Erfahrungsbericht: Auslandssemester Medellín, Kolumbien ... · und habe mir dann mit Freunden vor...

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Erfahrungsbericht: Auslandssemester Medellín, Kolumbien Dogan Ayhan – Studienfach: Master of Science, Psychologie – Universität Bielefeld Universität: Universidad CES, Cl. 10 #22 – 04, Medellín, Departamento Antioquia Dauer des Aufenthalts: 02.02.2016 – 28.07.2016 Studienfach im Ausland: Especialización psicología jurídica Am 02. Februar begann für mich meine zweite große Reise, die zur schönsten Zeit meines Lebens werden sollte. Nach meinem ersten Auslandssemester im August 2013 an der San Diego State University in San Diego, Kalifornien, wagte ich nun ein zweites Mal den Schritt in die weite Ferne. Insgesamt sechs Monate habe ich in Medellín gelebt und dort an der Universidad CES eine Spezialisierung im Bereich der Rechtspsychologie gemacht. Am 28. Juli 2016 musste ich den Rückflug antreten; womöglich der schwerste Abschied meines Lebens. Alles begann Anfang des Jahres 2015, als mir der Gedanke kam, nun auch im Master ein weiteres Mal ein Auslandssemester zu absolvieren, nachdem ich bereits schon im Bachelor ein Semester lang in San Diego studiert hatte. Die dort gemachten Erfahrungen hatten mein Leben sehr geprägt, ich hatte deutlich an Reife zugelegt, mich in meiner Persönlichkeit weiterentwickelt und viele neue Freunde gewonnen, die bis heute eine große Rolle in meinem Leben spielen. Aufgrund dieser positiven Erfahrungen war es für mich an der Zeit, ein weiteres Mal ein halbes Jahr weit weg von der Heimat zu gehen. Durch meine bis dahin bereits belegten Spanischkurse an der Universität Bielefeld war für mich klar, dass es dieses Mal in ein spanischsprachiges Land sein würde. Die Wahl fiel dabei nach langem Überlegen auf Kolumbien, da eine Kommilitonin ebenfalls denselben Plan hegte und mich nach einem Gespräch davon überzeugt hat, wie schön Kolumbien doch sei. Sie ist Kolumbianerin und kommt ursprünglich aus Medellín, wodurch die Entscheidung logischerweise auch auf Medellín fiel – die sogenannte Stadt des ewigen Frühlings. Nach sechs Monaten Leben als Paisa, so wie die Einwohner Medellíns genannt werden, kann ich nun behaupten, dass Medellín meines Erachtens nach sicherlich die schönste Stadt der Welt ist.

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Erfahrungsbericht: Auslandssemester Medellín, Kolumbien

Dogan Ayhan – Studienfach: Master of Science, Psychologie – Universität Bielefeld

Universität: Universidad CES, Cl. 10 #22 – 04, Medellín, Departamento Antioquia

Dauer des Aufenthalts: 02.02.2016 – 28.07.2016

Studienfach im Ausland: Especialización psicología jurídica

Am 02. Februar begann für mich meine zweite große Reise, die zur schönsten Zeit meines

Lebens werden sollte. Nach meinem ersten Auslandssemester im August 2013 an der San

Diego State University in San Diego, Kalifornien, wagte ich nun ein zweites Mal den Schritt

in die weite Ferne. Insgesamt sechs Monate habe ich in Medellín gelebt und dort an der

Universidad CES eine Spezialisierung im Bereich der Rechtspsychologie gemacht. Am 28.

Juli 2016 musste ich den Rückflug antreten; womöglich der schwerste Abschied meines

Lebens.

