 usw.) gezeichnet, also V/2, 2V/3, 3V/4, 4V/5, usw., die die Asymptote V in Distan-zen zu jeweils Km schneiden (Abb. 2.6 C). Die Linie für n =1 ist die im ursprüngli-chen Verfahren bereits verwendete Tangente an den Anfang der Sättigungskurve(Abb. 2.6 A). Wird von hier nach links der Abschnitt für Km noch einmal abgetragen,so erhält man die Verbindungslinie für n =0, von der die Strecke zur Ordinate, wiebereits oben erwähnt, [E]0 angibt. Dieses Verfahren eignet sich auch zur Bestimmungvon Hemmkonstanten (s. Abschnitt 2.5.1.2).

Zur Berechnung dieses Verfahrens werden die Konzentrationen von freiem Sub-strat bzw. Ligand [A] und Enzym [E] ersetzt durch Gesamtmengen abzüglich des alsEnzymkomplex gebundenen Anteils. Für die Dissoziationskonstante Kd erhält manden Ausdruck:

�� � ���������� ������ � �������� � ����

���������

�� � �������� � �

� ������ � ���� �

Für die Gleichung der Tangente an die Kurve im Koordinatenursprung kann man da-von ausgehen, daß [A]0 klein und [EA] gegenüber [E]0 zu vernachlässigen ist:

� � �������� ���� � ���� �

Damit ergibt sich für die Gleichung der Tangente für enzymkinetische Verhältnisseunter Berücksichtigung von � =kcat[EA] und V = kcat[E]0, wobei unter Annahme einesschnellen Gleichgewichts näherungsweise Km�Kd gesetzt wird:

������ ��

�� �

����� �����

A2.3 Auswertung enzymkinetischer Daten 65

Page 76: Enzymkinetik (3. Auflage)

Die Tangente schneidet die Sättigungsasymptote bei � =V, die Substratkonzentrationan dieser Stelle hat den Wert [A]0� =Km+V/kcat. Bei Halbsättigung � =V/2 ist[EA] =[E]0/2 bzw. [E]0 – [EA] =[E]0/2. Gemäß Gl. (2.23) ergibt sich für die Substrat-konzentration [A]0

an dieser Stelle:

�� � ���� ��

������ ���� �

���������

����� ������ � ����

�� � ���� � ������ � ���� � ����� � ���� �

Aus Gl. (2.25) folgt weiter:

������ � �������� � ���� � �� �

Aus dieser Beziehung kann schließlich auch kcat =V/[E]0 bzw. der Absorptionskoeffi-zient für den EA-Komplex bei spektroskopischen Titrationen ermittelt werden.

Für die Modifikation nach Kilroe-Smith (1966) wird an der Stelle � =3V/4 dieKonzentration [EA]# =�/k =3V/4k eingesetzt:

���� � ����� � �

�� ��

��� �

���

Einsetzen dieser Beziehung in Gl. (2.23) unter Berücksichtigung der Substratkonzen-tration [A]0

# an der Stelle � =3V/4 ergibt:

�� � �������

��� �

� ��

��� ���

��

�� �

���

Durch Einsetzen von Gl. (2.25) erhält man schließlich:

�� � �������� ���� �

2.3.1.2 Direkt-lineare Diagramme

Eine völlig andere Art der Darstellung von Meßdaten ist das direkt-lineare Dia-gramm von Cornish-Bowden und Eisenthal (1974). Durch Umformung wird die Mi-chaelis-Menten-Gleichung in eine Geradengleichung mit den (gedachten) Variablen Vals Ordinate und Km als Abszisse überführt:

66 2 Enzymkinetik

Page 77: Enzymkinetik (3. Auflage)

� � ���

��� � � � �����

Die zugehörige Gerade schneidet die Ordinate an der Stelle � und die Abszisse bei –[A]. Trägt man umgekehrt die Werte für [A] auf der Abszisse (mit negativem Vorzei-chen), die zugehörigen Werte für � auf der Ordinate ab und verbindet jedes Wertepaarmit einer Geraden, dann erhält man für mehrere Wertepaare eine Geradenschar mit ei-nem gemeinsamen Schnittpunkt rechts der Ordinate mit den X- bzw. Y-Koordinaten Km

und V (Abb. 2.7A). Aufgrund der Fehlerstreuung wird man tatsächlich keinen gemein-samen Schnittpunkt erhalten, vielmehr ergibt sich eine Wolke verschiedener Gerade-nschnittpunkte. Die Konstanten erhält man dann aus dem Mittelwert (Median, vgl. Ab-schnitt 2.11) aller X- bzw. Y-Koordinaten der Einzelschnittpunkte (Abb. 2.7 B).

Ein Nachteil besteht darin, daß die Schnittpunkte außerhalb des eigentlichen Dia-gramms liegen und einzelne dieser Schnittpunkte ganz aus dem vorgegebenen Rah-men ausbrechen können, so daß ein Diagramm ggf. in mehreren Dimensionen darge-stellt werden muß. Dies läßt sich durch Umwandlung von Gl. (2.26) in die reziprokeForm umgehen (Cornish-Bowden und Eisenthal, 1978):

�� �

�� ��

� ��� � �����

wobei 1/� auf der Ordinate und [A]/� auf der Abszisse aufgetragen werden(Abb. 2.7 C). Der gemeinsame Geradenschnittpunkt, der nun innerhalb des Dia-gramms liegt, hat die X- und Y-Koordinaten Km/V und 1/V.

Eine dritte Art der Umformung führt zur Gleichung:

��� �

���� �

��� � �����

A2.3 Auswertung enzymkinetischer Daten 67

Abb. 2.7. Direkt-lineares Diagramm. In A) werden die Substratkonzentrationen auf dem negativenAst der Abszisse und die Werte von � auf der Ordinate abgetragen und durch Geraden verbunden. InC) wird [A]/� auf der Abszisse und 1/� auf der Ordinate abgetragen. B) zeigt das gleiche Diagrammwie A) bei starker Fehlerstreuung.

Page 78: Enzymkinetik (3. Auflage)

Durch Auftragung von –1/[A] gegen �/[A] ergibt sich ein gemeinsamer Schnittpunkt mitden Koordinaten 1/Km und V/Km (Abb. 2.7 D). Allerdings hat dieses, wie auch das vor-hergehende Diagramm, den Nachteil reziproker Auftragung mit einer Skalenverzerrung.

Die direkt-linearen Darstellungen benötigen zwar keine Regressionsverfahren, las-sen jedoch Abweichungen vom normalen Verhalten kaum erkennen. Es ergibt sich insolchen Fällen eine mehr oder minder charakteristische Verzerrung der Schnittpunkts-wolke. Dies gilt auch für Analysen von Enzymhemmungen und Mehrsubstrat-Reak-tionen, die für den jeweiligen Mechanismus charakteristische Versetzungen der ge-meinsamen Schnittpunkte bewirken. Doch erschwert auch hier die Vielzahl der durchdie Fehlerstreuung verursachten Einzelschnittpunkte eine genaue Beurteilung (vgl.Abschnitt 2.5.1.2).

2.3.1.3 Linearisierungsverfahren

Die bei den nicht-linearen Diagrammen angesprochenen Nachteile können weitge-hend durch Linearisierungsverfahren ausgeräumt werden. Die Konstanten lassen sicheinfach aus Achsenschnittpunkten bzw. Geradensteigungen ermitteln. Abweichungender Meßwerte von der Gesetzmäßigkeit der Michaelis-Menten-Beziehung geben sichdurch charakteristische Abweichungen vom linearen Verlauf zu erkennen und gebenHinweise für andere Mechanismen (z. B. Kooperativität) oder artifizielle Einflüsse.Ein weiterer wichtiger Vorteil von Linearisierungsverfahren ist die Analyse enzymki-netischer Daten bei Variation von zwei und mehr Liganden z. B. bei Enzymhemmun-gen oder Mehrsubstrat-Reaktionen, wo aus dem resultierenden Geradenmuster dervorliegende Mechanismus erkennbar wird. Grundsätzlich gilt jedoch, daß Auswertungs-verfahren nur die Informationen aus Daten wiedergeben, die in diesen enthalten sind.Das sei am Beispiel der Katalase demonstriert, bei der es mit einfachen Meßmethodennicht möglich war, den Km-Wert des Substrats H2O2 zu bestimmen, da hohe Substrat-konzentrationen das Enzym schädigen. In der direkten Auftragung war daher die Sätti-gung nicht zu erreichen und damit auch die Substratkonzentration bei Halbsättigungnicht bestimmbar. In dem noch zu besprechenden doppelt-reziproken Diagramm läßtsich die Kurve linearisieren und Km durch einfache Extrapolation auf die Abszisse er-halten, das Erreichen des Sättigungsbereiches wäre dafür nicht nötig. Tatsächlich befin-den sich die Meßwerte jedoch so weit im rechten Bereich des Diagramms, daß die er-haltenen Geraden praktisch auf den Koordinatenursprung extrapolieren und ein eindeu-tiger Ordinaten- bzw. Abszissenschnittpunkt nicht angegeben werden kann.

Es sind drei einfache Umformungen der Michaelis-Menten-Gleichung in eine Ge-raden-Gleichung möglich. Diese wurden zuerst von Woolf vorgeschlagen und sind indem Buch „Allgemeine Chemie der Enzyme“ von Haldane und Stern (1932) er-wähnt, ohne jedoch besondere Beachtung zu finden. Später beschrieben andere Autorendie einzelnen Linearisierungen in ausführlichen Publikationen. Entgegen der allgemeinakzeptierten Regel, wonach die Namensgebung dem Erstautor gebührt, werden dieseVerfahren zumeist nach späteren Autoren benannt. Dies ist zwar nicht zurecht, aber inso-weit praktikabel, als andernfalls alle drei Darstellungsarten „Woolf-Diagramm“ heißenmüssten und eine Unterscheidung nicht möglich wäre. Die Situation wird dadurch nochverwickelter, als gleiche Diagramme unabhängig von mehreren Autoren beschrieben

68 2 Enzymkinetik

Page 79: Enzymkinetik (3. Auflage)

wurden, so daß für einzelne Diagramme ganz verschiedene Namenskombinationen exi-stieren, die teilweise die Urheberschaft von Woolf berücksichtigen (z. B. Scatchard-,Eadie-, Eadie-Scatchard-, Eadie-Hofstee-, Woolf-Hofstee-Diagramm). Da aber die Um-formung der Michaelis-Menten- in eine Geradengleichung nicht als besondere mathe-matische Leistung anzusehen ist, seien hier der Verständlichkeit wegen die gebräuch-lichsten Bezeichnungen gewählt. Woolfs Verdienst sei durch diese Anmerkung gewür-digt.

Das doppel-reziproke bzw. Lineweaver-Burk-Diagramm beruht, wie der Name zumAusdruck bringt, auf der reziproken Form der Michaelis-Menten-Gleichung:

�� �

�� ��

�� �

��� � ����

Die Auftragung der reziproken Umsatzgeschwindigkeit 1/� gegen die reziproke Sub-stratkonzentration 1/[A] ergibt bei Gültigkeit der Beziehung eine Gerade, die die Or-dinate bei 1/V, die Abszisse bei 1/Km schneidet (Abb. 2.4 D). Obwohl das gebräuch-lichste Linearisierungsverfahren der Michaelis-Menten-Gleichung, gilt es als das un-geeignetste (vgl. Markus et al., 1976). Der wesentliche Nachteil ist die Ungleichver-teilung der Daten. Die reziproke Auftragung verursacht bei äquidistanten Substrat-

A2.3 Auswertung enzymkinetischer Daten 69

Abb. 2.8. Fehlergrenzen in verschiedenen Darstellungsarten der Michaelis-Menten-Beziehung unterAnnahme eines konstanten absoluten Fehlers. A) Direkte Auftragung, B) doppelt-reziprokes Dia-gramm, C) Eadie-Hofstee-Diagramm, D) Hanes-Diagramm.

Page 80: Enzymkinetik (3. Auflage)

konzentrationen (vgl. Abb. 2.8 B) eine Stauchung in Richtung der Koordinaten bzw.eine Spreizung von diesen weg. Werden die Konzentrationen dagegen so gewählt,daß sie in diesem Diagramm gleiche Abstände ergeben, dann decken sie die Sätti-gungskurve nicht optimal ab. Noch gravierender ist, daß sich diese Ungleichvertei-lung ebenso auf die abhängige Variable � und damit auch auf deren Fehlergrenzenauswirkt. Unter Annahme eines gleichen absoluten Fehlers über den gesamten Meß-bereich werden die Fehlergrenzen in der doppelt-reziproken Darstellung zur Ordinatehin komprimiert, nach rechts dagegen stark aufgeweitet. Ein lineares Regressionsver-fahren erkennt diese Verzerrung nicht und gewichtet die stark streuenden Werte imrechten Teil des Diagramms ebenso wie die komprimierten Werte nahe der Ordinate.Bereits eine geringfügige Fehlerabweichung bei geringen Substratkonzentrationenkann den Verlauf einer einfachen Regressionsgeraden ganz erheblich beeinträchtigen.Nur durch Einführung geeigneter Gewichtungsfaktoren läßt sich diese Ungleichver-teilung ausgleichen (Wilkinson, 1961). Allerdings trägt gerade diese Ungleichvertei-lung nicht unwesentlich zur häufigen Anwendung dieses Diagramms bei. Die Kom-primierung der Fehlergrenzen bei hohen Substratkonzentrationen vermittelt den Ein-druck sehr geringer Fehlerstreuung und läßt die Daten hier vertrauensvoller erschei-nen. Ein tatsächlicher Vorteil dieses Diagramms gegenüber den anderen Linearisie-rungsverfahren liegt darin, daß die beiden Variablen � und [A] durch die Koordinatengetrennt dargestellt werden. Auch sind Abweichungen von der Michaelis-Menten-Gleichung gut zu erkennen und Hemm- und Mehrsubstrat-Mechanismen lassen sichgut beurteilen.

Die Gleichung für das Hanes-Diagramms ergibt sich durch Multiplikation der rezi-proken Michaelis-Menten-Gleichung (2.29) mit [A]:

����� ���

�� ��

�� �����

bei dem [A]/� gegen [A] aufgetragen wird (Abb. 2.4E und 2.8D). Die Gerade hat dieSteigung 1/V, sie schneidet die Abszisse bei 1/Km und die Ordinate bei Km/V. DieFehlergrenzen werden hier nur unwesentlich verzerrt, so daß eine einfache lineareRegression anwendbar ist. Es erfolgt jedoch keine Trennung der Variablen, die Sub-stratkonzentration geht in beide Achsen ein.

Multiplikation der Gl. (2.29) mit �V und Umstellung ergibt die dem Eadie-Hof-stee-Diagramm zugrundeliegende Gleichung:

� � � � �� � �

��� � �����

Bei Auftragung von � gegen �/[A] wird V aus dem Ordinatenschnittpunkt und –Km

aus der Steigung erhalten (Abb. 2.4 C und 2.8 C). Gegenüber dem bei Bindungsmes-sungen gebräuchlichen Scatchard-Diagramm sind lediglich die Achsen vertauscht(s. Abschnitt 1.3.2.1). Neben dem Nachteil fehlender Variablentrennung beobachtetman auch hier eine Verzerrung der Fehlergrenzen, die jedoch nicht so drastisch wiebeim doppelt-reziproken Diagramm ist. Die Fehlergrenzen weiten sich von der Mittedes Diagramms her zu niederen und zu hohen Substratkonzentrationen auf.

70 2 Enzymkinetik

Page 81: Enzymkinetik (3. Auflage)

2.3.1.4 Graphische Auswertung von Zeit-Umsatz-Kurven

Die bisher beschriebenen Auswertungsverfahren gehen davon aus, daß die Umsatzge-schwindigkeiten � in getrennten Ansätzen bei unterschiedlichen Substratkonzentratio-nen gemessen und die Daten in die Diagramme übertragen werden. Tatsächlich aberwerden schon im Verlaufe einer einzigen Enzymreaktion vom Anfangswert [A]0 biszum Ende bzw. Gleichgewicht der Reaktion [A]� alle Substratkonzentrationen konti-nuierlich durchlaufen. Die Registrierung eines solchen Zeitverlauf (z. B. im photome-trischen Enzymtest) ergibt eine Zeit-Umsatz-Kurve, deren Ordinatenwerte (z. B. überdie Absorption) die aktuellen Substrat- bzw. Produktkonzentrationen und deren Stei-gungen die zugehörigen Reaktionsgeschwingigkeiten � =d[P]/dt anzeigen (Abb. 2.1).Eine einzige Zeit-Umsatz-Kurve enthält damit die gesamte Information der Michae-lis-Menten-Kinetik und man müßte nur [A]0 groß genug wählen, um den gesamtenSättigungsbereich zu durchlaufen. Aus einer einzigen Zeit-Umsatz-Kurve können anbeliebig vielen Punkten die [A]- und �-Werte erhalten und in die verschiedenen Dia-gramme übertragen werden. Neben der unsicheren Tangentenbildung hat diese einfa-che Methode allerdings den Nachteil, daß störende Einflüsse, wie die Hemmung desEnzyms durch das entstehende Produkt und dessen Rückreaktion zum Substrat nichtleicht erkannt werden und zu falschen Ergebnissen führen. Balcom und Fitch (1945)haben dieses Verfahren mittels eines Computerprogrammes so modifiziert, daß auchkompliziertere Mechanismen, wie Produkthemmung, einbezogen werden können. DieZeit-Umsatz-Kurven werden dabei in gleiche Zeitabschnitte (z. B. 12 s) eingeteilt, andenen jeweils die Substratkonzentration (z. B. über Absorption) errechnet wird. Diezugehörige Geschwindigkeit ergibt sich aus der Steigung einer Verbindungslinie derbeiden benachbarten Punkte.

2.3.1.5 Integrierte Michaelis-Menten-Gleichung

Wie für die Auswertung hyperboler Sättigungskurven kann auch für Zeit-Umsatz-Kur-ven eine Verbesserung durch Linearisierung erreicht werden. Man kann dazu, nach demfolgenden Verfahren, eine gegebene Meßkurve, z. B. den Schreiberausdruck eines Pho-tometers, punktweise umrechnen und in einem entsprechenden Diagramm darstellen.Der eigentliche Gewinn der direkten Auswertung von Zeit-Umsatz-Kurven liegt jedochin der Möglichkeit der Speicherung der Daten des Meßgeräts durch einen Computer(online), der nach jeder Messung die Daten unmittelbar auswertet.

Die Michaelis-Menten-Gleichung

� � �������� � ���

�� � ��� �����

wird nach Umformung

��� � ������ ���� � ���

��� ���� � ���� � ���

A2.3 Auswertung enzymkinetischer Daten 71

Page 82: Enzymkinetik (3. Auflage)

integriert von [A]0 zur Zeit t =0 bis [A] zur Zeit t:

���

����

����

������� �

����

����

���� � �

� �

�� �

Die integrierte Michaelis-Menten-Gleichung lautet dann:

�� �������� � ���� � ��� ��� � �����

In dieser Form wurde sie zuerst von Victor Henri (1902) abgeleitet. Durch weitereUmformung erhält man eine Geradengleichung (Walker & Schmidt, 1944; Jennings& Niemann, 1953):

���� � ����

� � � ��

���������

� ������

bzw. im Zehnerlogarithmus:

���� � ����

� � � ��

��� � ����������

�������

Wird anstatt des Substratverbrauchs die Produktbildung gemessen, so kann, unter An-nahme einer irreversiblen Reaktion, [P]= [A]0–[A] gesetzt werden. [P]� ist die Pro-duktkonzentration nach Ablauf der Reaktion:

����� � � ��

����

��� � ����

� ������

����� � � ��

��� � ������

��� � ����

� ������

([A]0–[A])/t gegen ln ([A]0/[A])/t bzw. [P]/t gegen ln ([P]�/([P]�–[P]))/t (als ln oderlog) aufgetragen ergibt eine Gerade mit der Steigung –Km und dem Ordinatenschnitt-punkt V (Abb. 2.9A). Dies ist die häufigste Art der Darstellung der integrierten Mi-chaelis-Menten-Gleichung. Daneben gibt es noch zwei weitere Linearisierungsverfah-ren. – 1/Km aus dem Abszissenabschnitt und 1/V aus dem Ordinatenschnittpunkt er-hält man aus einem Diagramm, dem die Gleichung

72 2 Enzymkinetik

Page 83: Enzymkinetik (3. Auflage)

��� ���� � ���

��� ��� � ������ � ��

�� �

������

zugrundeliegt (Abb. 2.9B). Eine dritte Möglichkeit der Linearisierung basiert auf derFormel:

��� � ������

��� � ���� ���

� � ��� � ������

��� � ���� ��

������

mit 1/V als Steigung, Km/V als Ordinaten- und –Km als Abszissenschnittpunkte (Abb.2.9 C).

Wie für die Auswertungsverfahren der einfachen Michaelis-Menten-Gleichung las-sen sich auch für die Darstellungen ihrer integrierten Form komplexere Mechanismenwie Enzymhemmung und Mehrsubstrat-Reaktionen aus dem Geradenmuster oder ausAbweichungen vom linearen Verlauf erkennen.

A2.3 Auswertung enzymkinetischer Daten 73

Abb. 2.9. Lineare Darstellungen der integriertenMichaelis-Menten-Gleichung (vgl. Text).

Page 84: Enzymkinetik (3. Auflage)

2.3.2 Ermittlung der Reaktionsgeschwindigkeit

2.3.2.1 Experimentelle Bestimmung

Die oben besprochenen Auswertungsverfahren setzen die Kenntnis der Reaktionsge-schwindigkeit voraus. Da die Enzymkinetik weitgehend auf dieser Methodik beruht,seien hier einige prinzipielle Punkte diskutiert. Wie Abb. 2.2 zeigt, läßt sich der zeit-liche Verlauf enzymkatalysierter Reaktionen in drei Bereiche einteilen, eine durchschnelle kinetische Methoden erfaßbare Pre-Steady-State-Phase, die Steady-State-Phase und schließlich der Bereich zunehmender Substraterschöpfung. Für die auf derGültigkeit der Steady-State-Beziehung beruhenden enzymkinetischen Messungen ist,mit Ausnahme der oben geschilderten direkten Auswertung von Zeit-Umsatz-Kurven,nur der mittlere lineare Bereich von Bedeutung.

Die Erfassung des Steady-State-Bereichs setzt voraus, daß Zeit-Umsatz-Kurvenz. B. durch optische Messungen kontinuierlich registriert werden. Bei vielen Enzym-reaktionen können jedoch Substrat- oder Produktveränderung nicht durch ein direktesMeßsignal während der Reaktion erfaßt werden, der Umsatz muß nach dem Abstop-pen der Enzymreaktion durch nachgeschaltete Messungen, wie Farbreaktionen, Auf-trennung durch die HPLC-Methode oder radioaktive Markierung bestimmt werden(gestoppter Test). Durch Abstoppen des Tests zu unterschiedlichen Zeiten lassen sichzwar Zeit-Umsatz-Kurven punktweise aufnehmen, dies ist aber mühsam, auch ist derlineare Anfangsbereich bei einer begrenzten Zahl von Zeitwerten nicht immer ein-deutig auszumachen. Zur Vereinfachung solcher Tests begnügt man sich häufig da-mit, nur jeweils einen einzigen Wert nach einer festgelegten Inkubationszeit zu be-stimmen (Einpunkt-Messung). Für enzymkinetische Untersuchungen ist ein solchesVorgehen völlig unzureichend. Ebenfalls problematisch ist die Kopplung einer schwernachweisbaren Enzymreaktion mit einer kontinuierlich meßbaren Indikatorreaktion(gekoppelter Test), z. B. über eine NADH-abhängige Dehydrogenase, für die das Pro-dukt der zu untersuchenden Enzymreaktion als Substrat dient. Allerdings darf die Indi-katorreaktion selbst niemals geschwindigkeitsbestimmend werden, was bei den großenVariationsbreiten enzymkinetischer Untersuchungen nicht immer gewährleistet ist.

Für enzymkinetische Untersuchungen ist der lineare Steady-State-Bereich aus-schlaggebend, da die Michaelis-Menten-Gleichung für d[EA]/dt =0 abgeleitet wurdeund somit nur in diesem Bereich gilt. Je besser die Bedingung [E]0� [A]0 erfüllt ist,umso deutlicher wird der lineare Bereich. Umgekehrt ist bei Variation des Substratsunterhalb des Km-Werts der Steady-State-Bereich kurz und oft kaum zu erkennen(Abb. 2.10 A). Da dieser aber sofort beim Start der Reaktion einsetzten sollte, behilftman sich in solchen Fällen damit, durch Anlegen einer Tangente an die Kurve beit =0 die „Anfangsgeschwindigkeit“ zu ermitteln (Tangenten-Verfahren). Dies hat auchden Vorteil, daß Einflüsse des Produktes, wie Produkthemmung und Rückreaktion,zu vernachlässigen sind. Zusätzlich zu der Unsicherheit, ob bei nicht-linearem An-fangsbereich die Steady-State-Beziehung überhaupt gültig ist, ergibt sich auch dasProblem, daß zwischen dem Reaktionsstart beim Mischen der Reaktionspartner unddem Beginn der Registrierung die Reaktion bereits fortgeschritten ist und gar keineAnfangsgeschwindigkeit mehr vorliegt. Die Reaktionsgeschwindigkeit wird unter-schätzt, und zwar umso mehr, je kleiner die anfängliche Substratkonzentration ist.

74 2 Enzymkinetik

Page 85: Enzymkinetik (3. Auflage)

Bei der Auswertung solcher Daten können statt hyperboler sigmoide Kurvenverläuferesultieren (Abb. 2.10 B).

Es ist in solchen Fällen zu empfehlen, die Enzymmenge zu reduzieren. Dies ver-bessert einerseits die Steady-State-Bedingungen, andererseits wird der zeitliche Ab-lauf und damit auch der lineare Bereich gestreckt. Das erfordert, die Empfindlichkeitder Meßmethode soweit wie möglich zu steigern. Sind aber alle methodischen Mög-lichkeiten ausgereizt, dann stehen graphische Verfahren zur Bestimmung der wahrenAnfangsgeschwindigkeit zur Verfügung. Bevor auf diese eingegangen wird, sei nochauf einen scheinbaren Widerspruch hingewiesen. Die Ableitung der Michaelis-Men-ten-Gleichung erfolgte ausschließlich unter der Steady-State-Bedingung d[EA]/dt=0,jedoch unabhängig von der Substratkonzentration, solange [E]0� [A]0 gilt. Dies wirdleicht dahingehend mißverstanden, daß das Enzym aufgrund des großen Substratüber-schusses gesättigt und damit Linearität auch nur bei Substratsättigung zu erwartensei. Es wird dabei übersehen, daß Substratüberschuß nicht zwangsläufig Enzymsätti-gung bedeutet, vielmehr ist diese alleine abhängig von der Gleichgewichtskonstanten.Das sei an einem Zahlenbeispiel demonstriert. Setzt man eine Substratkonzentrationvon einem Zehntel des Km-Werts ein, z. B. 10–6 M bei Km =10–5 M, und eine Enzym-konzentration von [E]0 =10–9 M, so beträgt nach Kd = [A][E]/[EA] die Menge des En-zym-Substrat-Komplexes [EA] =10–10 M. Trotz eines tausendfachen Substratüber-schusses ist das Enzym nur zu 10% gesättigt.

2.3.2.2 Graphische Verfahren

Eine Verbesserung des Tangenten-Verfahrens wurde von Lee & Wilson (1971) be-schrieben. Zwei beliebige Punkte der Zeit-Umsatz-Kurve (z. B. 0 und 30% Reaktions-

A2.3 Auswertung enzymkinetischer Daten 75

Abb. 2.10. Ermittlung der Anfangsgeschwindigkeiten durch die Tangentenmethode. A) Die Kurvenzeigen gemessene Zeit-Umsatz-Kurven (1, 2, 3, . . .), die durchgezogenen Geraden die tatsächliche An-fangsgeschwindigkeit (1�, 2�, 3� . . .). Der schattierte Bereich ist die Zeit zwischen Mischen (0) undStart der Reaktion. Die gestrichelten Linien entsprechen den Tangenten an die Zeit-Umsatz-Kurvenam Startpunkt (1��, 2��, 3�� . . .). B) Direkte Auftragung der wahren Anfangsgeschwindigkeiten und denaus der Tangentenmethode erhaltenen Werte gegen die Substratkonzentration.

Page 86: Enzymkinetik (3. Auflage)

umsatz) werden durch eine Gerade verbunden. Deren Steigung entspricht der Reakti-onsgeschwindigkeit bei der Substratkonzentration des Mittelwerts beider Punkte (hier15%). Eine Verbesserung stellt das Sekanten-Verfahren von Waley (1981) dar. Auchhier wird eine Verbindungslinie zwischen zwei Punkten, [A]1, t1 und [A]2, t2, einerZeit-Umsatz-Kurve gezogen (Abb. 2.11A). Deren Steigung ([A]1–[A]2)/(t1–t2) ent-spricht der Steigung einer Tangente an die Kurve und damit der Geschwindigkeit füreine dritte Substratkonzentration [A]3 mit dem Wert

���� ����� � ����

���������

������

bzw.

���� � ���� ����� � ����

����� � �������� � ����

� ������

76 2 Enzymkinetik

Abb. 2.11. Methoden der Bestimmung der wahren Anfangsgeschwindigkeit. A) Sekanten-Verfahrennach Waley (1981), B) direkt-lineares Diagramm nach Cornish-Bowden (1975), C) Verfahren nachBoeker (1982), D) Verfahren nach Alberty & Koerber (1957).

Page 87: Enzymkinetik (3. Auflage)

wenn die Produktbildung erfaßt wird. Bei photometrischen Messungen kann die Kon-zentration an [A]3 aus den Absorptionswerten A bei den entsprechenden Zeiten be-stimmt werden, wobei A0 und A� die Absorptionswerte zu Beginn und Ende der Re-aktion sind:

���� �����

�� � � � �� � ��

��� � � �� � �

� ������

Mit dem Sekanten-Verfahren kann � auch bei Ein-Punkt-Messungen bestimmt werden,wobei die Steigung der Verbindungslinie zwischen dem Startpunkt und dem Meßpunktder Reaktion ermittelt wird. Die Methode setzt die Abwesenheit von Produkthemmungvoraus, doch auch in deren Gegenwart läßt sich � durch einfache Modifikation erhalten,solange diese Hemmung kompetitiv ist, was in der Regel auch zutrifft. In diesem Fallwerden zwei Sekanten gezogen, die eine z. B. von 0–20%, die andere von 0–40%. Diebeiden Steigungen entsprechen zwei Geschwindigkeiten �1 und �2, denen, wie obendargestellt, zwei Substratkonzentrationen [A]1 und [A]2 zugeordnet werden. Die wahreAnfangsgeschwindigkeit ergibt sich dann aus der Beziehung:

� � ��������� � ������������

��� �

��

� �� ����

������� ����

��

� � � ����

Umgekehrt kann aus dem Vergleich der Steigungen beider Sekanten auf eine Pro-dukthemmung geschlossen werden. Das Verhältnis �/� liegt für eine ungehemmteReaktion zwischen 1 und 1.145, bei einer Produkthemmung liegt es darüber (bis ma-ximal 2,2).

Während die bisher beschriebenen Verfahren lediglich die Bestimmung der Um-satzgeschwindigkeit durch Tangentenbildung objektiver gestalten, ermöglicht die aufder integrierten Michaelis-Menten-Gleichung beruhende Methode von Cornish-Bow-den (1975) die Ermittlung der wahren Anfangsgeschwindigkeit �0 bei t=0. Die inder integrierten Michaelis-Menten-Gleichung (2.33) enthaltenen Konstanten Km undV stimmen mit denen der einfachen Michaelis-Menten-Gleichung (2.18) nur dannüberein, wenn diese über den gesamten Verlauf der Zeit-Umsatz-Kurve gültig ist,was nur für eine irreversibel verlaufende Einsubstratreaktion zutrifft. Bei komplizier-teren Mechanismen, wie Produkthemmung, Irreversibilität der Reaktion oder die Be-teiligung mehrerer Substrate bleiben diese Größen nicht konstant und werden als ap-parente Konstanten (Km

app, Vapp) bezeichnet. Gleichung (2.33) lautet dann unter Be-trachtung des Produkts:

� ��� � ����� ����

��

��� ��� � ���

� �����

wobei [P] die Produktkonzentration zu einer bestimmten Zeit t und [P]� diejenigebeim Gleichgewicht der Reaktion ist. In einem Diagramm von Vapp gegen Km

app er-

A2.3 Auswertung enzymkinetischer Daten 77

Page 88: Enzymkinetik (3. Auflage)

gäben sich Geraden mit Ordinaten-Schnittpunkten [P]/t und Abszissen-Schnittpunk-ten –[P]/ln[P]�/([P]�–[P]). Tatsächlich wird in umgekehrter Weise vorgegangen. DieWerte der Achsenschnittpunkte werden aus den Zeit-Umsatz-Kurven ermittelt undauf den zugehörigen Achsen abgetragen. Dabei kann ohne wesentlichen Verlust anGenauigkeit der Abszissenwert durch Reihenentwicklung auf – [P]�+1/2[P] verein-facht werden. Die einander zugehörigen Achsenabschnitte werden in Form eines di-rekt-linearen Diagramms durch Geraden verbunden und treffen sich in einem Punktrechts der Ordinate (Abb. 2.11B). Die Verbindungsgerade dieses Punktes mit demAbszissenwert [P]� schneidet die Ordinate bei Vapp[P]�/(Km

app+[P]�), das �0 der Re-aktion. Da sich die Steigungen der aus einer Zeit-Umsatz-Kurve entnommenen Ge-raden meist nicht stark voneinander unterscheiden, ist der gemeinsame Schnittpunktoft schwer erkennbar. Er erscheint jedoch deutlicher, wenn die Ordinate zur Abzissehin auf einen Winkel zwischen 20� und 30� geneigt wird, was das Ergebnis nicht be-einflußt. Für eine �0-Bestimmung genügen fünf Geraden. Da unter experimentellenBedingungen anstatt des erwarteten gemeinsamen Schnittpunkts vielfach eineSchnittpunktwolke resultiert, kann die Verbindungsgerade mit ausreichender Genauig-keit durch deren Mitte gelegt werden. Exakt müßte eine Verbindungsgerade mit je-dem Einzelschnittpunkt gezeichnet und der Mittelwert aller Ordinatenschnittpunktedieser Linien errechnet werden.

Ebenfalls auf der integrierten Michaelis-Menten-Gleichung beruht das Verfahrenvon Boeker (1982), bei dem �[P]/t gegen �[P] aufgetragen wird. �[P]= [P]–[P]0 istdas während der Reaktion gebildete Produkt ([P]0 ist nicht notwendigerweise null).Das Diagramm ergibt eine lineare Abhängigkeit, wobei �0 durch Extrapolation auf�[P] =0 erhalten wird (Abb. 2.11C). Die Kenntnis von [P]� ist nicht erforderlich.Bei dem ähnlichen Verfahren von Alberty und Koerber (1957) wird �[P]/t gegen taufgetragen und �0 durch Extrapolation auf t =0 erhalten (Abb. 2.11D).

Auf das generelle Problem der Auswertung von Zeit-Umsatz-Kurven mit der inte-grierten Michaelis-Menten-Gleichung bei Produkthemmung wird in Abschnitt 2.4.3eingegangen.

2.4 Reversible Enzymreaktionen

2.4.1 Geschwindigkeitsgleichung für reversible Enzymreaktionen

Der Ableitung der Michaelis-Menten-Gleichung wurde eine irreversibel verlaufendeEnzymreaktion zugrundegelegt, was auch für verschiedene Reaktionen, wie Phospha-tasen, Peptidasen, näherungsweise zutrifft. Die meisten Enzymreaktionen, z. B. Iso-merasen, Dehydrogenasen oder Transaminasen, streben dagegen einem Gleichge-wicht zu und können sowohl durch Substrat wie Produkt gestartet werden:

�� � ��� �� ��� �� � � ��������� ���

In den Differentialgleichungen für E und EA ist die Rückreaktion zu berücksichti-gen, auch ändert sich die Reaktionsgeschwindigkeit �:

78 2 Enzymkinetik

Page 89: Enzymkinetik (3. Auflage)

������� ���� � ������ � ���������������� � �����

�������� ����� � ������ � ���������������� � �����

������� ������ � ��������� � � � �����

Mit Hilfe der Beziehung für die Gesamtmenge des Enzyms [E]0 = [E]+[EA] lassensich [E] und [EA] aus den Gl. (2.42) und (2.43) berechnen:

��� � ���� � ����������������������� � �� � �����

���� � ������ � ��������������������������� � �� �����

und in Gl. (2.44) einsetzen. Man erhält damit die Geschwindigkeitsgleichung in derForm der Geschwindigkeitskonstanten:

� � �������� � ������������������������� � ���� � �� � �����

Da die Geschwindigkeitskonstanten nicht direkt bestimmbar sind, wird Gl. (2.47) in dieForm der kinetischen Konstanten überführt. Dazu werden Zähler und Nenner mit (k–1

+k2)/k1k–2 multipliziert, wobei KmA und V1 Michaelis-Konstante und Maximalgeschwin-digkeit für die Hinreaktion, KmP und V2 die Konstanten für die Rückreaktion sind:

��� � ��� � ��

��� ��� � ��� � ��

����

�� � ������ � �� � ������� �

� � �� � �� � �������� � �������������� � ������������� �����

Gleichung (2.48) setzt sich zusammen aus Anteilen der Michaelis-Menten-Gleichungfür Hin- und Rückreaktion. Für [P] oder [A]=0 erhält man die Ausdrücke für die ge-trennten Reaktionen:

�� � �������� � ��� � �� � �����

��� � ��� � �����

Es folgt daraus, daß selbst bei Vorliegen einer Rückreaktion die einfache Michaelis-Menten-Gleichung als gültig angesehen werden kann, solange das Produkt zu vernach-

A2.4 Reversible Enzymreaktionen 79

Page 90: Enzymkinetik (3. Auflage)

lässigen ist. Nimmt jedoch während der Reaktion die Produktkonzentration spürbar zu,dann beeinflußt die einsetzende Rückreaktion in zunehmendem Maße die Reaktionsge-schwindigkeit und im Vergleich zur einfachen Michaelis-Menten-Gleichung werden zugeringe Werte erhalten. Hier zeigt sich einerseits die Universalität der Michaelis-Men-ten-Gleichung, die auch für den Fall einer reversiblen Enzymreaktion anwendbar ist,andererseits wird ihr Gültigkeitsbereich zeitlich eingeschränkt. Beim Vorliegen einerRückreaktion gilt sie nur im Anfangsbereich der Zeit-Umsatz-Kurve zur Zeit t0, womitdie Notwendigkeit unterstrichen wird, Anfangsgeschwindigkeiten zu bestimmen.

Eine weitere Konsequenz von Gl. (2.48) ist, daß die Reaktion sowohl von der Sub-strat- wie der Produktseite her mittels der einfachen Michaelis-Menten-Gleichunganalysiert werden kann. Damit werden alle vier kinetischen Konstanten, KmA, KmP,V1 und V2, bestimmbar. Bei deren Kenntnis lassen sich die vier Geschwindigkeits-konstanten der Reaktion errechnen:

�� � �� � ��

�������� ��� � ��

����� �� � ��

����� ��� � �� � ��

��������

Somit kann über die Bestimmung der Anfangsgeschwindigkeiten von Hin- und Rück-reaktion eine große Zahl von Informationen erhalten werden. Ein Problem bei derAuswertung von Zeit-Umsatz-Kurven ist die sich der anfänglichen Reaktion zuneh-mend überlagernde Rückreaktion. Die aus der integrierten Michaelis-Menten-Glei-chung abgeleiteten Linearisierungsverfahren (Gl. (2.34)–(2.36)) ergeben keine Ge-raden mehr. Wird die Integration von Gl. (2.48) jedoch unter Einbeziehung der Rück-reaktion vorgenommen, so erhält man wieder eine lineare Beziehung:

���� � ����

������ � �����

��� � ���� �����

��� � ���

� �� ��� � ����������� � �����

� � �

��� ���� � �������

�����

([A]0–[A])/t wird gegen ln(1–([A]0–[A])/[P]g)/t aufgetragen, wobei [P]g die Produkt-konzentration beim Erreichen des Gleichgewichts der Reaktion ist. Falls [P]g und V2

nicht bekannt sind, lassen sich KmA und V1 durch Auftragung von ([A]0–[A])/t gegenln([A]0/[A])/t nach der Methode von Foster und Niemann (Abschnitt 2.4.3) bei ver-schiedenen [A]0-Werten aus dem Anfangsbereich ([P] =0) erhalten, wie KmP und V2

aus der Rückreaktion. Allerdings unterscheidet sich dann das Verfahren nicht mehrprinzipiell von der Methode der Bestimmung von Anfangsgeschwindigkeiten bei un-terschiedlichen Substratkonzentrationen.

2.4.2 Haldane-Beziehung

Bei reversiblen Enzymreaktionen wird, im Gegensatz zu irreversiblen, das Substratnur soweit verbraucht, bis ein Gleichgewichtszustand erreicht ist, bei dem sich die

80 2 Enzymkinetik

Page 91: Enzymkinetik (3. Auflage)

Umsatzgeschwindigkeiten beider Richtungen kompensieren. Die Geschwindigkeit derGesamtreaktion ist � =0. Gleichung (2.47) und (2.48) lassen sich vereinfachen zu:

�������� � ���������� �����

��������� � ��������� �����

wobei [A]g und [P]g die Konzentrationen im Gleichgewicht sind. Die Gleichge-wichtskonstante der gesamten Reaktion ist:

�� �����������������

� ��������� ����

������� �����

������ ��

��� �����

Kg ist das Verhältnis der Dissoziationskonstanten des Enzym-Produkt-KomplexesKp =k2/k–2 zu der des Enzym-Substrat-Komplexes Ka =k–1/k1. Diese von J.B.S. Hal-dane beschriebene Beziehung zwischen den kinetischen Konstanten und den thermo-dynamischen Gleichgewichtskonstanten zeigt, daß Michaelis-Konstanten und Maxi-malgeschwindigkeiten von Hin- und Rückreaktion nicht unabhängig voneinandersind. Um eine Reaktion vorzüglich in die Richtung des Produkts zu lenken (Kg�1),muß V1�V2 bzw. KmA�KmP sein.

2.4.3 Produkthemmung

Eine weitere Konsequenz der Reversibilität in Gl. (2.48) ist die Hemmung des En-zyms durch sein eigenes Produkt. Während bei der ursprünglichen Ableitung der Mi-chaelis-Menten-Gleichung am Beispiel einer irreversiblen Reaktion ein reversiblesBindungsgleichgewicht nur für das Substrat angenommen wurde, muß nach dem Re-aktionsschema (2.41) auch ein solches für das Produkt berücksichtigt werden. Diesgilt auch für den Fall, daß die Rückreaktion zu vernachlässigen ist. Somit ist eineProdukthemmung für jedes Enzym zu erwarten, allerdings ist sie (bei schwacher Bin-dung des Produkts) nicht immer deutlich zu erkennen. Im Verlauf einer Reaktionnimmt die Hemmwirkung durch die Produktbildung kontinuierlich zu. Um die hem-mende Wirkung des Produkts direkt zu untersuchen, wird dieses beim Start der Reak-tion in einer bestimmten Konzentration [P] zugegeben. Vernachlässigt man die Rück-reaktion (V2 =0), kann Gl. (2.48) vereinfacht werden, wobei aus dem gleichem Grunddie Michaelis-Konstante des Produkts durch dessen Dissoziationskonstante KP =k2/k–2

ersetzt wird:

� � ������������ � ����� � ������

� ��������

��� ���

��

�� ���

� �����

In der doppelt-reziproken Form lautet die Gleichung:

A2.4 Reversible Enzymreaktionen 81

Page 92: Enzymkinetik (3. Auflage)

�� �

���

���

��� ���

��

����� � �����

Es handelt sich hierbei um eine kompetitive Produkthemmung, d. h. das Produkt kon-kurriert um die Bindungsstelle des Substrats am aktiven Zentrum des Enzyms. Das inein Produkt umgewandelte Substrat verbleibt zunächst an seiner ursprünglichen Bin-dungsstelle und verhindert dadurch die Anheftung eines neuen Substratmoleküls. Inder doppelt-reziproken Darstellung (Abb. 2.12) erhält man für verschiedene Produkt-konzentrationen eine Geradenschar mit einem gemeinsamen Ordinatenschnittpunkt ander Stelle 1/V und dem Abszissenschnittpunkt –1/KmA(1+[P]/KP). Bei Kenntnis vonKmA (bestimmt in Abwesenheit des Produkts) läßt sich KP berechnen.

Die häufigste Art der Produkthemmung ist kompetitiv, doch sind andere Arten derEinwirkung des Produkts auf die Enzymreaktion auch möglich. So kann bei Reaktio-nen mit mehreren Substraten das aus einem Substrat entstehende Produkt zwar diesesverdrängen und somit die Reaktion blockieren, es verdrängt aber nicht zwangsläufigauch das Cosubstrat. Bezüglich des Cosubstrats ist die Hemmung nicht-kompetitiv. Inseltenen Fällen tritt eine unkompetitive Produkthemmung auf (Abschnitt 2.5.1.8). Diegleichen Hemmtypen beobachtet man auch mit spezifischen Hemmstoffen des En-zyms. Sie werden in Abschnitt 2.5.1 ausführlich behandelt. Die dort abgeleitetenGleichungen und Auswertungsverfahren gelten sinngemäß, wenn die Hemmstoffkon-zentration [I] durch [P] und die Hemmkonstante Ki durch KP ersetzt werden. Diesgilt jedoch nur, solange die Produktkonzentration [P] im Meßbereich als konstant an-gesehen werden kann, obwohl diese genau genommen im Reaktionsverlauf stetig zu-nimmt. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zu Hemmstoffen, die während dergesamten Reaktion als konstant angesehen werden können. Das macht sich dann be-sonders bemerkbar, wenn anstelle von Anfangsgeschwindigkeiten mit Hilfe der inte-grierten Michaelis-Menten-Gleichung vollständige Zeit-Umsatz-Kurven ausgewertetwerden. Deren Verlauf wird nachhaltig durch die Produkthemmung beeinflußt.

82 2 Enzymkinetik

Abb. 2.12. Kompetitive Produkthemmung in derdoppelt-reziproken Darstellung mit Angabe derBestimmung der kinetischen Konstanten.

Page 93: Enzymkinetik (3. Auflage)

Nach Foster und Niemann (1953) kann die Produkthemmung in der integriertenMichaelis-Menten-Gleichung berücksichtigt werden:

���� � ����

� ���

�� � ��� ������ � ����

�� � �������������

� �����

In einem Diagramm von ([A]0–[A])/t gegen ln ([A]0/[A])/t werden für KmA <KP Ge-raden mit negativer Steigung erhalten (Abb. 2.13), für KmA >KP mit positiver Stei-gung. Bei KmA =KP steht die Gerade senkrecht zur Abszisse. Für verschiedene An-fangskonzentrationen von [A]0 ergibt sich in diesem Diagramm eine Geradenscharmit einem gemeinsamen Ordinatenschnittpunkt an der Stelle ±V/(1–KmA/KP). Schnitt-punkte dieser Geraden mit Ursprungsgeraden der Steigung [A]0 haben die y-Koordi-nate �0, der wahren Anfangsgeschwindigkeit bei t=0. Die Schnittpunkte mehrerer li-nearisierter Zeit-Umsatz-Kurven mit ihren zugehörigen Ursprungsgeraden liegen ih-rerseits auf einer Geraden, die einer idealen Zeit-Umsatz-Kurve in Abwesenheit derProdukthemmung entspricht. Deren Steigung hat den Wert Km, der Ordinatenschnitt-punkt ist V und der Abszissenschnittpunkt V/Km. Mit Hilfe dieser Konstanten kannman aus den Steigungen der einzelnen Zeit-Umsatz-Kurven, die nach Gl. (2.55) denWert Km(KP+[A]0)/(KP–Km) haben, KP errechnen. Einfacher wird –KP als Abszissen-schnittpunkt eines Sekundärdiagramms dieser Steigungen gegen [A]0 erhalten.

Nicht zu verwechseln ist die Produkt-Hemmung mit der Endprodukt-Hemmung(engl.: feedback inhibition), einem allgemeinen Regulationsprinzip bei mehrstufigenStoffwechselwegen. Das Endprodukt der Kette hemmt die Aktivität des ersten En-zyms und schaltet damit die gesamte Reaktionssequenz ab, so daß sich Zwischenpro-dukte nicht anhäufen können. Durch die zahlreichen Reaktionsschritte der Kette istdas Endprodukt strukturell so sehr vom Substrat bzw. Produkt des ersten Enzymsverschieden, daß es von dessen aktiven Zentrum nicht mehr erkannt wird. Es wirktvielmehr durch die Bindung an ein räumlich getrenntes allosterisches Regulations-zentren auf das katalytische Zentrum (Abschnitt 1.5.4). Kinetisch ist die Endprodukt-

A2.4 Reversible Enzymreaktionen 83

Abb. 2.13. Auswertungsverfahren der inte-grierten Michaelis-Menten-Gleichung unterBerücksichtigung der Produkthemmung nachFoster und Niemann (1953).

Page 94: Enzymkinetik (3. Auflage)

Hemmung wie eine nicht-kompetitive Enzymhemmung (Abschnitt 2.5.1.2) zu behan-deln. Allerdings ist bei allosterischen Enzymen das sigmoide Sättigungsverhalten zuberücksichtigen.

2.5 Enzymhemmung

Unter Enzymhemmung versteht man die negative Beeinflussung der Enzymaktivitätdurch spezifisch an definierte (katalytische oder regulatorische) Zentren bindende Li-ganden – Hemmstoffe oder Inhibitoren. Eine Verminderung der Reaktionsgeschwin-digkeit kann aber auch durch andere Faktoren, wie Temperatur, pH-Wert, Ionenstärkeoder Polarität des Lösungsmittels, verursacht sein. Solche Beeinflussungen erfolgenunspezifisch durch Veränderungen der Enzymstruktur über Oberflächeneffekte,Wechselwirkungen mit geladenen Gruppen oder Störungen der Hydrathülle, ohne ingezielter Weise auf das aktive Zentrum einzuwirken. Es zählen dazu auch Wechsel-wirkungen mit hydrophoben Verbindungen, Detergentien oder chaotropen Stoffen,wie Ammoniumsulfat. Einflüsse solcher Art fallen nicht unter den Begriff der En-zymhemmung und sind als Ursache der beobachteten Hemmung auszuschließen. Dasist nicht immer offenkundig, da in beiden Fällen die gleiche Wirkung, die Abnahmeder Umsatzgeschwindigkeit, beobachtet wird. Die Zugabe einer vorgekühlten Lösungeines vermeintlichen Hemmstoffes zum Enzymtest senkt die Temperatur und vermin-dert damit die Umsatzrate. Ähnliches gilt für pH-Verschiebungen bei Zugabe saureroder basischer Substanzen, für Verunreinigungen oder hohe Salzkonzentrationen inder Lösung des Hemmstoffes. Die Effekte nehmen mit der Menge der zugesetztenLösung zu und täuschen somit eine Konzentrationsabhängigkeit vor.

Auch die Art der Bindung eines spezifischen Hemmstoffes ist für die Behandlungder Enzymhemmung von Bedeutung. Zumeist bindet der Hemmstoff reversibel undkann wieder vom Enzym abgelöst bzw. verdrängt werden (reversible Hemmung). Be-stimmte Hemmstoffe binden jedoch derart stark, daß sie vom Enzym nicht mehr ab-zulösen sind (irreversible Hemmung). Dies ist entweder durch kovalente Bindungverursacht, wie bei Suizid-Substraten, die zunächst den katalytischen Prozeß nach-vollziehen, dabei aber mit einer funktionellen Gruppe eine kovalente Bindung einge-hen und das Enzym blockieren, oder durch extrem starke nicht-kovalente Bindung,wie bei Übergangsanalogen des aktivierten Zustandes oder bei Komplexbindungen.Reversible und irreversible Enzymhemmungen ergeben verschiedenartige Abhängig-keiten und werden daher getrennt betrachtet.

2.5.1 Reversible Enzymhemmung

2.5.1.1 Allgemeine Geschwindigkeitsgleichung

Ein Hemmstoff (Inhibitor) I bindet an ein Enzym und beeinflußt dessen Reaktionsge-schwindigkeit. Die Geschwindigkeitskonstante k2 für die ungehemmte Reaktion ver-ändert sich durch die Bindung des Hemmstoffs an den ESI-Komplex zu k6:

84 2 Enzymkinetik

Page 95: Enzymkinetik (3. Auflage)

(2.56)

Dieser Reaktionsmechanismus enthält je zwei Dissoziationskonstanten für das Sub-strat A und für den Hemmstoff I:

�� � ���

��� ���������� � �� � ���

��� ��!�������!� �

� � � ���

��� ����!���!� � � " � ���

��� �����!����!� �

Aus diesen Ausdrücken erhält man den Zusammenhang

��

�� � � �

� "� �����

so daß bei Kenntnis von drei Konstanten die vierte berechnet werden kann.Die Differentialgleichungen für das freie Enzyme und den Enzym-Substrat-Kom-

plex, unter Annahme der Steady-State-Bedingung, sowie für die Reaktionsgeschwin-digkeit � lauten:

������� ���� � ������ � ������ � ���!���� � �����!� � � � �����

�������� ����� � �� � ������ � �������� � ������!� � � � ����

������� ������ � �����!� � � � �����

Die Ausdrücke für die Enzym-Hemmstoff-Komplexe werden in der Beziehung fürdie Gesamtmenge des Enzyms durch die Hemmkonstanten ersetzt:

���� � ��� � ���� � ��!� � ���!� � ��� � ���� � ����!�� �� �����!�

� "� �����

A2.5 Enzymhemmung 85

Page 96: Enzymkinetik (3. Auflage)

Damit ergibt sich

��� ����� � ����

��� �!�

� "

�� �!�� �

� �����

Mit Kic =k–3/k3 wird in Gl. (2.58) [EI] durch Kic ersetzt:

������� � ���!��������� � ������ � ������!� � �

�������������� � ������ � � �

Damit wird aus Gl. (2.62) [E] eliminiert:

���� � ����������� �

���� � �����

�� �!�� "

�� �!�� �

Daraus läßt sich [EA] ausdrücken, wobei Km =(k–1+k2)/k1 gesetzt wird:

���� � ������

����

�� �!�� �

���

�� �!�� "

� �

Setzt man diesen Ausdruck in die Geschwindigkeitsgleichung (2.60) ein unter Ver-wendung von V1 =k2[E]0, V2 =k6[E]0 und ersetzt [EAI] durch Kiu, so folgt:

� � �� � ���!�� "

� ����� �

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��� � ���!�

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����

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��� �!�

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���

�� �!�� "

����

� �����

Der in der Reaktionsgleichung (2.56) dargestellte und durch die Beziehung (2.63)formulierte Mechanismus entspricht einer partiell nicht-kompetitiven Hemmung. Ob-wohl kein sehr häufiger Hemmtyp, wurde seine Gleichung stellvertretend für die fol-genden Mechanismen abgeleitet. Die Gleichung repräsentiert den allgemeinen Me-chanismus einer reversiblen Enzymhemmung. Aus ihr können alle Gleichungen fürspezifische Mechanismen durch Vereinfachungen abgeleitet werden.

Abb. 2.14 gibt einen Überblick über alle wichtigen reversiblen Hemmtypen. Siewerden in zwei Hauptgruppen unterteilt. Bei partiellen Hemmungen, wie der partiell

86 2 Enzymkinetik

Page 97: Enzymkinetik (3. Auflage)

nicht-kompetitiven Hemmung, behält das Enzym auch nach Bindung des Hemmstof-fes seine katalytische Aktivität, allerdings kann diese durch den Hemmstoff beein-flußt sein. Bei den vollständigen Hemmungen dagegen bildet das Enzym mit demHemmstoff einen inaktiven Dead-End-Komplex, der an der Reaktion nicht mehr teil-nehmen kann.

2.5.1.2 Nicht-kompetitive Hemmung,graphische Darstellung von Hemmdaten

Eine vollständige Hemmung liegt vor, wenn der EAI-Komplex inaktiv ist, damit wirdk6 bzw. V2 =0:

(2.64)

A2.5 Enzymhemmung 87

Abb. 2.14. Überblick über die wichtigsten reversiblen Hemm-Mechanismen.

Page 98: Enzymkinetik (3. Auflage)

Gl. (2.63) vereinfacht sich zu (V1 =V):

� � � �����

��� �!�

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���

�� �!�� "

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Die reziproke Form für das Lineweaver-Burk-Diagramm lautet:

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�� �!�� "

��

��

��� �!�

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Umformung der Gleichung für die Darstellung nach Hanes:

���������

�� �!�� "

��

��

��� �!�

� �

������

und nach Eadie-Hofstee:

� � �

�� �!�� "

���

��� �!�

� �

��

��� �!�

� "

� � �

��� � �����

Diese allgemeine Form einer vollständigen Hemmung wird als nicht-kompetitiveHemmung bezeichnet (bzgl. der Bezeichnungen vgl. Abschnitt 2.5.1.7). Durch denEinfluß des Hemmstoffes wird sowohl die scheinbare Michaelis-Konstante wie dieMaximalgeschwindigkeit verändert. Zur Charakterisierung dieses Hemmtyps werdenUmsatzgeschwindigkeiten mehrerer Meßreihen mit variierenden Substratkonzentratio-nen bestimmt, wobei jede Meßreihe eine konstante Menge an Hemmstoff enthält.Eine Meßreihe wird als Kontrolle und zur Km- und V-Bestimmung ohne Hemmstoffgetestet. Substrat- und Hemmstoffkonzentrationen werden im Bereich ihrer Michae-lis- bzw. Hemmkonstante variiert (jeweils um eine Zehnerpotenz darunter und dar-über). Die direkte Auftragung (Abb. 2.15 A) ergibt auch in Gegenwart des Hemmstof-fes hyperbole Kurven, die mit steigender Hemmstoff-Konzentration abflachen undgeringeren Sättigungswerten zustreben. Ein Kriterium dieses Hemmtyps ist, daß dieursprüngliche Maximalgeschwindigkeit nicht mehr erreicht wird, allerdings ist das inder nicht-linearen Auftragung nicht immer eindeutig zuerkennen. Hierin erweisensich die linearisierten Darstellungen als überlegen, die auch in Gegenwart desHemmstoffes ihre Linearität behalten. Die verschiedenen Geraden jeder Meßreiheordnen sich zu Mustern an, die für Hemmtyp und Linearisierungsverfahren charakte-ristisch sind. Im doppelt-reziproken Diagramm treffen sich alle Geraden in einem ge-meinsamen Schnittpunkt links der Ordinate, d. h. sie unterscheiden sich in Steigungund Ordinatenschnittpunkt entsprechend der Veränderung von scheinbarer Michaelis-

88 2 Enzymkinetik

Page 99: Enzymkinetik (3. Auflage)

Konstante und Maximalgeschwindigkeit durch den Hemmstoff (Abb. 2.15B). Aus derLage des Schnittpunktes kann das Verhältnis der beiden Hemmkonstanten zueinanderabgelesen werden. Er liegt über der Abszisse für Kic <Kiu. In diesem häufig vorkom-menden Fall behindert das Substrat die Bindung des Hemmstoffes. Damit gilt nachGl. (2.57) zwangsläufig KA <KAi, der Hemmstoff stört auch die Substratbindung. Be-günstigen sich dagegen Hemmstoff und Substrat in ihrer Bindung an das Enzym,

A2.5 Enzymhemmung 89

Abb. 2.15. Nicht-kompetitive Hemmung in unterschiedlichen Darstellungsarten. A) Direkte Darstel-lung, B) doppelt-reziprokes Diagramm, C) Eadie-Hofstee-Diagramm, D) Hanes-Diagramm, E) direkt-lineares Diagramm, F) Hemm-Diagramm nach Dixon (1953). Die Möglichkeiten der Bestimmung derkinetischen Konstanten sind angegeben.

Page 100: Enzymkinetik (3. Auflage)

d. h. Kic >Kiu und KA >KAi, dann liegt der gemeinsame Geradenschnittpunkt unter-halb der Abszisse. Für Kic =Kiu und KA =KAi findet keinerlei gegenseitige Beeinflus-sung statt, Bindung von Substrat und Hemmstoff erfolgen völlig unabhängig vonein-ander. Der Schnittpunkt liegt nun auf der Abszisse. Dieser Sonderfall, bei dem sichKm nicht ändert, wird oft als die eigentliche nicht-kompetitive Hemmung bezeichnet,im Unterschied zu einer sog. gemischten Hemmung (engl. mixed inhibition). Dabeiwird davon ausgegangen, daß bei der Verschiebung des Schnittpunktes von der Ab-szisse weg nach oben bzw. unten der Hemmtyp zunehmend in eine kompetitive bzw.unkompetitive Hemmung übergeht. Dieser Begriff ist nicht sehr glücklich, da bezüg-lich des Mechanismus (Gl. (2.64)) zwischen nicht-kompetitiver und ,gemischter‘Hemmung kein prinzipieller Unterschied besteht, wohl aber zwischen dieser und derkompetitiven bzw. unkompetitiven Hemmung (vgl. Abschnitt 2.5.1.3 und 2.5.1.4).

Im Hanes-Diagramm (Abb. 2.15D) entspricht das Geradenmuster dem der dop-pelt-reziproken Darstellung, nur kehrt sich die Lage der Schnittpunkte ober- bzw. un-terhalb der Abszisse um. In der Eadie-Hofstee-Darstellung (Abb. 2.15C) liegt der Ge-radenschnittpunkt für Kic <Kiu im zweiten, für Kic >Kiu im vierten Quadranten,Kic =Kiu ergibt Parallelen.

Die Abweichungen der Geraden bei Anwesenheit eines Hemmstoffes vom Verlaufder ungehemmten Reaktion dienen nach den Gl. (2.66)–(2.68) auch zur Bestimmungder Hemmkonstanten Kic und Kiu. So geht, wie in Abb. 2.15 dargestellt, im doppelt-reziproken Diagramm Kic in die Steigung und Kiu in den Ordinatenschnittpunkt ein,während der Abszissenschnittpunkt beide Konstanten enthält und sich somit wenigerfür die Bestimmung eignet. Da dieses Verfahren zur Berechnung der Konstanten et-was umständlich ist, sind Sekundärdiagramme zu empfehlen, die den Vorteil einerzusätzlichen Kontrolle des Hemmtyps aufweisen. Hierbei werden Parameter, die sichinfolge der Hemmung im Primärdiagramm ändern, wie Steigungen und Ordinaten-schnittpunkte, gegen die zugehörigen Hemmstoffkonzentrationen aufgetragen. Voll-ständige Hemmungen mit inaktiven Dead-End-Komplexen ergeben lineare Sekundär-diagramme, partielle Hemmungen dagegen nicht-lineare Abhängigkeiten, so daß da-mit beide Hauptgruppen der reversiblen Hemmung unterschieden werden können.Aus allen drei Linearisierungsverfahren lassen sich Sekundärdiagramme herleiten.Dies sei hier am Beispiel des doppelt-reziproken Diagramms gezeigt. Die SteigungSt der Geraden ist gemäß Gl. (2.66)

� � ��

�� �!���

� ��� ����

der Ordinatenschnittpunkt Or:

�� � �

�� �!�

� "�� �����

Bei Auftragung der Steigungen bzw. der Ordinatenschnittpunkte gegen die Hemm-stoffkonzentration werden Geraden mit den Abszissenschnittpunkten –Kic bzw. –Kiu

erhalten (Abb. 2.16).

