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AUF DEM WEG ZU INDUSTRIE 4.0: ERFOLGSFAKTOR REFERENZARCHITEKTUR INDUSTRIE 4.0

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AUF DEM WEG ZU INDUSTRIE 4.0: ERFOLGSFAKTOR REFERENZARCHITEKTUR

INDUSTRIE 4.0

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VORWORT | 3

ERFOLGSFAKTOR REFERENZARCHITEKTUR

Im Technologie-Netzwerk it’s OWL – Intelligente Technische Systeme OstWestfalenLippe –

bündeln Weltmarkt- und Technologieführer im Maschinenbau, der Elektro- und Elektronik-

industrie sowie der Automobilzulieferindustrie ihre Kräfte. Gemeinsam mit regionalen For-

schungseinrichtungen erarbeiten sie in 46 Projekten neue Technologien für intelligente

Produkte und Produktionssysteme.

Ausgezeichnet im Spitzencluster-Wettbewerb des Bundesministeriums für Bildung und For-

schung – dem Flaggschiff der Hightech-Strategie der Bundesregierung –, gilt it’s OWL bundes-

weit als eine der größten Initiativen zu Industrie 4.0 und leistet einen wichtigen Beitrag,

Produktion am Standort Deutschland zu sichern.

Auf Empfehlung des wissenschaftlichen Beirats beleuchtet it’s OWL in Koope ration mit ver-

schiedenen Clusterpartnern das Thema Industrie 4.0 aus unterschiedlichen Blick winkeln und

veröffentlicht wesentliche Ergebnisse in Form von Broschüren unter dem Titel »Auf dem Weg

zu Industrie 4.0«. In 2014 wurde die erste Broschüre veröffentlicht. Diese beschreibt die

konkreten Technologien und Lösungen anhand von Best-Practice-Beispielen. Diese Broschüre

setzt dort an und fokussiert das Thema Referenzarchitektur im Kontext Industrie 4.0. Sie gibt

einen Überblick über die heterogene und schnell wachsende Landschaft von Architektur-

modellen und stellt die Sichtweisen von Unternehmen auf das Thema vor.

Dazu haben die Forschungsinstitute Heinz Nixdorf Institut und die Fraunhofer-Projektgruppe

Entwurfstechnik Mechatronik in Kooperation mit dem Clusterpartner UNITY AG 13 Unter-

nehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau, der Automobil- und Automatisierungstechnik,

der Elektroindustrie sowie Softwarehäuser und Beratungsunternehmen in ganz Deutschland

befragt.* Geschäftsführer und Projektverantwortliche gaben in Interviews Einblicke in die

aktuelle Situation ihrer Betriebe und Einschätzungen zum Thema Industrie 4.0.

Die vorliegende Broschüre vergleicht und bewertet bestehende Architekturmodelle anhand von

zuvor definierten Anforderungen an eine Referenzarchitektur für Industrie 4.0. Zudem werden

Herausforderungen für Unternehmen bei der praktischen Umsetzung identifiziert und konkrete

Handlungsempfehlungen abgeleitet.

Prof. em. Dr. Otthein HerzogKünstliche Intelligenz, Universität Bremen

WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT VON IT’S OWL

Prof. Dr. Edgar KörnerHonda Research Institute Europe GmbH

Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. Manfred NaglSoftware Engineering,RWTH Aachen

Prof. Dr. Ir. Fred J. A. M. van HoutenProfessor for Design Engineering,University of Twente

* Die vollständige Liste der befragten Unternehmen finden Sie auf Seite 28.

AUF DEM WEG ZU INDUSTRIE 4.0SCHLÜSSEL ZUR FABRIK DER ZUKUNFT

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4 | INHALT

AUF DEM WEG ZUR INDUSTRIE 4.0

INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT

Auf dem Weg zu Industrie 4.0Schlüssel zur Fabrik der Zukunft

EINLEITUNG

Erfolgsfaktor Referenzarchitektur Kombination von IT- und Produktionswissen

Digitalisierung der industriellen ProduktionWertschöpfung der Zukunft

Status quo Industrie 4.0Relevanz und Entwicklungen vernetzter Produktion

Basis ReferenzarchitekturIKT-Systeme erfolgreich gestalten

Referenzarchitekturen für Industrie 4.0Standards für klaren Informationsfluss

HandlungsempfehlungenVon der Theorie in die Praxis

Resümee und AusblickStandards schaffen, Barrieren abbauen

Literatur

Clusterpartner

Impressum

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EINLEITUNG | 5

ERFOLGSFAKTOR REFERENZARCHITEKTUR

Seit einiger Zeit wandeln sich nationale Industriegesell-

schaften zur globalen Informations gesellschaft. Informa-

tions- und Kommunikationstechnik wachsen zusammen

und durchdringen alle Lebensbereiche. Produktion wird als

komplexes informationsverarbeitendes System verstan-

den, in dem bereichs- und unternehmensübergreifende

Leistungserstellungsprozesse und deren durchgängige

Unterstützung durch Informations- und Kommunikations-

technik eine heraus ragende Rolle spielen. Vor diesem Hin-

tergrund werden Geräte und Systeme unserer realen Umge-

bung, die durch eingebettete Software gesteuert werden,

zunehmend in das weltumspannende Kommunika tionsnetz

integriert, wofür der Begriff »Internet der Dinge« steht.

Reale Welt und virtuelle Welt wachsen offensichtlich zu-

sammen, was durch den Begriff »Cyber-Physical Systems«

zum Ausdruck kommt. Im Kontext der industriellen Pro-

duktion eröffnet sich eine neue Perspektive, die von vie-

len als die vierte industrielle Revolution gesehen wird –

Industrie 4.0. Übergeordnete Aspekte von Industrie 4.0 sind

die vertikale Integration, die horizontale Integration sowie

ein umfassendes Systems Engineering. Vor dem Hinter-

grund der zunehmenden Durchdringung mit Informations-

und Kommunikationstechnik auf allen Hierarchieebenen

eines produzierenden Unternehmens stellt sich die Frage,

ob etablierte Informationsarchitekturen den von Industrie 4.0

geforderten Aspekten gerecht werden.

Moderne Informationsarchitekturen müssen den Anforde-

rungen der Unternehmen und Aspekten von Industrie 4.0

genügen. Sie bilden den übergeordneten Rahmen zur Ent-

wicklung, Integration und zum Betrieb einer bedarfs ge-

rechten, situationsspezifischen IT-Landschaft in einem

Wertschöpfungsnetzwerk. Aktuell schlagen Unternehmen,

Verbände und Arbeitskreise unterschiedliche Architek turen

vor, die oft nur die eigene Sichtweise widerspiegeln. Zu-

dem ist das Bild über die tatsächliche Leistungsfähigkeit

und den Nutzen der Architekturen für viele noch unklar.

Es fehlt ein konsolidiertes Bild mit Sichtweisen von An-

bietern, Anwendern und der Wissenschaft.

Ziel dieser Broschüre ist es, ein fundiertes Bild über das

Leistungsvermögen von Architekturmodellen zu liefern.

Dazu werden konkrete Handlungsempfehlungen für die

Erfolgsfaktoren Referenzarchitektur, Systems Engineering

und Geschäftsmodelle in Kontext von Industrie 4.0 aus-

gesprochen. Besonders fokussiert werden die folgenden

drei Aspekte:

Gemeinsames Verständnis: Welche Sichtweisen

haben Anbieter, Anwender und Wissenschaft auf Her-

ausforderungen zukünftiger Informationsarchitekturen?

Status quo: Welche Strukturen dominieren die der-

zeitige IKT-Landschaft in der industriellen Produktion?

Herausforderungen: Welche spezifischen Heraus-

forderungen und Barrieren ergeben sich für die Gestal-

tung von IKT-Systemen zur erfolgreichen Umsetzung

von Industrie 4.0?

ERFOLGSFAKTOR REFERENZARCHITEKTURKOMBINATION VON IT- UND PRODUKTIONSWISSEN

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6 | DIGITALISIERUNG DER INDUSTRIELLEN PRODUKTION

AUF DEM WEG ZUR INDUSTRIE 4.0

Die sogenannte digitale Transformation schreitet rasant

und ununterbrochen voran. Seit Konrad Zuse im Jahr 1941

mit dem Z3 wesentliche Schritte in das Computerzeitalter

vollzog und im Jahr 1950 weltweit rund 8.000 Computer-

systeme existierten, sind heute alle Lebensbereiche von

Informations- und Kommunikationstechnik durchdrungen.

Mit der Erschließung des Massenmarkts für Breitband-

Internetzugänge in den frühen 2000er-Jahren sowie der

Ein führung von Smartphones und Tablet-Computern explo-

dierte die Anzahl vernetzter Objekte und überstieg erst-

mals die Weltbevölkerung [AA15], [Eva15-ol]. Im Jahr 2015

sind etwa 15 Milliarden Produkte weltweit mit dem Inter-

net verbunden; bis 2020 sollen es 30 Milliarden sein

(Bild 1) [KRH+14].

Diese Digitalisierung ermöglicht nicht nur neue intelli gente

Produkte und neue Formen internetbasierter Dienstleistun-

gen (sog. Smart Services), sondern sie verändert auch die

industrielle Produktion. Der Begriff Industrie 4.0 steht für

eine neue Stufe der Organisation und Steuerung kom plexer

Wertschöpfungsnetzwerke [KWH13], [Ram15]. Offensicht-

lich vollzieht die Industrie einen tief greifenden Wandel,

der als die vierte industrielle Revolution bezeichnet wird.

Die Grundlage für Industrie 4.0 bilden Intelligente Techni-

sche Systeme, die über das »Internet der Dinge« mitein-

ander vernetzt sind und auch als Cyber-Physical Systems

(CPS) bzw. Cyber-Physical Production Systems (CPPS)

bezeichnet werden. Von besonderer Bedeutung wird die

Intelligenz der Systeme sein, die adaptive, robuste, vor-

ausschauende und besonders benutzungsfreundliche

Systeme ermöglicht.

Die zunehmende Digitalisierung eröffnet faszinierende,

unüberschaubare Möglichkeiten zur Gestaltung von Wert-

schöpfungsnetzen und für neue Geschäftsmodelle. Dabei darf

nicht übersehen werden, dass der Einsatz geballter Infor-

DIGITALISIERUNG DER INDUSTRIELLEN PRODUKTIONWERTSCHÖPFUNG DER ZUKUNFT

BILD 1 Meilensteine der Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnik

1941 Konrad Zuse baut mit dem Z3 den »ersten« Computer der Geschichte

1940 1965 1985

1965 Einführung des ersten CAD/CAM-Systems in der Luft- und Raumfahrt

1950 Weltweit ca. 8.000 installierte Computer- systeme

1969Erste speicherprogrammier- bare Steuerungen (SPS) kommen auf den Markt

ANFÄNGE DES COMPUTERS IT-SYSTEME IN DER GESCHÄFTSWELT PERSONAL COMPUTER

1984Apple Macintosh mit grafischer Benutzer - oberfläche und Maus

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DIGITALISIERUNG DER INDUSTRIELLEN PRODUKTION | 7

ERFOLGSFAKTOR REFERENZARCHITEKTUR

mations- und Kommunikationstechnik am Ende einer wohl-

strukturierten Handlungskette stehen muss; von der System-

ebene bis zur strategischen Unternehmensführung (Bild 2).

Der Impuls für Industrie 4.0 geht von der System ebene aus,

gleichwohl müssen die übergeordneten Geschäftsprozesse

dafür definiert sein, einer Geschäftsstrategie folgen und auf

einem Zukunftsentwurf, einer Vision beruhen.