Alles begann Anfang des Jahres 2015, als mir der Gedanke kam, nun auch im Master ein

weiteres Mal ein Auslandssemester zu absolvieren, nachdem ich bereits schon im Bachelor

ein Semester lang in San Diego studiert hatte. Die dort gemachten Erfahrungen hatten mein

Leben sehr geprägt, ich hatte deutlich an Reife zugelegt, mich in meiner Persönlichkeit

weiterentwickelt und viele neue Freunde gewonnen, die bis heute eine große Rolle in meinem

Leben spielen. Aufgrund dieser positiven Erfahrungen war es für mich an der Zeit, ein

weiteres Mal ein halbes Jahr weit weg von der Heimat zu gehen. Durch meine bis dahin

bereits belegten Spanischkurse an der Universität Bielefeld war für mich klar, dass es dieses

Mal in ein spanischsprachiges Land sein würde. Die Wahl fiel dabei nach langem Überlegen

auf Kolumbien, da eine Kommilitonin ebenfalls denselben Plan hegte und mich nach einem

Gespräch davon überzeugt hat, wie schön Kolumbien doch sei. Sie ist Kolumbianerin und

kommt ursprünglich aus Medellín, wodurch die Entscheidung logischerweise auch auf

Medellín fiel – die sogenannte Stadt des ewigen Frühlings. Nach sechs Monaten Leben als

Paisa, so wie die Einwohner Medellíns genannt werden, kann ich nun behaupten, dass

Medellín meines Erachtens nach sicherlich die schönste Stadt der Welt ist.

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Nachdem Land und Stadt bereits entschieden waren, musste nur noch die passende

Universität her. Nachdem wir mehrere Universitäten dort angeschrieben hatten, fiel die

Entscheidung letztendlich auf die Universidad CES, da diese im Vergleich zu den anderen

Universitäten dort keine Studiengebühren (!) nimmt, eine sehr gut ausgestattete Universität ist

und ein sehr interessantes Psychologie Angebot hatte. Nach Kontaktaufnahme mit der

Universidad CES wurde mir schnell mitgeteilt, was ich alles für eine erfolgreiche Bewerbung

einreichen müsste. Ca. 6 Wochen nachdem ich die Bewerbung abgeschickt hatte, erreichte

mich die Zulassungsbestätigung seitens der Universidad CES. Ich habe das gesamte

International Office dort, sowieso auch die Fakultät für Psychologie als sehr kompetent und

hilfsbereit wahrgenommen, da diese auch vor dem Antritt des Auslandssemesters ständig im

Kontakt mit uns waren und uns alle Kurswahlmöglichkeiten zur Verfügung gestellt hatten. Es

war alles sehr transparent und vereinfachte den ganzen Prozess. Daraufhin habe ich mit

meiner Zulassungsbestätigung beim Kolumbianischen Konsulat in Berlin (es gibt auch eins in

Frankfurt) ein Visum beantragt, was auf folgender Website auch relativ unproblematisch war

https://tramitesmre.cancilleria.gov.co/tramites/enlinea/solicitarVisa.xhtml. Um das Visum

jedoch zu erhalten, muss man persönlich im Konsulat erscheinen und die erforderlichen

Unterlagen (http://www.cancilleria.gov.co/tramites_servicios/visas/clases (OPTION TP3))

mitbringen. Die Unterkunft vor Ort in Kolumbien war auch relativ schnell geklärt, da mein

Cousin 2015 bereits für eine gewisse Zeit in Medellín gelebt hat und mir seinen Freund

vorgestellt hat, der noch ein freies Zimmer hatte. Bei dem bin ich dann zu Beginn eingezogen

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und habe mir dann mit Freunden vor Ort gemeinsam was gesucht. Es gibt aber sehr viele

Facebook Gruppen, in denen ständig diverse Wohnmöglichkeiten angeboten werden, daher

denke ich nicht, dass dies ein Problem darstellen sollte. Mein Zimmer in Deutschland habe

ich bei wg-gesucht inseriert und relativ schnell jemanden gefunden, der das Zimmer für ein

halbes Jahr zur Zwischenmiete übernommen hat. Meine Auslandskrankenversicherung habe

ich bei der Hanse Merkur abgeschlossen, da ich bereits in San Diego gute Erfahrungen damit

gemacht habe. Ich habe mich auch rechtzeitig gegen Gelbfieber impfen lassen, da ich auch

vor hatte während meiner Zeit zu reisen und in manchen Gebieten Kolumbiens eine

Gelbfieberimpfung ratsam ist, vor allem im Amazonas. Den Impfpass auf jeden Fall auch

mitnehmen, und auch einen Test auf Blutgruppe in Deutschland machen lassen, da diese

Dokumente unter anderem notwendig sind bei der Beantragung einer cedula extranjeria - das

Pendant zum deutschen Personalausweis. Dieser ist insofern hilfreich, als dass man dann

seinen Reisepass nicht mehr mitzuschleppen braucht, um sich auszuweisen. In vieler Hinsicht

ist diese cedula extranjeria äußerst hilfreich und fast schon obligatorisch. Zu den finanziellen

Angelegenheiten ist zu sagen: wer in Regelstudienzeit ist und auch inlandsbafögberechtigt ist,

der sollte rechtzeitig, mindestens ein halbes Jahr vor Antritt des Auslandssemesters Bafög.