90 2 Enzymkinetik

Page 101: Enzymkinetik (3. Auflage)

Das direkt-lineare Diagramm ergibt bereits für die Variation des Substrats eine Ge-radenschar mit einem gemeinsamen Schnittpunkt. Für jede Meßreihe in Gegenwartdes Hemmstoffes wird eine weitere Geradenschar mit einem gemeinsamen Schnitt-punkt erhalten, der sich in einer für den Hemmtyp charakteristischen Weise ver-schiebt, so bei der nicht-kompetitiven Hemmung schräg nach unten (Abb. 2.15E).

Speziell für die Darstellung von Hemmdaten hat Dixon (1953) ein Diagramm vor-geschlagen, bei dem Kic direkt aus der x-Koordinate des gemeinsamen Gerade-nschnittpunkts abgelesen werden kann, gemäß der Umformung von Gl. (2.66):

�� �

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���� �

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� ����� �

� �����

woraus eine lineare Abhängigkeit 1/� von [I] resultiert. Das experimentelle Vorgehenist umgekehrt wie für die anderen Diagramme. Innerhalb einer Meßreihe wird, bei je-weils konstant gehaltener Substratkonzentration, die Hemmstoffmenge verändert. Diegemeinsamen Geradenschnittpunkte liegen, wie im Lineweaver-Burk-Diagramm nachdem Verhältnis der Hemmkonstanten im 2. oder 3. Quadranten bzw. auf der Abszisse(Abb. 2.15 F). Im Gegensatz zu den anderen Diagrammen wird hier direkt die Abhän-gigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit vom Hemmstoff dargestellt. Wie bereits beiden Sekundärdiagrammen ergibt sich Linearität nur für vollständige reversibleHemmtypen, partielle Mechanismen zeigen gekrümmte Kurven. Das Diagramm hatjedoch den Nachteil, daß nicht-kompetitive (hier nur Fall Kic <Kiu) und kompetitiveHemmung übereinstimmend einen Geradenschnittpunkt im zweiten Quadranten ha-ben und somit diese häufigsten Hemmtypen hier nicht zu unterscheiden sind.

Ein weiteres, ebenfalls von Dixon (1972) entwickeltes, auch zur Km-Bestimmunggeeignetes, Verfahren benötigt nur die Abhängigkeit der Umsatzgeschwindigkeit desEnzyms von der Hemmstoffkonzentration bei einer einzigen (sättigenden) Substratmen-ge. Allerdings wird hier die Kenntnis des vorliegenden Hemmtyps vorausgesetzt. V seidie Umsatzgeschwindigkeit der ungehemmten Reaktion bei [I] =0 (nicht identisch mitder Maximalgeschwindigkeit V bei unendlicher Substratkonzentration), die in Gegen-

A2.5 Enzymhemmung 91

Abb. 2.16. Sekundärauftragungen der Steigungen (A) und Ordinatenschnittpunkte (B) aus einem dop-pelt-reziproken Diagramm für eine nicht-kompetitive Hemmung.

Page 102: Enzymkinetik (3. Auflage)

wart des Hemmstoffes hyperbol abfällt und (unter Voraussetzung vollständiger Hem-mung) gegen die Basislinie läuft (Abb. 2.17A). Es werden nun Verbindungslinien zwi-schen V und den Kurvenpunkten � =V(n–1)/n (für n =0, 1, 2, 3 usw., d. h. V/2, 2V/3,3V/4, 4V/5 usw.) gezogen. Diese schneiden die Basislinie in gleichen Abständen, diebei nicht-kompetitiver Hemmung den Wert Kic (bezogen auf den Konzentrationsmaß-stab der Abszisse) haben. Die Linie für n =1 entspricht der Ursprungstangente an dieKurve. Wird von deren Schnittpunkt nach links noch einmal die Distanz für Kic abge-tragen, so erhält man die Linie für n =0. Die Strecke von hier zur Ordinate ([I] =0) ent-spricht schließlich der eingesetzten Enzymkonzentration. Bei der kompetitiven Hem-mung sind die Abstände der Schnittpunkte der Verbindungslinien mit der Basislinie ab-hängig von der Substratkonzentration. In diesem Falle ist der Versuch bei verschiedenenSubstratkonzentrationen durchzuführen. In einer Auftragung der Distanzen gegen dieSubstratmengen ergibt sich eine Gerade, die die Ordinate ([A] =0) an der Stelle K

ic

und die Abszisse bei –Km schneidet (Abb. 2.17B).Die Mechanismen der Enzymhemmung lassen sich auch mit Hilfe der integrierten

Michaelis-Menten-Gleichung analysieren. Für die nicht-kompetitive Hemmung ergibtdie Integration der Gl. (2.65)

��

��� �!�

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�� �!�� "

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��

�� �!�� "

� �����

die in die drei linearen Formen von Abschnitt 2.3.1.5 überführt werden kann. Hiersei nur eine Form dargestellt:

���� � ����

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���

��� �!�

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�� �!�� "

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92 2 Enzymkinetik

Abb. 2.17. Graphisches Verfahren (A) zur Bestimmung von Hemm- und Michaelis-Konstanten nachDixon (1972). B) Sekundärauftragung der apparenten Konstanten K� gegen die Substratkonzentration.

Page 103: Enzymkinetik (3. Auflage)

Unterschiedliche Hemmstoffkonzentrationen ergeben Geradenscharen mit einem ge-meinsamen Schnittpunkt, aus dessen Lage auch hier das Verhältnis der Hemmkonstan-ten abgelesen werden kann: im zweiten Quadranten für Kic <Kiu (Abb. 2.18A), im vier-ten Quatranten für Kic >Kiu (Abb. 2.18C) und Parallelen für Kic =Kiu (Abb. 2.18 B). Wiebei den anderen Linearisierungsverfahren können die Hemmkonstanten zweckmäßigüber Sekundärauftragungen erhalten werden (Abb. 2.18 D und E).

Die nicht-kompetitive Hemmung ist für die Regulation des Zellstoffwechsels derwichtigste Hemmtyp, da hier die Beeinflussung der Aktivität durch Metaboliten ohnedirekte Substratanalogie möglich ist, wie bei der Endprodukt-Hemmung und bei allo-sterischen Enzymen (Abschnitt 1.5.4). Bei diesen Enzymen zeigen sich oft aufgrundvon Überlagerungen mit kooperativen Effekten nicht-hyperbole Sättigungskurven, diesich durch einfache Verfahren linearisieren lassen. In diesen Fällen kann der nicht-kompetitive Mechanismus durch Extrapolation auf unendliche Substratkonzentrationerkannt werden, wo für unterschiedliche Hemmstoffmengen verminderte Maximalge-schwindigkeiten erscheinen. Häufig tritt nicht-kompetitive Hemmung auch in Formeiner Produkthemmung bei Mehrsubstratreaktionen auf, wenn im Laufe des Substra-tumsatzes Produkte mit zunehmender Konzentration am aktiven Zentrum gebundenbleiben und dieses blockieren. Das Produkt verhindert einerseits die Anheftung desje-nigen Substrats, aus dem es entstanden ist (kompetitive Produkthemmung, Abschnitt2.4.3), andererseits verhindert es damit auch die Wirksamkeit des Cosubstrats, ob-

A2.5 Enzymhemmung 93

Abb. 2.18. Nicht-kompetitive Hemmung in linearisierten Darstellungen der integrierten Michaelis-Menten-Gleichung. A) Kic <Kiu, B) Kic = Kiu, C) Kic > Kiu. D) Sekundärauftragung der reziproken Or-dinatenschnittpunkte und E) der reziproken Abszissenschnittpunkte gegen die Hemmstoffkonzentration.

Page 104: Enzymkinetik (3. Auflage)

wohl es dieses selbst nicht verdrängt. Bezüglich des Cosubstrats verhält sich das Pro-dukt zumeist, aber nicht zwangsläufig, als nicht-kompetitiver Hemmstoff. Entspre-chend fungieren auch inaktive Verbindungen des einen Substrats als nicht-kompetiti-ve Hemmstoffe für das Cosubstrat.

2.5.1.3 Kompetitive Hemmung

Bei diesem bereits mehrfach erwähnten Hemmtyp konkurriert der Hemmstoff, zumeistaufgrund enger Strukturanalogie, mit dem Enzymsubstrat um dessen Bindungsstelle amaktiven Zentrum des Enzyms (Kompetition). Es kann entweder nur Substrat oderHemmstoff gebunden werden, eine gleichzeitige Bindung beider ist ausgeschlossen:

(2.74)

Die Geschwindigkeitsgleichung (2.65) der nicht-kompetitiven Hemmung vereinfachtsich durch den Wegfall von Kiu (d. h. Kiu�� [I]/Kiu�0), es ist nur noch eineHemmkonstante zu berücksichtigen:

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��� �!�

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Linearisierung nach Lineweaver-Burk:

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nach Hanes:

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��

��� �!�

� �

�� �����

nach Eadie-Hofstee:

� � � � �� �� �!�� �

� �� �

��� �����

94 2 Enzymkinetik

Page 105: Enzymkinetik (3. Auflage)

und nach Dixon:

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��� ��

���� �

� �!���

�� ���� � ����

V wird bei dieser Hemmung nicht verändert, da das Substrat bei sehr großem Über-schuß ([A]��) den Hemmstoff vollständig verdrängt (wie umgekehrt auch großeHemmstoffmengen das Substrat verdrängen). Diese Eigenschaft ist indikativ für die-sen Hemmtyp und zeigt sich in der doppelt-reziproken Darstellung an einem gemein-samen Ordinatenschnittpunkt aller Geraden bei 1/V (Abb. 2.19B). Entsprechend stre-ben in der direkten Auftragung die Hyperbeln einem gemeinsamen Sättigungsniveauzu. Durch die Hemmung wird lediglich die scheinbare Michaelis-Konstante beein-flußt, daher ändern sich in den linearisierten Darstellungen nur die Parameter, die Km

enthalten, wie die Steigungen im Lineweaver-Burk-Diagramm. So erhält man auchnur ein Sekundärdiagramm zur Bestimmung von Kic. Diese für die kompetitive Hem-mung charakteristische Bindungskonstante wird auch als kompetitive Hemmkonstantebezeichnet. In der Dixon-Darstellung schneiden sich die Geraden, wie bei der nicht-kompetitiven Hemmung, in einem gemeinsamen Punkt im zweiten Quadraten mit –Kic als x-Koordinate (Abb. 2.19 F). Im direkt-linearen Diagramm bewegt sich der ge-meinsame Geradenschnittpunkt parallel zur Abszisse nach rechts (Abb. 2.19E).

Die integrierte Michaelis-Menten-Gleichung für den Fall einer kompetitiven Hem-mung ergibt sich aus Gl. (2.72) für die nicht-kompetitive Hemmung unter Vernach-lässigung der Glieder von Kiu:

�� �� �!�� �

� ��������� � ���� � ��� � �� � �����

in Form einer Geradengleichung:

���� � ����

� � � �� �� �!�� �

� �����������

� �����

Die Geraden besitzen einen gemeinsamen Ordinatenschnittpunkt bei V. Ein Sekundär-diagramm der Steigung bzw. der reziproken Abszissenschnittpunkte gegen dieHemmstoffkonzentration ergibt –Kic aus dem Abszissenschnittpunkt.

Die kompetitive Hemmung ist besonders für Untersuchungen zur Enzymspezifitätdurch Substratanaloga von Bedeutung. Kompetitive Hemmstoffe (Antagonisten) dienenunter anderem auch in der Therapie der gezielten Blockierung bestimmter Enzymreak-tionen. Als natürliches Regulationsprinzip erscheint dieser Hemmtyp zumeist in Formder Produkthemmung (Abschnitt 2.4.3). Produktanhäufung im Verlauf einer Reaktionverursacht zunehmende Hemmung des Enzyms, so daß auch bei Substratüberschuß Pro-dukt nur in begrenzten Mengen entsteht und sich in der Zelle nicht akkumuliert.

Obwohl bei kompetitiver Hemmung in der Regel von einer Strukturanalogie zwi-schen Substrat und Hemmstoff ausgegangen wird, findet man diesen Hemmtyp auchbei sehr verschiedenartigen Verbindungen. So konkurrieren Cibacron-Farbstoffe um

A2.5 Enzymhemmung 95

Page 106: Enzymkinetik (3. Auflage)

die NAD-Bindungsstelle bei Dehydrogenasen, worauf das Prinzip der Affinitätschro-matographie mit diesen Farbstoffen beruht. Umgekehrt ist auch ein kompetitivesHemmmuster in Diagrammen kein zwingender Beweis einer Kompetition. So wirdbei der Alkoholdehydrogenase für o-Phenanthrolin eine kompetitive Hemmung be-züglich NAD gefunden, tatsächlich beruht die Hemmwirkung aber auf der Komple-xierung von aktiven Zinkionen (Boiwe and Branden, 1977). Auch die auf einemganz anderen Mechanismus beruhende partiell-kompetitive Hemmung zeigt ein ähnli-ches Geradenmuster (Abschnitt 2.5.1.7).

96 2 Enzymkinetik

Abb. 2.19. Kompetitive Hemmung in unterschiedlichen Darstellungsarten. A) direkte Darstellung, B)doppelt-reziprokes Diagramm, C) Eadie-Hofstee-Diagramm, D) Hanes-Diagramm, E) direkt-linearesDiagramm, F) Hemm-Diagramm nach Dixon (1953). Die Bestimmung der kinetischen Konstantenaus diesen Diagrammen ist angegeben.

Page 107: Enzymkinetik (3. Auflage)

2.5.1.4 Unkompetitive Hemmung

Bei diesem seltenen Hemmtyp bindet der Hemmstoff ausschließlich an den Enzym-Substrat-Komplex. Ein solcher Mechanismus liegt dann vor, wenn die Bindungsstellefür den Hemmstoff erst in Wechselwirkung mit dem Substrat gebildet wird:

(2.82)

Die Gleichungen folgen aus denjenigen für die nicht-kompetitive Hemmung (Gl.(2.65)) unter Vernachlässigung von Kic:

� � � ����� � �� �!�

� "

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Gleichung nach Lineweaver-Burk:

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Gleichung nach Hanes:

�������� �� �!�

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Gleichung nach Eadie-Hofstee:

� � �

�� �!�� "

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und nach Dixon:

�� �

��� ��

���� �

� �!��� "

� �����

Bei dieser Hemmung ändert sich die scheinbare Maximalgeschwindigkeit, Km bleibtunverändert. In der direkten Darstellung ist die Steilheit des Anstiegs der Hyperbeln

A2.5 Enzymhemmung 97

Page 108: Enzymkinetik (3. Auflage)

bei geringen Substratkonzentrationen in Abwesenheit und in Gegenwart des Hemm-stoffes gleich, bei höheren Konzentrationen streben die Kurven jedoch zu unter-schiedlichen Sättigungswerten. Doppelt-reziprokes Diagramm und Dixondarstellungergeben Parallelen (Abb. 2.20 B und F). Die unkompetitive Hemmkonstante Kiu wirdaus dem Sekundärdiagramm der Ordinatenabschnitte erhalten. Im direkt-linearen Dia-gramm streben die Schnittpunkte senkrecht nach unten (Abb. 2.20 E). Die integrierteMichaelis-Menten-Gleichung für diese Hemmung lautet:

98 2 Enzymkinetik

Abb. 2.20. Unkompetitive Hemmung in unterschiedlichen Darstellungsarten. A) Direkte Darstellung,B) doppelt-reziprokes Diagramm, C) Eadie-Hofstee-Diagramm, D) Hanes-Diagramm, E) direkt-linea-res Diagramm, F) Hemm-Diagramm nach Dixon (1953). Die Bestimmung der kinetischen Konstantenaus diesen Diagrammen ist angegeben.

Page 109: Enzymkinetik (3. Auflage)

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�� �!�� "

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��

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und in der Linearisierung:

���� � ����

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� ��

� ����

Es wird ein gemeinsamer Abszissenschnittpunkt erhalten. Ein Sekundärdiagramm derreziproken Ordinatenabschnitte gegen die Hemmstoffkonzentrationen ergibt –Kiu alsAbszissenabschnitt.

2.5.1.5 Partielle Hemm-Mechanismen,partiell nicht-kompetitive Hemmung

Reaktionsschema 2.56 und Geschwindigkeitsgleichung 2.63 für diesen Hemmtypwurden bereits stellvertretend für alle reversiblen Enzymhemmungen gezeigt (Ab-schnitt 2.5.1.1). Die doppelt-reziproke Form lautet:

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nach Hanes:

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nach Eadie-Hofstee:

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��� � ��� �

Auch die partiellen Hemmungen zeigen in allen drei Darstellungsarten lineare Ab-hängigkeiten und die relative Lage der Geraden gleicht vielfach der der entsprechen-

A2.5 Enzymhemmung 99

Page 110: Enzymkinetik (3. Auflage)

den vollständigen Hemmtypen. Allerdings sind durch die zusätzliche Umsatzrate k6

für den EAI-Komplex vielfältigere Variationsmöglichkeiten und damit weitere Kur-venmuster möglich, was die Erkennung und Beurteilung dieses Hemmtyps erschwert.Abbildung 2.21 zeigt einige Kombinationen. Auffallend ist auch die mögliche Lagedes gemeinsamen Schnittpunkts im doppelt-reziproken Diagramm innerhalb des er-sten Quadranten (Abb. 2.21B). Charakteristisch für partielle Hemmungen ist, daß alleAuftragungen in Abhängigkeit von der Hemmstoffkonzentration, also Sekundär- und

100 2 Enzymkinetik

Abb. 2.21. Partiell nicht-kompetitive Hemmung in der doppelt-reziproken Darstellung (A–D) und imDixon-Diagramm (E, F) in verschiedenen Kombinationen von Hemmkonstanten und Maximalge-schwindigkeiten. Die Einfügungen zeigen Sekundärdiagramme von Steigungen und Ordinatenschnitt-punkten gegen die Hemmstoffkonzentrationen.

Page 111: Enzymkinetik (3. Auflage)

Dixon-Diagramme, keine Geraden ergeben (Abb. 2.21E, F und Einfügungen in A–D).Eine weitere Eigenheit partieller Hemm-Mechanismen besteht darin, daß sie auch Ak-tivierungen beschreiben können und zwar auf zwei verschiedenartige Weisen. Fürk6 >k2 ist der EAI-Komplex enzymatisch aktiver als der EA-Komplex. FürKic >Kiu�KA >KAi verlagert sich das Gleichgewicht von den inaktiven E- und EI-Formen zu den aktiven EA- und EAI-Komplexen.

2.5.1.6 Partiell unkompetitive Hemmung

Dieser Hemmtyp liegt vor, wenn bei der unkompetitiven Hemmung der ternäre EAI-Komplex noch aktiv ist:

(2.93)

Die Geschwindigkeitsgleichung für diesen Hemmtyp lautet:

� ��� � ���!�

� "

� ����

�� � �� �!�� "

� ����

� ��� �

in doppelt-reziproker Form:

�� ��

�� � ���!�� "

� �����

�� �!�� "

�� � ���!�� "

� ��� �

nach Hanes:

����� ��

�� � ���!�� "

��� �!�

� "

� ����

�� � ���!�� "

� ��� �

A2.5 Enzymhemmung 101

Page 112: Enzymkinetik (3. Auflage)

nach Eadie-Hofstee:

� ��� � ���!�

� "

�� �!�� "

� ��

�� �!�� "

� � � �

��� � ��� �

Die graphischen Darstellungen entsprechen denen der vollständig unkompetitivenHemmung, jedoch mit nicht-linearen Dixon- und Sekundär-Diagrammen(Abb. 2.22 A,C) und der Möglichkeit einer Enzymaktivierung durch den Hemmstoff(Abb. 2.22 B,D).

2.5.1.7 Partiell kompetitive Hemmung

Während unkompetitive und nicht-kompetitive Hemmungen als vollständige und par-tiellen Hemmtypen auftreten können, sollte das für die kompetitive Hemmung nicht

102 2 Enzymkinetik

Abb. 2.22. Partiell unkompetitive Hemmung in der doppelt-reziproken Darstellung (A, B) und im Di-xon-Diagramm (C, D) in verschiedenen Kombinationen von Maximalgeschwindigkeiten. Die Einfü-gungen zeigen Sekundärdiagramme von Steigungen und Ordinatenschnittpunkten gegen die Hemm-stoffkonzentrationen.

Page 113: Enzymkinetik (3. Auflage)

gelten, da ein aktiver EAI-Komplex ausgeschlossen ist. Die Entsprechung liegt hiernicht jedoch im Mechanismus, sondern in vergleichbaren Kurvenmustern in den ver-schiedenen Diagrammen mit der kompetitiven Hemmung. Dixon- und Sekundärdia-gramme sind jedoch wie bei den anderen partiellen Hemmungen gekrümmt(Abb. 2.23), woran dieser Mechanismus einfach von einer echten kompetitiven Hem-mung zu unterscheiden ist. Es handelt sich bei diesem Hemmtyp um einen Sonder-fall der partiell nicht-kompetitiven Hemmung, bei dem der Hemmstoff die Umsatzra-te des Enzyms nicht beeinflußt, d. h. k2 =k6:

(2.98)

A2.5 Enzymhemmung 103

Abb. 2.23. Partiell kompetitive Hemmung in der doppelt-reziproken Darstellung (A, B) und im Di-xon-Diagramm (C, D) in verschiedenen Kombinationen von Hemmkonstanten. Die Einfügungen zei-gen Sekundärdiagramme von Steigungen gegen die Hemmstoffkonzentrationen.

Page 114: Enzymkinetik (3. Auflage)

Die Geschwindigkeitsgleichung für diesen Hemmtyp lautet:

� � � ���

�� ��� �!�

� �

� �

�� �!�� "

� �� ���� ���

nach Lineweaver-Burk:

�� �

��

�� �� �!�� �

� �

� �� �!�� "

� � � �

��� � ������

nach Hanes:

����� ���

��

�� �� �!�� �

� �

� �� �!�� "

� � � ������

und nach Eadie-Hofstee:

� � � ��� �� �!�

� �

� �

�� �!�� "

� � � �

��� � ������

Es ist auffallend, daß alle bisher besprochenen Hemmtypen den Begriff kompetitiventhalten, obwohl er nur für eine einzige dieser Hemmungen zutrifft. Ursprünglichwurden die Hemmtypen nach den Geradenmustern in den linearisierten Darstellun-gen, z. B. dem doppelt-reziproken Diagramm, eingeteilt. Demnach wird zwischen ei-ner kompetitiven (bzw. partiell kompetitiven) Hemmung mit Geradenschnittpunkt aufder Ordinate und einer nicht-kompetitiven Hemmung mit Geradenschnittpunkt aufder Abszisse unterschieden. Liegt der Schnittpunkt dazwischen, sei die Hemmung„gemischt“ (engl.: mixed inhibition), verlaufen die Geraden parallel, sei sie unkompe-titiv. Wie wenig sich diese Bezeichnungen am vorliegenden Mechanismus orientie-ren, wird daran ersichtlich, daß „gemischte Hemmung“ kein einheitlicher Begriff ist.Für den Fall Kic <Kiu läge eine Mischung zwischen kompetitiver und nicht-kompetiti-ver, für Kic >Kiu eine solche zwischen unkompetitiver und nicht-kompetitiver Hem-mung vor. Auch ist die partiell kompetitive Hemmung keinesfalls kompetitiv.

104 2 Enzymkinetik

Page 115: Enzymkinetik (3. Auflage)

2.5.1.8 Nicht- und unkompetitive Produkthemmung

In Abschnitt 2.4.3 wurde bereits die aus der Reversibilität einer Enzymreaktion resul-tierende Produkthemmung behandelt, die einem kompetitiven Mechanismus gehorcht.Vor allem bei Mehrsubstratreaktionen kann ein Produkt auch als nicht- oder unkom-petitiver Hemmstoff wirken. In den Geschwindigkeitsgleichungen der entsprechendenHemmungen sind die Ausdrücke für [I] durch [P] zu ersetzen, wobei eine Rückreak-tion auszuschließen ist. Es werden dem Typ der Hemmung entsprechende Gerade-nmuster erhalten. Die Hemmkonstanten haben die Bedeutung von Produktbindungs-konstanten.

Integration von Gl. (2.65) für den Fall einer nicht-kompetitiven Produkthemmungergibt folgenden Ausdruck, wobei [P]= [A]0–[A] gesetzt wird:

�� �� �������

� �� �� ������� � �� ��

���

� ��� � ��

���� �� � ������

Dieser Ausdruck läßt sich aufgrund des quadratischen Gliedes in den Linearisie-rungsverfahren der integrierten Michaelis-Menten-Gleichung nicht in eine Gerade-ngleichung überführen, wie für die Auftragung von ([A]0–[A])/t gegen ln ([A]0/[A])/tersichtlich wird:

���� � ����

� �

�� ���� � ������

� ��

���

��� �� ����

���

� �

�� ���� � ������

� ��

���

�����������

���� �

Bei Zugabe einer konstanten Produktmenge [P]0 bereits zu Beginn der Reaktion wirdaus Gl. ( 2.104)

���� � ����

� �

�� ������� ���� � ���

���� ��

���

��� �� ����

���

� �

�� ������� ���� � ���

���� ��

���

�����������

� ������

Da die nicht-kompetitive auch die kompetitive und unkompetitive Hemmung ein-schließt, lassen sich deren Gleichungen durch Vereinfachung der Gl. (2.103)–(2.105)erhalten, indem Kiu =� für die kompetitive und Kic =� für die unkompetitive Pro-dukthemmung gesetzt werden. Eine Auswertung von Zeit-Umsatz-Kurven zur Be-stimmung des Hemmtyps ist nach der in Abschnitt 2.4.3 beschriebenen Methode vonFoster und Niemann möglich.

A2.5 Enzymhemmung 105

Page 116: Enzymkinetik (3. Auflage)

2.5.1.9 Substrathemmung

Dieser auch Substratüberschußhemmung genannte, häufig zu beobachtende Hemmtypgibt sich dadurch zu erkennen, daß die Reaktionsgeschwindigkeit bei hohen Substrat-konzentrationen anstatt einer Maximalgeschwindigkeit zuzustreben, wieder absinkt.Dies ist damit zu erklären, daß neben dem umzusetzenden noch ein weiteres Sub-stratmolekül an das Enzym bindet und die Reaktion hemmt. Geht man davon aus,daß das erste bindende Substratmolekül grundsätzlich an der Katalyse teilnimmt (dasich ansonsten das Enzym an seinem eigenen Substrat vergiften würde), dann wirktdas zweite Substratmolekül als unkompetitiver, nur an den Enzym-Substrat-Komplexbindender Hemmstoff:

(2.106)

Daher gelten Gl. (2.83)–(2.87) für die unkompetitive Hemmung sinngemäß, wenn [I]durch [A] ersetzt wird:

� � � ����� � �� ���

���

� ����

� ������

Lineweaver-Burk-Gleichung:

��

�� ������

�� ��

� ��� � ������

Gleichung nach Hanes:

�������� �� ���

���

� �

�� ��

�� ������

Gleichung nach Eadie-Hofstee:

� � �

�� ������

� ��

�� ������

� � � �

��� ������

106 2 Enzymkinetik

Page 117: Enzymkinetik (3. Auflage)

und nach Dixon:

�� �

��� ��

���� �

� �������

� ������

Da hier die gleiche Verbindung sowohl als Substrat wie als Hemmstoff auftritt, las-sen sich die beiden gegenläufigen Wirkungen nicht getrennt aufzeigen, die lineari-sierten Darstellungsformen ergeben keine Geraden. Aus der Art der Abweichung,z. B. der Umkehrung des Kurvenverlaufs zur Ordinate im doppelt-reziproken Dia-gramm (Abb. 2.24A), ist zwar die Substrathemmung erkennbar, schwieriger gestaltetsich aber die Bestimmung der Konstanten, da selbst die Michaelis-Konstante nicht inAbwesenheit des Hemmstoffes ermittelt werden kann. Näherungsweise kann davonausgegangen werden, daß bei sehr geringen Substratkonzentrationen der hemmendeEinfluß zu vernachlässigen ist. Aus einer Asymptoten an den Kurvenverlauf in die-sem Bereich lassen sich Km und V abschätzen (Abb. 2.24 A). Auf ähnliche Weise er-hält man Kiu aus dem Abszissenschnittpunkt einer Asymptoten des Dixon-Dia-gramms an die Meßwerte bei hohen Substratkonzentrationen, wo die Hemmwirkungdominiert (Abb. 2.24B).

Auch Zeit-Umsatz-Kurven sind durch Integration von Gl. (2.107) nicht zu lineari-sieren:

���� � ����

� � � ���� � �������

� ��

����������

� �����

A2.5 Enzymhemmung 107

Abb. 2.24. Substrathemmung. A) Doppelt-reziprokes Diagramm, B) Dixon-Diagramm.

Page 118: Enzymkinetik (3. Auflage)

2.5.2 Irreversible Enzymhemmung

2.5.2.1 Unterscheidung reversibler und irreversibler Hemmstoffe

Da reversible und irreversible Hemmungen getrennt zu behandeln sind, ist es vorwegerforderlich, die Art der Hemmung zu charakterisieren. Zumeist ist die Unterschei-dung offenkundig, wenn eine kovalente Reaktion des Liganden mit dem Enzym che-misch entweder auszuschließen oder aufgrund reaktiver Gruppierungen zu erwartenist. Besonders im letzteren Fall ist jedoch nicht immer vorherzusehen, ob eine kova-lente Bindung tatsächlich geknüpft wird oder ob Bindung nur aufgrund reversiblerAssoziation erfolgt. So könnten die als Suizid-Substrate verwendeten Substratanalo-gen nur aufgrund ihrer Substratanalogie binden, ohne daß eine kovalente Reaktionzustandekommt. Umgekehrt führen auch nicht-kovalente Bindungen dann zu (quasi-)irreversiblen Hemmungen, wenn diese außerordentlich fest sind (Kd <10–10 M), wiedies bei Übergangsanalogen häufig beobachtet wird. Eine Unterscheidung zwischendiesen beiden Arten der Hemmung ist zwar durch Abtrennung des Hemmstoffes mit-tels Dialyse, Gelfiltration, Ultrafiltration usw. möglich. Bei reversibler Bindung solltedie volle Enzymaktivität wiedergewonnen werden, während für irreversible Bindungkeine Reaktivierung zu erwarten ist. Allerdings werden nicht immer eindeutige Er-gebnisse erhalten, da das Enzym allein durch die Prozedur der Abtrennung Aktivi-tätsverluste erleiden kann und es dann schwierig wird, dies von einer Inaktivierungdurch den Hemmstoff zu unterscheiden.

Ein einfaches, aber ebenfalls nicht immer eindeutiges Verfahren ist die Messungder Enzymaktivität einer Enzym-Hemmstoff-Mischung vor und nach einer definiertenVerdünnung. Wird eine Enzymlösung z. B. um den Faktor 10 verdünnt, dann redu-ziert sich ihre Aktivität um den gleichen Faktor. Inaktiviert zuvor ein Hemmstoff ei-nen Teil des Enzyms durch kovalente Bindung, dann wird die verbleibende Aktivitätdurch Verdünnung gleichermaßen reduziert. Ein reversibler Hemmstoff dissoziiert da-gegen bei Verdünnung ab, es resultiert ein schwächerer Aktivitätsverlust, als demVerdünnungseffekt entspricht.

Ein zuverlässiger und rascher Test irreversibler Hemmung ist die Bestimmung derZeitabhängigkeit der Hemmwirkung. Der reversible Hemmstoff bewirkt eine augen-blickliche Verminderung der Enzymaktivität auf einen bestimmten Wert, der sich zeit-abhängig nicht weiter ändert (Abb. 2.25A). Bei einer irreversiblen Hemmung nimmtdagegen die Enzymaktivität exponentiell (Reaktion pseudo-erster Ordnung) ab. Die Ur-sache dieses Effekts liegt in der Konzentrationsabhängigkeit der (tatsächlich vorliegen-den) zweiten Reaktionsordnung, die es ermöglicht, die Hemmstoffmenge soweit zu re-duzieren, bis der Verlauf der Reaktion zeitlich verfolgt werden kann. Dabei kann an-fänglich die Hemmwirkung noch nicht erkennbar sein. Liegt der Hemmstoff (bei stöch-iometrischer Bindung an das Enzym) in zumindest gleicher Menge vor wie das Enzym,so wird dieser schließlich sämtliche Enzymmoleküle inaktivieren.

Aus der Abhängigkeit der Enzyminaktivierung von der Hemmstoffkonzentrationkann die Stöchiometrie der Bindung bestimmt werden. Bei starker Bindung nimmtim Anfangsbereich die Enzymaktivität nahezu linear ab. Durch Extrapolation auf dieAbszisse bekommt man den Anteil des pro eingesetzten Enzyms gebundenen Hemm-stoffes (Abb. 2.25B).

108 2 Enzymkinetik

Page 119: Enzymkinetik (3. Auflage)

2.5.2.2 Charakterisierung irreversibler Hemmungen

Für die irreversible Bindung des Hemmstoffes an das Enzym kann folgendes Reakti-onsschema zugrundegelegt werden:

�� � ��� �� � �������

wobei angenommen ist, daß der Hemmstoff zunächst mit dem Enzym einen reversi-blen Assoziationskomplex EI bildet, der, in einem irreversiblen Prozeß in die inakti-ve EIi-Form übergeht. Die Gesamtmenge des eingesetzten Enzyms [E]0 verteilt sichdamit auf die Enzymformen:

���� � ��� � ���� � ����� � ���� � ����� � ���� �

[E] und [EI] ist der Anteil an aktivem Enzym [E]a, da bei Substratüberschuß im Enzym-test der Hemmstoff auch aus [EI] verdrängt wird. In Analogie zur Michaelis-Menten-Gleichung ist, unter der Voraussetzung [I] [E]0, die zeitliche Bildung der inaktivenEnzymform [EI]i der Konzentration des reversiblen [EI]-Komplexes direkt proportional:

��������� ������ � �����

��� ����� �

Die Gesamtmenge des Enzyms [E]0 bleibt konstant, d. h. d[E]0/dt=0:

� �������� ����� � ������

[EI] läßt sich aus Gl. (2.114) unter Berücksichtigung der Hemmkonstanten für die re-versible Bindung des Hemmstoffs Ki = [E][I]/[EI] ersetzen:

���� � ���� � ��� � ���� �������

���

A2.5 Enzymhemmung 109

Abb. 2.25. Zeitverlauf ei-ner irreversiblen und einerreversiblen Hemmung (A)und Bestimmung des An-teils an irreversibel gebun-denem Hemmstoff (B).

Page 120: Enzymkinetik (3. Auflage)

und damit [EI] aus Gl. (2.115) eliminieren:

�������� �����

�� ��

����

Integration von [E]0 zur Zeit t =0 nach [E]a zur Zeit t

������

����

���������

�� �

���

���

�� ��

���ergibt:

����������� � ��

�� ��

�������� ��

bzw. im Zehnerlogarithmus

������������ � ��

�� �� ��

���� � � ����� ��

Ein Diagramm der Restaktivitäten des Enzyms log ([E]a/[E]0) gegen die Inkubations-zeit t ergibt für unterschiedliche Hemmstoffkonzentrationen Geraden (Abb. 2.26 A),deren Steigungen St den Wert

�� � �

�� ��

���������

annehmen. Die reziproken Werte der Steigungen gegen die reziproke Hemmstoffkon-zentration aufgetragen ergeben eine lineare Funktion:

��� �

�� ��

���� ������

mit 1/k2 und –1/Ki als Ordinaten- bzw. Abszissenschnittpunkte (Abb. 2.26B).Konkurriert ein zweiter Ligand A (z. B. das Substrat) um die Bindungsstelle des

Hemmstoffes, dann ist Gl. (2.116) um den Ausdruck 1+[A]/KA im Nenner zu erweitern:

����������� ��

�� ��

���� �

�� �����

� � � ������

110 2 Enzymkinetik

Page 121: Enzymkinetik (3. Auflage)

Entsprechend ist auch die Beziehung für die Steigung zu erweitern:

��� �

���� �� ���

��

� �

���� � �����

Bei verschiedenen Konzentrationen von A erhält man unterschiedliche Geraden undKA kann, wie in Abb. 2.26B gezeigt, aus deren Schnittpunkt mit der Abszisse errech-net oder aber aus einem Sekundärdiagramm der Steigungen dieses Diagramms gegen[A] entnommen werden.

2.5.3 Enzymreaktionen mit zwei konkurrierenden Substraten

Aufgrund ihrer engen Spezifität reagieren Enzyme bevorzugt mit einem bestimmtenSubstrat A1, doch werden teilweise auch homologe Verbindungen des Substrats A2

akzeptiert:

����� ���

� �� �����

��

������

���� ���

� �� �����

Dabei ist eines der Substrate, in der Regel das natürliche, wirksamer als das andere.Sind beide Substrate gleichzeitig zugegen, so wird das schlechtere Substrat das besserebehindern, die gesamte Umsatzgeschwindigkeit wird sich verringern. Die Verhältnissewerden dadurch komplexer, als die Wirksamkeit beider Substrate hinsichtlich Bindungund Katalyse unterschiedlich, teilweise sogar entgegengesetzt sein kann. Ein Substratkann mit höherer Affinität gebunden, aber langsamer als ein zweites umgesetzt werden.

A2.5 Enzymhemmung 111

Abb. 2.26. Darstellung einer irreversiblen Hemmung. A) Halblogarithmische Auftragung für unter-schiedliche Hemmstoffkonzentrationen. B) Sekundär-Auftragung der Steigungen aus Diagramm A)für mehrere Substratkonzentrationen.

Page 122: Enzymkinetik (3. Auflage)

Nach der Steady-State-Annahme ist

��������

� ��������� � ���� � ������� � � � �����

�������

� �������� � ���� � � ����� � � � �����

� � ������ � � ���� � ��� ����� � ��� � ����� � ���� � �����

Durch Ersatz von [E] aus Gl. (2.125) in Gl. (2.122) und Gl. (2.123) wird:

���� � ���� � ����� �� ��� � �������

� ������

����� � ���� � ���� �� ��� � � �����

� ������

und durch Einsetzen von 2.126 in 2.127 unter Berücksichtigung von Km1 =(k–1+k2)/k1

und Km2 =(k–3+k4)/k3:

����� � ���������������� � ������ � �����

� ���� ��

���� � ���������������� � ������ � �����

� ���� ��

Einsetzen der Gl. (2.128 a) und (2.128b) in Gl. (2.124) ergibt die Geschwindigkeits-gleichung für eine Reaktion mit zwei alternativen Substraten, wobei V1 =k2 [E]0 undV2 =k4 [E]0 ist:

� � �������� � ������������� � ������ � �����

� �����

Abbildung 2.27 zeigt ein Beispiel für einen solchen Mechanismus in der doppelt-re-ziproken Darstellung bei Variation des aktiveren Substrats und Konstanz des wenigeraktiven. Auffallend sind Abweichungen von der Linearität und Überkreuzungen derKurven im ersten Quadranten.

112 2 Enzymkinetik

Page 123: Enzymkinetik (3. Auflage)

2.6 Mehrsubstrat-Reaktionen

2.6.1 Nomenklatur

Für die bisher betrachteten Enzymreaktionen wurde die Teilnahme nur eines einzigenSubstratmoleküls am katalytischen Umsatz angenommen. Tatsächlich sind aber ander überwiegenden Zahl aller Enzymreaktionen zwei, manchmal sogar drei Substratebeteiligt. Das könnte die Bedeutung der bisherigen Betrachtungen wesentlich ein-schränken. Doch erweist sich die Michaelis-Menten-Beziehung auch für diese Erwei-terung als prinzipiell gültig, solange die Abhängigkeit jeweils nur eines Substrats un-tersucht wird und die anderen Substrate und Cofaktoren in großem Überschuß, alsopraktisch sättigend, vorliegen. Man erhält so zwar die kinetischen Konstanten des va-riierten Substrats, jedoch keinerlei Information über den vorliegenden Mehrsubstrat-Mechanismus. Eine umfassende Analyse solcher komplexer Reaktionen erfordert diegegenseitige Variation aller beteiligten Substrate. R. A. Alberty (1959), K. Dalziel(1957) und insbesondere W. Wallace Cleland (1963) haben Mehrsubstrat-Reaktioneneingehend beschrieben. Die folgende Darstellung hält sich im wesentlichen an dievon Cleland eingeführte übersichtliche Nomenklatur.

Substrate werden in der Reihenfolge ihrer Bindung an das Enzym mit A, B, C,Produkte in der Reihenfolge ihrer Ablösung mit P, Q, R bezeichnet. Tritt das Enzymin mehreren Formen auf, werden diese mit E, F, G benannt. Das Enzym bildet mitSubstraten bzw. Produkten Übergangskomplexe (engl. transitory complexes) EA, EPusw., die in unimolekularen Schritten unter Substrat- bzw. Produktfreisetzung zerfal-len können. Die katalytische Reaktion erfolgt an zentralen Komplexen (engl. centralcomplexes). Sie werden zur Unterscheidung von Übergangskomplexen in Klammerngeschrieben, z. B. (EAB). Zentrale Komplexe können nicht weiter Substrate oder Pro-dukte binden, da bereits alle Stellen besetzt sind, vielmehr nur Substrat bzw. Produktin unimolekularen Schritten abgeben. Da die Steady-State-Kinetik selbst keine Infor-mation zum Übergang von Substraten in Produkte (und umgekehrt) auf dem Enzym-molekül liefert, wird nur ein zentraler Komplex für beide Zustände vor und nach derKatalyse (EAB-EPQ) definiert. Die Zahl der Substrate, die insgesamt an der Hinreak-tion und die der Produkte, die an der Rückreaktion teilnehmen, wird in den Benen-

A2.6 Mehrsubstrat-Reaktionen 113

Abb. 2.27. Reaktion mit zwei alternativen Substraten indoppelt-reziproker Auftragung. Die Maximalgeschwin-digkeit V1 des variierten Substrats ist höher als die deskonstant gehaltenen Substrats V2. Im umgekehrten Falleweichen die Kurven nach unten ab und streben dem danntiefer liegenden Wert 1/ V2 zu. Die Michaelis-Konstantenbeider Substrate sind als gleich angenommen.

Page 124: Enzymkinetik (3. Auflage)

nungen Uni, Bi, Ter dem Namen des Reaktionsmechanismus hintangestellt. Vereini-gen sich beispielsweise zwei Substrate zu einem Produkt, so handelt es sich um ei-nen Bi Uni-Mechanismus. Sequentielle Mechanismen sind solche, bei denen erst alleSubstrate gebunden sein müssen, ehe Produkt freigesetzt wird, wobei die Bindungder unterschiedlichen Substrate in zufälliger Reihenfolge (engl. random) oder geord-net (engl. ordered) erfolgen kann. Bei Ping-Pong-Mechanismen wird Produkt bereitsfreigesetzt, bevor alle Substrate gebunden haben. Das Enzym tritt dabei in zwei odermehr, durch Gruppen des Substrats modifizierte Enzymformen auf. Bei Iso-Mecha-nismen isomerisiert das Enzym in zwei oder mehr stabile Konformationen. Da dieenglischen Ausdrücke für Mehrsubstrat-Reaktionen auch im deutschen Schrifttum ge-bräuchlich sind, werden diese hier bevorzugt.

Die Reaktionsgleichungen werden schematisch dargestellt. Das Fortschreiten derReaktion symbolisiert eine horizontale Grundlinie, unter der die verschiedenen En-zymzustände angegeben sind. Bindung von Substraten wird durch vertikale Pfeile aufdie Grundlinie, Dissoziation von Produkten durch vertikale Pfeile von der Grundliniegekennzeichnet. Die Geschwindigkeitskonstanten stehen an diesen Pfeilen, links fürdie Hinreaktion, rechts für die Rückreaktion. Das Reaktionsschema für einen Orde-red Bi Bi-Mechanismus in der konventionellen Schreibweise

�� � ��� ������

��� � �� ������ ��� ��� ��� ����

�� � � �� ��� �

bekommt damit folgende Form:

Zunächst werden die wichtigsten Mehrsubstrat-Mechanismen vorgestellt und im wei-teren verschiedene Methoden der Ableitung komplexer Geschwindigkeitsgleichungenbehandelt.

2.6.2 Random-Mechanismus (Zufalls-Mechanismus)

Bei diesem allgemeinsten Mehrsubstrat-Mechanismus, der unter anderem bei Kinasenoder der Phosphorylase B gefunden wird, binden Substrate und Produkte in zufälli-ger Reihenfolge. Im einfachsten Fall ist die Bindung völlig unabhängig, es erfolgt

114 2 Enzymkinetik

(2.130)

Page 125: Enzymkinetik (3. Auflage)

keine gegenseitige Beeinflussung. Das Reaktionsschema für einen Random Bi Bi-Me-chanismus mit Beteiligung von zwei Substraten und zwei Produkten lautet:

(2.131)

Gegenüber einem reversiblen Einsubstratmechanismus mit jeweils zwei Maximalge-schwindigkeiten (V1 für Hin- und V2 für Rückreaktion) und zwei Michaelis-Konstan-ten (KmA für Substrat und KmP für Produkt) ergibt sich eine Vielzahl neuer Konstan-ten. Zum einen hat jedes Substrat und jedes Produkt seine eigene Michaelis-Kon-stante (KmA, KmP usw.) für die Wechselwirkung mit dem zentralen Komplex. Weiter-hin besitzt jeder dieser Liganden eine zusätzliche Konstante für seine Bindung an dasfreie Enzym unter Bildung der nicht katalytisch aktiven Übergangskomplexe. Es han-delt sich um Bindungskonstanten, sie werden als Hemmkonstanten Ki bezeichnet, dasie in der Rückreaktion mit den Konstanten für die Produkthemmung (vgl. Abschnitt2.5.1.8) identisch sind. Für den Random Bi Bi-Mechanismus existieren somit zehn ki-netische Konstanten, zwei Maximalgeschwindigkeiten und jeweils vier Hemm- undMichaelis-Konstanten für Substrate und Produkte. Diese Konstanten sind durch einfa-che kinetische Analyse, wie bisher dargestellt, nicht zu erhalten. Es gilt aber in Ana-logie zur nicht-kompetitiven Hemmung (Abschnitt 2.5.1.2), zu der der Random BiBi-Mechanismus einige Parallelen aufweist, daß Hemm- und Michaelis-Konstantenfür die Substrate bzw. die Produkte miteinander in Beziehung stehen: KiA/KiB =KmA/KmB und KiP/KiQ =KmP/KmQ. Weiterhin sind Hemm- und Michaelis-Konstanten fürdas gleiche Substrat bzw. Produkt einander gleich, wenn ihre Bindung durch das Co-substrat bzw. Coprodukt nicht beeinflußt wird, z. B. KiA =KmA und KiB = KmB.

In seiner allgemeinen Form ergibt der Random-Mechanismus aufgrund seiner al-ternativen Reaktionswege eine komplexe Geschwindigkeitsgleichung und, solangedas Substrat nicht sättigend vorliegt, keine hyperbolen bzw. einfach zu linearisieren-den Abhängigkeiten von der Substratmenge. Eine wesentliche Vereinfachung wird er-reicht durch die Annahme schneller Gleichgewichte gegenüber einer relativ langsa-men Umwandlung der zentralen ternären Komplexe (EAB) und (EPQ) (Rapid-Equili-brium-Random-Mechanismus). Für den Random Bi Bi-Mechanismus lautet dann dieGeschwindigkeitsgleichung:

A2.6 Mehrsubstrat-Reaktionen 115

Page 126: Enzymkinetik (3. Auflage)

����� ������ � �������

� �

�������� ���������������� ���������

� ���������

� ������� � ���������

�����

Kg ist die Gleichgewichtskonstante der Gesamtreaktion. Bei Bestimmung von An-fangsgeschwindigkeiten in der Hinreaktion, d.h. [P] = [Q]=0, vereinfacht sich Gl.(2.132) zu:

� � �������������� � ������ � ������ � ������ � ������

Es ist zu erkennen, daß bei Konstanthaltung eines der beiden Substrate prinzipiell dieursprüngliche Form der Michaelis-Menten-Gleichung erhalten wird und somit hyper-bole Abhängigkeiten zu erwarten sind. Linearisierungsverfahren wie das Lineweaver-Burk-Diagramm sind damit hier anwendbar:

�� ������

�������� ����

����� ����

����� ��

��� ���� �

Wird in mehreren Meßreihen jeweils ein Substrat, z. B. [A], variiert, während [B] inner-halb der gleichen Meßreihe konstant bleibt, sich jedoch zur jeweils nächsten ändert,dann ergeben sich in der doppelt-reziproken Darstellung Geraden mit einem gemeinsa-men Schnittpunkt links der Ordinate (Abb. 2.28B). Wiederum in Analogie zur nicht-kompetitiven Hemmung ist die Lage des Schnittpunkts vom Verhältnis der Konstantenund damit auch von der gegenseitigen Beeinflussung der beiden Substrate abhängig.Ohne Beeinflussung, d.h. für KiA =KmA und KiB =KmB liegt der Schnittpunkt direktauf der Abszisse und hat den Wert –1/KmA, bei Variation des Cosubstrats –1/KmB.Bei reversiblen Reaktionen lassen sich in entsprechender Weise die Michaelis-Konstan-ten für die Rückreaktion bestimmen, so daß für diesen einfachen Fall alle kinetischenKonstanten leicht zu ermitteln sind. Für KiA <KmA, KiB <KmB liegt der gemeinsameSchnittpunkt oberhalb und für KiA >KmA, KiB >KmB unterhalb der Abszisse und hatdie in Abb. 2.28B angegebenen Koordinaten. Gleichgültig, ob [A] oder [B] die Variableinnerhalb einer Meßreihe ist, wird ein gleichartiges Geradenmuster erhalten. Zur Ermitt-lung der Hemm- und Michaelis-Konstanten kann man sich des bereits bei der Hemm-kinetik besprochenen Verfahrens der Sekundärauftragung bedienen, wobei auch hier dieLinearität ein zusätzlicher Test für den angenommenen Mechanismus ist (Tabelle 2.1).Die Steigung StA der Geraden in der primären Auftragung ist nach Gl. (2.134):

��� � ������

����� ����

��� ������

d. h. diese gegen 1/[B] aufgetragen ergibt eine Gerade mit dem Abszissenschnittpunkt–KmA/KiA KmB (bzw. –1/KmB für KmA =KiA). Die Ordinatenschnittpunkte OrA derPrimärauftragung:

116 2 Enzymkinetik

Page 127: Enzymkinetik (3. Auflage)

��� � ���

����� ��

��� ������

ebenfalls gegen 1/[B] aufgetragen, ergeben eine Gerade mit dem Abszissenschnitt-punkt –1/KmB. Bei Variation von [B] in der primären Darstellung schneidet die Ge-rade eines Sekundärdiagramms aus Steigungen StB gegen 1/[A]:

��� � ������

����� ����

��������

die Abszisse bei –1/KiA. Ein Abszissenschnittpunkt von –1/KmA wird bei Auftragungder Ordinatenschnittpunkte OrB gegen 1/[A] erhalten:

��� � ���

����� ��

��� ������

Die Auftragung von [A]/� gegen [A] bzw. [B]/v gegen [B] nach Hanes:

����� �

����� � ������

���� �

� �����

�� ���

���� �

������

����� ���

���� ���

���� �

� �����

�� ���

���� �

��� ��

ergibt ebenfalls einen gemeinsamen Geradenschnittpunkt links der Ordinate(Abb. 2.28B) und auch hier können die kinetischen Konstanten in Sekundärdarstel-lungen der Steigungen bzw. der Ordinatenschnittpunkte gegen die reziproke Cosub-stratkonzentration ermittelt werden (Tabelle 2.1).

Die Gleichungen für die Auftragung von �/[A] bzw. �/[B] gegen � nach Eadie-Hofstee lauten:

� � ��

�� ���

���� �

��� ���� � ������

����� ���

������ ��

� � ��

�� ���

���� �

��� ���� �� ���

���� �

�� ���

���� ��� �

Der gemeinsame Geradenschnittpunkt liegt für KiA >KmA links der Ordinate(Abb. 2.28A) und für KiA <KmA rechts unterhalb der Abszisse, für KiA =KmA werdenParallelen erhalten. Für die Sekundärdiagramme werden hier die reziproken Abszis-sen- bzw. Ordinatenschnittpunkte gegen die zugehörige Cosubstratkonzentration auf-getragen (Tabelle 2.2).

A2.6 Mehrsubstrat-Reaktionen 117

Page 128: Enzymkinetik (3. Auflage)

2.6.3 Ordered-Mechanismus (geordneter Mechanismus)

Bei diesem bereits im Reaktionsschema 2.130 dargestellten Mechanismus ist einestrikte Reihenfolge der Bindung der Substrate vorgegeben. Die ausführliche Ge-schwindigkeitsgleichung eines Ordered Bi Bi-Mechanismus wird im folgenden Ab-schnitt abgeleitet (Gl. (2.168)). Deren Vereinfachung für die Hinreaktion ergibt diebereits für den Rapid-Equilibrium Random Bi Bi-Mechanismus vorgestellte Gl.(2.133), wodurch sich der Ordered-Mechanismus als eine Sonderform des allgemei-neren Random-Mechanismus mit maximaler gegenseitiger Beeinflussung der Substratezu erkennen gibt. Insofern gelten auch die dort besprochenen Darstellungsformen. Aufdiese Weise ist eine Unterscheidung beider Mechanismen nur möglich gegenüber einem„reinen“ Random-Mechanismus ohne jede Beeinflussung der Substratbindung mit iden-tischen Hemm- und Michaelis-Konstanten. Wie bereits erwähnt ergibt dieser Fall imdoppelt-reziproken Diagramm einen gemeinsamen Abszissenschnittpunkt.

Eine Unterscheidung beider Mechanismen ist über die Analyse der Produkthem-mungen möglich. Die Reaktion wird in Gegenwart eines Produkts gehemmt. Vor-

118 2 Enzymkinetik

Abb. 2.28. Random-Mechanismus in derAuftragung nach A) Eadie-Hofstee, B) Li-neweaver-Burk und C) Hanes unter Angabeder Bestimmung der kinetischen Konstan-ten.

Page 129: Enzymkinetik (3. Auflage)

zugsweise wird ein Produkt die Reaktion in Abhängigkeit desjenigen Substrats, ausdem es entstanden ist (z. B. Acetaldehyd aus Ethanol im Falle der Alkohol-Dehydro-genase), kompetitiv hemmen, gegenüber dem Cosubstrat (z. B. NAD) aber wird esnicht-kompetitiv wirken, da es letzteres zwar nicht verdrängen, aber doch den Reakti-onsumsatz verhindern kann. Die tatsächlichen Verhältnisse bei Mehrsubstrat-Reaktio-nen sind allerdings etwas komplexer und hängen vom Mechanismus und der Sätti-gung mit dem Cosubstrat ab. Dies macht man sich zunutze, indem für einen aufzu-klärenden Mechanismus die Arten der Produkthemmung bezüglich beider Substrateund Produkte ermittelt und mit den zu erwartenden Hemmmustern für die verschie-denen Mehrsubstrat-Mechanismen verglichen werden (Tabelle 2.3). Eine solche Ana-lyse unterstützt die graphischen Auswertungen.

Ordered-Mechanismen werden besonders bei Dehydrogenasen beobachtet. Speziellbei der Alkohol-Dehydrogenase findet sich ein Sonderfall, der Theorell-Chance-Me-chanismus, bei dem der zentrale Komplex derart rasch zerfällt, daß seine stationäreKonzentration nur geringfügig und in der Geschwindigkeitsgleichung zu vernachlässi-gen ist:

A2.6 Mehrsubstrat-Reaktionen 119

Tab. 2.2. Abszissen- und Ordinatenschnittpunkte der Sekundärdarstellungen für Bisubstratreaktionen.StA, StB sind die Steigungen, OrA, OrB die Ordinatenschnittpunkte und AbA, AbB die Abszissen-schnittpunkte aus den Primärdiagrammen bei Variation von [A] bzw. [B].

Primärdiagramm Sekundärdiagramm

Achsenbezeichnung Achsenbezeichnung Schnittpunkte

Y X Y X Random/Ordered-Mechanismus Ping-Pong-Mechanismus

Ordinate Abszisse Ordinate Abszisse

1/� 1/[A] StAAbA

OrA

1/[B]1/[B]1/[B]

KmA/V

1/V

–KmA/KiAKmB

–1/KmB

1/KmA

1/V–1/KmB

–1/KmB

1/� 1/[B] StBAbB

OrB

1/[A]1/[A]1/[A]

KmB/V

1/V

–1/KiA

–1/KmA

1/KmB

1/V–1/KmA

–1/KmA

[A]/� [A] StA1/AbA

OrA

1/[B]1/[B]1/[B]

1/V

KmA/V

–1/KmB

–KmA/KiAKmB

1/VKmA

–1/KmB

–1/KmB

[B]/� [B] StB1/AbB

OrB

1/[A]1/[A]1/[A]

1/V

KmB/V

–1/KmA

–1/KiA

1/VKmB

–1/KmA

–1/KmA

�/[A] � StA1/AbA

OrA

1/[B]1/[B]1/[B]

1/VKmA/V

–1/KmB

–KmA/KiAKmB

–1/KmA

1/V–1/KmB

–1/KmB

�/[B] � StB1/AbB

OrB

1/[A]1/[A]1/[A]

1/VKmB/V

–1/KmA

–1/KiA

–1/KmB

1/V–1/KmA

–1/KmA

Page 130: Enzymkinetik (3. Auflage)

(2.143)

Allerdings ist die vereinfachte Geschwindigkeitsgleichung 2.133 der Hinreaktion mitderjenigen des normalen Ordered-Mechanismus identisch, so daß auf graphischemWege keine Unterscheidung getroffen werden kann. Aufgrund der Abwesenheit deszentralen Komplexes wird jedoch eine veränderte Produkthemmung gefunden (Ta-belle 2.3).

Isomerisiert das Enzym im zentralen Komplex von EAB nach FPQ:

(2.144)

so erhält man einen Iso-Ordered-Mechanismus, der sich in zusätzlichen Gliedern derGeschwindigkeitsgleichung ausdrückt, die zwar die Produkthemmung beeinflussen

120 2 Enzymkinetik

Tab. 2.3. Muster der Produkthemmungen bei Bisubstrat-Mechanismen (nach Cleland, 1963). K, kom-petitiv; NK, nicht-kompetitiv; UK, unkompetitiv; kH, keine Hemmung.

Mechanismus Hemmendes Variables SubstratProdukt

A B

nicht gesättigt gesättigt mit B nicht gesättigt gesättigt mit A

Ordered Bi Bi PQ

NKK

UKK

NKNK

NKkH

Theorell-Chance PQ

NKK

kHK

KNK

KkH

Iso-Ordered Bi Bi PQ

NKNK

UKNK

NKNK

NKUK

Random Bi BiRapid equilibrium

P oder Q K kH K kH

Ping-Pong Bi Bi PQ

NKK

kHK

KNK

KkH

Iso-Ping-Pong Bi Bi(Isomerisierung v. E)

PQ

NKNK

kHNK

KNK

KNK

Page 131: Enzymkinetik (3. Auflage)

(Tabelle 2.3), aber für die Hinreaktion bedeutungslos sind, so daß auch in diesemFalle Gl. (2.133) als gültig angesehen werden kann.

2.6.4 Ping-Pong-Mechanismus

Der Name beschreibt das für diesen Mechanismus charakteristische alternierendeBinden der Substrate und Freisetzen der Produkte:

(2.145)

Nach der Ablösung des ersten Produkts verbleibt das Enzym in einer intermediärenForm in der Regel durch Übernahme einer reaktiven Gruppe des ersten Substrats, diedann auf das zweite Substrat unter Bildung eines zweiten Produkts übertragen wird.Ein charakteristisches Beispiel ist die Reaktion der Aminotransferasen, bei deneneine Aminosäure, z. B. Aspartat, ihre Aminogruppe auf das Pyridoxalphosphat desEnzyms überträgt und selbst als �-Ketosäure (Oxalacetat) freigesetzt wird. Eine zwei-te �-Ketosäure (�-Ketoglutarat) übernimmt die Aminogruppe unter Bildung von Glut-amat. Ein Multisite-Ping-Pong-Mechanismus findet sich bei der Fettsäure-Synthase.Das Substrat wird durch die am zentralen Pantetheinrest gebundene wachsende Fett-säurekette über sieben katalytische Zentren weitergereicht.

Die allgemeine Geschwindigkeitsgleichung für den Ping-Pong Bi Bi-Mechanismuswird in Abschnitt 2.7.3 abgeleitet. Die vereinfachte Gleichung der Hinreaktion lautet:

� � �������������� � ������ � ������ � ��� ��

Im Unterschied zu den anderen Bisubstrattypen zeigt dieser Mechanismus in der dop-pelt-reziproken Darstellung Parallelen (Abb. 2.29 B):

�� ���

����� ����

����� ��

��� ��� ��

Sekundärdiagramme der Ordinaten- und Abszissenschnittpunkte gegen die reziprokeCosubstratkonzentration sind möglich (Tabelle 2.2).

Im Diagramm nach Hanes:

����� ���

��� ���

���� ���

���� �

��� ��

A2.6 Mehrsubstrat-Reaktionen 121

Page 132: Enzymkinetik (3. Auflage)

����� ���

��� �����

�� ���

���� �

��� ��

besitzen die Geraden einen gemeinsamen Ordinatenschnittpunkt an den Stellen KmA/V1 bzw. KmB/V1 (Abb. 2.29C). Sekundärdiagramme sind durch Auftragung der Stei-gungen bzw. der reziproken Abszissenschnittpunkte gegen die reziproke Cosubstrat-menge zu erhalten (Tabelle 2.2)

Ein gemeinsamer Geradenschnittpunkt auf der Abszisse ergibt sich auch im Eadie-Hofstee-Diagramm (Abb. 2.29A):

� � ��

�� ���

���� �

��� ����

�� ���

���������

� � ��

�� ���

���� �

��� ����

�� ���

���� ������

Die Sekundärdiagramme sind hier aus Steigungen und reziproken Abszissenabschnit-ten möglich (Tabelle 2.2).

122 2 Enzymkinetik

Abb. 2.29. Ping-Pong-Mechanismus in der Auf-tragung nach A) Eadie-Hofstee, B) Lineweaver-Burk und C) Hanes. Die Bestimmung kineti-scher Konstanten ist angezeigt.