Gemäß dem 4-Ebenen-Modell zur zukunftsorientierten

Unternehmensgestaltung benötigen wirkungsvolle IT-

Systeme wohlstrukturierte Geschäftsprozesse. Diese

wiederum folgen einer Geschäftsstrategie und einem

damit verbundenen Geschäftsmodell, die darauf ab -

zielen, Erfolgspotentiale der Zukunft zu erschließen. Um

dem verbindenden und vernetzenden Charakter von

Industrie 4.0 gerecht zu werden, bedarf es eines adäqua-

ten Handlungsrahmens für IT-Systeme im Unternehmen,

also einer IT-Architektur vom Shop Floor bis zum Office

Floor sowie entlang der Wertschöpfung und des Lebens-

zyklus.

2000 heute

1996Erster Taschen -PC mit Windows-Betriebs- system

1999DSL für den Massenmarkt und Beginn von Cloud- Computing

2015Weltweit ca.15 Mrd. Geräte mit dem Internet verbunden

GLOBAL DIGITAL

2007Apple stellt das iPhone vor

ONLINE- UND WIRELESS-ZEITALTER

1998Suchmaschine »google.de« geht online

PERSONAL COMPUTER

1984Apple Macintosh mit grafischer Benutzer - oberfläche und Maus

VERNETZUNGSGRAD

BILD 2 Schlüsselfragen für den Erfolg von Industrie 4.0 im Rahmen des 4-Ebenen-Modells [GP14]

Beruht die Geschäftsstrategie auf einer Vision (Zukunftsentwurf)?

Folgen die Prozesse einer Geschäftsstrategie und einem innovativen Geschäftsmodell?

Sind die zu unterstützenden Geschäftsprozesse definiert?

SYSTEME

PROZESSE

STRATEGIEN

VORAUSSCHAU

INDUSTRIE 4.0

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8 | STATUS QUO INDUSTRIE 4.0

AUF DEM WEG ZUR INDUSTRIE 4.0

Seit dem Bekanntwerden des Begriffs Industrie 4.0 im Jahr

2011 steht dieser heute in nahezu jeder industriepoli-

tischen Agenda und Unternehmensstrategie und ist auch

international eines der Aushängeschilder des Produktions-

standorts Deutschland [WLK15]. Es stellt sich nach vier

Jahren nun die Frage, wie sich Unternehmen mit dem

Thema Industrie 4.0 tatsächlich befassen, welche Erfolge

bereits erzielt wurden und wo es Hürden bei der Umset-

zung von Industrie 4.0 zu überwinden gilt. Dazu wurden

Unternehmen im Zuge dieser Broschüre zu ihrem Status

quo bezüglich Industrie 4.0 befragt.

Die befragten Unternehmen gaben mehrheitlich an, das

Thema Industrie 4.0 sei »Chefsache«.

Einige Unternehmen haben zudem eine Stabsstelle einge-

richtet, die das Thema unternehmensweit koordiniert. Dies

gilt insbesondere für deutsche Unternehmen aus der Auto-

matisierungstechnik, die sich bereits frühzeitig als wich-

tiger Ausrüster für Industrie 4.0-Komponenten positionie-

ren wollen. Einige Unternehmen setzen sich nicht explizit

mit dem Thema auseinander. Derzeit werde noch kein

Handlungsdruck empfunden und zunächst abgewartet, wie

sich Industrie 4.0 in Zukunft entwickelt. In den befragten

ausländischen Unternehmen mit Standorten in Deutschland

wird Industrie 4.0 zwar thematisiert, jedoch nicht so benannt.

Dort wird die Bezeichnung »Internet der Dinge« oder inter-

national »Internet of Things« (IoT) verwendet. Das Inter-

net der Dinge ist die Vision, in der die reale Welt in das

Internet verlagert wird und Alltags gegenstände ein Teil

des Internets werden [MF10]. Jeder Gegenstand, jedes

Gerät und jede Maschine kann zu einem Internetknoten-

punkt werden und mit anderen kommunizieren. Während

das Internet der Dinge die zunehmende Vernetzung in

allen Lebensbereichen beschreibt, steht Indus trie 4.0 für die

Vernetzung in der industriellen Produktion und ist somit eine

Ausprägung des Konzepts »Internet der Dinge«.

Sowohl Leitanbieter (Unternehmen der Automatisierungs-

technik oder Softwarehäuser) als auch Anwenderunter-

nehmen stehen bei der Umsetzung von Industrie 4.0 in

ihren Produkten oder in ihrer Produktion vor vielfältigen

Herausforderungen. Die von den befragten Unterneh-

men meistgenannten Herausforderungen sind:

Neue Geschäftsmodelle

Standardisierung

Verlässlichkeit komplexer (IT-)Systeme

Beherrschung der steigenden Komplexität

Beherrschung der steigenden Interdisziplinarität

Zunehmende Vernetzung

Erhöhtes Datenaufkommen

Das Portfolio in Bild 3 verdeutlicht, welche Hebelwirkungen

die Herausforderungen auf den Erfolg der Unternehmen

haben und wie hoch der Aufwand ist, diesen Herausforde-

rungen zu begegnen. Herausforderungen mit einer hohen

Hebelwirkung bei gleichzeitig geringem Aufwand sind

sehr wichtig für die erfolgreiche Umsetzung von Industrie 4.0

und sollten rasch angegangen werden. Eine niedri gere Prio-

rität hingegen haben Herausforderungen mit einer gerin-

gen Hebelwirkung auf den Erfolg bei gleichzeitig hohem

Aufwand.

Die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle ist eine der

meistgenannten Herausforderungen bei der Umsetzung

»Industrie 4.0 muss in der Geschäftsführung verankert sein, um im Unternehmen die nötige Wirkung entfalten zu können.« JOHANNES KALHOFF | Technology Management, PHOENIX CONTACT

STATUS QUO INDUSTRIE 4.0RELEVANZ UND ENTWICKLUNGEN VERNETZTER PRODUKTION

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STATUS QUO INDUSTRIE 4.0 | 9

ERFOLGSFAKTOR REFERENZARCHITEKTUR

von Industrie 4.0. Viele Unternehmen stellen sich die

Fragen, wie ihr Unternehmen attraktiver werden kann und

wie sich ihr bestehendes Geschäftsmodell dafür verän dern

muss. Die Beantwortung dieser Fragen wird mit einer

hohen Hebelwirkung für den Erfolg ihres Unternehmens

verbunden. Eine vergleichbar hohe Auswirkung auf den

Erfolg haben einheitliche Standards, die die Mechanismen

der Zusammenarbeit festlegen und in einer Referenz-

architektur definiert werden müssen. Der Aufwand zur

Defini tion von Standards wird von den Unternehmen rela-

tiv hoch bewertet, da hierfür die Interessen verschie-

denster Akteure berücksichtigt werden müssen. Als wei-

tere Herausforderung für die Umsetzung von Industrie 4.0

geben die befragten Unternehmen die Verlässlichkeit

komplexer (IT-)Systeme an. Der Begriff Verlässlichkeit

umfasst hier die Zuverlässigkeit, Sicherheit, Verfügbarkeit

und Vertraulichkeit der Systeme. Insbesondere in einer

ausreichenden IT-Sicherheit sehen die produzierenden

Unternehmen eine große Herausforderung. Nach Meinung

der befragten Softwarehäuser sei eine Vielzahl von

Be denken vor mangelnder IT-Sicherheit jedoch unbe-

gründet, da vorhandene Sicher heitstechnologien bereits

ein aus reichendes Maß an Schutz und Sicherheit bieten.

In vielen Unternehmen herrsche jedoch Unkenntnis über

Sicherheitstechnologien und es fehle der verantwortungs-

volle Umgang mit dem Thema IT-Sicherheit. Eine weitere

Heraus forderung bei der Umsetzung von Industrie 4.0 ist

die zunehmende Steigerung der Komplexität und Interdis-

ziplinarität. Gründe dafür sind z. B. die steigende Vernet-

zung und ein erhöhtes Datenaufkommen. Trotz der genann-

ten Herausforderungen sind sich die Unternehmen einig:

Technologien werden der Umsetzung von Industrie 4.0

nicht im Wege stehen.

Da Technologien anscheinend kein Hindernis sind, muss

es andere Barrieren bei der Umsetzung von Industrie 4.0

geben. Folgende Barrieren wurden von den Unternehmen

genannt (Bild 3):

Fehlender Nutzennachweis von Industrie 4.0

Angst vor Know-how-Abfluss

Angst vor Verlust von Marktmacht

Mangelndes Vertrauen

Als wesentliche Barriere wurde von den befragten Unter-

nehmen der fehlende unternehmensspezifische Nutzen-

»Die Konkurrenz aus Asien nimmt zu. Ein zukünftiges Differenzierungsmerkmal für deutsche Maschinen- und Anlagenbauer kann Industrie 4.0 sein.«DR. REINHARD SCHIFFERS | Leiter Maschinentechnologie, KraussMaffei Technologies

BILD 3 Herausforderungen und Barrieren bei der Umsetzung von Industrie 4.0

A B

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DE

F

H

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K

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uf E

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Aufwandgering

gering

hoch

hoch 6

5

4

3

2

11 2 3 4 5 6

HerausforderungenNeue Geschäftsmodelle

Standardisierung und Referenzarchitektur

Verlässlichkeit* komplexer (IT-)Systeme

Beherrschung der steigenden Komplexität

Beherrschung der steigenden Interdisziplinarität

Zunehmende Vernetzung

Erhöhtes Datenaufkommen

BarrierenFehlender Nutzennachweis von Industrie 4.0

Angst vor Know-how-Abfluss

Angst vor Verlust von Marktmacht

Mangelndes Vertrauen

Anzahl der Nennungen

* Verlässlichkeit: Zuverlässigkeit, Sicherheit, Verfügbarkeit, Vertraulichkeit

A

B

C

D

E

F

G

H

I

J

K

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Hohe Priorität; zur Umsetzung von I 4.0 sehr wichtig

Mittlere Priorität; zur Umsetzung von I 4.0 wichtig

Niedrige Priorität; zur Umsetzung von I 4.0 weniger wichtig

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10 | STATUS QUO INDUSTRIE 4.0

AUF DEM WEG ZUR INDUSTRIE 4.0

nachweis benannt. Die endlos erscheinende Anzahl

neuer Technologien und die daraus resultierenden Mög-

lich keiten lassen Industrie 4.0 sehr diffus erscheinen.

Hinzu kommen Bedenken z. B. durch Angst vor Know-how-

Abfluss oder dem Verlust von Marktmacht. Vielen Unter-

nehmen fehlt zudem das Vertrauen, sich über Unter neh-

mensgrenzen hinweg zu öffnen und sich im Sinne der

horizontalen Integration mit Zulieferern, Partnern und

Kunden partnerschaftlich zu vernetzen.

Es bedarf einer Aufklärung von Unternehmen über die spe-

zifischen Chancen, aber auch Bedrohungen von Indus-

trie 4.0. Denn erst wenn Unternehmen einen Nutzen für

sich erkennen, ausreichend Vertrauen in neue Techno logien

gewinnen und die sich eröffnenden Chancen begreifen,

wird die Umsetzung von Industrie 4.0 im eigenen Unter-

nehmen gelingen.

Industrie 4.0 bringt weitreichende Verän-derungen für Unter-nehmen mit sich.

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BASIS REFERENZARCHITEKTUR | 11

ERFOLGSFAKTOR REFERENZARCHITEKTUR

Für die Umsetzung von Industrie 4.0 in unterschiedlichen

Unternehmen und Branchen mit heterogenen IT-Systemen,

technischen Ressourcen und Kompetenzen bedarf es

einer anwendungsorientierten Referenzarchitektur. Eine

Refe renzarchitektur ist ein allgemeingültiges Muster für

die Produkte und Dienstleistungen aller am Wertschöp-

fungsnetzwerk beteiligten Unternehmen. Sie bildet den

Rahmen für die Strukturierung, Entwicklung und Integra tion

sowie den Betrieb der relevanten technischen Systeme

[KWH13].

