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Dark UX Das Böse im Service & Interaction Design Was passiert, wenn User Experience Design nicht zum Besten der Nutzer eingesetzt wird? Wie ist es zu bewerten, wenn ein Interface Nutzer nicht nur nicht darin unterstützt, ein Bedürfnis zu befriedigen, sondern sie beispielsweise daran hindert und wir das feste Gefühl haben, dass das beabsichBgt ist? Fast jeder würde intuiBv sagen: Das ist dunkle und böse UX! Aber auch wenn wir das wollen: So einfach können wir als Branche diese Fragen am Ende vielleicht nicht beantworten... und die zentrale Frage lautet: Wie bringen wir für Nutzer opBmales User Experience Design und harte BusinessRequirements gewinnbringend zusammen? User Experience Design ist aktuell in aller Munde. Nicht selten wird es dabei als neuer Heilsbringer gesehen und ganz unbestreitbar verfügen wir als Professionals über extrem mächBge Tools. RichBg eingesetzt bringen sie einzigarBge Services und Interfaces hervor, unterstützen Nutzer beim Umgang mit einer SchniVstelle und schaffen ein eindrucksstarkes Nutzungserlebnis. Falsch eingesetzt oder auf andere Ziele ausgerichtet führen dieselben Techniken auf die dunkle Seite unserer Macht... und so wirY das Folgende einen Blick auf gute, schlechte und dunkle bzw. böse UX und auf die Frage, wie wir als Branche und Disziplin damit umgehen wollen und müssen.

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Was passiert, wenn User Experience Design nicht zum Besten der Nutzer eingesetzt wird? Wie ist es zu bewerten, wenn ein Interface Nutzer nicht nur nicht darin unterstützt, ein Bedürfnis zu befriedigen, sondern sie beispielsweise daran hindert und wir das feste Gefühl haben, dass das beabsichtigt ist? Auf diese Fragen existiert keine einfache Antwort. Denn am Ende geht es dabei um die Frage wie User Experience Design und Business-Requirements bestmöglich zusammengehen? Professionelle UX hat hier die Aufgabe, Nutzer- und Business-Anforderungen optimal zu verbinden. Einige UX-Entscheidungen müssen dabei zu Lasten der Nutzer getroffen werden. Die entscheidende Frage lautet dann: Welche ist die bestmögliche UX, die im Rahmen der gegebenen Anforderungen möglich ist, und wie lässt sich diese erreichen. Das Ziel professionellen UX-Design ist die Optimierung des Nutzer-Business-Gleichgewichts.

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Dark UXDas Böse im Service & Interaction Design

Was  passiert,  wenn  User  Experience  Design  nicht  zum  Besten  der  Nutzer  eingesetzt  wird?  Wie  ist  es  zu  bewerten,  wenn  ein  Interface  Nutzer  nicht  nur  nicht  darin  unterstützt,  ein  Bedürfnis  zu  befriedigen,  sondern  sie  beispielsweise  daran  hindert  und  wir  das  feste  Gefühl  haben,  dass  das  beabsichBgt  ist?  Fast  jeder  würde  intuiBv  sagen:  Das  ist  dunkle  und  böse  UX!  Aber  auch  wenn  wir  das  wollen:  So  einfach  können  wir  als  Branche  diese  Fragen  am  Ende  vielleicht  nicht  beantworten...  und  die  zentrale  Frage  lautet:  Wie  bringen  wir  für  Nutzer  opBmales  User  Experience  Design  und  harte  Business-­‐Requirements  gewinnbringend  zusammen?      

User  Experience  Design  ist  aktuell  in  aller  Munde.  Nicht  selten  wird  es  dabei  als  neuer  Heilsbringer  gesehen  und  ganz  unbestreitbar  verfügen  wir  als  Professionals  über  extrem  mächBge  Tools.  RichBg  eingesetzt  bringen  sie  einzigarBge  Services  und  Interfaces  hervor,  unterstützen  Nutzer  beim  Umgang  mit  einer  SchniVstelle  und  schaffen  ein  eindrucksstarkes  Nutzungserlebnis.  