Außerdem empfiehlt es sich, sich für ein Stipendium zu bewerben, da es genügend

Förderungen für Auslandssemester- und Praktika gibt und es einen Versuch in jedem Fall

wert ist.

Nachdem nun alle Formalitäten geklärt waren ging es Anfang Februar dann nach Medellín.

Wir wurden herzlich von der Universidad CES empfangen und haben uns relativ schnell

wohlgefühlt an dem Campus. Schon in der ersten Woche ging es direkt mit den Kursen los.

Ich habe insgesamt drei Seminare besucht mit den Themen Kriminalpsychologie,

psychologischer Dienst bei Justizvollzugsanstalten und Psychologie der Zeugenaussage. Die

Kurse waren sehr interessant und praxisbezogen, es fehlte jedoch etwas an der

wissenschaftlichen Anlehnung. Die Tatsache, dass gewöhnlich weder die Studierenden, noch

die Dozenten Englisch sprechen, begrenzt sehr die Auswahl an Literatur, die zur Vorbereitung

der Lehrveranstaltungen benutzt wird.

Neben den besuchten Seminaren habe ich auch zwei Praktika absolviert. Das erste war beim

CENDES, ein Institut für die Begutachtung von psychologisch-juristischen Fällen

(Zeugenaussagen, Bestimmung der Schuldunfähigkeit, etc.), welches in Kooperation mit der

kolumbianischen Staatsanwaltschaft arbeitet. Meine Aufgabe dabei war die Unterstützung bei

der psychologischen Untersuchung von Patienten und die Erstellung von forensischen

Gutachten, die dann bei Prozessen vor Gericht vom Anwalt genutzt wurden. Die zweite

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Praktikumstelle war beim Consultorio Jurídico (Rechtsberatungsstelle). Dabei war meine

Aufgabe die Beratung von Personen, die in psychologisch-juristischen Fällen Hilfe von der

Beratungsstelle aufsuchten. Beide Praktika fand ich sehr interessant und dadurch lernte ich

sehr viel über die Arbeit als Rechtspsychologe. Allgemein waren die Dozenten und

Kommilitonen in der Universidad CES sehr nett und stets hilfsbereit. Die Universität ist sehr

modern gebaut und bietet ein ausreichendes Angebot an sportliche-, kulturelle- und

Freizeitaktivitäten.

Der für mich aber alles entscheidende Teil war das Leben vor Ort. Selten in meinem Leben

habe ich mich an einem Ort so wohlgefühlt wie in Medellín. Weit entfernt von dem ganzen

negativ behafteten Image der Stadt, einst „gekürt“ als die Weltmordhauptstadt, gezeichnet von

etlichen Drogenkartellen und Bandenkriegen, ist Medellín im Jahre 2016 längst nicht mehr

das, was es einmal war. Die Stadt strotzt nur so vor Lebensfreude, die Menschen sind allesamt

überaus freundlich, vor allem authentisch, hilfsbereit und haben stets ein Lächeln im Gesicht.

Das Wetter ist einzigartig, es ist ein idealer Mix aus Sonne und Regen, nie zu kalt, nie zu

warm. Es ist alles verhältnismäßig günstig, beispielsweise kriegt man ein Mittagsmenü in

einem sehr guten Restaurant der Stadt für max. 3-4 €, das beste Steak der Stadt kostet in etwa

9-10€ und von auch Früchte oder frischgepresste Säfte kosten 1/3 von dem, was sie hier in

Deutschland kosten würde. Und vor allem die Vielfalt an Früchten ist sagenhaft: von Lulo bis

Mango, Guanabana, Guayaba, Granadilla, Mangostane, Maracuja oder Mora – und vieles

mehr.