ERFOLGREICHE REFERENZARCHITEKTUREN – BEISPIELE AUS DER VERGANGENHEIT

In verschiedenen Branchen wurden bereits erfolgreich

Referenzarchitekturen etabliert. Die Von-Neumann-Archi-

tektur ist ein bekanntes Referenzmodell für Computer.

Der Kerngedanke der Architektur ist die Ablage von Pro-

grammen und Daten in einem gemeinsamen Computer-

speicher. Die Von-Neumann-Architektur ist eine herstel-

lerseitige Einigung auf eine branchenweit anerkannte

Referenzarchitektur, welche die Kompatibilität der einge-

setzten Komponenten erhöht [VW12]. Eine weitere be-

währte Referenzarchitektur ist das ISO/OSI-Modell, das

die Struktur und Funktionalität von Rechnern und Auto-

matisierungskomponenten definiert. Die Referenzarchitek-

tur AUTOSAR (»AUTomotive Open System ARchitecture«)

entstammt der Automobilindustrie. Entstanden in einer

Entwicklungspartnerschaft aus Automobil -, Steuer geräte-

und Softwareherstellern, ermöglicht AUTOSAR, Funk tionen

und Applikationen flexibel zwischen unterschiedlichen

Steuergeräten zu verschieben. Die Innovation des Konzepts

besteht in einer generischen Planung vom Quellcode der

Software ohne direkten Bezug auf Hardware-Zielplatt-

formen. AUTOSAR definiert Metho den zur Beschreibung

von Software im Fahrzeug. Diese stellen sicher, dass

Software komponenten wiederver wendet, ausgetauscht,

skaliert und integriert werden können. Durch die Modu-

larität der Komponenten werden Monopolstellungen

verhindert. Zudem wird ein schnellerer technolo gischer

Fortschritt, aufgrund einer durch Industriestandards ge-

triebenen steigenden Konkurrenz, unterstützt [Aut14].

ISOBUS ist ein Standard aus der Landwirtschaft, der die

Datenübertragung zwischen Traktoren, Anbau geräten und

dem Betriebsmanagement vereinheitlicht. Eine unein-

geschränkte Kompatibilität ermöglicht eine System- und

Herstellerunabhängigkeit, die zur Optimierung von Pro-

zessen und zur Steigerung der Rentabilität dient. Zudem

wird die Investitionssicherheit für Land wirte und land-

wirtschaft liche Dienstleister erhöht. Über einen standar-

disierten Stecker wird die Verbindung hergestellt, um die

Leistung und Funktionen verschie dener Anbau geräte über

ein einziges Terminal in vollem Umfang ansprechen und

nutzen zu können. ISOBUS reagiert auf neue Anforde-

rungen der Technik und des Marktes und ist somit flexibel

sowie zukunfts fähig [VDM05]. Trotz ver schiedener Ein satz-

bereiche basieren die genannten Refe renzarchi tekturen

auf denselben Gestaltungsprinzipien. Sie definieren allge-

meingültige, indivi duell ausprägbare Komponenten, deren

Hierarchisierung und Kommunika tion auf Basis einheit-

licher Kommunika tions standards beschrieben ist.

Im Bereich der industriellen Fertigung ist die sog. Auto -

matisierungspyramide ein weitverbreitetes Archi tek-

turmodell, das die komplexe Informationsverarbeitung

in einem auto matisierten Produktionsunternehmen in

Ebenen hierarchisch struk turiert. Ferner werden den Ebe-

nen eines Unternehmens die unterschiedlichen Systeme

BASIS REFERENZARCHITEKTURIKT-SYSTEME ERFOLGREICH GESTALTEN

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12 | BASIS REFERENZARCHITEKTUR

AUF DEM WEG ZUR INDUSTRIE 4.0

wie ERP1, MES2, SCADA3 oder SPS4 zuge ordnet (Bild 4)

[DIN62264-1]. Bis heute ist die Automa tisierungspyramide

für viele Unternehmen ein geeigneter Ordnungsrahmen zur

Gestaltung ihrer IT-Landschaft. Ob die klassische Automa-

tisierungspyramide auch zukünftig als Referenzarchitektur

für Industrie 4.0 dienen kann, ist allerdings fraglich.

ÜBERGEORDNETE ASPEKTE VON INDUSTRIE 4.0

CPS und das Internet der Dinge ermöglichen eine Vernet-

zung von intelligenten Maschinen und Produkten unter-

einander und mit übergreifenden Produktionsplanungs-,

Energiemanagement- oder Lagersystemen – auch über

Unternehmensgrenzen hinweg. Produktionsmittel können

sich somit zu leistungsfähigen Wertschöpfungs netzwerken

konfigurieren. So wird es in Zukunft möglich sein, dass

der Sensor einer Maschine bei drohendem Defekt einer

BILD 4 Ebenen der Automatisierungspyramide

UN

TERN

EHM

ENSE

BEN

E

IT-S

YSTE

ME

Unternehmensleitebene ERP

Betriebsleitebene MES

Prozessleitebene SCADA

Steuerungsleitebene SPS

FeldebeneEin- und

Ausgangs-signale

Vorverarbeitung Vormontage Montage Inspektion Verpackung

1 ERP-Systeme (Enterprise

Ressource Planning) sind

Softwarelösungen, die die

betriebswirtschaftlichen

Prozesse, z. B. in Produk-

tion, Vertrieb, Logistik,

Finanzen und Personal,

steuern und auswerten.

2 MES (Manufacturing

Execution Systems) sind

prozessnahe Fertigungs-

managementsysteme, die

zeitnah die Organisation

und Durchführung aller

direkt und indirekt wert-

schöpfenden Geschäfts-

prozesse in der Fertigung

regeln.

3 SCADA-Systeme (Super-

visory Control and Data

Acquisition) sind Netzleit-

systeme für die Über-

wachung, Steuerung und

Optimierung von Industrie-

anlagen.

4 SPS (Speicherprogram-

mierbare Steuerungen) ver-

arbeiten Eingangssignale

von Sensoren und steuern

damit Aktoren.

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BASIS REFERENZARCHITEKTUR | 13

ERFOLGSFAKTOR REFERENZARCHITEKTUR

Komponente direkt mit dem ERP-System kommuniziert,

um z. B. Ersatzteile zu bestellen. Zur Realisierung der

Vision Industrie 4.0 sind drei übergeordnete Aspekte zu

beherrschen:

Vertikale Integration

Horizontale Integration

Umfassendes Systems Engineering

Vertikale Integration: Die vertikale Integration meint

die Verknüpfung der verschiedenen IT-Systeme auf den

unterschiedlichen Hierarchieebenen eines Unternehmens

– von der Feldebene über die Steuerungs- und Prozess leit-

ebene bis hin zur Betriebs- und Unternehmensleitebene –

zu einer durchgängigen Lösung (Bild 5) [KWH13]. Somit

können physische und technische Prozesse inklu sive ihrer

Ressourcen mit Geschäftsprozessen über verschiedene

Unternehmensebenen hinweg synchronisiert werden

[Sim13]. Es ist die Frage zu klären, wie Produktions systeme

auf Basis von CPPS rekonfigurierbar und flexibel gestaltet

werden können. Die vertikale Integration ist der Schlüssel

zur Smart Factory, in der Produktionsstrukturen nicht fest

vorgegeben sind. Vielmehr entstehen auf Basis von Mo-

dellen, Daten, Kommunikation und Algorithmen Ad-hoc-

Strukturen. Zur Realisierung der vertikalen Integration sind

Konzepte zur Modularisierung und Wiederverwendung so-

wie intelligente Anlagen-Fähigkeitsbeschreibungen zu ent-

wickeln. Diese sind Voraussetzung für die Vernetzung und

Rekonfiguration von Produktionsumgebungen [KWH13].

Horizontale Integration: Die horizontale Integration

beschreibt die Ad-hoc-Vernetzung von intelligenten Ma-

schinen, Betriebsmitteln, Produkten/Werkstücken sowie

Lager systemen zu einem leistungsfähigen Wertschöpfungs-

netzwerk (Bild 6). IT-Systeme für die unterschied lichen

Prozessschritte der Beschaffung, Produktion und Distri-

bution werden dazu zu einer durchgängigen Lösung inte-

griert, auch über mehrere Unternehmen hinweg. Dadurch

kann der gesamte Prozess von der Bestellung bis zur Lie-

ferung zwischen den beteiligten Partnern in vielfältigen

Dimen sionen wie Qualität, Preis, Zeit, Risiko etc. dyna-

misch verhandelt werden. Die Fähigkeit der Ad-hoc-Ver-

netzung erfordert von jedem Wertschöpfungspartner

Flexibilität und Schnelligkeit. Zudem bedarf es standardi-

sierter offener Schnittstellen und Prozesse, die Vertrauen

und Sicherheit für alle am Wertschöpfungsnetzwerk betei-

ligten Akteure bieten [KWH12]. Die horizontale Inte gration

bietet Chancen für innovative Geschäftsmodelle, birgt je-

doch auch Risiken für bestehende. Die Arbeit in Wert-

schöpfungsnetzwerken birgt die Gefahr unausgewogener

BILD 5 Vertikale Integration

Felde

bene Vorverarbeitung Vormontage Montage Inspektion Verpackung

Vertikale Integration

Steu

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tebe

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bene

Betri

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leite

bene

Verknüpfung der IT-Systeme auf den Hierarchieebenen eines Unternehmens

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14 | BASIS REFERENZARCHITEKTUR

AUF DEM WEG ZUR INDUSTRIE 4.0

Macht verhältnisse, d. h. die Dominanz von Partnern, die

die inno vativen Geschäftsmodelle beherrschen und die

schwache Stellung derjenigen, die die Rolle austausch-

barer Aus führer einnehmen.

Umfassendes Systems Engineering: Systems Enginee-

r ing (SE) ist ein durchgängiger domänenübergreifender

Ansatz zur Entwicklung multidisziplinärer technischer

Systeme. SE stellt das System in den Mittelpunkt und

umfasst die Gesamtheit aller Entwicklungsaktivitäten. Im

Vordergrund stehen die Interdiszip linarität und die ziel-

gerichtete ganzheitliche Problem betrachtung. SE hat das

Potential, der steigenden Produkt- und Prozess komplexität,

der verstärkten Interdisziplinarität und zunehmend ver-

teilten Wertschöpfung, bedingt durch den Wandel von rein

mechanischen Systemen hin zu hoch vernetzten Systemen

im Sinne von Industrie 4.0, gerecht zu werden. Vor diesem

Hintergrund ist der Ansatz des Model-Based Systems

Engineering (MBSE) besonders Erfolg versprechend.

MBSE stellt ein sog. Systemmodell in den Mittelpunkt der

Entwicklung. Es dient als Verstän digungsmittel zwischen

den Entwicklern der verschiedenen Fachbereiche, indem

es alle wesentlichen Informationen über das System ent-

hält und disziplinunabhängig beschreibt. Somit sichert das

Systemmodell ein gemeinsames Systemverständnis und

ist Ausgangspunkt für die ganzheitliche Ausarbeitung.