Falsch  eingesetzt  oder  auf  andere  Ziele  ausgerichtet  führen  dieselben  Techniken  auf  die  dunkle  Seite  unserer  Macht...  und  so  wirY  das  Folgende  einen  Blick  auf  gute,  schlechte  und  dunkle  bzw.  böse  UX  und  auf  die  Frage,  wie  wir  als  Branche  und  Disziplin  damit  umgehen  wollen  und  müssen.

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User Experience Best Practice

Beispiele  für  gute  UX  sind  zahlreich.  Ein  typischer  Best  PracBce  Case  ist  das  Google-­‐Interface:  ZugeschniVen  auf  ein  einziges,  klares  Nutzerbedürfnis  ermöglicht  die  Google-­‐Suchzeile  Nutzern  eine  direkte  Bearbeitung  ihres  Anliegens  durch  einen  unmiVelbaren  Umgang  mit  dem  Interface.

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User Experience Best Practice

Ganz  ähnlich  verfährt  auch  Airbnb.  Auch  hier  bedient  die  Website  ein  primäres  Nutzeranliegen,  nämlich  die  Suche  nach  einer  UnterkunY,  sehr  direkt  mit  einem  ebenso  prominenten  Angebot:  Einer  auf  die  zentralen  Suchparameter  zugeschniVenen  Suchzeile.  

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User Experience Best Practice

Analog  verfährt  im  mobilen  Kontext  die  myTaxi-­‐App.  Auch  hier  wird  dem  zentralen  Nutzerinteresse  (ein  Taxi  rufen)  durch  eine  unmiVelbare  und  sehr  präsente  Interface-­‐AkBon  (den  Taxi-­‐rufen-­‐BuVon)  begegnet.

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Conversion

Komplexität

Conversion & User Experience

posi%ve  User  Experience

Zahlreiche  weitere  Beispiele  ließen  sich  finden.  Im  Kern  geht  es  dabei  immer  um  eine  eigentlich  triviale  Einsicht:  Nutzer  können  (und  wollen)  ein  Bedürfnis  unter  Einsatz  eines  Interface  umso  besser  befriedigen,  desto  einfacher  die  dazu  erforderliche  Interface-­‐AkBon  ist.  

KonzepBonell  gesprochen  heißt  das:  Es  besteht  ein  direkter  Zusammenhang  zwischen  der  Konversions-­‐Rate  für  einen  InterakBonsprozess  (zum  Beispiel:  ein  Taxi  rufen)  und  der  Komplexität  dieses  Prozesses  (zum  Beispiel:  einen  BuVon  tappen)  :  Je  einfacher  die  InterakBon,  desto  höher  die  Konversions-­‐Rate  –  und  genau  in  dieser  KombinaBon  liegt  dann  auch  der  Keim  für  eine  posiBve  User  Experience.

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Conversion Funnel

Der  Conversion-­‐Funnel  beschreibt  denselben  Zusammenhang  aus  einer  anderen  PerspekBve.  Vereinfacht  gesprochen  lässt  sich  sagen:  Je  länger  und  damit  komplexer  ein  Prozess  wird,  desto  weniger  Nutzer  werden  ihn  zu  Ende  bringen  –  und  zwar  grundsätzlich  unabhängig  davon,  welches  Konversions-­‐Ziel  verfolgt  wird.

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KPI: Umsatz

Ein  typisches  Ziel  –  insbesondere  im  eCommerce  –  ist  die  OpBmierung  des  Umsatzes.  Aber  es  gibt  natürlich  auch  andere  Konversions-­‐Ziele.  

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KPI: Brand Experience

Ein  Beispiel  für  einen  alternaBven  KPI  (Key  Performance  Indicator)  wäre  zum  Beispiel  die  OpBmierung  der  Marken-­‐Erfahrung  (Brand  Experience),  die  durch  einen  InterakBonsprozess  erzeugt  werden  soll.    

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Die gute Nachricht: Wir haben alle Tools für optimale UX zur Hand...

Worauein  der  Umgang  mit  einem  Interface  auch  immer  opBmiert  werden  soll:  Die  gute  Nachricht  lautet,  dass  wir  als  User  Experience  Professionals  alle  Tools  und  Techniken  zur  Hand  haben,  um  Interfaces  opBmal  auf  dieses  Ziel  hin  auszurichten  und  User  maximal  zufrieden  zu  stellen.