Medellín als Stadt teilt sich in viele verschiedene Sektoren auf. Ich habe in El Poblado gelebt,

das als das sogenannte Reichen- und Partyviertel Medellíns gilt. Es gibt daneben aber auch

noch Laureles, wo sich die bekannte Universidad Pontificia Bolivariana befindet, das Viertel

Estadio, in welchem sich das populäre Fußballstadion Estadio Atanasio Girardot mit dem

aktuell besten Verein Südamerikas Atlético Nacional befindet. Nördlich von El Poblado

geht’s in Richtung Centro, das als das originale, wilde Kolumbien gilt, in dem es aber auch

gefährlicher ist, vor allem bei Nacht. Allgemein sollte man einen gewissen Respekt

mitbringen. Auch wenn sich die Stadt in einem Aufschwung befindet, heißt das bei weitem

nicht, dass es keine Kriminalität mehr gibt. Solange man sich aber an paar Regeln hält, wie

beispielsweise Abstand von sämtlichen Drogen zu nehmen, sein Handy nicht unbedingt auf

offener Straße permanent zur Schau stellt, allgemein Schmuck und Wertgegenstände lieber zu

vermeiden, sich nicht unbedingt alleine in eine verlassene Straße begeben, so ist die

Wahrscheinlichkeit hoch, dass man über die ganze Zeit hinweg unversehrt davon kommt. Mir

persönlich ist nichts widerfahren und das so ziemlich schlimmste was meinen Freunden

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passiert ist, war, dass ihnen ihr Handy entwendet wurde. Dies kann aber auch in so ziemlich

jeder anderen Großstadt passieren. Medellín ist die zweitgrößte Stadt Kolumbiens, sehr

modern und bietet ein ausgezeichnetes Studentenleben. In der Stadt leben ungefähr drei

Millionen Menschen und es gibt jährlich auch eine große Anzahl an Touristen. Die Auswahl

an Parks, Clubs, Kneipen, Restaurants, etc. ist sehr groß und das Nachtleben bietet viele

Möglichkeiten. Es gibt auch sehr viele Möglichkeiten der ehrenamtlichen Arbeit, falls jemand

vor hat, dort etwas dergleichen zu machen. Ich habe beispielsweise bei

http://www.techo.org/paises/colombia/ und http://aguapanelita.org/ teilgenommen, wo wir

unter anderem mit Kindern in den armen Barrios Zeit verbracht haben oder in den ärmsten

Straßen Medellíns Essen und Trinken an Obdachlose verteilt haben.

Zum Land an sich kann ich nur sagen, dass ein halbes Jahr nicht ausreicht, um das Land

vollständig zu bereisen. Die Landschaften sind sehr schön und es bieten sich unglaublich viele

Möglichkeiten zum Reisen. Von der Karibik bis zum Amazonas hat man eine sehr große

Wahl an Plätzen die besucht werden können. Man sollte sich während seines

Auslandsaufenthalts auf jeden Fall genug Zeit für Reisen einplanen. Zu empfehlen sind dabei:

Parque Tayrona, Santa Marta, Barranquilla (vor allem im Februar zur Karnevalszeit),

Cartagena (das Miami Kolumbiens), San Andrés (Ein kolumbianische Insel mitten auf der

Karibik), Bogotá (die Hauptstadt Kolumbiens), Cali (die Salsa Welthauptstadt) und Guatapé,

ein angrenzendes Dorf zwei Stunden Busfahrt entfernt von Medellín mit einer

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atemberaubenden Landschaft. Ich habe in dem halben Jahr sehr viele neue Kontakte geknüpft,

Freunde fürs Leben kennen gelernt, meine Spanischkenntnisse deutlich intensiviert, ein wenig

Salsa gelernt und vor allem war ich Teil einer Gesellschaft, die den Spaß am Leben nicht

verloren hat. Ich kann das Land und die Stadt jedem einzelnen nur ans Herz legen, da ich mir

sicher bin, dass meine positiven Erfahrungen keine Ausnahme sind, sondern jeder einzelne

sich dort wohl fühlen würde.

Fragen bitte an: [email protected]