Erfahrungsbericht Auslandssemster am Indira Gandhi ... · PDF file1 Erfahrungsbericht...

9
1 Erfahrungsbericht Auslandssemster am Indira Gandhi Institute of Development Research (IGIDR), Mumbai Johanna Körnig Internationale Wirtschaft und Entwicklung Universität Bayreuth

Transcript of Erfahrungsbericht Auslandssemster am Indira Gandhi ... · PDF file1 Erfahrungsbericht...

Page 1: Erfahrungsbericht Auslandssemster am Indira Gandhi ... · PDF file1 Erfahrungsbericht Auslandssemster am Indira Gandhi Institute of Development Research (IGIDR), Mumbai Johanna Körnig

1

Erfahrungsbericht

Auslandssemster am Indira Gandhi Institute

of Development Research (IGIDR), Mumbai

Johanna Körnig

Internationale Wirtschaft und Entwicklung

Universität Bayreuth

Page 2: Erfahrungsbericht Auslandssemster am Indira Gandhi ... · PDF file1 Erfahrungsbericht Auslandssemster am Indira Gandhi Institute of Development Research (IGIDR), Mumbai Johanna Körnig

2

Einleitung

Schon seit langem hatte ich den Traum, eine Zeit lang in Indien leben, um

das Land und die Leute kennenzulernen. Im Frühjahr 2012 kam dann die

Bestätigung des International Office meiner Universität, dass ich ab Januar

2013 für ein Semester in Mumbai am „Indira Gandhi Institute for

Development Research“ für ein Auslandssemester angenommen war. Nach

5 Monaten kann ich wirklich sagen: „India is incredible!“. Jedes Bild was

man von Indien hat - schön oder hässlich, jede Geschichte die man gehört

hat - schön oder traurig und jede Erfahrung, die man hier macht - schön

oder unangenehm – ist 100% Indien und nie eine Ausnahme, denn die

Vielfalt ist einfach unglaublich. Ich denke in Indien kann man überaus tolle

und auch weniger gute Erfahrungen machen und Erlebnisse haben.

Entweder kann man mit bestimmten Anblicken und Erfahrungen umgehen

und dann liebt man das Land oder man kann es nicht, und dann wird man

es in Indien schwer haben. Ich würde mich jedoch definitiv zu der ersten

Sorte Mensch zählen, denn meine Zeit in Indien war wirklich toll und

beindruckend. Indien ist ein Land voller Gegensätze. Ein Land in dem 1/5

der Weltbevölkerung leben, in dem weit über 100 Sprachen gesprochen

werden und in dem ca. 330 Millionen verschiedene Gottheiten angebetet

werden – also ein wirklich ein Kontinent und eigenes Universum, welches

ich 5 Monate mein Zuhause nennen durfte.

Institut und Studium

Ich kam also kurz vor dem Neujahreswechsel 2012/13 in Mumbai an und

schon am Flughafen bekam ich eine Vorstellung von dem, was die nächsten

Monate teilweise auf mich warten sollte. Der Flughafen ist direkt neben

dem Dharavi Slum, einem der größten Slums der Welt in dem ca. 1 Mio.

Menschen leben. Der erste Anblick waren also zu viele Menschen auf zu

Page 3: Erfahrungsbericht Auslandssemster am Indira Gandhi ... · PDF file1 Erfahrungsbericht Auslandssemster am Indira Gandhi Institute of Development Research (IGIDR), Mumbai Johanna Körnig

3

wenig Fläche, Dreck, Lärm und Wellblechhütten, aber auch unglaublich

viele Farben, drachensteigenlassende Kinder und Kühe auf den Staßen.

Dann ging es jedoch erst einmal zu unserem Institut und in eine andere

Welt. Das Institut, ein Institut für Wirstschafts- und Entwicklungsforschung,

befindet sich im nördlichen Teil Mumbais, zwischen einem Slum,

Hochhäusern für die reichere Gesellschaft und der Film City, einem Ort an

dem viele Bollywood- Filme und indische Soaps gedreht werden. Also auch

hier Gegensätze pur und Indien wie es leibt und lebt – reich neben arm,

akademisches Arbeiten neben dem Glanz Bollywoods. Das IGIDR wurde von

der Reserve Bank of India, also der indischen Zentralbank gegründet und

finanziert. Das Institut ist wirklich klein, denn es werden nur Master-Kurse

in Economics (Volkswirtschaftslehre) angeboten und es gibt verschiedene

Promotions-Programme, sodass dort nur ca. 50 Masterstudenten und 30

Doktoranden ihre Intelligenz unter Beweis stellen. Dann gibt es noch die ca.