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Die schlechte Nachricht:Dark UX folgt denselben Regeln!

Die  schlechte  Nachricht  lautet:  Der  Einsatz  von  User  Experience  zum  Bösen  folgt  denselben  Regeln.  Wer  weiß,  wie  nutzeropBmale  Interfaces  aussehen  müssen,  der  hat  damit  immer  auch  die  Skills  und  Kompetenzen,  um  Interfaces  so  zu  bauen,  dass  Nutzern  das  Erreichen  ihrer  Ziele  erschwert  oder  gar  unmöglich  gemacht  wird...  

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Schon Meister Yoda wusste...

„Hüten  Dich  vor  der  dunklen  Seite  Du  musst,  junger  Padawan!“  

...  und  genau  das  ist  die  Schwelle  zur  dunklen/bösen  Seite  der  (User  Experience)  Macht.

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Always provide an easy way back!

Warum  ist  dieser  Zusammenhang  zwischen  guter  und  dunkler/böser  UX  relevant?  Betrachten  wir  ein  paar  Beispiele...

Gute  erste  Ansätze  für  das  Erzeugen  posiBver  User  Experience  sind  die  etablierten  HeurisBken.  FakBsch  haben  diese  Grundprinzipien  natürlich  ihre  Grenzen.  Mindestens  aber  gilt,  dass  man  vielleicht  nicht  unbedingt  gegen  sie  verstoßen  sollte,  wenn  man  das  Ziel  hat,  eine  posiBve  User  Experience  zu  erzeugen...  

Ein  sehr  zentrales  dieser  heurisBschen  Prinzipen  lautet  zum  Beispiel,  dass  man  es  Nutzern  immer  auf  einfache  Weise  ermöglichen  sollte,  den  letzten  SchriV,  den  sie  getan  haben,  zurückzugehen,  um  sich  zu  korrigieren:  Always  provide  an  easy  way  back.

Schauen  wir  unter  dieser  PerspekBve  einmal  beispielhaY  auf  die  Startseite  von  Zalando.

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Nehmen  wir  an,  wir  haben  von  dort  aus  diese  ArBkel-­‐Übersichtsseite  erreicht,  auf  der  wir  uns  für  die  Laufschuhe  ganz  rechts  entscheiden  wollen.

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In  unserem  Warenkorb  kommen  wir  schnell  zur  Kasse...  

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...  und  da  wir  registriert  sind,  melden  wir  uns  natürlich  auch  an.  

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Und  bereits  im  nächsten  SchriV  können  wir  den  Kauf  mit  nur  noch  einem  Klick  ab  schließen:  Die  ProzessnavigaBon  am  oberen  Rand  zeigt  uns,  dass  wir  als  registrierter  Nutzer  die  Eingabe  unserer  Adressdaten  und  die  Festlegung  einer  Zahlungsart  überspringen  konnten.  Alles  in  allem  ein  sehr  einfacher  und  kurzer  Weg  zum  Kauf.  

Jetzt  kann  man  fragen:  Ist  dieser  kurze  Weg  ein  Service  an  uns  als  Nutzer?  Trägt  die  Tatsache,  dass  wir  sehr  schnell  und  ohne  Widerstände  zum  Kauf  kommen,  zu  einer  posiBven  User  Experience  bei?  Ganz  sicher  kann  man  das  irgendwie  Bejahen:  Es  ist  ein  Gewinn,  Adressdaten  usw.  nicht  bei  jedem  Kauf  erneut  eingeben  zu  müssen.

GleichzeiBg  kann  man  ganz  sicher  sagen,  dass  der  Zalando-­‐Prozess  den  einfachen  Rückweg,  den  man  Nutzern  im  Sinne  guter  UX  immer  zur  Verfügung  stellen  soll,  nicht  wirklich  stark  macht.  Denn  ganz  selbstverständlich  treibt  der  kurze  Zalando-­‐Checkout  die  Konversions-­‐Rate  massiv  in  die  Höhe:  Indem  die  Bme  to  conversion,  und  damit  der  Zeitraum,  in  dem  Nutzer  sich  ggf.  noch  gegen  den  Kauf  entscheidet,  massiv  verkürzt  wird,  wird  am  Ende  auch  die  Zahl  der  Käufe  gepusht  –  ohne  dass  die  jeweils  gepushten  Nutzer  sich  dessen  bewusst  sind.  