Page 133: Enzymkinetik (3. Auflage)

Bei einem Iso-Ping-Pong-Mechanismus isomerisiert die Enzymform F weiter zurForm G:

(2.152)

Dieser Mechanismus ist aus dem Muster der Produkthemmung erkennbar (Tabelle 2.3).

2.6.5 Haldane-Beziehungen bei Mehrsubstrat-Reaktionen

Wie bereits für eine reversible Einsubstrat-Reaktion gezeigt (Abschnitt 2.4.2), lassensich auch für andere kinetische Mechanismen eine oder mehrere Haldane-Beziehun-gen herleiten, bei denen die Gleichgewichtskonstante Kg der gesamten Reaktion inBeziehung zu den kinetischen Konstanten steht. Allgemein können Haldane-Bezie-hungen in der Weise formuliert werden:

�� � ��

� �������

������� ������

Der Zähler enthält die Maximalgeschwindigkeit der Hinreaktion und Konstanten derProdukte, der Nenner die Maximalgeschwindigkeit der Rückreaktion und Konstantender Substrate. Bei den Konstanten handelt es sich je nach Mechanismus um Michae-lis- oder Hemmkonstanten. Der Exponent n hat zumeist die Werte 0, 1 oder 2, es exi-stiert aber immer zumindest eine Haldane-Beziehung für n =1, mit deren Hilfe Kg

aus der Geschwindigkeitsgleichung eliminiert werden kann. Diese läßt sich zumeistaus dem konstanten Glied im Nenner der Geschwindigkeitsgleichung (z. B.KiAKmBV2 in Gl. (2.132)) ableiten. Dazu muß die Gleichung in die Form der Ge-schwindigkeitskonstanten überführt werden, wozu ein Vorgriff auf die in Abschnitt2.7.1 behandelte Ableitung von Geschwindigkeitsgleichungen nötig ist. Zähler undNenner der Gl. (2.132) werden mit Kg/V1 erweitert, das konstante Glied lautet dannKiAKmBV2·Kg/V1. Formuliert man nun, wie für Gl. (2.166) gezeigt, in Form der Koef-fizienten unter Zusammenfassung der Geschwindigkeitskonstanten, so lautet diesesGlied:

����������

��

� �� ��

��� ����

� �

��� � ��

�� ��

���

Nach Kürzen und Erweitern mit KoQ lassen sich die verbleibenden Koeffizienten inkinetische Konstanten zurück verwandeln:

A2.6 Mehrsubstrat-Reaktionen 123

Page 134: Enzymkinetik (3. Auflage)

���������

��� ��

�� � �� ���

� ����� �

Damit ergibt sich die Haldane-Beziehung:

�� � �������

�������� ���� �

Andere Haldane-Beziehungen können über die Koeffizientenform der Geschwindig-keitsgleichungen aus Nennergliedern mit Kg auf ähnliche Weise erhalten werden.

2.6.6 Mechanismen mit mehr als zwei Substraten

Grundsätzlich lassen sich alle Mehrsubstratreaktionen auch bei drei oder vier Subst-raten auf die hier besprochenen drei Haupttypen zurückführen. Es treten aber auchKombinationen verschiedener Mechanismen auf, wie hybride Ping-Pong-Ordered-und Ping-Pong-Random-Mechanismen. Ein Ordered Ter Ter-Mechanismus:

(2.155)

gehorcht in der Hinreaktion der Gleichung:

� � �������������������� � ��������� � ��������� � ��������� � ���������

��������������������� � ��������� ������

Die Vorgehensweise entspricht der von Bisubstratreaktionen. Es wird jeweils ein Sub-strat variiert bei verschiedenen festen Konzentrationen eines Cosubstrats. Das dritteSubstrat bleibt während der gesamten Prozedur konstant. In der doppelt-reziprokenDarstellung werden, wie beim Ordered Bi Bi-Mechanismus, Schnittpunkte links derOrdinate erhalten und es lassen sich in analoger Weise aus Gl. (2.156) Sekundärdia-gramme ableiten.

Insgesamt sind fünf Ping-Pong-Mechanismen unter Beteiligung von drei Substra-ten und drei Produkten möglich. Beim Hexa-Uni-Ping-Pong binden alle Substrateund Produkte alternierend und es treten drei zentrale Komplexe auf:

124 2 Enzymkinetik

Page 135: Enzymkinetik (3. Auflage)

(2.157)

Die Geschwindigkeitsgleichung in der Hinreaktion lautet:

� � �������������������� � ��������� � ��������� � ��������� � ������

Man erhält Parallelen in der doppelt-reziproken Darstellung bei Variation jedes derdrei Substrate gegen jeweils ein Cosubstrat.

Vier Ping-Pong-Mechanismen mit je zwei zentralen Komplexen können auftreten,wobei jeweils zwei Liganden in geordneter Reihenfolge binden bzw. sich ablösen,nämlich der Bi Uni Uni Bi-Ping-Pong-Mechanismus:

(2.159)

der Uni Bi Bi Uni-, der Bi Bi Uni Uni- und der Uni Uni Bi Bi-Mechanismus. Diebeiden letzteren entsprechen sich in der Rückreaktion. Alle vier Mechanismen besit-zen die gleichen Geschwindigkeitsgleichungen für die Hinreaktion:

� � �������������������� � ��������� � ��������� � ��������� � ���������

������

und lassen sich daher graphisch nicht unterscheiden, wohl aber über die Produkthem-mungen. Im doppelt-reziproken Diagramm werden Parallelen erhalten. Nur bei Varia-tion von [A] gegenüber verschiedenen konstanten Mengen von [B] bzw. umgekehrtbei Variation von [B] gegenüber mehreren Konzentrationen von [A] schneiden sichalle Geraden in einem Punkt links der Ordinate.

Vereinzelt treten auch Quad-Mechanismen unter Beteiligung von vier Substratenauf, so bei der Carbamoylphosphat-Synthetase.

A2.6 Mehrsubstrat-Reaktionen 125

Page 136: Enzymkinetik (3. Auflage)

2.6.7 Andere Schreibweisen für Mehrsubstratreaktionen

Zwar wird überwiegend die von Cleland eingeführte Nomenklatur für Mehrsubstra-treaktionen verwendet, daneben finden sich aber noch Schreibweisen anderer Auto-ren, wovon diejenige von Dalziel (1957) besonders abweicht, da dort V in andere ki-netische Konstanten einbezogen wird. Die Geschwindigkeitsgleichungen lassen sichin die Schreibweise von Dalziel überführen, indem Zähler und Nenner mit der rezi-proken katalytischen Konstanten �0 =1/kcat multipliziert werden. Gl. (2.133) be-kommt dann die folgende Form, wobei die Substrate mit S1, S2 usw. bezeichnet wer-den:

� � ������������� ������ ������ ���������� �

Die Dalziel-Koeffizienten haben demnach die Bedeutung �1 =KmA/kcat und�2 =KmB/kcat. �12/�2 entspricht KiA. Die Schreibweise von Alberty (1953) decktsich weitgehend mit der Clelandschen Nomenklatur (KA =KmA usw.), jedoch wird fürdas Produkt KiAKmB in Gl. (2.133) eine gemeinsame Konstante KAB gesetzt undKiA =KAB/KmB.

2.7 Herleitung von Geschwindigkeitsgleichungenkomplexer Enzymmechanismen

2.7.1 King-Altman-Verfahren

Wie man sich leicht selbst überzeugen kann, führt die bisherige Herleitung von Ge-schwindigkeitsgleichungen nach den Regeln der Steady-State-Kinetik über Differen-tialgleichungen bei komplexeren Enzymmechanismen zu unübersichtlichen undschwer zu lösenden Ansätzen. Um auch für diese Fälle Gleichungen ohne besonde-ren mathematischen Aufwand zu erhalten, wurden verschiedene Vereinfachungen vor-geschlagen, von denen die Methode von E. L. King und C. Altman (1956) die breite-ste Akzeptanz gefunden hat. Sie wird hier am Beispiel eines Ordered Bi Bi-Mecha-nismus beschrieben.

1. Schritt: Zunächst wird ein Polygon skizziert, dessen Ecken die im Mechanis-mus auftretenden Enzymformen bilden. Diese werden mit Doppelpfeilen verbunden,auf denen die zugehörigen Geschwindigkeitskonstanten, gegebenenfalls multipliziertmit eintretenden Liganden (Substrate bzw. Produkte) geschrieben werden. Eine Frei-setzung von Liganden wird dagegen nicht vermerkt. Es müssen immer geschlosseneReaktionsschemata entstehen, auch sind alle möglichen Wege zu berücksichtigen.Für den Ordered-Mechanismus ergibt sich folgendes Schema, wobei die zentralenKomplexe von Substraten und Produkten auch hier zusammengefaßt werden:

126 2 Enzymkinetik

Page 137: Enzymkinetik (3. Auflage)

(2.161)

Für einen Random Bi Uni-Mechnismus (zwei Substrate ergeben ein Produkt) siehtdas Schema folgendermaßen aus:

(2.162)

2. Schritt: Es werden nun alle möglichen Figuren gezeichnet, mit denen alle Enzym-formen durch Linien direkt miteinander verbunden werden können, ohne daß ge-schlossene Figuren entstehen. Für den Random Bi Uni-Mechanismus ergeben sichacht solcher Figuren:

für den Ordered-Mechanismus dagegen nur vier:

Die Zahl der möglichen Kombinationen ist m!/(n–1)!(m–n+1)! für einfache Mecha-nismen mit nur einem Reaktionszyklus; n ist die Zahl der verschiedenen Enzymfor-men und m die Zahl der Verknüpfungen zwischen den Enzymformen im ursprüngli-chen Reaktionsschema. Bei mehreren Zyklen sind für jeden Zyklus diejenigen Kom-binationen, die geschlossene Figuren ergeben, abzuziehen. Diese sind für jeden Zy-klus zu errechnen nach (m–r)!/(n–r–1)!(m–n+1)!, wobei r die Zahl der Verknüpfun-gen im geschlossenen Zyklus sind. Für den Random Bi Uni-Mechanismus ergäbensich demnach zunächst 5!/(4–1)!(5–4+1)!=10 Figuren, für die beiden Zyklen mit jedrei Verknüpfungen sind jedoch zweimal (5–3)!/(4–3–1)!(5–4+1)! =1 abzuziehen, sodaß acht offene Figuren resultieren.

A2.7 Herleitung von Geschwindigkeitsgleichungen komplexer Enzymmechanismen 127

Page 138: Enzymkinetik (3. Auflage)

3. Schritt: Es werden nun nacheinander die Positionen jeder einzelnen Enzymformin sämtlichen Figuren markiert und diejenigen Pfeile eingezeichnet, die zur jeweili-gen Enzymform hinführen. Aus dem ursprünglichen Reaktionsschema werden die zuden Pfeilen gehörigen Beschriftungen aus Geschwindigkeitskonstanten und Konzen-trationsgliedern übernommen. Diese Vorgehensweise ist hier für das freie Enzym ge-zeigt, die anderen Formen sind entsprechend zu behandeln. Die Geschwindigkeitskon-stanten und Konzentrationsglieder jeder Figur werden als Produkt zusammengefaßt:

Die relative Menge der jeweiligen Enzymform wird gebildet aus einem speziellenZählerterm Z und einem allen Enzymformen gemeinsamen Nennerterm N. Der Zäh-ler ist die Summe der aus den Figuren für jede Enzymform ermittelten Produkte:

�������� ��

�� ���������� � ���� ��� � ������ � ������

��

��������� ���

�� ������������ � ������� ����� � ����� ��� � ����� ���

��

���������

� ����

� ��������������������� ����������������� ���������� �������

��������� ���

�� ����������� � ����� ������ � ������� ��� � ������� ���

��

Der Nenner ist die Summe aller Zählerterme:

� � �� � ��� � ���� � ��� ������� ���������� � ���� ��� � ������ � ������ � ������������ � ������� ������ ����� ��� � ����� ��� � �������������� � ������ �������� � �������� ������ ���� ������ � ����������� � ����� ������ � �������� ��� � ������� ��� �

Die Geschwindigkeitsgleichung der Reaktion in der allgemeinen Form hat als Nen-ner ebenfalls N. Ihr Zähler ist die Differenz zwischen dem Produkt aller Substratkon-zentrationen und einem Zählerkoeffizienten Z1 einerseits und dem Produkt aller Pro-duktkonzentrationen und einem Zählerkoeffizienten Z2 andererseits. Z1 = [E]0k1k2k3 . . .ist das Produkt aller Geschwindigkeitskonstanten der Hinreaktion mit der Enzymkon-

128 2 Enzymkinetik

Page 139: Enzymkinetik (3. Auflage)

zentration Z2 = [E]0k–1k–2k–3 . . . das Produkt aller Geschwindigkeitskonstanten derRückreaktion mit der Enzymkonzentration:

� � ������������ � � �� ��������� � � ���

� ���� �

4. Schritt: Der Nenner wird nun in die Koeffizientenform umgeschrieben. Dazu wer-den alle Geschwindigkeitskonstanten nach ihren Konzentrationsgliedern geordnet

� � ���� ��� � ��� � ��� ��� � ������ � ���� ��� � ����������� ����� ��� � ������� ������ � � ������� � ������������ � ����� ������ � ����� ���� � ��������� �������������� � ������ �������� ������

und die unter demselben Konzentrationsglied stehenden Geschwindigkeitskonstantenausgedrückt als Koeffizient Ko der betreffenden Konzentrationsglieder, z. B. Ko-AB =k1k2(k3+k4). Der gesamte Nennerausdruck in der Koeffizientenform lautet dann:

� � ��� ����� � ����� � ����� � �� ��� � �������� � ��������� �� ������ � ��� ����� � ����������� � ��� �������� � ������

Mit Hilfe der Koeffizienten werden die kinetischen Konstanten definiert. Die Maxi-malgeschwindigkeit der Hinreaktion V1 ist der Quotient aus dem ZählerkoeffizientenZ1 und dem Koeffizienten aller Substrate. Die Maximalgeschwindigkeit der Rückre-aktion V2 ist der Quotient aus Z2 und dem Koeffizienten aller Produkte:

�� � ��

��� � � �� � � �

��� � � � ��

Die Michaelis-Konstanten sind die Verhältnisse der Koeffizienten aller Substrate bzw.Produkte abzüglich des variablen Substrats bzw. Produkts zu den Koeffizienten sämt-licher Substrate bzw. Produkte:

��� � ��� � � �

��� � � �� ��� � ��� � � �

��� � � ��

�� � �� � � � �

��� � � � �� ��� � ���� � � �

��� � � � ��

Kg, die Gleichgewichtskonstante der Reaktion, ergibt sich aus dem Verhältnis derZählerkoeffizienten bzw. der Produkte der Geschwindigkeitskonstanten der Hinreakti-on zu denen der Rückreaktion:

�� � ��

�� ����� � � �

�������� � � ��

A2.7 Herleitung von Geschwindigkeitsgleichungen komplexer Enzymmechanismen 129

Page 140: Enzymkinetik (3. Auflage)

Für den Ordered Bi Bi-Mechanismus erhält man demnach folgende Konstanten:

�� � ������ ���������� � � � �

��� ������ � �

� � ���������� ��������� ���� � ��� �

������������ � ��

��� � ���� ������ � � � �

��� ����� � � �

��� � ��� ��� � ��������� � � � �

� ��� � ������� � � �

�� �� ����� ��� � �������� ���� � ��� �

������ � ���������� � ���

��� � ������������� ���� � ��� �

������� ���� � ���

�� � ������ ����������

5. Schritt: Zähler und Nenner der in die Koeffizientenform überführten Geschwindig-keitsgleichung werden mit dem Faktor Z2/(KoABC� � �KoPQR� � �) multipliziert. DerZähler erhält dann die allgemeine Form:

��� ��������� � � �� �������� � � �

��

� �� ������

Beim Nenner werden die Glieder der Reihe nach mit dem konstanten Faktor multipli-ziert und es wird versucht, sämtliche Koeffizienten durch kinetische Konstanten gemäßden obigen Definitionen zu ersetzen. Dies zeigt die Tabelle 2.4. So ergeben sich imzweiten Nennerglied die Ausdrücke für KmB =KoA/KoAB und V2 =Z2/KoPQ, im drittenkann man KmA und V2 einsetzen. In anderen Fällen, wie im vierten oder fünften Glied,wird dies erst durch eine geeignete Erweiterung des Ausdrucks erreicht, die in der zwei-ten Spalte von Tabelle 2.4 vermerkt ist. Wieder andere Glieder, wie das erste, lassensich auch nicht durch Erweiterungen auflösen. In diesen nicht aufzulösenden Ausdrük-ken verbergen sich die Hemmkonstanten für die Bindung an das freie Enzym. Diesewurden bisher nicht definiert, da sie sich in kein einheitliches Schema fügen. Sie erge-ben sich aus dem konkreten Fall. Auch hier gilt, daß der variable Ligand nicht im Zäh-lerterm erscheinen darf, während den Nenner der Koeffizient aller im Zähler benanntenzuzüglich des variablen Liganden bildet. So steht der Ausdruck Ko/KoA im ersten Gliedoffensichtlich für KiA. Daß diese Annahme zutreffend ist, wird offenkundig beim Ersatzder Koeffizienten durch ihre Geschwindigkeitskonstanten, die mit k–1/k1 tatsächlich diebetreffende Dissoziationskonstante ausdrücken. In Glied sieben wird die gleiche Kon-stante KiA durch andere Koeffizienten, nämlich KoP/KoAP, ausgedrückt. Aber auchhier verbleibt nach Einsetzen der Geschwindigkeitskonstanten k–1/k1, woraus ersicht-lich ist, daß für eine Konstante auch mehrere Definitionen möglich sind.

130 2 Enzymkinetik

Page 141: Enzymkinetik (3. Auflage)

Für den Ordered Bi Bi-Mechanismus ergibt sich daraus die Geschwindigkeitsglei-chung in der Form der kinetischen Konstanten:

� ���� ������ � �����

��

� �

������� � ������� � ������� � ���������

� ���������

� ������� � ���������������

��������������

� ���������

� �����������

� ���������������

� ������

Diese immer noch sehr komplizierte Gleichung vereinfacht sich bei Steady-State-Messungen der Anfangsgeschwindigkeit zu der bereits bekannten Gl. (2.133) für dieHinreaktion unter der Annahme [P] = [Q]=0:

� � �������������� � ������ � ������ � ������ ����� ��

und für die Rückreaktion für [A] =[B] =0:

� � ������������ � ����� � ����� � ����� � ����� ��

A2.7 Herleitung von Geschwindigkeitsgleichungen komplexer Enzymmechanismen 131

Tab. 2.4. Umformung des Nenners aus Gl. (2.166) von der Form der Koeffizienten in die der kineti-schen Konstanten. Der konstante Faktor, mit dem sämtliche Nennerglieder multipliziert wurden, ist inder ersten Spalte hervorgehoben.

Nennerterme inKoeffizientenform

Erweiterung Nennerterme inKonstantenform

Definition derHemmkonstanten

Z2���KoAB�KoPQ KoA KiAKmBV2 ��� � ��

��� � ���

��

Z2�������KoAB�KoPQ KmBV2[A]

Z2 �������KoAB�KoPQ KmAV2[B]

Z2�������KoAB�KoPQ Z1

����������

Z2 �������KoAB�KoPQ Z1

����� �����

Z2 �����������KoAB�KoPQ V2[A][B]

Z2 �����������KoAB�KoPQ KoP Z1

����������������

��� � ������� � ���

��

Z2 �����������KoAB�KoPQ KoB ����������

������ � ���

���� � �

��

Z2 �����������KoAB�KoPQ Z1

����������

Z2 ���������������KoAB�KoPQ

�������������

��� � ��������� � ����

���

Z2 ���������������KoAB�KoPQ Z1

����������������

��� � ��������� � ������

Page 142: Enzymkinetik (3. Auflage)

2.7.2 Vereinfachtes Verfahren nach der Graphentheorie

Auch wenn das King-Altman-Verfahren eine deutliche Vereinfachung gegenüber derHerleitung von Geschwindigkeitsgleichungen nach den Steady-State-Regeln bringt,erhält man auch hier bei umfangreichen Mechanismen überaus komplizierte Ansätze.Volkenstein und Goldstein (1966) konnten das King-Altman-Verfahren mit Hilfe derfür elektronische Signale entwickelten Graphentheorie vereinfachen. Eine noch wei-tergehende Vereinfachung, für die nur noch ein „rudimentäres Verständnis von Alge-bra“ notwendig sei, wurde von Fromm (1970) entwickelt.

Wie beim King-Altman-Verfahren werden geschlossene Reaktionsschemata fürden jeweiligen Mechanismus erstellt. Die einzelnen Enzymformen gelten als Knoten-punkte und werden fortlaufend nummeriert:

(2.169)

Die Determinante für einen Knotenpunkt, z. B. für 1 (�[E]), setzt sich zusammenaus zwei Anteilen. Zunächst werden die Konstanten bzw. Ausdrücke der kürzestenEin-Schritt-Wege, die zu diesem Knoten führen, genommen, also 2�1�k–1 und4�1�k4 im vorliegenden Beispiel. An diese werden die Nummern der Knoten-punkte geschrieben, die nicht durch den jeweiligen Ein-Schritt-Weg berührt werden,d. h.

��� � � ������ � � � ������� �

und jede dieser Nummern wird ersetzt durch die Summe von Ausdrücken derjenigenPfeile, die von diesen wegführen:

��� � ������ � ��������� � � � � � ���� � �������� � ��� �

Durch Ausmultiplizieren ergibt sich:

��� � ���������� � ���������� � ������ � ������ � ������ � ���� ���� ������ � ���� ��� �

Eliminiert werden verbotene Glieder, die Geschwindigkeitskonstanten für Hin- undRückreaktion desselben Schritts enthalten, also k–1k3 k–3[P] und k2k–2k4[B]. Bei red-undanten Ausdrücken (k–1k–2k4, k–1k3k4) bleibt nur jeweils ein Glied stehen, so daßschließlich für [E] die gleiche Beziehung resultiert wie beim King-Altman-Verfahren:

132 2 Enzymkinetik

Page 143: Enzymkinetik (3. Auflage)

��� � ���������� � ������ � ������ � ���� ��� �

Diese Prozedur wird für alle Enzymformen durchgeführt und dann analog dem King-Altman-Verfahren die Geschwindigkeitsgleichung erhalten.

2.7.3 Kombination von Gleichgewichts- und Steady-State-Annahmen

Eine noch weitergehende Vereinfachung beruht auf der ursprünglichen auch von Mi-chaelis und Menten getroffenen Annahme schneller Gleichgewichte, die sich unver-hältnismäßig rascher einstellen als der katalytische Umsatz (Cha, 1968). KomplexereMechanismen werden unterteilt in verschiedene Segmente, innerhalb derer die einzel-nen Reaktionsschritte im schnellen Gleichgewicht zueinander stehen. Diese Segmentesind durch langsame Reaktionsschritte getrennt. Ein fraktioneller Konzentrationsfak-tor fi gibt das Verhältnis der Konzentration einer speziellen Enzymform (Ei) zur Sum-me der Konzentrationen aller Enzymformen des jeweiligen schnellen Gleichgewichts-segments an:

�� � �������������

Das Vorgehen nach diesem Verfahren sei am Beispiel eines Ping-Pong Bi Bi-Mecha-nismus unter der Annahme langsamer katalytischer Gleichgewichte gegenüberschnellen Bindungsschritten demonstriert:

(2.170)

Die Enzymformen der beiden Segmente X1 = [E]+[EA]+[EQ] und X2 = [E�] + [E�B] +[E�P] stehen untereinander in einem schnellen Gleichgewicht. Die Geschwindigkeits-gleichung gemäß der allgemeinen King-Altman-Form lautet:

� � ������� � ����������������� � ���� � ���� � ������

� ������

A2.7 Herleitung von Geschwindigkeitsgleichungen komplexer Enzymmechanismen 133

Page 144: Enzymkinetik (3. Auflage)

Die fraktionellen Konzentrationsfaktoren für die betreffenden Enzymformen werdenso definiert, daß zunächst eine Enzymform, z. B. E bzw. E�, als Referenz genommenund eins gesetzt wird. Die anderen Enzymformen werden durch die Konzentrations-variablen der zugehörigen Liganden und die Geschwindigkeits- bzw. Dissoziations-konstanten ersetzt. Dabei steht die Konzentrationsvariable auf dem Bruchstrich unddie Dissoziationskonstante unter diesem, falls der Ligand an die betreffende Enzym-form bindet. Dissoziiert er dagegen ab, kehrt sich der Bruch um (im folgenden ste-hen anstelle der Dissoziations- die Geschwindigkeitskonstanten):

��� � �������

��������

�� ��������� ������

��

� ������������ � ������� � ��������� �

��� � ������

�������

�� � ����� � �����

��

� ����� ������ � ��� ��� � ����� �� �

���� � �������

� �����

�� � ����� � �����

��

� ��� ������� � ��� ��� � ����� �� �

��� � �������

��������

�� ��������� ������

��

� �������������� � ������� � ��������� �

Wird anstatt E EQ als Referenz verwendet und 1 gesetzt, dann lautet der fraktionelleKonzentrationsfaktor fEA:

��� � �������

����������������

�������� �

����������������

� ������������ � ������� � ��������� �

es resultiert der gleiche Ausdruck. Werden nun die fraktionellen Konzentrationsfakto-ren in Gl. (2.171) ersetzt, so erhält man die Geschwindigkeitsgleichung für den Ping-Pong-Mechanismus in Form der Geschwindigkeitskonstanten, die sich von einerdurch den King-Altman-Mechanismus hergeleiteten Gleichung dadurch unterscheidet,daß die Konstanten k2, k–2, k5 und k–5 für die langsamen Schritte teilweise vernach-lässigt sind:

134 2 Enzymkinetik

Page 145: Enzymkinetik (3. Auflage)

� � ������� ���������� � ���������� ����������������������� ������ � ������ ������� � ����� ���� � ��������� � ���������� ����

�������� ����������� � �������� ������ � ���������

�������� ���� � �������� � ������ ������ � ���������� �

2.8 Kinetische Behandlung allosterischer Enzyme

Allosterische Enzyme, die als Stoffwechselregulatoren eine zentrale Rolle spielen,wurden, zusammen mit den wichtigsten Modellvorstellungen, dem Symmetrie- unddem Sequenz-Modell, bereits im Kapitel Multiple Gleichgewichte behandelt, denndie Kooperativität, die den allosterischen Mechanismen zugrundeliegt, läßt sich aufGleichgewichtsvorgänge zurückführen. Trotzdem werden allosterische Enzyme auf-grund des einfacheren Nachweises oft mit kinetischen Methoden charakterisiert. Eswerden vergleichbare (zumeist sigmoide) Abweichungen vom Michaelis-Menten-Ver-halten des Substrates wie auch Beeinflussungen durch allosterische Effektoren beob-achtet, wie sie für die Ligandenbindung beschrieben wurden. Entsprechend sind auchdie dort behandelten Auswertungsverfahren anwendbar, wobei anstelle der Sätti-gungsfunktionen r bzw. � nunmehr � tritt. So lautet die Ordinatenbezeichnung imHill-Diagramm anstatt log (����� �)) hier log (�/(V–�)). Eine weitere Besprechungdieser Enzymklasse erübrigt sich daher. Hier soll nur das spezielle Phänomen der ki-netischen Kooperativität behandelt werden.

2.8.1 Hysteretische Enzyme

Bei zahlreichen Enzymreaktionen, wie der Phosphofructokinase und den thiamindi-phosphathaltigen �-Oxosäure-Dehydrogenase-Multienzymkomplexen (z. B. Pyruvat-Dehydrogenase-Komplex) werden Reaktionsverläufe beobachtet, die durch die Stea-dy-State-Theorie nicht zu erklären sind. Die Reaktion startet bei diesen Enzymennicht mit einer linearen Anfangsgeschwindigkeit nullter Ordnung, vielmehr beobach-tet man nach Substratzugabe zunächst keinerlei Umsatz. Erst nach einer Verzöge-rungszeit, die einige Sekunden bis zu mehreren Minuten andauern kann, setzt die Re-aktion ein und steigert sich zum linearen Steady-State-Bereich. Danach klingt die Re-aktion, wie bei normalen Enzymen, durch Substraterschöpfung ab (Abb. 2.30A). InAnlehnung an die beim Magnetismus beobachtete Retardierung prägte C. Frieden fürdiese Art von Enzymen den Begriff hysteretische Enzyme. Ursachen des verzögertenReaktionsbeginns können unterschiedlicher Natur sein, offensichtlich geht das Enzymin Wechselwirkung mit dem Substrat in einem langsamen Prozeß, zumeist einer Kon-formationsänderung, von einer inaktiven in eine aktive Form über. Da diese Enzymenicht unmittelbar, sondern auf zeitlich zurückliegende Vorgänge reagieren, also eineArt Erinnerungsvermögen besitzen, wird auch von einem Enzymgedächtnis (mnemo-nische Enzyme) gesprochen. Die Hysterese hat physiologisch eine dämpfende Wir-

A2.8 Kinetische Behandlung allosterischer Enzyme 135

Page 146: Enzymkinetik (3. Auflage)

kung. Das System reagiert nicht sofort auf metabolische Änderungen, kurzzeitige,nicht anhaltende Impulse werden ignoriert, Schwankungen werden ausgeglichen.

Die Dauer der Verzögerungsphase � (engl.: lag phase) wird, wie in Abb. 2.30Agezeigt, durch Extrapolation des linearen Steady-State-Bereich auf die Abszisse oderOrdinate bestimmt. Zuverlässiger ergibt sie sich aus der Steigung einer halblogarith-mischen Darstellung der um die Steady-State-Geschwindigkeit �ss reduzierten Um-satzgeschwindigkeit � (durch Tangenten an die Zeit-Umsatz-Kurve zu erhalten) ge-gen die Zeit im Bereich der Verzögerungsphase (Abb. 2.30B). Eine lineare Abhän-gigkeit in diesem Diagramm ist gleichzeitig eine Kontrolle für einen Vorgang pseu-do-erster Ordnung der Verzögerungsphase. Vielfach wird der Steady-State-Bereichnicht zuverlässig erhalten, wenn sich direkt an die Verzögerungsphase bereits dernicht-lineare Abfall der Reaktionsgeschwindigkeit anschließt. Die Zeit-Umsatz-Kurvedurchläuft dann einen Wendepunkt, dessen Umgebung einen linearen Steady-State-Verlauf vortäuschen kann. In diesen Fällen kann � aus der Steigung eines Guggen-heim-Diagrammes erhalten werden (Abb. 2.30 C). Hier wird jeweils die Differenzzweier durch ein konstantes Zeitintervall �t voneinander getrennten Substratkonzen-trationen [A]i und [A]1+� logarithmisch gegen die Zeit aufgetragen, wobei die Stei-gung den Wert 1/� annimmt. Die dem Diagramm zugrundeliegende Beziehung leitetsich aus Gl. (2.3) für eine Reaktion erster Ordnung her:

���� � ������ � ���� ������� ����� � ������

wobei e�t/� konstant ist.

136 2 Enzymkinetik

Abb. 2.30. Zeitverlauf einer hysteretischen Reaktion im Vergleich zu einem normalen Reaktionsver-lauf nullter Ordnung. A) Zeit-Umsatz-Kurve, die Bestimmung der Geschwindigkeiten in der Anfangs-(�i) und der Steady-State-Phase (�ss) sowie die Dauer der Verzögerungsphase � sind angegeben; B)halblogarithmische Auftragung, C) Guggenheim-Diagramm.

Page 147: Enzymkinetik (3. Auflage)

2.8.2 Kinetische Kooperativität, Slow-Transition-Modell

Langsame Aktivierungsprozesse bei enzymatischen Reaktionen können Abweichungenvon der Michaelis-Kinetik in der Art positiver oder negativer Kooperativität verursa-chen, ohne daß dafür Wechselwirkungen zwischen Untereinheiten notwendig sind (ki-netische Kooperativität). Im Slow-Transition-Modell (Abb. 2.31) wird eine gegenüberSubstratbindung und Umsatzgeschwindigkeit langsame Umwandlung einer wenig akti-ven (E) in eine aktive Enzymform (E�) angenommen. Sigmoides Sättigungsverhaltendes Substrats wird dann bei Messung der Umsatzgeschwindigkeit beobachtet, wobeiVoraussetzung ist, daß beide Enzymzustände Substrat binden und katalytisch aktivsind, wenn auch mit unterschiedlicher Effizienz. In Abwesenheit des Substrats liegtdas Enzym in der inaktiven Form vor. Ist nur eine Enzymform aktiv und erfolgt dielangsame Konformationsumwandlung des Enzyms vor der Ligandenbindung, so wirdzwar eine Verzögerungsphase, nicht aber sigmoides Sättigungsverhalten beobachtet.Der Hill-Koeffizient kann bei der kinetischen Kooperativität maximal 2 erreichen, dadie Reaktion hinsichtlich des Substrats zweiter Ordnung ist und das Substrat an zweiverschiedenen Stellen (EA und E�A) reagiert. Zur Unterscheidung von der Kooperativi-tät werden bei diesem Mechanismus sigmoide Sättigungskurven nur bei Messungen derUmsatzgeschwindigkeit, nicht aber der Substratbindung erhalten. Substratbindungskur-ven zeigen einen normalen hyperbolen Verlauf. Der Mechanismus ist in der Weise vor-stellbar, daß das Enzym nach Bindung des Substrats in den aktiven Zustand übergeht.Bei geringen Substratmengen kann das Enzym nach jedem Substratumsatz wieder inden weniger aktiven Zustand zurückkehren, ehe das nächste Substratmolekül bindet.Bei zunehmender Substratkonzentration reicht für eine steigende Zahl von Enzymmo-lekülen die Zeit bis zur Bindung des nächsten Substratmoleküls nicht mehr zur Rück-kehr in den ursprünglichen Zustand aus. Bei hohen Substratkonzentrationen verbleibenalle Enzymmoleküle in der aktiven Form, das Enzym arbeitet mit höchster Effizienz.

Im Unterschied zu den auf Gleichgewichten beruhenden allosterischen Modellen,dem Symmetrie- und dem Sequenz-Modell, ist kinetische Kooperativität auch für

A2.8 Kinetische Behandlung allosterischer Enzyme 137

Abb. 2.31. Schema desSlow-Transition-Modells fürein monomeres Enzym.

Page 148: Enzymkinetik (3. Auflage)

monomere Systeme möglich. Sie wurde zuerst bei der monomeren Ribonucleasenachgewiesen. Später fanden sich weitere Beispiele, wie die Hexokinase und die Glu-cokinase. Allerdings muß kinetische Kooperativität nicht auf monomere Enzyme be-grenzt sein. So wurde auch für den aus 24 Protomeren aufgebauten bakteriellen Pyru-vat-Dehydrogenase-Komplex, dem größten löslichen Enzymaggregat dieser Zellen,ein solcher Mechanismus ohne Beteiligung von Wechselwirkungen zwischen Unte-reinheiten nachgewiesen (Bisswanger, 1984).

2.9 Spezielle Enzym-Mechanismen

2.9.1 Kinetik immobilisierter Enzyme

Immobilisierten Enzymen kommt bei biotechnologischen Verfahren in Enzymreakto-ren oder bei Biosensoren, aber auch in der Medizin, steigende Bedeutung zu. In derZelle können membrangebundene Enzyme als immobilisierte Systeme betrachtet wer-den.

Die kinetische Behandlung eines immobilisierten Enzymsystems hängt von dessenspezieller Struktur ab, allgemeinverbindliche Regeln können kaum aufgestellt wer-den. Die Immobilisierung von Enzymen erfolgt häufig über kovalente Bindung an fe-ste Oberflächen, eine Matrix, wie Dextrane, Agarose, künstliche Polymere, Glas oderKeramik. Solange eine Wirkung des Trägers auf die Reaktionspartner, insbesonderedie Diffusionsfähigkeit des Substrats bzw. Produkts ausgeschlossen werden kann,sind diese Systeme in kinetischer Hinsicht wie lösliche Enzyme zu behandeln. DerTräger kann jedoch auf Substrate und Produkte abstoßend oder anziehend wirkenund damit die Konzentrationsverhältnisse in der Umgebung des immobilisierten En-zyms in negativer oder positiver Weise beeinflussen. Oft wirkt die (z. B. hydrophobe)Oberfläche des Trägers wie eine Grenzschicht, die den Durchtritt des Substrats zumkatalytischen Zentrum erschwert. Ein solcher Fall liegt auch bei Enzymen vor, die inOrganellenmembranen eingebettet sind. Ein anderes Prinzip der Fixierung ist der Ein-schluß des Enzyms in eine für das Substrat durchlässige Matrix, wie Agarose, Poly-acrylamid oder Nylonkugeln. Das Enzym wird dabei nicht durch kovalente Fixierungmodifiziert und kann seine native Struktur weitgehend erhalten. Auch hier sind dieRegeln für Enzyme in Lösung anwendbar, solange die Konzentrationsverhältnisse imPartikel mit der umgebenden Lösung ausgeglichen sind. Dies erfordert eine freie Dif-fusionsfähigkeit aller beteiligten Komponenten, wie Substrate, Produkte oder Ionen(pH-Veränderung!). Ist das nicht gewährleistet, so beobachtet man Abweichungen desVerhaltens des immobilisierten Enzyms gegenüber dem in Lösung. Setzt das Enzymdas Substrat rascher um, als dieses durch die Matrix diffundieren kann, so kommt esin der Umgebung des Enzyms zu einer Substratverarmung, deren Ausmaß von derSubstratkonzentration im umgebenden Medium abhängt. Bei geringen Substratkon-zentrationen, wo das Enzym am effizientesten arbeitet, ist die Substratverarmungstärker ausgeprägt, während sie im Bereich der Substratsättigung vergleichsweise ge-ring wird. Umgekehrt verhält es sich mit dem Produkt, das sich bei Diffusionsbe-schränkung anhäuft und an der Abdissoziation gehindert wird.

138 2 Enzymkinetik

Page 149: Enzymkinetik (3. Auflage)

Die kinetischen Modelle, die aus solchen Betrachtungen entwickelt werden, be-rücksichtigen nur die Wechselwirkung zwischen dem Enzym und seiner unmittelba-ren Umgebung an der Matrix, insbesondere mit dem Substrat. Besondere Effekte aufindividuelle Enzyme können nicht berücksichtigt werden. So kann die Immobilisie-rung eines Enzyms durch kovalente Modifizierung mittelbar oder unmittelbar am ka-talytischen Mechanismus beteiligter funktioneller Gruppen den Reaktionsmechanis-mus beeinflussen. Teilweise werden Konformationsänderungen zum aktiven Zustandoder regulatorische Einflüsse durch Trägerfixierung erschwert oder ganz unterdrückt.Die enge Bindung an den Träger verursacht unter Umständen eine Abschirmung desaktiven Zentrums.

Durch Diffusionsbehinderung des Substrats kann sich die experimentell bestimmteUmsatzgeschwindigkeit des immobilisierten Enzyms �� von der des nativen Enzymsin Lösung �kin um den Effizienzfaktor �e unterscheiden:

�� � � �!�� � � � ���

�� � ��� � ���� �

�e ist selbst eine Funktion der Substratkonzentration, für �e =1 ist die Reaktion kine-tisch kontrolliert, die Reaktion des immobilisierten Enzyms entspricht der des freien,und es gehorcht der Michaelis-Menten-Gleichung. Bei niedrigeren Werten von �e

wird die Reaktion zunehmend diffusionskontrolliert, die Michaelis-Menten-Gleichungbleibt nicht mehr gültig, so daß die üblichen Linearisierungsverfahren keine Geradenmehr liefern. Gleichung (2.174), wie auch die nachfolgenden Betrachtungen, gehenvon einer Einsubstratreaktion aus. Solange alle übrigen Substrate und Cofaktoren insättigenden Mengen vorliegen, ist dies auch auf Mehrsubstratreaktionen übertragbar.

Grundsätzlich wird zwischen zwei Arten der Diffusionslimitierung unterschieden(Abb. 2.32). Die externe Diffusionslimitierung wird verursacht durch eine Grenz-schicht zwischen der Matrix, in die das Enzym eingebettet ist, und der umgebendenLösung, die vom Substrat überwunden werden muß. Bei der internen Diffusionslimi-tierung beeinflußt die Matrix die Diffusion des Substrats.

A2.9 Spezielle Enzym-Mechanismen 139

Abb. 2.32. Schematische Darstel-lung externer (A) und interner (B)Diffusionslimitierung; �Substrat;� Produkt.

Page 150: Enzymkinetik (3. Auflage)

2.9.1.1 Externe Diffusionslimitierung

Das Substrat muß eine Grenzschicht passieren, um zum katalytischen Zentrum einesEnzyms zu gelangen, das beispielsweise an einer flüssigkeitsundurchdringlichen festenOberfläche fixiert ist. Die Prozesse von Transport und Katalyse erfolgen nacheinander.Der Fluß Js des Substrats aus der umgebenden Lösung mit der Substratkonzentration[A]0 zum aktiven Zentrum an der Oberfläche mit der Substratkonzentration [A] ist:

�" � �"����� � ���� ��"����� � ����

�� ������

hs=Ds/� ist der Transportkoeffizient und Ds der Diffusionskoeffizient des Substrats, �ist die effektive Grenzschichtdicke. Ds und hs können durch verschiedene Methoden,wie radioaktive Tracertechnik oder Diffusionszellen (Rovito et al. 1973) bestimmtbzw. der Literatur (Bird et al. 1960) entnommen werden. Der Substratfluß zum akti-ven Zentrum und der, normalerweise der Michaelis-Menten-Beziehung gehorchende,enzymatische Substratumsatz erfolgen nacheinander. Im Steady-State-Zustand laufenbeide Prozesse mit gleicher Geschwindigkeit ab:

�"����� � ���� �� ���

�� � ��� � ������

Für die Substratkonzentration wird die dimensionslose Größe �=[A]/Km eingesetzt:

�� � � � ��

�"����� �� � � � �

�� �� ������

�=V/hsKm ist ein dimensionsloses Substratmodul, es gibt das Verhältnis der Ge-schwindigkeiten der Reaktion und des Transports des Systems an. Für den GrenzfallKm [A], d.h. bei sehr geringer Substratkonzentration, wird Gl. (2.177) zu:

�"����� � ���� �� �����

� ������

Die Gesamtreaktion verläuft nach einer Kinetik erster Ordnung. Die effektive Sub-stratkonzentration im Bereich um das aktive Zentrum beträgt dann:

��� � �"�����" � �

��

� ������

Die tatsächlich gemessene Umsatzgeschwindigkeit �� ist:

�� � � ������

���"����

�" � �

��

� �����

�"� ��

� ������

140 2 Enzymkinetik

Page 151: Enzymkinetik (3. Auflage)

Für hsV/Km ist der Transport schneller als die enzymatische Reaktion, die Reak-tion ist kinetisch kontrolliert:

�� � �!�� � � ������

� ������

Umgekehrt wird die Reaktion bei sehr langsamem Transport durch die Matrix, hs�V/Km, diffusionskontrolliert:

�� � ���## � �"���� � �����

Für den Grenzfall Km� [A], d. h. bei sättigender Substratkonzentration, dem Bereichder Reaktion nullter Ordnung, strebt �� in jedem Fall dem Sättigungswert V zu (Gl.(2.176), Abb. 2.33A). Im mittleren Substratbereich ([A]�Km ) tragen, entsprechendihrer Größe, �kin oder �diff den größeren Anteil zur Gesamtreaktion bei. Es resultierteine Sättigungsfunktion, die sich aus Anteilen des Transportprozesses und der kineti-schen Reaktion zusammensetzt und die, im Maße der Diffusionslimitierung, einengegenüber dem wahren Km-Wert der Enzymreaktion erhöhten scheinbaren (d. h. beiHalbsättigung ermittelten) Km-Wert aufweist. Mit zunehmender Diffusionslimitierungweicht die Kurve in den graphischen Linearisierungsverfahren (z. B. doppelt-rezipro-kes Diagramm) immer mehr vom linearen Verlauf der kinetisch kontrollierten Reak-tion ab. Eine Eigenschaft der externen Diffusionslimitierung ist, daß sie sich vielfachdurch Rühren beeinflussen läßt, wodurch der Diffusionsausgleich zwischen Lösungund immobilisiertem Enzym beschleunigt wird.

Bei Kenntnis des Transportkoeffizienten hs lassen sich die Geschwindigkeit der ki-netisch kontrollierten Enzymreaktion �kin und die zugehörige Substratkonzentration[A]kin am aktiven Zentrum auf der Membranoberfläche aus der Abhängigkeit der ge-messenen Geschwindigkeit �� von der Substratkonzentration der umgebenden Lösungauf graphischem Wege ermitteln (Abb. 2.33B). Durch einen beliebigen Abszissen-

A2.9 Spezielle Enzym-Mechanismen 141

Abb. 2.33. Reaktion immobilisierter Enzyme. A) Vergleich der gemessenen (��) zur diffusionskontrol-lierten (�diff) und kinetisch kontrollierten (�kin) Umsatzgeschwindigkeit. B) Bestimmung von Reakti-onsgeschwindigkeit �kin und Substratkonzentration [A]kin am aktiven Zentrum eines immobilisiertenEnzyms.

Page 152: Enzymkinetik (3. Auflage)

punkt entsprechend einer bestimmten äußeren Substratkonzentration [A]1 wird eineGerade mit der Steigung hs gezeichnet. Ein Schnittpunkt dieser Geraden mit einerParallelen zur Abszisse an der Stelle der zugehörigen gemessenen Geschwindigkeit��� hat die Koordinaten [A]kin1 und �kin1. Auf diese Weise erhält man punktweise dieCharakteristik der kinetischen Reaktion und mittels der üblichen graphischen Verfah-ren die Konstanten.

2.9.1.2 Interne Diffusionslimitierung

Im Gegensatz zur externen Diffusion verläuft die interne Diffusion parallel mit derenzymkatalysierten Reaktion. Infolge Substratverarmung nimmt die Geschwindigkeitder Reaktion mit steigendem Abstand des immobilisierten Enzyms von der Mem-branoberfläche ab, während die Produktbildung zu lokalen Akkumulationen unterAusbildung eines Produktgradienten führt. Die simultan verlaufenden Prozesse derDiffusion durch die Membran und der kinetischen Reaktion verhalten sich additiv:

������� ����

��

� ���##

� ������

� �!��

� ������

wobei für die Diffusion das 2. Ficksche Diffusionsgesetz, für die kinetische Reaktiondie Michaelis-Menten-Beziehung eingesetzt wird. � ��� ist die intrinsische Maximalge-schwindigkeit pro Volumeneinheit des porösen Mediums bzw. der Membran:

������ �"

������

� �� � �������� � ��� � ���� �

Im stationären Zustand ist � [A]/�t=0:

�"������

� �� � �������� � ��� � ������

Die Differentialgleichung (2.185) läßt sich durch numerische Berechnung lösen. Eswerden dimensionslose Größen für die Substratkonzentration �=[A]/Km und für denAbstand x von der Oberfläche, l = x/L eingeführt, wobei L die Dicke der Membran(für eine Kugel mit dem Partikelradius r wird L durch r/3 ersetzt) und l die Positionin der Membran ist:

��

��� �� ���

���"

�� �

� �� �

"

�� �

� �� ������

�s ist das Substrat- oder Thiele-Modul:

�" � �

���������������� ���

���"�

�������

142 2 Enzymkinetik

Page 153: Enzymkinetik (3. Auflage)

Das Thiele-Modul enthält drei Faktoren, die das Substratprofil in der Membran be-stimmen, Membrandicke, Diffusionsfähigkeit des Substrats und Enzymaktivität. MitZunahme von �s sinkt die effektive Substratkonzentration in der Membran, die Steil-heit des Substratgradienten in der Membran nimmt dafür zu. Die Membran verarmtan Substrat und die Enzymreaktion wird verlangsamt, es ergeben sich Abweichungenin den linearisierten Darstellungsformen. Wie auch bei der externen Diffusionslimi-tierung liegt in Gegenwart der internen Diffusionslimitierung die bei Halbsättigungermittelte Substratkonzentration über dem Km-Wert des freien Enzyms. Für kleineWerte (�s � 1) ist die Reaktion im wesentlichen kinetisch kontrolliert, sie gehorchtder Michaelis-Menten-Kinetik.

Für die Bestimmung der kinetischen Konstanten bei immobilisierten Enzymen istes wichtig, in einem weiten Konzentrationsbereich des Substrats zu messen, da beinicht-linearen Abhängigkeiten innerhalb enger Konzentrationsgrenzen lineare Berei-che auftreten, die zu falschen Resultaten führen. Nicht-lineare Kurven können nacheinem der gebräuchlichen graphischen Verfahren ausgewertet werden, wobei jeweilsdavon ausgegangen wird, daß bei sehr geringen Substratkonzentrationen die Diffusi-onslimitierung, bei hohen dagegen die Enzymkatalyse dominiert. Aus Tangenten andie Extrembereiche können, wie in Abb. 2.34 gezeigt, die Konstanten erhalten wer-den. Diesen Diagrammen liegt die Umformung der Gl. (2.174) für das doppelt-rezi-proke Diagramm zugrunde:

����� �

� ���� �

��

� �������"

� �������

wobei [A]s die effektive Substratkonzentration an der Oberfläche ist. Abb. 2.34 zeigtauch die Art der durch Diffusionslimitierung bedingten Abweichungen vom normalenlinearen Verlauf. Für sehr kleine Konzentrationen an [A]s nähert sich �e dem Effizienz-faktor �e1 für eine Reaktion 1. Ordnung. Die scheinbare Michaelis-Konstante in diesemBereich ist K =Km/�e1. Für hohe Werte von �s wird �e1 =1/�s.

A2.9 Spezielle Enzym-Mechanismen 143

Abb. 2.34. Graphisches Verfahren der Bestimmungkinetischer Konstanten immobilisierter Enzyme beiinterner Diffusionslimitierung (nach Engasser &Horvath, 1973).

Page 154: Enzymkinetik (3. Auflage)

2.9.1.3 Hemmung immobilisierter Enzyme

Alle Einflüsse auf das immobilisierte Enzym, die seine Reaktionsgeschwindigkeitverlangsamen, wirken der Substratverarmung um das Enzym entgegen, Enzymhem-mung und Diffusionslimitierung wirken antagonistisch. Liegen beide Effekte gleich-zeitig vor, so schwächen sie sich gegenseitig ab, sie sind insgesamt schwächer als dieSumme der getrennten Effekte erwarten läßt. Die Hemmung eines immobilisiertenEnzyms erscheint daher relativ schwächer als die des nativen Enzyms. Die durch Dif-fusionslimitierung verursachte Nicht-Linearität der Kurven in graphischen Linearisie-rungsverfahren wird abgeschwächt, aber auch im Falle einer Nicht-Linearität bleibtder Charakter der Hemmung erkennbar: kompetitive Hemmung verändert nur denscheinbaren Km-Wert, nicht die Maximalgeschwindigkeit. Letztere wird auch durchDiffusionslimitierung nicht berührt. Nicht-kompetitive Hemmung verändert beide Pa-rameter, was auch bei einer Diffusionslimitierung erkennbar ist. Für den Fall einereinfachen nicht-kompetitiven Hemmung (Kic =Kiu�Ki, vgl. Gl. (2.65), Abschnitt2.5.1.2) bei externer Diffusionslimitierung würde Gl. (2.176) erweitert zu:

�"����� � ���� �� ���

��� ���������� � ���� � ������

Ein besonderer Fall ist die Produkthemmung, da sich bei Diffusionslimitierung Pro-dukt im Bereich des immobilisierten Enzyms anhäuft und damit die Hemmung zu-sätzlich verstärkt. Dadurch reduziert sich aber auch die Diffusionslimitierung. Insge-samt reagiert das immobilisierte Enzym damit schwächer gegenüber Änderungen derProduktmenge in seiner Umgebung.

Der Diffusionslimitierung entgegen wirken auch alle anderen, die Enzymaktivitätbeeinflussenden, Faktoren, so eine durch die Immobilisierungsprozedur des Enzymsverursachte partielle Inaktivierung. Auch hier wird aufgrund verminderter Diffusions-limitierung das Ausmaß der Inaktivierung geringer gemessen, als es den tatsächli-chen Verhältnissen entspricht und somit eine größere Effizienz der Immobilisierungvorgetäuscht. Dadurch entsteht auch der Eindruck einer scheinbar verbesserten Lang-zeitstabilität infolge der Immobilisierung.

2.9.1.4 pH- und Temperaturverhalten immobilisierter Enzyme

Immobilisierte Enzyme zeigen eine veränderte Abhängigkeit von pH und Ionenstär-ke. Dies gilt insbesondere, wenn diese Parameter durch die Enzymreaktion selbst ver-ändert werden, wie bei Verbrauch bzw. Bildung von Säuren (z. B. Proteasen) oderBasen (z. B. Urease) als Substrate oder Produkte der Enzymreaktion. Durch Anhäu-fung solcher Reaktionsprodukte infolge von Diffusionslimitierung kann sich dasscheinbare pH-Optimum des Enzyms um 1–2 pH-Werte gegenüber dem freiem En-zym verschieben. Ähnliche Verschiebungen der pH-Optimumskurve treten ein, wenndas Enzym an eine positiv oder negativ geladene Matrix gekoppelt wird.

Immobilisierte Enzyme zeigen in der Arrhenius-Darstellung (vgl. Abschnitt2.10.4) häufig Inhomogenitäten, d. h. Übergänge zwischen lineraren Bereichen unter-

144 2 Enzymkinetik

Page 155: Enzymkinetik (3. Auflage)

schiedlicher Steigungen. Das ist dadurch zu erklären, da im unteren Temperaturbe-reich wegen der sehr langsamen Enzymreaktion der gesamte Vorgang chemisch kon-trolliert ist. Die Diffusionslimitierung kommt nicht zum Ausdruck (Abb. 2.35). Mitsteigender Umsatzrate bei höheren Temperaturen tritt schließlich Substratverarmungein, die Gesamtreaktion zeigt die Charakteristik der Diffusionslimitierung mit einergeringeren Steigung im Arrhenius-Diagramm. Bei sehr geringen Substratkonzentra-tionen erstreckt sich dagegen die Diffusionskontrolle über den gesamten Meßbereich,es wird nur eine Gerade erhalten.

2.9.2 Polymere Substrate

Enzyme, die mit polymeren Substraten mit vielen gleichartigen Bindungen, wie Stär-ke, Cellulose oder Chitin, reagieren, gehorchen nicht der einfachen Michaelis-Men-ten-Beziehung. Vielmehr steigt Km mit sinkendem Polymerisationsgrad bzw. abneh-mender Molekülmasse an, während V abnimmt, d. h. die kinetischen Konstanten ver-ändern sich im Maße des Fortschreitens der enzymatischen Spaltungsreaktion. Unterder Annahme, daß alle reaktiven Bindungen einander gleich sind, gilt nach Chetka-rov & Kolev (1984) folgende Beziehung:

� ����� ���

��������

��

� �������

���� � �����

� �

���������

��� ���

� ������

� �� und �� sind die kinetischen Konstanten für die reaktiven Bindungen, MA undMA� die Molekülmassen des Substrats vor und nach unendlich langer Enzymreakti-on. ME ist die Molekülmasse des Enzyms, m1 die der monomeren Einheit des Poly-mers (z. B. Glucose), NA die Avogadro-Konstante; a ist die Zahl der aktiven Zentrenpro Enzymmolekül, b die Zahl der reaktiven Bindungen pro Substratmolekül und b�die Anzahl nicht gespaltener Bindungen nach der Enzymreaktion. (C b

a)� steht für die

A2.9 Spezielle Enzym-Mechanismen 145

Abb. 2.35. Temperaturabhängigkeit immobilisierterEnzyme.

Page 156: Enzymkinetik (3. Auflage)

effektive Zahl möglicher Kombinationen zwischen den aktiven Zentren des Enzymsund den reaktiven Bindungen des Substrats, wobei für die meisten Enzyme gilt: a =1und Cb

1 =b; �=�A/�E ist das Verhältnis des effektiven Querschnitts der reaktiven Sub-stratbindung �A zu dem des aktiven Zentrums �E. Gl. (2.190) steht in Analogie zurMichaelis-Menten-Beziehung, wobei, unter Annahme von MA�ME:

� � ���� � ���� ���

���������� � ����� � ������� ������

und

����� � ��

��� ���� � ��

�������� � �����

�������

gelten. Die entsprechenden Konstanten lassen sich gemäß Gl. (2.191) und (2.192)aus Diagrammen gewinnen, wo, wie in Abb. 2.36 dargestellt, die tatsächlich gemes-sene Michaelis-Konstante bzw. Maximalgeschwindigkeit gegen die Zahl der reakti-ven Zentren des Substratmoleküls aufgetragen ist.

2.10 pH- und Temperaturverhalten von Enzymen

2.10.1 pH-Optimumskurve und Bestimmung von pK-Werten

Die Aktivität von Enzymen zeigt eine deutliche Abhängigkeit vom pH-Wert des Me-diums. Mit zunehmendem pH-Wert steigt die Aktivität auf ein Maximum (pH-Opti-mum) an und fällt im alkalischen Bereich wieder auf Null ab. Es wird eine glocken-förmige Optimumskurve durchlaufen (Abb. 2.37 A). Zwei Effekte bestimmen, je nachEnzymtyp in unterschiedlichem Maße, die Form der Kurve: direkte Mitwirkung ioni-scher Gruppen am katalytischen Mechanismus und Beteiligung geladener Gruppenan der Stabilisierung der Proteinstruktur.

An der enzymatischen Katalyse, wie der Säure-Basen-Katalyse, sind häufig ioni-sche Gruppen beteiligt, deren Protonierungszustand für die Reaktion essentiell ist. So

146 2 Enzymkinetik

Abb. 2.36. Bestimmung derKonstanten � ��und �� für die re-aktive Bindung eines polymerenSubstrats bei Auftragung A) dertatsächlich gemessenen Michae-liskonstanten Km und B) derMaximalgeschwindigkeit k2 ge-gen die Zahl b der reaktivenZentren des Substratmoleküls.

Page 157: Enzymkinetik (3. Auflage)

bildet das aktive Zentrum von Chymotrypsin eine katalytische Triade mit der Hydro-xylgruppe von Serin, der Imidazolgruppe von Histidin und der Carboxylgruppe vonAspartat. Abweichungen vom optimalen pH-Wert verändern den Protonierungszu-stand der beteiligten Gruppen und entziehen diese dem katalytischen Mechanismus.Im Falle eines einfachen diprotischen Systems wird das pH-Optimum gebildet aus ei-ner ansteigenden Titrationskurve für einen im protonierten Zustand aktiven Rest undeiner abfallenden Titrationskurve für die mit der Protonierung verbundene Inaktivie-rung eines zweiten Rests. Die pK-Werte der entsprechenden Gruppen im Enzym-Sub-strat-Komplex (pKEA) liegen jeweils bei der halben Höhe der Optimumskurve. DerPunkt höchster Aktivität entspricht dem pH-Optimum des Enzyms (Abb. 2.37A). DieBestimmung der Enzymaktivität muß immer unter sättigenden Bedingungen bezüg-lich aller Substrate und Cofaktoren, also bei der apparenten Maximalgeschwindigkeit(Vapp, im Unterschied zu der auf [A]�� extrapolierten Maximalgeschwindigkeit V)erfolgen.

Nach einem Verfahren von M. Dixon und E.C. Webb (1974) wird zur Ermittlungder pK-Werte der Logarithmus von Vapp gegen den pH-Wert aufgetragen(Abb. 2.37 B). Bei idealem Titrationsverhalten steigt die Kurve an beiden Seiten zu-nächst mit der Steigung 1 bzw. –1 an. Die beiden Steigungen extrapolieren auf einedurch das Maximum der Kurve gezogene Horizontale, die sie an den Stellen derpKEA-Werte scheiden. Wird die Protonierung der Gruppen im aktiven Zentrum durchdie Substratbindung verändert, so sind deren pKE-Werte im freien Enzym verschie-den von den pKEA-Werten des Enzym-Substrat-Komplexes. In diesem Fall ist auch

A2.10 pH- und Temperaturverhalten von Enzymen 147

Abb. 2.37. pH-Verhalten von Enzymen. A) Direkte Auftragung der apparenten Maximalgeschwindig-keit gegen den pH-Wert. Die innere Kurve zeigt eine ideale pH-Optimumskurve mit zwei titrierbarenGruppen, die äußere eine pH-Stabilitätskurve. B) Verfahren zur Bestimmung der pK-Werte des En-zym-Substrat-Komplexes, sowie C) und D) des freien Enzyms (nach Dixon & Webb, 1973).

Page 158: Enzymkinetik (3. Auflage)

die apparente Bindungskonstante des Substrats KA abhängig vom Protonierungszu-stand der Gruppen und folglich auch vom pH-Wert. Die pKE-Werte des freien En-zyms werden analog wie die pKEA-Werte bestimmt durch Auftragen von Vapp/KA

(oder Vapp/Km) bzw. log Vapp/KA gegen den pH-Wert (Abb. 2.37 C und D).Ionisierungskonstanten können auch aus den Sekundärauftragungen des Linewea-

ver-Burk-Diagramms gewonnen werden. Die Abhängigkeit der Umsatzgeschwindig-keit � von der Substratkonzentration wird bei unterschiedlichen pH-Werten gemes-sen. Bei Auftragung von 1/� gegen 1/[A] erhält man eine Geradenschar mit einemgemeinsamen Schnittpunkt links der Ordinate. Werden die Steigungen dieser Ge-raden gegen die reziproke Protonenkonzentration 1/[H+] aufgetragen, so ergibt sicheine Gerade, die die Abszisse bei –1/KE schneidet. Ein Sekundärdiagramm der Ordi-natenschnittpunkte gegen 1/[H+] hat einen Abszissenschnittpunkt von –1/KEA.

Eine zuverlässige Bestimmung der pK-Werte aus diesem Diagramm ist nur mög-lich bei einer Differenz zwischen pK1- und pK2-Werten von über 3,5 pH-Einheiten.Bei Beteiligung einer anderen Zahl ionischer Gruppen als zwei, wie auch bei anders-artigem Aktivierungsverhalten, bekommt man abweichende Kurvenformen. Ist nureine einzige protonierbare Gruppe beteiligt (bzw. spielt der Protonierungsprozeß nurin einem bestimmten pH-Bereich, sauer oder alkalisch, eine Rolle für die Enzymakti-vität), so wird nur eine Flanke der Optimumskurve erhalten. Bei mehr als zwei ioni-schen Gruppen ergeben sich Überlagerungen, die nur bei größeren pH-Differenzender pK-Werte z. B. durch Stufen an den Flanken der Optimumskurve erkennbar sind.Die pK-Werte der Titrationskurven erlauben Rückschlüsse auf die an der Katalysebeteiligten Gruppen. Allerdings unterscheiden sich die pK-Werte ionischer Gruppenisolierter Aminosäuren oft drastisch von denen im aktiven Zentrum. Die Einbindungin das Proteinmolekül kann Verschiebungen um einige pH-Einheiten bewirken.