MBSE ist ein wichtiger Enabler für eine digitale, lücken-

lose Abbildung des gesamten Engineerings (Bild 7). Eine

lebens zyklusüberspannende Verfügbarkeit von Produkt-

und Produktions daten ermöglicht z. B. neue Erkenntnisse

über den Betriebsablauf oder den Verschleiß eines Pro-

dukts. Dadurch können Ausfälle vorhergesagt und War-

tungs- und Instandhaltungsarbeiten rechtzeitig initiiert

werden. Seit Jahrzehnten in der Luft- und Raum fahrt -

industrie ange wendet, müssen SE und MBSE nun auch in

den Branchen Maschinen- und Anlagenbau, Elektrotech-

nik/Elektronik, Automobilindustrie und Medizintechnik

flächendeckend eingesetzt werden. Dies erfordert eine

kon sequente Weiterentwicklung von Systems-Enginee-

ring-Ansätzen sowie geeigneten IT-Systemen und -Werk-

zeugen.

Die befragten Unternehmen stimmen mit der vertikalen

und horizontalen Integration und dem umfassenden Sys-

tems Engineering als übergeordnete Aspekte von Indus-

trie 4.0 überein. Die Relevanz dieser drei Aspekte wird

jedoch sehr unterschiedlich bewertet. Bei den befragten

Unternehmen – vor allem bei produzierenden Unterneh-

men – steht derzeit die vertikale Integration im Fokus. Die

Steigerung des Automa tisierungsgrades und eine zu-

BILD 6 Horizontale Integration

Felde

bene Vorverarbeitung Vormontage Montage Inspektion Verpackung

Vertikale Integration

Steu

erun

gslei

tebe

nePr

ozes

sleite

bene

Betri

ebsle

itebe

neUn

tern

ehme

ns-

leite

bene

Horizontale Integration

ProduktionBeschaffung Distribution

Zulieferer

Unternehmen mit Echtzeit-Kennzahlen steuern

Kundenindividuelle Konfiguration der Produkte

Zulieferer Kunde

Lager

KundeZulieferer

Ad-hoc-Vernetzung von intelligenten Maschinen, Betriebsmitteln, Produk-ten/ Werkstücken sowie Lagersystemen zu einem leistungsfähigen Wert-schöpfungsnetzwerk

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BASIS REFERENZARCHITEKTUR | 15

ERFOLGSFAKTOR REFERENZARCHITEKTUR

nehmende Vernetzung in der Produktion werden oft als

wesentliche Ziele von Industrie 4.0 angegeben. Die hori-

zontale Integration, oder gar ein umfassendes Systems

Engineering, werden derzeit gar nicht oder nur am Rande

betrachtet.

ANFORDERUNGEN AN EINE REFERENZ-ARCHITEKTUR FÜR INDUSTRIE 4.0

Die drei übergeordneten Aspekte sind grundlegende Vor-

aussetzung zur Realisierung von Industrie 4.0. Dement-

sprechend müssen die Informationsarchitekturen der

Unternehmen diesen gerecht werden. Wie eine Referenz-

architektur für Industrie 4.0 konkret aussieht, ist derzeit

noch unklar. Aus der Analyse erfolgreicher Referenzarchi-

tekturen und der Befragung der Unternehmen ließen sich

folgende Anforderungen an eine zukunftsfähige Referenz-

architektur für Industrie 4.0 ableiten:

Digitale Durchgängigkeit: Eine Referenzarchitektur für

Industrie 4.0 muss eine digitale Durchgängigkeit innerhalb

eines Unternehmens (Vertikale Integration), unternehmens-

übergreifend entlang des gesamten Wertschöpfungsnetz-

werks (Horizontale Integration) und über den gesamten

Lebenszyklus eines Produktes (Umfassendes Systems

Engineering) ermöglichen. Jede relevante Aktivität im

Wertschöpfungsnetzwerk muss auf digitaler Ebene trans-

parent, nachvollziehbar und steuerbar sein. Ein vollständi-

ges, ausreichend hoch aufgelöstes und stets aktuelles

Datenabbild enthält die für Optimierungen nötigen Infor-

mationen und erlaubt, die Wirksamkeit von Maßnahmen

kurzfristig zu messen und ggf. anzupassen [Neu14]. Eine

digitale Durchgängigkeit erfordert Standards zur einheit-

lichen und herstellerunabhängigen Kommunikation zwi-

schen IT-Systemen.

IT-Sicherheit: IT-Sicherheit ist der Zustand, in dem Ver-

traulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit von Informa tionen

und Informationstechnik durch angemessene Maßnahmen

geschützt sind. Das Schutzziel Vertraulichkeit meint den

Schutz vor unbefugter Preisgabe von Informationen. Inte-

grität bezeichnet die Sicherstellung der Korrektheit von

Daten und der korrekten Funktionsweise von Systemen.

Verfügbarkeit ist gegeben, wenn die Funktionen eines

»Die Potentiale von Industrie 4.0 liegen langfristig in der horizontalen und nicht ausschließlich in der vertikalen Integration.«CHRISTOPH JOHANN | Industrial Segment Manager EMEA Embedded Sales Group, Intel Deutschland

Felde

bene Vorverarbeitung Vormontage Montage Inspektion Verpackung

Vertikale Integration

Steu

erun

gslei

tebe

nePr

ozes

sleite

bene

Distribution

Kunde

Lager

Kunde

Horizontale Integration

BILD 7 Umfassendes Systems Engineering

Beschaffung

Zulieferer

Zulieferer

ZuliefererBe

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sleite

bene

Unte

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leite

bene

Produktion

Systems Engineering ist ein durchgängiger, fach-disziplinübergreifender Ansatz zur Entwicklung multidisziplinärer technischer Systeme.

Umfassendes Systems Engineering

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16 | BASIS REFERENZARCHITEKTUR

AUF DEM WEG ZUR INDUSTRIE 4.0

IT-Systems, IT-Anwendungen und -Netze stets wie vor-

gesehen genutzt werden können [BSI15]. Die Referenz-

architektur für Industrie 4.0 muss den Schutzzielen Ver-

traulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit in geeigneter

Weise nachkommen.

Allgemeingültigkeit: Eine Referenzarchitektur für Indus-

trie 4.0 ist so zu gestalten, dass sie unabhängig von der

Branche und der Unternehmensgröße eingesetzt werden

kann. Sowohl Unternehmen der diskreten Fertigung (z. B.

Automobilindustrie) als auch der kontinuierlichen Fertigung

(z. B. Chemieindustrie) müssen Referenzarchitekturen für

Industrie 4.0 gleichermaßen nutzen können. Gleiches gilt für

Unternehmen unterschiedlicher Größen. Eine Referenz archi-

tektur für Industrie 4.0 muss branchenunabhängig skalier-

bar und für jedes Unternehmen individuell ausprägbar sein.

Flexibilität: Unternehmen sind gezwungen, ihre System-

landschaft regelmäßig an veränderte Rahmenbe din gungen

und Anforderungen anzupassen. Eine flexible Refe renz-

architektur mit wandlungsfähigen modularen Systembau-

steinen ermöglicht es Unternehmen, Änderungen ohne

erkennbare Leistungseinbußen (z. B. Austausch einzelner

IT-Systeme) vorzunehmen [GP14]. Standardisierte Bau-

steine mit definierten Schnittstellen schaffen die Voraus-

setzung für ein flexibles Gesamt-IKT-System.

Smart Service Fähigkeit: Intelligente internetbasierte

Dienste als individuell konfigurierte, digital veredelte

Leistungsbündel aus Produkten, Dienstleistungen und

Diensten (sog. Smart Services) werden für Unternehmen

zu nehmend wichtiger. Smart Services erfordern digitale

Infrastrukturen und darauf aufbauende Dienste, die in

verschiedenen Kombinationen zu neuen Wertschöpfungs-

ketten und -netzwerken rekonfiguriert werden können. Die

Realisierung von Smart Services muss durch eine Referenz-

architektur für Industrie 4.0 berücksichtigt werden.

Transformationsfähigkeit: Die Nutzung bestehender

Infrastrukturen ist entscheidend für eine rasche Umset-

zung von Industrie 4.0. Nur in wenigen Fällen wird die IT

eines Unternehmens vollständig neu geplant. In der Regel

existiert bereits eine Vielzahl an IT-Systemen, deren voll-

ständiger Austausch in der Regel sehr zeit- und kosten-

intensiv ist. Eine Referenzarchitektur für Industrie 4.0 muss

den Unternehmen eine schrittweise Weiterentwicklung

hin zu Industrie 4.0 auf Basis bestehender Infrastrukturen

ermöglichen.

Eine Referenzarchitek-tur für Industrie 4.0 muss verschiedenen Branchen und Unter-nehmensgrößen ge-recht werden.

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REFERENZARCHITEKTUREN FÜR INDUSTRIE 4.0 | 17

ERFOLGSFAKTOR REFERENZARCHITEKTUR

In der Diskussion über Industrie 4.0 treffen unterschied-

liche Interessen zusammen [BVZ15]. Wertschöpfungs-

netzwerke bestehen in der Regel aus mehreren Firmen

mit spezifischen Geschäftsmodellen. Zudem arbeiten Un-

ternehmen aus verschiedenen Branchen zusammen, z. B.

Unter nehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau,

der Automatisierungstechnik und der Softwarebranche

[KWH13]. Bis heute wurden mehrere Vorschläge für Re-

ferenzarchitekturen bekannt, die jedoch die vorgestellten

Anforderungen nicht vollumfänglich erfüllen. Eine Auswahl

von Vorschlägen verschiedener Verbände und Unterneh-

men wird im Folgenden analysiert.

1 | CPS MIT VERTEILTEN DIENSTEN (VDI, 2013)

Im Rahmen des Konzepts CPS bzw. CPPS werden Daten,

Dienste und Funktionen dort gehalten, abgerufen und aus-

geführt, wo es den größten Vorteil bringt. Dies muss nicht

zwangsläufig auf den klassischen Ebenen der Automa-

tisierungspyramide sein. Ein Beispiel dafür könnte eine Art

»Automatisierungscloud« sein, in der Daten über Dienste

gewonnen werden, anstatt wie bisher über Sensoren auf

der Feldebene. Die Einführung von vernetzten dezentralen

Systemen ersetzt in diesem Fall die relativ starre Automa-

tisierungspyramide. Dadurch werden Daten, Dienste und

Hardware komponenten auf beliebige Knoten des entste-

henden Netzes verteilt und bilden dort abstrakte Module

(Bild 8) [VDI13].

Ein Netz, in dem Daten, Informationen und Dienste in belie-

biger An- und Einordnung kommunizieren können, ermög-

licht einen disziplinübergreifenden, durchgängigen Infor-

mationsaustausch über Produkt-/Prozess- und Produktions-

status für alle erforderlichen Teilnehmer in der Wertschöp-

fungskette sowie den Zugriff auf Innovationen im Netz,

z. B. auf neueste Algorithmen und Dienste. Damit können

Prozessschritte mit effizienteren und schnelleren Steuerungs-

szenarien realisiert werden, die zudem deutlich weniger

komplex sind. Dies ermöglicht ebenfalls die dynamische

Einbindung von Diensten und Dienstleistern. Die adaptive,

wandlungsfähige Konfiguration bzw. partielle Selbstorga-

nisation der Produktionsprozesse sowie der Automatisie-

rungssysteme in Echtzeit (Plug & Produce) sind notwendig,

um schnellere Anpassungen an neue Marktbedingungen

und Produktvarianten zu ermöglichen. Hierzu gehört auch

der flexible Austausch einzelner Komponenten und Anla-

gen bestandteile. Die unüberschaubare Informationsvielfalt

erfordert eine Neugestaltung bzw. Anpassung von Mensch-

Maschine-Schnittstellen für eine bedarfsgerechte kontext-

sensitive Informationsaufbereitung. Durch die neue Struk-

tur können zukünftig echtzeitrelevante Anforderungen

direkt im Cyber-Physical System erfüllt werden [VDI13].