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Always be transparent!

Ein  anderes  Beispiel  aus  dem  Bereich  eCommerce:  Das  ist  die  Startseite  von  Amazon;  und  ein  weiteres,  zentrales  heurisBsches  Prinzip  für  gute  UX  besagt,  dass  man  Nutzern  Linkziele,  FunkBonen  etc.  immer  transparent  kommunizieren  und  anzeigen  sollte.

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Nehmen  wir  an,  wir  wollen  diese  Kopeörer  kaufen.  Wir  haben  uns  bereits  und  stehen  vor  der  finalen  Kaufentscheidung.  Dieses  Mal  wollen  wir  uns  wirklich  gegen  den  Kauf  entscheiden.  Aber  wie  geht  das?  Wie  können  wir  den  Kopeörer  aus  unserem  Warenkorb  löschen?  Einen  entsprechenden  BuVon  gibt  es  nicht.

Was  wir  tun  können,  ist  die  Anzahl  der  Kopeörer,  die  wir  bestellen  wollen,  zu  ändern.  Wer  schon  weit  genug  aus  dem  Bestellfluss  zurückgetreten  ist,  mag  hier  den  Weg  erkennen,  die  Bestellmenge  auf  0  zu  reduzieren  und  damit  den  Kopeörer  aus  dem  Warenkorb  quasi  indirekt  zu  löschen.  

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Wer  den  BuVon  klickt,  kommt  dann  sogar  weiter  als  gedacht,  denn  „hinter“  dem  Löschen-­‐BuVon  verbirgt  sich  tatsächlich  –  ganz  transparent  –  die  gesuchte  OpBon,  den  Kopeörer  aus  dem  Warenkorb  zu  löschen.

Ist  das  gute  UX?  Oder  ist  das  bereits  ein  dunkler  und  böser  Zug?  Klar  ist:  Transparent  ist  dieses  Vorgehen  nicht  –  und  gute  UX  im  Sinne  etablierter  HeursiBken  wird  so  kaum  befördert.

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Unterstütze Nutzer darin, ihr Ziel zu erreichen!

Ein  weiteres  eCommerce-­‐Beispiel:  Das  ist  die  Startseite  von  Avocado-­‐Store.  Und  ein  weiteres  heurisBsches  Prinzip  für  gute  UX  lautet:  Unterstütze  Nutzer  darin,  ihr  Ziel  zu  erreichen.

Der  Avocado-­‐Store  ist  ein  Marktplatz  für  ökologisch  korrekt  erzeugte  Kleidungsstücke,  was,  anders  als  das  Angebot  Zalandos,  online  eher  noch  als  Nischenmarkt  gelten  kann.  GleichzeiBg  hat  aber  natürlich  Zalando  eine  klare  Benchmark  dafür  gesetzt,  wie  das  Online-­‐Shopping  von  Kleidung  heute  funkBoniert.  Das  betrin  zum  Beispiel  Versandkosten  (Keine!)  und  Kosten  für  Rücksendungen  (Ebenfalls:  Keine!).  

Aber:  Können  diese  noblen  Bedingungen  auch  für  den  Online-­‐Kauf  von  Öko-­‐Kleidung  gelten?  Schauen  wir  doch  einmal  nach...    

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Auf  den  ersten  Blick  bietet  die  Startseite  keinen  Hinweis.  Scrollen  wir  ganz  nach  unten,  lässt  sich  im  Footer  der  Punkt  „Hilfe“  finden.  

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Wer  „Hilfe“  klickt,  sieht  diese  Lightbox,  in  der  man  in  der  zweiten  Spalte  in  der  vierten  Zeile  den  Eintrag  „Rücksendung/Stornierung“  entdecken  kann.  

