Erfolgsgeschichte MAN. · PATRICK ROTHFUSS (MAN TRUCK & BUS), SOHRAB SALIMI (AGILAR)...

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Erfolgsgeschichte MAN | © Agilar Germany GmbH – www.agilar.de Wie baut man einen LKW mit innovativen Alleinstellungsmerkmalen in nur 18 Monaten, wenn der reguläre Zyklus mindestens fünf Jahren ent- spricht? Dieser Herausforderung hat sich die MAN Truck & Bus Ende des Jahres 2016 gestellt. VON DR. JÖRK HEBENSTREIT (AGILEUS CONSULTING), PATRICK ROTHFUSS (MAN TRUCK & BUS), SOHRAB SALIMI (AGILAR) Zusammenfassung Die Antwort darauf lag in einem crossfunktional besetzten Team und einer für das Unternehmen MAN neuartigen Arbeitsweise: Scrum. Durch die konsequente Etablierung des agilen Rahmen- werks konnte in kurzer Zeit ein zu 100% dediziertes Entwicklungs- team inklusive Scrum Master und Product Owner aufgebaut werden. Schnittstellenfunktionen wie die Einkaufsabteilung und die Monta- ge wurden in das Team integriert und probierten ebenfalls neue Wege aus. So wurde der Prozess zur Suche und Einbindung externer Entwicklungsdienstleister statt in den regulären sechs Monaten in nur sechs Wochen durchgeführt. Die direkte Kommunikation mit den Kollegen in der Montage zeigte potenzielle Fehler früh- zeitig auf und Optimierungen konnten unmittelbar in den laufendenEntwicklungsprozessein- fließen. Sowohl die Zahl der ver- sandten Emails als auch die resultierenden Wartezeiten redu- zierten sich auf ein Minimum. Der Erfolg des Teams ist inzwi- schen greifbar: Innerhalb der geplanten 18 Monate wurden zwei TÜV-zugelassene Fahrzeuge gebaut, welche auf der IAA Nutz- fahrzeuge im September 2018 neue Maßstäbe bezüglich Si- cherheit, Fahrerkomfort und Antriebstechnik demonstrieren konnten. Darüber hinaus ist ein hocheffizientes und motiviertes Team entstanden, welches den agilen Gedanken lebt und weiter- trägt. Fragt man das Team nach den entscheidenden Erfolgsfaktoren, werden vor allem folgende Punkte genannt: die 100%ige Verfügbar- keit der Teammitglieder und deren räumliche Co-Lokation, die tägli- che Abstimmung mit den Kollegen in der Werkstatt, der volle Support und die regelmäßige und pragma- tische Einbindung der Stakeholder, sowie die Transparenz und Kom- munikation in die angrenzenden Bereiche. Doch an erster Stelle steht die Offenheit und der Mut, etwas Neues auszuprobieren. Die Strahlkraft des Projektes in das Unternehmen ist unüberseh- bar. MAN lebt zukunftsorientiert die Umsetzung innovativer Ideen durch agile Methoden. Innerhalb der geplanten 18 Monate wurden zwei TÜV-zugelassene Fahrzeuge gebaut. Erfolgsgeschichte MAN.

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Page 1: Erfolgsgeschichte MAN. · PATRICK ROTHFUSS (MAN TRUCK & BUS), SOHRAB SALIMI (AGILAR) Zusammenfassung Die Antwort darauf lag in einem crossfunktional besetzten Team und einer für

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Wie baut man einen LKW mit innovativen Alleinstellungsmerkmalen in nur 18 Monaten, wenn der reguläre Zyklus mindestens fünf Jahren ent-spricht? Dieser Herausforderung hat sich die MAN Truck & Bus Ende des Jahres 2016 gestellt.

VON DR. JÖRK HEBENSTREIT (AGILEUS CONSULTING), PATRICK ROTHFUSS (MAN TRUCK & BUS), SOHRAB SALIMI (AGILAR)

ZusammenfassungDie Antwort darauf lag in einem crossfunktional besetzten Team und einer für das Unternehmen MAN neuartigen Arbeitsweise: Scrum. Durch die konsequente Etablierung des agilen Rahmen-werks konnte in kurzer Zeit ein zu 100% dediziertes Entwicklungs-team inklusive Scrum Master und Product Owner aufgebaut werden.