Die Meinungen der befragten Unternehmen zum Architek-

turmodell des VDI gehen weit auseinander. Für die eine

REFERENZARCHITEKTUREN FÜR INDUSTRIE 4.0STANDARDS FÜR KLAREN INFORMATIONSFLUSS

1 | CPS mit verteilten Diensten

2 | Manufacturing Execution System als zentrale Plattform

3 | Zentrale Verbindung zwischen Office und Shop Floor

4 | Offenes Grundkonzept der IoT-Plattform

5 | Referenzarchitekturmodell Industrie 4.0 (RAMI 4.0)

6 | Industrial Internet Reference Architecture (IIRA)

VORSCHLÄGE FÜR REFERENZARCHITEKTUREN

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18 | REFERENZARCHITEKTUREN FÜR INDUSTRIE 4.0

AUF DEM WEG ZUR INDUSTRIE 4.0

Seite gibt das Modell der CPS mit verteilten Diensten den

verbindenden und vernetzenden Charakter von Industrie 4.0

sehr gut wieder. Insbesondere der Smart Service Gedanke,

also die innovative Verknüpfung von digital veredelten Pro-

dukten, Prozessen und Dienstleistungen, sei in diesem

Modell sehr gut abgebildet. Für die andere Seite sei hin-

gegen eine vollständige Ablösung der Automatisierungs-

pyramide schwer vorstellbar und dieses Modell als Refe-

renzarchitektur wenig geeignet. Alle Unternehmen stim men

überein, dass das Modell des VDI bislang sehr generisch

ist und es einer weiteren Detaillierung, z. B. hinsichtlich

einheitlicher Kommunikationsstandards, bedarf.

2 | MANUFACTURING EXECUTION SYSTEM ALS ZENTRALE PLATTFORM (ZVEI, 2013)

Der ZVEI hat einen weiteren Aspekt in die Betrachtung

der Automatisierungspyramide eingebracht. In Unterneh-

men finden wir aktuell zwei Welten vor: den oberen Teil

der Automatisierungspyramide, das Enterprise Network

(Office Floor), und den unteren Teil, das Real-Time Network

(Shop Floor) (Bild 9). Das Enterprise Network vernetzt die

Systeme und Applikationen der Produktentstehung

(CAD-Systeme, Digitale Fabrik etc.), der Auftrags ab-

wicklung (ERP-, PPS-Systeme etc.) sowie die Anwendun-

gen der Logistik und des Finanzbereichs. Im Wesent lichen

findet in dieser administrativen Ebene die Machine-to-

Business-Kommunikation statt. Auf dem Shop Floor domi-

niert die Machine-to-Machine-Kommunikation, das heißt

der Informationsaustausch zwischen Maschinen, Steue-

rungssystemen, Sensorik und Aktorik. Grundlegender

Unterschied zwischen den beiden Ebenen sind die notwen-

digen Echtzeit-Anforderungen des Real-Time Networks,

welche derzeit für das Enterprise Network nicht erfor-

derlich oder technisch nicht realisiert sind. Echtzeit auf

dem Shop Floor bedeutet, Ergebnisse zuverlässig inner-

halb eines vorgegebenen Zeitfensters zu liefern [Kle12],

[Weg14]. Zur Vernetzung der beiden Ebenen mit der

System welt wird hier das MES als zentraler Baustein

aufgeführt. Die Funktionalitäten von MES decken den

prognostischen Aspekt (Produktionsprozessplanung), den

aktuellen Aspekt (Produktionsprozessregelung und -steu-

erung) sowie den historischen Aspekt (Produktionspro-

zessaus- und -bewertung) der Prozessdurchführung ab.

Planungsgegenstände von MES sind in der Regel ein oder

mehrere Aufträge mit einem Zeithorizont von einer Schicht

bis hin zu mehreren Schichten. Der Fortschritt der Auf träge

kann durch MES sekundengenau verfolgt werden. Folglich

ermöglichen MES-Echtzeitsysteme schnelle Reaktions-

zeiten [VDI5600].

In diesem Modell des ZVEI bildet das MES die zentrale

Kommunikations- und Verwaltungsplattform aller am

System beteiligten Komponenten. Andere Systeme, wie

das ERP- oder das PLM-System sowie Automatisierungs-

komponenten auf der Feldebene, werden über das MES

miteinander verknüpft.

Die befragten Unternehmen sehen in diesem Modell nur

bedingt eine geeignete Basis einer Referenzarchitektur für

Industrie 4.0. Das Modell würde primär die Sicht innerhalb

eines Unternehmens widerspiegeln und somit das Merk-

mal der horizontalen Integration vernachlässigen. Auch um-

fassendes Systems Engineering würde nicht ausreichend

BILD 8 Referenzarchitektur »CPS mit verteilten Diensten« des VDI [VDI13]

Unternehmensleitebene

Betriebsleitebene

Prozessleitebene

Steuerungsleitebene

Feldebene

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REFERENZARCHITEKTUREN FÜR INDUSTRIE 4.0 | 19

ERFOLGSFAKTOR REFERENZARCHITEKTUR

berücksichtigt. Uneins sind die Unternehmen hinsichtlich

der zukünftigen Rolle von MES. Einige Unternehmen sind

der Meinung, dass MES in Zukunft verschwindet, da sich

die Unternehmensleit- und die Automatisierungsebene

an nähern und ERP-Systeme die Funktionalitäten von MES

integrieren. Andere Unternehmen wiederum vertreten die

Meinung, dass ERP-Systeme zukünftig am Tropf von MES

hängen. Somit würde die Bedeutung von MES in Zukunft

stark zunehmen.

3 | ZENTRALE VERBINDUNG ZWISCHEN OFFICE UND SHOP FLOOR (ZVEI, 2014)

Die 2014 veröffentlichte Referenzarchitektur des ZVEI weist

nach wie vor die beiden Unternehmenswelten Enterprise

Network (Office Floor) und Real-Time Network (Shop Floor)

auf (Bild 10). Heute sind die Ebenen bereits gut vernetzt,

fehlende Standards führen jedoch zu einem erheblichen

Umsetzungsaufwand. Der ZVEI stellt daher eine zentrale

BILD 9 Referenzarchitektur »MES als zentrale Plattform« des ZVEI [Weg14]

Office FloorMachine-to-Business

ERP

MESPLM Logistics

Control

Shop FloorMachine-to-Machine

Enterprise Network

Real-Time Network

BILD 10 Referenzarchitektur »Zentrale Verbindung zwischen Office und Shop Floor« des ZVEI [ZVE14]

!

Enterprise Network (Office Floor)

Real-Time Network (Shop Floor)

Konnektivität zu beliebigen Endpunkten Gemeinsames semantisches Modell

Geschäftsprozesse

Produktionsprozesse

SOA als gemeinsamer Mechanismus für die Integration

Standards als Basis für den Anschluss an das Enterprise Network

Wiederverwendung als einheitlicher Entwicklungsansatz

Anwendungen

Steuerung

Services

Sensoren

Daten

Daten

Cloud

Maschinen

Partner

Ereignisse

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20 | REFERENZARCHITEKTUREN FÜR INDUSTRIE 4.0

AUF DEM WEG ZUR INDUSTRIE 4.0

Kommunikations- und Verwaltungsplattform in das Zen-

trum dieser Architektur. Diese Auf gaben muss jedoch

nicht zwangsläufig das MES übernehmen. Vielmehr wird

die Konnek tivität zu beliebigen Endpunkten eines Unter-

nehmens auf Basis eines gemeinsamen semantischen

Modells ermöglicht. Die Plattform stimmt die Interaktio-

nen aller beteiligten Komponenten ab. Die Schnittstelle

als gemein samer Mechanismus zur Integration des Office

und des Shop Floors wird durch eine serviceorientierte

Architektur (SOA) umgesetzt. Produktionsprozesse, Steu-

erungen, Sensoren, Daten, Maschinen und Ereignisse sind

an das Real-Time Network (Shop Floor) angebunden. Ge-

schäftsprozesse, Anwendungen, Services, Partner sowie

die Cloud sind hingegen mit dem Enterprise Network

(Office Floor) verknüpft. Weitere Standards für den An-

schluss an das Enterprise Network stärken einen durch-

gängigen einheitlichen Entwicklungsansatz sowie dessen

Wiederverwendbarkeit [ZVE14].

In der Untersuchung wird positiv bewertet, dass die Verbin-

dung zwischen Office und Shop Floor eine wichtige Rolle

spielt. Die Verbindung beider Welten sei eine große Her-

ausforderung, da die Anforderungen (z. B. im Hinblick auf

die Echtzeitfähigkeit) zwischen Office und Shop Floor sehr

stark abweichen. Die befragten Unternehmen sehen in

Zukunft eine Auflösung dieser strikten Systemgrenze

zwischen Office und Shop Floor. Dafür müssen sich beide

Welten aufeinander zu bewegen, sowohl technisch als

auch organisatorisch. Ähnlich wie bei der Referenzarchi-

tektur »MES als zentrale Plattform« sehen die Unterneh-

men Verbesserungsbedarf bei der Berücksichtigung der

horizontalen Integration und des umfassenden Systems

Engineering.

4 | OFFENES GRUNDKONZEPT DER IOT-PLATTFORM (SAP, 2015)

Als einer der weltweit führenden Softwarehersteller ver-

öffentlichte SAP im Jahr 2015 das offene Grundkonzept

der IoT-Plattform (Bild 11). Im Fokus stehen hierbei neue

Dienste und Services als Grundlage für innovative Ge-

schäftsmodelle und integrierte End-to-End-Prozesse. Das

Konzept baut auf der vom Unternehmen bereitgestellten

HANA®-Plattform auf und umfasst die drei Ebenen Ana-

lyse und Vorhersage, Basisanwendungen und App Store.

Maschinen und Transportsysteme bis hin zu ganzen Fabri-

ken werden direkt mit der Plattform in der Cloud vernetzt.

Partner, SAP, Kunden oder Drittanbieter können über die

Plattform weitere Dienste zur Verfügung stellen, z. B. Feh-

lermustererkennung, Remote Service oder Energiemanage-

ment. Die HANA®-Plattform basiert auf der In-Memory-

Technologie von SAP, einer offenen Plattform für Kunden

und Entwickler, um Apps in der Cloud zu entwickeln, zu

erweitern und zu betreiben. Nicht fokussiert werden die

BILD 11 Referenzarchitektur »Offenes Grundkonzept der IoT-Plattform« von SAP [SAP15]

Basisanwendungen (z. B. Digitales Objektgedächtnis, Connected Logistics, Vorausschauende Wartung etc.)

APP Store (angedacht)

z. B. Vorausschauende Wartung,Fehlermustererkennungfür Produkt & Qualität

z. B. RemoteService

z. B. Energie-management

Schn

ittst

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Business Systeme

Partner SAP Kunden Drittanbieter

Business Systeme

Business Systeme

Analyse und Vorhersage

HANA®-Plattform

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REFERENZARCHITEKTUREN FÜR INDUSTRIE 4.0 | 21

ERFOLGSFAKTOR REFERENZARCHITEKTUR

Business Systeme der jeweiligen Ebene. In dieser Architek-

tur wird von einer bereits homogenen Systemlandschaft

ausgegangen, die über Schnittstellen in die IoT-Plattform

integriert wird.