2.10.2 pH-Stabilität von Enzymen

Aufgrund der polyionischen Proteinnatur von Enzymen wird deren pH-Verhaltenauch durch geladene Gruppen mitbestimmt, die nicht unmittelbar an der Katalyse be-teiligt sind. Das gilt besonders für solche Gruppen, denen wichtige Funktionen in derAufrechterhaltung der nativen Enzymstruktur zukommt. Während es sich bei denProtonierungen im aktiven Zentrum allgemein um reversible Prozesse handelt, kön-nen Ladungsveränderungen an strukturerhaltenden Resten irreversible Schädigungender nativen Struktur verursachen. Zur Unterscheidung zwischen reversiblen und irre-versiblen pH-abhängigen Vorgängen dienen pH-Stabilitätskurven. Das betreffendeEnzym wird beim jeweiligen pH-Wert für eine bestimmte Zeit vorinkubiert und da-nach die Aktivität beim optimalen pH-Wert gemessen. Reversible Vorgänge dürfendabei keine Aktivitätsveränderungen zeigen, die pH-Stabilitätskurve zeigt in diesemBereich ein Plateau, das nach beiden Seiten infolge irreversibler Inaktivierungen ab-fällt. Somit ist diese Kurve breiter als die pH-Optimumskurve (Abb. 2.37 A).

Irreversible Denaturierungen können auch durch zeitabhängige Aktivitätsbestim-mungen des bei bestimmten pH-Werten inkubierten Enzyms erkannt werden. Wäh-rend bei reversiblen Prozessen die Aktivität stabil bleibt, bewirken irreversible Vor-gänge Aktivitätsabfälle, zumeist exponentiell nach einer Reaktion erster Ordnung.

148 2 Enzymkinetik

Page 159: Enzymkinetik (3. Auflage)

Bei Untersuchungen des pH-Verhaltens von Enzymen ist zu berücksichtigen, daßauch Substrate, Coenzyme (z. B. NAD) oder im Testsystem enthaltene Indikato-renzyme in bestimmten pH-Bereichen instabil sind und damit die Lage des pH-Opti-mums beeinflussen können. Zur Kontrolle sind Vorinkubationen mit den Testkompo-nenten in Abwesenheit des Enzyms bei unterschiedlichen pH-Werten durchzuführen.

2.10.3 Thermische Stabilität von Enzymen

Wie bei spontanen chemischen Reaktionen steigt die Geschwindigkeit auch bei en-zymkatalysierten Reaktionen mit der Temperatur um den Faktor 2–3 pro 10 �C. Beihöheren Temperaturen verzögert sich jedoch der Anstieg, durchläuft ein Maximum,jenseits dessen die Umsatzgeschwindigkeit wieder abnimmt (Abb. 2.38). Dieser Vor-gang hat seine Ursache in der Destabilisierung und irreversiblen Inaktivierung desKatalysators infolge seiner thermosensitiven Proteinnatur. Die Lage des Temperatur-maximums spiegelt somit die Temperaturstabilität des untersuchten Enzyms wieder.Bei den meisten Enzymen liegt es zwischen 40 �C und 50 �C, also etwas über derKörpertemperatur. Es gibt auch temperatursensitive Enzyme, wie die bereits ab 30 �Cinstabile Alkoholdehydrogenase. Enzyme thermophiler Mikroorganismen aus heißenvulkanischen Quellen bleiben teilweise bis über den Siedepunkt des Wassers aktiv,ohne daß sich deren Struktur wesentlich von der anderer Proteine unterscheidet. Diegrößere Temperatursensitivität der meisten Enzyme ist damit weniger eine zwangs-läufige Eigenschaft der Proteinnatur, vielmehr erübrigte sich im Laufe der Evolutionmit der Anpassung an moderate Lebensverhältnisse und eine konstante Körpertempe-ratur die Notwendigkeit einer hohen Temperaturresistenz.

Das Temperaturmaximum zeigt nur bedingt die Temperaturstabilität eines Enzymsan. Die Lage des Maximums wird bestimmt durch eine zeitabhängige irreversible Inak-tivierung und hängt damit von der Zeitdauer ab, mit der das Enzym der erhöhten Tem-peratur ausgesetzt ist. Wird die Aktivität des Enzyms unmittelbar nach einer Tempera-turerhöhung bestimmt, so liegt das Maximum höher als wenn es vor dem Test bereits

A2.10 pH- und Temperaturverhalten von Enzymen 149

Abb. 2.38. Temperaturverhalten von Enzymen. A) Direkte Auftragung der apparenten Maximalge-schwindigkeit gegen die Temperatur, B) Arrhenius-Darstellung, C) Auftragung zur Bestimmung derReaktionsenthalpie �H� des Übergangszustandes.

Page 160: Enzymkinetik (3. Auflage)

für längere Zeit bei dieser Temperatur vorinkubierte. Daraus wird ersichtlich, daß essich nicht um ein dem pH-Optimum vergleichbares „Temperaturoptimum“ handelt,da sich hier das Enzym gerade nicht unter optimalen Bedingungen befindet. Daherist dieser Begriff zu vermeiden und auch die Enzymaktivität sollte unterhalb des Tem-peraturmaximums getestet werden. Beim Maximum und jenseits desselben können De-naturierungsprozesse studiert werden, die Rückschlüsse auf die Enzymstruktur zulas-sen. Das Enzym wird bei konstanter Temperatur vorinkubiert. Durch Probenentnahmenzu bestimmten Zeiten wird die Änderung der Enzymaktivität unter normalen Testbedin-gungen verfolgt. Bei Temperaturen im Bereich der thermischen Inaktivierung des En-zyms erhält man eine zumeist exponentielle Aktivitätsabnahme gemäß einer Denaturie-rungskinetik erster Ordnung (Abb. 2.39A). Obwohl die Denaturierung über vieleSchritte abläuft, ist ein bestimmter Schritt verantwortlich für den Verlust der enzymati-schen Aktivität. In halblogarithmischer Darstellung von kcat bzw. � gegen die Zeit wer-den Geraden erhalten, deren Steigungen die Geschwindigkeitskonstanten der Denaturie-rung ergeben (Abb. 2.39B). Denaturierungsvorgänge lassen sich auch mit anderen Me-thoden, wie Absorptions-, Fluoreszenz- und CD-Spektroskopie oder Kalorimetrie unter-suchen. In seltenen Fällen wird auch das Phänomen der Kälteinaktivierung beobachtet.

2.10.4 Temperaturabhängigkeit enzymatischer Reaktionen

Der Bereich unterhalb des Temperaturmaximums, d.h. außerhalb des Bereichs derthermischen Denaturierung, ergibt beim Auftragen von ln kcat bzw. ln � gegen die re-ziproke absolute Temperatur (K–1, 0 �C=273,15 K) für die meisten Enzymreaktioneneine lineare Abhängigkeit. Dieser Darstellung liegt die empirische Gleichung vonS. Arrhenius (1889) zugrunde:

� � � ����� � ������

150 2 Enzymkinetik

Abb. 2.39. Temperaturstabilität von Enzymen inA) direkter und B) halblogarithmischer Auftra-gung. Das Enzym ist bei je einer Temperaturunterhalb (T1), im Bereich (T2) und jenseits (T3)des Temperaturmaximums vorinkubiert.

Page 161: Enzymkinetik (3. Auflage)

die durch Logarithmieren in die Geradengleichung

�� � � ��� ��

� �$%� ��� � � ���� ��

��� ���� �

zu überführen ist. Ea ist die Aktivierungsenergie des Übergangszustandes der Enzym-katalyse, die nach dieser Gleichung aus der Steigung des Arrhenius-Diagramms(Abb. 2.38 B) zu erhalten ist. Die Konstante A repräsentiert die Wahrscheinlichkeitdes Zustandekommens der Reaktion und enthält Komponenten für die Kollisionshäu-figkeit und die Orientierung der Teilchen beim Zusammentreffen, R ist die Gaskon-stante. Durch bestimmte Integration von Gl. (2.193) ergibt sich die Beziehung:

������� ��

���

� �

� �� ������

nach der Ea aus den Umsatzgeschwindigkeiten bei zwei verschiedenen Temperaturenerrechnet werden kann. Für die Geschwindigkeitskonstanten der Reaktion k kannauch die Maximalgeschwindigkeit V =k [E]0 eingesetzt werden. Aufgrund derTemperaturabhängigkeit von Dissoziations- und Michaelis-Konstanten ist das Tempera-turverhalten bei Substratsättigung zu bestimmen, wobei genau genommen die V-Wertefür jede Temperatur durch Extrapolation auf [A]�� ermittelt werden müssten. Dieaus dem Arrhenius-Diagramm zu bestimmende Aktivierungsenergie liegt zumeist imBereich von 40–50 KJ·mol–1. Sie ist eine komplexe, aus verschiedenen Teilprozessenzusammengesetzte Größe. Jeder dieser Prozesse besitzt eine eigene Temperaturkorrela-tion, so daß bei stetiger Temperaturveränderung der geschwindigkeitsbestimmendeSchritt wechseln kann, was sich im Arrhenius-Diagramm in zwei oder mehr Bereichenunterschiedlicher Steigung ausdrückt. Mehrphasiges Verhalten kann aber auch andereUrsachen haben, wie Konformationsübergänge des Enzyms oder auch der Membranbei membrangebundenen Enzymen, oder von Isoenzymen. Besonders die über einenbreiten Temperaturbereich aktiven thermostabilen Enzyme zeigen häufig mehrphasigesTemperaturverhalten als Ausdruck unterschiedlich stabiler Zustände.

Das Prinzip der enzymatischen Katalyse beruht nach einer von H. Eyring 1953 for-mulierten Theorie auf der Verringerung der Aktivierungsenergie durch Stabilisierungdes Übergangszustandes. Zur Umwandlung in Produkt muß das Substrat die Energiebar-riere des Übergangszustandes überwinden. Nur Substratmoleküle, die über ausreichendEnergie verfügen, werden umgewandelt. Im Maße der Erniedrigung der Barriere erhöhtsich der Anteil der Moleküle, die an der Reaktion teilzunehmen vermögen. Abb. 2.40zeigt das Energieprofil einer enzymkatalysierten Reaktion, wobei Übergangszuständesowohl für die Bindung der Reaktionspartner von beiden Richtungen wie auch fürden eigentlichen Umwandlungsprozeß angenommen werden. Für bestimmte Enzymre-aktionen konnten Substanzen synthetisiert werden, die den Übergangszustand nachah-men (Übergangsanaloga, engl. transition state analogs). Diese zeigen gegenüber demSubstrat eine um mehrere Zehnerpotenzen erhöhte Bindungsaffinität.

Arrhenius entwickelte die Gleichung in Analogie zur van’t Hoffschen Reaktions-isobaren, die die Abhängigkeit der Dissoziationskonstanten Kd von der Temperaturim Reaktionsgleichgewicht beschreibt:

A2.10 pH- und Temperaturverhalten von Enzymen 151

Page 162: Enzymkinetik (3. Auflage)

� ����

� �

� �!�

� � ������

Für kleine Bereiche kann die Standard-Reaktionsenthalpie �H0 als temperaturunab-hängig angesehen werden, so daß durch Integration

���� � ��!�

� � � ������

eine lineare Abhängigkeit des Logarithmus der Dissoziationskonstanten von der rezi-proken absoluten Temperatur resultiert, aus deren Steigung �H0 zu errechnen ist. DieIntegrationskonstante C enthält die Reaktionsentropie �S0:

���� � ��!�

� � ���

�� ������

die aus dem Ordinatenschnittpunkt berechnet werden kann. Gleichung (2.196) folgtaus der Beziehung für die Gibbssche freie Standardenergie �G 0 =�H 0+T�S 0, diemit der Dissoziationskonstanten zusammenhängt: �G 0 =–RT ln Kd. Für die freieEnergie des Übergangszustandes �G�� gilt entsprechend:

�"�� � �� ����� � �!�� � ���� � ������

Nach der Quantenmechanik hängt die Geschwindigkeitskonstante k für die Bildungdes Übergangszustandes mit der Gleichgewichtskonstanten K�� des Übergangszustan-des nach k =K�� (RT/NAh) zusammen, wobei NA die Avogadro-Konstante und h dasPlancksche Wirkungsquantum ist. Damit erhält man aus Gl. (2.199) folgende Bezie-hung für den Übergangszustand:

����

� � �!��

��� � ����

���� ���

���� �����

152 2 Enzymkinetik

Abb. 2.40. Energieprofil einerenzymkatalysierten Reaktion.

Page 163: Enzymkinetik (3. Auflage)

durch die sich �H��, bei einer linearen Abhängigkeit von log k/T gegen 1/T, aus derSteigung errechnen läßt (Abb. 2.38C). Im Unterschied zur Arrhenius-Darstellung sindhier für k absolute Werte einzusetzen. Die Arrheniussche Aktivierungsenergie ist mitder Enthalpie des Übergangszustandes durch die Beziehung Ea =�H��+RT verbunden.

Bei der praktischen Durchführung gilt, wie bereits bei der pH-Abhängigkeit er-wähnt, daß auch Komponenten des Enzymtests und Hilfsenzyme temperatursensitivsind und die Temperaturkurve des zu untersuchenden Enzyms beeinflussen können.Daher ist es ratsam, die Testmischung ohne Enzym für bestimmte Zeiten bei ver-schiedenen Temperaturen vorzuinkubieren und anschließend die Enzymreaktion beikonstanter Temperatur zu messen. Bei Stabilität aller übrigen Komponenten mußeine konstante Umsatzgeschwindigkeit erhalten werden.

2.11 Isotopenaustausch

Isotopen sind ein wertvolles Hilfsmittel zur Untersuchung von Enzymreaktionen.Zwei häufige Anwendungen sollen hier erwähnt werden, die Isotopenaustauschkine-tik, die besonders für die Analyse von Mehrsubstratreaktionen wertvolle Informatio-nen liefert, und der kinetische Isotopeneffekt, der Aufschluß über bestimmte Mecha-nismen der Enzymkatalyse gibt.

2.11.1 Isotopenaustauschkinetik

Die Isotopenaustauschkinetik läßt sich von zwei Aspekten her betrachten: das Sy-stem, bestehend aus Substraten, Produkten und Enzym, kann sich im oder außerhalbdes Gleichgewichts befinden. Einfachere und eindeutigere Interpretationen sind überGleichgewichtssysteme möglich, auf die sich auch diese Beschreibung beschränkt.Weitergehende Analysen finden sich u.a. in Fromm (1975), Huang (1979) und Purich& Allison (1980).

Man läßt das System, zusammen mit dem Enzym, zum Gleichgewicht kommen,wobei Substrate und Produkte zur Beschleunigung der Einstellung gemäß der Gleich-gewichtskonstanten Kg = [P][Q] . . . /[A][B] . . . bereits in ihren Gleichgewichtskonzen-trationen zugegeben werden. Die Gleichgewichtskonstante läßt sich, wie in Abb. 2.41gezeigt, durch Vorgabe eines bestimmten P/A-Verhältnisses ermitteln. Nach Zugabedes Enzyms werden Größe und Richtung der Verschiebungen �[A] bzw. �[P] be-stimmt. Der Schnittpunkt der resultierenden Kurve bei �[A] bzw. �[P]=0 entsprichtder Gleichgewichtsposition. Ein bestimmtes Substrat/Produkt-Paar, z. B. B/P bei einerBisubstratreaktion, wird nun in mehreren Konzentrationsstufen variiert, wobei dieVeränderung im Verhältnis der Gleichgewichtskonzentrationen erfolgen muß. Das an-dere Paar (A/Q) bleibt konstant. Es wird eine geringe, das Gleichgewicht nicht stö-rende Menge einer Komponente, z. B. A� als radioaktives Isotop, zugesetzt und zeit-abhängig der A�Q-Austausch als Folge der Veränderung des B/P-Paares gemessen.

Die Ableitung für die Geschwindigkeitsgleichungen der Austauschreaktion R beiunterschiedlichen Mehrsubstratreaktionen ist komplex (vgl. Huang, 1979; Purich &

A2.11 Isotopenaustausch 153

Page 164: Enzymkinetik (3. Auflage)

Allison, 1980) und nicht besonders informativ, da es kaum möglich ist, aus dem Iso-topenaustausch selbst kinetische Konstanten zu erhalten. Vielmehr sind die Profileder Austauschgeschwindigkeit indikativ für bestimmte Reaktionstypen, wobei unter-schieden wird zwischen hyperbol (H), hyperbol mit vollständiger (HCD) und mit par-tieller Depression (HPD), sigmoid (S) und sigmoid mit vollständiger (SCD) und par-tieller Depression (SPD). Unter Depression wird ein abnehmender Kurvenverlauf beihöheren Konzentrationen des variierten Substrat/Produkt-Paares verstanden(Abb. 2.42, Tabelle 2.5). Sigmoide Kurvenverläufe können auch Hinweise für koope-rative Effekte sein.

Besonders die A�Q-Austauschgeschwindigkeit ist diagnostisch für einen obliga-torischen Ordered Bi Bi-Mechanismus, wo A der Bindung von B vorangeht und P

154 2 Enzymkinetik

Abb. 2.41. Bestimmung der Gleichgewichts-konstanten einer Reaktion durch Annäherungdes Substrat-Produkt-Verhältnisses P/A. Einervorgegebenen Mischung an A und P wird En-zym zugesetzt und die Richtung der Verände-rung verfolgt. Die Gleichgewichtslage ist bei�A bzw. �P=0 erreicht (nach Purich und Al-lison, 1980).

Abb. 2.42. Profile des Isotopenaustauschs fürverschiedene Mechanismen von Enzymreaktio-nen. H, hyperbol; HCD, hyperbol mit vollstän-diger Depression; HPD, hyperbol mit partiellerDepression; S, sigmoid; SCD, sigmoid mitvollständiger Depression; SPD, sigmoid mitpartieller Depression (nach Purich und Alli-son, 1980).

Page 165: Enzymkinetik (3. Auflage)

vor Q freigesetzt wird (Schema 2.130). Für den A�Q-Austausch ist es erforderlich,daß eine Enzymform vorliegt, an die die markierte Verbindung, also A�, bindenkann, was bei mittlerer Konzentration des B/P-Paares gegeben ist, die A�Q-Aus-tauschgeschwindigkeit nimmt zunächst zu. Bei hoher B/P-Menge jedoch verarmt diefür A� zugängliche Enzymspezies und die A�Q-Austauschgeschwindigkeit nimmtab (Abb. 2.42 HCD). Ein normales hyperboles Austauschprofil wird dagegen erhaltenfür den B �P-Austausch bei Erhöhung des Paares A/Q, da damit die für die Kombi-nation mit B� und P� erforderlichen Spezies EA und EQ vorherrschen.

Wegen der alternativen Wege beim Random Bi Bi-Mechanismus, wo A� sowohlan E wie auch an EB binden kann, verursacht hier ein Anstieg des B/P-Paares keineAbnahme der A�Q-Austauschgeschwindigkeit. Diese Aussage gilt aufgrund derSymmetrie bei diesem Mechanismus für alle möglichen Austausche. Ist beim Ran-dom-Mechanismus die Umwandlung der ternären Komplexe ineinander geschwindig-keitsbestimmend, dann ist für jeden Austausch die Geschwindigkeit gleich, andern-falls sind die Austauschraten unterschiedlich.

Eine Besonderheit des Ping-Pong-Mechanismus ist, daß ein Austausch bereits mitder halben Reaktion möglich ist, z. B. ein A�P-Austausch in Abwesenheit des B/Q-Paares (und umgekehrt):

�� � ��� �� �� �� � � ���� ������ ��

�� � � ��� ��� � � �� � � ���� ������ ��

Nach den Steady-State-Regeln gilt für die Austauschgeschwindigkeit der Teilreaktion(2.201 a) (A� ist die markierte Verbindung, es wird nur die Anfangsreaktion verfolgt,die Rückreaktion von P� zu EA� wird vernachlässigt):

A2.11 Isotopenaustausch 155

Tab. 2.5. Profile des Isotopenaustausches bei Ein- und Mehrsubstratreaktionen (nach Purich und Alli-son, 1980). H, hyperbol; HCD, hyperbol mit vollständiger Depression; L, linear.

Mechanismus Austausch Variables Substrat-Produkt-Paar

A-P B-P A-Q B-Q

Uni Uni A�P HOrdered Bi Uni A�B

B�PHH

HCDH

Random Uni BiRapid equilibrium

Alle H H

Ordered Bi Bi A�PB�PA�QB�Q

HHHCDHCD

HCDHHCDHCD

HHHH

HCDHHCDH

Theorell-Chance Bi Bi A�PB�PA�QB�Q

HHHCDHCD

HLHH

HHHH

HCDHHCDH

Random Bi Bi Alle H H H H

Page 166: Enzymkinetik (3. Auflage)

��������

� ��������� � ���� � ������� � � � ����

����� � ������������ � �

� �����

Die Geschwindigkeit der Austauschreaktion ist:

�� � ������ � ��� �

Durch Einsetzen für [EA�] ergibt sich:

�� � ������������� � �

�����

Erfolgt der Austausch in Abwesenheit von B und Q, so ist [E]0 = [E]+[E�]+[EA],

���� � �����������

� ���� � ��������������

���� � ��� �� ��������� �����������

� ������

�� � ������������� � ��

���� �����

���� �������������

� � � �����

Bei gleicher spezifischer Radioaktivität können [A�] und [A] gleichgesetzt werden.Die reziproke Form lautet:

�� ���� � ��������

��� ������� ����������

� �� �����

in Form der kinetischen Konstanten:

�� ����

����� ����

������� ��

��� �

� �����

Aus einem Diagramm von 1/�� gegen 1/[A] bei unterschiedlichen Mengen von [P] er-hält man Parallelen, deren Ordinatenschnittpunkte, in einem Sekundärdiagramm gegen1/[P] aufgetragen, eine Gerade mit dem Ordinatenschnittpunkt einer reziproken maxi-malen Austauschgeschwindigkeit ergeben: V�=k–1k2[E]0/(k–1+k2). Diese unterscheidetsich von V1 =k2k4[E]0/(k2+k4), der Maximalgeschwindigkeit der Hinreaktion des Ping-Pong-Mechanismus, wobei das Verhältnis von k–1 zu k4 ausschlaggebend ist. Sind beidegleich, so sind auch beide Maximalgeschwindigkeiten gleich, ist k–1 größer als k4, istdie Austauschgeschwindigkeit V�A �P größer als V1 und umgekehrt. Offensichtlich be-steht darüber hinaus kein direkter Zusammenhang zwischen diesen beiden Größen.

156 2 Enzymkinetik

Page 167: Enzymkinetik (3. Auflage)

Zwischen maximalen Anfangs- und Austauschgeschwindigkeiten besteht folgenderZusammenhang:

����� �

������ �

��� �

�� �����

in Form der Geschwindigkeitskonstanten:

��� � �����

� ��� � � ����

� � � � ���

� ��� � ���������

�����

d. h. alle vier Parameter müssen bekannt sein, um die Beziehung zwischen Aus-tauschrate und Anfangsgeschwindigkeit zu beurteilen. Daraus läßt sich auch allge-mein erkennen, daß es praktisch nicht möglich ist, aus Austauschexperimenten kineti-sche Parameter zu bestimmen. Eine der wenigen Ausnahmen ist gerade der Ping-Pong-Mechanismus. Für die Teilreaktion des A�P-Austausches in Abwesenheit vonB und Q hat die Steigung der Geraden im doppelt-reziproken Diagramm den WertKmA/V1, der Ordinatenschnittpunkt KmA/V1KiA(1+KiP[P]). Die Ordinatenschnittpunktegegen 1/[P] aufgetragen ergeben KmA/V1KiA als Ordinaten- und –1/KiP als Abszissen-schnittpunkte. Umgekehrt werden die Konstanten KmB, KiB und KiQ aus dem B�Q-Austausch in Abwesenheit von A und P erhalten.

Abortive Komplexe, d. h. nicht-produktive Enzymformen, beeinflussen und er-schweren die Analyse von Austauschdaten beträchtlich. Solche abortiven Komplexekönnen entstehen, wenn Liganden unter Bedingungen an das Enzym binden, unterdenen es seine Katalyse nicht ausführen kann. Ein Beispiel ist die Bindung von Pyru-vat und NAD+ an die Lactat-Dehydrogenase. Da beide Liganden bereits oxidiertsind, kann kein Wasserstofftransfer stattfinden.

2.11.2 Isotopeneffekte

2.11.2.1 Primärer kinetischer Isotopeneffekt

Isotopeneffekte werden dadurch verursacht, daß ein Isotop durch seine veränderteMasse die Umsatzrate einer Reaktion beeinflußt. Allerdings sind die Massendifferen-zen zumeist gering, wie bei 13C, das nur 8% schwerer ist als 12C. Die maximal zubeobachtenden Isotopeneffekte sind für 13C/12C =1,06, 15N/14N=1,04 und18O/16O=1,06. Dies erfordert eine hohe Präzision der Nachweismethode, z. B. derMassenspektroskopie. Beträchtliche Massenunterschiede von 100% bzw. 200% findensich aber zwischen Deuterium (D) bzw. Tritium (T) und Wasserstoff. Bei Reaktionen,in denen der Protonentransfer geschwindigkeitsbestimmend ist, beobachtet man inD2O eine deutliche Verlangsamung der Reaktionsgeschwindigkeit, das Verhältnis derGeschwindigkeitskonstanten kH/kD bewegt sich zwischen 2 und 15. Noch stärker istder Effekt mit Tritium, für das der Zusammenhang log (kH/kT ) =1,44 log (kH/kD)gilt. Allerdings kann praktisch nur D2O zu 100% eingesetzt werden, so daß jedesMolekül in einer homogenen Population reagiert, während in Reaktionen mit T2O

A2.11 Isotopenaustausch 157

Page 168: Enzymkinetik (3. Auflage)

nur eines von 1010 Molekülen als 3H vorliegt. Makroskopisch läßt sich damit eineReduzierung der Umsatzrate nicht erkennen, der Nachweis muß auf andere Weise ge-führt werden. Wird 3H z. B. in der LDH-Reaktion an Wasser abgegeben, so bildetsich 3H2O bei nicht geschwindigkeitsbestimmendem Protonentransfer (kH/kT =1) mitder gleichen spezifischen Radioaktivität wie das Substrat, bei kH/kT =10 dagegen nurzu einem Zehntel. Bei einem Umsatz von 1 mmol Lactat zu Pyruvat entstehen nur100 �mol 3H2O. Wasser kann vom Substrat aufgrund seiner Flüchtigkeit unterschie-den werden. Die Reaktion diskriminiert somit gegen die 3H-markierten Moleküle, sodaß die spezifische Radioaktivität der verbleibenden Substratmoleküle ansteigt.

Die Ursache für den Isotopeneffekt liegen im Energieunterschied der Nullpunkts-schwingungen. Während die schweren C-Atome fixiert sind, ist für die Frequenz derStreckschwingungen die Massendifferenz zwischen D und H ausschlaggebend. DieEnergie des Grundzustandes für die C-D-Bindung ist geringer als für die C-H-Bin-dung, während im Übergangszustand beide die gleiche Energie besitzen. Damit istdie Energiedifferenz zwischen Grund- und Übergangszustand für eine C-D-Bindunghöher als für eine C-H-Bindung. Die Aktivierungsenergie für die Spaltung einer C-D-Bindung ist um 4,8 kJ/mol höher als für eine C-H-Bindung. Das entspricht einemetwa siebenfachen Geschwindigkeitsunterschied.

Allgemein geht man davon aus, daß bei einer Reduzierung der Geschwindigkeitum den Faktor 2 bis 15 ein primärer kinetischer Isotopeneffekt vorliegt und die Spal-tung einer C-H-Bindung geschwindigkeitsbestimmend ist. Umgekehrt sagt die Abwe-senheit des Isotopeneffekts aus, daß die Spaltung der betreffenden Bindung nicht ge-schwindigkeitsbestimmend ist, auch wenn sie im Verlauf der Gesamtreaktion erfolgt.Bei Reduzierung der Geschwindigkeit um weniger als zwei ist der Protonentransfernur partiell geschwindigkeitsbestimmend, es existieren zwei oder mehr vergleichbarlangsame Schritte. Auch kann ein sekundärer Isotopeneffekt vorliegen (s.u.).

2.11.2.2 Einfluß des kinetischen Isotopeneffekts auf V und Km

Da sich der kinetische Isotopeneffekt in der Reduzierung der Geschwindigkeit des Pro-tonentransfers manifestiert, ist bei einer enzymkinetischen Reaktion vor allem die Ma-ximalgeschwindigkeit, weniger aber die Michaelis-Konstante betroffen. Dies läßt sicheinfach in einer doppelt-reziproken Auftragung von 1/� gegen 1/[A] überprüfen, wenndie Umsatzgeschwindigkeit in Abhängigkeit der Substratkonzentration sowohl mit nor-malem Wasserstoff wie in Gegenwart des Isotops gemessen wurde. Bei normalem Ver-halten ergeben sich Geraden, die aufgrund unterschiedlicher Maximalgeschwindigkei-ten verschiedene Ordinatenschnittpunkte, aber wegen der gleichen Michaelis-Konstan-ten einen übereinstimmenden Abszissenabschnitt haben. Für VH/VD >1 wird V ganzoder teilweise durch einen Schritt kontrolliert, der eine C-H-Spaltung beinhaltet. HoheVH/VD-Verhältnisse bis 8 werden selten beobachtet, zumeist finden sich VH/VD-Verhält-nisse zwischen 1,5 und 2,0. Diese relativ geringen Isotopeneffekte sind kaum durch ei-nen einzigen Schritt bestimmt. Eine hohe Energiebarriere kann durch mehrere kleineBarrieren ersetzt sein, wobei jeder Schritt teilweise geschwindigkeitsbestimmend ist.

Im Falle Km =Kd ist für die Michaelis-Konstante kein Isotopeneffekt zu erwarten,da der physikalische Bindungsschritt gegen Isotopenaustausch nicht sensitiv ist.

158 2 Enzymkinetik

Page 169: Enzymkinetik (3. Auflage)

Eventuell gibt es aufgrund der unterschiedlichen Größe von D und H einen steri-schen Isotopeneffekt, wenn das aktive Zentrum knapp bemessen ist. Auch sind Bin-dungen mit Deuterium etwas weniger polarisierbar als solche mit Wasserstoff. Wenndie Bildung des Übergangskomplexes mit der Entfernung eines Protons einhergeht,kann auch Km beeinflußt werden.

Zur Beschreibung des Isotopeneffekts müssen die in der einfachen Michaelis-Men-ten-Gleichung zusammengefaßten Schritte der Umwandlung von A in P und der Pro-duktablösung differenziert werden:

�� � ��� �� �� � !�� �� ����� ��

� ���� ����

Nach den Steady-State-Regeln (unter Bedingungen der Anfangsgeschwindigkeit wer-den k–2 und k–3 nicht berücksichtigt) läßt sich folgende Gleichung ableiten:

� ������������ � ��

���� � �������� � ��� � ���

�����

wobei V =k2k3[E]0/(k2+k3) und Km =(k–1+k2)k3/k1(k2+k3). Der Einfluß des Isotopenef-fekts hängt damit vom Verhältnis zwischen k2 und k3 ab. Für k2/k3 <1 bzw. k2�k3

wird V =k2[E]0 bzw. VH/VD= k2(H)/k2(D), der beobachtete nähert sich dem wahren Iso-topeneffekt. Für k2/k3 >1 bzw. k2k3 wird die Produktfreisetzung geschwindigkeits-bestimmend und wegen

�&

�'� ��&����'� � �����'����&� � ��� �

wird ein vorhandener Isotopeneffekt unterdrückt.Das Verhältnis der kinetischen Konstanten ist nach Gl. (2.213):

��� ���������� � �

� ��� �

Dieses wiederum ins Verhältnis der Isotopen gesetzt ergibt:

��

� �&

#

��

� �'

� ��&����� � ��'����'����� � ��&�� �

��&���'�

�� ��'����

�� ��&����

���

��� � �����

Der apparente Isotopeneffekt hängt umgekehrt vom Verhältnis k2/k–1 ab. Für k2�k–

geht Gl. (2.215) gegen k2(H)/k2(D), der Isotopeneffekt ist voll ausgeprägt. Für k2k-1

wird er dagegen unterdrückt, da (k2(H)/k2(D))/(k2(D)/k2(H)) =1 ist. Unter dieser Bedin-

A2.11 Isotopenaustausch 159

Page 170: Enzymkinetik (3. Auflage)

gung ist die Katalyse deutlich schneller als der Zerfall des ES-Komplexes in E+S.Daher kann sich ein Isotopeneffekt nicht manifestieren.

In vielen enzymatischen Reaktionen sind die Auswirkungen auf V und V/Km iden-tisch. In diesen Fällen ist Km für nicht markierte und für deuterierte Substrate gleich.Nur wenn Km für das deuterierte Substrat verändert ist, sind auch die Isotopeneffekteauf V und V/Km verschieden.

2.11.2.3 Andere Isotopeneffekte

Ein sekundärer kinetischer Isotopeneffekt liegt vor, wenn eine Reaktion durch eineisotopensubstituierte C-H-Bindung in �-Stellung beeinflußt wird, die im Verlauf derReaktion selbst nicht gespalten wird. Eine Ursache für diesen Effekt ist eine Ände-rung in der Hybridisierung. Ein im Grundzustand tetraedrisches, sp3-hybridisiertesKohlenstoffatom geht in einen dem Carbonium-Ion entsprechenden Übergangszu-stand mit planarer sp2-Anordnung über. Der Ersatz einer C-H- durch eine C-D-Bin-dung reduziert die Frequenzen der Deformationsschwingungen. Das Substrat mit ei-ner C-H-Bindung kann das sp2-Intermediat besser bilden als mit einer C-D-Bindung.Ein Verhältnis von kH/kD =1,38 ist zu erwarten, beobachtet werden Verhältnisse von1,02–1,40. Damit ist der sekundäre Isotopeneffekt deutlich geringer als der primäreund gut zu identifizieren. Ein sekundärer Isotopeneffekte wurde beispielsweise fürdie Dehydratisierung von Malat in der Fumarasereaktion beobachtet.

Auch in seiner Eigenschaft als Lösungsmittel kann D2O die Enzymreaktion beein-flussen. Die Änderung der Protonenkonzentration in D2O gegenüber H2O und die da-mit veränderte Ionisation bei Substraten und Enzymen kann sich auf die Funktionali-tät auswirken. In D2O ändert sich der mit Standardpuffer eingestellte pH-Wert:pD=pH+0,4. Die meisten Säuren sind in D2O drei- bis fünfmal schwächer als inWasser, entsprechend einer pK-Differenz von 0,5–0,7. Auch Zahl und Stärke vonWasserstoffbindungen und hydrophoben Wechselwirkungen verändern sich. D2O ist23% viskoser als H2O, die O-D-Bindung ist um 0,004 nm kürzer ist als die O-H-Bin-dung. Es ergeben sich somit Änderungen in der Polarisierbarkeit und der Lösungs-mittelstruktur, die auch die Enzymstruktur beeinflussen können.

2.12 Anwendung statistischer Methodenin der Enzymkinetik

2.12.1 Allgemeine Bemerkungen

Auswertung von Meßdaten und Interpretation von Kurvenverläufen in unterschiedlichenDiagrammen nehmen in der Enzymkinetik einen breiten Raum ein. Daher ist die An-wendung statistischer Verfahren unerläßlich. Im Rahmen dieses Buches kann daraufnicht ausführlich eingegangen werden und es sei auf Fachbücher der Statistik verwie-sen. Hier werden nur spezielle Probleme der Enzymkinetik bei der Anwendung statisti-scher Verfahren angesprochen und einige Regeln für diesen Bereich zusammengefaßt.

160 2 Enzymkinetik

Page 171: Enzymkinetik (3. Auflage)

Enzymuntersuchungen verlangen vielfach ein besonderes Vorgehen, das die An-wendung statistischer Regeln erschwert. Um Kurvenverläufe zuverlässig zu interpre-tieren und Parameter, wie Gleichgewichts- und Michaelis-Konstanten, zu ermitteln,wären grundsätzlich Mehrfachbestimmungen zur Absicherung der Meßdaten erforder-lich. Andererseits sind Enzyme in verdünnten Lösungen bei Enzymtests häufig insta-bil, so daß sich die Bestimmung zusammenhängender Meßreihen oft als ein Wettlaufmit der Zeit gestaltet, was folgendes Beispiel verdeutlichen soll. Zur Analyse vonHemm- oder Mehrsubstratmechanismen sind Meßreihen bei Variation eines Parame-ters (Substrat) unter Konstanthaltung eines zweiten (Cosubstrat, Hemmstoff) durchzu-führen. Für zehn Konzentrationswerte pro Meßreihe und insgesamt 5 Meßreihen zurVeränderung des zweiten Parameters resultieren 50 Messungen. Bei einer Dauer vonfünf Minuten pro Messung beträgt die reine Meßzeit bereits für Einzelbestimmungenmehr als vier Stunden, bei Dreifachbestimmungen sind es über zwölf Stunden. Ver-liert das Enzym innerhalb von 20 Stunden die Hälfte seiner Aktivität, so unterschei-det sich der erste vom letzten Wert bei Einfachbestimmungen um 14%, bei Dreifach-bestimmungen gar um 35%. Der durch Aktivitätsverlust bedingte Fehler ist damitweitaus größer als der Gewinn an statistischer Absicherung durch Mehrfachbestim-mungen. Durch Zubereitung neuer Enzympräparate bzw. Enzymverdünnungen inner-halb einer Meßreihe lassen sich die ursprünglichen Aktivitätsverhältnisse nur schwerreproduzieren, nachträgliche Messungen passen kaum in die Serie. In solchen Fällenist es oft vorteilhafter, in Einfachbestimmungen gewonnene Ergebnisse durch unab-hängige Wiederholungsmessungen zu überprüfen.

Die in der Enzymkinetik verwendeten Diagramme dienen in erster Linie dazu, diefür das System angenommene Gesetzmäßigkeit, wie z. B. die Michaelis-Menten-Glei-chung, zu bestätigen oder auszuschließen. Beurteilt wird dies danach, inwieweit dieMeßwerte dem durch die Gesetzmäßigkeit vorgegebenen Kurvenverlauf gehorchen.Aufgrund der Fehlerstreuung werden allerdings die wenigsten Werte genau auf der an-genommenen Kurve liegen und so ist zu entscheiden, ob die Abweichungen tatsächlichnur fehlerbedingt sind oder eine andere als die angenommene Gesetzmäßigkeit vorliegt.Eine normale Fehlerstreuung soll über den gesamten Bereich um die eigentliche Funk-tion als Mittelwert nach oben und unten gleich verteilt sein (konstanter absoluter Feh-ler). Dies läßt sich durch Residualdiagramme überprüfen, bei denen die Abweichungjedes Meßwerts von der angenommenen, durch ein Regressionsverfahren ermittelten,Funktion (z. B. hyperbole Kurve einer Michaelis-Menten-Kinetik) gegen die unabhän-gige Variable (z. B. Substratkonzentration) aufgetragen wird (Abb. 2.43). Die Punktemüssen gleichmäßig um eine Mittellinie verteilt sein. Eine systematische Abweichungliegt vor, wenn die Punkte nach einer bestimmten Richtung von der Mittellinie abdrif-ten. Sie kann ihre Ursache in einer artifiziellen Beeinflussung der Messung oder einemanderen Mechanismus haben. Ein relativer Fehler liegt vor, wenn die Fehler zwargleichmäßig um die Mittellinie schwanken, sich aber ihr Ausmaß nach einer bestimm-ten Richtung verändert (z. B. der Fehler nimmt mit der Größe des Meßsignals zu). Da-mit kann zwar der angenommene Mechanismus bestätigt werden, bei der Kurvenanpas-sung ist jedoch eine geeignete Gewichtung zu berücksichtigen. Normale Regressions-verfahren gehen von einer gleichartigen Fehlerverteilung, also einem konstanten abso-luten Fehler, aus. Residualdiagramme sind besonders bei nicht-linearen Kurvenverläu-fen hilfreich, wo systematische Abweichungen mit dem Auge schwer erkennbar sind.

A2.12 Anwendung statistischer Methoden in der Enzymkinetik 161

Page 172: Enzymkinetik (3. Auflage)

Durch geeignete statistische Verfahren, wie dem W-Test nach Shapiro-Wilks oder demStudent- oder t-Test lassen sich Ausreißer in der Meßreihe erkennen bzw. die Signifi-kanz der Meßdaten beurteilen. Der Korrelationskoeffizient zeigt die Übereinstimmungder Daten mit dem zugrundegelegten Kurvenverlauf.

Die Anwendung statistischer Methoden ist prinzipiell anzuraten, da sie die Gefahreiner subjektiven Beurteilung und Interpretation der Ergebnisse vermindern. Doch ha-ben auch diese Verfahren ihre Grenzen und bedürfen der kritischen Beurteilung. Beienzymkinetischen Messungen werden Mechanismen, z. B. bei Hemmungen undMehrsubstratreaktionen, vielfach über das Muster von Geradenscharen in linearisier-

162 2 Enzymkinetik

Abb. 2.43. Residualdiagramme (C, D, F) aus Darstellungen der Abhängigkeit der Umsatzrate von derSubstratkonzentration (A, B, E). A, C) Konstanter absoluter Fehler (� = konstant); B, D) konstanterrelativer Fehler (�/� = konstant); E, F) Anpassung einer sigmoiden Sättigungsfunktion an eine hyper-bole Kurve.

Page 173: Enzymkinetik (3. Auflage)

ten Diagrammen (gemeinsame Schnittpunkte, Parallelen) identifiziert. Daß aus streu-enden Werten mittels Regressionsverfahren gewonnene Geraden innerhalb einer Meß-serie ausnahmslos die gleichen Steigungen aufweisen oder exakt auf einen gemeinsa-men Schnittpunkt treffen, ist eher unwahrscheinlich und – streng genommen – lassensich solche Mechanismen nach statistischen Regeln überhaupt nicht nachweisen. Mankann zwar an die Regressionsanalyse die Vorgabe stellen, Parallelen oder gemeinsa-me Schnittpunkte für die geringste Abweichung aller Meßwerte zu suchen, dochwird damit der Mechanismus bereits vorgegeben. Abbildung 2.44 zeigt zwei, ausPraktikumsprotokollen entnommene, Beispiele unkritischer Anwendung linearer Re-gressionsverfahren. Das Ziel experimenteller Arbeit sollte es sein, die Meßwerte ineiner Güte zu erhalten, daß das Ergebnis auch ohne statistische Analyse offenkundigist.

Vor der Anwendung statistischer Verfahren sollte daher auf folgende Punkte ge-achtet werden:

1. Ist das Verfahren den vorliegenden Daten angemessen?2. Lassen sich die Daten durch andere Gesetzmäßigkeiten vergleichbar gut anpas-

sen?3. Zeigen die Daten Abweichungen in bestimmte Richtungen, die durch normale

Fehlerverteilung nicht erklärbar sind?4. Sind artifizielle Einflüsse auszuschließen?

A2.12 Anwendung statistischer Methoden in der Enzymkinetik 163

Abb. 2.44. Unkritische Anwendung linearer Regressionen (aus Praktikumsprotokollen). A) Sekundär-auftragung einer Bisubstratreaktion (m, Steigung), B) Stockell-Diagramm (Korr, Korrelationskoeffizi-ent).

Page 174: Enzymkinetik (3. Auflage)

2.12.2 In der Enzymkinetik gebräuchliche statistische Begriffe

Arithmetisches Mittel: Der Mittelwert � ist die Summe aller Meßwerte xi geteiltdurch deren Anzahl n:

� ���$��

�$

�� �����

Median: Mittlerer Meßwert einer Meßreihe, wenn die Werte ihrer Größe nach geord-net sind, bei ungerader Zahl von Meßwerten: x(n+1/2), bei gerader Zahl der Mittelwertder beiden mittleren Meßwerte: (xn/2 + x(n/2+1))/2.

Mode: Der am häufigsten vorkommende Wert einer Meßreihe.

Varianz: Mittlere Summe der Fehlerquadrate:

�( �

��$����$ � ��

�� �����

Standardabweichung: Positive Quadratwurzel der Varianz (engl. root mean squaredeviation, RMS).

�( �

�������������������������$����$ � ��

����� �����

Standardabweichung des Mittelwerts:

�( � �(����� � �����

Lineare Regression: Anpassung von Meßpunkten an eine Gerade nach der Methodeder kleinsten Fehlerquadrate. Es wird nur der Fehler der abhängigen Variablen y be-rücksichtigt (� bei enzymkinetischen Messungen). Die unabhängige Variable x (z. B.Substratkonzentration) wird als fehlerfrei angesehen.

%� � �� ��� � ����

Der Ordinatenschnittpunkt a ist

� ��

�$�

%$ ��

�$�

�$%$

��

�$ ��

�$� � � ����

164 2 Enzymkinetik

Page 175: Enzymkinetik (3. Auflage)

Die Steigung bzw. der Regressionskoeffizient b ist

� � ��

�$%$ ��

�$�

%$

��

�$ ��

�$� � � ���

Standardabweichung der y-Werte:

�)

����������������������������������������������

��

�$���%$ � �� ��$�

�� ����

Korrelationskoeffizient:

� ����$ � ���%$ � %�����������������������������������������������$ � ����%$ � %�

� � �� �

Nicht-lineare Anpassung der Michaelis-Menten-Gleichung nach der Methode derkleinsten Fehlerquadrate (nach Cornish-Bowden, 1984):

�� �� ��

�����

�� �� �

�����

��

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����

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����

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����

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� �

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����

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� ��

����� ��

����

� ����

A2.12 Anwendung statistischer Methoden in der Enzymkinetik 165

Page 176: Enzymkinetik (3. Auflage)

2.13 Literatur

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168 2 Enzymkinetik

Page 179: Enzymkinetik (3. Auflage)

3 Methoden

Eine strenge Einteilung von Methoden in solche zur Bestimmung von Bindungsgleich-gewichten und in kinetische Methoden ist kaum möglich. Vielfach enthält das gleicheVerfahren Aussagen zu beiden Bereichen, insbesondere bei optischen Methoden. Auchunter den Techniken zur Messung schneller Reaktionen finden sich kinetische Metho-den, wie Flußmethoden, neben Verfahren zur Bestimmung von Gleichgewichten, wiedie Relaxationsmethoden. Andererseits sind mit Hilfe solcher Verfahren auch weiterge-hende Untersuchungen zu Struktur und Konformation von Biomolekülen möglich, wäh-rend andere Methoden, wie die EPR-, Raman- und IR-Spektroskopie, nur sehr begrenztin der Enzymkinetik Anwendung finden. Hier werden diejenigen Methoden vorgestellt,mit denen Aussagen für zumindest einen der bisher behandelten Bereiche möglich sind.Auch werden Verfahren angesprochen, mit Hilfe derer wichtige ergänzende Informatio-nen gewonnen werden, wie Struktur und Konformationsänderungen von Makromolekü-len. Zunächst werden Methoden vorgestellt, die vorzugsweise dem Studium multiplerGleichgewichte dienen, anschließend enzymkinetische Methoden und schließlich,nach apparativen Gesichtspunkten gegliedert, Techniken mit breiteren Anwendungsbe-reichen. Es sei darauf verwiesen, daß enzymkinetische Methoden im engeren Sinne imwesentlichen auf Enzymtests beruhen, wie sie in der Enzymanalytik Anwendung findenund in der entsprechenden Literatur ausführlich behandelt werden (z. B. Bergmeyer,1983). Daher werden hier die für die Enzymkinetik wichtigen Besonderheiten betont.Auf experimentelle Vorgehensweisen wurde bereits in Kapitel 2 hingewiesen.

3.1 Methoden zur Bestimmungmultipler Gleichgewichte

Die besondere Schwierigkeit von Experimenten zum Studium von Gleichgewichten be-ruht auf dem Umstand, daß im Unterschied zu chemischen oder enzymkatalysiertenUmsätzen keine stabilen, vom Substrat verschiedenen Produkte entstehen, sondern loseAssoziationsverbindungen, die nur im Gleichgewicht mit den freien Komponenten be-ständig sind. Jede Störung, beispielsweise durch Veränderung von Konzentrationen derReaktionspartner, Temperatur oder pH-Wert, bewirkt eine sofortige Gleichgewichtsver-schiebung. Würde man versuchen, Enzym-Ligand-Komplexe durch konventionelleTrennmethoden, wie Gelfiltration, zu isolieren, so zerfiele der Komplex sofort währenddes Trennverfahrens und man erhielte nur die getrennten Komponenten. Die Methodenmüssen daher so angelegt werden, daß die quantitative Bestimmung sowohl der freienKomponenten wie des Assoziationskomplexes im ungestörten Gleichgewicht möglich ist.

Ein weiteres Problem besteht darin, einen geeigneten Meßeffekt zu finden. Zweimögliche Meßgrößen werden ausgenutzt: 1. die Größendifferenz zwischen dem zu-

Enzymkinetik: Theorie und Methoden, 3. Auflage. Hans BisswangerCopyright © 2000 WILEY-VCH Verlag GmbH, WeinheimISBN: 3-527-30096-1

Page 180: Enzymkinetik (3. Auflage)

meist niedermolekularen freien Liganden und dem, die Größe des Makromolekülsannehmenden, gebundenen Liganden; 2. spektroskopische Veränderungen durchWechselwirkung zwischen Ligand und Makromolekül. Diese sind meist geringfügigund müssen durch spezielle Verfahren herausgearbeitet werden. Für ein bestimmtesSystem muß die geeignetste Methode gefunden werden. Nicht jedes Verfahren istgleichermaßen brauchbar und erzeugt ein erkennbares Meßsignal. Zuverlässige Aus-sagen erfordern vielfach Kombinationen mehrerer Verfahren.

Bindungsmessungen benötigen, im Gegensatz zu enzymkinetischen Bestimmun-gen, große Mengen Makromolekül bzw. Enzym, um die zumeist sehr geringen Meß-effekte, die direkt von der Makromolekülkonzentration abhängen, sichtbar zu ma-chen. Auch fungiert hier das Makromolekül nicht als Katalysator, sondern nebendem Liganden als gleichberechtigter Reaktionspartner, dessen Konzentration mög-lichst im Bereich der Dissoziationskonstanten Kd eingesetzt werden sollte. Wird bei-spielsweise eine Makromolekülkonzentration von 0,1 mg/ml verwendet (bei einer an-genommenen Molekülmasse von 100000 eine molare Konzentration von 1·10–6 M),so ergibt sich nach dem Massenwirkungsgesetz bei vergleichbarer Ligandenkonzen-tration und einer angenommenen Dissoziationskonstanten von Kd =1·10–4 M:

�� � ���������� �� � ���� � � � ����

� � ���� � � � ���� �

Nur ein Prozent des eingesetzten Liganden (1·10–8 M) ist gebunden und neben demhundertfachen Überschuß an freiem Liganden kaum erfaßbar. Eine Erhöhung der Li-gandenkonzentration um den Faktor 100 zur weiteren Absättigung des Makromole-küls steigert zwar die absolute Menge des Aggregationskomplexes (mit 1·10–4 M istHalbsättigung erreicht), verringert aber das Verhältnis des gebundenen zum freien Li-ganden auf 0,5%:

�� � ���������� � � ���� � � � ����

� ���� � � � ���� �

Erst eine zusätzliche Erhöhung des Makromoleküls in vergleichbarer Menge bringteine signifikante Steigerung der Konzentration des Aggregationskomplexes auf 50%der freien Ligandenkonzentration:

�� � ���������� �� � ���� � � � ����

� � ���� � � � ���� �

Die Gesamtkonzentration des Makromoleküls ist damit auf 2·10–4 M�20 mg/ml, das200fache der ursprünglich eingesetzten Menge, angewachsen.

170 3 Methoden

Page 181: Enzymkinetik (3. Auflage)

3.1.1 Gleichgewichtsdialyse und allgemeine Aspektevon Bindungsmessungen

3.1.1.1 Prinzip der Gleichgewichtsdialyse

Die Gleichgewichtsdialyse ist ein zuverlässiges Verfahren zur Bestimmung von Bin-dungsgleichgewichten, das, wie der Name besagt, auf dem Dialyse-Prinzip beruht.Eine semipermeable Membran, die aufgrund ihres Porendurchmessers nur für nieder-molekulare Liganden durchlässig ist, unterteilt ein Gefäß in eine äußere Dialysekam-mer für die Ligandenlösung und eine innere Dialysekammer für die Makromoleküllö-sung (Abb. 3.1). Eine einfache aber wenig exakte Vorrichtung ist ein Dialyse-schlauch, der in eine Lösung taucht. Der Ligand diffundiert von der äußeren Kam-mer in die Makromoleküllösung der inneren Kammer, bis seine Konzentration in bei-den Kammern gleich ist. Bindet der Ligand zusätzlich an das Makromolekül, so wirdder gebundene Anteil dem Dialyse-Gleichgewicht entzogen und es strömt solange Li-gand aus der äußeren Kammer nach, bis die freien Anteile des Liganden in beidenKammern ausgeglichen sind. Nach Einstellen des Dialyse-Gleichgewichts entsprichtdamit die Konzentration des Liganden in der äußeren Kammer [A]a der Konzentrati-on des freien Liganden [A] im Assoziationsgleichgewicht der inneren Kammer:

���� � ��� �

Da sich die Ligandenkonzentration in der inneren Kammer [A]i aus den Anteilen anfreiem und gebundenem Liganden [A]geb zusammensetzt:

��� � ��� � ������ �

ergibt sich der gebundene Ligand aus der Konzentrationsdifferenz beider Kammern:

������ � ��� � ���� �

A3.1 Methoden zur Bestimmung multipler Gleichgewichte 171

Abb. 3.1. Prinzip der Gleichgewichtsdialyse. Diekleinen Ligandenmoleküle passieren frei die semi-permeable Membran und verteilen sich gleich aufbeide Kammern, binden aber zusätzlich an das Ma-kromolekül, das die innere Kammer nicht verlassenkann.

Page 182: Enzymkinetik (3. Auflage)

Nach der Dialyse können durch Probenahme aus beiden Kammern die aktuellen Ligan-denkonzentrationen analysiert und [A] und [A]geb ermittelt werden. Zur Auswertungvon Bindungsexperimenten ist es erforderlich, Versuche bei unterschiedlichenLigandenkonzentrationen unter Konstanthaltung der Makromolekülkonzentrationdurchzuführen. Die Ligandenkonzentration soll sich möglichst an der Größe der zu er-wartenden Dissoziationskonstanten orientieren (vorteilhaft im Bereich einer Zehnerpo-tenz über und unter dieser).

Gegenüber anderen Bindungsmethoden hat die Gleichgewichtsdialyse den Vorteil,daß [A] und [A]geb direkt aus der Gleichgewichtsmischung nach dem Experiment er-halten werden können, während sie bei anderen Verfahren aus der Differenz zum ins-gesamt eingesetzten Liganden [A]0 = [A]+[A]geb zu errechnen sind. Dadurch entfallenFehlermöglichkeiten durch Verluste des eingesetzten Liganden infolge unspezifischerBindungen an Kammerwände oder Membran. Ein Nachteil besteht allerdings darin,daß der eigentliche Meßwert [A]geb nur als Differenz der Meßwerte beider Kammernerhalten wird. Fehler in der Bestimmung von [A] in der äußeren Kammer übertragensich zwangsläufig auch auf [A]geb. Dieser Umstand bedingt nicht nur eine relativstarke Fehlerstreuung, sondern führt auch dazu, daß die Methode nur im Bereichmittlerer Bindungskonstanten (Kd�10–7–10–3 M) zuverlässig arbeitet. Bei schwäche-ren Bindungen, wo der Anteil an freiem Liganden im gesamten Meßbereich hoch ist,geht der geringfügige Anteil der Bindung bereits in der Fehlerschwankung von [A]unter, bei sehr starken Bindungen umgekehrt der von [A] in der Schwankung von[A]geb (Abb. 3.2).

Um kostbares Makromolekül zu sparen, arbeitet man zwar mit konzentrierten Lö-sungen, aber mit geringen Volumina. Dies erfordert sehr empfindliche Nachweisme-thoden für den Liganden, zumeist ist dieser radioaktiv markiert. So entscheidet viel-fach auch der Umstand, ob der Ligand in dieser Form erhältlich oder darstellbar ist,über die Anwendbarkeit der Methode. Zur Handhabung der geringen Testvoluminawurden spezielle Apparaturen entwickelt (Myer et al., 1962; Englund et al., 1969).Die Dialysekammern werden durch Bohrungen in Kunststoff- oder Teflonzylinder ge-fräst (Abb. 3.3). Breite und Tiefe der Bohrungen bestimmen das Testvolumen (z. B.100 �l). Zwei solcher Zylinder bilden eine Dialysezelle, indem sie mit ihren Öffnun-gen flüssigkeitsdicht aufeinander gepreßt werden, wobei zwischen ihnen eine Dialy-semembran gespannt ist. Senkrechte, mit Stopfen verschließbare Kanäle erlauben Fül-len und Entleeren beider Kammern. Zur Bestimmung von Konzentrationsabhängig-

172 3 Methoden

Abb. 3.2. Verhältnis zwischen Meßgrößen und Feh-lerschwankungen bei der Gleichgewichtsdialyse. Diejeweils linken Balken repräsentieren die Meßwerteder äußeren Kammer (freier Ligand), die rechtenBalken die der inneren Kammer (freier und gebun-dener Ligand). Darüber sind die Fehlerbalken ange-zeigt.

Page 183: Enzymkinetik (3. Auflage)

keiten benötigt man 10–20 Zellen, die in eine sich gleichmäßig drehende Halterungeingespannt werden. Aufgrund der Temperaturabhängigkeit der Gleichgewichtskon-stanten, die im physiologischen Temperaturbereich (z. B. 37�C) bestimmt werdensoll, ist eine Temperierung durch Eintauchen der Zellen in ein Wasserbad erforder-lich. Als semipermeable Membranen dienen Ultrafiltrationsmembranen aus unter-schiedlichen Materialen und mit verschiedenen Porendurchmessern. Auch die ausCellulose bestehenden, stabilen Dialyseschläuche (aufgeschnitten, in einfacher Lage)eignen sich. Sie haben für Proteine eine Ausschlußgrenze von ca. 15 000.

Zur Durchführung eines Dialyseexperiments wird eine konstante Menge desMakromoleküls in jeweils eine der beiden Dialysekammern eingefüllt, in die anderekommt die Ligandenlösung in unterschiedlicher Konzentration. Zur Verkürzung derDialysezeit wird auch empfohlen, eine Mischung beider Komponenten in eine derKammern zu geben und gegen eine Pufferlösung zu dialysieren. Allerdings bestehthier die Gefahr, daß ein unvollständiger Ausgleich infolge zu kurzer Dialysezeit alsBindung gewertet wird. Nach Einstellung des Dialysegleichgewichts werden genauabgemessene Proben aus allen Kammern entnommen und darin die Ligandenkonzen-tration z. B. durch Szintillationszählung bestimmt. Zur Auswertung eignet sich beson-ders das Diagramm nach Scatchard (Abschnitt 1.3.2.1), aus dem die Bindungskon-stante, die Zahl der Bindungsstellen und gegebenenfalls abweichende Mechanismenentnommen werden können.

3.1.1.2 Kontrollexperimente und Fehlerquellen

Dialysezeit. Die Dauer der Dialyse muß einen vollständigen Ausgleich des Ligandenzwischen beiden Kammern garantieren. Dies hängt von verschiedenen Parametern ab,wie Größe, Ladung und Polarität des Liganden, Material und Porengröße der Mem-

A3.1 Methoden zur Bestimmung multipler Gleichgewichte 173

Abb. 3.3. Gleichgewichtsdialyseapparatur mit Doppelzelle. a) äußere Kammern, i) innere Kammern,b) Dialyseblock, d) Dichtungsstopfen, e) Einfüllkanäle, m) Dialysemembran, h) Halterung, s) Fest-stellschrauben. Die Zelle kann so dimensioniert werden, daß das Füllvolumen der einzelnen Kam-mern nicht mehr als 30 �l beträgt (nach Englund et al. 1969).

Page 184: Enzymkinetik (3. Auflage)

bran, Dimension der Kammer, wirksame Membranoberfläche, Bewegung der Dialyse-zellen und Temperatur. Andererseits sind Enzyme äußerst empfindlich gegenüber län-gerfristiger Dialyse, vor allem bei erhöhten Temperaturen, so daß die Dialyse nichtlänger als unbedingt nötig dauern soll. Zur Ermittlung der optimalen Dialysezeitwird in eine der Kammern eine Ligandenlösung in einer mittleren Konzentration ein-gefüllt und gegen eine Pufferlösung in der anderen Kammer dialysiert. Zu bestimm-ten Zeiten werden aus den beiden Kammern Proben entnommen und darin die Liga-ndenkonzentration gemessen. Zur Zeit t =0 enthält die Ligandenkammer noch die ur-sprüngliche Konzentration, die andere noch keinen Liganden. Mit dem Fortschreitender Dialyse gleichen sich beide Werte in exponentieller Weise einander an und tref-fen sich schließlich beim mittleren Konzentrationswert (Abb. 3.4). Zur Sicherstellungdes Ausgleichs wird für das eigentliche Dialyseexperiment eine etwas längere Ge-samtzeit gewählt.

Konzentrationsbestimmungen. Die Zuverlässigkeit der erhaltenen Ergebnisse hängtvon der Genauigkeit der Konzentrationsbestimmung sowohl des niedermolekularenLiganden wie des Makromoleküls ab. Letzteres muß in molaren Einheiten angegebenwerden, d. h. es müssen Proteingehalt und Molekulargewicht bekannt sein. Hinsicht-lich des Proteingehalts ist zu beachten, daß die üblichen Verfahren zur Proteinbestim-mung auf ein Standardprotein (z. B. Serumalbumin) geeicht sind, von dem andereProteine wesentlich abweichen können, so daß eine Absolutbestimmung des Protein-gehalts unumgänglich ist.

Stabilität der Reaktionspartner. Durch Gehaltsbestimmung vor und nach der Dialyseist sicherzustellen, daß sich die Reaktionspartner während des Versuchs nicht verän-dern. Ligandenmoleküle könnten spontan zerfallen, bei Enzymsubstraten ist mit ei-nem katalytischen Umsatz zu rechnen. Letzterer läßt sich zwar durch Entfernung es-sentieller Faktoren, Cosubstrate, Coenzyme und Metallionen unterbinden, doch kön-nen bei den außerordentlich hohen Enzymkonzentrationen und der langen Dialyse-dauer bereits Spuren solcher Komponenten einen erheblichen Umsatz verursachen.Zur Vermeidung solcher Effekte werden inaktive Substratanaloga eingesetzt, die al-lerdings gegenüber dem eigentlichen Substrat ein verändertes Bindungsverhalten be-

174 3 Methoden

Abb. 3.4. Bestimmung der minima-len Dialysezeit. Der Ligand befindetsich zur Zeit t =0 nur in der rechtenDialysekammer (100%) und verteiltsich zeitabhängig auf beide Kam-mern. Die minimale Zeitdauer einesGleichgewichtsdialyseversuchs ent-spricht derjenigen Zeit, in der sichdie Konzentrationen in beiden Kam-mern gerade annähern.