20 Professoren und alle wohnen, wie auch ich und sonstigen

Institutsangestellten mit ihren Familien, auf dem Campus. Das Institut ist

wegen seiner guten Lehre und Forschung sehr angesehen und am Campus

fanden oft Seminare und Konferenzen zu verschiedenen wirtschaftlichen

und entwicklungsökonomischen Themen statt. Dazu wurden oft

renommierte Professoren von berühmten amerikanischen oder englischen

Universitäten eingeladen. Dabei wurde mir das schon schnell klar, dass das

Institut akademisch viel zu bieten hat und das Lehren und Lernen hier

etwas anders ist, als im Oberfränkischen Bayreuth. Da ich als

Bachelorstudentin nun an einem solchen Institut Masterkurse belegen und

bestehen wollte, war meine Zeit als Studentin dort auch akademisch

wirklich eine Herausforderung. Schließlich belegte ich wegen des großen

Arbeitsaufwands zwei Kurse, „Theory of Institutions“ und „Applied

International Trade“, welche viel Spaß, viel Arbeit und ganz neue

Sichtweisen mit sich brachten. Die Kurse waren für mich in erster Linie

Page 4: Erfahrungsbericht Auslandssemster am Indira Gandhi ... · PDF file1 Erfahrungsbericht Auslandssemster am Indira Gandhi Institute of Development Research (IGIDR), Mumbai Johanna Körnig

4

schwerer, weil es dort im Wirtschaftstudium einen heftigen Mathemathik -

und Ökonometrieschwerpunkt gibt, welchen man als normaler deutscher

Wirtschaftsstudent leider wenig kennt, und da viele der indischen

Masterstudenten sogar Mathematik, Physik oder Ingenieurwesen studiert

haben, bevor sie ein Master in der Volkswirtschaft beginnen, war der

Anspruch hoch. Es gab in den 5 Monaten für mich akademisch also einiges

nachzuholen und lernen, was mein Wissen wirklich sehr erweitert und

meine Kompetenzen vergrößert hat, in einer Weise in der es sicher wenige

deutsche Universitäten gekonnt hätten.

Das Institut ist jedoch nicht nur wegen seiner Lehre in Indien sehr

angesehen, sondern auch wegen der guten Ausstattung. Es gab viele

verschiedene Sportanlagen, inklusive Schwimmbecken, welche ich

versuchte oft zu nutzen, wenn die Hitze nicht gerade zu drückend war und

man einen Ausgleich von den Stunden in der Bibliothek brauchte. Auf dem

Campus gab es zudem eine Cafeteria, eine Mensa, eine Bibliothek,

verschiedene Fakultätsgebäude und dann natürlich verschiedene

Wohnhäuser für Studenten, Angestellte und Professoren. Natürlich

entsprachen unsere Zimmer nicht dem „europäischen Standard“, aber ich

habe mich schnell daran gewöhnt. Am Anfang war es nicht so leicht im

Zimmer zu zweit und dann noch gemeinsam mit Kakerlaken und Eidechsen

zu hausen, aber zu meinem Erstaunen geht auch das. Wir haben schnell

gelernt uns nicht zu beschweren, denn nicht viele Bildungseinrichtungen in

Indien sind so gut ausgestattet. Wir hatten sogar ein eigenes Bad im

Zimmer und die meisten Unis und Schulen haben riesige Schlafsäle.. An dem

Institut studieren zu dürfen war nicht nur für mich sondern auch für viele

der indischen Studenten ein Privileg. In Indien gibt es einfach sehr viele

intelligente und ehrgeizige Studenten, sodass sich am Institut ganze 8000

Studenten auf 20 Plätze bewerben. Da ist Deutschland doch wirklich ein

Bildungs-Paradies! Eine Erkenntnis, die ich aus meinem Aufenthalt auf

Page 5: Erfahrungsbericht Auslandssemster am Indira Gandhi ... · PDF file1 Erfahrungsbericht Auslandssemster am Indira Gandhi Institute of Development Research (IGIDR), Mumbai Johanna Körnig

5

jeden Fall gelernt habe. Die Chance nach der Ausbildung hier einen gut

bezahlten Job, bei einer Unternehmensberatung oder einer großen

indischen Bank zu bekommen ist hoch und trotzdem hart umkämpft.

Land und Leute

In den 5 Monaten standen dann auch neben dem Studieren noch diverse

Urlaubs-und Entdeckungsprogramme auf dem Plan. Zunächst haben wir

natürlich versucht Mumbai zu erkunden und einen Eindruck von der Stadt

Page 6: Erfahrungsbericht Auslandssemster am Indira Gandhi ... · PDF file1 Erfahrungsbericht Auslandssemster am Indira Gandhi Institute of Development Research (IGIDR), Mumbai Johanna Körnig

6

zu gewinnen. Das ist nur - wie fast alles in Indien- nicht so einfach, weil

man um in den Süden zu kommen, also das Zentrum und den älteren Teil

Mumbais, ganze 2 Stunden benötigt. Allein schon die Zugfahrt dort hin,

vorbei an Hütten und Behausungen der Menschen, die neben die

Zugschienen auf Müllhalden wohnen, ist ein Abenteuer für sich, was ich

ewig beschreiben könnte. Mumbai ist wirklich eine aufregende Stadt mit

vielen beeindruckenden Bauwerken, Straßen und Märkten. Vieles sieht so

aus, als ob die Engländer gerade Indien verlassen haben. Der koloniale

Baustil ist noch überall erhalten, wenn auch am zerfallen. Manchmal denkt

man, dass man in einer englischen Stadt ist nur bewachsen mit Palmen und

nach extremer Erderwärmung. ;-) Es gibt dazu natürlich noch überall

Cricketfelder, die von hunderten motivierten Indern genutzt werden.