Die befragten Unternehmen sehen in einer offenen Cloud-

Plattform einen Erfolg versprechenden Weg für die System-

architektur im Rahmen von Industrie 4.0. Allerdings müs-

sen Dienste in der Cloud den Anforderungen der Praxis

gerecht werden. Dafür bedarf es u. a. einer flächendecken-

den und ausfallsicheren Breitbandinfrastruktur. Zudem

muss geklärt werden, wem die Daten gehören und wer

berechtigt ist, diese zu nutzen oder auch weiterzuver-

arbeiten. Diese Klärung ist von großer Bedeutung. Sie ent-

scheidet, wer die Hoheit über das neue Geschäftsmodell

hat – der System anbieter, der Anlagenbauer oder das neu

entstehende Service- Unternehmen.

5 | REFERENZARCHITEKTURMODELL INDUSTRIE 4.0 – RAMI 4.0 (ZVEI, PLATTFORM INDUSTRIE 4.0, 2015)

Im Rahmen der Plattform Industrie 4.0 hat der ZVEI ge-

meinsam mit den Partnern VDI/VDE-GMA, DKE, BITKOM

und VDMA das Referenzarchitekturmodell Industrie 4.0,

kurz RAMI 4.0, entwickelt. Das Architekturmodell basiert

auf dem Smart Grid Architecture Model, einem Modell zur

Visualisierung, Validierung und zum Aufbau von Smart-Grid-

Projekten, und wurde durch Industrie 4.0-Er fordernisse er-

weitert. RAMI 4.0 betrachtet die drei Dimensionen »Layers«,

»Life Cycle & Value Stream« und »Hierarchy Models« (Bild 12).

Die ver tikale Achse »Layers« beinhaltet sechs Schichten

zur Darstellung der unterschiedlichen Sichtweisen. Die

Darstellung in Schichten stammt aus der Informations-

und Kommunikationstechnologie, wo komplexe Produkte

üblicherweise in Schichten aufgegliedert werden. Inner-

halb der Schichten herrscht eine hohe Kohäsion, zwischen

den Schichten eine lose Kopplung. Mehrere Systeme

werden zu einem Gesamtsystem zusammengefasst, wo-

bei sowohl das Gesamtsystem als auch die Einzelsysteme

dem Referenzarchitekturmodell folgen [VDI15].

Die linke horizontale Achse »Life Cycle & Value Stream«

stellt den Lebenszyklus von Produkten und Anlagen dar

und basiert auf der Norm IEC 62890. Diese Achse dient

zur Visualisierung und Standardisierung von Zusammen-

hängen entlang des Lebens zyklus und den damit verbun-

denen Wertschöpfungsketten. Wichtig für die Betrachtung

des Lebens zyklus ist die Unterscheidung zwischen Typ und

Instanz. Ein Typ entsteht in der frühen Phase des Lebens-

zyklus. Gemeint sind damit z. B. die Beauftragung, die Ent-

wicklung oder der erste Prototyp. Eine Instanz ist das

fertige Produkt, das auf Basis des Typs gefertigt und an

den Kunden ausgeliefert wird [ZVE15].

BILD 12 Referenzarchitektur »RAMI 4.0« der Plattform Industrie 4.0 [ZVE15]

Life Cycle & Value StreamIEC 62890 Hierarchy Models

IEC 62264 | IEC 61512Layers

Business

Connected WorldEnterpriseWork UnitsStationControl Device

Field DeviceProduct

Development

Type

Instance

Production

Maintenance/Usage

Maintenance/Usage

Functional

Information

Communication

Integration

Asset

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22 | REFERENZARCHITEKTUREN FÜR INDUSTRIE 4.0

AUF DEM WEG ZUR INDUSTRIE 4.0

Die rechte horizontale Achse »Hierarchy Models« verortet

Funktionalitäten und Verantwortlichkeiten innerhalb von

Fabriken und Anlagen. Dafür orientiert sich das RAMI 4.0

an den Normen IEC 62264 und IEC 61512. Zur möglichst

ein heitlichen Betrachtung vieler Branchen wurden die Be-

griffe »Enterprise«, »Work Unit«, »Station« und »Control

Device« verwendet. Da zur umfassenden Abdeckung von

Industrie 4.0 auch die Betrachtung innerhalb einer Ma-

schine oder Anlage entscheidend ist, wurden die Ebene

»Field Device« sowie das »Product« selbst ergänzt. Zudem

bildet die Ebene »Connected World« Funktionalitäten des

Internets der Dinge und Dienste ab [VDI15].

RAMI 4.0 soll verschiedene Nutzerperspektiven vereinen

und ein gemeinsames Verständnis für Techno logien bilden.

Als eine Art 3-D-Landkarte für Industrie 4.0-Lösungen soll

RAMI 4.0 die nötige Orientierung geben, um Industrie 4.0

zu definieren und weiterzuentwickeln. Das Architektur-

modell bietet die Basis für die weiteren Schritte: Bildung

einheitlicher Normen und Standards zur Identifikation von

vernetzten Dingen in der Produktion; Festlegung einer

einheitlichen Semantik für die Kommuni kation zwischen

Maschinen und Werkstücken; Definition von Diensten der

Industrie 4.0-Komponenten (z. B. Zeit synchronisation und

Echtzeitfähigkeit); Festlegung einheitlicher Kommunika-

tionsverbindungen und Protokolle [ZVE15].

Die befragten Unternehmen attestieren diesem Referenz-

architekturmodell den weitesten Fortschritt. Das RAMI 4.0

sei bereits sehr umfassend und bilde die übergeordneten

Merkmale von Industrie 4.0 sehr gut ab. Dennoch müsse

das Modell weiter konkretisiert werden. Beispielsweise

ist zu definieren, welche Protokolle für die Kommunika tion

zwischen Maschinen verwendet werden sollen. Neben der

Konkretisierung ist den Unternehmen die Überprüfung der

Praxistauglichkeit wichtig. Use Cases müssen zeigen, dass

das RAMI 4.0 die Anforderungen verschiedener Branchen

erfüllt. Zudem merken die befragten Unternehmen an, dass

das Referenz architekturmodell Industrie 4.0 zwar einen

Zielzustand beschreibe, den Weg dorthin jedoch nicht

beschreiben würde. Zur erfolgreichen Umsetzung einer

Referenzarchitektur muss den Unternehmen der Pfad dort-

hin aufgezeigt werden. Derzeit wird das RAMI 4.0 in die

DIN SPEC 91345 überführt und soll Anfang 2016 sowohl

in deutscher als auch in englischer Sprache veröffentlicht

und in die internationale Normung eingebracht werden

[DD15].

6 | INDUSTRIAL INTERNET REFERENCE ARCHITECTURE – IIRA (IIC, 2015)

Das amerikanische Industrial Internet Consortium (IIC) ver-

öffentlichte im Juli 2015 die Industrial Internet Reference

Architecture (IIRA). Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

dieser Architektur waren die Unternehmensbefragungen

im Rahmen dieser Broschüre bereits abgeschlossen. Der

folgen den Analyse liegen daher keine Unternehmens-

meinungen zugrunde. Dennoch ist die Architektur ein wich-

tiger Bestandteil derzeitiger Aktivitäten im Bereich »Refe-

renzarchitektur Industrie 4.0«.

IIRA ist eine standardbasierte offene Architektur für sog.

»Industrial Internet Systems«. Ziele der IIRA sind eine

breite Anwendbarkeit, die Stärkung von Kompatibilität,

BILD 13 Referenzarchitektur »Industrial Internet Reference Architecture« des IIC [Ciu15]

Stakeholders ISO/IEC/IEEE 42010:2011

Biz Decision MakersSystem EngineersProduct Managers

Why

Biz View

Usage View

Functional View

Implementation View

Verb

Noun

What

How

System EngineersProduct ManagersSystem Architects

ArchitectsEngineersDevelopersIntegratorsDeployment Operations

Biz Values, Objectives & CapabilitiesBusiness Viewpoint

Usage ActivitiesUsage Viewpoint

Funct. Decomposition & StructureInterfaces & Interactions

Functional Viewpoint

Activity & Functional to Technologies Mapping

Implementation Viewpoint

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REFERENZARCHITEKTUREN FÜR INDUSTRIE 4.0 | 23

ERFOLGSFAKTOR REFERENZARCHITEKTUR

das Zusammenbringen bestehender Technologien sowie

die Rahmenbildung für die Entwicklung neuer Technolo-

gien und Standards. IIRA fasst gemeinsame Merkmale,

Funktionen und Muster von heute bekannten Anwendungs-

fällen zusammen, soll aber auch die Anfor derungen zu-

künftiger Technologien erfüllen. Die Referenz architektur

definiert ein sog. Industrial Internet Architecture Frame-

work (IIAF), um die verschiedenen Stakeholder von kom-

plexen Systemen entlang des Produktlebens zyklus zu be-

rücksichtigen (Bild 13). Es legt Konventionen, Prinzipien

und Praktiken zur Beschreibung von Architek turen in be-

stimmten Anwendungsgebieten und Gemeinschaften von

Stakeholdern fest. Das Architecture Framework basiert auf

der ISO/IEC/IEEE 42010:2011, einem Standard aus dem

Systems und Software Engineering. Der Standard kodifi-

ziert Konven tionen und Praktiken der Architekturentwick-

lung und stellt eine Kern-Ontologie zur Beschreibung von

Architekturen bereit. Das IIAF nutzt die generellen Aspekte

und Konstrukte dieser Spezifika tion wie »Stakeholder« und

»Viewpoint«, die die Basis des Frameworks bilden. Das IIC

definiert mit seiner Referenzarchitektur die Eigenschaften

von Industrial Internet Systems. Neben Eigen schaften wie

Datenschutz, Zuverlässigkeit, Skalierbarkeit, Benutzer-

freundlichkeit, Wartbarkeit, Übertragbarkeit und Zusam-

mensetzbarkeit rückt das IIC vor allem die Eigenschaften

Gefahrlosigkeit (Safety), Sicherheit (Security) und Wider-

standsfähigkeit (Resilienz) in den Fokus [IIC15a].

IIRA ist stark geprägt von der Softwareentwicklung, z. B.

in Fragen der IT-Sicherheit oder der Datenverarbeitung.

Dadurch ist die Architektur konsequent auf hohe Daten-

und Prozesssicherheit ausgerichtet und jeder »Viewpoint«

stimmt mit anderen Software-Referenzmodellen überein.

Vernachlässigt werden der Lebenszyklus von Systemen

sowie die vertikale Verknüpfung von Produkten, Unter-

nehmen und ihren Netzwerken [Knu15].

FAZIT

Die erläuterten Referenzarchitekturen adressieren ver-

schiedene Sichten und Zielgruppen. Jedes der vorgestell-

ten Modelle weist wichtige Aspekte auf und deckt einen

Teil der Anforderungen ab. Dies bestätigen auch die be-

fragten Unternehmen, die sich je nach Branche besser

oder schlechter mit den einzelnen Modellen identifizieren

können. Bild 14 zeigt eine Übersicht über die Erfüllungs-

grade der Modelle hinsichtlich der Anforderungen an eine

Referenzarchitektur für Industrie 4.0. Welches Architektur-

modell sich durchsetzen kann, ist eine Frage der prakti-

schen Umsetzbarkeit. Erst wenn die Praxistauglichkeit der

oft sehr wissenschaftlichen Modelle nachgewiesen ist,

werden sich Unternehmen mit dem Thema »Referenz-

architektur für Industrie 4.0« stärker befassen. Zudem muss

Unternehmen aufgezeigt werden, wie die Transformation

vom Status quo hin zur Umsetzung gelingen kann.