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sitzen. Ligandenverlust, z. B. durch Adsorption an Membran und Kammerwände, istbei diesem Verfahren weniger störend, da die Ausgangsmenge [A]0 nicht in die Be-rechnung eingeht, sondern die aktuellen Konzentrationen bestimmt werden.

Auch das Makromolekül kann während des Versuchs Veränderungen erleiden odergar denaturieren, was die Ligandenbindung beeinträchtigt oder ganz verhindert. BeiEnzymen läßt sich der Erhalt der nativen Struktur durch Aktivitätstests vor und nachdem Versuch überprüfen. Bei Proteinen und anderen Makromolekülen müssen zumin-dest Gehaltsbestimmungen durchgeführt werden, die jedoch nichts über Funktionali-tät aussagen. Im Gegensatz zum Liganden wird das Makromolekül in seiner Konzen-tration während des Versuchs als unverändert angesehen, partielle Verluste durch De-naturierung oder Adsorption an Kammerwänden müssen erfaßt und in der Auswer-tung berücksichtigt werden.

Osmotischer Druck und Donnan-Effekt. Die semipermeable Dialysemembran hält dasMakromolekül in einer Kammer, so daß gegen die Ligandenkammer ein Konzentrati-onsgefälle besteht. Zum Ausgleich strömt Lösungsmittel von der Kammer des Ligan-den in die Kammer des Makromoleküls. Es baut sich ein osmotischer Druck auf, dieflexible Dialysemembran wölbt sich nach außen und die Makromoleküllösung wirdverdünnt. Durch Konzentrationsbestimmungen des Makromoleküls vor und nach demVersuch kann dieser Effekt korrigiert werden, aufgrund der relativ geringen Makro-molekülmengen ist er jedoch zumeist gering.

Störender sind dagegen die Auswirkungen des 1876 von W. Gibbs erkannten und1911 von F.G. Donnan formulierten Ionengleichgewichts (Donnan-Effekt, Gibbs-Donnan-Gleichgewicht). Es besagt, daß die chemischen Potentiale der Kationen undAnionen der inneren (�i

KA) und äußeren (�aKA) Kammer gleich sein müssen:

� �� � ��� � �����

Proteine und andere Makromoleküle tragen an ihrer Oberfläche eine große Zahl vonLadungen, wobei sich positive und negative Ladungen gegenseitig kompensieren. Da-bei verbleibt eine durch das Makromolekül selbst nicht neutralisierte Überschußla-dung. Da diese in der Ligandenkammer keine Entsprechung hat, verteilen sich diefrei penetrierenden Ionen zur Aufrechterhaltung von Gl. (3.1) in ungleicher Weisezwischen beiden Kammern. Ist der Ligand selbst geladen, unterliegt er ebenfalls die-ser Ungleichverteilung. Tragen sowohl der Ligand wie die Überschußladungen desMakromoleküls das gleiche Vorzeichen, wird der Ligand aus der inneren Kammerverdrängt, der Anteil an spezifischer Bindung verringert sich dadurch scheinbar. Un-terscheiden sich beide Vorzeichen, so bewirkt dies eine Anreicherung des Ligandenin der Makromolekülkammer unter Vortäuschung bzw. Verstärkung einer Bindung.Damit kann der Donnan-Effekt die Ergebnisse eines Gleichgewichtsdialyse-Versuchserheblich verfälschen.

Für die chemischen Potentiale von Anionen ([Ai], [Aa]) und Kationen ([Ki], [Ka])der inneren und äußeren Kammer gelten die Beziehungen:

� �� � �� �� � �� ���� ��� � � �����

A3.1 Methoden zur Bestimmung multipler Gleichgewichte 175

Page 186: Enzymkinetik (3. Auflage)

���� � ����� � �� ���������� � �����

Die Standardpotentiale �� �� und ����� können als identisch angesehen werden. Damitergibt sich durch Einsetzen in Gl. (3.1):

�� ��� � � �������� � �� ����� �

�� ����� � �����

Die Verhältnisse der Kationen und Anionen zwischen beiden Kammern sind gleich.Aufgrund der Elektroneutralität muß in jeder Kammer die Summe der positiven La-dungen gleich der Summe der negativen Ladungen sein:

��� � � �� � � �� � ��� ���� � ���� �

wobei die Anzahl z der Überschußladung des Makromoleküls Ei als positiv angenom-men wurde. Durch Einsetzen von Gl. (3.4) folgt:

����� � �� ���� � � ��� �� � ��� ��

����� � �� ���� � � ��� �� � ��� ��

Der Unterschied an Kationen und Anionen zwischen beiden Kammern ist damit:

�� � � ���� � ���� ��� ��� � � ���� � ���� ��

�� � � ���� � ��� ��� ��� � � ���� � ���� ��

Für eine negative Überschußladung würde sich das Vorzeichen der beiden Gleichun-gen umkehren.

Tabelle 3.1 zeigt die Auswirkungen des Donnan-Effekts am Beispiel von Serumal-bumin mit negativer, durch Natriumionen neutralisierter Überschußladung. Es wird

176 3 Methoden

Tab. 3.1. Dialyse einer Kochsalzlösung unterschiedlicher Konzentration (Naa+) gegen Serumalbumin

mit negativen Überschußladungen. Die Überschußladungen z[E]0 sind durch Natriumionen neutrali-siert, damit gilt vor der Dialyse Nai

+ = z[E]0; es sind relative Werte angegeben.

Relative Na+-Konzentration Ungleich-verteilung

vor der Dialyse nach der Dialyse (%)

Nai+ Naa

+ Nai+ Naa

+

1,0 0,01 1,000098 0,0099 99,01,0 1,0 1,333 0,667 66,70,01 1,0 0,508 0,502 1,2

Page 187: Enzymkinetik (3. Auflage)

gegen unterschiedlich konzentrierte Kochsalzlösungen dialysiert. Bei hundertfachemÜberschuß der Überschußladungen des Serumalbumins gegenüber dem Kochsalz inder äußeren Kammer finden sich nach der Dialyse nahezu alle Kationen in der Pro-teinkammer. Das Serumalbumin erscheint vollständig mit Ligand „gesättigt“. Selbstbei Zugabe gleicher Mengen an Salz gegenüber den Überschußladungen erscheinenzwei Drittel des Liganden gebunden, und auch noch bei hundertfachem Überschußan Salz reichert sich noch über ein Prozent des Liganden in der Proteinkammer an.Man erkennt daraus, daß der Donnan-Effekt von der relativen Zahl der Ladungen ab-hängt und durch hohe Salzkonzentrationen verringert werden kann.

3.1.2 Kontinuierliche Gleichgewichtsdialyse

Dieses Verfahren benötigt nicht die langen Dialysezeiten der einfachen Gleichge-wichtsdialyse, sondern ist in 10–20 Minuten durchzuführen. Es hat den zusätzlichenVorteil, daß für die Erstellung einer Bindungskurve nur eine einzige Dialysezelle er-forderlich ist und damit auch nur ein Bruchteil des Makromoleküls benötigt wird.Das Prinzip der Methode beruht darauf, daß die Durchtrittsgeschwindigkeit einerSubstanz durch die Dialysemembran direkt proportional zu deren Konzentration ist.Man läßt das System nicht ins Dialysegleichgewicht kommen, sondern bestimmt denpro Zeiteinheit durch die Membran tretenden Liganden. Die Dialysezelle wird, wiein Abb. 3.5 gezeigt, so angeordnet, daß die Membran horizontal liegt. In jeder Kam-mer sorgt ein Magnetrührer für gleichmäßige Durchmischung. Die nach oben hin of-fene obere Kammer enthält das Makromolekül und den Liganden, die untere wird biszur Membran mit Pufferlösung gefüllt. Im Verlauf der Dialyse wird Pufferlösungständig über seitliche Kanäle durch die untere Kammer gepumpt, so daß sie mitgleichförmiger Geschwindigkeit an der Dialysemembran entlang strömt. Die abflie-ßende Lösung wird in einem Fraktionssammler aufgefangen. Durch diese Anordnungkann der zeitliche Durchtritt des Liganden durch die Membran während des Dialyse-vorgangs aus den Fraktionen analysiert werden.

Im ersten Schritt wird in der oberen Kammer zum Makromolekül eine so geringeMenge an radioaktiv markiertem Liganden zugesetzt, daß nur ein geringer Anteil derfreien Bindungsstellen abgesättigt wird. Durch die Membran tritt wiederum nur freier

A3.1 Methoden zur Bestimmung multipler Gleichgewichte 177

Abb. 3.5. Kontinuierliche Gleich-gewichtsdialyse. Von einem Vor-ratsgefäß strömt eine Pufferlö-sung gleichmäßig entlang einerDialysemembran und spült denvon der oberen Makromolekül-kammer durchtretenden freien Li-ganden in einen Fraktionssamm-ler.

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Ligand, wobei nach der Zugabe etwa eine Minute benötigt wird, bis eine konstanteDurchtrittsgeschwindigkeit erreicht ist. Die Radioaktivität jenseits der Membransteigt zunächst rasch an, bis ein konstantes Plateau erreicht ist (Abb. 3.6). Zu diesemZeitpunkt wird der oberen Kammer eine weitere kleine Probe, diesmal jedoch unmar-kierter Ligand, zugesetzt. Dieser setzt sich mit dem markierten Liganden ins Gleich-gewicht und verdrängt ihn teilweise aus seiner Bindung vom Makromolekül. Es re-sultiert damit ein größerer Anteil des markierten Liganden in freier Form und eswird ein höherer Plateauwert erreicht. Dieses Vorgehen wird mit weiteren, jeweilskleinen Gaben des unmarkierten Liganden fortgesetzt und nach jeder Zugabe erhöhtsich das Plateau. Das erfolgt so lange, bis praktisch der gesamte radioaktive Ligandverdrängt und das Makromolekül mit unmarkiertem Liganden gesättigt ist. Dies wirddurch Zugabe eines großen Überschusses des unmarkierten Liganden im letztenSchritt des Versuchs erreicht. Das gleiche Plateau erhält man auch in einem Kontroll-versuch zur Kalibrierung des Experiments, wenn nur markierter Ligand in der an-fänglichen Konzentration ohne Makromolekül in die obere Kammer gegeben wird.Die Radioaktivität des Plateauwerts im letzten Schritt entspricht 100% des Substratsim freien Zustand. Die Radioaktivitäten der vorherigen Plateauwerte, geteilt durchdiesen Maximalwert, ergeben die Anteile des freien Liganden bei der jeweils vorlie-genden Gesamtkonzentration. Die Differenz zwischen beiden Werten ergibt den An-teil des gebundenen Liganden. Bei einer Dauer von 1–2 Minuten zum Erreichen desPlateaus werden in kaum mehr als zehn Minuten zehn Meßwerte erhalten. Es wirddavon ausgegangen, daß die Gesamtmenge des markierten Liganden in der oberenKammer während des gesamten Versuchs konstant bleibt, also die Verluste durch dieMembranpassage zu vernachlässigen sind. Tatsächlich verschwinden bei einem voll-ständigen Ausgleich nach etwa zwei Stunden bei jeder Stufe ca. 1%, im gesamtenVersuch etwa 10% der ursprünglichen Menge.

178 3 Methoden

Abb. 3.6. Zeitlicher Verlauf der kontinuierlichen Gleichgewichtsdialyse. Zur Zeit t =0 wird radioaktivmarkierter Ligand in geringer Konzentration zugesetzt. Ohne bindendes Makromolekül ergibt sich dieobere Kurve, bei Überschuß von Makromolekül bindet der größte Anteil und es verbleibt nur einekleine Stufe für den freien Liganden. Jeweils nach Erreichen der Stufenhöhe werden definierte Men-gen an unmarkiertem Liganden zugesetzt, der zunehmend den markierten aus seiner Bindung an dasMakromolekül verdrängt, bis schließlich der ursprüngliche Plateauwert des Liganden in Abwesenheitdes Makromoleküls erreicht ist.

Page 189: Enzymkinetik (3. Auflage)

3.1.3 Ultrafiltration

Der hauptsächliche Anwendungsbereich dieser Methode liegt in der Konzentrierungund Abtrennung von Makromolekülen in Lösungen. Für bestimmte Probenvoluminaund Trennbereiche sind unterschiedliche Systeme im Handel erhältlich, die auchnach verschiedenartigen Prinzipien arbeiten. Die Lösungen werden entweder durchÜberdruck, Vakuum, Zentrifugalkraft oder nur mittels freier Diffusion durch Ultrafil-trationsmembranen filtriert. Diese Membranen besitzen, wie auch Dialysemembra-nen, Poren definierter Weite, die Moleküle nach ihrer Größe ausschließen. Durch dieWahl von Membranen mit geeignetem Porendurchmesser werden bestimmte Parti-kelfraktionen entsprechend ihrer Größe aus Homogenaten angereichert. Doch dieTrennung ist aufgrund des nicht exakten Porendurchmessers und unterschiedlicherMolekülformen nicht sehr scharf. So wird Serumalbumin (Mr =66 000) bei der ange-gebenen Ausschlußgrenze von 30000 einer Membran nur zu etwa 95% zurückgehal-ten. Zur vollständigen Abtrennung ist der Unterschied zwischen der Ausschlußgrenzeder Membran und der tatsächlichen Molekülgröße möglichst groß zu halten. Ein be-sonderes Problem der Ultrafiltration liegt darin, daß sie die zu konzentrierenden Par-tikel auf die Membran preßt und sich dort eine fest haftende Schicht bildet, die dieMembran verstopft und den Filtrationsvorgang blockiert. Auch sind die Makromole-küle aus dieser Schicht schwierig wieder in Lösung zu bekommen.

Verschiedene der gebräuchlichen Ultrafiltrationsverfahren können zur Bestimmungvon Bindungsgleichgewichten herangezogen werden. Das Prinzip dieser Bindungs-messungen besteht darin, daß aus einer Gleichgewichtslösung nur der freie Liganddurch die Membran tritt, während das Makromolekül mit dem gebundenen Ligandenjenseits der Membran verbleibt. Allerdings ist eine stärkere Konzentrierung zu ver-meiden, da die Makromolekülkonzentration während des Versuchs als konstant ange-sehen wird. Daher wird nur ein kleiner Anteil der Lösung durch die Membran ge-preßt und im Filtrat der Anteil des freien Liganden bestimmt, während die Ermitt-lung des gebundenen Anteils aus der verbleibenden Lösung oberhalb der Membrandurch den Konzentrierungseffekt problematisch ist. Besser kann dieser Anteil aus derDifferenz zwischen zugegebenem und freiem Liganden berechnet werden, wobei al-lerdings unspezifische Adsorptionen des Liganden an Membran und Kammer das Er-gebnis verfälschen. Die Ultrafiltration ist damit ungenauer als die Gleichgewichtsdia-lyse, besitzt aber den Vorteil einer kurzen Versuchsdauer von wenigen Minuten undeignet sich besonders für empfindliche und instabile Systeme.

Die einfachste Form der Ultrafiltration ist das Aufbringen der Gleichgewichtslö-sung auf einen mit einer Ultrafiltrationsmembran versehenen Filtertrichter, der aufeine an ein Vakuum angeschlossene Saugflasche montiert ist (Abb. 3.7A). Die Lö-sung des durchtretenden freien Liganden wird unterhalb der Filterplatte oder aus demVakuumgefäß entnommen. Insgesamt darf nur ein Bruchteil der überstehenden Lö-sung filtriert werden. Kritischer ist das Verfahren, die überstehende Lösung ganz ab-zusaugen und, ohne nachwaschen, im noch feuchten Filter die Radioaktivität des ge-bundenen, radioaktiv markierten Liganden direkt zu messen im Vergleich zu einemKontrollversuch mit Liganden in Abwesenheit des Makromoleküls (Suter & Rosen-busch, 1974). Eine Beeinflussung des Gleichgewichts durch die Konzentrierung istnicht auszuschliessen. Eine Modifizierung dieses Verfahrens speziell für geringe Vo-

A3.1 Methoden zur Bestimmung multipler Gleichgewichte 179

Page 190: Enzymkinetik (3. Auflage)

lumina stellen auf Spritzen aufsetzbare, handelsübliche Filtrationsvorsätze dar(Abb. 3.7 B), sie besitzen aber ein relativ großes Totvolumen. Filtrationseinheiten, diedie Zentrifugalkraft von Laborzentrifugen ausnutzen, ermöglichen es, in einemDurchgang mehrere Proben einzusetzen und damit die Ligandenkonzentration zu va-riieren (Abb. 3.7 C).

Speziell zum Studium der Ligandenbindung entwickelte H. Paulus (1969) eineApparatur, bei der in einen Plexiglaszylinder mehrere Ultrafiltrationszellen in Formsymmetrisch angeordneter senkrechter Bohrungen eingebracht sind (Abb. 3.7 D). Einzweiter, kürzerer Zylinder mit gleichen Bohrungen wird von der Unterseite angesetzt,wobei zwischen beiden Zylindern eine Ultrafiltrations- oder Dialysemembran ge-spannt ist. Die durchtretende Lösung wird schließlich durch Vertiefungen aufgefan-gen, die in eine Plexiglasscheibe an der Unterseite der Apparatur eingelassen sind.Die Bohrungen des ersten Zylinders sind von oben mit Schrauben luftdicht ver-schließbar. In der Mitte der oberen Zylinderfläche befindet sich ein Anschlußstutzenfür Druckluft, der über radiale Kanäle mit jeder Bohrung in Verbindung steht. Im un-teren Zylinder sind seitliche Kanäle so eingelassen, daß die durchtretende Lösungmit Hilfe einer Kanüle von der Membranunterseite abgesaugt werden kann. Die bei-den Zylinder werden gegeneinander so verschraubt, daß die zwischenliegende Mem-bran druck- und wasserdicht fixiert ist. Zur Versuchsdurchführung wird Makromole-küllösung mit variierender Ligandenkonzentration in die Bohrungen eingefüllt unddiese verschlossen. Über den zentralen Stutzen wird aus einer Stickstoff- oder Preß-luftflasche ein Druck von ca. 275 kPa angelegt. Von dem durch die Membran treten-den Filtrat wird eine genau abgemessene Probe entnommen und analysiert, wobei dieKonzentrierung der Lösung oberhalb der Membran gering zu halten ist. Die für denVersuch erforderlichen Makromolekülmengen sind durch die Dimension der Bohrun-gen festgelegt, die so gearbeitet werden können, daß pro Zelle 0,1 ml Lösung genü-gen.

180 3 Methoden

Abb. 3.7. Ultrafiltrationsapparaturen. A) Filteraufsatz auf einer Saugflasche, B) Filtervorsatz auf einerSpritze, C) Zentrifugenröhrchen mit Filtrationsmembran, D) Ultrafiltrationsapparatur nach Paulus(1969). Druckluft gelangt über eine zentrale Öffnung in die mit verschiedenen Gleichgewichtsmi-schungen gefüllten Röhrchen und Lösung mit freiem Liganden wird durch die Membran gepreßt.

Page 191: Enzymkinetik (3. Auflage)

3.1.4 Gelfiltration

Dieses vor allem als Säulenchromatographie betriebene Verfahren dient in erster Li-nie als präparative Methode zur Reinigung von Makromolekülen aus Homogenaten,zur Entsalzung und Umpufferung von Makromoleküllösungen und zur Bestimmungvon Molekülmassen (Molekularsiebchromatographie). Die zumeist aus Dextran, Aga-rose oder Polyacrylamid bestehenden sphärischen Gelpartikel besitzen Poren definier-ter Weite. Dadurch werden in dem Chromatographiegefäß zwei Kompartimente ge-schaffen: ein für alle Moleküle der Lösung zugängliches äußeres Volumen Va um diePartikel und das innere Volumen Vi der Partikel, in das nur Moleküle eindringen kön-nen, deren Querschnitt kleiner als der Porendurchmesser ist. Diesen steht somit dasgesamte Säulenvolumen Vg =Va+Vi zur Verfügung, dem Makromolekül dagegen nurdas äußere Volumen. Bei der Passage durch eine mit solchen Partikeln gepacktenGelfiltrationssäule haben größere Moleküle somit ein geringeres Volumen und einenkürzeren Weg zurückzulegen als kleinere, so daß Molekülmischungen nach ihrenGrößen getrennt werden. Dabei werden auch Liganden von ihren Bindungsstellen anMakromolekülen abgestreift. Bindungsmessungen nach diesem Verfahren sind daherso zu gestalten, daß die Trennung das Gleichgewicht nicht beeinflußt.

3.1.4.1 Batchverfahren

Das Bindungsgleichgewicht kann bereits mit einer sehr einfachen Anordnung be-stimmt werden. Eine kleine Menge gequollenen Gels wird in ein passendes Gefäßgegeben (Abb. 3.8). In Vorversuchen sind zunächst Va und Vi zu bestimmen. Eine be-kannte Menge des Makromoleküls wird mit dem Gel vermischt. Nach dem Absitzendes Gels ergibt sich Va aus der Makromolekülkonzentration einer Probe der überste-henden Lösung. In gleicher Weise erhält man das Gesamtvolumen Vg durch Zusatzdes Liganden. Bei Zugabe einer Mischung von Makromolekül und Ligand zum Gelim eigentlichen Versuch erhöht sich die Ligandenkonzentration in der überstehendenLösung gegenüber dem Vorversuch um den Anteil der Bindung an das Makromole-

A3.1 Methoden zur Bestimmung multipler Gleichgewichte 181

Abb. 3.8. Batch-Verfahren zur Bestimmungder Ligandenbindung. Durch die Poren derGelpartikel kann nur der niedermolekulare Li-gand, nicht aber das Makromolekül eindrin-gen.

Page 192: Enzymkinetik (3. Auflage)

kül. Dieses Verfahren entspricht prinzipiell der Gleichgewichtsdialyse, wobei das äu-ßere Volumen der Makromolekülkammer, das innere Volumen der Ligandenkammeräquivalent ist. Der Versuch benötigt keine besondere Apparatur, jedoch ist Methodenicht sehr genau.

3.1.4.2 Elution breiter Zonen

Entgegen der sonst üblichen Chromatographiepraxis wird bei dieser von Ackers(1975) beschriebenen Methode das Gemisch von Makromolekül und Ligand in einemso großen Volumen aufgetragen, daß während der Passage durch die Gelfiltrations-säule keine vollständige Trennung beider Komponenten möglich ist. Im Eluat findensich drei Zonen, zuerst das vorweg wandernde Makromolekül, das seinen Ligandenverloren hat , zuletzt der abgestreifte Ligand und dazwischen ein Überlappungsbe-reich beider Zonen, innerhalb dessen das Makromolekül den gebundenen Ligandenbehält. Der unmittelbar hinter diesem Bereich abgestreifte Ligand entspricht in seinerKonzentration dem freien Liganden [A] in der Gleichgewichtsmischung. Dies gilt,solange die drei Zonen in direktem Kontakt miteinander stehen und nicht voneinan-der isoliert werden. Mit Hilfe der bekannten Menge [A]0 des eingesetzten Ligandenkann [A]geb ermittelt werden.

3.1.4.3 Verfahren nach Hummel und Dreyer

Bei diesem Verfahren wird die Gelfiltrationssäule mit der Ligandenlösung [A] äquili-briert und die Konzentration im Eluat photometrisch verfolgt (Abb. 3.9). Wenn imAuslauf die gleiche Konzentration erreicht ist wie im Auftrag, wird das Makromole-kül [E], gelöst in der Ligandenlösung, in einem kleinen Volumen aufgetragen. Dannwird wieder mit der ursprünglichen Ligandenlösung nachgespült. Während des ge-samten Vorgangs muß die Konzentration des Liganden [A] in den Lösungen gleichbleiben. Das Makromolekül bindet einen Teil des Liganden und entzieht ihn der um-

182 3 Methoden

Abb. 3.9. Säulenchromatographisches Verfahren zur Ligandenbindung nach Hummel und Dreyer(1962). A) Experimentelle Anordnung, B) Elutionsprofil.

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gebenden Lösung. Dadurch ändert sich zwar die Gesamtkonzentration nicht, wohlaber der Anteil des freien Liganden. Während der Säulenpassage wandert das Makro-molekül mit dem gebundenen Liganden schneller als der freie Ligand und hinterläßteine Lücke, die genau dem Anteil der Bindung entspricht. Der gebundene Ligand ad-diert sich wiederum zu der Konzentration der umgebenden Ligandenlösung, in diedas Makromolekül hineinwandert, und zeigt ein Maximum. Das Gleichgewicht stelltsich so ein, daß die Konzentration der Ligandenlösung [A] derjenigen des freien Ligan-den entspricht. Den gebundenen Anteil erhält man durch Integration des Maximumsoder der Fehlstelle. Letzteres ist verläßlicher, da das Maximum auch eine mögliche Ab-sorption des Makromoleküls enthalten kann. Die Methode hat den Vorteil, daß freierund gebundener Ligand direkt gemessen werden. Auch ist keine radioaktive Markie-rung erforderlich. Allerdings werden größere Substanzmengen gebraucht.

3.1.4.4 Verfahren nach Brumbaugh und Ackers

Die hohe Genauigkeit dieser Methode übertrifft die bisher genannten säulenchromato-graphischen Verfahren, sie wird aber durch einen beträchtlichen apparativen Aufwanderkauft. Man kann diese Methode als eine Kombination zwischen dem Batchverfah-ren und der Hummel-Dreyer-Methode ansehen. Auch hier wird das chromatographi-sche Geschehen photometrisch verfolgt, wobei jedoch die Säule direkt analysiertwird. Diese befindet sich anstatt einer Küvette im Lichtstrahl eines Photometers(Abb. 3.10) und muß daher aus UV-durchlässigem Quarzglas bestehen. Mit Hilfe ei-nes Motorantriebs wird die Säule schrittweise durch den Lichtweg geschoben. Mankann sich die Säule in eine größere Zahl (ca. 100) gleicher Volumenelemente einge-teilt denken, deren Querschnitt durch die Säulendimension und deren Höhe durch dieBreite des Lichtwegs bestimmt wird. Jedes Volumenelement entspricht einem Gefäßdes Batchverfahrens (bzw. einer Gleichgewichtsdialysezelle) mit einem inneren Volu-men Vi und einem äußeren Volumen Va. Diese Volumina werden in Vorversuchendurch getrenntes Äquilibrieren mit Liganden- und Makromoleküllösung über Absorp-tionsmessungen in jedem Volumenelement bestimmt. Der niedermolekulare Ligand Averteilt sich zwischen beiden Kompartimenten nach der Beziehung:

A3.1 Methoden zur Bestimmung multipler Gleichgewichte 183

Abb. 3.10. Säulenchromatographisches Verfahren zur Li-gandenbindung nach Brumbaugh und Ackers (1974). Diemit der Gleichgewichtsmischung beladene Säule bewegtsich mittels Motorvorschub durch den Lichtstrahl einesPhotometers.

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�A ist die Querschnittsverteilung und � der Verteilungskoeffizient, der je nach Gelsor-te und Größe der Substanz Werte zwischen 0 und 1 annehmen kann. Bei ungehinder-ter Diffusion des Liganden in die Poren des Gels ist �A = 1, d. h. �A =Va+Vi. Bei völli-gem Ausschluß des Makromoleküls ist �A =0 und �A =Va. Nach Äquilibrieren derSäule mit der Makromolekül-Liganden-Mischung wird der Anteil der Bindung überdie beobachtete Abweichung von der Verteilung der freien Komponenten ermittelt.Durch die Vielzahl der photometrisch zu vermessenden Volumenelemente ergibt sicheine große Datenmenge, die eine zuverlässige statistische Absicherung ermöglichtund die Genauigkeit der Methode begründet.

3.1.5 Ultrazentrifugationsmethoden

3.1.5.1 Einfache Ultrazentrifugation

Präparative Ultrazentrifugen, die zur Grundausstattung biochemischer Labors zählen,ermöglichen schonende Verfahren zur Bestimmung von Bindungsgleichgewichtenohne zusätzlichen apparativen Aufwand. Makromoleküle wandern im Schwerefeldder Zentrifuge rascher als der niedermolekulare Ligand und nehmen dabei den ge-bundenen Liganden mit. Am Meniskus verbleibt der freie Ligand in der Konzentrati-on des ursprünglichen Gleichgewichts und kann aus einer Probe bestimmt werden.Dabei müssen die Sedimentation des Liganden selbst und eine Durchmischung amEnde des Laufs ausgeschlossen werden.

Eine Anwendung dieser Methode auf eine kleinvolumige luftgetriebene Ultrazentri-fuge (Airfuge®, Fa. Beckman, Volumen pro Zentrifugenröhrchen 0,17 ml) wurde vonAlberts und Krishnan (1979) beschrieben. Das Makromolekül wird auf den Bodendes Zentrifugengefäßes sedimentiert, was in dieser Zentrifuge in einigen Minuten er-reicht ist. Es wird davon ausgegangen, daß der gebundene Ligand im Niederschlagnoch mit dem überstehenden freien Liganden im ungestörten Gleichgewicht steht. Szin-tillationsmessung des Zentrifugenröhrchens mit dem Niederschlag ergibt den Anteil desgebundenen Liganden, während der freie Ligand aus dem Überstand erhalten wird.

3.1.5.2 Zentrifugationsmethode von Chanutin et al. (1942)

Dieses dem vorherigen an Genauigkeit überlegene Verfahren ist in kleinvolumigenUltrazentrifugen rasch und mit geringen Substanzmengen durchführbar. Der Methodeliegt eine Umformung der Bindungsgleichung (1.23) zugrunde:

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���� ����������� � ��� � ��� � �����

184 3 Methoden

Page 195: Enzymkinetik (3. Auflage)

Unter der Annahme von [A]=konstant ist [A]0, die Gesamtkonzentration des Ligan-den, eine lineare Funktion der Makromolekülkonzentration [E]0. In einer Auftragungvon [A]0 gegen [E]0 wird eine Gerade erhalten, die die Ordinate an der Stelle desfreien Liganden [A] schneidet (Abb. 3.11B). Experimentell erhält man solche Ge-raden, wenn ein Makromolekül-Liganden-Gemisch für eine bestimmte Zeit zentrifu-giert wird. Anschließend werden aus verschiedenen Zonen des ZentrifugengefäßesProben entnommen und darin Liganden- und Makromolekül-Konzentrationen be-stimmt. In einem Rotor können mehrere Zentrifugengefäße mit variierenden Liga-ndenkonzentrationen zentrifugiert und somit verschiedene Geraden mit unterschiedli-chen Werten für [A] erhalten werden. Es ist dabei unerheblich, an welchen Stellendes Gefäßes nach der Zentrifugation die Proben entnommen werden, solange eine Se-dimentation stattgefunden hat und die Werte Unterschiede gegeneinander aufweisen.Bei genügend vielen Ansätzen unterschiedlicher Ligandenkonzentration kann es be-reits ausreichen, eine Probe der Gleichgewichtsmischung vor der Zentrifugation unddie Meniskusfraktion nach der Zentrifugation zu analysieren (Abb. 3.11A). Die erhal-tenen Geraden sind zwar nur durch zwei Punkte definiert, dies ist jedoch damit zurechtfertigen, daß die eigentliche Auswertung über die Sekundärauftragung erfolgt.Nach Gl. (3.8) ergibt die reziproke Steigung St der Geraden eine lineare Funktion:

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�� �����

A3.1 Methoden zur Bestimmung multipler Gleichgewichte 185

Abb. 3.11. Ultrazentrifugations-methode nach Chanutin et al.(1942). A) Zentrifugationsgefäßvor (rechts) und nach (links)der Zentrifugation. In B) sinddie Werte für [A]0 und [E]0 ausbeiden Gefäßen aufgetragenund durch Geraden verbunden.Deren Steigungen ergibt die Ge-rade in C) und durch Extrapola-tion die Konstanten.

Page 196: Enzymkinetik (3. Auflage)

Die Auftragung der reziproken Steigung gegen 1/[A] ergibt eine lineare Funktion mitden reziproken Werten für n und Kd als Ordinaten- bzw. Abszissenschnittpunkte(Abb. 3.11 C). Ein ähnliches Verfahren mit direkter Absorptionsmessung in einer ana-lytischen Ultrazentrifuge beschrieben Steinberg und Schachman (1966).

3.1.5.3 Rohrzuckergradientenzentrifugation nach Draper und Hippel

Ultrazentrifugationen in Festwinkelrotoren, in denen die Gefäße in einem bestimmtenWinkel zur Rotorachse stehen (Abb. 3.12A), haben zwei gravierende Nachteile. Dasdurch die Zentrifugalkraft senkrecht zur Rotorachse aufgebaute Schwerefeld weistnicht in direkter Richtung durch das Gefäß vom Meniskus zum Gefäßboden. Vielmehrsedimentieren Partikel auf die der Rotorachse abgewandten Gefäßwand, wo sie zumBoden gleiten, so daß die freie Sedimentationsstrecke wesentlich kürzer als die Gefäß-länge ist. Weiterhin sind Banden, in denen Makromoleküle durch das Zentrifugations-gefäß wandern, in wässriger Lösung nicht besonders stabil und verbreitern sich durchdas Abbremsen des Rotors und die Gefäßentnahme. Daher eignet sich die präparativeUltrazentrifugation in Festwinkelrotoren hauptsächlich zur Trennung von Partikeln inSedimenten von der überstehenden Lösung. Differenzielle Ultrazentrifugation zur Auf-trennung verschiedener Makromoleküle nach ihrer Größe ist damit nicht möglich.

Durch Verwendung von Schwenkbecher-Rotoren (Abb. 3.12B) und Dichtegradien-ten lassen sich diese Nachteile umgehen. Die beweglichen Schwenkbecher stellen

186 3 Methoden

Abb. 3.12. Festwinkelrotor (A) undSchwenkbecherrotor (B) mit sedimentie-render Bande im Schwerefeld. C) Misch-gefäß zur Herstellung von Rohrzucker-gradienten.

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sich in der Anlaufphase der Zentrifugation senkrecht zur Rotorachse, so daß dieWanderung der Partikel durch das Gefäß direkt zum Boden erfolgt. Der Dichtegra-dient wirkt der Bandenverbreiterung entgegen. Prinzipiell sind zwei Arten der Dich-tegradientenzentrifugation zu unterscheiden. Bei der echten Dichtegradientenzentrifu-gation formt sich ein Gradient zunehmender Dichte vom Meniskus zum Boden wäh-rend der Zentrifugation, indem die Partikel eines dichten Mediums, wie Cäsiumchlo-rid, im Schwerefeld absinken. Da die Diffusion der Teilchen der Sedimentation ent-gegenwirkt, erfolgt keine Sedimentierung des dichten Mediums, vielmehr bildet sichim Gleichgewicht zwischen Schwerefeld und Diffusion ein stabiler Gradient aus. Ma-kromoleküle, wie Proteine oder Nucleinsäuren, sammeln sich innerhalb des Gradien-ten in scharfen Banden an der Position ihrer eigenen Dichte. Die Trennung erfolgtsomit nicht nach der Teilchengröße (die aus der Bandenbreite abgeschätzt werdenkann), sondern nach deren Dichte. Makromoleküle eines Typs, wie Proteine, RNA,Einzelstrang- bzw. Doppelstrang-DNA, sammeln sich an gleichen Positionen.

Ultrazentrifugation in Rohrzuckergradienten und vergleichbaren Medien, wie Gly-cerin, ist demgegenüber keine Dichtegradientenzentrifugation im eigentlichen Sinn,da die Teilchen hier tatsächlich entsprechend ihrer Größe wandern. Der ansteigendeDichtegradient verhindert die Bandenverbreiterung, da die Banden gegen ein zuneh-mend dichteres Medium anlaufen. Bei genügend langer Zentrifugation würden dieBanden schließlich am Gefäßboden sedimentieren. Der Gradient baut sich nicht wäh-rend der Zentrifugation auf, sondern muß zuvor durch einen Gradientenmischer ge-formt werden (Abb. 3.12 C), wobei die Rohrzuckerkonzentration vom Meniskus (z. B.5%) zum Gefäßboden (z. B. 20%) linear zunimmt. Ein solcher Gradient bleibt bei vor-sichtiger Handhabung für einige Tage stabil. Unmittelbar vor Beginn der Zentrifugationwird der Gradient mit der Makromoleküllösung überschichtet. Dauer und Geschwindig-keit der Zentrifugation richten sich nach der Sedimentationsgeschwindigkeit der Parti-kel, deren Banden für eine gute Auftrennung den Gradienten weitgehend ausnutzen,aber nicht zu Boden sedimentieren sollen. Am Ende der Zentrifugation wird die Lö-sung durch Absaugen mittels einer von oben zum Gefäßboden eingeführten Kanüleoder durch Austropfen nach dem Anstechen des Gefäßbodens in Fraktionen gleichenVolumens gesammelt. Die Tropfenzahl ist ein relatives Maß der Wanderungsstrecke,aus der näherungsweise Sedimentationskoeffizient und relative Molekülmasse von Ma-kromolekülen bestimmt werden können (Martin & Ames, 1961).

Der Vorteil der differenziellen Auftrennung wird bei der Anwendung der Methodezur Bestimmung von Bindungsgleichgewichten ausgenutzt. Im Unterschied zu denbisher besprochenen Verfahren, die einen beträchtlichen Größenunterschied zwischenLigand und Makromolekül voraussetzen, ist es hier möglich, Bindungen von Molekü-len ähnlicher Größe sowie Assoziationen zwischen verschiedenen Makromolekülenoder deren Untereinheiten zu erfassen. Wie oben beschrieben, wird ein linearer Rohr-zuckergradient mit einem definierten Volumen einer Ligand-Makromolekül-Mischungüberschichtet. Die rascher sedimentierende Komponente (d. h. das Makromolekül)muß hier in großem (zumindest zehnfachem) Überschuß gegenüber der niedermole-kularen Komponente vorliegen. Die anschließende Ultrazentrifugation erfolgt solan-ge, bis die Bande des Makromoleküls ein n-faches ihrer eigenen Breite zurückgelegthat (Abb. 3.13). Nach der Zentrifugation wird der Gradient fraktioniert und die Liga-ndenkonzentration in Abhängigkeit von der Wanderungsstrecke ermittelt.

A3.1 Methoden zur Bestimmung multipler Gleichgewichte 187

Page 198: Enzymkinetik (3. Auflage)

Zu Beginn der Zentrifugation, d.h. beim ersten Schritt, ist der Anteil des gebunde-nen Liganden ([A]geb)1 gemäß der allgemeinen Bindungsgleichung (1.23), wobei je-doch die Konzentration des freien Makromoleküls [E] anstelle der Ligandenkonzen-tration [A] als unabhängige Variable und [A]0 als konstant betrachtet werden. Da dieGesamtmenge an [E] gegenüber [A] sehr groß ist, wird näherungsweise [E] = [E]0 ge-setzt:

��������� ���������

�� � ����� ������

Wird nun im zweiten Schritt die Makromolekülbande infolge der Zentrifugation umgenau die Breite d der Auftragszone versetzt, so nimmt sie den gebundenen Ligan-den mit, während der freie an der Startposition liegen bleibt. Der im ersten Schrittgebundene Ligand wird damit im zweiten Schritt zur Gesamtmenge an Ligand:

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und entsprechend für den dritten Schritt der Translokation des Makromoleküls umdie zweifache Auftragsbreite:

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188 3 Methoden

Abb. 3.13. Rohrzuckergradientenzentrifugation zur Bindungsmessung (nach Draper & Hippel, 1979).

Page 199: Enzymkinetik (3. Auflage)

oder allgemein für den iten Schritt:

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� � ���� � ������

Die Dissoziationskonstante gewinnt man aus dem Anteil des gebundenen Liganden inder Makromolekülbande und den eingesetzten Konzentrationen beider Komponenten.

Nach einer Methode von Yamamoto und Alberts (1974) wird bereits während derHerstellung des Gradienten im Zentrifugengefäß bei ca. 12% Rohrzucker eineschmale Bande des langsamer wandernden Liganden eingearbeitet, während der Be-reich darüber (von 5–11,5%) das Makromolekül enthält (Abb. 3.14). Dieses wandertüber die schmale Ligandenzone hinweg, so daß der Ligand während der Zentrifugati-on immer von einer konstanten Makromolekülkonzentration umgeben ist. Nach derFraktionierung wird die Menge an gebundenem Liganden analysiert.

3.2 Elektrochemische Methoden

Elektrochemische Methoden eignen sich besonders für enzymkinetische Untersuchun-gen, da der zeitliche Ablauf der enzymkatalysierten Reaktion kontinuierlich doku-mentiert werden kann. Aus den erhaltenen Zeit-Umsatz-Kurven kann die Anfangsge-schwindigkeit ermittelt werden oder man wertet sie nach der integrierten Michaelis-Menten-Gleichung (Abschnitt 2.3.1.5) aus.

Entstehung oder Verbrauch von Gasen in enzymatischen Reaktionen werden zu-meist mittels einer Sauerstoff- oder CO2-Elektrode gemessen, doch sei darauf hinge-wiesen, daß solche Bestimmungen auch mit der von Otto Warburg entwickelten ma-

A3.2 Elektrochemische Methoden 189

Abb. 3.14. Rohrzuckergradientenzentrifugati-on zur Bindungsmessung (nach Yamamoto &Alberts, 1974).

Page 200: Enzymkinetik (3. Auflage)

nometrischen Apparatur möglich sind (Abb. 3.15). Ein Reaktionsgefäß ist so beschaf-fen, daß die Substratlösung in einem seitlichen Ansatz von der Enzymlösung am Ge-fäßboden getrennt ist. In der Mitte des Gefäßbodens ist noch ein weiteres rundesKompartiment abgeteilt, das eine Stopp-Lösung enthält. Die Anordnung wird gas-dicht mit einem Manometer verbunden. Durch Neigen der Apparatur wird die Sub-strat- in die Enzymlösung gegossen und damit die Reaktion gestartet. Das Gefäßtaucht während der Dauer der Reaktion in ein Temperierbad und wird in leichter Be-wegung gehalten. Durch Zumischen der Stopp-Lösung im inneren Kompartimentkommt die Reaktion zum Stillstand und das Gas wird aus der wässrigen Lösung aus-getrieben. Am Stand der Flüssigkeitssäule des Manometers wird die Menge des ent-standenen bzw. verbrauchten Gases abgelesen.

3.2.1 Sauerstoffelektrode

Sauerstoff spielt in zahlreichen biologischen Prozessen eine wichtige Rolle, wie beider Atmungskette, den Reaktionen von Oxygenasen, Hydroxylasen und Oxidasen under bindet an Transportproteine wie Hämoglobin und Myoglobin. Die von L. C. Clark(1953) entwickelte Sauerstoffelektrode (Abb. 3.16A) vereinfachte das Studium sauer-stoffabhängiger Vorgänge außerordentlich. Als Kathode dient ein in der Mitte einesGlasrohres fixierter Platindraht. Seitlich von diesem befindet sich eine Silber/Silber-chlorid-Anode. Beide Elektroden sind mit gesättigter Kaliumchloridlösung umspült.An ihnen liegt eine konstante Spannung von 0,5–0,8 V an. Die ganze Anordnung istgegen die Probenlösung mit einer Membran aus Teflon oder Polyethylen abge-schirmt. Der Probenraum muß luftdicht mit der Elektrode verbunden sein. Über ei-nen verschließbaren Kanal wird er mittels einer Injektionsspritze beschickt. Zum bes-seren Austausch wird die Probe durch einen Magnetrührer gerührt. Gelöster Sauer-stoff dringt durch die Membran und wird an der Kathode reduziert:

190 3 Methoden

Abb. 3.15. Warburg-Manometer zur Messung gasfreisetzenderoder -verbrauchender enzymatischer Reaktionen.

Page 201: Enzymkinetik (3. Auflage)

Kathode 4 H+ + 4 e– + O2 � 2 H2OAnode 4 Ag + 4 Cl – � 4AgCl + 4e–

4 H+ + 4 Ag + 4 Cl – + O2 � 4 AgCl + 2 H2O.

Der entstehende Strom ist der Sauerstoffkonzentration in der Lösung proportional. Be-dingt durch die Membran hat die Sauerstoff-Elektrode eine längere Ansprechzeit. ImKathodenraum sammelt sich ein Sauerstoffvorrat mit einer Halbwertszeit von ca. zweiMinuten, der sich insbesondere bei Übergängen von hoher zu niedriger Sauerstoffkon-zentration störend bemerkbar macht. Eine Verkürzung der Ansprechzeit wird durch of-fene Elektroden ohne Membran erreicht, allerdings besteht die Gefahr der Vergiftungdurch Komponenten der Lösung. Vor der Messung der Probe muß die Elektrode kali-briert werden. 0% Sauerstoff wird durch Entgasen im Stickstoffstrom oder durch Zu-satz von Natriumdithionit zur Pufferlösung erreicht, 100% durch luftgesättigtes Wasser.

Eine apparative Anordnung zur kinetischen Verfolgung sauerstoffabhängiger Reak-tionen zeigt Abb. 3.17 (Degn et al., 1980). Als Reaktionsgefäß dient eine photometri-sche Küvette, die eine simultane Verfolgung der Absorptionsänderung in der Lösungwährend der Reaktion ermöglicht. Ein Gasstrom mit definiertem Sauerstoffgehaltüberstreicht die Reaktionslösung. Zum schnellen Ausgleich des Sauerstoffs in derGasphase mit der Lösung wird intensiv gerührt. Aus diesem Grund wird eine sechs-eckige Küvette oder, wenn photometrische Messungen nicht erfolgen, ein rundes Ge-fäß verwendet. Durch ein Loch am unteren Teil des Reaktionsgefäßes wird eine Sau-erstoffelektrode eingeführt, eine zweite mißt von oben den Sauerstoffgehalt in derGasphase. Ein Mehrkanalschreiber zeichnet die Meßdaten beider Sauerstoffelektro-den und des Photometers auf. Durch ein Computerprogramm kann die Kinetik derReaktion unmittelbar verarbeitet werden. Dabei wird die Umsatzgeschwindigkeit desSystems �r bei linear ansteigendem Sauerstoffgehalt der Gasphase gemessen und di-

A3.2 Elektrochemische Methoden 191

Abb. 3.16. Schema einer Sauerstoffelektrode (A) und einer CO2-Elektrode (B).

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rekt oder in linearisierter Form aufgetragen. Es wird davon ausgegangen, daß imGleichgewicht �r gleich der Geschwindigkeit �t des Sauerstofftransports von der Gas-phase in die Flüssigkeit ist; �t ist der Differenz zwischen den Sauerstoffdrücken inder Gasphase TG und der Lösung TL proportional:

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K ist bei gegebenen Bedingungen ein von Temperatur, Rührgeschwindigkeit und demVerhältnis zwischen Oberfläche und Volumen der Reaktionslösung abhängiger Fak-tor. Bei linear ansteigendem Sauerstoffgehalt der Gasphase wird bezüglich des Sauerstoff-austausches zwischen Gasphase und Lösung kein Steady-State erreicht, d.h. dTL/dt�0:

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K wird durch Bestimmung von TL nach Veränderung von TG aus einem Ansatz ohnesauerstoffreaktives System (�r =0) erhalten:

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3.2.2 CO2-Elektrode

Das Prinzip einer CO2-Elektrode unterscheidet sich grundlegend von dem der Sauer-stoffelektrode. Es basiert auf einer pH-Messung mit Hilfe einer Glaselektrode. Sie istvon einer Membran aus gummibeschichtetem Cellophan oder aus Silicongummi um-geben, die in die Probelösung taucht (Abb. 3.16 B). Gelöstes Kohlendioxid diffundiertin den Raum zwischen Membran und Glaselektrode, wobei es zu Kohlensäure hydra-tisiert. Die resultierende pH-Änderung ist über einen Faktor S dem CO2-Gehalt derLösung proportional:

192 3 Methoden

Abb. 3.17. Apparative Anordnungzur kinetischen Verfolgung sauer-stoffabhängiger Reaktionen mitHilfe von Sauerstoffelektrodenfür Messungen in Lösung und inder Gasphase.

Page 203: Enzymkinetik (3. Auflage)

��� � �� � � �!"� �

Daraus wird ersichtlich, daß CO2-Messungen empfindlich auf pH-Änderungen reagie-ren, der pH-Wert der Lösung muß streng kontrolliert werden. Die CO2-Elektrodewird durch eine standardisierte Hydrogencarbonatlösung oder durch unterschiedlicheCO2-Partialdrucke kalibriert.

3.2.3 Potentiometrie, Oxidations-Reduktions-Potentiale

Oxidations-Reduktions-Systeme (Redox-Paare), die in biologischen Systemen, wie inder Atmungskette und in Enzymreaktionen, vorkommen, lassen sich durch potentio-metrische Messungen erfassen. Eine Elektrode (z. B. Platinelektrode) in einer Redox-Lösung wird geladen und zeigt gegenüber einer Referenzelektrode eine durch ein Po-tentiometer zu messende Potentialdifferenz. Redox-Potentiale sind charakteristischeGrößen für bestimmte Redox-Systeme. Sie sind bezogen auf eine Standard-Wasser-stoffelektrode, einer mit Wasserstoffgas unter Atmosphärendruck umspülten Platine-lektrode, die in eine Lösung von 1,228 M HCl taucht. Deren Potential wird als 0 de-finiert. Solche Redox-Paare sind NAD+/NADH, NADP+/NADPH, FAD/FADH2 undCytochrom Fe3+/Fe2+. Durch oxidierende bzw. reduzierende Reagenzien kann ein Re-dox-Paar oxidiert bzw. reduziert werden. Bei Bestimmung der Potentialdifferenz ge-gen das Ausmaß von Oxidation bzw. Reduktion wird eine potentiometrische Titrati-onskurve erhalten.

Redox-Vorgänge lassen sich auch durch Redox-Indikatoren sichtbar machen. Dieseverändern ihre Farbe mit dem Redoxzustand und können in enzymatischen Redox-Reaktionen als Elektronendonatoren oder -akzeptoren fungieren. Häufig verwendeteElektronenakzeptoren sind Ferricyanid, 2,6-Dichlorphenolindophenol, Methylenblau,Phenazinmethosulfat und die für histochemische Enzymnachweise verwendeten Te-trazoliumsalze. Das Fortschreiten der Redox-Reaktion läßt sich damit photometrischverfolgen.

3.2.4 pH-Stat

Bei vielen Enzymreaktionen werden Protonen freigesetzt bzw. gebunden, wie bei De-hydrogenasen:

reduziertes Substrat + NAD(P)+ �� oxidiertes Produkt + NAD(P)H + H+,

Oxidasen, Hydrolasen, Esterasen und Proteasen (über deren Esteraseaktivität, die ei-gentliche proteolytische Spaltung setzt keine Protonen frei). Über die pH-Änderungkönnte die Enzymreaktion mittels einer pH-Elektrode erfaßt und aufgezeichnet wer-den. Allerdings beeinflußt die pH-Änderung selbst die Enzymaktivität. Um den pH-Wert während der Reaktion konstant zu halten, werden Enzymreaktionen normaler-weise in gepufferten Lösungen gemessen. Damit entfällt aber die Möglichkeit, die

A3.2 Elektrochemische Methoden 193

Page 204: Enzymkinetik (3. Auflage)

Reaktion über pH-Messung zu verfolgen. Erfolgt die Reaktion dagegen in ungepuf-ferter Lösung und wird durch Zugabe von Säure oder Base der pH-Wert konstant ge-halten, so ist deren Verbrauch ein direktes Maß der Enzymreaktion. Das ist das Prin-zip eines automatischen Titrators, des pH-Stats (Abb. 3.18). Er besteht aus einer pH-Elektrode, z. B. einer Glaselektrode mit einer Kalomel-Referenz-Elektrode, einempH-Meter und einer Steuereinheit. Diese sendet bei pH-Änderungen in der Reaktions-lösung Impulse an den Motor einer automatischen Bürette, der solange in Betrieb ge-setzt wird, bis der eingestellte pH-Wert wieder erreicht ist. Die Zugabe wird in Ab-hängigkeit der Zeit registriert. Die Empfindlichkeit des Geräts bestimmt sich durchden Verdünnungsgrad der Säure bzw. Base in der Bürette. Allerdings darf sich dasProbenvolumen während der Enzymreaktion nicht wesentlich verändern. Die Zuga-ben erfolgen entweder im Wechsel von Zugaben und Pausen, was aber die Empfind-lichkeit beeinträchtigt und die Gefahr des Übertitrierens einschließt, oder durch eineproportionale Kontrolle, die eine rasche Antwort des Systems ermöglicht. Die Reakti-onslösung muß gleichmäßig gerührt werden. Störende Einflüsse von außen, wie CO2

oder elektrostatische Wechselwirkungen mit anderen Geräten oder Kunstfasern(Kleider des Experimentators) sind fernzuhalten. pH-State sind in verschiedenen Aus-führungen erhältlich (automatischer Probenwechsel mit zwischenzeitlichem Spülenund Probenvorbereitung, simultane Konstanthaltung der Substratkonzentration durcheine zweite Bürette, Systemsteuerung und Datenverarbeitung durch Computer).

Nach einem anderen pH-Stat-Prinzip wird die pH-Änderung nicht durch Titration,sondern mittels eines Elektrolyse-Stroms kompensiert, der Säure bzw. Base an denElektroden entstehen läßt. Dies hat den Vorteil, daß das Reaktionsvolumen konstantbleibt. Die pH-Kontrolle erfolgt spektrophotometrisch über pH-Indikatoren (Karcher& Pardue, 1971).

pH-Stat-Messungen sind oft empfindlicher als photometrische Tests, auch ist esmöglich, mit stark absorbierenden Homogenaten und streuenden Suspensionen, wiemembrangebundenen oder immobilisierten Enzymen, zu arbeiten. Allerdings ist daspH-Stat-Verfahren umständlich in der Handhabung und hat eine relativ lange An-sprechdauer.

194 3 Methoden

Abb. 3.18. Schematische Darstellung eines pH-Staten.

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3.2.5 Polarographie

Werden zwei Elektroden mit geringer negativer Potentialdifferenz in die Lösung ei-ner elektro-reduzierbaren Substanz getaucht, so fließt zwischen beiden Elektrodenein schwacher Reststrom. Bei kontinuierlicher Erhöhung des Potentials wird schließ-lich ein Punkt erreicht, bei dem die Substanz an der Kathode reduziert wird. DerStrom beginnt anzusteigen. Dieser Stromanstieg setzt sich bei weiterer Potentialstei-gerung solange fort, bis die Reduktion der Substanz an der Kathode durch die Diffu-sion beschränkt wird. Ab hier bewirkt weiterer Potentialanstieg keine Erhöhung desStromes. Es resultiert eine sigmoide Strom-Spannungs-Kurve, ein Polarogramm. Des-sen Wendepunkt, das Halbwellenpotential E1/2, ist eine charakteristische, konzentrati-onsunabhängige Größe der betreffenden Substanz (Abb. 3.19B). Die Höhe der Kurve,der Grenzstrom, ist ein Maß der Substanzmenge und kann für Konzentrationsbestim-mungen herangezogen werden. Elektro-oxidierbare Substanzen werden bei positivemPotential an der Anode oxidiert und ergeben ein entsprechendes, aber entgegenge-richtetes Signal.

Die Polarographie ist eine außerordentlich empfindliche Methode, die in verdünn-ten Lösungen und mit geringen Probenvolumina arbeitet (Abb. 3.19A). Als Kathodebeim Studium von Reduktionen eignet sich eine tropfende Quecksilberelektrode.Quecksilber tropft aus einem Reservoir durch eine Kapillare in die Lösung, wobeidie Reservoirhöhe so eingestellt wird, daß pro Minute 10–20 Tropfen in die Lösungfallen. Durch die sich beständig erneuernde Oberfläche wird eine Vergiftung derElektrode z. B. durch Proteine verhindert. Die sich bildende Quecksilberschicht amGefäßboden kann als Anode dienen. Vielfach wird jedoch eine Kalomelelektrode ver-wendet, die mit der Probelösung durch eine Salzbrücke verbunden ist. Die angelegteSpannung wird potentiometrisch verändert und der erzeugte Strom durch ein Galva-nometer gemessen. Für Oxidationen wird eine rotierende Platinelektrode oder eineKohlenstoffelektrode als Anode verwendet.

Ergeben Produkt oder Substrat einer Enzymreaktion ein polarographisches Signal,so kann der enzymatische Umsatz bei konstantem Potential zeitlich verfolgt werden

A3.2 Elektrochemische Methoden 195

Abb. 3.19. Schematische Darstellung einer polarographischen Messung mittels einer tropfenden Queck-silberelektrode (A) und eines Polarogramms zur Bestimmung des Halbwellenpotentials E1/2 (B).

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und man erhält eine Zeit-Umsatz-Kurve, wobei die Stromstärke ein Maß des Umsat-zes ist. Polarographischen Messungen zugänglich sind Reaktionen mit Sauerstoff(wobei eine Sauerstoff-Elektrode verwendet werden kann), Thiolverbindungen (z. B.von Coenzym A-abhängigen Reaktionen) und Carbonylverbindungen, wie Pyruvatund NAD+ bzw. NADH. Gegenüber photometrischen Verfahren kann hier in trüben,stark absorbierenden Proben gemessen werden.

3.3 Kalorimetrie

Die Kalorimetrie ist eine der ältesten biologischen Methoden. Bereits 1780 studiertenLavoisier und Laplace mit ihrer Hilfe die tierische Atmung. Trotzdem setzte sichdiese Methode in der Biochemie bisher wenig durch. Die meisten chemischen undbiologischen Prozesse sind begleitet von Wärmefreisetzung oder Wärmeaufnahmeaus der Umgebung. Die Wärmeentwicklung steht in direktem Verhältnis zum Verlaufder Reaktion. Die Kalorimetrie ist damit eine breit anwendbare Methodik, die denVorteil besitzt, daß Systeme direkt, ohne äußere Beeinflussung oder Modifikation un-tersucht werden können, auch bestehen keine besonderen Reinheitsanforderungen.Mit Hilfe von Mikrokalorimetern ist es möglich, Änderungen im Bereich von mJ zuerfassen, womit der mikromolare Konzentrationsbereich zugänglich ist.

Zwei kalorimetrische Prinzipien werden hauptsächlich angewandt. Bei adiabati-schen Kalorimetern erfolgt kein Wärmeaustausch mit der Umgebung. Die vom Sy-stem freigesetzte bzw. aufgenommene Wärmemenge Q= ��T wird durch die relativeTemperaturänderung erfaßt, mit der sie über die Kalibrierungskonstante � proportio-nal ist. Nach außen sind die Kalorimetergefäße durch einen Luft- oder Vakuumman-tel abgeschirmt (isoperibole Kalorimeter), der jedoch besonders bei lang andauern-den Prozessen einen gewissen Wärmeaustausch nicht völlig ausschließt. Durch einenheizbaren adiabatischen Metallschild innerhalb des Außenmantels, der sich automa-tisch immer auf die Innentemperatur im Kalorimetergefäß einreguliert, wird der Wär-meaustausch mit der Umgebung unterbunden (Abb. 3.20A). Mit dieser Art von Kalo-rimetern ist es jedoch nicht möglich, bei konstanter Temperatur zu messen.

196 3 Methoden

Abb. 3.20. Schema eines adiabatisch abgeschirmten Kalorimeters (A) und eines Wärmeleitungskalori-meters mit Zwillingsanordnung (B).

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Bei Wärmeleitungskalorimetern wird die Wärme aus dem Reaktionsgefäß direktan ein äußeres Wärmereservoir abgegeben und der Wärmefluß durch ein zwischenbeiden Kompartimenten angebrachtes Thermoelement kontrolliert (Abb. 3.20 B). Al-lerdings sind diese Geräte relativ träge und eignen sich deshalb eher für langsameProzesse. Bei isothermischen Kalorimetern werden endo- und exothermische Effektedurch Heizung bzw. Kühlung in der Meßzelle kompensiert und die zur Kompensati-on erforderlichen Impulse zeitabhängig erfaßt. Das Scanning-Kalorimeter hält Refe-renz- und Probenzelle auf gleicher Temperatur und registriert die zur Kompensationder Probenzelle erforderliche Wärmemenge.

Manipulationen, wie der Start einer Reaktion durch Substratzugabe oder Rührenbeeinflussen die kalorimetrischen Messungen. Zu deren Kompensation, wie auchzum Ausgleich von unspezifischem Wärmeaustausch mit der Umgebung, kommenmit zwei identischen Kammern ausgestattete Zwillingskalorimeter zur Anwendung.Proben- und Referenzkammer werden gleich behandelt, die eigentliche Reaktionläuft jedoch nur in der Probenkammer ab. Um Änderungen der Absorption oder deroptischen Dichte in der Meßzelle zu verfolgen, werden Kalorimeter auch mit photo-metrischen Systemen ausgerüstet. Für Enzymreaktionen eignen sich besonders mitMisch- bzw. Durchflußzellen ausgestattete Flow-Kalorimeter. Bei einer unter Steady-State-Bedingungen verlaufenden Reaktion nullter Ordnung ist die in der Zeiteinheitfreigesetzte Wärmemenge konstant und die Höhe der Abweichung von der Basislinieist proportional zur Umsatzgeschwindigkeit.

Ligandenbindung an Makromoleküle läßt sich kalorimetrisch verfolgen. In getrenn-ten Experimenten wird der Anteil der Verdünnungswärme des Liganden und gegebenen-falls auch des Makromoleküls ermittelt und von den Meßwerten der Bindung abgezo-gen. Durch die kalorimetrische Titration des Makromoleküls mit dem Liganden erhältman die Bindungskonstante Kd und die Enthalpie der Bindung �H. Die kalorimetrischgemessene Wärmemenge Q ergibt für einen einfachen Bindungsvorgang im doppelt-re-ziproken Diagramm eine lineare Abhängigkeit von der Ligandenkonzentration [A]:

� �

#� ��

#��� � �����

Qm, die Wärmemenge beim Erreichen der Sättigung, ist der Bindungsenthalpie pro-portional: Qm =�H [A]äq. [A]äq ist die molare Menge des gebundenen Liganden beivollständiger Sättigung. In entsprechender Weise lassen sich durch kalorimetrischeBestimmungen Aggregationen von Proteinen und Untereinheiten, Protonierungen vonAminosäureresten, Wasseranlagerungen, Konformationsänderungen und Denaturie-rungsvorgänge erfassen.

3.4 Spektroskopische Methoden

Die spektroskopischen Methoden, insbesondere die Absorptionsspektroskopie, findenfür enzymkinetische Untersuchungen, für Enzymtests wie auch für Untersuchungenvon Ligandenbindungen, Konformationsänderungen, Katalysemechanismen usw. brei-

A3.4 Spektroskopische Methoden 197

Page 208: Enzymkinetik (3. Auflage)

teste Anwendung. Dies liegt an der einfachen Handhabung und der Möglichkeit, zeit-liche Vorgänge, wie Enzymreaktionen, kontinuierlich zu registrieren. In den Reaktions-ablauf kann jederzeit (durch Zugaben oder Modifikationen) eingegriffen werden. Hoch-wertige Absorptionsspektrophotometer sind preisgünstig und vielseitig anwendbar, soauch zur Konzentrationsbestimmung verschiedenster biologisch relevanter Substan-zen, wie Proteine, Nucleinsäuren, Lipide und niedermolekulare Metabolite. Im folgen-den wird ein Überblick über das Prinzip der für Enzymuntersuchungen wichtigsten pho-tometrischen Methoden gegeben und auf spezielle Anwendungen eingegangen. All die-sen Methoden gemeinsam ist das Prinzip, in eine Probenlösung Licht einzustrahlen unddessen Veränderung durch die Probe (Absorption, ORD, CD) oder das von der Probeselbst ausgesandte Licht (Fluoreszenz, Raman-Effekt) zu beobachten.