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Dieser  Link  führt  auf  die  FAQ-­‐Seite.  Und  hier,  unter  dem  zweiten  Topos  und  direkt  unter  dem  Bildschirmrand,  finden  wir  die  gesuchte  InformaBon:

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Ab  einem  Warenwert  von  40€  wird  bei  Rücksendungen  auch  das  Rückporto  erstaVet.  Diese  Schwelle  ist  für  Nischenprodukte  wie  Öko-­‐Kleidung  sicher  verständlich,  und  doch  nicht  branchenüblich.  Man  könnte  sagen:  Das  häVen  wir  unter  Umständen  gerne  einfacher  in  Erfahrung  bringen  wollen.

Gute  UX  kann  man  hier  kaum  mehr  behaupten,  und  Nutzer,  die  sich  die  Frage  nach  dem  Rückversand  stellen,  werden  ganz  sicher  nicht  darin  unterstützt,  ihre  Frage  zu  klären.  Stellt  man  in  Rechnung,  dass  die  InformaBon  zu  den  Rücksendebedingungen  zum  Beispiel  direkt  auch  direkt  von  der  Startseite  aus  erreichbar  gemacht  werden  könnte,  so  kann  man  schon  meinen:  Im  Avocado-­‐Store  wird  Nutzern  der  Zugang  zu  dieser  InformaBon  eher  explizit  erschwert,  als  erleichtert.            

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Unterstütze das mentale Modell der Nutzer!

Ganz  ähnlich  liegt  ein  letztes  Beispiel:  Das  ist  die  Startseite  von  Apple.  Und  wieder  ein  sehr  grundlegendes  Prinzip  für  gute  UX:  Unterstütze  das  mentale  Modell  der  Nutzer.  Das  heißt:  Regle  Dinge,  wenn  möglich,  so,  dass  Nutzer  auf  bekanntes  Wissen  oder  ihnen  bekannte  Muster  zurückgreifen  können.  Etwas  verkürzt  dargestellt  könnte  man  auch  sagen:  Regle  Dinge  so,  wie  Nutzer  das  erwarten  würden.

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Nehmen  wir  an,  wir  wollen  zu  unserer  Apple-­‐ID,  mit  der  wir  bekanntlich  bei  iTunes  und  im  App-­‐Store  einkaufen,  eine  neue  Kreditkarte  hinterlegen.

Wer  die  Apple-­‐ID-­‐Seite  findet  –  sie  ist  aus  der  NavigaBon  der  Apple-­‐Seite  heraus  nicht  direkt  erreichbar  –  kann  seine  Apple-­‐ID  über  einen  sehr  präsenten  EinsBeg  verwalten  und  wähnt  sich  womöglich  am  Ziel.  Denn:  Wo  sonst,  wenn  nicht  bei  der  Verwaltung  der  Apple-­‐ID,  soll  wohl  die  neue  Kreditkarte  hinterlegt  werden?  Schließlich  ist  die  Karte  der  ID  ja  direkt  zugeordnet...

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Man  ahnt  es  schon:  Die  Verwaltung  der  Apple-­‐ID  führt  nicht  weiter.  Sie  beschränkt  sich  auf  die  Darstellung  und  Bearbeitbarkeit  allgemeinster  Daten:  Name  des  ID-­‐Inhabers,  hinterlegte  Mail-­‐Adresse,  physikalische  Adressaten  usw.  Die  einsehbaren  und  bearbeitbaren  Daten  sind  also  in  massiver  Weise  unvollständig  –  und  gleichzeiBg  gibt  es  keinerlei  Hinweis  darauf,  wo  die  restlichen  der  hinterlegten  InformaBonen  (wie  eben  zum  Beispiel  die  Kreditkarten-­‐Daten)  zu  finden  sind.

Also:  Wo,  biVe,  finden  wir  unsere  kriBschen,  weil  zahlungsrelevanten  Apple-­‐ID-­‐Daten?

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Wer‘s  weiß,  ruY  die  Apple-­‐Store  Seite  auf.  Hier  gibt  es  oben  rechts  einen  EinsBeg  in  den  persönlichen  Account.

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Mit  unserer  Apple-­‐ID  und  dem  entsprechenden  Kennwort  erhalten  wir  den  Zugang...

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...  und  können  dann  unter  den  Account-­‐Einstellungen,  die  wir  in  der  zweiten  Spalte  knapp  über  dem  Bildschirmrand  finden,  unsere  Apple-­‐ID  bearbeiten.  