Neben Mumbai haben wir noch ein paar andere Orte in Maharashtra, dem

Bundesstaat in dem Mumbai liegt besucht. Wir waren zu einem Weinfest in

Nashik und in Pune, eine Stadt neben Mumbai. Pune ist eine kleinere Stadt

und im Gegensatz zu Mumbai ist es wesentlich einfacher sich zu bewegen,

da die Stadt viel liberaler und entspannter ist. Als "weiße" Frau in Indien, ist

es nicht immer einfach all das zu tun, was man tun möchte und sich an den

Orten zu bewegen und zu den Zeiten, die einem belieben. Auch daran

gewöhnt man sich, oder man akzeptiert es einfach, dass man auch bei

gefühlten 500 Grad im Schatten keine kurze Sachen trägt und sich auch

sonst etwas bedeckt, ist sowieso klar, aber auch das hält viele indische

Männer nicht davon ab, zu starren und zu rufen. Aber die Rolle der Frau in

Indien in diesem Bericht zu erörtern ist unmöglich, aber ich denke, dass das

wohl das größte Problem ist, welches das Land hat und ein Problem,

welches sicher noch Generationen brauch um es zu überwinden. Es ist

schwer zu beschreiben und zu verstehen wie limitiert sich viele Frauen hier

fühlen. Wir als „Weiße“ haben es da sicher noch „leicht“ …

Page 7: Erfahrungsbericht Auslandssemster am Indira Gandhi ... · PDF file1 Erfahrungsbericht Auslandssemster am Indira Gandhi Institute of Development Research (IGIDR), Mumbai Johanna Körnig

7

Im Februar und März gab es dann noch 2 etwas größere Unternehmungen.

Zuerst ging es für uns nach Goa. Wenn man von Goa erzählt bekommt, wird

es immer als der liberalste und ein „must-go“ beschrieben. Goa hat diesen

Ruf, weil es seit Jahrzenten ein Pilgerort für viele, auch indische, Touristen

ist und man in Goa auf eine christliche und etwas offenere Gesellschaft trifft,

die die Uhren dort etwas anders ticken lässt. Deshalb habe ich mit 3

anderen Austauschstudenten die 12 Stunden Zugfahrt gen Süden auf mich

genommen und 4 Tage dort verbracht – am Strand, bei Sonne und gutem

Essen.

Page 8: Erfahrungsbericht Auslandssemster am Indira Gandhi ... · PDF file1 Erfahrungsbericht Auslandssemster am Indira Gandhi Institute of Development Research (IGIDR), Mumbai Johanna Körnig

8

Im März sollte dann aber das echte Paradies auf mich warten, und wir

haben uns gemeinsam mit 2 indischen Freunden auf den Weg zu den

Andaman Islands gemacht. So haben wir 10 Tage auf verschiedenen Inseln

der Andamanen verbracht und uns teilweise gefühlt, wie Robinson Crusoe,

da wir mit 10 weiteren Menschen die einzigen Touristen auf manchen

Inseln waren. Dies war dann doch ein ganz anderes Indien und ein

kompletter Gegensatz zu dem Lärm und dem Smog der Großstadt.

Nach der Beendigung meines Semesters im Mai lagen dann noch 2 Wochen

Reisen im indischen Norden vor mir, in denen ich das Land und die Kultur

auch noch einmal als Tourist und nicht mehr als Student erleben durfte.

Page 9: Erfahrungsbericht Auslandssemster am Indira Gandhi ... · PDF file1 Erfahrungsbericht Auslandssemster am Indira Gandhi Institute of Development Research (IGIDR), Mumbai Johanna Körnig

9

Fazit

Leider kann ich in einem solchen Bericht nur schwer beschreiben, was man

in Indien so alles erlebt und wie es ist, dort zu sein. Indien ist einfach ein

Land, welches man erlebt haben muss, um einen Eindruck zu gewinnen,

und ich bin unglaublich dankbar, diese Chance gehabt zu haben und trotz

stressigen Uni-Alltags es geschafft habe, zu reisen und Land und Leute

kennenzulernen. Das Beste am Austausch war jedoch sicher, dass ich

Freunde gefunden habe mit denen ich Reisen war und die versucht haben

zu zeigen, wie Indien wirklich ist und was die indische Gesellschaft

ausmacht. Wir haben unzählige Diskussionen geführt und mit viel Geduld

versucht, die jeweils andere Welt zu verstehen. Das arrangierte Hochzeiten

auch bei modernen, jungen Indern völlig normal sind, oder dass die Kaste

und Herkunft immer noch eine riesige Rolle spielt, ist für mich immer noch

schwer zu verstehen und nur ein Beispiel für die vielen Eigenheiten der

indischen Gesellschaft, die ich auch nach 5 Monaten wahrscheinlich nur in

Ansätzen verstanden und erlebt habe. Ich werde definitiv zurückkehren,

Freunde besuchen, mehr sehen und vor allem das unglaublich gute Essen

genießen.