Ein Lichtquant kann mit einem Molekül auf verschiedene Weise in Wechselwir-kung treten. Abbildung 3.21 zeigt das Termschema der Zustände eines Elektrons. Esexistiert in einem Grundzustand S0 und einem angeregten Zustand S1. Die Energie-differenz zwischen beiden beträgt ca. 340 kJ/mol. Jeder dieser Zustände besitzt ver-schiedene Schwingungsniveaus, deren Energiedifferenzen ca. 40 kJ/mol ausmachenund Rotationsniveaus, die sich in weniger als 4 kJ/mol unterscheiden. Bei normalerTemperatur verharren die Moleküle bevorzugt im untersten Schwingungsniveau desGrundzustandes, es werden jedoch verschiedene Rotationsniveaus eingenommen. DieAbsorption eines Lichtquants der entsprechenden Frequenz regt das Molekül zumÜbergang in den angeregten Zustand S1 an, wobei die verschiedenen Schwingungs-und Rotationsniveaus besetzt werden können. Daraus sollte ein Absorptionsspektrum

198 3 Methoden

Abb. 3.21. Termschema des Energiegehalts eines Elektrons. Durch Energieaufnahme mittels Photo-nenbestrahlung gelangt das Elektron vom Grundzustand S0 in den angeregten Zustand S1. Von hierkehrt es entweder direkt (Absorption) oder, bei längerer Verweildauer im untersten Schwingungsni-veau des S1-Zustands, unter Aussendung von Fluoreszenzlicht, in den Grundzustand zurück, bzw. esfolgt einem Intersystem-Übergang in einen energieärmeren Triplett-Zustand T1. Die Linien über denZuständen entsprechen den Schwingungsniveaus.

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mit einer großen Zahl eng benachbarter scharfer Banden resultieren. Durch Einflüsseder Umgebung, insbesondere in Lösung, wie auch durch andere Faktoren, werden dieBanden derart verbreitert, daß sie zu einer oder wenigen breiten Absorptionsbandenverschmelzen, die charakteristisch für das jeweilige Molekül sind.

Im angeregten Zustand S1 kann das Molekül nicht verweilen. Zumeist erfolgtstrahlungslose Desaktivierung, d. h. die Anregungsenergie geht in Form von Wärmeauf die Umgebung über. Dies geschieht durch Zusammenstöße mit Molekülen dergleichen Art oder mit Fremdmolekülen, wobei bestimmte Verbindungen, wie gelöstermolekularer Sauerstoff, besonders effizient sind. Man faßt diese Vorgänge der Desak-tivierung des angeregten Zustands auch als externe Konversionen zusammen. Teilwei-se erfolgt die Desaktivierung im Molekül durch Umverteilung der Energie auf in-terne Schwingungen (interne Konversion) und schließlich kann über einen verbotenenstrahlungslosen Spinumkehrprozeß der angeregte Singulett- in einen energieärmerenangeregten Triplettzustand T1 übergehen (intersystem crossing). Letzterer besitzt einelange Lebensdauer in der Größenordnung von ms bis zu einigen s und führt zurEmission von Phosphoreszenzlicht. Allerdings wird dieser Zustand aufgrund seineraußerordentlich langen Lebensdauer in Lösung zumeist durch interne und externeKonversionen vollständig desaktiviert und ist dann nur in fester Phase und bei tiefenTemperaturen zu beobachten.

Wird das angeregte Elektron im S1-Zustand nach seiner Anregung nicht sofort de-saktiviert, so wechselt es zunächst strahlungslos auf das unterste Schwingungsniveau(Abb. 3.21). Hierbei ist die Zeitdauer der jeweiligen Vorgänge entscheidend. Die An-regung des Moleküls geschieht so rasch (�10–15 s), daß sich die Kerne aufgrund ih-rer Massenträgheit nicht so schnell dem angeregten Zustand anpassen können undden Kernabstand des Grundzustands zunächst beibehalten (Franck-Condon-Prinzip).Es erfolgt ein vertikaler Übergang (Abb. 3.22) durch mehrere Schwingungsniveaus

A3.4 Spektroskopische Methoden 199

Abb. 3.22. Franck-Condon-Prinzip für ein zweiatomiges Molekül. Der Übergang des Elektrons er-folgt in Resonanz vom Grundzustand S0 auf ein in gleicher Phase schwingendes Niveau des angereg-ten Zustandes S1.

Page 210: Enzymkinetik (3. Auflage)

bis zum Niveau mit der höchsten Wahrscheinlichkeit für den Kernabstand, der dem ur-sprünglichen Zustand am nächsten kommt. Von hier wechselt das Elektron rasch (10–

12 s) in das unterste Schwingungsniveau mit einer durchschnittlichen Verweildauervon einigen ns. Schließlich kehrt das angeregte Elektron unter Emittierung von energie-ärmerem, d.h. langwelligerem Licht (Fluoreszenz) in den Grundzustand zurück. DieserVorgang konkurriert mit den oben erwähnten Desaktivierungsprozessen. In dem Maße,wie diese schneller sind als der Emissionsvorgang, wird die Fluoreszenzerscheinungabgeschwächt oder völlig gelöscht, es wird dann nur Absorption beobachtet.

3.4.1 Absorptionsspektroskopie

3.4.1.1 Lambert-Beersches Gesetz

Grundlage der Absorptionsmessungen ist das Lambert-Beersche Gesetz, das die Ab-schwächung der Lichtintensität I0 einer bestimmten Wellenlänge � nach dem Durch-tritt durch die Lösung einer absorbierenden Verbindung der molaren Konzentration cbeschreibt:

� ������ � ������

d ist die Schichtdicke und � der molare Absorptionskoeffizient (l·mol–1·cm–1). I/I0

wird als Transmission oder Durchlässigkeit bezeichnet und zumeist in Prozent ange-geben. Ungehinderter Lichtdurchtritt, d. h. I = I0, bedeutet eine Transmission von 1oder 100%, 0% Transmission ist völlige Lichtundurchlässigkeit, z. B. bei geschlosse-nem Strahlengang. Diese beiden Grenzwerte dienen der Eichung von Photometernbei gegebener Wellenlänge. Nach Gl. (3.16) nimmt die Lichtintensität exponentiellmit der Konzentration des absorbierenden Stoffes ab. Eine lineare Abhängigkeit be-steht hinsichtlich des negativen Logarithmus der Transmission:

� � � ����� � ��� � ������

A ist das Absorptionsmaß. Die früher üblichen Bezeichnungen Extinktion oder opti-sche Dichte sind nicht mehr gültig (als optische Dichte bzw. Opazität gilt genau ge-nommen der Quotient I0/I).

3.4.1.2 Spektrale Eigenschaften von Enzymen und Liganden

Grundsätzlich zeigen alle Verbindungen Absorption und sind damit dieser Methodikzugänglich. Allerdings befinden sich die Absorptionsmaxima vieler Substanzen, wieder aliphatischen Verbindungen, im experimentell schwer zugänglichen UV-Bereich,der auch durch die Vielzahl sich überlagernder Spektren in Reaktionsmischungen un-übersichtlich und schwer analysierbar ist. Für viele Problemstellungen, wie für en-zymkinetische Untersuchungen, Ligandenbindungen oder Konformationsänderungen,ist weniger die absolute Absorption einer Verbindung von Bedeutung als das Ausmaß

200 3 Methoden

Page 211: Enzymkinetik (3. Auflage)

einer spektralen Veränderung. Die Umwandlung von Substrat in Produkt ist um sobesser photometrisch zu verfolgen, je mehr sich die Spektren beider Partner vonein-ander unterscheiden. Ein ideales Beispiel sind NAD+ und NADP+, die durch Redukti-on zu NADH bzw. NADPH (+H+) eine zusätzliche Absorptionsbande im gut zugäng-lichen Bereich bei 340 nm zeigen, so daß Reaktionen, an denen diese Verbindungenals Cosubstrate teilnehmen, über das Erscheinen oder Verschwinden dieser Bandeeinfach meßbar sind. Mit diesem optischen Test sind nicht nur die von diesen Verbin-dungen direkt abhängigen Dehydrogenasen zugänglich, sondern auch Enzyme, derenProdukt wiederum Substrat einer Dehydrogenase ist, wie auch diejenigen Enzyme,die das Produkt einer Dehydrogenase als Substrat akzeptieren. Deren Reaktionen kön-nen mit denen der Dehydrogenasen gekoppelt und Substratverbrauch bzw. Produktzu-nahme des zu testenden Enzyms über den NAD-Umsatz der Dehydrogenase bestimmtwerden (gekoppelter Test). Auf diese Weise lassen sich bis zu drei Reaktionen mitein-ander verknüpfen. Gekoppelte Tests sind zwar für Aktivitätsbestimmungen von Enzy-men sehr hilfreich, für enzymkinetische Untersuchungen sind sie weniger zu empfeh-len, da Einflüsse der gekoppelten Reaktionen und der als Indikatorenzym fungierendenDehydrogenase bei Variation verschiedener Parameter nicht auszuschließen sind.

Die meisten Substrat/Produkt-Paare von Enzymreaktionen zeigen nicht so deutlichespektrale Unterschiede wie NAD+/NADH. Meistens erschöpfen sich die Änderungen ingeringfügigen spektralen Verschiebungen oder Intensitätsunterschieden, teilweise sindüberhaupt keine Änderungen zu erkennen, wie bei vielen Isomerisierungen. Auch Liga-ndenbindungen und Konformationsänderungen von Proteinen zeigen höchstens gering-fügige spektrale Änderungen, die nur mit sehr empfindlichen Photometern, wie Doppel-strahl- und Doppelwellenlängenphotometer (s. u.), erfaßbar sind.

Während für enzymkinetische Messungen die Absorptionseigenschaften der Sub-strate und Produkte entscheidend sind, konzentrieren sich Bindungsmessungen undKonformationsuntersuchungen auf die spektralen Eigenschaften des Proteins und ggf.gebundener Cofaktoren. Aufgrund des übereinstimmenden Aufbaus der Proteine ausden 20 proteinogenen Aminosäuren zeigen deren Spektren eine einheitliche Form. Imfernen UV-Bereich findet sich der Beitrag der Peptidbindung (�190 nm) wie auchder Amino- und Carboxylgruppen. Hier absorbieren aber auch anorganische Ionen,wie Cl– (181 nm) und OH– (187 nm) sowie Sauerstoff in gasförmiger und gelösterForm. Für Messungen in diesem Bereich muß daher das optische System des Photo-meters mit Stickstoff begast werden. Lösungen sind zu entlüften. Allerdings ist auf-grund geringer Lampenintensität dieser Bereich mit konventionellen Geräten kaumzugänglich.

Zwischen 190 und 210 nm zeigen Sekundärstrukturelemente von Proteinen, �-He-lix, �-Faltblattstruktur und ,Zufallsknäuel‘, Absorptionsbanden. Die Bande der �-He-lix hat die geringste Intensität, besitzt aber eine charakteristische Schulter zwischen200 und 210 nm (Abb. 3.23). Aus diesen Absorptionen kann der Anteil der Sekundär-strukturen bei bestimmten Proteinen ermittelt werden, auch lassen sich Konformati-onsänderungen an Sekundärstrukturen studieren. In diesem Bereich zeigen auch diedrei aromatischen Aminosäuren sehr ausgeprägte Maxima, Phenylalanin das kurzwel-ligste und intensivste (< 190 nm mit einer Schulter bei 206 nm), Tyrosin das langwel-ligste (220 nm) und schwächste. Das Tryptophanspektrum liegt dazwischen (Abb.3.24). Histidin hat eine Bande bei 210 nm, Methionin besitzt hier eine Schulter. Cy-

A3.4 Spektroskopische Methoden 201

Page 212: Enzymkinetik (3. Auflage)

stein zeigt eine Absorption zwischen 200 und 210 nm, die bei Deprotonierung derThiolgruppe in der Intensität zunimmt, auch entsteht in diesem Fall eine zusätzlicheBande zwischen 230 und 240 nm. Dieser Effekt läßt sich zur quantitativen Thiolgrup-penbestimmung in Proteinen ausnutzen. Die übrigen Aminosäuren zeigen im Bereichunterhalb 200 nm einander sehr ähnliche Absorptionen, die im wesentlichen von derCarboxylgruppe herrühren. Zwischen 190 und 220 nm tragen damit sehr viele Fakto-ren zum Proteinspektrum bei, das hier eine sehr starke Absorptionsbande aufweist.

Spezifische Effekte aus dieser Gesamtabsorption herauszuarbeiten ist allerdingsschwierig. Hierfür eignet sich die im längerwelligen Bereich zwischen 260 und300 nm liegende zweite Absorptionsbande wesentlich besser. Diese Bande ist zwardeutlich schwächer, wird jedoch nur gebildet aus Absorptionsbeiträgen der drei aro-matischen Aminosäuren (Abb. 3.24). Von diesen zeigt Phenylalanin die kurzwelligsteund schwächste Absorption. Sein Maximum bei 257 nm ist achtmal schwächer als

202 3 Methoden

Abb. 3.23. UV-Spektren von Sekundär-strukturelementen von Proteinen (nachRosenheck & Doty, 1961).

Abb. 3.24. UV-Spektren aromatischerAminosäuren (nach Wettlaufer, 1962).

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das des Tyrosins und 35mal schwächer als das des Tryptophans (Tab. 3.2). Phenylala-nin ist daher in Proteinspektren nur bei Abwesenheit der beiden anderen aromati-schen Aminosäuren zu erkennen. Charakteristisch für das Phenylalaninspektrum indiesem Bereich ist eine ausgeprägte Feinstruktur mehrerer kleiner Maxima, die ne-ben Tyrosin und Tryptophan an der kurzwelligen Flanke der gemeinsamen Absorpti-onsbande, insbesondere in fester Phase bei tiefen Temperaturen, erkennbar werden.Tyrosin hat ein langwelliges Absorptionsmaximum von 274 nm, das in Anwesenheitvon Tryptophan von dessen starker Absorption bei 280 nm überdeckt wird. In nativenProteinen, die alle aromatischen Aminosäuren enthalten, zeigt die gemeinsame lang-wellige Absorptionsbande vor allem die Charakteristika des Tryptophanspektrums

A3.4 Spektroskopische Methoden 203

Tab. 3.2. Spektrale Eigenschaften von Aminosäuren und Coenzymen in wässriger Lösung. �: MolarerAbsorptionskoeffizient; �F: Quantenausbeute (teilweise nach Fasman, 1989).

Verbindung Absorptionsmaximum Emissionsmaxima

�max (nm) � (l·mol–1 cm–1) �max (nm) �F (%)

Phenylalanin 206242257267

930086

19791

282 4

Tyrosin 224274,6

88001420

303 21

Tryptophan 219280

35 0005600

350 20

Histidin 211 5860Cystein 250 360Cystin 248 350Adenin 259 14 900 321 0,026Coenzym A 260 16 000FAD 260

375438445

46 2009300

14 60011 300

536 2,5

FMN 450 12 200 536 24NAD, NADP 260 18 000NADH, NADPH 260

34014 100

6220470 1,9

Pyridoxalphosphat 295388

67006500

392

Thiamindiphosphat 235267

10 1009200

p-Aminobenzoesäure 305 360ANS 350 515 0,4ANS in Ethanol 470 37TNS 317 500 0,08TNS in Ethanol 429 52DANSYL-Amid 320 580 5,5DANSYL proteingebunden 468 84Fluorescein 495 518 92Rhodamin B 575 630 80

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mit einem Maximum bei 280 nm. Die Intensität dieser Bande dient vielfach als Maßder Proteinkonzentration. Das Absorptionsmaximum von Tyrosin wird intensiviertund verschiebt sich bei Ionisierung der phenolischen Hydroxylgruppe im alkalischenMilieu um 20 nm nach längeren Wellenlängen zu 295 nm. Damit kann Tyrosin inProteinen mittels alkalischer Titration quantitativ bestimmt werden.

Aus der Kenntnis der Aminosäurezusammensetzung eines speziellen Proteins läßtsich durch Überlagerung der individuellen Aminosäurespektren ein Proteinspektrumerrechnen. Solche kalkulierten Spektren weichen jedoch deutlich von gemessenenSpektren des nativen Proteins ab, insbesondere ist die Intensität der Banden geringerals die Summe der einzelnen Aminosäureanteile. Dies beruht darauf, daß im Innerendes gefalteten Proteins Aminosäurereste abgeschirmt sind. Durch partielle Entfaltungdes Proteinmoleküls mittels Harnstoff, Guanidiniumchlorid und anderen Detergentienwerden diese Reste zunehmend exponiert, die spektrale Intensität steigt an. Durchschrittweise Denaturierung lassen sich so Aussagen über die Proteinstruktur gewin-nen. Auch Konformationsänderungen von Proteinen, die mit Verbergen oder Exponie-ren aromatischer Aminosäurereste einhergehen, geben sich ebenfalls durch spektraleVeränderungen zu erkennen. Weiterhin führen Änderungen der Polarität der Umge-bung bestimmter Aminosäurereste zu spektralen Verschiebungen. Eine Polaritätsab-nahme bewirkt eine Rotverschiebung der Absorptionsmaxima aromatischer Amino-säuren, verursacht durch den Unterschied im Energiegehalt zwischen Grundzustandund angeregtem Zustand. Komplexbindungen, wie Charge-Transfer-Komplexe oderMetallkomplexe, bewirken ebenfalls spektrale Änderungen.

Auf solchen Effekten beruht das Prinzip der Bestimmung der Ligandenbindungbei Proteinen durch spektroskopische Titrationen mit der Differenzspektroskopie. DieWechselwirkungen des bindenden Liganden mit dem Protein führen entweder direktzu einer Veränderung des Protein- oder Ligandenspektrums, oder die Bindung gibtsich durch eine von ihr induzierte Konformationsänderung zu erkennen.

3.4.1.3 Aufbau von Spektralphotometern

Die Entwicklung von Photometern geht auf die Göttinger Physiker Julius Elster undHans Geitel zurück, die 1891 die erste Vakuum-Photozelle beschrieben. Hauptbe-standteile eines Spektralphotometers sind die Lichtquelle, ein Monochromator zurspektralen Aufspaltung des Lichts und eine Photozelle bzw. ein Photomultiplier zurMessung der Lichtintensität. Zum Gerät gehören zudem Vorrichtungen zur Anzeigeund zur Registrierung des Meßsignals (Abb. 3.25).

Lichtquelle. Eine ideale Lichtquelle für Spektralphotometer sollte den gesamten spek-tralen Bereich mit gleichbleibender Lichtintensität, einem Kontinuum, abdecken. Al-lerdings existieren solche Lichtquellen nicht, vielmehr zeigen alle erhältlichen Lam-pen deutliche Charakteristiken mit einem Intensitätsmaximum in einem bestimmtenWellenlängenbereich. Auch ist es nicht möglich, den UV- und den sichtbaren Spek-tralbereich mit einer einzigen Lampe vollständig abzudecken. Käufliche Spektralpho-tometer sind daher mit einer Wasserstoff- bzw. Deuteriumlampe für den UV-Bereichvon 190 bis 340 nm und einer Wolfram- oder Halogenlampe für den sichtbaren Be-

204 3 Methoden

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reich von 320 bis 900 nm ausgestattet. Durch einen Umlenkspiegel wird das Licht derbetreffenden Lampe durch die Probe geleitet. Einfache Geräte verzichten auf die UV-Lampe. Für Messungen bei konstanten Wellenlängen reichen oft Filterphotometermit einer Quecksilberlampe aus, die distinkte Linien aussendet (Linienspektrum). Siebesitzen eine hohe Stabilität und eignen sich gut für enzymkinetische Messungen wiefür Proteinbestimmungen. Mit Hilfe von Interferenz- oder Flüssigkeitsfiltern wird einebestimmte Linie herausgeblendet, ein Monochromator ist daher nicht erforderlich.

Monochromator. Die spektrale Auflösung des Lichts erfolgt bei den meisten Photo-metern mit Hilfe von Beugungsgittern. Gegenüber den früher häufig verwendetenGlas- oder Quarzprismen haben sie den Nachteil eines größeren Streulichtanteils unddamit einer geringeren spektralen Reinheit. Der Vorzug von Gittern macht sich je-doch beim Registrieren von Spektren geltend. Bei gleichmäßiger Drehung des Gitterswird durch den Austrittsspalt des Monochromators kontinuierlich das spektral aufge-löste (monochromatische) Licht ausgeblendet und in die Probenlösung gelenkt. BeiGittern ist das Ausmaß der Drehung proportional zur Wellenlänge. Die Drehung er-folgt durch einen Schrittmotor, dessen Vorschub direkt als Signal für die Wellenlän-genskala des Spektrums dient. Prismen zeigen dagegen keine lineare Aufspaltung desLichts, was die Aufnahme kontinuierlicher Spektren erschwert. Die spektrale Rein-heit von Gittern, d.h. deren Güte, hängt ab von Dichte und Gestalt der Furchen. Einhoher Grat zwischen den Furchen verursacht Lichtstreuungen. Durch Abflachungkann diese Störung vermindert werden, wobei das Gitter auf eine bestimmte Wellen-länge und einen bestimmten Einfallswinkel optimiert wird (geblazed). Häufig werdendurch ein Laser-Holographie-Verfahren hergestellte streulichtfreie holographischeKonkavgitter verwendet. Für optisch sehr reines Licht können auch zwei Monochro-matoren hintereinander geschaltet werden. Die Breite von Ein- und Austrittsspalt desMonochromators bestimmt die Schärfe des spektralen Ausschnitts. Als Maß gilt dieBandbreite des Lichtstrahls, d. h. die spektrale Breite bei halber Intensität. Der Ge-winn an optischer Reinheit bei enger Ausblendung geht jedoch einher mit dem Ver-lust an Lichtintensität und damit an Empfindlichkeit. Weiterhin muß die Spaltbreitemit der Qualität des Gitters harmonieren, schlechte spektrale Auflösung eines einfa-chen Gitters kann nicht durch einen engen Spalt kompensiert werden.

A3.4 Spektroskopische Methoden 205

Abb. 3.25. Bauprinzip einesSpektralphotometers.

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Küvetten. Zur Vermeidung von Reflexionen und Streuungen werden rechteckige Kü-vetten mit plangeschliffenen Flächen verwendet. Sie haben zumeist eine Schichtdickevon 1 cm. Im sichtbaren Spektralbereich (340–800 nm) werden Glas- oder Kunst-stoffküvetten eingesetzt, die jedoch für UV-Licht undurchlässig sind. In diesem Be-reich sind Küvetten aus Quarzglas zu verwenden.

Photomultiplier. Die Lichtintensität wird nach dem Durchtritt durch die Probenkü-vette in einer Photozelle bzw. einem Sekundärelektronenvervielfacher (Photomulti-plier) gemessen. Die für die Elektronenauslösung zumeist verwendeten Photokatho-den aus Alkalimaterial haben eine optimale Ansprechbarkeit in einem bestimmtenSpektralbereich. Neben der Lichtquelle zeigen auch alle übrigen optischen Materia-len, wie Beugungsgitter, Spiegel und Sammellinsen, eine wellenlängenabhängigeCharakteristik. Diese Effekte überlagern sich dem Spektrum einer absorbierendenProbe, das dadurch starke Verzerrungen erleidet. Zur Erzeugung wahrer Spektren ver-fügen die Photometer über Korrektureinrichtungen. Mittels Widerstandsleisten wirddas Photomultipliersignal wellenlängenabhängig auf ein einheitliches Niveau justiert.Computergesteuerte Geräte führen die Korrektur über Rechenprogramme durch. Pho-tomultiplier besitzen auch bei völligem Lichtausschluß einen Dunkelstromanteil, derein beständiges Hintergrundrauschen verursacht und die Empfindlichkeit des Gerätsbeeinflußt.

Diodenzeilen-Photometer (Diodenarray-Photometer) verwenden anstatt eines Photo-multipliers einen Mehrkanalphotodetektor. Eine große Zahl von Photodioden ist line-ar angeordnet. Das polychromatische Licht der Lampe wird direkt durch die Küvettegeleitet und erst danach im Gittermonochromator spektral aufgelöst. Das gesamteSpektrum wird auf den Mehrkanalphotodetektor projiziert und dort insgesamt erfaßt.Spektren können auf diese Weise innerhalb weniger Millisekunden aufgenommenwerden. Diese Technik wird in Rapid-Scanning-Stopped-Flow-Apparaten eingesetzt,die in der Lage sind, pro Sekunde mehrere hundert Spektren zu messen.

Registrierung. Zur Aufzeichnung durch Laborschreiber wird der im Photomultiplierinduzierte Strom in eine diesem proportionale Spannung überführt. Dieses Transmis-sionssignal wird nach dem Lambert-Beerschen Gesetz mittels eines Transmissions-Absorptions-Wandlers in ein Absorptionssignal transformiert. Durch Verstärkung las-sen sich auch noch kleinste Absorptionsunterschiede sichtbar machen, doch setzt dasRauschen des Geräts Grenzen. Daher bestimmt sich die Güte von Geräten nach demSignal-Rausch-Verhältnis, das aussagt, wie schwach ein Meßsignal gerade noch seindarf, damit es über dem Hintergrundrauschen noch zu erkennen ist. Die Registrie-rung erfolgt für kinetische Messungen zeitabhängig, bei spektralen Untersuchungenin Abhängigkeit der Wellenlänge. Computergesteuerte Geräte bilden das Meßergebniszunächst auf einem Bildschirm ab, es kann dann abgespeichert und durch einenDrucker dokumentiert werden. Die Computersteuerung ermöglicht auch die unmittel-bare Verarbeitung und Berechnung der Daten. So können Ausschnitte ausgeblendet,Steigungen (z. B. zur Bestimmung von Reaktionsgeschwindigkeiten) mit Regressions-verfahren berechnet und Datensätze (Spektren) voneinander subtrahiert werden.

206 3 Methoden

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3.4.1.4 Doppelstrahl-Spektralphotometer

Einfache Photometer sind nach dem Einstrahlprinzip gebaut, es befindet sich jeweilsnur eine Küvette im Strahlengang. Referenz- bzw. Leerwerte werden getrennt gemes-sen und durch Nullpunktsunterdrückung oder rechnerisch von den Meßwerten abge-zogen. Das gilt auch für Fälle, wo Spontanreaktionen, z. B. durch Instabilität desSubstrats, in der Meßlösung neben der eigentlichen Enzymreaktion ablaufen. Hierbringt das Zwei- oder Doppelstrahlprinzip eine wesentliche Verbesserung (Abb. 3.26).Der vom Monochromator kommende Lichtstrahl trifft auf eine schnell rotierende, miteinem Reflexionsspiegel versehene Lochblende, die diesen wechselweise total reflek-tiert bzw. ungehindert passieren läßt. Die beiden alternierenden Strahlen werden aufspiegelsymmetrischen Wegen durch zwei unterschiedliche Küvetten, eine Proben-und eine Referenzküvette, geleitet. Nach dem Durchtritt durch die Küvetten werdendie beiden Strahlen über eine mit der ersten baugleichen und sich in gleicher Fre-quenz drehenden zweiten Lochblende auf einem einheitlichen Wege zum Photomulti-plier geführt. Dieser unterscheidet zwischen beiden Lichtstrahlen. Als Meßgröße wirddie Differenz zwischen Proben- und Referenzstrahl ausgegeben. Nach einem anderenKonstruktionsprinzip wird der Lichtstrahl durch einen Strahlenteiler in zwei Strahlenjeweils halber Intensität gespalten und diese auf parallelen Wegen ebenfalls durchzwei Küvetten geschickt. Die rotierende Blende ist hier unnötig, allerdings muß jederStrahl nach dem Durchtritt durch die Küvette mit einem eigenen Photomultiplier ge-messen werden.

Enthalten Proben- und Referenzküvette eines Zweistrahlphotometers die gleicheabsorbierende Substanz in identischer Konzentration, so erfassen beide Strahlen dasgleiche Absorptionsspektrum, der Probenstrahl mit positivem, der Referenzstrahl mitnegativem Vorzeichen. Beide Meßeffekte kompensieren sich gegenseitig, das Photo-meter registriert eine Basislinie. Dies ermöglicht es, auch bei hohen Absorptionen ge-ringfügige Differenzen zwischen zwei Proben sichtbar zu machen. Allerdings verur-sachen bei starken Absorptionen bereits schwache Einflüsse, wie geringfügige Kon-zentrationsdifferenzen, schlecht justierte Strahlengänge oder Unterschiede in derSchichtdicke beider Küvetten, deutliche Effekte und täuschen spektrale Unterschiedezwischen den Proben vor.

A3.4 Spektroskopische Methoden 207

Abb. 3.26. Bauprinzip einesDoppelstrahlspektralphotometersmit Tandemküvettenanordnungfür Differenzspektroskopie.

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3.4.1.5 Differenzspektroskopie

Das Zweistrahlverfahren eignet sich besonders dafür, durch Wechselwirkungen ver-schiedener Komponenten verursachte spektrale Verschiebungen mittels der Differenz-spektroskopie zu studieren, die hier am Beispiel der Makromolekül-Liganden-Bin-dung beschrieben werden soll. Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser Methodeist das Auftreten einer durch die Bindung verursachten spektralen Änderung, wobeies zunächst zweitrangig ist, ob diese das Liganden- oder das Proteinspektrum oderauch beide betrifft, aber aufgrund seiner makromolekularen Struktur ist das Proteindafür prädestiniert. Spektrale Änderungen werden entweder durch direkte Wechsel-wirkung des Liganden mit Gruppen der Bindungsregion des Makromoleküls oderdurch bindungsinduzierte Konformationsänderungen verursacht. Es muß sich jedochum spezifische Effekte handeln, nicht z. B. um durch die Ligandenlösung verursachtepH- oder Ionenstärke-Änderungen. Zur Erkennung spektraler Veränderungen ist eszunächst erforderlich, mittels der Zweistrahlanordnung die absoluten Spektren so-wohl des Makromoleküls wie des Liganden zu kompensieren. Dies wird durch Tan-demküvetten erreicht, die durch eine geschliffene Trennwand in ihrer Mitte in zweiKammern gleicher Schichtdicke unterteilt sind (Abb. 3.26). Zur Durchführung einerBindungsmessung wird so vorgegangen, daß die Makromoleküllösung in gleicherKonzentration jeweils in eine Kammer von Proben- und Referenzküvette gegebenwird. Die beiden anderen Kammern werden mit Pufferlösung aufgefüllt. Da sich dieAbsorptionen beider Küvetten ausgleichen, muß eine Basislinie erhalten werden. Ab-weichungen an dieser Stelle deuten auf Konzentrationsdifferenzen hin. Nun wird einedefinierte Menge des Liganden in die Probenküvette zur Makromoleküllösung gege-ben und die gleiche Menge in die mit Pufferlösung gefüllte Kammer der Referenzkü-vette, um die Ligandenabsorption zu kompensieren. Da die Makromoleküllösungdurch den Ligandenzusatz in der Probenküvette verdünnt wurde, muß zur Vermeidungvon Konzentrationsdifferenzen eine gleiche Menge an Pufferlösung zur Makromolekül-lösung in der Referenzküvette gegeben werden. Aufgrund der zumeist sehr geringenspektralen Verschiebungen ist die Methode sehr empfindlich gegenüber Konzentrati-onsdifferenzen. Daher sind die einzelnen Ligandengaben volumenmäßig sehr geringzu wählen und beim Durchmischen ist darauf zu achten, daß keine Lösung aus denKammern entfernt wird. Vorteilhaft ist ein kleiner Magnetrührer am Küvettenboden.Durch wiederholte Ligandenzusätze (spektroskopische Titration) läßt sich der Verlaufder Bindung verfolgen. Zunächst steigt die spektrale Veränderung im Maße der Liga-ndenzugabe an und strebt bei Absättigung der Bindungsstellen einem Plateauwert zu.Die Auswertung spektroskopischer Titrationen ist in Abschnitt 1.3.2.2 beschrieben.

Differenzspektren entsprechen in ihrer Form der ersten Ableitung des Absorptions-spektrums, falls sie nur durch eine spektrale Verschiebung ohne Intensitätsverände-rung verursacht werden. Sie zeigen die geringste Änderung an der Stelle der ur-sprünglichen Maxima, während sie selbst Maxima bzw. Minima an den Flanken desAbsorptionsspektrums aufweisen. Eine Verschiebung nach längeren Wellenlängen (ba-thochrome Verschiebung), die ihre Ursache in Energieunterschieden von Grundzustandund angeregtem Zustand in Lösungsmitteln unterschiedlicher Polarität hat, zeigen aro-matische Aminosäuren beim Übergang von einer polaren in eine weniger polare Umge-bung (Abb. 3.27). Dies tritt ein, wenn Reste durch Ligandenbindung abgeschirmt

208 3 Methoden

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werden oder sich von der äußeren Hülle des Proteins nach innen bewegen. Änderungensolcher Art können durch lösungsmittelabhängige Differenzspektren sichtbar gemachtwerden. Dabei wird die Polarität des Lösungsmittels Wasser in der Probenküvettedurch Zugaben weniger polarer Lösungsmittel wie Glycerin, Rohrzucker, Ethylen-glykol oder Polyethylenglykol gegenüber der Referenzküvette schrittweise erniedrigt.Die Reste an der Außenseite des Proteins treten in Kontakt mit der zunehmend apo-laren Umgebung, während sich diese im Inneren des Proteins nicht verändert, so daßHinweise über die Position verschiedener Reste erhalten werden. Eine noch detaillier-tere Analyse ist durch Einsatz von Lösungsmitteln verschiedener Molekülgröße mög-lich. So sind für das niedermolekulare Ethylenglykol Bereiche des Proteinmolekülszugänglich, in die das hochmolekulare Polyethylenglykol nicht eindringen kann. EineDifferenz zwischen beiden Lösungsmitteln vergleichbarer Polarität zeigt Regionenan, die sich zwar an der Außenseite, aber in engen Faltungen und Taschen befinden,wie aktive oder regulatorische Zentren. Noch weitergehend kann durch Zugabe vonHarnstoff, Detergentien oder chaotropen Substanzen der Vorgang der völligen Auffal-tung der Proteinstruktur und der stufenweisen Exponierung einzelner Reste aus demMolekülinneren studiert und daraus auf strukturelle Eigenschaften des Proteins ge-schlossen werden. Ein ähnliches Ziel verfolgen temperaturabhängige Differenzspek-

A3.4 Spektroskopische Methoden 209

Abb. 3.27. Spektrale Verschiebungen und Differenzspektren der aromatischen Aminosäuren Phenyla-lanin, Tyrosin und Tryptophan beim Übergang von der wässrigen Phase in 20% Dimethylsulfoxid. A)Absorptionsspektren (Verschiebung gestrichelt gezeichnet), B) Differenzsspektren (nach Herskovits,1969).

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tren, bei denen die Temperatur der Probenküvette gegenüber der der Referenzküvetteschrittweise gesteigert wird. Es lassen sich damit enthalpische und entropische Vor-gänge der Proteinfaltung untersuchen.

pH-abhängige Differenzspektren zeigen Protonierungsvorgänge an Gruppen des Ma-kromoleküls, wie Tyrosyl- oder Thiolresten. Spektrale Änderungen ergeben sich auchdurch Ladungseffekte in der Nähe von Chromophoren und durch Lösen bzw. Knüp-fen ionischer Bindungen und Wasserstoffbrücken und dadurch verursachte Konforma-tionsänderungen. Bei verschiedenen Makromolekülen spielen reversible Aggregati-onsvorgänge von Untereinheiten für Aktivität und Regulation eine wichtige Rolle.Solche Prozesse lassen sich durch konzentrationsabhängige Differenzspektren unter-suchen, bei denen die Makromolekülkonzentration gegenüber der Referenzküvettezur Verschiebung des Aggregationsgleichgewichts vermindert oder erhöht wird. ZurVermeidung von Konzentrationsdifferenzen zwischen beiden Küvetten wird derenSchichtdicke entsprechend verändert. So wird eine zehnfache Verdünnung der Pro-benlösung durch eine zehnfache Schichtdicke der Probenküvette kompensiert.

Wo das Makromolekül selbst keine deutlichen spektralen Änderungen erkennenläßt, kann durch Einführung chromophorer Gruppen an definierte Positionen, z. B. anThiol- oder Aminogruppen, nachgeholfen werden. So sind Bindungsmessungen anChymotrypsin durch vorherige Zugabe von Proflavin möglich, das durch Liganden-oder Substratbindung wieder verdrängt wird.

3.4.1.6 Doppelwellenlängen-Spektralphotometer

Für Messungen in trüben bzw. stark streuenden Lösungen entwickelte B. Chance 1954das Doppel- oder Zweiwellenlängen-Photometer, mit dem membrangebundene Cytoch-rome der Atmungskette in Mitochondriensuspensionen untersucht werden konnten.Durch einen Monochromator mit zwei separat einstellbaren Gittern werden zwei Licht-strahlen unterschiedlicher Wellenlänge erzeugt, ein Proben- und ein Referenzstrahl(Abb. 3.28). Mittels einer rotierenden Spiegelscheibe werden beide Strahlen alternie-rend auf genau dem gleichen Weg durch die Küvette geleitet. Das Photomultipliersi-gnal beider Strahlen wird getrennt erfaßt und als Differenzsignal registriert.

Der Verlust an Lichtintensität durch Streuung ist weitgehend wellenlängenunab-hängig. Bei Messungen in Suspensionen wird daher die Wellenlänge des Proben-strahls auf die Absorptionsbande der zu untersuchenden Verbindung eingestellt, dieReferenzwellenlänge dagegen außerhalb der Absorptionsbande. Der Referenzstrahlerfaßt den Anteil der Streuung, der von der Absorption der Probe abgezogen wird.Der große Vorteil dieses Verfahrens liegt darin, daß durch den identischen Lichtwegbeider Strahlen Fluktuationen in der Küvette, wie sie bei Suspensionen ständig auf-treten, kompensiert werden, da dieselbe Küvette zur gleichen Zeit Probe und Refe-renz ist. Dadurch reduzieren sich vor allem küvettenbedingte Schwankungen.

Die Methode eignet sich auch zur Erfassung sehr kleiner spektraler Änderungen beiBindungsstudien oder enzymkinetischen Messungen. Der Probenstrahl wird auf einePosition der ausgeprägtesten Absorptionsänderung, vielfach an der Flanke der Absorp-tionsbande, eingestellt, der Referenzstrahl dagegen auf einen isosbestischen Punkt gleich-

210 3 Methoden

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bleibender Absorption, der sich oft nahe dem Absorptionsmaximum befindet. Letztererkorrigiert Schwankungen in der Küvette. Mit dieser Methode ist es möglich, Effekte mitmaximalen Absorptionsänderungen von 0,005 zu erfassen. Bei kommerziell erhältlichenGeräten sind in der Regel Zweistrahl- und Zweiwellenlängenoptik kombiniert.

3.4.1.7 Photochemische Aktionsspektren

Otto Warburg entdeckte, daß mit CO inaktiviertes Hämoglobin durch Belichtung wie-der regeneriert werden kann. Castor und Chance (1955) entwickelten eine spezielleApparatur zur Messung solcher photochemischer Aktionsspektren, mit deren Hilfeverschiedene Pigmente, wie Cytochrome, Phytochrome und Chlorophylle, in ihremWirkungszustand untersucht werden können (Abb. 3.29). Eine Zellsuspension bzw.ein Zellextrakt wird durch Gaszuleitungen einer definierten Gasatmosphäre, z. B. ei-nem bestimmten CO :O2-Verhältnis, ausgesetzt. Durch Bestrahlung mit einer Lampe

A3.4 Spektroskopische Methoden 211

Abb. 3.28. Bauprinzip einesDoppelwellenlängenphotome-ters.

Abb. 3.29. Schema einer Appa-ratur zur Messung photochemi-scher Aktionsspektren.

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wird die Wechselwirkung des Pigments mit einer Komponente des Systems verän-dert, z. B. CO freigesetzt, so daß vermehrt Sauerstoff binden kann. Die Veränderungder Sauerstoffkonzentration in der Lösung wird durch eine Sauerstoffelektrode detek-tiert. Durch Einführung von Flüssigfarbstofflasern konnte die Emissionsintensität beienger spektraler Bandbreite gesteigert werden.

3.4.2 Biolumineszenz

Die Biolumineszenz ist eine besonders in der Enzymanalytik gebräuchliche, außeror-dentlich sensitive Methode zur Bestimmung von ATP, FMN und NAD(P)H. Es kön-nen Enzymreaktionen, die von diesen Verbindungen abhängen, analysiert und dieseauch mit weiteren Enzymreaktionen gekoppelt werden. Zwei Biolumineszenz-Sy-steme sind kommerziell erhältlich. Bei der Luciferase des Glühwürmchens (Photinuspyralis) reagiert ATP mit dem Cofaktor Luciferin unter Lichtemission bei 562 nm.Die Luciferase aus dem Bakterium Photobacterium fischeri ist FMN-abhängig undreagiert mit NADH und NADPH. Da der Nachweis des zu untersuchenden Substrats(z. B. ATP) selbst auf einer Enzymreaktion beruht, handelt es sich bei Biolumines-zenzmessungen grundsätzlich um gekoppelte Tests mit den bereits erwähnten Nach-teilen für die Bestimmung von Anfangsgeschwindigkeiten für enzymkinetische Stu-dien. Nach dem Start der Reaktion (z. B. durch ATP-Zugabe) erreicht die Intensitätdes emittierten Lichts nach ca. drei Sekunden einen maximalen Wert, der anschlie-ßend (aufgrund von Produkthemmung) wieder abfällt. Die Lichtintensität beim Maxi-mum ist proportional der ATP-Konzentration. Größere Genauigkeiten werden durchIntegration der Kurve über einen bestimmten Zeitbereich erreicht.

Die apparativen Erfordernisse für Lumineszenzmessungen sind vergleichsweise ge-ring. Luminometer bestehen aus einem empfindlichen Photomultiplier, einem Ver-stärker und einem Digitalmeter. Geeignete Testkombinationen mit den erforderlichenKomponenten sind kommerziell erhältlich.

3.4.3 Fluoreszenz

3.4.3.1 Quantenausbeute

Als Maß der Intensität der von einer Verbindung emittierten Fluoreszenzstrahlungdient die Quantenausbeute �F. Sie ist das Verhältnis der durch die Verbindung emit-tierten (qe) zu den von ihr absorbierten Photonen (qa). Ihre Größe hängt ab von derSchnelligkeit der Prozesse, die um die Energie des angeregten Zustands konkurrieren(vgl. Abschnitt 3.4):

�� � ��

��� ��

�� � ��� � ��� ��

���� �����

ke, kic und kis sind die Geschwindigkeitskonstanten der Emission, der internen Kon-version und der strahlungslosen Spinumkehr (Intersystem-Crossing), � kec ist die

212 3 Methoden

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Summe aller externen Konversionen. Demnach emittiert eine Verbindung nur dannmeßbar in Fluoreszenzlicht, wenn die konkurrierenden Prozesse langsamer sind alsdie Lebensdauer des angeregten Zustands. Während � kec durch Faktoren der Umge-bung des Chromophors bestimmt wird und daher von außen beeinflußbar ist, sind kic

und kis durch die Konstitution des Moleküls vorgegeben.Die Quantenausbeute, ähnlich dem Absorptionskoeffizienten eine Stoffkonstante,

kann Werte von 0–1 bzw. 0–100% annehmen. Bei einer Quantenausbeute von 1 bzw.100% wird das gesamte vom Chromophor absorbierte Licht als Fluoreszenzstrahlungemittiert, bei 0% liegt keine Fluoreszenz vor. Zur Ermittlung der Quantenausbeute wirddie Fluoreszenzintensität der betreffenden Verbindung gemessen. Unter gleichen Bedin-gungen werden die absorbierten Photonen durch eine stark streuende Lösung oder eineanstelle der Küvette eingebrachte voll reflektierende Magnesiumoxidblende bestimmt.Bei ähnlichen spektralen Eigenschaften verhalten sich die Quantenausbeuten zweierVerbindungen näherungsweise wie deren maximale Fluoreszenzintensitäten, so daßsich die Quantenausbeute einer unbekannten Probe mit Hilfe einer Standardverbindungbestimmen läßt. Die Quantenausbeute ist stark temperaturabhängig, mit steigenderTemperatur nimmt sie infolge der Zunahme desaktivierender Zusammenstöße ab.

3.4.3.2 Störungen von Fluoreszenzmessungen

Die unter dem Begriff externe Konversionen zusammengefaßten Vorgänge werdenallgemein als Fluoreszenzlöschung (engl. quenching) bezeichnet. Die hauptsächlichenUrsachen sind Zusammenstöße von Molekülen im aktivierten Zustand, der durch Ab-fangen der Anregungsenergie desaktiviert wird. Besonders wirksam in dieser Hin-sicht ist gelöster, molekularer Sauerstoff, der durch Entgasen oder Bespülen der Lö-sungen mit inertem Stickstoffgas entfernt werden muß. Fluoreszenzlöschungen wer-den oft durch Verunreinigung des Lösungsmittels oder der eingesetzten Präparate ver-ursacht, daher sind höchste Reinheitsanforderungen zu erfüllen. Auch können sichdie Chromophore bei höheren Konzentrationen gegenseitig desaktivieren, indem sichMoleküle im angeregeten Zustand zu Dimeren zusammenlagern und miteinander inResonanz treten (Excimere). Aufgrund dieser Konzentrationslöschung ist die Fluores-zenzintensität nur in sehr verdünnten Lösungen proportional zur Menge des Chromo-phors. Bei höheren Konzentrationen wird ein Abweichen von der Linearität bis hinzum völligen Verschwinden der Fluoreszenz beobachtet. Fluoreszenzmessungen erge-ben daher nur in sehr verdünnten Lösungen zuverlässige Werte.

Reabsorption des emittierten Lichts (innerer Filtereffekt) verursacht ebenfalls Fluo-reszenzlöschung. Dieser Effekt wird immer dann beobachtet, wenn sich in der LösungSubstanzen befinden, deren Absorptionsspektrum mit dem Spektrum des emittiertenLichts überlappt. Das Ausmaß dieses Effekts hängt sowohl von der Konzentrationder absorbierenden Substanz wie von der Wegstrecke ab, die das emittierte Licht inder Lösung zurücklegt und kann durch Variation der Küvettengröße erkannt werden.

Eine bei Fluoreszenzmessungen grundsätzlich auftretende Störung ist die Streu-strahlung, die im Emissionsspektrum als scheinbare Fluoreszenzbande mit einem Ma-ximum entsprechend der Anregungswellenlänge zu beobachten ist. Sie kann vielerleiUrsachen haben, so Streuungen an Schwebeteilchen und Luftblasen in der Lösung,

A3.4 Spektroskopische Methoden 213

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Rayleigh- bzw. Tyndall-Streuung (vgl. Abschnitt 3.4.5.2) kolloidaler Lösungen (Pro-teinlösungen), Reflexionen an Küvettenwänden durch Verunreinigungen und Finger-abdrücke oder im Küvettenraum durch unvollständige Eliminierung des durchfallen-den Lichts. Die Streustrahlung ist an der Veränderung der Anregungswellenlänge zuerkennen. Um sie möglichst gering zu halten, sind höchste Anforderungen an dieReinheit der Probe und der Küvette zu stellen.

Als weitere Störung macht sich der Raman-Effekt insbesondere bei schwachenFluoreszenzen bemerkbar. Er leistet einen weiteren Beitrag zur Streustrahlung und istverantwortlich für das Auftreten zusätzlicher Banden. Photonen treten mit denSchwingungs- und Rotationszuständen des Moleküls in Wechselwirkung, ohne diesein den angeregten Zustand zu versetzen. Es werden Photonen emittiert, deren Fre-quenzen �R um die Beträge dieser Schwingungsniveaus über oder unter der Anre-gungsfrequenz �0 liegen: �R =�0±��. Man erhält somit in bestimmter Entfernung vonder Anregungswellenlänge längerwellige (Stokessche) und kürzerwellige (Anti-Stokes-sche) Linien. Die Tatsache, daß hier, im Gegensatz zur Fluoreszenz, auch kurzwelli-ge, d.h. höherenergetische, Emission möglich ist, kann man sich so veranschauli-chen, daß eines von zwei Photonen einen bestimmten Energiebetrag an das Molekülabgibt, der vom zweiten wieder aufgenommen wird. Raman-Linien unterscheidensich von Fluoreszenzbanden durch ihre relative Schärfe und durch ihre Eigenschaft,sich mit der Anregungswellenlänge zu verschieben. Sie sind auch im Lösungsmittelin Abwesenheit des Chromophors zu beobachten.

3.4.3.3 Fluoreszierende Verbindungen (Fluorophore)

Aus Gl. (3.18) ist zu ersehen, daß ohne die Kenntnis der molekularen Konstitution einerVerbindung nicht vorhergesagt werden kann, ob und mit welcher Intensität die Verbin-dung Fluoreszenzlicht emittiert. Fluoreszenzerscheinungen finden sich bei Verbindun-gen mit konjugierten Doppelbindungen, bei aromatischen und heterozyklischen Rings-ystemen und auch bei den Lanthaniden (Europium, Gadolinium und Terbium in derdreiwertigen Oxidationsstufe). Letztere lassen sich häufig anstelle natürlicherweise ge-bundener Metallionen in biologische Systeme einbauen. Von den aufgeführten organi-schen Verbindungsklassen zeigen allerdings nur wenige Vertreter meßbare Emissionenund vielfach hängt dies vom Zustand ab, in dem sich die Verbindung befindet, wie demIonisierungsgrad und der Polarität der Umgebung. Der Indolring von Tryptophan zeigteine starke Fluoreszenz mit maximaler Intensität zwischen pH 9–11, wo die Carboxyl-gruppe deprotoniert und die Aminogruppe ungeladen ist. In der zwitterionischen Formzwischen pH 4–8 ist die Emission schwächer (Abb. 3.30). Sowohl im sauren Bereichunterhalb pH 2, wie auch im alkalischen Bereich über pH 12, wird die Indolfluoreszenzgelöscht, im einen Fall durch die protonierte Carboxylgruppe, im anderen Fall durchWechselwirkung mit Hydroxylionen. NAD+ bzw. NADP+ fluoreszieren nur in reduzier-ter Form als NADH bzw. NADPH (vgl. Tab. 3.2). Auf dieser Eigenschaft beruhen diesehr empfindlichen fluorimetrischen Dehydrogenase-Tests.

Ein häufig zu beobachtendes Phänomen ist eine hypsochrome Verschiebung(Blauverschiebung) des Emissionsmaximums eines Chromophors, vielfach verbundenmit einer Intensitätssteigerung, beim Übergang von einer polaren in eine zunehmend

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apolare Umgebung. Ein markantes Beispiel ist die stark lipophile Verbindung 1-Anili-nonaphthalin-8-sulfonat (ANS, Abb. 3.31). In Wasser zeigt sie nur eine sehr schwacheFluoreszenz, die beim Übergang in zunehmend apolare Lösungsmittel, wie Alkoholesteigender Kettenlänge, unter Verschiebung des Emissionsmaximums um 20–30 nmzu kürzeren Wellenlängen sehr stark zunimmt (Abb. 3.32). Blauverschiebungen wer-den immer dann beobachtet, wenn das Dipolmoment des Chromophors im angeregtenZustand höher ist als im Grundzustand. Es kommt dann zu einer Wechselwirkung mitden polaren Lösungsmittelmolekülen. Bei der Rückkehr zum Grundzustand wird durchden Verlust an Solvatationsenergie ein geringerer Energiebetrag frei als in apolaren Lö-sungsmitteln. Aufgrund seines lipophilen Charakters bindet ANS mit hoher Affinität anapolare Bereiche von Proteinen, häufig an Bindungszentren. Dies wird von einer starkenZunahme der Fluoreszenzintensität begleitet. So bindet ANS unter Zunahme der Quan-tenausbeute von 0,4 auf 98% in die Bindungstasche des Porphyrins beim Apomyoglo-bin. Einen solchen Effekt zeigen neben anderen künstlichen Chromophoren, wie Tolui-dinnaphthalin-6-sulfonat (Abb. 3.31), auch natürlich vorkommende Chromophore, wiedie aromatischen Aminosäuren, insbesondere das Tryptophan. Ein gegenüber der wäss-rigen Umgebung apolares Milieu herrscht im Inneren eines Proteinmoleküls, und soliegt das Emissionsmaximum von proteingebundenem Tryptophan zwischen 330 und340 nm gegenüber 350 nm bei der freien Aminosäure.

Diese sensitive Reaktion von Fluorophoren mit ihrer Umgebung macht die Fluo-reszenzspektroskopie zu einem wertvollen Hilfsmittel für Enzymuntersuchungen.Strukturelle Änderungen im Proteinmolekül, Wechselwirkungen mit anderen Kompo-nenten, Ligandenbindung, Proteinaggregation, Membranassoziation u.a. können sehrempfindlich gemessen werden, wobei es durchaus von Vorteil ist, daß nur relativ we-nige Verbindungen Fluoreszenzlicht emittieren, da dadurch die beobachteten Effektespezifisch sind und kaum von unspezifischen Signalen überlagert werden. Zunächstwird man versuchen, die von der Natur vorgegebenen Chromophore auszunutzen, dadies keine Veränderung des Makromoleküls erfordert.

In Proteinen zeigen nur die drei aromatischen Aminosäuren Fluoreszenzemission,wobei diejenige des Phenylalanins am schwächsten ist, während Tryptophan und Ty-

A3.4 Spektroskopische Methoden 215

Abb. 3.30. Abhängigkeit derQuantenausbeute von Tryp-tophan vom pH-Wert desLösungsmittels (nach Brandund Witholt, 1967).

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216 3 Methoden

Abb. 3.31. Strukturformeln wichtiger Fluoreszenzfarbstoffe.

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rosin in ihrer Quantenausbeute vergleichbar sind (Tab. 3.2). Dies gilt allerdings nurfür die freien Aminosäuren. Im Proteinverband besitzt Tryptophan immer die höchsteFluoreszenzintensität durch partielle Löschung der Tyrosinfluoreszenz. Im angeregtenZustand sinkt der pK-Wert der phenolischen Hydroxylgruppe, das resultierende Phe-nolat besitzt eine sehr geringe Quantenausbeute. Tryptophan ist im Protein immer anseiner Fluoreszenz zu erkennen, wie auch das Ausbleiben der Tryptophanfluoreszenzein sicheres Indiz für das Nichtvorhandensein dieser Aminosäure ist. Die schwächereTyrosinfluoreszenz wird nur bei Abwesenheit von Tryptophan sichtbar, allenfalls istsie bei kurzwelliger Anregung an der Flanke der Tryptophanbande zu erkennen. Phe-nylalanin ist nur in Abwesenheit der anderen aromatischen Aminosäuren nachweis-bar. Damit besitzt praktisch jedes Protein einen eigenen Chromophor, dessen spektra-le Eigenschaften bei Konformations- und Bindungsuntersuchungen wertvolle Infor-mationen liefern kann.

Von den anderen natürlich vorkommenden Verbindungen zeigen NAD(P)H, Fla-vine, Pyridoxalphosphat, Steroide (Cholesterin, Gallensäuren und Steroidhormone),die Bestandteile der Folsäure Pteridin und p-Aminobenzoesäure, wie auch Anthranil-säure eine deutliche Fluoreszenz (Tabelle 3.2). Sehr geringe Quantenausbeuten habendagegen Purine und Pyrimidine und deren Nucleotide (z. B. Adenosinphosphate unddie Nucleinsäuren). Durch geeignete Modifikation lassen sich verschiedene nichtemittierende Verbindungen in Chromophore überführen, wie die Adenosinverbindun-gen AMP, ADP, ATP, NAD, NADP und Coenzym A durch Einführung einer N-6-Ethenogruppe (�-Gruppe) am Pyrimidinring (Abb. 3.31). Sie behalten noch teilweiseihre biologische Aktivität. Ein fluoreszierendes Analogon des Thiamins und seinerDerivate ist das Thiochrom.

Wo die Eigenfluoreszenz der Proteine und deren Cofaktoren nicht ausreicht, kön-nen auch Chromophore eingeführt werden. Neben den bereits erwähnten Verbindun-gen, wie ANS und TNS, die nicht-kovalent an hydrophobe Regionen des Proteinsbinden, lassen sich auch Chromophore mit gruppenspezifischen reaktiven Resten ko-valent an das Protein binden. Solche Gruppierungen sind Jodacetamid, Maleinsäurei-mid, Aziridin oder Disulfid für Thiolgruppen, Isothiocyanat, Succinimid oder Sulfo-

A3.4 Spektroskopische Methoden 217

Abb. 3.32. Blauverschiebung und Intensitätszunah-me des Fluoreszenzspektrums von Anilinonaphtha-linsulfonal bei abnehmender Polarität des Lösungs-mittels: 1) Ethylenglycol, 2) Methanol, 3) Ethanol,4) n-Propanol, 5) n-Butanol, 6) n-Oktanol (nachStryer, 1968).

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nylchlorid bzw. -fluorid für Aminogruppen, Hydrazin oder Amin für Aldehyd- undKetongruppen. Azide sind photoaktivierbare Gruppen, mit deren Hilfe Chromophoredurch Bestrahlung von Licht der Wellenlänge 300-350 nm kovalent mit dem Zielmo-lekül verbunden werden. Häufig gebrauchte Chromophore sind Fluorescein, Rhoda-min, NBD (7-Chlor-4-nitrobenzofurazan) und der 5-Dimethylaminonaphthalin-1-sul-fonyl-(DNS-, DANSYL-)-Rest (Abb. 3.31).

3.4.3.4 Aufbau von Spektralfluorimetern

Spektralfluorimeter zur Messung der Fluoreszenzemission (Abb. 3.33) entsprechen inihrem Aufbau im wesentlichen den Spektralphotometern, allerdings benötigen sieeine stärkere Lichtquelle. Hierzu wird für den gesamten Spektralbereich zumeist eineXenon-Hochdruck-Bogenlampe verwendet, die allerdings im ferneren UV-Bereich re-lativ lichtschwach ist. Um Lampenschwankungen, wie die Wanderung des Lichtbo-gens, auszugleichen, werden Ratio-Systeme verwendet, bei denen durch einen Strah-lenteiler ein bestimmter Anteil des Lichts vor der Küvette in einen Referenzphoto-multiplier geleitet wird. Das Meßsignal des Geräts ist dann das Verhältnis der Intensi-täten von Meß- und Referenzstrahl.

Der prinzipielle Unterschied von Fluorimetern gegenüber Absorptionsphotometernbesteht darin, anstelle des intensiven, durchfallenden Lichts der Lampe das von derProbe nach allen Richtungen emittierte, schwächere Licht zu erfassen. Das durchfal-lende Licht muß durch Lichtfallen streuungsfrei eliminiert werden, während dasEmissionslicht zur Vermeidung von Reflexionen im rechten Winkel zur Einstrahlunggemessen wird. Dazu werden allseitig geschliffene Küvetten verwendet. Das emit-tierte Licht passiert einen zweiten Monochromator, ehe es den Photomultiplier er-reicht. Dieser ist viel empfindlicher als bei Absorptionsphotometern, da er nicht demvollen Licht der Lampe, sondern nur der schwachen Emission der Probe ausgesetztist. Aus diesem Grunde sind Fluoreszenzmessungen wesentlich empfindlicher als Ab-sorptionsmessungen. So empfängt der Photomultiplier beim Leerwert ohne emittie-rende Probe kein Licht und kann für minimale Mengen entsprechend verstärkt wer-den, während bei der Absorptionsspektroskopie der Leerwert in Abwesenheit der ab-sorbierenden Verbindung höchste Lichtintensität bedeutet und geringfügige Absorp-

218 3 Methoden

Abb. 3.33. Bauprinzip eines Spek-tralfluorimeters.

Page 229: Enzymkinetik (3. Auflage)

tionen kleiner Substanzmengen durch Schwankungen der Lampe und des voll ange-regten Photomultipliers überdeckt werden. Dafür sind Photomultiplier in Fluorime-tern äußerst empfindlich gegen hohe Lichtintensitäten, wie starke Streustrahlung odereinfallendes Tageslicht.

Durch zwei getrennte Monochromatoren können zwei unterschiedliche Spektrenty-pen aufgenommen werden. Vor der Küvette befindet sich der Anregungs- oder Excita-tionsmonochromator. Er liefert Anregungsspektren des Chromophors im Wellenlängen-bereich unterhalb einer konstant gehaltenen Emissionswellenlänge (Fluoreszenzen sindimmer längerwelliger als Absorptionen). Da ein Chromophor nur in dem Maße emittie-ren kann, wie er Licht absorbiert, sollte das Anregungs- mit dem Absorptionsspektrumdes Chromophors identisch sein. Tatsächlich erhält man bei vielen Fluorimetern unkor-rigierte Spektren, denen sich, wie bereits bei Spektralphotometern besprochen, die Wel-lenlängenabhängigkeiten der Lampe und anderer optischer Teile überlagern. Die echtenSpektren benötigen Korrekturanordnungen (bei Fluorimetern oft nur optional).

Hinter der Küvette befindet sich der Fluoreszenz- oder Emissionsmonochromatorfür das Emissionsspektrum, dessen Bereich über der konstanten Anregungswellenlän-ge liegt. Es zeigt die eigentliche Fluoreszenzcharakteristik des Chromophors. In derRegel wird man als Anregungswellenlänge das Absorptionsmaximum der Verbindungwählen, da hier die höchste Fluoreszenzausbeute zu erwarten ist. Bei einheitlichenChromophoren ist es aber ebenso möglich, an anderen Stellen, wie den Flanken odereiner schwächeren Absorptionsbande, zu messen, vor allem, wenn im betreffendenBereich Störungen, wie Raman-Linien, erscheinen. Dies bedingt zwar eine Intensi-tätseinbuße, die Form des Spektrums bleibt aber erhalten. Eine Verschiebung der An-regungswellenlänge dient auch der Kontrolle der Fluoreszenzerscheinung. Verändertsich dadurch die Spektrenform, so ist das ein Hinweis für das Vorliegen andersartigerEffekte, wie Verunreinigungen, Raman-Banden oder Überlagerung unterschiedlicherFluoreszenzen.

Mit Spektralfluorimetern lassen sich auch Phosphoreszenzen messen. Durch rotie-rende Blenden wird alternierend der Anregungs- und der Emissionsstrahlengang frei-gegeben, so daß die längerwährende Lumineszenz von der kurzzeitigen Fluoreszenz-erscheinung unterschieden wird.