Aber  führt  dieser  Puntk  weiter?  Klar,  es  geht  um  die  Apple-­‐ID.  Aber  wir  wollen  ja  nicht  die  ID  bearbeiten  und  auch  nicht  das  Kennwort,  sondern  wir  wollen  eine  neue  Kreditkarte  hinterlegen...

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Man  ahnt  es  aber  natürlich  schon:  In  der  Tat  führt  genau  dieser  Eintrag  zum  Ziel:  Wer  seine  ID  oder  das  Kennwort  bearbeiten  will,  der  darf  auch  eine  neue  Kreditkarte  hinterlegen  oder  seine  bereits  hinterlegte  Karte  löschen  –  falls  dieser  nicht  mehr  kaufwillige  Nutzer  seinen  Weg  bis  hierher  überhaupt  gefunden  hat.  Denn  dort  wo  dieser  nicht  weiter  kaufwillige  Nutzer  gesucht  hat,  nämlich  auf  der  –  versteckten  –  Apple-­‐ID-­‐Seite,  konnte  er  seinen  Wunsch  in  jedem  Fall  nicht  umsetzen....    

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UX goes Luke < > UX goes Vader

Good UXDark UX

Die  Beispiele  zeigen  auf  einem  sehr  allgemeinen  Niveau:  Dieselben  Prinzipien  und  Techniken,  die  wir  nutzen,  um  eine  gute  und  posiBve  User  Experience  zu  erreichen,  lassen  sich  auch  nutzen,  um  das  Gegenteil  zu  bewirken.  Und  für  uns  als  Professionals  stellt  sich  die  Frage:  Zu  welchem  Ziel  setzen  wir  unser  Können  ein  –  und  wo  liegt  der  Übergang  von  guter  zu  dunkler  und  böser  UX?  

War  der  Zalando-­‐Prozess  noch  Service,  das  Amazon-­‐Versteckspiel  aber  schon  Arglist?  Und  wie  verhält  es  sich  mit  dem  Apple-­‐Fall.  Die  erste  Antwort  im  Apple-­‐Fall  lautet  natürlich:  Ein  böser  Winkelzug.  Apple  erschwert  es  Nutzern  massiv,  die  Kreditkarten-­‐Daten,  die  sie  einmal  hinterlegt  haben,  wieder  zu  enternen  und  hebt  damit  die  Schwelle,  zum  nicht-­‐mehr-­‐Käufer  zu  werden,  massiv  an.  

Obschon  aber  dieser  Fall  sehr  klar  scheint,  dürfen  wir  als  Branche  hier  natürlich  nicht  naiv  sein:  Wer  pauschal  urteilt,  dass  User  Experience  immer  nur  gute  UX  sei  kann  und  darf,  der  springt  ganz  sicher  zu  kurz.  Der  Apple-­‐Fall  ist  sicher  extrem,  aber  grade  aktuell,  wo  User  Experience  auch  in  größeren  Unternehmen  zu  einem  immer  ernsthaYeren  Thema  wird,  ist  doch  klar,  dass  die  OpBmierung  von  Interfaces  immer  mehr  auf  direkte  und  harte  Business  Ziele  einzahlen  soll  und  muss.

Zu  behaupten,  dass  UX  in  solchen  Kontexten  immer  und  einzig  zum  ungetrübt  Besten  des  Nutzers  sein  darf,  erscheint  da  schnell  als  zu  einfach  und  katapulBert  eine  dogmaBsch  allein  am  Nutzerinteresse  orienBerte  UX  am  Ende  ganz  sicher  und  direkt  ins  Business-­‐Abseits.

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Jar Jar Binks?

Bad UX

Wirklich  dunkle  und  böse  UX  mag  extrem  sein  und  bleibt  hoffentlich  auch  die  Ausnahme.  Schlechte  UX  allerdings,  die  am  Ende  ganz  ähnlich  gelagert  ist,  ist  schon  heute  allgegenwärBg.