BILD 14 Bewertung der untersuchten Referenzarchitekturen

teilw

eise

erf

üllt

nich

t erf

üllt

voll

erfü

llt

Erfüllungsgrade der Modelle

Anforderungen

Digitale Durchgängigkeit

IT-Sicherheit

Allgemeingültigkeit

Flexibilität

Smart Service Fähigkeit

Transformationsfähigkeit

CPS mit verteilten Diensten

MES als zentrale Plattform

Zentrale Verbindung zwischen

Office und Shop Floor

Offenes Grundkonzept der

IoT-Plattform

RAMI 4.0

IIRA

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24 | HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN

AUF DEM WEG ZUR INDUSTRIE 4.0

Aus der Untersuchung der Architekturmodelle und den

Unternehmensbefragungen lassen sich Handlungsempfeh-

lungen für die Entwicklung einer Referenzarchitektur, aber

auch für die generelle Umsetzung von Industrie 4.0 ab-

leiten. Sie lassen sich in die Bereiche Architektur, Systems

Engineering und Geschäftsmodelle einteilen.

ARCHITEKTUR

Die befragten Unternehmen erkennen den Nutzen einer

Referenzarchitektur, die einen Ordnungsrahmen für die

Strukturierung, Entwicklung, Integration und den Betrieb

der im Rahmen von Industrie 4.0 relevanten technischen

Systeme bildet [KWH13]. Aktuelle Architekturen vertreten

unterschiedliche Sichtweisen und adressieren verschie-

dene Zielgruppen. Aufgrund vielfältiger Anforderungen der

Unternehmen erscheint eine einheitliche detaillierte

Referenzarchitektur schwer realisierbar. Der Wunsch der

Unternehmen ist daher eine Art Klassenmodell der Refe-

renzarchitektur, das dem jeweiligen Bedarf entsprechend

immer weiter ausgeprägt und verfeinert werden kann. Die

übergeordnete Klasse der Architektur ist wenig detailliert,

steckt aber den groben Rahmen zur Gestaltung der IT-Land-

schaft in einem Wertschöpfungsnetzwerk ab. Anwen-

dungsspezifisch und bedarfsgerecht ausgeprägt wird die

Architektur detaillierter und bietet alle relevanten Infor-

mationen für die praktische Umsetzung, z. B. Informatio-

nen über Kommunikationsstandards und herstellerunab-

hängigen Datenaustausch.

Die derzeit sehr generischen Modelle müssen durch Use

Cases praxisbezogen erklärt werden. Wenn Unter nehmen

die Praxistauglichkeit ersichtlich wird, ziehen sie diese bei

einer Neuordnung ihrer IT-Landschaft in Erwägung. Dazu

bedarf es jedoch geeigneter Gestaltungsrichtlinien für die

Transformation vom Status quo bis hin zur Referenzarchi-

tektur für Industrie 4.0. Die Gestaltungsrichtlinien müssen

bestehende IT-Systeme berücksichtigen, da nur wenige

Unternehmen ihre IT-Systeme neu auf der »grünen Wiese«

planen werden.

SYSTEMS ENGINEERING

Industrie 4.0 führt zu hochgradig vernetzten Systemstruk-

tu ren mit einer Vielzahl von beteiligten Personen, IT-Sys-

temen, Automatisierungskomponenten und Maschinen.

Die zuneh mende Vernetzung führt zu einer steigenden

Komplexität und verstärkten Interdisziplinarität. Diese

Herausforderungen zeichnen sich seit geraumer Zeit deut-

lich ab. Die befragten Unternehmen fordern vor diesem

Hintergrund mehr Kompetenzen im Bereich Systems

Engineering. Neben dem Spezialwissen in einer Fachdiszi-

plin (»Wissen in der Tiefe«) müssen die Mitarbeiter ein

Verständnis für das Gesamtsystem haben (»Wissen in der

Breite«). Um die steigende Komplexität von Industrie 4.0

zu beherrschen, muss das Denken in Gesamtsystemen und

HANDLUNGSEMPFEHLUNGENVON DER THEORIE IN DIE PRAXIS

HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN

Bildung eines Klassenmodells der Referenzarchitektur zur

Berücksichtigung der bedarfsgerechten Ausprägung verschie-

denster Unternehmen und Branchen

Nachweis der Praxistauglichkeit von Architekturmodellen

durch geeignete Use Cases

Erstellung von Gestaltungsrichtlinien für die Transformation

vom unternehmensspezifischen Status quo bis hin zur

Referenz architektur für Industrie 4.0

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HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN | 25

ERFOLGSFAKTOR REFERENZARCHITEKTUR

über Fachdisziplinen hinweg stärker gefördert werden.

Mehr denn je werden »Spezialisten für den Zusammen-

hang« benötigt. Dies lässt sich am Beispiel der IT-Land-

schaft im Gesamtsystem »Wertschöpfungsnetzwerk«

verdeutlichen: Für die horizontale Integration in einem

Wert schöpfungsnetzwerk müssen die IT-Systeme der Un-

ternehmen (Subsysteme des Wertschöpfungsnetzwerks)

miteinander verknüpft werden. Zur ver tikalen Integration

in einem Unternehmen bedarf es der Verknüpfung des

Enterprise Networks (Office Floor) mit dem Real-Time

Network (Shop Floor). Somit müssen auch die Subsysteme

eines Unternehmens entsprechend auf einander abge-

stimmt werden. Die Gestaltung des Öko systems Indus trie 4.0

bedarf einer ausgeprägten Kompetenz im Bereich Systems

Engineering. Die Forderung der Unternehmen nach Mit-

arbeitern mit entsprechendem Fachwissen muss sich in den

Lehrplänen von Ausbildung, Studium und berufsbegleiten-

der Weiterbildung wider spiegeln. Bislang sind die angebo-

tenen Studiengänge meist fachspezifisch ausgerichtet.

Dem Zusammenwirken der Fachdisziplinen zu einem kom-

plexen intelligenten technischen System wird zu wenig

Aufmerksamkeit geschenkt. Hier müssen Politik und Hoch-

schulen nachjustieren und das Thema Systems Enginee -

ring stärker forcieren.

GESCHÄFTSMODELLE

Industrie 4.0 wird nur erfolgreich sein, wenn es zu quali-

ta tivem Wachstum, unternehmerischem Erfolg und Be-

schäftigung führt. Das Potential dafür ist vorhanden, es zu

erschließen ist primär eine Frage der Geschäftsmodelle.

Refe renzarchitekturen und Geschäftsmodelle sind vor

diesem Hintergrund eng verbunden. Neue Geschäfts-

modelle sind durch geeignete Referenzarchitekturen zu

unterstützen. Dieser Meinung sind die befragten Unter-

nehmen, die derzeit prüfen, wie sich ihr aktuelles Ge-

schäftsmodell optimieren und verfeinern lässt bzw. inwie-

weit neue Geschäftsmodelle kurz-, mittel- und langfristig

tragfähig sind. Derzeit stehen bei vielen Unternehmen noch

die Steigerung des Automatisierungsgrades und die zu-

nehmende Vernetzung der Systeme auf dem Shop Floor

im Mittelpunkt ihrer Industrie 4.0-Aktivitäten. Die großen

Potentiale liegen jedoch vielmehr in neuen Geschäfts-

modellen auf Basis von Industrie 4.0-Technologien zur

Generierung von Umsätzen durch Dienste. Unternehmen

benötigen dazu eine Innovationskultur und die Fähigkeit

zur Entwicklung disruptiver Geschäftsmodelle. In der jünge-

ren Vergangenheit wurden disruptive Geschäftsmodelle in

der Regel von internationalen Internetunternehmen wie

Google oder Amazon im Business-to-Consumer-Bereich

(B2C) geprägt. Die Geschäftspraktiken solcher Unterneh-

men sehen die befragten Unternehmen als Chance für die

heimische Industrie. Sie können aber auch zur Gefahr

werden, erst recht wenn sie nicht beachtet werden und

die hiesigen Unterneh men untätig bleiben. Ob sich aus

Industrie 4.0 ein attrak ti ver Business Case für Unterneh-

men ergibt, der zudem attrak tiver ist als andere Investi-

tionen, muss jedes Unternehmen für sich bewerten. Indus-

trie 4.0 wird sich nur durchsetzen, wenn der Nutzen klar

erkennbar und der wirtschaftliche Erfolg absehbar ist.

Um eine Referenzarchitektur aus der Theorie in die Praxis

zu übersetzen, bedarf es starker Partner. Die Unternehmen

wurden daher gefragt, welche Partner zur Umsetzung einer

Referenzarchitektur nötig sind.

HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN

Weiterentwicklung von Methoden und Werkzeugen des

Systems Engineering für einen breiten branchenunabhängigen

Einsatz, insbesondere bei KMUs

Stärkung des Model-Based Systems Engineering für den

fachdisziplinübergreifenden Entwurf mithilfe von Modellen

Praxisgerechte Aus- und Weiterbildungsangebote zur besseren

Ausbildung von »Spezialisten für den Zusammenhang«

HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN

Geschäftsmodell-Innovationen vorantreiben, anstatt allein Pro-

zesse und Produktgeschäft zu innovieren; wobei Produkte, Pro-

zesse und Geschäftsmodelle im Wechselspiel zu betrachten sind

Geschäftsmodelle auf Basis bestehender und neuer Geschäfts-

modell-Muster effizient entwickeln

Potentiale hybrider Geschäftsmodelle (digital veredelte Pro-

dukte und Smart Services) auf Basis von Industrie 4.0-Techno-

logien erschließen und mithilfe von Referenzarchitekturen

aufbauen

Pilotprojekte für die Umsetzung neuer Geschäftsmodelle initi-

ieren, z. B. mithilfe autonomer Innovationsteams unter früh-

zeitiger Einbindung von Referenzkunden

Global vernetzt in Wertschöpfungsnetzwerken agieren und

weltweit verfügbare Kompetenzen durch Partnerschaften oder

Allianzen einbinden

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26 | HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN

AUF DEM WEG ZUR INDUSTRIE 4.0

Viele Aktivitäten im Hinblick auf eine Referenzarchitektur

gingen bisher von Verbänden aus. VDI, ZVEI, BITKOM oder

VDMA sind wichtige Akteure für die Umsetzung von

Industrie 4.0. Sie vertreten die Interessen verschiedener

Branchen und einer Vielzahl von Unternehmen. Insbeson-

dere der für Deutschland wichtige Mittelstand hat hier-

durch die Möglichkeit, die Entwicklung von Industrie 4.0

auf Augenhöhe mit Großunternehmen mitzugestalten.

Neben der Arbeit in Verbänden müssen sich vor allem

große Unternehmen noch stärker für die Umsetzung einer

Referenzarchitektur einsetzen. Insbesondere bei der Defi-

nition von Standards, z. B. im Hinblick auf Kommunikations-

verbindungen und Protokolle, müssen Unternehmen stärker

vorangehen und enger kooperieren. Industriestandards sei-

en bei der raschen Entwicklung von Industrie 4.0 eher an-

gebracht als Normen, deren Normungsverfahren oft sehr

langwierig sind. Ein Beispiel für die Kooperation von

Unternehmen ist das Industrial Internet Consortium (IIC)

in den USA. Das IIC wurde von den Unternehmen AT&T,

Cisco, General Electric, IBM und Intel gegründet, um die

digitale mit der realen Welt zu verzahnen und das Thema

»Internet der Dinge« weiterzuentwickeln. Ein wesentliches

Ziel des industriegeführten IIC ist es, weltweite Standards

für das Internet der Dinge und die Kommunikation zwi-

schen Maschinen zu gestalten, damit die vierte industri-

elle Revolution nicht gleich zu Beginn durch proprietäre

Schnittstellen ausgebremst wird [IIC15b]. Eine derart starke

Industriebeteiligung wünschen sich die befragten Unter-

nehmen auch bei der deutschen »Initiative Plattform Indus-

trie 4.0«, die bislang stark durch Verbände und Politik

geprägt ist.