3.4.3.5 Strahlungslose Energieübertragung

Eine spezielle Eigenschaft der Fluoreszenz ist das Phänomen der strahlungslosenÜbertragung der Anregungsenergie von einem Singulett-Zustand auf einen zweiten.Es wird ein bestimmter Chromophor (Donor) angeregt, während ein zweiter, selbstnicht angeregter Chromophor (Akzeptor) Licht emittiert. Dieser Effekt tritt immerdann auf, wenn das Emissionsspektrum des Donors möglichst weitgehend mit demAbsorptionsspektrum des Akzeptors überlappt (Abb. 3.34) und der Abstand der bei-den Chromophoren weniger als 8 nm beträgt. Nach der Theorie von Theodor Förster(1948) ist die Geschwindigkeit der Energieübertragung kT:

� � ��� � ��� � � ������ � ���� ����� ������

A3.4 Spektroskopische Methoden 219

Page 230: Enzymkinetik (3. Auflage)

und deren Effizienz E:

� � ���

��� � ����

��� ��

umgekehrt proportional zur sechsten Potenz des Abstands r der beiden Chromophorevoneinander. R0 ist der Abstand bei 50% Übertragungseffizienz:

�� � ��� � � �� � ���� ��������� � ��� ��

J ist das Integral der spektralen Überlappung von Donorfluoreszenz und Akzeptorab-sorption, n ist der Brechungsindex des Lösungsmittels, �D ist die Quantenausbeutedes Donors und ke die Geschwindigkeitskonstante der Emission, � ist ein Faktor fürdie Orientierung der Dipolmomente beider Chromophore zueinander:

� � ��� �� � ��� � ��� � � ��� �

� und � sind die Neigungswinkel der beiden Dipole zur gemeinsamen Verbindungsachseund � ist der Winkel, den die Dipole miteinander bilden. � kann Werte zwischen 0(senkrechte Ausrichtung) und 4 (parallele Ausrichtung) annehmen und erfordert die ge-naue Kenntnis der molekularen Anordnung beider Chromophore. Diese ist zwar ohnegenaue Strukturdaten nicht bekannt, doch kann in vielen Fällen davon ausgegangen wer-den, daß die Chromophore auf dem Makromolekül relativ gut beweglich sind und damitkeine bestimmte Orientierung einnehmen. Dann gilt für � ein mittlerer Wert von 2/3.

Mit Hilfe der Försterschen Beziehung lassen sich Abstände zwischen zwei aufdem gleichen Makromolekül fixierten Chromophore in wässriger Lösung messen,was ansonsten nur mittels Röntgenstrukturanalyse an Proteinkristallen möglich ist.

220 3 Methoden

Abb. 3.34. Strahlungslose Fluoreszenzenergie-Übertragung. Das Fluoreszenzspektrum eines Donor-Chromophors (FD) überdeckt sich weitgehend mit dem Anregungsspektrum eines Akzeptor-Chromo-phors (AA). Bei Anregung des Donors (AD, Anregungsspektrum des Donors) beobachtet man dasFluoreszenzspektrum des nicht angeregten Akzeptors (FA).

Page 231: Enzymkinetik (3. Auflage)

Gelingt es, ein Chromophorenpaar mit geeigneten spektralen Überlappungen an be-stimmten Stellen eines Makromoleküls, wie aktive oder regulatorische Zentren, ein-zuführen, so läßt sich deren Abstand ermitteln. Als Chromophore dienen entwederAnaloga der eigentlichen Liganden oder kovalent an definierte Aminosäurereste fi-xierte Fluorophore. Mit diesem Verfahren konnte gezeigt werden, daß die drei unter-schiedlichen katalytischen Zentren des Pyruvat-Dehydrogenase-Komplexes mehr als4 nm voneinander entfernt sind. Damit war die ursprüngliche Vorstellung eines nurvon Liponsäure und Lysin gebildeten schwingenden Arms von 1,4 nm Länge, deralle diese Zentren von einem Punkt aus erreicht, nicht aufrecht zu erhalten. Es zeigtesich, daß der schwingende Arm an einer beweglichen Peptiddomäne fixiert ist. Beimgleichen Enzymkomplex war es mit diesem Verfahren auch möglich, den Aufbau derKomplexstruktur aus seinen Untereinheiten zu verfolgen. Bei dem bifunktionellen al-losterischen Enzym Aspartokinase:Homoserin-Dehydrogenase konnte der Abstandder beiden verschiedenen katalytischen Zentren zu 2,9 nm bestimmt und eine durchdie Bindung des allosterischen Hemmstoffes Threonin induzierte Konformationsände-rung nachgewiesen werden, bei der sich die beiden Zentren um 0,7 nm voneinanderentfernen. Bei Ribosomen konnte die Entfernung der beiden tRNA-Bindungsstellenbestimmt werden. Diese Beispiele demonstrieren die vielfältigen Anwendungsmög-lichkeiten der Methode. Sie eignet sich auch für Bindungsstudien, wobei der Liganddurch seine Bindung an das Protein entweder selbst die Rolle eines Donors oder Ak-zeptors übernimmt, oder die Wechselwirkung eines in der Nähe der Bindungsstelleplazierten Chormophorenpaares beeinflußt.

Einen Energieübertragungseffekt erkennt man entweder an der Löschung der Fluo-reszenz des angeregten Donors oder besser an der Emission des nicht angeregten Ak-zeptors. Energieübertragung kann auch stattfinden, wenn der Akzeptor aufgrund sei-nes Absorptionsspektrums zwar die Anregungsenergie des Donors übernimmt, selbstaber kein Fluoreszenzlicht ausstrahlt. In diesem Falle wird nur die Fluoreszenzlö-schung des Donors beobachtet. Die strahlungslose Energieübertragung ist von der inAbschnitt 3.4.3.2 beschriebenen Reabsorption der Emissionsstrahlung zu unterschei-den, die deutlich schwächer ist und nur bei höheren Konzentrationen auftritt.

3.4.3.6 Fluoreszenzpolarisation

Linear polarisiertes Licht kann nur solche Chromophore anregen, deren Dipole in Rich-tung der Polarisationsebene liegen, nicht aber senkrecht dazu. Es wird somit nur derAnteil der in Vorzugsrichtung orientierten Moleküle angeregt, die dann wiederum po-larisiertes Licht emittieren (Photoselektion). Allerdings verändern die Moleküle durchihre Bewegung während der Lebensdauer des angeregten Zustands die ursprünglicheOrientierung, was zu einer partiellen Depolarisation des Fluoreszenzlichts führt. DieAbnahme der Polarisation P hängt nach der Gleichung von Perrin (1926) vom molarenVolumen des Chromophors V (ml/mol), der absoluten Temperatur T, der Viskosität desLösungsmittels � und der Lebensdauer des angeregten Zustands �0 ab:

� �

�� �

�� �

� ����

� ��� ��� ��

A3.4 Spektroskopische Methoden 221

Page 232: Enzymkinetik (3. Auflage)

P0 ist die Polarisation starrer Moleküle (T=0 K) und R die Gaskonstante. Es ergibt sicheine lineare Abhängigkeit von 1/P gegen T/�, wenn die Polarisation des emittiertenLichts bei Variation von Temperatur bzw. Viskosität des Lösungsmittels (oder beidergleichzeitig) gemessen wird. Die Gerade schneidet die Ordinate bei 1/P0, so daß dieSteigung nur �0 und V als Unbekannte enthält. Mit dieser Methode ist es daher mög-lich, bei Kenntnis von �0 das Volumen eines Chromophors zu bestimmen (wie umge-kehrt bei Kenntnis von V die Lebensdauer des angeregten Zustands zu ermitteln), wo-bei das bewegliche Element das Volumen bestimmt. Ist ein kleiner Chromophor an eingroßes Proteinmolekül fixiert, so diktiert letzteres die Beweglichkeit, wobei auch Hy-drathülle und Form (kugelförmig, elliptisch etc.) eingehen. Bei Kenntnis der Molekül-masse lassen sich daher Informationen über die Molekülgestalt gewinnen. Ist der Chro-mophor an der Proteinoberfläche frei beweglich, dann wird neben der langsamen Bewe-gung des Proteins auch die schnelle des Chromophors beobachtet, im Perrin-Diagrammüberlagern sich dann zwei Geraden. Auf die Weise erhält man auch die für den Orien-tierungsfaktor � der Försterschen Beziehung notwendige Information.

Fluoreszenzpolarisation wird mit Spektralfluorimetern gemessen, bei denen dieEmission in zwei symmetrischen Strahlengängen senkrecht zur Einstrahlungsrichtungüber zwei Emissionsmonochromatoren und Photomultiplier erfaßt wird. Im Anre-gungsstrahlengang befindet sich ein Polarisationsfilter zur Erzeugung linear polari-sierten Lichts, in den beiden Emissionsstrahlengängen sind Analysatorfilter ange-bracht, von denen einer parallel, der zweite senkrecht zur Polarisationsebene der An-regung orientiert ist (Abb. 3.35). Als Meßwert ermittelt das Gerät die Fluoreszenzpo-larisation P als das Verhältnis zwischen der Differenz und der Summe der Fluores-zenzintensitäten in paralleler (FII) und senkrechter (F�) Richtung:

� ��� � ����� � ��

� ��� ��

222 3 Methoden

Abb. 3.35. Schema einer Fluoreszenz-Polarisati-onsmessung. Ein senkrecht gestellter Polarisati-onsfilter vor der Küvette erzeugt linear polari-siertes Licht. Das von der Küvette ausgestrahlteFluoreszenzlicht wird durch zwei Analysatorfil-ter auf den Anteil des polarsierten Lichts in par-alleler und senkrechter Richtung zur Polarisati-onsebene der Einstrahlung analysiert.

Page 233: Enzymkinetik (3. Auflage)

3.4.3.7 Pulsfluorimetrie

Die Pulsfluorimetrie, eine Weiterentwicklung der Fluoreszenzpolarisation, ist prinzi-piell den schnellen Meßmethoden (Abschnitt 3.5) zuzuordnen. Der Chromophor wirddurch einen Lichtblitz, der kürzer ist als die Lebensdauer �0 des angeregten Zu-stands, angeregt. Nach Erlöschen des Lichtblitzes wird das Abklingen der Fluores-zenz zeitlich verfolgt (Abb. 3.36 A). Die Fluoreszenzintensität S0 im Moment der An-regung (t =0) nimmt exponentiell mit der Zeit t ab:

� � ������� � ��� ��

Bei halblogarithmischer Auftragung von ln St gegen t erhält man �0 aus der Steigungder resultierenden Geraden. Erfolgt die Anregung mit linear polarisiertem Licht, sokann der zeitliche Verlauf der Fluoreszenzintensitäten parallel (FII,t) und senkrecht(F�, t) zur Polarisationsebene getrennt registriert werden, die Meßgröße ist die Aniso-tropie At:

�� � ��������� � ����� � ����

����� � ����� ��� ��

Der aus den Fluoreszenzintensitäten der drei Raumrichtungen (x-Richtung parallel, y-und z-Richtung bei gleicher Intensität jeweils senkrecht zur Anregung) zusammenge-setzte Nenner entspricht der Gesamtfluoreszenz St. A0 ist die Anisotropie zum Zeit-punkt der Anregung, �ri ist die Rotationsrelaxationszeit des Chromophors, deren rezi-proker Wert eine lineare Kombination aus den Rotationsdiffusionskonstanten Di

(i=1, 2,3) der drei Hauptdrehachsen eines Partikels ist:

A3.4 Spektroskopische Methoden 223

Abb. 3.36. Pulsfluorimetrie. A) Zeitverlauf der Fluoreszenzintensitäten in paralleler (FII) und senk-rechter (F�) Richtung zur Polarisationsebene der Einstrahlung nach Anregung mit einem kurzzeitigenLichtblitz. B) Halblogarithmische Darstellung der zeitlichen Veränderung der Anisotropie bei Überla-gerung zweier unterschiedlich schneller Bewegungsprozesse.

Page 234: Enzymkinetik (3. Auflage)

�� � �����

��� ��� ��

V ist das hydrodynamische Volumen des Partikels, kB die Boltzmannkonstante, � dieViskosität des Lösungsmittels, T die absolute Temperatur und �i eine Funktion desAchsenverhältnisses eines Ellipsoids, �ri ergibt sich aus der Steigung einer halbloga-rithmischen Auftragung von At gegen t, wobei aus Zahl und Größe der Rotationsrela-xationszeiten auf die Molekülform geschlossen werden kann (Abb. 3.36B). Bei einerKugelgestalt (D1 =D2 =D3) wird eine lineare Abhängigkeit erhalten mit einer einheit-lichen Rotationsrelaxationszeit:

��� � �

��� �

���� ��� �

Zwei unterschiedliche Relaxationszeiten ergeben sich auch bei freier Beweglichkeiteines an ein Makromolekül gebundenen Chromophors.

Eine rasche Folge sehr kurzer Lichtblitze (�1 ns), erzeugt durch eine Blitzlicht-lampe, einen Laser oder mittels einer Kerr-Zelle, regt die Probelösung an, ein Photo-nenzähler registriert zeitabhängig die emittierten Photonen. Die Kerr-Zelle enthälteine stark dipolare Flüssigkeit (Nitrobenzol, Acetonitril, Benzonitril), deren Molekülesich durch ein äußeres Feld so ausrichten, daß ein durchfallender, linear polarisierterLichtstrahl in seiner Polarisationsebene um 90� gedreht wird. Ein nachfolgendes Po-larisationsfilter ist so gestellt, daß der Strahl nicht passieren kann. Durch kurzzeitigesAbschalten des äußeren Feldes (wenige ns) desorientieren sich die Moleküle in derKerr-Zelle, der Lichtstrahl gewinnt seine ursprüngliche Polarisationsebene zurückund kann den Filter passieren.

3.4.4 Circulardichroismus und optische Rotationsdispersion

Asymmetrische Strukturen besitzen die Eigenschaft der optischen Rotation, sie len-ken die Ebene von polarisiertem Licht ab. In Proteinen finden sich optisch aktiveZentren bei asymmetrischen Kohlenstoffatomen aller Aminosäurereste außer Glycin.Diese sind hier allerdings nicht von Interesse, da sie im Verlauf von Enzymreaktio-nen oder Bindungsprozessen unverändert bleiben und sich nicht als Meßsignal eig-nen. Dagegen zeigen Strukturelemente, wie sie auch in aktiven Zentren vorkommen,wie �-Helix und �-Faltblatt, asymmetrische Eigenschaften, die durch katalytische undregulatorische Vorgänge beeinflußt werden können.

Optische Rotation läßt sich auf zwei unterschiedliche Arten messen. Die optischeRotationsdispersion (ORD) beobachtet den Unterschied in den Brechungsindices, derCirculardichroismus (CD) Absorptionsdifferenzen zwischen links und rechts zirkularpolarisiertem Licht. Zirkular polarisiertes Licht kann man sich als Summe zweier li-near polarisierter Komponenten mit einem Phasenunterschied von 90� vorstellen,während linear polarisiertes Licht aus zwei in Gegenrichtung zirkular polarisierteStrahlen besteht (Abb. 3.37).

224 3 Methoden

Page 235: Enzymkinetik (3. Auflage)

Die ORD-Methode mißt die Abhängigkeit des Ablenkwinkels linear polarisiertenLichts von der Wellenlänge:

� � �� � � � ��� � ���

� ��� ��

� (Grad) ist die optische Rotation, d die Schichtdicke, die Wellenlänge, nL und nR

sind die Brechungsindices für links- und rechtsdrehendes Licht. Für Protein- und Nu-cleinsäurelösungen rotiert das polarisierte Licht bei einer Chromophorenkonzentrati-on von �10–4 M um 0,01–0,1 Grad/cm. Gute Instrumente erfassen noch Ablenkun-gen von 10–4 Grad.

Für die CD-Methode gilt:

� ���� � �� � ��� � �����

� ������

AL–AR ist die Absorptionsdifferenz von rechts- und linkspolarisiertem Licht. Die El-liptizität (Grad) ist definiert als Bogentangente des Verhältnisses der kleinen zurgroßen Achse. Die Differenz beträgt ca. 0,03–0,3% der gesamten Absorption. ZumVergleich verschiedener Proben wird die molare Rotation [�]

� � ��� ����

� ���

�������� ��

bzw. die molare Elliptizität []

� ��� ���

� � ��

���� ����� � ��� � ��� ����� ��

angegeben; c ist die Konzentration der Probe, [�] die spezifische Drehung, [�] diespezifische Elliptizität, Mr die relative Molekülmasse der Probe, �L und �R sind dieAbsorptionskoeffizienten für links- und rechtsdrehendes Licht.

A3.4 Spektroskopische Methoden 225

Abb. 3.37. Linear polarisiertes Licht entsteht durch Summierung gleicher Anteile von rechts (R) undlinks (L) orientiertem zirkular polarisiertem Licht (A). B) Zirkular polarisiertes Licht entsteht auszwei phasenverschobenen, senkrecht zueinander orientierten Anteilen von linear polarisiertem Licht(nach Van Holde, 1985).

Page 236: Enzymkinetik (3. Auflage)

Das CD-Spektrum einer Verbindung kann im Bereich von dessen Absorptionsspek-tren erhalten werden, außerhalb der Absorption ist [] =0. Es zeigt auch die Formdes Absorptionsspektrums, allerdings, abhängig von der Molekülstruktur, mit positi-vem (positiver Cotton-Effekt) oder negativem (negativer Cotton-Effekt) Vorzeichenund unterschiedlicher Intensität (Abb. 3.38). ORD-Spektren erscheinen als die ersteAbleitung von CD-Spektren, allerdings reichen sie nach höheren und tieferen Wellen-längen weit aus dem Absorptionsbereich heraus. Bei positivem Cotton-Effekt wird,von tiefen Wellenlängen kommend, zuerst ein Minimum, dann ein Maximum durch-laufen, bei negativem Cotton-Effekt erscheint das Maximum vor dem Minimum. Inbeiden Fällen entspricht der Wendepunkt dem Maximum bzw. Minimum des CD-

226 3 Methoden

Abb. 3.38. Schematische Dar-stellung von Absorptions- (A),ORD- und CD-Spektren einerasymmetrischen Verbindungmit positivem (B) und negati-vem (C) Cottoneffekt.

Page 237: Enzymkinetik (3. Auflage)

Spektrums. Das weite Auslaufen des ORD-Spektrums über die Absorptionsbandehinaus wurde besonders früher, als der ferne UV-Bereich apparativ wenig zugänglichwar, dazu verwendet, mit Hilfe der Drude-Gleichung

� ��

� �

���� �

von Meßeffekten bei zugänglichen Wellenlängen auf die optische Rotation bei derWellenlänge 0 des Wendepunkts des ORD-Spektrums zu schließen; k ist eine Kon-stante.

Die Verwandtschaft zwischen ORD- und CD-Spektroskopie wird auch dadurch of-fenkundig, daß beide über die Krönig-Kramers-Transformation ineinander überführ-bar sind:

�� � �

��

����� � �

�� � ������

so daß prinzipiell nur eine der beiden Methoden angewandt zu werden braucht und diejeweils andere keinen zusätzlichen Informationsgewinn bringt. Trotz des größeren tech-nischen Aufwands wird zumeist der CD-Spektroskopie der Vorzug gegeben. Sie ergibteinfachere Spektren, was sich insbesondere bei atypischem Verhalten oder bei Überla-gerungen verschiedener Effekte als vorteilhaft erweist. Auch erschwert das breite Aus-laufen der ORD-Spektren die Auswertung bei Überlagerung verschiedener Effekte.

Eine breite Anwendung hat die CD-Spektroskopie bei der Bestimmung von Sekun-därstrukturelementen von Proteinen. Wie Abb. 3.39 zeigt, ergeben �-Helix, �-Falt-blatt- und Zufallsknäuel-Strukturen deutlich unterschiedliche Spektren im fernen UV-Bereich zwischen 190–240 nm. �-Helix und �-Faltblatt einerseits und Knäuelstrukturandererseits zeigen gegenläufige CD-Spektren. Für die �-Helix ist die durch Excimer-enbildung verursachte Aufspaltung (Exciton-Splitting) in eine Doppelbande zwischen210 und 220 nm charakteristisch. Es lassen sich daraus Vorhersagen über die relati-ven Anteile dieser Strukturelemente in Proteinen machen. Weiterhin können durchSubstrat- oder Effektorbindung verursachte Konformationsänderungen, die solcheStrukturelemente einbeziehen, sichtbar werden.

Optische Aktivität besitzen auch Disulfidbrücken innerhalb von Proteinstrukturenund die Seitenketten der aromatischen Aminosäuren (Abb. 3.40). Wie bei Absorptions-spektren zeigen diese Aminosäurereste im fernen UV-Bereich zwischen 200–240 nmdie stärksten Effekte, allerdings werden diese Spektren überlagert von denjenigen derSekundärstrukturen. Bei 210 nm besitzt auch Histidin ein CD-Spektrum. Charakteristi-scher für die aromatischen Aminosäuren ist der nahe UV-Bereich zwischen 250 und300 nm, wo insbesondere Tryptophan ein ausgeprägtes CD-Spektrum hat. Tyrosin be-sitzt demgegenüber eine schwächere, negative Bande, während Phenylalanin wie be-reits bei der Absorption eine zwar wenig intensive, jedoch charakteristische Feinstruk-tur aufweist. Die CD-Spektroskopie ist daher die geeignetste spektroskopische Metho-de, aromatische Aminosäuren in Proteinen nachzuweisen. Auch prosthetische Gruppenund Coenzyme, wie Porphyrine und NADH, ergeben CD-Spektren.

A3.4 Spektroskopische Methoden 227

Page 238: Enzymkinetik (3. Auflage)

228 3 Methoden

Abb. 3.39. CD-Spektren der Sekundärstruktur-elemente von Proteinen. 1) �-Helix, 2) �-Falt-blatt, 3) Zufallsknäuel (nach Greenfield &Fasman, 1969).

Abb. 3.40. CD-Spektren von Derivaten aromatischer Aminosäuren im fernen (A) und nahen (B) UV-Bereich. 1) N-Acetyl-L-tyrosylamid, 2) N-Acetyl-L-phenylalanylamid, 3) N-Acetyl-L-tryptophanyla-mid (nach Shikari, 1969).

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Für das Studium regulatorischer oder kinetischer Mechanismen sind auch hier, mehrals die Spektren selbst, deren Änderungen als Folge des jeweiligen Vorgangs von In-teresse. Neben der Erkennung von Konformationsänderungen hat die CD-Methodeden Vorzug, daß selbst optisch inaktive Liganden durch ihre Wechselwirkung mit denasymmetrischen Strukturen des Proteinmoleküls CD-Signale erzeugen können, so daßsolche spezifischen Signale ein direktes Maß der Ligandenbindung darstellen.

Der Aufbau eines ORD-Geräts entspricht im wesentlichen dem eines Absorptions-photometers (Abb. 3.41A). Das Licht wird über einen Monochromator spektral auf-gelöst, tritt durch die Meßzelle und wird in einem Photomultiplier detektiert. Spezi-fisch für die ORD-Anordnung ist ein vor der Meßzelle angebrachter Polarisationskri-stall, der planpolarisiertes Licht erzeugt, das die Meßzelle passiert. Im Gegensatz zuden rechteckigen Absorptions- und Fluoreszenzküvetten besitzen die Meßzellen einezylindrische Form. Das austretende Licht fällt durch einen Analysatorfilter, mit des-sen Hilfe der Ablenkwinkel gemessen wird. Beim CD-Gerät wird monochromati-sches Licht auch durch einen Polarisator planpolarisiert (Abb 3.41 B), dann tritt esdurch eine im Winkel von 45� zur Polarisationsebene orientierte doppelbrechendeQuarz-Platte, die das Licht in zwei im rechten Winkel zueinander orientierte Kompo-nenten gleicher Intensität, jedoch unterschiedlicher Brechungsindices aufspaltet. DieDicke der Platte ist so gewählt, daß sich beim Austritt der langsame gegenüber demschnellen Strahl um eine Viertelwelle (Viertelwellenmodulator, Lambda-Viertel-Plat-te) verzögert. Durch Anlegen eines elektrischen Feldes können die Brechungsindicesbeider Strahlen und damit die Rotationsrichtung des resultierenden zirkularpolarisier-ten Lichts umgedreht werden.

A3.4 Spektroskopische Methoden 229

Abb. 3.41. Bauschema eines ORD-(A) und CD-Spektrometers (B).

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3.4.5 Infrarot- und Raman-Spektroskopie

Infrarot (IR)- und Raman-Spektroskopie detektieren Übergänge zwischen Schwin-gungsniveaus von Molekülen. Aufgrund deren unterschiedlicher Frequenzen erhältman Informationen über die Art der Schwingungen (Torsions-, Translations-, Valenz-und Deformationsschwingungen), über die beteiligten Atome als Bindungspartner(C-O, C-N und C-H) und über die Art der Bindung (Einfach- Zweifach- und Drei-fachbindungen). Das erlaubt Rückschlüsse auf die Molekülstruktur, was allerdingsbei Makromolekülen, wie Proteinen, zu sehr komplexen Ergebnissen führt. IR- undRaman-Spektroskopie vermitteln prinzipiell die gleiche Information, sie verhaltensich zueinander wie Absorptions- und Fluoreszenz-Spektroskopie. Die IR-Spektrosko-pie beobachtet Absorptionen bei der Frequenz der Molekülschwingungen, die Ra-man-Spektroskopie dagegen die Streuung des um die Schwingungsenergie veränder-ten Photons. Für Schwingungsspektren wird allgemein die Wellenzahl �� � �� (cm–

1), auch Kayser genannt, angegeben.

3.4.5.1 IR-Spektroskopie

Die ausgeprägtesten IR-Signale erhält man mit asymmetrischen und polarisierbarenGruppen. Die Substanzen werden als Flüssigkeiten direkt vermessen, feste Verbin-dungen werden in Nujol u.a. Materialien eingebettet bzw. in Kaliumbromid gepreßt.Wasser und gelöste Salze, wie Puffersubstanzen, erzeugen selbst starke Absorptionenund schränken die Anwendung der IR-Methode auf Enzyme stark ein. Es ist erforder-lich, außerhalb des Absorptionsbereichs des Wassers zu arbeiten. Durch Verwendungvon schwerem Wasser (D2O) läßt sich dessen Spektrum soweit verschieben, daß auchder zunächst durch Wasser verdeckte spektrale Bereich zugänglich wird. Eine we-sentliche Verbesserung, die auch eine breitere Anwendung für Protein- und Enzy-muntersuchungen in wässrigen Lösungen ermöglicht, wurde durch Kombination mitder Fourier-Transformation (FT-IR-Spektroskopie) erreicht, die die ursprünglich sehrlangen Meßzeiten von 10–20 Minuten auf Sekunden reduzierte. Als Lichtquelle wirdein Nernst-Stift aus einer Mischung von Zirkonium- und Yttriumoxid oder ein gesin-terter Siliciumcarbid-Stab (Globar) verwendet. Das Licht fällt durch einen Monochro-mator in die Küvette. Zur Detektion wird die Erwärmung durch die einfallende IR-Strahlung mit einem Thermoelement gemessen. Beim Bolometer wird die temperatu-rabhängige Änderung des Widerstands von Platindrähten oder Halbleitern bestimmt.Bei der pneumatischen Golay-Zelle verfolgt man die Erwärmung eines Gases nachdem Lichtauffall auf eine geschwärzte Metallplatte über die Bewegung eines flexi-blen Diaphragmas.

3.4.5.2 Raman-Spektroskopie

Moleküle werden mit Lichtquanten höherer Energie angeregt als für Schwingungenerforderlich (UV- oder sichtbarer Bereich). Sie geben entweder einen bestimmtenEnergiebetrag als Schwingungsenergie an das Molekül ab und werden dadurch selbst

230 3 Methoden

Page 241: Enzymkinetik (3. Auflage)

energieärmer (Stokessche Linien) oder sie übernehmen diesen Energiebetrag vomMolekül und werden energiereicher (Anti-Stokessche Linien). Die Erregerlinie, diesog. Rayleigh-Streuung, die durch elastische Streuung der Quanten an den Molekülenverursacht wird, besitzt die weitaus höchste Intensität, die längerwelligen Stokess-chen Linien sind wiederum intensiver als die kurzwelligen Anti-Stokesschen Linien.Die Anregung erfolgt normalerweise bei Wellenlängen, die sich nicht mit der Ab-sorptionsbande der Verbindung überlagern. Bei der Resonanz-Raman-Methode fälltdagegen die Anregungswellenlänge mit der Absorptionsbande zusammen, wodurchdie mit elektronischen Übergängen gekoppelten Schwingungen verstärkt werden, wasganz spezifische Schwingungsbanden erzeugt. Wie auch die Fluoreszenzspektrosko-pie durch den Raman-Effekt gestört wird, beeinträchtigen Fluoreszenzerscheinungendie Raman-Spektroskopie. Die Frequenz der Raman-Linien wird angegeben als Diffe-renz zwischen der Anregungsfrequenz und der betreffenden Raman-Linie. Es werdenbereits relativ schwache Wechselwirkungen, wie Wasserstoffbrückenbindungen, er-faßt. Damit eignet sich diese Methode auch zum Studium katalytischer Mechanis-men. In wässriger Lösung wird die Raman-Spektroskopie zugänglich durch Anre-gung mit langwelligem, monochromatischem, intensivem Laserlicht, wie demNd:YAG-Laser (mit Neodym dotierter Yttrium-Aluminium-Granat, Wellenlänge1064 nm). Ähnlich der Fluoreszenz-Spektroskopie wird die Streustrahlung der Probeim rechten Winkel zur Anregung gemessen. Durch Verwendung gepulster Laser las-sen sich auch sehr schnelle Prozesse erfassen.

3.4.5.3 Anwendungen

IR- und Raman-Spektroskopie werden vor allem für Strukturuntersuchungen an Pro-teinen, zur Bestimmung von Sekundärstrukturen (�-Helix, �-Struktur), Strukturverän-derungen, Bindung von Liganden, prosthetischen Gruppen und Metallen angewandt.Mit diesen Verfahren wurden beispielsweise Wechselwirkungen von Sauerstoff undKohlenmonoxid mit Hämoglobin untersucht. Schwefelhaltige Gruppen geben auf-grund der hohen Polarisierbarkeit des Schwefels eine starke Raman-Streuung und eslassen sich Bildung und Spaltung von Disulfidbrücken verfolgen. Mittels der IR-Spektroskopie konnten R- und T-Zustände beim Hämoglobin durch ligandeninduzier-te Veränderungen von Thiolspektren unterschieden werden. Intensive Effekte beson-ders in der Resonanz-Raman-Spektroskopie zeigen Metalloproteine, wie die porphy-rinhaltigen Hämproteine (Cytochrome, Hämoglobin), Proteine mit Fe-S-Komplexen(Komponenten der Atmungskette, Ferredoxin) und Kupferproteine. Durch FT-IR- undRaman-Spektroskopie wurden verschiedene Enzymreaktionen und enzymkatalytischeMechanismen studiert, wie die Spaltung von Fructosebisphosphat zu Glycerinalde-hydphosphat und Dihydroxyacetonphosphat durch die Aldolase und das Auftretendes Acyl-Zwischenprodukts im proteolytischen Mechanismus von Chymotrypsin undPapain. Zur direkten Verfolgung von Enzymreaktionen bei enzymkinetischen Unter-suchungen eignen sich beide Verfahren allerdings weniger.

A3.4 Spektroskopische Methoden 231

Page 242: Enzymkinetik (3. Auflage)

3.4.6 Elektronenspinresonanz-Spektroskopie

Bereits mit der IR- und Raman-Spektroskopie wurden Methoden angesprochen, die nurnoch randständig dem Themenkreis dieses Buches zuzuordnen sind. Dies gilt nochmehr für die erwähnte Elektronenspinresonanz-Spektroskopie (ESR, auch EPR vonelektronenparamagnetischer Resonanz), die wegen der für alle Proteine zugänglichenMethode der Spinmarkierung wertvolle Informationen zu Struktur und Bindung liefertund daher hier erwähnt werden soll. Allerdings steht der apparative Aufwand einer brei-teren Anwendung im Weg. Für Details, wie für verwandte Methoden, besonders derNMR-Spektroskopie, sei auf Fachbücher der physikalischen Chemie verwiesen.

Mit Hilfe der ESR-Spektroskopie werden Moleküle mit paramagnetischen Eigen-schaften, d. h. mit ungepaarten Elektronen, studiert. Ungepaarte Elektronen besitzendie Spinquantenzahl S =1/2, entsprechend einem magnetischen Moment von ms =±1/2. In einem magnetischen Feld bewegen sie sich entweder parallel (ms =+1/2) oder anti-parallel (ms =–1/2) zur Feldachse z. Ein oszillierendes Magnetfeld im rechten Winkelzur Feldachse induziert Übergänge zwischen den beiden Spinzuständen, wenn die Fre-quenz des Feldes im Bereich der Larmor-Frequenz des sich bewegenden Elektrons liegt.Der Energiegehalt Em eines Elektronenspins im magnetischen Feld H ist:

�� � ������ � �������B ist das Bohrsche Magneton (9,273·10–24 J T–1), H die Feldstärke, g wird als g-Faktor bezeichnet (s. u.). Die Differenz der Energiegehalte zweier Elektronen � und �mit den magnetischen Momenten ms =+1/2 bzw. ms =–1/2 ist:

�� � �� � �� � ���� � ������Resonanz tritt ein für

� � ���� � ������h ist das Plancksche Wirkungsquantum und die Mikrowellenfrequenz. Entspre-chend werden bei der ESR-Spektroskopie Moleküle mit ungepaarten Elektronen inmagnetischen Feldern beobachtet, die in Resonanz mit einer monochromatischenStrahlung treten.

Lokale permanente Felder Hloc in der Umgebung des ungepaarten Elektrons, ins-besondere das magnetische Moment des Kerns, überlagern sich mit dem externenmagnetischen Feld H und führen zur Hyperfeinstruktur-Aufspaltung, einer besonderenEigenschaft von ESR-Spektren. Ist ein Elektron um einen Kern mit dem Kernspin Ilokalisiert, dann kann Hloc entlang der externen Feldachse 2I+1 Werte annehmen ent-sprechend den 2I+1 Werten des magnetischen Moments des Kerns mI:

���� � � � � � �� � ������

a ist die Hyperfein-Kopplungskonstante. Für ein Wasserstoffatom (I =1/2) hat dieHälfte der Radikale der Probe mI =+1/2. Sie treten in Resonanz, wenn das äußereFeld die Bedingung erfüllt:

232 3 Methoden

Page 243: Enzymkinetik (3. Auflage)

� � ����� � �� ��bzw.

� � �� ����� � �� � � ���� ��Die andere Hälfte mit mI =–1/2 erfüllt die Resonanzbedingung dagegen bei:

� � �� ����� � �� � � ���� ��Anstatt einer Linie zeigt nun das Spektrum zwei Linien mit der Hälfte der ursprüng-lichen Intensität, die durch die Kopplungskonstante a getrennt und um ein durch deng-Faktor bestimmtes Feld zentriert sind.

Enthält das Radikal ein Stickstoffatom (I =1), so spaltet es in drei Linien auf(mI =–1, 0, 1), da der Stickstoffkern drei mögliche Spinorientierungen hat und jedevon einem Drittel aller Radikale der Probe eingenommen wird (Abb. 3.42A).

Die meisten kommerziellen Geräte benutzen ein magnetisches Feld von 0,3 Tesla(1 Tesla =104 Gauss), entsprechend einer Resonanz mit einem elektromagnetischen

A3.4 Spektroskopische Methoden 233

Abb. 3.42. ESR-Spektrum eines Nitroxyl-Radikals (A). A0 ist die anisotrope Kopplungskonstante, g0

der isotrope g-Faktor, W die Linienbreite, h0 die Amplitude, H die magnetische Feldstärke (nachGraupe, 1982). B) Strukturformeln stabiler Nitroxylradikale. 1) Di-tert.-Butyl-Nitroxyl, 2) Tetrame-thylpyrrolidin-Nitroxyl (Proxyl), 3) Tetramethylpiperidin-Nitroxyl (Tempo).

Page 244: Enzymkinetik (3. Auflage)

Feld der Frequenz von 1010 Hz (10 GHz) und einer Wellenlänge von 3 cm („X-Band“, Mikrowellenregion). Das magnetische Feld wird variiert und durch Messungder Absorption der Mikrowellenstrahlung aus einem Mikrowellengenerator (Klystron)mittels eines Mikrowellendetektors das ESR-Spektrum aufgenommen. Die Darstel-lung erfolgt als 1. Ableitung des Absorptionsspektrums.

ESR-Spektren sind charakterisiert durch ihre Linienform, den g-Faktor und dieKopplungskonstante a. Letztere ergibt sich aus dem Abstand der spektralen Linienund ist ein Maß für die Wechselwirkung des Elektrons mit dem lokalen Feld desKerns. Den g-Faktor erhält man aus dem Mittelpunkt des Spektrums (Abb. 3.42A).Er ist ein Maß für das mit dem externen Magnetfeld in Wechselwirkung stehendeGesamtmoment aus Spin- und Orbitalmoment. Der g-Faktor für ein Elektron beträgtge =2,0023. Die Abweichung des durch die ESR-Spektroskopie bestimmten g-Faktorsvon diesem Wert, g =(1–�) ge, hängt ab von der Fähigkeit des angelegten Feldes, denlokalen Elektronenstrom des Radikals zu beeinflussen. Diese Wechselwirkung ist ab-hängig von der Orientierung des Magnetfeldvektors zu den molekularen Achsen. Beianisotropen Anordnungen (in Einkristallen) ist die Spektrenform von der relativenNeigung des Kristalls zum Magnetfeld abhängig, bei isotroper Verteilung in Lösun-gen wird ein einheitliches Spektrum erhalten. Durch Einschränkung der freien Be-weglichkeit, z. B. bei Bindung eines Radikals an ein Makromolekül, verbreitern sichdie Banden des Spektrums und werden asymmetrisch. Diese Eigenschaft erlaubt es,direkt Bindungen paramagnetischer Liganden zu verfolgen bzw. Beeinflussungen ge-bundener Radikale zu untersuchen.

Natürlich auftretende paramagnetische Verbindungen sind die ÜbergangsmetalleCr3+, Mn2+, Co2+, Cu2+ und die Lanthaniden. Am Beispiel der Pyruvat-Formiat-Lyase konnte ein Enzym nachgewiesen werden, das ein stabiles paramagnetisches In-termediat bildet. Stabile Radikale können synthetisiert und, ähnlich den Fluoreszenz-chromophoren, über seitenkettenreaktive Gruppen, wie Maleinimid oder Isothiocya-nat kovalent am Protein fixiert werden (Spin-Label). Zumeist handelt es sich umdurch tertiäre Butylgruppen isolierte Nitroxylradikale, die als stabile Tetramethylpi-peridin- bzw. Tetramethylpyrrolidin-1-oxyle eingesetzt werden (Abb. 3.42B).

3.5 Messung schneller Reaktionen

In den letzten Jahrzehnten wurde eine große Zahl von Methoden zur Messungschneller Reaktionen entwickelt, wovon die bereits in Abschnitt 3.4.3.7 behandeltePulsfluorimetrie mit einem zeitlichen Auflösungsvermögen im Bereich von Nanose-kunden zu den schnellsten zählt. Die verschiedenartigen Verfahren lassen sich weit-gehend auf ein übereinstimmendes Schema zurückführen. Für die spezielle Methodecharakteristisch ist ein Bauteil, das der Auslösung (Initiierung) der schnellen Reak-tion dient und dessen Konstruktionsprinzip den erfaßbaren Zeitbereich und den Typder zu untersuchenden Reaktionen bestimmt (Abb. 3.43). Für die Auswahl einer ge-eigneten Methode ausschlaggebend ist daher nicht nur die Zeitauflösung, sondernauch die Anwendbarkeit auf eine spezielle Reaktion. Das Prinzip von Flußmethodenberuht auf der raschen Durchmischung der Reaktanten, sie eignen sich daher beson-ders für schnelle enzymatische Reaktionen zum Studium enzymkatalytischer Mecha-

234 3 Methoden

Page 245: Enzymkinetik (3. Auflage)

nismen. Mit einer zeitlichen Auflösung im Millisekundenbereich sind sie in der Ska-la schneller Reaktion vergleichsweise langsam. Bis zu tausendfach schnellere Reak-tionen sind mit Relaxationsmethoden meßbar. Ihr Prinzip basiert auf einer kurzzeiti-gen Störung des Gleichgewichts und somit können keine Reaktionsumsätze, sondernnur im Gleichgewicht befindliche Reaktionen verfolgt werden, wie Ligandenbindun-gen, Isomerisierungen oder spontane und induzierte Konformationsänderungen beiMakromolekülen. Die noch schnelleren Bestrahlungsmethoden setzen die Sensitivitätdes Systems gegenüber Lichtimpulsen voraus. Zur Charakterisierung eines bestimm-ten Prozesses ist es daher oft notwendig, verschiedene Methoden und unterschiedli-che Versuchsansätze auf geeignete Weise miteinander zu kombinieren.

All diesen Methoden gemeinsam ist die Notwendigkeit der Detektion des Reakti-onsverlaufes nach dessen Initiierung. Hierfür ist die Art der Reaktion und wenigerdie zeitliche Auflösung bestimmend, daher bedienen sich die verschiedenen Metho-den vergleichbarer Nachweisverfahren. Für Enzymreaktionen eignen sich besondersdie optischen Verfahren, wobei die Absorptionsphotometrie als universelles und ein-faches Verfahren die breiteste Verwendung findet, aber auch Fluoreszenz-, CD-,ESR- und NMR-Spektrometrie werden mit schnellen Methoden kombiniert. Danebenkommen auch Messung der Lichtstreuung, der elektrischen Leitfähigkeit oder die Be-stimmung von Sauerstoff zur Anwendung. Da die meisten dieser Verfahren bereitsbehandelt wurden, wird hier nur auf Besonderheiten bei der Adaptation an die jewei-lige schnelle Methode hingewiesen.

Das dritte wichtige Bauteil schneller Methoden dient der raschen Registrierungder Meßsignale. Früher kamen zumeist Speicheroszillographen zum Einsatz, die zu-nehmend durch computergesteuerte schnelle Speicher verdrängt werden. Letztere er-möglichen auch die unmittelbare Auswertung und Verarbeitung der Meßdaten.

A3.5 Messung schneller Reaktionen 235

Abb. 3.43. Zeitliche Auflösung von Methoden zur Messung schneller Reaktionen.

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3.5.1 Flußmethoden

3.5.1.1 Continuous-Flow-Methode

Diese Methode war das erste Verfahren zur Verfolgung schneller Reaktionen. Rasch-ig gelang es mit einer einfachen Apparatur bereits 1905, eine Reaktion in der Gas-phase bis zu 25 ms zu verfolgen. H. Hartridge und F.J.R. Roughton entwickelten1923 einen Continuous-Flow-Apparat, mit dessen Hilfe sie die Bindung von Kohlen-monoxid an Hämoglobin studierten. Das Prinzip dieser Methode hat sich bis heuteerhalten (Abb. 3.44A). Zwei Komponenten, z. B. eine Enzym- und eine Substrat-Lö-

236 3 Methoden

Abb. 3.44. Schematische Darstellung von Flußapparaturen. A) Continuous-Flow-Apparatur, B) Stopped-Flow-Apparatur, C) Multi-Mixing-Apparatur. 1,2 Reaktionsspritzen; 3,4 Vorratsspritzen; a, Antrieb; b,Beobachtungsröhre; d, Detektor; f, Ausfluß; k, Küvette; l, Lampe; m, Mischkammer; p, Photomulti-plier, q, dritte Reaktionsspritze (mit Quenchflüssigkeit); s, Stoppspritze; t, Trigger; v, Dreiwegeventil.

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sung, werden in Reaktionsspritzen gefüllt. Mittels eines konstanten, durch Motoran-trieb erzeugten Vorschubs werden diese Spritzen simultan über eine Mischkammerentleert und damit die Reaktion gestartet. Die Reaktionslösung strömt weiter in kon-tinuierlichem Fluß durch eine Beobachtungsröhre, in der der Reaktionsverlauf op-tisch (photometrisch oder fluorimetrisch) oder mittels eines Thermoelements verfolgtwird. Im Falle der optischen Messung dient die Röhre als Küvette und muß entspre-chend gearbeitet sein (Quarzglas bei UV-Messungen).

Bei dieser Methode wird die zeitliche Koordinate des Reaktionsablaufes in eineräumliche der Beobachtungsröhre übertragen. Die Reaktion schreitet vom Zeitpunktdes Mischens zeitlich voran, während sich das Reaktionsgemisch mit konstanter Ge-schwindigkeit entlang der Beobachtungsröhre bewegt. Die räumliche Entfernung vonder Mischkammer ist dem Alter der Reaktion proportional:

����� �! � "��#��� ������$�#�%�&'���$(#�)� ������#�%���$*����%)��� ��+�!

� ��#������)� ��!

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Bei kontinuierlicher Strömung hat die Reaktionsmischung an einem bestimmten Be-obachtungspunkt immer das gleiche Alter. So ist bei einer Flußgeschwindigkeit von10 m/s die Reaktion 1 cm hinter der Mischkammer1 ms alt. Jeder Zeitpunkt im Re-aktionsablauf kann daher prinzipiell zeitunabhängig gemessen werden, d.h. kurzeZeitabläufe lassen sich über längere Zeiten beobachtet. Das unterscheidet dieses Ver-fahren von anderen schnellen Methoden, da die Signale durch zeitliche Mittelung zu-verlässiger gestaltet werden können. Dieser Vorteil wird allerdings mit einem sehrgroßen Substanzverbrauch erkauft, da während der Meßdauer die Strömung konstantgehalten werden muß. Benötigt die Erfassung eines Meßpunkts 1 s, so fließen bei ei-nem Durchmesser von 5 mm in dieser Zeit 200 ml durch die Röhre. Da zur Verfol-gung des Zeitverlaufs der Reaktion mehrere Meßpunkte in verschiedenen Entfernun-gen zur Mischkammer aufgenommen werden müssen, wären für eine einzige Kurveeinige Liter der Reaktionslösung erforderlich. Mit dem von Hartridge und Roughtonuntersuchten Hämoglobin war das kein großes Hindernis, zum Studium von Enzym-reaktionen sind solche Mengen aber nicht zu beschaffen. Daher war die Entwicklungdieser Methode zu einer Zeit, als die technischen Voraussetzungen für rasche Regi-strierungen noch nicht bestanden, nur möglich, weil der schnelle Reaktionsverlauflangsam gemessen werden konnte. Der eigentliche Durchbruch der schnellen Kinetikgelang mit der Entwicklung des Speicheroszillographen und schließlich schneller Da-tenspeicher, wie auch der Empfindlichkeitssteigerung von Photometern, so daß Reak-tionszeit und Reaktionsvolumen deutlich reduziert werden konnten. Eine Verringe-rung des Röhrendurchmessers bis auf 1 mm erlaubte die Senkung des Substanzbe-darfs für eine Messung auf 10 ml.

Ein weiterer Vorteil der Continuous-Flow-Methode liegt in ihrer kurzen Totzeit, al-so der Zeit zwischen dem Start der Reaktion und dem Einsetzen des Meßsignals. Siebestimmt das zeitliche Auflösungsvermögen der Apparatur. Bei der Continuous-Flow-Methode liegt der erste Meßpunkt unmittelbar hinter der Mischkammer am An-fang der Beobachtungsröhre, so daß der Weg, den die reagierende Lösung unbeob-achtet zurücklegt, äußerst kurz ist. Gute Geräte erreichen Totzeiten von 0,2 ms. DieTotzeit hängt auch von der Flußgeschwindigkeit ab und ließe sich durch deren Stei-

A3.5 Messung schneller Reaktionen 237

Page 248: Enzymkinetik (3. Auflage)

gerung weiter reduzieren. Allerdings wird bei hohen Flußgeschwindigkeiten die ho-mogene Durchmischung der Reaktionslösung schwierig. Inhomogene Lösungen bil-den Schlieren und verursachen bei den sehr empfindlichen Meßeinstellungen Störun-gen im Reaktionsablauf. Eine homogene Durchmischung innerhalb von Millisekundenstellt hohe Anforderungen an die Konstruktion der Mischkammer. Aus mehreren Düsenwerden die Reaktionslösungen im Gegenstrom in das Innere der Mischkammer einge-spritzt und damit starke Turbulenzen erzielt (Abb. 3.45). Zu hohe Flußgeschwindigkei-ten bewirken in den engen Düsen Reibungseffekte und damit Erwärmungen der Reak-tionslösung, die den Reaktionsablauf beeinflussen und zu Schlierenbildung führen.

Eine Modifikation zur Reduzierung des Reaktionsvolumens ist die von B. Chanceentwickelte Puls-Flow-Methode, bei der Lösungen in kurzen, kontinuierlichen Stößenin die Röhre gepreßt werden. Eine weitere Anwendung ist die Kombination der Con-tinuous-Flow-Methode zur Messung von ESR-Spektren (Yamazaki et al., 1960).

3.5.1.2 Stopped-Flow-Methode

Eine breitere Anwendung schneller Methoden für Enzymreaktionen fand erst durchdie von B. Chance (1943) entwickelte Stopped-Flow-Apparatur statt. Im Unterschiedzur Continuous-Flow-Methode werden die Reaktionsspritzen nicht kontinuierlich,sondern in einem schnellen Impuls über die Mischzelle in die Beobachtungskammerentleert. In dieser wird, nachdem der Fluß zum Stillstand gekommen ist, der Reakti-onsverlauf verfolgt (Abb. 3.44 B). In der Regel handelt es sich bei dieser Beobach-tungskammer um eine photometrische Küvette, die so angeordnet ist, daß der opti-sche Strahl für Absorptionsmessungen senkrecht zur Strömungsrichtung durchfällt,bei fluorimetrischen Messungen wird das Fluoreszenzlicht senkrecht zur Anregungbetrachtet. Die Reaktionslösung muß den gesamten Weg durch die Küvette zurückzu-legen, bis die Reaktion registriert werden kann, was die Totzeit deutlich heraufsetzt.Mit Geräten aus Einzelanfertigungen können Totzeiten unter 1 ms erreicht werden,kommerziell erhältliche Geräte haben Auflösungen um 5 ms. Eine Verringerung derTotzeit wird durch Reduzierung der Schichtdicke der Küvette (z. B. auf 0,2 mm) er-reicht, allerdings auf Kosten der Empfindlichkeit. Wie bereits bei der Continuous-Flow-Methode besprochen, ist eine homogene Durchmischung essentiell. Durch Mi-schung eines Farbstoffs mit Wasser läßt sich diese überprüfen. Zeigt das Meßsignal

238 3 Methoden

Abb. 3.45. Querschnitt durcheine Mischkammer für Flu-ßapparaturen; a) von vorne;b) von der Seite (nach Gib-son & Milnes, 1964; mit Ge-nehmigung des Verlags).

Page 249: Enzymkinetik (3. Auflage)

nach dem Stillstand des Flusses einen Drift, so liegt unvollständige Durchmischungvor. Temperaturdifferenzen im Strömungssystem führen auch zu Schlierenbildung,daher müssen sämtliche mit den Lösungen in Kontakt tretenden Bauteile der Appara-tur gleichmäßig thermostatisiert werden.

Der Impuls zur Entleerung der Reaktionsspritzen wird hydraulisch oder durch Ent-spannen eines Gases aus einer Druckflasche in einen Kolben ausgelöst, der über ei-nen Antriebsblock beide Reaktionsspritzen simultan antreibt. Nach einem anderenSystem werden die Reaktionslösungen direkt unter Gasüberdruck gesetzt und derFluß durch Öffnen eines elektromagnetischen Ventils ausgelöst. Die beiden Reakti-onsspritzen haben in der Regel das gleiche Volumen, so daß sich beide Reaktions-partner nach dem Mischen 1 : 1 verdünnen. Durch Verwendung von Spritzen mit un-terschiedlichen Volumina kann aber auch ein anderes Mischungsverhältnis erhaltenwerden, wenn beispielsweise die Enzymlösung nicht verdünnt werden soll (generati-ver Flow-Apparat, B. Chance, 1974). Mittels seitlich angebrachter Vorratsspritzenlassen sich die Reaktionsspritzen wieder füllen und Wiederholungsmessungen durch-führen. Da die Apparatur Lufteinschlüsse und freigesetzte Gasblasen in der Misch-kammer fein zerstäubt und die Küvette undurchsichtig wird, empfiehlt es sich nicht,die Apparatur nach jedem Schuß zu spülen und neu zu füllen. Vielmehr wird die ab-reagierte Lösung in der Küvette durch die folgende Lösung in die sich anschließendeStopp-Spritze gedrückt, die durch den Anschlag ihres Stempels an einen Widerstandden Fluß zum Stillstand bringt und das Reaktionsvolumen festlegt wie auch gleich-zeitig den Impuls (Trigger) zum Start der Registrierung auslöst (End-Stopp-System).Nach jedem Schuß muß die Stopp-Spritze entleert werden. Nach einem anderen Bau-prinzip wird der Fluß durch einen im Bereich der Reaktionsspritzen angebrachtenWiderstand gestoppt, an den der Antriebsblock anschlägt (Front-Stopp-System). Dashat den Vorteil, daß die Beobachtungskammer keinen hohen Drücken ausgesetztwird, was die Konstruktion des Geräts vereinfacht. Allerdings können durch die Ent-spannung der Lösung in der Beobachtungskammer Gasblasen freigesetzt werden.Dem wird durch einen begrenzten Gegendruck entgegengewirkt, der durch eine Ver-engung zwischen Küvette und dem Auslaufgefäß erzeugt wird.

Die über das optische System erfaßten Meßsignale werden entweder auf einemSpeicheroszillographen sichtbar gemacht und abfotographiert oder in einem digitalenDatenspeicher gespeist. Von dort lassen sie sich auf einem Bildschirm wiedergebenund über einen Drucker aufzeichnen, wie auch durch einen angeschlossenen Compu-ter verarbeiten (Datenberechnung, Kurvenglättung etc.).

P. Strittmatter (1964) entwickelte eine einfach zu bauende, aber wirkungsvolleStopped-Flow-Apparatur (Abb. 3.46). Als Mischkammer dient ein aus Kunststoff ge-fertigter Tauchkolben, der genau in eine photometrische Küvette eingepaßt ist, diewiederum in einem Photometer fixiert ist. Beim Entleeren der Reaktionsspritzendurch einen Motorantrieb werden die Reaktionslösungen über Schläuche in denTauchkolben gedrückt und verlassen diesen, nach Passieren der Mischkammer, durcheine an der Unterseite des Kolbens angebrachte Öffnung. Die in die Küvette eindrin-gende Reaktionsmischung drückt den Tauchkolben nach oben und gibt den Lichtwegfür die photometrische Messung frei. Mit diesem Gerät sind Totzeiten von wenigenMillisekunden zu erreichen. Es können im Labor vorhandene Photometer verwendetwerden, die allerdings zur Erfassung des schnellen Meßsignals umgerüstet werden

A3.5 Messung schneller Reaktionen 239

Page 250: Enzymkinetik (3. Auflage)

müssen. Bei Verwendung von Mikroküvetten sind für jede Messung nur einige Zehn-tel Milliliter an Probelösung erforderlich.

Absorptions-Photometer mit variabler Wellenlänge und D2- und Halogenlampe fürUV- und sichtbaren Bereich sind die häufigsten Detektionssysteme für Stopped-Flow-Geräte. Aufgrund der in kurzer Zeit zu erfassenden geringen Absorptionsänderungen(0,01–0,2) muß das Gerät wesentlich empfindlicher arbeiten als normale Spektralpho-tometer. Der Lampenstrom muß stabilisiert sein. Eine Steigerung der Empfindlichkeitdurch Reduzierung des Hintergrundrauschens läßt sich auch über eine Erhöhung derLichtintensität mittels Spaltverbreiterung erreichen, allerdings unter Einbuße an spek-traler Auflösung. Durch eine Doppelstrahlanordnung, wie in Abb. 3.47 dargestellt,läßt sich die Empfindlichkeit des Geräts weiter steigern. Die Reaktionslösungen pas-sieren vor Erreichen der Mischkammer Küvetten jeweils der halben Schichtdicke derMeßzelle. Ein Referenzstrahl fällt durch diese beiden Referenzküvetten und mißt dieAbsorptionen der getrennten Reaktionskomponenten, die von der Absorption derMeßzelle abgezogen wird. Als Meßsignal erscheint somit die Differenz der Reakti-onspartner vor und während der Reaktion. Speziell für sehr geringe Absorptionsdiffe-renzen und bei Messungen in trüben Lösungen wird das Doppelwellenlängen-Prinzipangewandt, bei dem der Referenzstrahl den gleichen Weg, jedoch mit unterschiedli-cher Wellenlänge, durch die Meßzelle nimmt wie der Meßstrahl. Wie auch beimDoppelwellenlängen-Photometer (vgl. Abschnitt 3.4.1.6) wird der Referenzstrahl aufdie Wellenlänge des isosbestischen Punkts bzw. der Trübung außerhalb des Absorpti-

240 3 Methoden

Abb. 3.46. Stopped-Flow-Appara-tur nach Strittmatter (1964).

Abb. 3.47. Doppelstrahl-Stopped-Flow-Apparatur.

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onsmaximums eingestellt. Zusätzlich läßt sich diese Anordnung ausnutzen, die zeitli-che Absorptionsänderung in der Meßzelle gleichzeitig bei zwei verschiedenen Wel-lenlängen zu verfolgen. Rapid-Scan-Stopped-Flow-Apparate erlauben die zeitlicheVerfolgung von Änderungen über den gesamten Spektralbereich. Das Licht der Licht-quelle wird direkt durch die Meßzelle geschickt und erst hinter dieser spektral zer-legt. Ein Multikanalphotodetektor (Diodenzeilen-Detektor) erfaßt den gesamten Spek-tralbereich in wenigen ms. In einer Sekunde können somit über 100 Spektren aufge-nommen werden (Hollaway & White, 1975).

Für Fluoreszenzmessungen wird mit den für die Absorptionsmessung verwendetenD2- bzw. Halogen-Lampen, oder besser mit einer Xenonlampe angeregt und dasEmissionslicht im senkrechten Winkel nach dem Durchtritt durch einen Emissionsfil-ter bzw. -monochromator erfaßt. Fluoreszenzpolarisation erfordert zwei Photomulti-plier jeweils im rechten Winkel zum linear polarisierten Anregungsstrahl und zuein-ander senkrecht orientierte Polarisationsfilter für die beiden Emissionsstrahlen (vgl.Abschnitt 3.4.3.6). Zur Messung von Konformationsänderungen bei Enzymen eignensich mit Circulardichroismus-Optik ausgerüstete Stopped-Flow-Apparaturen, wobeieine Quecksilber-Bogenlampe oder eine Xenonlampe als Lichtquelle dient (Bayley &Anson, 1975). Auch mit NMR-Stopped-Flow-Apparaturen lassen sich Konformations-änderungen verfolgen, die allerdings höhere Konzentrationen der Reaktionspartner er-fordern und eine geringe Zeitauflösung (über 10 ms) aufweisen (Grimaldi & Sykes,1975). Zum Studium von Assoziations-Dissoziations-Vorgängen bei Makromolekülendient die Lichtstreuungs-Stopped-Flow-Apparatur, die Licht eines Lasers oder eineranderen Lichtquelle verwendet, auch wird die Röntgenstrahlung eines Synchrotronsherangezogen (Flamig & Parkhurst, 1977; Moody et al., 1980). Lichtsensitive Reak-tionen lassen sich durch kurzzeitige Bestrahlung mit einem Lichtblitz oder Laser aus-lösen. Durch Kombination dieser Methode mit einem Stopped-Flow-Apparat könnenReaktionspartner rasch gemischt und die Reaktion durch Lichtblitze aktiviert werden,wie die Reaktion von Sauerstoff mit der mit CO blockierten Cytochromoxidase, dienach Bestrahlung CO abspaltet und damit die Bindungsstellen für den Sauerstoff frei-gibt (vgl. Flash-Photolyse, Abschnitt 3.5.3). Stopped-Flow-Apparaturen werden auchmit der Temperatur-Sprung-Methode kombiniert (Abschnitt 3.5.2.1). Durch Enzymre-aktionen hervorgerufene Temperaturänderungen lassen sich mit einer Kalorimeter-Stopped-Flow-Apparatur messen, wobei ein dünnes Thermoelement bzw. ein Thermi-stor als Sensor Verwendung findet. Die Ansprechzeiten liegen in der Größenordnungvon 50 ms (Nakamura, 1978). Reaktionsbedingte Änderungen in der Protonenkonzen-tration können in einer pH-Stopped-Flow-Apparatur mit einer Glaselektrode gemes-sen werden.

Eine Modifikation der Stopped-Flow-Methode ist das Multi-Mixing-System(Abb. 3.44 C). Die beiden Reaktionspartner durchlaufen nach ihrer Mischung eine be-stimmte Strecke, während der sie unbeobachtet bereits miteinander reagieren können,und treffen dann auf eine zweite Mischkammer, bei der, über eine dritte Reaktions-spritze, ein weiterer Reaktionspartner zugeführt wird. Erst an dieser Stelle erfolgt die(photometrische) Beobachtung. Durch Veränderung der Flußgeschwindigkeit oder derFlußstrecke zwischen den beiden Mischkammern kann die Reaktionszeit der beidenersten Partner verändert werden. Eine Vereinfachung dieser Methode ist dieQuenched-Flow-Technik, bei der die dritte Reaktionsspritze eine Lösung enthält, die

A3.5 Messung schneller Reaktionen 241

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die Reaktion der beiden ersten Partner z. B. durch pH-Veränderung oder Denaturie-rung des Enzyms (mit Perchlorsäure oder Trichloressigsäure) augenblicklich stoppt.Der Reaktionsumsatz wird anschließend auf chemischem Wege analysiert, auch kannder dritten Reaktionsspritze ein Indikator zugesetzt werden. Die Apparatur benötigtkeine Vorrichtungen zur raschen Registrierung (Fersht & Jakes, 1975). Bray (1961)verwendete als Quench-Flüssigkeit in flüssigem Stickstoff gekühltes Isopentan, in dasdie Reaktionslösung gespritzt wird und augenblicklich gefriert. Diese Rapid-Free-zing-Methode eignet sich besonders für ESR-Messungen mit freien Radikalen bzw.mit paramagnetischen Metallen.