Sei  es  das  zu  knappe  Budget,  die  zu  knappe  Zeit,  der  uneinsichBge  CEO  oder  das  Unvermögen  des  einen  oder  anderen  Umsetzers:  Immer  wieder  entstehen  Interfaces,  die  in  zig  Hinsichten  alles  andere  als  opBmal  sind  für  ihre  Nutzer.  Natürlich:  Schlecht  gemacht  ist  dasselbe  wie  absichtlich  böse  gemacht.  Sind  aber  UXler  an  der  Entstehung  solcher  SchniVstellen  beteiligt,  so  sind  die  Kompromisse,  die  sie  auf  Kosten  der  Nutzer  und  zu  Gunsten  von  Business  Requirements  eingehen,  und  die  am  Ende  zu  einer  schlechten  staV  zu  einer  guten  UX  führen,  im  Kern  derselben  Natur,  wie  diejenigen,  die  im  Fall  dunkler  UX  getroffen  werden:  Auf  der  Strecke  bleibt  jeweils  –  wenn  auch  aus  unterschiedlichen  MoBven  –  das  Wissen  um  das  Beste  für  die  Nutzer.        

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Keine User Experience ohne Business!

Am  Ende  läuY  all  das  auf  eine  sehr  einfache  Einsicht  hinaus:  Keine  User  Experience  ohne  Business  –  und  jede  UX,  die  sich  dogmaBsch  dem  Nutzerwohl  verschreibt  und  dabei  alle  Business  Requirements  ignoriert,  kann  am  Ende  nicht  erfolgreich  sein.

User  Experience  muss  auf  Business-­‐Ziele  einzahlen  und  eigentlich  lässt    sich  UX  im  Business-­‐Kontext  am  Ende  überhaupt  nur  dadurch  rechterBgen,  dass  es  ihr  gelingt,  Nutzer-­‐  und  Business-­‐Ziele  zu  verbinden  und  zum  Bestmöglichen  beider  Parteien  aufzulösen.

Die  wirklich  spannende  Frage  lautet  daher  weniger:  Ist  das  eine  gute  UX,  das  andere  dunkle  UX  und  auf  welcher  Seite  stehen  wir?  Sondern  viel  spannender  ist  die  Frage:  Wenn  es  aufgrund  von  Business-­‐Anforderungen  schlicht  und  einfach  nicht  möglich  ist,  eine  zu  100%  nutzeropBmale  User  Experience  zu  erzeugen,  welches  ist  denn  dann  die  innerhalb  der  gegebenen  Rahmenbedingungen  bestmögliche  User  Exprience  und  wie  können  wir  diese  erzeugen?  

Der  Zalando-­‐Prozess  wäre  hier  ein  Beispiel,  wo  das  Business  Ziel  mit  naheliegenden  Nutzer-­‐Zielen  in  ÜbereinsBmmung  zu  bringen  ist.  Der  Apple-­‐Fall  wäre  ein  Case,  wo  das  ganz  eindeuBg  nicht  der  Fall  ist  und  eine  für  Nutzer  bessere  Lösung  im  Rahmen  der  gegebenen  Anforderungen  ganz  sicher  möglich  gewesen  wäre.

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Dazu  noch  zwei  Beispiele:  Ein  noch  eindeuBgerer  Fall  als  der  Apple-­‐Case  ist  www.toggo.de.  Die  Seite  richtet  sich  an  Kinder  und  damit  an  eine  besondere,  weil  minderjährige  und  noch  nicht  geschäYsfähige  Zielgruppe.  

Ebenso  offensichtlich  wie  die  Zielgruppe  ist  hier  die  GeschäYsanforderung,  Werbung  erfolgreich  zu  platzieren:  Die  Anzeigen  unterscheiden  sich  im  Design  und  in  der  Gewichtung  fast  nicht  vom  regulären  Content.  Für  die  Zielgruppe  (Kinder)  ist  der  Unterschied  ganz  sicher  überhaupt  nicht  auszumachen.  

Angesichts  der  Zielgruppe  muss  man  urteilen,  dass  toggo.de  gnadenlos  auf  das  Business-­‐Ziel  hin  opBmiert  wurde.  Ganz  eindeuBg  ein  Fall  dunkler  UX.  