Die Politik soll sich dennoch nicht aus dem Thema Indus-

trie 4.0 zurückziehen. Sie ist ein wichtiger Akteur bei der

Umsetzung von Industrie 4.0, insbesondere im interna-

tionalen Umfeld. Von der Politik muss u. a. ein geeigneter

recht licher Rahmen geschaffen werden, der z. B. den Um-

gang mit Daten regelt. Zudem bedarf es einer flächen-

deckenden Breitbandinfrastruktur, damit auch Unterneh-

men in ländlichen Regionen von Industrie 4.0 -Entwicklungen

profitieren können. Ferner ist es eine wichtige Aufgabe

der Politik, geeignete Aus- und Weiterbildungsmaßnah-

men zu fördern. Diese müssen in enger Abstimmung mit

den Industrie- und Handelskammern, Gewerkschaften,

Hochschulen und Unternehmen erarbeitet werden. Indus-

trie 4.0 wird die Arbeitswelt verändern. Darauf müssen

aktuelle und zukünftige Arbeitnehmer vorbereitet werden.

»Die Energie der deutschen Unternehmen zur Platt formerstellung sollte gebündelt werden.«ULRICH AHLE | Leiter Manufacturing Retail & Transportation Systems Integration Germany, Atos IT Solutions and Services

Die Digitalisierung der Industrie als Wett-bewerbsvorteil nutzen

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RESÜMEE UND AUSBLICK | 27

ERFOLGSFAKTOR REFERENZARCHITEKTUR

Die zunehmende Digitalisierung eröffnet neue Perspek-

tiven in vielen Lebens- und Wirtschaftsbereichen. Indus-

trie 4.0 bringt die Anwendung von intelligenten techni-

schen Systemen und dem Internet der Dinge und Dienste

im Bereich der industriellen Produktion zum Ausdruck. Die

sog. vierte industrielle Revolution eröffnet faszinierende,

unüber schaubare Möglichkeiten zur Gestaltung von Wert-

schöpfungsnetzwerken und neuen Geschäftsmodellen. Bei

aller Euphorie für Industrie 4.0 darf jedoch nicht über sehen

werden, dass die Einführung und Nutzung von IT-Syste-

men am Ende einer gut überlegten Handlungskette stehen

und nicht am Anfang: »Das Pferd darf nicht von hinten auf-

gezäumt werden.«

Vier Jahre nach dem Bekanntwerden des Begriffs Indus-

trie 4.0 steht dieser in nahezu jeder industriepolitischen

Agenda und Unternehmensstrategie und ist auch inter-

national eines der Aushängeschilder des Produktions-

standorts Deutschland. Zwar wurde Industrie 4.0 in vielen

Unternehmen zur »Chefsache« erklärt, dennoch ist die kon-

krete Umsetzung eine Herausforderung. Gründe dafür sind

diverse Barrieren wie Unsicherheit bzgl. des eigenen

Geschäfts modells, unzureichende Standardisierung oder

Bedenken hinsichtlich der zunehmenden Vernetzung mit

Partnern in einem Wertschöpfungsnetzwerk. Es bedarf

einer Aufklärung der Unternehmen für die spezifischen

Chancen, aber auch der Risiken von Industrie 4.0. Denn

erst wenn Unternehmen für sich einen Nutzen erkennen,

ausreichend Vertrauen in neue Technologien gewinnen und

die sich eröffnenden Möglichkeiten begreifen, wird die

Umsetzung von Industrie 4.0 im Unternehmen zielführend

gelingen.

Zur erfolgreichen Umsetzung von Industrie 4.0 bedarf es

eines neuen Referenzmodells der industriellen Informa-

tionsarchitektur: einer Referenzarchitektur für Industrie 4.0.

Diese soll als allgemeingültiges Muster für die Produkte

und Dienstleistungen aller am Wertschöpfungsnetzwerk

beteiligten Unternehmen dienen. Den Nutzen einer Refe-

renzarchitektur zeigen Beispiele aus der Vergangenheit,

wie das ISO/OSI-Modell oder die Automatisierungs-

pyramide. Diese Referenzarchitekturen stammen zwar aus

verschiedenen Bereichen, beruhen aber auf denselben

Gestaltungsprinzipien. Sie definieren allgemeingültige,

individuell ausprägbare Komponenten, deren Hierarchi-

sierung und Kommunikation auf Basis einheitlicher Stan-

dards beschrieben ist. Zur Realisierung der Vision Indus-

trie 4.0 sind drei übergeordnete Aspekte zu beherrschen:

vertikale Integration, horizontale Integration und umfas-

sendes Systems Engineering. Darüber hinaus muss eine

Referenzarchitektur weiteren Herausforderungen wie der

digitalen Durchgängigkeit oder ausreichender IT-Sicher-

heit gerecht werden.

Verschiedene Verbände und Unternehmen haben bereits

Vorschläge für Referenzarchitekturen entwickelt. Im Rah-

men dieser Broschüre wurde eine Auswahl analysiert und

mit Unternehmen diskutiert. Jeder der untersuchten An-

sätze weist wichtige Aspekte auf, keiner deckt jedoch die

gestellten Anforderungen vollständig ab. Die befragten

Unternehmen können sich je nach Branche besser oder

schlechter mit den einzelnen Architekturmodellen identi-

fizieren. Welches sich letztendlich durchsetzen kann, ist

eine Frage der praktischen Umsetzbarkeit.

Die vorliegende Broschüre kommt zu drei wesentlichen

Handlungsempfehlungen für die Entwicklung einer Refe-

renzarchitektur:

RESÜMEE UND AUSBLICKSTANDARDS SCHAFFEN, BARRIEREN ABBAUEN

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28 | RESÜMEE UND AUSBLICK

AUF DEM WEG ZUR INDUSTRIE 4.0

1 | Für die Architekturgestaltung ist ein Klassenmodell der

Referenzarchitektur sinnvoll, das je nach Branche und

Unternehmen bedarfsgerecht anpassbar ist. Ferner gilt

es, die Praxistauglichkeit von Architekturmodellen

durch geeignete Use Cases nachzuweisen und Unter-

nehmen Gestaltungsrichtlinien an die Hand zu geben.

2 | Der Notwendigkeit einer systemischen Herangehens-

weise muss Rechnung getragen und neue Methoden

für das Systems Engineering müssen entwickelt wer-

den. Praxisgerechte Aus- und Weiterbildungsangebo-

te zur besseren Ausbildung von »Spezialisten für den

Zusammenhang« werden benötigt.

3 | Bestehende Geschäftsmodelle müssen geprüft und in-

noviert werden. Potentiale liegen hier insbesondere

in hybriden Geschäftsmodellen (digital veredelte Produk-

te und Smart Services), die auf Basis von Industrie 4.0-

Technologien erschlossen und mithilfe von Referenz-

architekturen aufgebaut werden. Für Unternehmen ist

es wichtig, global vernetzt in Wertschöpfungsnetz-

werken zu agieren und weltweit verfügbare Kompeten-

zen durch Partnerschaften oder Allianzen einzubinden.

Um eine Referenzarchitektur aus der Theorie in die Praxis

zu übersetzen, bedarf es starker Partner. Wichtig dabei

sind Verbände, die Interessen verschiedener Branchen

und einer Vielzahl von Unternehmen vertreten. Insbeson-

dere der für Deutschland wichtige Mittelstand kann hier-

durch die Entwicklung von Industrie 4.0 aktiv mitgestalten.

Neben der Arbeit in Verbänden müssen sich vor allem

große Unternehmen noch stärker für die Umsetzung einer

Referenzarchitektur einsetzen. Insbesondere bei der Defi-

nition von Standards, z. B. im Hinblick auf Kommunikations-

verbindungen und Protokolle, müssen Unternehmen enger

kooperieren. Aber auch die Politik muss die Etablierung eines

geeigneten rechtlichen Rahmens und die Schaffung einer

flächendeckenden Breitbandinfrastruktur sicherstellen.

HINTERGRUND

Im Rahmen dieser Broschüre wurden Geschäftsführer und Projektverantwortliche von 13 Unternehmen,

Softwarehäusern und Beratungsunternehmen zur aktuellen Situation ihrer Betriebe und zur Einschätzung

von Industrie 4.0 befragt. Die in dieser Broschüre geschilderten Ergebnisse entsprechen daher nicht

unbedingt der Meinung Einzelner.

Atos IT Solutions and Services GmbH

Beckhoff Automation GmbH & Co. KG

Bender GmbH & Co. KG

FASTEC GmbH

Gestamp Umformtechnik GmbH

Intel Deutschland GmbH

KraussMaffei Technologies GmbH

MODUS Consult AG

Adam Opel AG

PHOENIX CONTACT Electronics GmbH

SAP AG

Siemens AG

Smart Mechatronics GmbH

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LITERATUR | 29

ERFOLGSFAKTOR REFERENZARCHITEKTUR

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LITERATUR

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30 | CLUSTERPARTNER

AUF DEM WEG ZUR INDUSTRIE 4.0

CLUSTERPARTNER

Im it’s OWL e.V. bündeln Unternehmen, Hochschulen, Forschungsinstitute und weitere Partner ihre Interessen.

FÖRDERMITGLIEDER

Rund 100 Fördermitglieder – insbesondere kleine und mittlere Unternehmen – nutzen die Leistungsangebote des Spitzenclusters,

um sich zu vernetzen und ihre Betriebe fit für Industrie 4.0 zu machen.

Interessierte Unternehmen, wissenschaftliche Einrichtungen und wirtschaftsnahe Organisationen sind herzlich eingeladen, sich im

Spitzencluster zu engagieren und dem Verein beizutreten. Informationen zum Verein (Satzung, Beitragsordnung und Beitritts erklärung)

sowie weitere Partner finden Sie unter: www.its-owl.de/partner

UNTERNEHMEN

HOCHSCHULEN UND FORSCHUNGSEINRICHTUNGEN

TRANSFERPARTNER

CONSULTING & INNOVATION

motion control

GEMEINSAM ERFOLGREICH

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DIE AUTOREN

IMPRESSUM

Dr.-Ing. Roman DumitrescuGeschäftsführer

it’s OWL Clustermanagement GmbH

Prof. Dr.-Ing. Jürgen GausemeierHeinz Nixdorf Institut (Universität Paderborn)

Vorsitzender it’s OWL Clusterboard

Arno KühnStrategie, FuE

it’s OWL Clustermanagement GmbH

Fraunhofer-Projektgruppe Entwurfstechnik Mechatronik

Dr. Markus Luckey

Senior Berater

UNITY AG

Christoph Plass

Vorstand

UNITY AG

Marcel SchneiderStrategische Produktplanung und Systems Engineering

Heinz Nixdorf Institut (Universität Paderborn)

Thorsten Westermann

Produktentstehung

Fraunhofer-Projektgruppe Entwurfstechnik Mechatronik

HERAUSGEBERit‘s OWL Clustermanagement GmbH

Verantwortlich: Dr.-Ing. Roman Dumitrescu,

Günter Korder, Herbert Weber

Umsetzung: Sabrina Donnerstag

Gestaltung: VISIO Kommunikation GmbH

Bildnachweis: DMG MORI (Titelbild), Fotolia (Mayboro,

3ddock, Oleksiy Mark, A_Bruno, Nmedia –

S. 6/7), Hettich (S. 10), PHOENIX CONTACT

(S. 16), HELLA (S. 26)

Dezember 2015

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GEFÖRDERT VOM BETREUT VOM DAS CLUSTERMANAGEMENT WIRD GEFÖRDERT DURCH

it’s OWL Clustermanagement GmbH Zukunftsmeile 1 | 33102 Paderborn

Tel. 05251 5465275 | Fax 05251 5465102

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