Schnittstellenfunktionen wie die Einkaufsabteilung und die Monta-ge wurden in das Team integriert und probierten ebenfalls neue Wege aus. So wurde der Prozess zur Suche und Einbindung externer Entwicklungsdienstleister statt in den regulären sechs Monaten in nur sechs Wochen durchgeführt. Die direkte Kommunikation mit den Kollegen in der Montage zeigte potenzielle Fehler früh-zeitig auf und Optimierungen konnten unmittelbar in den laufenden Entwicklungsprozess ein- fließen. Sowohl die Zahl der ver-sandten Emails als auch die resultierenden Wartezeiten redu-zierten sich auf ein Minimum.

Der Erfolg des Teams ist inzwi-schen greifbar: Innerhalb der geplanten 18 Monate wurden

zwei TÜV-zugelassene Fahrzeuge gebaut, welche auf der IAA Nutz-fahrzeuge im September 2018 neue Maßstäbe bezüglich Si-cherheit, Fahrerkomfort und Antriebstechnik demonstrieren konnten. Darüber hinaus ist ein hocheffizientes und motiviertes

Team entstanden, welches den agilen Gedanken lebt und weiter-trägt.

Fragt man das Team nach den entscheidenden Erfolgsfaktoren, werden vor allem folgende Punkte genannt: die 100%ige Verfügbar-keit der Teammitglieder und deren räumliche Co-Lokation, die tägli-che Abstimmung mit den Kollegen in der Werkstatt, der volle Support und die regelmäßige und pragma-tische Einbindung der Stakeholder, sowie die Transparenz und Kom-munikation in die angrenzenden Bereiche. Doch an erster Stelle steht die Offenheit und der Mut, etwas Neues auszuprobieren.

Die Strahlkraft des Projektes in das Unternehmen ist unüberseh-bar. MAN lebt zukunftsorientiert die Umsetzung innovativer Ideen durch agile Methoden.

Innerhalb der geplanten 18 Monate wurden zwei

TÜV-zugelassene Fahrzeuge gebaut.

Erfolgsgeschichte MAN.

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AusgangssituationEnde 2016 erteilte die MAN Truck & Bus den Projektauftrag, auf der nächsten IAA für Nutzfahrzeuge im September 2018 ein zugelassenes Konzeptfahrzeug mit einzigarti-gen Nutzungseigenschaften zu präsentieren. Zielsetzung war es, ein konsequent auf den urba-nen Verteilerverkehr ausgelegtes Fahrzeug zu entwickeln - mit neu-en Maßstäben im Hinblick auf Sicherheit, Fahrkomfort und emis-sionsfreie Mobilität.

Zu diesem Zeitpunkt war den Ent-scheidern bewusst, dass vor allem die kurze Projektlaufzeit eine besondere Herausforderung dar-stellt, welche nicht innerhalb der

etablierten Standard-Prozesse und /-Organisationsstrukturen zu bewältigen ist. Um dieser Aufgabe begegnen zu können, entschied sich MAN für die Einführung der Scrum Methodik im Rahmen eines agilen R&D-Pilotprojekts, unter-stützt durch externe Coaches. Die typischerweise kurzen Iterationen und Feedbackschleifen sollten schneller Wert schaffen und Er-gebnisse sichtbar machen.

In sehr kurzer Zeit wurden durch ein MAN-internes Team zunächst die Produktvision sowie die Al-leinstellungsmerkmale, etwa ein anwendungsoptimales Sichtfeld des Fahrers zur Unfallvermeidung, ein ergonomischer Ein-/Ausstieg zur Reduzierung der körperlichen Belastung des Fahrers und eine nutzerorientierte Arbeitsplatzer-gonomie, definiert.

DurchführungZu Projektbeginn fand eine Schu-lung des gesamten internen Teams in den Grundlagen von Scrum (Rollen, Events und Arte-fakte) statt. Anschließend wurden die Rollen im Team besetzt, ein in-itiales Product Backlog erarbeitet

Zielsetzung war es, ein konsequent auf den

urbanen Verteilerverkehr ausgelegtes Fahrzeug zu

entwickeln.

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und anhand von Working Agree-ments die Scrum Regeltermine festgelegt. Dementsprechend konnte das Team schon nach einer Woche mit der agilen Arbeitswei-se starten.

Die Schulung wurde von exter-nen Scrum Coaches durchgeführt. Diese übernahmen mit einer 100%igen Präsenz die Rolle des Scrum Masters, um so den MAN-internen Scrum Master opti-mal zu befähigen.