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Ganz  anders  liegt  der  Fall  beim  Online-­‐Spenden-­‐Formular  von  Ärzte  ohne  Grenzen.  Beim  Blick  auf  die  möglichen  Spendenbeträge  wird  deutlich,  wie  Framing  funkBoniert:  Verglichen  mit  500€  erscheinen  die  Spende  von  50€  oder  100€  quasi  als  einzig  sinnvolle  OpBonen.  Dabei  ist  die  100€-­‐OpBon  ist  vorausgewählt  und  im  Vergleich  zu  50€  psychologisch  clever  gewählt:  Durch  die  große    Differenz  zwischen  100€  und  500€  werden  die  100€  ebenso  wie  die  50€  als  kleiner  Betrag  markiert  –  obschon  es  sich  immerhin  um  das  Doppelte  der  Mindestspende  handelt.

Hinzu  kommt,  dass  man  irgendwie,  wenn  man  schon  die  gute  Sache  unterstützt,  vielleicht  auch  nicht  auf  dem  billigsten  Weg  davonkommen  will...  Und  so  ist  das  Spendenformular  von  Ärzte  ohne  Grenzen  psychologisch  korrekt  auf  die  Spende  von  100€  hin  opBmiert  –  auch  wenn  wahrscheinlich  jeder  Spender  ungestützt  eher  eine  geringere  SpendenbereitschsY  genannt  häVe.

FakBsch  heißt  das:  Das  Formular  provoziert  die  Wahl  einer  besBmmten,  gewünschten  Spendenhöhe.  Man  könnte  auch  sagen:  Nutzer  werden  in  Richtung  der  gewünschten  Spendenhöhe  manipuliert.  Methodisch  wäre  das  dunkle  UX  –  aber  erscheint  das  Nutzern  so?  Fühlt  sich  dieser  psychologische  Winkelzug  wirklich  dunkel  an?  

Das  Faszinierende  ist:  Obschon  das  Formular  ganz  sicher  darauein  opBmiert,  das  Spendenauyommen  zu  maximieren,  und  obschon  Nutzer  in  diese  Richtung  geleitet  werden,  ist  doch  sehr  wahrscheinlich,  dass  dies  der  Webseite  und  Ärzte  ohne  Grenzen  in  keiner  Weise  angelastet  wird  und  dennoch  eine  insgesamt  posiBve  Experience  entsteht.  Die  posiBve  Sache  macht‘s:  Man  spendet  mehr  oder  weniger  unfreiwillig  mehr,  als  man  eigentlich  wollte,  und  kann  sich  am  Ende  nur  umso  mehr  darüber  freuen,  sich  so  stark  beteiligt  zu  haben.  

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Nutzer

UXler

Business

Product  OwnerUser  Experience Business  Case

... defining the game...

Am  Ende  heißt  das:  Gute  UX  von  dunkler  und  böser  User  Experience  zu  trennen,  ist  zu  einfach.  Und  wer  Nutzer  und  UX  auf  eine  Seite  stellt  und  den  Business  Case  sowie  den  Product  Owner  auf  die  andere  Seite,  der  denkt  ganz  sicher  zu  naiv.  User  Experience  ohne  Business  ist  nicht  realisiBsch.

Die  zentrale  Frage  für  die  Branche  und  jede  UX-­‐Entscheidung  lautet  am  Ende:  Welche  für  die  Nutzer  bestmögliche  UX  lässt  sich  im  Rahmen  der  gegebenen  Business-­‐Bedingungen  realisieren?  Und  welche  Wege  finden  und  definieren  wir  als  UX-­‐Professionals,  um  Business-­‐Requirements  und  User  Experience  zum  Besten  beider  Parteien  zu  verbinden?

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53nord.de

Je  stärker  sich  die  Branche  professionalisiert  und  in  laufende  GeschäYsprozess  eingebunden  wird,  desto  spannender  werden  die  Lösungen  werden,  die  wir  finden.  

Eine  nicht-­‐naive  Diskussion  um  diese  Cases  und  Entscheidungen  sollte  uns  noch  einige  Zeit  begleiten.  Am  Ende  erkennen  wir  schon  heute  die  Aufgabe  jeder  zukunYigen,  professionellen  UX:  Die  OpBmierung  des  Nutzer-­‐Business-­‐Gleichgewichts!