3.5.1.3 Messung von Enzymreaktionen durch Flußmethoden

Zur Verfolgung schneller enzymatischer Umsätze ist die Stopped-Flow-Apparatur dieMethode der Wahl. Mit ihr lassen sich Reaktionen analysieren, die mit normalenphotometrischen Methoden nicht mehr zu erfassen sind, wie die wahre Anfangsge-schwindigkeit insbesondere bei geringen Substratkonzentrationen, die bei manuellemMischen bereits vor Einsetzen des Meßvorgangs in der Küvette abläuft. Vor allemdient sie dem Studium der Pre-Steady-State-Reaktionen, also der vor der Steady-State-Phase ablaufenden Prozesse. Diese starten mit der zumeist diffusionskontrollier-ten Bindung des Substrats an das Enzym. Obwohl prinzipiell ein rascher Prozeß,kann er als Reaktion zweiter Ordnung vielfach durch geeignete Wahl der Konzentra-tionen der Reaktionspartner sichtbar gemacht werden. Daran schließt sich oft eineIsomerisierung des Enzyms zur aktiven Konformation an. Schließlich wandelt sichdas Substratmolekül am Enzym im katalytischen Prozeß über einen Übergangszu-stand zum Produkt um. Die mit Hilfe der Apparatur tatsächlich zu beobachtenden Vor-gänge hängen von der Art des Meßsignals ab. Wie in der konventionellen Enzymkinetikkönnen Substratabnahme oder Produktbildung verfolgt werden. In diesen Fällen beob-achtet man eine sog. Burst-Kinetik (engl. burst, bersten), die sich in einem raschen An-stieg zu erkennen gibt, bevor die lineare Steady-State-Phase erreicht wird (Abb. 3.48).Der Burst � resultiert aus der raschen Wechselwirkung des Substrats mit dem noch un-besetzten Enzym unmittelbar nach dem Mischen und repräsentiert den ersten Reakti-onsdurchsatz. Das Substrat ist in seiner Bindung an das Enzym nicht durch bereits ge-bundene Substrat- oder Produktmoleküle behindert, die zur Verzögerung der Gesamtre-aktion in der Steady-State-Phase beitragen. Die Höhe des Bursts (Amplitude) gibt dieMenge der im ersten Durchsatz gebildeten Produktmoleküle an. Durch Extrapolationder linearen Steady-State-Phase auf die Ordinate zur Zeit t=0 ergibt sich daher bei Sub-stratsättigung die Zahl der an diesem Prozeß beteiligten aktiven Zentren. In einer dop-pelt-reziproken Darstellung von gegen 1/[A]0 erhält man die Konzentration der aktivenZentren bei unendlicher Substratkonzentration aus dem Ordinatenschnittpunkt(Abb. 3.48). Zur Auswertung des Pre-Steady-State-Prozesses, z. B. zur Ermittlung derReaktionsordnung wie auch zu einer möglichen Auflösung mehrerer sich überlagern-der Prozesse, ist die Steady-State-Phase von der gesamten Kurve abzuziehen.

Gegenüber einfachen Steady-State-Messungen muß die Enzymkonzentration deut-lich erhöht werden, um Meßeffekte in der kurzen Zeit sichtbar zu machen. Dies er-laubt es auch, die Vorgänge am Enzym selbst zu messen, z. B. durch Beobachtung

242 3 Methoden

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der Proteinabsorption bzw. -fluoreszenz. Auf diese Weise lassen sich Pre-Steady-State-Reaktionen ohne Überlagerung des Meßsignals durch die Produktbildung ver-folgen. Allerdings sind die zu erwartenden Veränderungen im Bereich der Eigenab-sorption des Proteins relativ gering. Bessere Effekte werden erhalten, wenn das Pro-tein chromophore prosthetische Gruppen, wie Flavine oder Hämgruppen, besitzt. Mitder Stopped-Flow-Methode lassen sich weiterhin Wechselwirkungen des Enzyms mitCofaktoren, Metallionen, Hemmstoffen, allosterischen Effektoren u.a. untersuchen.Reaktionen, wie Dehydrogenasen, bei denen Protonen freigesetzt oder gebunden wer-den, können auch in ungepufferter oder schwach gepufferter Lösung, mit Hilfe geeig-neter pH-Indikatoren, verfolgt werden, wobei der pKa-Wert des Indikators möglichstnahe am pH-Wert der Reaktionsmischung liegen sollte.

Eine spezielle Anwendung ist die pH-Sprung-Stopped-Flow-Methode. Das Enzymwird in schwach gepufferter Lösung in eine Reaktionsspritze gegeben, während diezweite Spritze eine auf einen anderen pH-Wert eingestellte Pufferlösung enthält. BeimMischen erleidet das Enzym einen raschen Sprung in das andere pH-Milieu und Verän-derungen des Enzymmoleküls selbst, wie auch Wechselwirkungen mit Liganden beiveränderter Protonierung bestimmter Gruppen lassen sich verfolgen. Nach einem ver-gleichbaren Prinzip werden Sprünge in der Ionenstärke und in der Reaktantenkonzen-tration erzeugt oder andere Lösungsmittel unter Änderung der Polarität zugemischt.

3.5.1.4 Bestimmung der Totzeit

Die Zeit, die zwischen dem Start der Reaktion in der Mischkammer und der Erfassungdes Meßsignals durch das Detektionssystem verstreicht, die Totzeit, bestimmt das zeit-liche Auflösungsvermögen schneller kinetischer Apparaturen und ist ein wichtiges Qua-litätskriterium. Experimentell läßt sich die Totzeit mit Hilfe von Farbreaktionen ermit-teln, die durch Überschuß eines Reaktionspartners als Reaktionen pseudo-erster Ord-nung ablaufen. Ihr exponentieller Reaktionsverlauf kann in einer halblogarithmischenDarstellung linearisiert werden. Die so erhaltene Gerade wird auf einen Leerwert extra-poliert, der den Farbstoff in der entsprechenden Konzentration vor Beginn der Reaktion

A3.5 Messung schneller Reaktionen 243

Abb. 3.48. Zeitverlauf einerBurst-Reaktion mit (1) undohne (3) anschließender Stea-dy-State-Phase; 2) ist die ex-trapolierte Steady-State-Phase. Die senkrechten Pfeilezeigen die zeitliche Absorpti-onsänderung der Pre-Steady-State-Reaktion.

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enthält. Die Differenz zwischen diesem Punkt und dem Start der Registrierung auf derZeitachse entspricht der Totzeit (Abb. 3.49). Als Indikatorreaktionen dienen die Reduk-tion von 2,6-Dichlorphenolindophenol durch Ascorbinsäure oder die alkalische Hydro-lyse von 2,4-Dinitrophenylacetat zu 2,4-Dinitrophenol. Ebenso für Absorptions- undFluoreszenzoptik anwendbar ist die Chemilumineszenz-Reaktion von Luminol (3-Ami-nophthalhydrazin) mit Wasserstoffperoxid und Kaliumhexacyanoferrat in alkalischerLösung, die aufgrund ihrer Lichtentwicklung keine Lichtquelle benötigt. Speziell fürfluorimetrische Detektoren eignet sich die starke Fluoreszenzzunahme von Anilinona-phthalinsulfonat (ANS) bei der Bindung an Serumalbumin.

3.5.2 Relaxationsmethoden

Der zunächst von J.C. Maxwell für die Rückkehr eines molekularen Systems zu sei-nem thermischen Gleichgewichtszustand angewandte Begriff der Relaxation bezeich-net eine Gruppe von Methoden, die den Vorgang der Wiedereinstellung des Gleichge-wichtszustandes nach kurzzeitiger Störung beobachten. Nach der van’t Hoffschen Re-aktionsisobare hängt die thermodynamische Gleichgewichtskonstante K von der abso-luten Temperatur T ab:

� �� �

��

� �

� ���

�� � ������

Eine entsprechende Abhängigkeit gilt für den Druck P:

� �� �

� ��

� ��

��������

244 3 Methoden

Abb. 3.49. Bestimmung der Totzeit t ei-ner Stopped-Flow-Apparatur mit Hilfeeiner Reaktion pseudo-erster Ordnung(� � � � � �) durch halblogarithmische Li-nearisierung (——–) und Extrapolation(– – – –) auf die Absorption des Leer-werts; a) Start der Reaktion in derMischkammer, b) Beginn der Registrie-rung.

Page 255: Enzymkinetik (3. Auflage)

und für die elektrische Feldstärke E:

� �� �

��

� ���

� ��

��� ������

�H0 ist die Standard-Reaktionsenthalpie bei der Temperatur T, �V 0 die Volumenände-rung pro Formelumsatz der Reaktion unter Standardbedingungen, R die Gaskonstante.Die Differenz der partiellen molaren Polarisationen zwischen Produkten und Substra-ten, �M, repräsentiert die durch die Reaktion hervorgerufene Änderung im Ladungszu-stand der Reaktionspartner. Für jede dieser drei Abhängigkeiten wurde, ursprünglichvon Manfred Eigen und seinen Mitarbeitern in Göttingen, eine spezielle Technik ent-wickelt, mit denen das zeitliche Auflösungsvermögen gegenüber den Fluß-Methodenum einige Zehnerpotenzen verbessert werden konnte. Bei jedem dieser Verfahren befin-det sich das Reaktionssystem zunächst im Gleichgewichtszustand. Der kurzzeitig ange-legten Störung, also der Temperatur-, Druck- oder Feldstärkeänderung, vermag das Sy-stem aufgrund seiner Trägheit nicht augenblicklich zu folgen. Die Apparatur beobachtetdie Anpassung des Systems an die veränderten Bedingungen. Es ist damit nicht mög-lich, enzymatische Umsätze direkt zu messen, wohl aber lassen sich Verschiebungenim Gleichgewicht befindlicher Enzymreaktionen untersuchen. Weiterhin können Ligan-den-Bindungen, Konformationsveränderungen, Assoziationsgleichgewichte u. a. beob-achtet werden. Allerdings sind diese Gleichgewichtsverschiebungen und damit dieMeßsignale relativ gering und erfordern hohe Meßgenauigkeiten.

3.5.2.1 Temperatursprung-Methode

Von den Relaxationsmethoden hat die Temperatursprung-Methode (T-Sprung, engl. T-jump) die breiteste Anwendbarkeit, insbesondere bei enzymatischen Untersuchungen.Die in einer Beobachtungskammer befindliche Reaktionsmischung wird durch einenkurzzeitigen Temperaturpuls aufgeheizt und mit optischen oder polarographischenVerfahren beobachtet (Abb. 3.50). Der Temperatursprung wird zumeist durch Entla-

A3.5 Messung schneller Reaktionen 245

Abb. 3.50. Schema einer Temperatursprung-Apparatur; a, b, Elektroden; f, Beobach-tungsfenster; k, Küvette.

Page 256: Enzymkinetik (3. Auflage)

dung eines Hochvolt-Kondensators über eine Funkenstrecke ausgelöst. Der Stromstoßentlädt sich über Gold- oder Platinelektroden durch die Lösung in der Beobachtungs-zelle und wird zur Erde abgeleitet. Reibung der im elektrischen Feld wandernden Io-nen bewirkt eine rasche Temperaturerhöhung (Joulesche Erwärmung).

Das Ausmaß der Temperaturerhöhung läßt sich nach der Beziehung

�� � ��

����(�

durch die Spannung U (in der Regel zwischen 10000 und 100 000 V) und die Kon-densatorkapazität C (0,01–0,1 �F) festlegen und liegt zumeist zwischen 5–10�C. V istdas Reaktionsvolumen, cp die spezifische Wärme und � die Dichte der Lösung. �Thängt weiterhin über die Spannung vom Widerstand ab, der in der Lösung am höch-sten ist. Um, insbesondere bei Enzymlösungen, die Erwärmung nicht zu hoch werdenzu lassen, muß der Widerstand R in der Beobachtungszelle möglichst gering sein.Nach R�d/QL ist dies durch einen geringen Elektrodenabstand d, einen breiten Elek-trodenquerschnitt Q und eine hohe Leitfähigkeit L zu erreichen. Zur Steigerung derLeitfähigkeit wird in der Lösung eine hohe Elektrolytkonzentration benötigt (0,1–0,2 M KNO3, das gegenüber den Elektroden relativ inert ist). Die Dauer des Tempe-ratursprungs ist von Widerstand und Kapazität abhängig und läßt sich durch Erniedri-gung dieser Größen verkürzen. Allerdings sind Zeiten unter 1 �s nicht realisierbar, daeine Druckwelle entsteht, die mit der Messung interferiert und aus wässriger LösungGasblasen freisetzt. Aufgrund der Massenträgheit erfolgt die Temperaturerhöhung ra-scher als die thermische Ausdehnung. Dies bewirkt einen Druckanstieg, bei einerTemperaturdifferenz von 10�C in wässriger Lösung um 5 MPa, der sich in einerDruckwelle entspannt. Obwohl unter Verwendung eines 5 m langen Koaxialkabelsanstelle eines Kondensators eine Pulsdauer von 50 ns erreicht werden konnte (Hoff-mann, 1971), limitiert dieser Effekt die Methode auf einen Bereich von 1 �s. BeiMessungen um 4�C ist dieser Effekt am geringsten.

Anstelle des Prinzips der Jouleschen Erwärmung kommen auch Bestrahlungen mitMikrowellen oder Laserlicht zur Anwendung, insbesondere für Messungen bei gerin-ger Ionenstärke oder in nichtwässrigen Lösungsmitteln. Durch Absorption von Mikro-wellen einer Frequenz von 1010 s–1 in wässriger Lösung aus einem Mikrowellenim-pulsgenerator erreicht man eine Aufheizung von 1�C in 1 �s. Dieser relativ geringeEffekt wie auch der hohe Preis des Mikrowellengenerators steht einer breiten Anwen-dung dieses Verfahrens entgegen. Durch Pulse eines Neodynium-Lasers, dessen Wel-lenlänge mit flüssigem Stickstoff von 1060 auf 1410 nm erhöht wurde, kann inner-halb von 25 ns eine Erwärmung von einigen �C erzielt werden, da in diesem BereichWasser eine starke Absorption zeigt. Diese Methode ist damit rascher als die im Mi-krosekundenbereich erscheinende Druckwelle. Andererseits ist die Aufheizung derMeßlösung bei Lichtwegen über 1 mm inhomogen, da die Lichtabsorption der wäss-rigen Phase exponentiell mit dem Lichtweg zunimmt. Es lassen sich daher nur gerin-ge Volumina untersuchen.

Bei T-Sprung-Apparaturen werden prinzipiell die gleichen Detektionsverfahreneingesetzt wie bei der Stopped-Flow-Methode. Aufgrund der geringen Meßeffektesind auch hier hohe Anforderungen an die Empfindlichkeit gestellt. Absorptionsspek-

246 3 Methoden

Page 257: Enzymkinetik (3. Auflage)

troskopie ist das am häufigsten verwendete Verfahren, daneben kommen Fluoreszenz-und Fluoreszenzpolarisationsmessungen zur Anwendung und in geringem Maße auchdie Bestimmung der optischen Rotation, die allerdings einen größeren Lichtweg be-nötigt. Daneben wurden auch Apparaturen zur Verfolgung der Lichtstreuung und derelektrischen Leitfähigkeit entwickelt, wobei das letztgenannte Verfahren beim Prinzipder Jouleschen Erwärmung nicht anwendbar ist.

Durch Kombination mit einer Stopped-Flow-Apparatur lassen sich die Anwen-dungsmöglichkeiten der T-Sprung-Methode erweitern. Der Umstand, daß sie nur fürReaktionen im Gleichgewicht anwendbar ist, erfordert auch, daß die Reaktionspart-ner in vergleichbarer Menge vorhanden sein müssen, um eine Gleichgewichtsver-schiebung zugänglich zu machen, d.h. Reaktionen, deren Gleichgewicht überwiegendauf einer Seite liegt, sind nicht erfaßbar. Das gilt für viele quasi-irreversible Enzym-reaktionen. Bei der Stopped-Flow-Temperatursprung-Methode werden die Partner ei-ner solchen Reaktion rasch gemischt und unmittelbar danach der Temperatursprungausgelöst. Da die Zeitauflösung der T-Sprung-Methode um drei Zehnerpotenzen bes-ser ist als die des Stopped-Flow-Verfahrens, stört eine im Millisekundenbereich ab-laufende Enzymreaktion die T-Sprung-Messung nicht. Abbildung 3.51 zeigt das Sche-ma einer solchen Apparatur. In eine normale Stopped-Flow-Apparatur ist eine kombi-nierte Beobachtungszelle mit Elektroden eingebaut, die mit den Bauteilen einer T-Sprung-Apparatur verbunden ist.

Wie für Flow-Apparaturen die Totzeit, ist bei T-Sprung-Geräten die Zeit zum Er-reichen des höheren Temperaturniveaus eine für die Zeitauflösung charakteristischeGröße. Sie ist definiert als die Zeit, die nötig ist, um 90% des maximalen Niveaus zuerreichen und sie kann durch Protonierungsreaktionen mit einem pH-Indikator be-stimmt werden.

T-Sprung-Apparaturen finden Anwendung zur Untersuchung von Enzymreaktio-nen, Ligandenbindungen, Konformationsänderungen von Enzymen, spontanen oder li-gandeninduzierten Übergängen allosterischer Enzyme, katalytischen Mechanismenoder Aggregationsprozessen. Oftmals läßt sich ein Meßsignal in mehrere Einzelpro-zesse mit verschiedenen Zeitkonstanten auflösen, wie die Bindung eines Liganden,gefolgt von einer Isomerisierungsreaktion des Enzyms. Reaktionen, die kein ausrei-chend großes Meßsignal aufweisen, lassen sich in bestimmten Fällen durch Verknüp-

A3.5 Messung schneller Reaktionen 247

Abb. 3.51. Schema einer Stop-ped-Flow-Temperatursprung-Apparatur.A,E, Reaktionsspritzen;a, Antrieb; b, Küvettenblock;f, Funkenstrecke; l, Lampe;h, Hochspannungsgenerator;k, Kondensator;pm, Photomultiplier;o, Oszillograph, Detektor;s, Stoppspritze; t, Trigger.

Page 258: Enzymkinetik (3. Auflage)

fung mit einer anderen, gut nachweisbaren Reaktion zugänglich machen. So kann dietemperaturabhängige pH-Verschiebung eines rasch reagierenden Puffersystems mit ei-nem anderen protonenabhängigen Prozeß, z. B. einer Dehydrogenase-Reaktion, ge-koppelt werden. Die T-Sprung-Apparatur wird damit zu einem pH-Sprung-Apparat.

3.5.2.2 Drucksprung-Methode

Verschiedene Drucksprung-Systeme (P-Sprung, engl. P-jump) zur Erzeugung kurzzei-tiger Druckdifferenzen in Lösungen wurden beschrieben. In der von Strehlow undBecker (1959) entwickelten Apparatur (Abb. 3.52) wird die Probe in die Kammerneines Druckgefäßes (Autoklav) gegeben, mit einer flexiblen Teflonmembran ver-schlossen und mit einem druckübertragenden Medium (Wasser, Paraffin) umgeben.Dieses wird mit einer elastischen Polyethylenmembran abgedeckt und der verbleiben-de Raum des Autoklaven mit komprimiertem Gas von 5,5 MPa gefüllt. Eine Öffnungdes Autoklavs wurde zuvor mit einer leitfähigen, druckstabilen Membran aus Kupfer-Beryllium-Bronze verschlossen. Ein magnetischer Auslöser löst die Arretierung einerüber dieser Membran fixierten Metallnadel. Diese durchstößt die Membran und star-tet damit gleichzeitig die Registrierung. Durch den hohen Druck zerreißt die Mem-bran und der Druck in der Lösung entspannt sich. Die Zeitauflösung der Methode istlimitiert durch die Dauer des Reißens der Membran und durch die Fortpflanzungsge-schwindigkeit der Druckwellenfront. Sie liegt mit 20–100 �s deutlich unter derjeni-gen der T-Sprung-Methode. Bei einer Fortentwicklung dieser Apparatur (Knoche,1974) fällt der Gasraum weg und die Paraffinlösung wird direkt unter steigendenDruck gesetzt, bis die den Autoklaven verschließende Metallmembran platzt.

Nach einem anderen Prinzip besteht das Druckgefäß aus einer langen Röhre, diedurch eine Trennscheibe aus Aluminium in zwei Kammern geteilt wird, die beideWasser enthalten, die eine unter Normaldruck, die andere unter Überdruck. Die Pro-benkammer befindet sich unter der Niederdruckkammer und ist von dieser durch eineflexible Gummimembran getrennt. Der Druck in der Hochdruckkammer wird so lan-ge erhöht, bis die Trennscheibe platzt und sich der Druck in Form einer Schockwelle

248 3 Methoden

Abb. 3.52. Schema einer Drucksprung-Apparatur.

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auf die Probenlösung überträgt. Die Höhe des Überdrucks wird durch die Reißfestig-keit der Trennscheibe bestimmt, es werden Drücke bis zu 100 MPa erreicht (Knoche,1974).

Schnelle sich wiederholende Druckänderungen werden nach der von Macgregor etal. (1985) entwickelten Apparatur dadurch erhalten, daß die Beobachtungszelle durcheine Anordnung von piezoelektrischen Kristallen abgeschlossen wird. Die Kristalleexpandieren und kontraktieren zyklisch durch eine wechselweise angelegte und weg-genommene Hochspannung. Die Probelösung steht unter einem stationären Druckvon etwa 10 MPa, der sich durch den Drucksprung um jeweils 500 kPa erhöht.

Auf dem Prinzip periodischer Druckveränderung von Schallwellen in Lösungenberuht auch die Ultraschallmethode, die hier nur kurz erwähnt wird, da sie für Enzy-muntersuchungen kaum Bedeutung hat. Die Störung hat hier nicht die Form eineskurzzeitigen Sprunges, sondern einer rasch oszillierenden Sinuswelle. Wenn die Fre-quenz dieser Welle im Bereich der Geschwindigkeitskonstanten (bzw. der reziprokenRelaxationszeit, vgl. Abschnitt 3.5.4) der Reaktionslösung zu liegen kommt,schwingt das System in Resonanz mit der Schallwelle. Die Konzentrationsverände-rung des Systems zur Rückgewinnung des Gleichgewichtszustandes folgt mit verrin-gerter Amplitude und verzögert die Schallwellenfront. Es läßt sich daraus die Ge-schwindigkeitskonstante der Reaktion erhalten. In der Dispersionsmethode wird dieSchallgeschwindigkeit, in der Absorptionsmethode der Absorptionskoeffizient alsFunktion der Frequenz bestimmt. Die Ultraschallfrequenz wird von 0,05–100 MHzvariiert. Reaktionen bis in den Nanosekundenbereich lassen sich in wässriger Lösungverfolgen. Allerdings werden dafür große Probenvolumina und hohe Konzentrationen(10 mM) benötigt.

Die Meßsignale bei der P-Sprung-Methode werden konduktometrisch oder optischverfolgt, wobei die lichtdurchlässigen Teile der Beobachtungszelle den hohen Drük-ken standhalten müssen. Man verwendet dazu Saphirfenster.

Die Anwendungsmöglichkeiten der Druck-Sprung-Methode auf biologische Sy-steme und speziell für Enzymuntersuchungen sind beschränkt. Wie Gl. (3.40) zeigt,ist die druckabhängige Veränderung der Gleichgewichtskonstanten der Volumenände-rung des Systems proportional, d.h. es sind nur solche Reaktionen zugänglich, diemit einer ausgeprägten Volumenänderung einhergehen. Biologische Makromolekülezeigen trotz ihrer komplexen Strukturen eine hohe Druckstabilität. Lebewesen in derTiefsee halten unbeschadet Drücken bis zu 100 MPa stand. Für die Abhängigkeit derGeschwindigkeitskonstanten von Druck gilt analog Gl. (3.40):

� �� �

� ��

� ���

��� ������

�V�� ist die Differenz zwischen den Volumina von Übergangs- und Ausgangszustand(Aktivierungsvolumen). Durch Druckerhöhung verschiebt sich das Gleichgewichtnach dem Le-Chatelier-Braunschen Prinzip des kleinsten Zwanges in Richtung einerVolumenabnahme. Relativ starke Volumenänderungen und damit eine gute Druckab-hängigkeit zeigen Protonierungsreaktionen sowie ionische und hydrophobe Wechsel-wirkungen, während das Lösen und Knüpfen von Wasserstoffbrückenbindungen nurmit sehr geringen Volumenveränderungen einhergehen. Proteine besitzen aufgrund ih-

A3.5 Messung schneller Reaktionen 249

Page 260: Enzymkinetik (3. Auflage)

rer quasikristallinen Struktur eine sehr hohe Druckstabilität. Die Denaturierung einesProteins verläuft über viele Einzelschritte, die teilweise mit Volumenzunahme oder -abnahme begleitet sind und sich im Gesamtprozeß weitgehend kompensieren. Es re-sultiert eine vergleichsweise geringe Volumenänderung, so daß druckabhängige Dena-turierung kaum zu erreichen ist. Insgesamt besitzen Proteine ein negatives Reaktions-volumen, sie werden durch Druck destabilisiert, während DNA aufgrund ihres positi-ven Reaktionsvolumens durch Druck stabilisiert wird.

3.5.2.3 Feldsprung-Methode

Die elektrische Feldsprung-Methode (E-Sprung, engl. electric field method) ist nochin geringerem Maße als die P-Sprung-Methode auf biologische Systeme anwendbarund daher nur der Vollständigkeit wegen aufgeführt. Die Apparatur ist einer T-Sprung-Apparatur ähnlich, nur daß die Meßlösung anstatt einem Stromstoß einemHochspannungspuls ausgesetzt wird. Bei einer Spannung von 100000 V käme Was-ser innerhalb von Sekunden zum Kochen. Das elektrische Feld wird daher über einenRechteckimpuls von wenigen Nano- bis Mikrosekunden aufgebaut und wieder entla-den. Anstelle eines Kondensators wird ein 0,3–1 km langes Koaxialkabel durch einenHochspannungsgenerator aufgeladen. Über eine Funkenstrecke wird ein Kondensatoraufgeladen, der in Form zweier Elektroden an der Beobachtungszelle angebracht istund sich rasch wieder entlädt. Auf diese Weise wird die Probe kurzzeitig einem hohenelektrischen Feld ausgesetzt. Mit dieser Methode lassen sich Protonierungsreaktionenuntersuchen, auch war es möglich, Relaxationszeiten einer Hämoglobin-Sauerstoff-Mi-schung zu bestimmen und Helix-Knäuel-Übergänge bei Proteinen zu verfolgen.

3.5.3 Flash-Photolyse, Pico- und Femtosekunden-Spektroskopie

Die von Norrish & Porter (1949) zunächst für Reaktionen in der Gasphase ent-wickelte und später auf Lösungen übertragene Blitzlichtphotolyse dient der Untersu-chung wenig stabiler Verbindungen mit Halbwertszeiten unter einer Sekunde. Mit die-ser Methode wurden u.a. Prozesse der Photosynthese und des Sehvorgangs, Porphyrin-Metall-Komplexe, Bindung von O2 und CO an Hämoglobin und Myoglobin untersucht.Ein Beispiel der Verfolgung einer Enzymreaktion mit Hilfe der Flash-Photolyse ist dieFreisetzung von ATP aus einem photosensitiven ATP-Derivat durch UV-Bestrahlungmittels eines Laser-Pulses. Das Prinzip der Flash-Photolyse besteht darin, durch einenkurzen, sehr intensiven Lichtblitz eine Komponente des Reaktionssystems zu aktivierenund die dadurch initiierte Reaktion zu verfolgen. Es muß sich dabei um photosensitiveMoleküle handeln, die in freie Radikale oder in Triplettzustände überführt werden. Die-ser Umstand begrenzt den Anwendungsbereich der Methode auf Systeme, die solcheVerbindungen enthalten bzw. in die sie eingeführt werden können.

Zur Erzeugung der Lichtblitze dienen Entladungs-Blitzlichtlampen mit Argon-,Krypton- oder Xenonfüllung. Damit werden Zeitauflösungen von wenigen Mikrose-kunden erreicht. Der Picosekundenbereich wird durch gepulste Laser zugänglich. Ab-

250 3 Methoden

Page 261: Enzymkinetik (3. Auflage)

bildung 3.53A zeigt schematisch eine apparative Anordnung, bei der Lichtblitze ei-ner Xenonblitzlampe durch Entladung eines Kondensators erzeugt werden. Die Lam-pe ist parallel zu einem die Reaktionslösung enthaltenden Quarzzylinder angeordnet.Zur optimalen Durchstrahlung ist die Einheit von einem innen mit einem Reflektor-schirm aus Magnesiumoxid ausgekleideten Zylinder umgeben. Der Reaktionsverlaufim Zylinder wird durch eine in Längsrichtung zum Zylinder angebrachte photometri-sche Anordnung gemessen, wobei als photometrische Lampe ebenfalls eine Flashlam-pe dient, die einen zum Photolyseblitz etwas verzögerten Lichtblitz aussendet (Flash-Spektroskopie). Es wird zu einem einzigen Zeitpunkt der gesamte Wellenlängenbe-reich erfaßt. Zur zeitlichen Verfolgung des Reaktionsverlaufs bei einer bestimmtenWellenlänge (kinetische Spektrophotometrie) werden dagegen kontinuierliche Licht-quellen verwendet.

Durch die Einführung von Lasern konnte die Flash-Photolyse in den Nano- und Pico-sekundenbereich vordringen. Mit gepulsten Festphasen-Lasern mit Rubin (694 nm),Nd3+ in Glas oder YttriumAluminium-Granat (YAG, 1063 nm) werden Pulse zu10–30 ns Dauer erhalten. Phasenkopplung (Mode-Locking) des Lasers ermöglicht Puls-längen im Bereich von 30–100 Femtosekunden (fs). Durch Modulierung des Laserlichtssind auch die Wellenlängen 347 (Rubin), 532, 355 und 266 nm (Nd: YAG) zugänglich.Daneben kommen auch mit Blitzlichtlampen gepumpte Farbstofflaser zur Anwendung,die zwar eine deutlich schwächere Lichtintensität besitzen, jedoch einen größeren Wel-lenlängenbereich abdecken und auch preisgünstiger sind. Die Pulsdauer liegt bei ihnenzumeist über 100 ns. Um die für die Anregung der Moleküle erforderliche Energie zuerhalten, müssen die Lichtpulse verstärkt werden. Im UV-Bereich werden auch Exci-mer-Laser verwendet, die Dimerbildung im angeregten Zustand zwischen einem Edel-

A3.5 Messung schneller Reaktionen 251

Abb. 3.53. Schema einer Flash-Photolyse-Apparatur mit Blitz-lampe (A) und Laser (B).

Page 262: Enzymkinetik (3. Auflage)

gas und einem Halogen ausnutzen, wie ArCl (308 nm) und XeCl (248 nm). Sie habenPulslängen von 20 ns. Für die Flash-Spektroskopie wird der Lichtpuls aufgeteilt in zweiStrahlen, einer dient der Anregung der Probe, der andere als spektroskopischer Licht-puls. Zur zeitlichen Verzögerung wird er über einen Reflexionsspiegel gelenkt und ge-langt schließlich in eine fluoresziernde Lösung, die ihrerseits ein Lichtkontinuum inner-halb eines bestimmten Spektralbereichs aussendet (Abb. 3.53 B). Ein spektrales Konti-nuum wird auch erhalten, indem der Lichtpuls in eine Wasser- oder Wasser-Alkohol-Zelle fokussiert wird. Für kinetische Spektrophotometrie im Nanosekundenbereichmuß die Lichtintensität der photometrischen Lampe sehr hoch sein, um Störungendurch Streulicht und den Photolyseblitz zu vermeiden. Um die Ermüdung des Photo-multipliers zu vermeiden, wird wiederum in sehr kurzen Pulsen gemessen mit einerBlitzlampe oder einer gepulsten Xenonbogenlampe.

Eine Modifikation der Flash-Photolyse ist die Puls-Radiolyse, die anstelle vonLichtpulsen Elektronenpulse von 1–100 ns aus einem Mikrowellen-Linear-Elektro-nen-Beschleuniger (LINAC) verwendet. Im Unterschied zur Photoanregung, bei derspezifisch eine bestimmte gelöste Verbindung angeregt wird und das Lösungsmittelfür die Strahlung durchlässig ist, wird die Elektronenenergie in verdünnten Lösungennahezu vollständig an das Lösungsmittel abgegeben. Die Elektronenbestrahlung be-wirkt Radikalbildungen, Ionisierungen und Anregung von Molekülen zu erlaubten(Singulett-Singulett) und verbotenen (Singulett-Triplett) Übergängen. In Wasser bildensich neben H3O+, OH–, H�, H2 und H2O2 auch Hydroxyl-Radikale (OH�) mit oxidieren-den, und hydratisierte Elektronen (e–

aq) mit reduzierenden Eigenschaften, deren Reakti-vitäten durch diese Methode untersucht werden konnten. Mit Hilfe der Puls-Radiolysewerden daher weniger die unmittelbaren Einwirkungen des Elektronenpulses auf die zuuntersuchenden Verbindungen, sondern eher deren Reaktionen mit solchen reaktivenPartikeln untersucht. So konnte die Reduktion von Methämoglobin durch hydratisierteElektronen und die nachfolgende Sauerstoffbindung verfolgt werden.

3.5.4 Auswertung schneller kinetischer Reaktionen(Transient-Kinetik)

Aus Experimenten mit schnellen Methoden, insbesondere den Relaxationsmethoden,werden Relaxationskurven erhalten (Abb. 3.54 A). Das System nähert sich asympto-tisch dem durch die neuen Bedingungen (erhöhte Temperatur, entspannter Druck)aufgezwungenen Gleichgewicht. Die maximal erreichbare Änderung sei �0, die Ab-weichung vom ursprünglichen Gleichgewicht zu einer beliebigen Zeit t sei �t. Einecharakteristische Größe ist die Relaxationszeit �, das ist diejenige Zeit, bei der 63,2%der maximalen Abweichung �0 erreicht sind (Abb. 3.54A):

�� � ��������� � ������

Für t =� ist.

�� � ����� � �� � ���� �

252 3 Methoden

Page 263: Enzymkinetik (3. Auflage)

Die Relaxationszeit kann auch aus der Differenz der Schnittpunkte einer Ursprungs-tangenten mit den horizontalen Geraden für Anfangs- und Endzustand erhalten wer-den oder aus der Steigung eines halblogarithmischen Diagramms der Abweichung �t

gegen die Zeit (Abb. 3.54B):

����

��� � �

�� ������

Die Relaxationszeit ist eine komplexe Größe, die sich zusammensetzt aus den Ge-schwindigkeitskonstanten und Konzentrationsgliedern der Komponenten der betref-fenden Reaktion. Hier soll die Relaxationszeit für den Fall einer bimolekularen Reak-tion, wie er einfachen Bindungsgleichgewichten zugrundeliegt, abgeleitet werden:

,� � ���� ,� ����� �����

Durch Störung des Gleichgewichts ändern sich die Konzentrationen der Reaktions-partner ([A] etc.) um den Betrag � zu [�] usw.:

, � , � �, � � � � � �� � ,� � ,� � �,� � ������

Die Gesamtmengen der Reaktionspartner bleiben durch die Störung unverändert:

�� � � � ,� � � � ,� � ����� ��

,� � , � ,� � , � ,� � ����� ��

Damit ist

� � �� � ,� � �,� � � � ,�,� � �, � ,� � �,� � , � ,�

A3.5 Messung schneller Reaktionen 253

Abb. 3.54. Ermittlung derRelaxationszeit � aus einerRelaxationskurve (A). B)Halblogarithmische Dar-stellung; �0 ist die maxi-male Abweichung, �t dieAbweichung zur Zeit t.

Page 264: Enzymkinetik (3. Auflage)

und demzufolge

�� � �, � ��,� � � � �����

Die Differentialgleichung für die zeitliche Änderung der Reaktionspartner der zu-grundeliegenden Reaktion (1.18)

� ����� ����, � ���,�

läßt sich durch Einsetzen von Gl. (3.46) und (3.48) umformen zu:

� ��� � ����

� ����� � ���, � �� � ����,� � ��

� ����� ��

��� ����,����,�� ������,�������� ����

� ������

Im Gleichgewicht, auch nach der Störung, sind die Konzentrationen zeitunabhängigeGrößen, d.h.:

� ����� ����, � ���,� � � � ������

Damit entfallen auch die ersten beiden Glieder der linken Seite von Gl. (3.49), fürkleine Veränderungen kann das quadratische Glied vernachlässigt werden:

� ��

��� ����� � ,� � ����� � �

�� ������

Der Klammerausdruck, der auch aufgrund der im Gleichgewicht unveränderlichenKonzentrationsglieder nur konstante Größen enthält, wird durch 1/� ersetzt. Durch In-tegration nach der Zeit t für eine bestimmte Konzentrationsänderung �

���

��

��

�� �

� �

��

����� �

erhält man die bereits oben aufgeführten Gl. (3.44) und (3.45). Nach Gl. (3.51) hatdie Relaxationszeit für den vorliegenden Reaktionsmechanismus die Bedeutung:

�� ����� � ,� � ��� �

Die Geschwindigkeitskonstanten können durch Bestimmung der Relaxationszeitenbei verschiedenen Konzentrationen von � und , ermittelt werden. Aus einem Dia-gramm von 1/� gegen � � , lassen sich k+1 aus der Steigung, k–1 aus dem Ordina-

254 3 Methoden

Page 265: Enzymkinetik (3. Auflage)

tenschnittpunkt und Kd =k–1/k+1 aus dem Abszissenschnittpunkt ablesen. Allerdingssind auf der Abszissenskala die Konzentrationswerte nach der Störung, d. h. bei derhohen Temperatur, anzugeben, die unter Anwendung von Gl. (3.47) bei Kenntnis vonKd erhältlich sind. Entsprechend gelten die auf diese Weise bestimmten Konstantenfür die Bedingungen nach der Störung.

Gemäß Gl. (3.44) ist die Relaxationskurve eine exponentielle Funktion, was aller-dings nur solange zutrifft, als das quadratische Glied von Gl. (3.49) tatsächlich zuvernachlässigen ist, also bei kleinen Änderungen. Andernfalls erhielte man Abwei-chungen vom linearen Verlauf in Abb. 3.54B. Nicht-Linearitäten können aber auchaus der Überlagerung verschiedener Prozesse resultieren. Zur Unterscheidung kanndie Veränderung, d. h. der Temperatursprung, reduziert werden. Bleibt die nicht-linea-re Charakteristik erhalten, so überlagern sich tatsächlich mehrere Relaxationszeiten.Für n Zustände der Reaktionspartner sind n–1 Relaxationszeiten zu erwarten. Unter-scheiden sich diese um mehr als eine Größenordnung, dann können sie in der Regeldurch Variation der Zeitachse entkoppelt werden. Andernfalls muß man versuchen,sie rechnerisch zu zerlegen.

Nach dem Schema der Herleitung der Relaxationszeit für eine bimolekulare Reak-tion läßt sich diese auch für andere Reaktionsmechanismen berechnen. Tabelle 3.3zeigt eine Zusammenstellung für verschiedene, häufig auftretende Mechanismen. DieKonstanten gewinnt man durch geeignete graphische Darstellungen, wie in Abb. 3.54für den bimolekularen Mechanismus gezeigt.

A3.5 Messung schneller Reaktionen 255

Tab. 3.3. Bedeutung von Relaxationszeiten � bei verschiedenen Reaktionsmechanismen (nach Hiromi,1979).

Reaktionsmechanismus Reziproke Relaxationszeit (1/�) Bemerkungen

� �� � ��� � ���� ����

�� �� �� ��������� � ���� ����

�� � �� � ����� � �� � ���� ����

�� � �� � ���� � ��� B im Überschuß� ����

�� � �� �� � ���� � ����� E ist Katalysator� ����

�� � �� ��� ����� � �� � ����� � ��� ����

�� � �� �� ����� � �� � ����� ����

�� �� �� � ������ � � � ��� � ���� ����

Page 266: Enzymkinetik (3. Auflage)

3.6 Literatur

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A3.6 Literatur 259

Page 270: Enzymkinetik (3. Auflage)

Register

Aabortive Komplexe 157absoluter Fehler 161Absorption 198, 224Absorptionskoeffizient 200, 249Absorptionsmaß 200Absorptionsmethode 249Absorptionsphotometer 204f., 218Adair-Gleichung 32 f.adiabatische Kalorimeter 196f.AEDANS 216Aktionsspektren 211Aktivatoren, allosterische 34, 38, 42Aktivierung 101Aktivierungsenergie 151Aktivierungsvolumen 249Aktivitäten 10Aktivitätskoeffizient 10Alberty-Koerber-Verfahren 76, 78Alberty-Nomenklatur 126alkalisch Phosphatase 43Alkohol-Dehydrogenase 43, 138, 149allosterische Enzyme 34f.– kinetische Behandlung 135f.

allosterische Hemmung 39, 93– Regulation 43 f.– s Zentrum 34, 83

alternative Substrate 112Anfangsgeschwindigkeit 46, 80, 157– Bestimmung 74f.

Anilinonaphthalin-8-sulfonat 215 f.Anisotropie 223Anregungsspektren 219Anregungsmonochromator 219ANS 215Antagonisten 95anti-kooperatives Verhalten 43Anti-Stokessche Linien 214, 231apparente Gleichgewichtskonstante 11– Maximalgeschwindigkeit 147

arithmetisches Mittel 164Arrhenius-Diagramm 144 f., 149 f.Arrhenius-Gleichung 150f.Aspartat-Transcarbamylase 49 f.Aspartokinase 49 f.Assoziationskonstante, Definition 10Assoziationsgeschwindigkeits-

konstanten 9

Austauschgeschwindigkeit 154 f.Auswertungsverfahren, s. Diagramme

B

Bandbreite 205Batchverfahren 181f.bathochrome Verschiebung 208Bestrahlungsmethoden 235, 250f.Beugungsgitter 205Bi 114Bi Bi Uni Uni-Mechanismus 125Bindungsgleichung 11, 12 f., 16, 27– Adairsche 32 f.– allgemeine 12 f.– Hillsche 30– Paulingsches Modell 33– Sequenz-Modell 40 f.– Symmetrie-Modell 36

Bindungsenthalpie 197Bindungsklassen 27f.Bindungskonstanten 10, 115Bindungsmessungen 169f.Bindungsstellen 12– identische 12– nicht-identische 27– sich beeinflussende 30

Biolumineszenz 212Bi Uni Uni Bi-Ping-Pong-

Mechanismus 125Boeker-Verfahren 76, 78Bohr-Effekt 48Briggs, G.E. 59Brown, A.J. 59Brumbaugh-Ackers-Methode 183Burst-Kinetik 242

C

CD-Spektroskopie 224f.– Spektrometer 229

Cha-Methode 133Chanutin-Verfahren 184chemisches Potential 175Chlorocruorin 39Circulardichroismus 224 f.

Enzymkinetik: Theorie und Methoden, 3. Auflage. Hans BisswangerCopyright © 2000 WILEY-VCH Verlag GmbH, WeinheimISBN: 3-527-30096-1

Page 271: Enzymkinetik (3. Auflage)

Circulardichroismus-Stopped-Flow-Appara-tur 241

Cleland, W.W. 113Clelandsche Nomenklatur 113, 126CTP-Synthase 43CO2-Elektrode 192Continuous-Flow-Methode 236Cotton-Effekt 226Cornish-Bowden-Diagramm 66f.– zur Bestimmung der Anfangsgeschwindig-

keit 76, 78Cosubstrat 115Coprodukt 115

D

Dalziel-Koeffizienten 126DANSYL-Rest 218Darstellungsarten, s. DiagrammDead-End-Komplex 87Desoxythymidin-Kinase 43Diagramm– Arrhenius- 144, 149f.– direktes 17, 18, 60 f.– direkt-lineares 66 f., 76, 78, 89, 96, 98– halblogarithmisches 17, 47, 62, 64– Dixon-

– für Enzymhemmung 91, 95, 97, 100, 107– zur Km-Bestimmung 64– zur pK-Bestimmung 147

– doppelt-reziprokes 17, 19, 62, 69– Eadie-Hofstee- 19, 62, 70, 88, 94, 97, 99,

102, 104, 106, 117, 122– Guggenheim- 136– Hanes- 19, 62, 70, 88, 94, 97, 99, 101,

104, 106, 117, 121– Hill- 31, 37, 46– Job- 22– Kilroe-Smith- 64– Klotz- 19– Lineweaver-Burk- 19, 62, 69, 88, 94, 97,

99 f., 104, 106, 116, 121– Residual- 161– Scatchard- 17, 19, 70– Sekundär- 90 f., 93, 100, 116 f., 119, 156– Stockell- 20

Dialyse 171f.Dialysemembran 173Dialysezeit 173Dichtegradientenzentrifugation 187 f.Differenzspektroskopie 208f.Diffusion 5 f.Diffusionsgesetze 6 f., 142Diffusionskoeffizient 6 f., 140diffusionskontrollierte Reaktion 8, 139

diffusionslimitierte Dissoziation 8Diffusionslimitierung 8, 139–, externe 139–, interne 139, 142f.

Diffusionszelle 140Dimethylaminonaphthalinsulfonyl-Rest 216,

218Diodenzeilenphotometer 206direkte Auftragung 17, 18, 60 f.direkt-lineares Diagramm 66f., 76, 78, 89, 96,

98Dispersionsmethode 249Dissoziationskonstante 10 f., 255– Definition 10– intrinsische 13– makroskopische 13 f.– mikroskopische 13 f.

Dixon-Diagramme– für Enzymhemmung 91, 95, 97, 100, 107– zur Km -Bestimmung 64– zur pK-Bestimmung 147

Donnan-Effekt 175Doppelstrahl-Spektralphotometer 207 f.Doppelstrahl-Stopped-Flow-Apparatur 240doppelt-reziprokes Diagramm 17, 19, 62, 69– s. Lineweaver-Burk-Diagramm

Doppelwellenlängen-Spektralphotometer 210,240

Draper-Hippel-Methode 186Drucksprung-Methode 248Drude-Gleichung 227Dunkelstrom 206

E

Eadie-Hofstee-Diagramm 19, 62, 70, 88, 94,97, 99, 102, 104, 106, 117, 122

Effektoren, Definition 34– heterotrope 38

Einpunkt-Messungen 74, 77Einsteinsche Beziehung 5Einstein-Sutherland-Gleichung 8Einstrahlprinzip 207Elektronenakzeptoren 193Elektronenspinresonanz-Spektroskopie 232Elliptizität 225Elution breiter Zonen 182Emission 212f.Emissionsmonochromator 219Emissionsspektren 219Endprodukt-Hemmung 49, 83, 93End-Stopp-System 239Energie– kinetische 5– freie 46, 152

262 Register

Page 272: Enzymkinetik (3. Auflage)

Energieübertragung 219Enthalpie 152, 197Entropie 152Enzymgedächtnis 135Enzymhemmung 84Enzymspezifität 95Enzym-Substrat-Komplex 58Enzymtest 149, 153, 161, 169– gekoppelter 74– gestoppter 74

Eosinacetamid 216EPR 232erste Reaktionsordnung 54, 150, 255Erythrocruorin 39E-Sprung 250ESR-Spektroskopie 232f.Etheno-Gruppe 216, 217Excimere 213Excitationssmonochromator 219Exciton-Splitting 227externe Konversionen 199, 212Extinktion 200Eyring-Theorie 151�-Faltblatt, UV-Spek-

trum 201 f.– CD-Spektrum 227

F

Feedback-Hemmung 34, 83Fehler, konstanter absoluter 161– relativer 161– systematischer 161

Feldsprung-Methode 250Femtosekunden-Spektroskopie 250Ficksche Diffusionsgesetze 6 f., 142Filterphotometer 205Fischer, E. 40Flash-Photolyse 250Flash-Spektroskopie 251Fließgleichgewicht 58Flow-Kalorimeter 197Fluorescein 216, 218Fluoreszenz 198, 212 f., 241Fluoreszenzlöschung 213Fluoreszenzsmonochromator 219Fluoreszenzpolarisation 221, 241– Appartur 222

Fluoreszenzspektren 215, 217, 219f.Fluorimeter 218f.Fluorophore 214Fluß-Methoden 234, 236f.Förster-Beziehung 219Foster-Niemann-Verfahren 83Franck-Condon-Prinzip 199freie Energie 46, 152

Fromm-Verfahren 132Front-Stopp-System 239Fructose-1,6-Bisphosphatase 50FT-IR-Spektroskopie 230Futile Cycle 50

G

Gating 9gekoppelter Test 74, 201Gelfiltration 181gemischte Hemmung 90generativer Flow-Apparat 239geordneter Mechanismus 118Geschwindigkeitskonstante 7, 10, 54 f., 254Geschwindigkeitsgleichung– Herleitung 58, 78 f., 126 f.– Koeffizientenform 129

gestoppter Test 74g-Faktor 232Gibbssche freie Energie 152Gibbs-Donnan-Gleichgewicht 175Gleichgewichtsdialyse 171f.– Apparatur 173– kontinuierliche 177

Gleichgewichtskonstante 2, 11, 81, 116, 123,129, 154

– apparente 11– scheinbare 11

Globar 230Glycerinaldehydphosphat-Dehydro-

genase 43Glycogen-Phosphorylase 50Glycogen-Synthase

50Golay-Zelle 230Graphentheorie 132Guggenheim-Diagramm 136

H

Halbseitenreaktivität 29, 43Halbwertszeit 54, 56Haldane, J.B.S. 59, 68, 81Haldane-Beziehung 80f., 123Hämocyanin 39Hämoglobin 30, 39, 44, 48 f.Hanes-Diagramm 19, 62, 70, 88, 94, 97, 99,

101, 104, 106, 117, 121�-Helix, UV-Spektrum 201f.– CD-Spektrum 227

Hemmkonstanten 89 f.– bei Mehrsubstratreaktionen 115,

130

ARegister 263

Page 273: Enzymkinetik (3. Auflage)

– kompetitive 95– unkompetitive 98

Hemmstoffe 84– allosterische 34, 39, 42

Hemmung 84f.– gemischte 90– immobilisierter Enzyme 144– irreversible 84, 108f.– kompetitive 82, 94 f.– nicht-kompetitive 87– partielle 86, 99 f.– partiell kompetitive 27, 102f.– partiell nicht-kompetitive 86, 99 f.– partiell unkompetitive 101– reversible 84 f., 108– unkompetitive 97 f.

Henri, V. 59, 72heterotrope Effekte 34heterotrope Effektoren 38Hexa-Uni Ping-Pong-Mechanismus 124Hill-Diagramm 31, 37, 46Hill-Gleichung 30Hill-Koeffizient 31, 38, 47Homoserin-Dehydrogenase 49homotrope Effekte 34Hummel-Dreyer-Verfahren 182Hyperbel, rechtwinklige 16, 60 f.hyperbole Sättigungskurven 17f., 59 f., 62,

154Hyperfeinstruktur-Aufspaltung 232hysteretische Enzyme 135f.

I

immobilisierte Enzyme 138f.induced-fit-Konzept 39Infrarot-Spektroskopie 230Inhibitoren 84innerer Filtereffekt 213integrierte Michaelis-Menten-Gleichung 71f.– Bestimmung der Anfangsgeschwindig-

keit 77– Enzymhemmmung 95, 99, 105, 107– Produkthemmung 83– reversible Reaktionen 80

Interaktionsfaktor 33Interaktionskonstanten 40interne Konversion 199, 212Intersystem-Crossing 199, 212intrinsische Dissoziationskonstante 13Invertase 59Ionisierungskonstanten 148irreversible Hemmung 84, 108 f.IR-Spektroskopie 230Iso-Mechanismen 114

Iso-Ordered-Mechanismus 120isoperibole Kalorimeter 196Iso-Ping-Pong Bi Bi-Mechanismus 120Iso-Ping-Pong-Mechanismus 123isothermische Kalorimeter 197Isotopenaustauschkinetik 153 f.Isotopeneffekt 157f.– apparenter 159– primärer kinetischer 153, 157 f.– sekundärer kinetischer 160

J

Job-Diagramm 22Joulesche Erwärmung 246

K

Kalorimeter 196 f.Kalorimeter-Stopped-Flow-

Apparatur 241Kälteinaktivierung 150katalytische Konstante 9, 60 f.katalytische Mengen 2katalytische Triade 147Kilroe-Smith-Diagramm 64 f.kinetische Kooperativität 45, 135f.kinetisch kontrollierte Reaktion 139kinetischer Isotopeneffekt– primärer 153, 157 f.– sekundärer 160

King-Altman-Verfahren 126f.Klotz-Diagramm 19Klystron 234Koeffizientenform 123, 129 f.Kompetition 23 f., 94kompetitive Hemmkonstante 95kompetitive Hemmung 27, 94 f.– Produkthemmung 82

Komplexe– abortive 157– zentrale 113f.– Übergangs- 113f.

konstanter absoluter Fehler 161kontinuierliche Gleichgewichtsdialyse 177Konversionen– externe 199, 212– interne 199, 212

Konzentrationslöschung 213Kooperativität 30 f., 135 f.– kinetische 45, 135 f.– negative 43, 46, 51– positive 43, 46, 51

Kopplungskonstante 232

264 Register

Page 274: Enzymkinetik (3. Auflage)

Korrelationskoeffizient 163, 165Krönig-Kramers-Transformation 227K-Systeme 46Küvetten 206, 218, 229

L

Lactat-Dehydrogenase 157lag-Phase 136Lambert-Beersches Gesetz 200Lichtstreuungs–Stopped-Flow-Apparatur 241Liganden, Definition 1Linearisierungsverfahren– bei Bindungsmessungen 19f.– bei Mehrsubstrat-Reaktionen 116f.– der Michaelis-Menten-Gleichung 68f.– der integrierten Michaelis-Menten-Glei-

chung 72 f.Lineweaver-Burk-Diagramm 19, 62, 69, 88,

94, 97, 99 f., 104, 106, 116, 121Linienspektren 205Lumineszenz 212Luminometer 212magnetisches Moment 232

M

Makromolekül, Definition 1makroskopische Dissoziationskonstante 13Malat-Dehydrogenase 43manometrische Methode 189Massenwirkungsgesetz 10Matrix 138Maximalgeschwindigkeit 59, 115, 129, 156, 158– apparente 147

Median 67, 164Mehrkanalphotodetektor 206Mehrsubstrat-Reaktionen 113 f.– Nomenklatur 113

Menten, M. 59Michaelis, L. 59Michaelis-Komplex 59Michaelis-Konstante 9, 59, 119, 129, 143,

158f.Michaelis-Menten-Gleichung 59 f.– Ableitung 57 f.– Darstellung 62– für reversible Reaktionen 79– Hyperbelfunktion 60f.– immobilisierter Enzyme 139f.– integrierte 72 f., 80, 83, 92, 95, 99, 105,

107– nicht-lineare Anpassung 165

Mikrokalorimeter 196

mikroskopische Dissoziationskonstante 13Mikrowellengenerator 234, 246Mischkammer 238Mittelwert 164mixed Inhibition 90mnemonische Enzyme 135Mode 164Monochromator 205 f., 210, 219, 229Monod, J. 34multifunktionelles Enzym 57Multimixing-System 236, 241multiple Gleichgewichte 1, 5 f.Multisite-Ping-Pong-Mechanismus 121Myoglobin 30, 39, 48

N

NAD, spektrale Eigenschaften 201, 214f.NBD 216, 218negative Kooperativität 29, 31, 43 f., 47, 51,

137nicht-lineare Regressionsverfahren 63nicht-kompetitive Hemmung 87– Produkthemmung 82, 105 f.

Nitroxylradikale 234f.NMR-Spektroskopie 232NMR-Stopped-Flow-Apparatur 241Nomenklatur 2– bei Mehrsubstratmechanismen 113

nullte Reaktionsordnung 56, 58

O

Opazität 200optische Aktivität 224, 227optische Dichte 200optische Rotationsdisperion 224optischer Test 201optische Titrationen 20f., 64 f., 208ORD-Spektroskopie 224– Spektrometer 229

Ordered Mechanismus 114, 118f.Ordered Bi Bi-Mechanismus 114, 118, 126,

154, 155Ordered Ter Ter-Mechanismus 124Orientierungsmöglichkeiten 14osmotischer Druck 175Oxidations-Reduktions-Potentiale 193

P

PALA 49partielle Hemmung 86, 99 f.

ARegister 265

Page 275: Enzymkinetik (3. Auflage)

– kompetitive 27, 102f.– nicht-kompetitive 86, 99 f.– unkompetitive 101f.

Paulingsche Gleichung 33Perrin-Gleichung 221Phenylalanin– Absorptionsspektrum 202, 209– CD-Spektrum 228– Fluoreszenzspektrum 217

pH-Optimum 144, 146f.pH-Stabilität 147 f.pH-Stat 193pH-Sprung-Stopped-Flow-Methode 241,

243Phosphofructokinase 50Phosphoreszenz 199, 219photochemische Aktionsspektren 211Photomultiplier 206, 207, 219, 229Photoselektion 221Picosekunden-Spektroskopie 250Ping-Pong Bi Bi-Mechanismus 120, 121,

133Ping-Pong-Mechanismus 121f., 133, 134Ping-Pong-Ordered-Mechanismus 124Ping-Pong-Random-Mechanismus 124pK-Wert 147Polarisation 221, 223Polarographie 195polymere Substrate 145positive Kooperativität 31, 43, 47, 51, 137Potentiometrie 193Pre-Steady-State-Phase 58, 242, 243Produkthemmung 81f.– bei Mehrsubstrat-Reaktionen 119f.– immobilisierter Enzyme 144– nicht-kompetitive 105f.– unkompetitive 105f.

Proteine– Absorptionsspektrum 202– CD-Spektrum 228– Fluoreszenzspektrum 217

Protomere 34 f.pseudoerste Ordnung 55, 255P-Sprung-Methode 248Puls-Flow-Methode 238Pulsfluorimetrie 223Puls-Radiolyse 252Pyreniodacetamid 216Pyruvat-Dehydrogenase-Komplex 138, 221

Q

Quad-Mechanismen 125Quantenausbeute 212, 217Quenched-Flow-Technik 241

R

Raman-Effekt 198, 214, 231Raman-Spektroskopie 231Random Bi Bi-Mechanismus 115, 120, 155Random Bi Uni-Mechanismus 127Random-Mechanismus 114f., 155Rapid-Equilibrium-Random-

Mechanismus 115Rapid-Scan-Stopped-Flow-Apparatur 241Rapid-Freezing-Methode 242Rayleigh-Steuung 214, 231Reaktionsenthalpie 152Reaktionsentropie 152reaktionskontrollierte Reaktion 8Reaktionsordnung, Definition 54– erste 54 f., 255– nullte 56, 58– pseudoerste 55, 255– zweite 55, 255

Redox-Indikatoren 193Redox-Potentiale 193Regressionskoeffizient 165Regressionsverfahren 163 f.– gewichtete– lineare 69 f., 164– nicht-lineare 63– für Michaelis-Menten-Gleichung 165

Regulation 84– allosterische 34, 43, 47

relativer Fehler 161Relaxationsmethoden 235, 244f.Relaxationszeit 223, 252f.Residualdiagramme 161f.Resonanz-Raman-Methode 231reversible Enzymreaktionen 78reversible Hemmung 84 f.Rhodamin 216, 218Ribonuclease 45, 138Rohrzuckergradientenzentrifugation 186Rosenthal-Verfahren 29Rotationsrelaxationszeit 223Rs -Wert 47R-Zustand 35f.

S

Sättigungsfunktionen 16 f., 59Sauerstoffelektrode 190 f.Säure-Basen-Katalyse 146Scanning-Kalorimeter 197Scatchard-Diagramm 17, 19, 70scheinbare Gleichgewichts-

konstante 11Schloß-Schlüssel-Hypothese 40

266 Register

Page 276: Enzymkinetik (3. Auflage)

Schwenkbecher-Rotor 186Schwingungsniveaus 198f.Schwingungsspektren 230Sekanten-Verfahren 76Sekundärdiagramme 90f., 93, 100, 116 f., 119,

156Sekundärstrukturen von Proteinen 201 f., 227 f.sequentielle Mechanismen 114Sequenz-Modell 39 f., 137sigmoide Sättigungskurven 30, 37, 44 f., 64,

75, 135Sigmoidität 37Signal-Rausch-Verhältnis 206Sliding-Modell 9Slow-Transition-Modell 46, 137Smoluchowski-Limit 8Spektralfluorimeter 218Spektralphotometer 204– Doppelstrahl- 207– Doppelwellenlängen- 210

spektroskopische Titrationen 20f., 64 f., 208Spin-Label 234Spinquantenzahl 232Standard-Reaktionsenthalpie 152, 245Standardabweichung 164statistische Verfahren 160f.Steady-State-Phase 58 f., 74, 135, 242Steinberg-Schachman-Methode 186Stockell-Diagramm 20Stokessche Linien 214, 231Streustahlung 213Student-Test 162Substratanaloga 95, 108Substrathemmung 106f.Substrat-Modul 140, 142Substratüberschußhemmung 106Suizid-Substrate 84, 108S0,5-Wert 47Symmetrie-Modell 34 f., 137systematischer Fehler 161

T

Tandemküvetten 207Tangenten-Verfahren 74Temperaturmaximum 149f.Temperatursprung-Methode 241, 245f.Temperatursprung-Stopped-Flow-

Apparatur 241Temperaturstabilität 149 f.Temperaturverhalten 149f.– immobilisierter Enzyme 144

Ter 114Theorell-Chance-Mechanismus 119, 155thermische Stabilität 149 f.

thermostabile Enzyme 149, 151Thiele-Modul 142Titration– pH- 147f., 194– potentiometrische 193– spektrokopische 20 f., 64 f., 208

TNS 215Toluidinnaphthalin-6-sulfonat 215 f.Totzeit 243Tracer-Technik 140Transient-Kinetik 252Transmission 200Transportkoeffizient 140Trigger 236, 239, 247Tryptophan– Absorptionsspektrum 202, 209– CD-Spektrum 228– Fluoreszenzspektrum 215, 217

Tryptophan-Synthase 27T-Sprung-Methode 245t-Test 162Tyndall-Streuung 214Tyrosin– Absorptionsspektrum 202, 209– CD-Spektrum 228– Fluoreszenzspektrum 217

T-Zustand 35 f.

U

Übergangsanaloge 84, 108, 151Übergangskomplexe 115Übergangszustand 151, 158Ultrafiltration 179f.– Apparatur 180– Membranen 173, 179

Ultraschallmethode 249Ultrazentrifugationsmethoden 184f.Umsatzgeschwindigkeit 57 f.Uni 114, 155Uni Bi Bi Uni-Mechanismus 125Uni Uni Bi Bi-Mechanismus 125unkompetitive Hemmung 97f.– Produkthemmung 82, 105 f.

UV-Spektroskopie 200f.UV-Spektren 201f.

V

van’t Hoffsche Reaktionsisobare 151, 244Varianz 164Verzögerungsphase 136 f.Volkenstein-Goldstein-Verfahren 132V-Systeme 46

ARegister 267

Page 277: Enzymkinetik (3. Auflage)

W

Warburg-Manometer 189Wärmemenge 197Wärmeleitungskalorimeter 197Woolf-Diagramme 68W-Test 162

Y

Yamamoto-Alberts-Verfahren 189

Z

Zeit-Umsatz-Kurven 71 f.zentrale Komplexe 115f.Zufallsknäuel, UV-Spektrum 202– CD-Spektrum 228

Zufalls-Mechanismus 114f.Zweistrahl-Photometer 207 f.zweite Reaktionsordnung 55, 255Zweiwellenlängen-Photometer 210

268 Register