Die Coaches drängten von Beginn an auf eine 100%ige Freistellung der Scrum Teammitglieder für dieses Projekt und forderten eine Co-Lokation des gesamten Teams. Hierfür bedurfte es auch des Commitments der Führungskräfte und Kollegen der Teammitglieder in ihren normalen Linienfunktio-nen.

Darüber hinaus wurde explizit auf die Bedeutung von Commitment und Support seitens der Stake-holder (inkl. Top Management) hingewiesen. Eine wegweisende Entscheidung stellte die Beset-zung der Product Owner Rolle dar, die initial durch einen Vertreter des Managements wahrgenommen werden sollte. Um der Vollzeitver-antwortung dieser Rolle gerecht werden zu können, fiel die Wahl stattdessen auf ein Teammitglied,

welches vom Management mit der entsprechend notwendigen Ent-scheidungsbefugnis ausgestattet wurde.

Die Themen Reporting und Ent-scheidungsfindung bildeten einen weiteren wichtigen Punkt. Gerade mit Blick auf die kurze Projektlaufzeit war es wichtig, Entscheidungsprozesse innerhalb der etablierten Gremienstruk-turen effizient zu gestalten. Das Scrum Team und die Stakehol-der verständigten sich darauf, Projektfortschritte pragmatisch aufbereitet nur im Review (ein dediziertes Event in Scrum zum Einholen von Stakeholder-Feed-back) zu kommunizieren und dort auch die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Di-rektes Feedback und sehr kurze Entscheidungswege trugen maß-geblich zum Projekterfolg bei.

Bei der Auswahl und dem Onboarding des Entwicklungs- dienstleisters probierte MAN ebenfalls eine agile Vorgehens- weise aus. Der in den klassi-schen Projekten angewendete Beschaffungsprozess hätte mit einer durchschnittlichen Dau-er von sechs Monaten ein Drittel der geplanten Gesamtpro-jektlaufzeit beansprucht. Durch konsequentes Anwenden von Lean Prinzipien, wie z.B. alle Ent-scheider in einem Raum oder im zeitnahen Zugriff zu haben, konn-

Durch konsequentes An-wenden von Lean Prinzipien

konnte die gesamte Pro-zesslaufzeitauf sechs

Wochen verkürzt und die zeitlichen Projektvorgaben

eingehalten werden.

Eine wegweisende Ent-scheidung stellte die

Besetzung der Product Owner Rolle dar.

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te die gesamte Prozesslaufzeit einschließlich der notwendigen Gremienentscheidungen und Vor-standsgenehmigung auf sechs Wochen verkürzt und die zeitli-chen Projektvorgaben eingehalten werden. Aufgrund der agilen Form der Zusammenarbeit war es nötig, auch in der Einbindung von Dienst-leistern neue Wege zu gehen. Der Dienstleister wurde beispielswei-se im Rahmen der Sprintplanung mit Arbeitspaketen im Umfang der Sprintlaufzeit von einer Woche direkt aus SAP heraus beauftragt und damit sehr direkt und kurz getaktet gesteuert.

Das komplette MAN Team und eine Auswahl von Mit-arbeitern des Dienstleisters investierten fünf volle Tage zum Kennenlernen, inklusive einer ge-meinsamen Scrum Schulung und einer Simulation der Sprints. Dieser frühzeitige Fokus auf ein gemein-sames Verständnis beschleunigte die anschließende Zusammenar-beit und bildete die Grundlage für eine schnelle Konzeptentwicklung und -entscheidung.

Die Synchronisation mit dem etablierten Produktentwicklungs-prozess (PEP) bei MAN erfolgte in drei Schritten: Anpassung auf die geplante Produktionsstückzahl, Verschlanken der Anforderungen, Anpassung auf die agile Arbeits-weise. Dies passierte in enger Abstimmung mit allen am Prozess

beteiligten Bereichen und dem Prozess Owner.

Nach Abschluss der Detail-entwicklung wurde mit der Beschaffung der Teile begonnen und die Montage der Fahrzeuge gestartet. Zeitgleich begeisterten sich die Mitarbeiter in der Monta-ge für die agile Vorgehensweise. Mit dem Beginn des Fahrzeug-

baus machten alle Beteiligten ihre Aufgaben (Tasks) und Stö-rungen (Impediments) auf einem Kanban-Board transparent. Zahl-reiche Emails wurden durch tägliche persönliche Abstimmun-gen zwischen den Monteuren und den Entwicklern direkt am Fahr-zeug ersetzt, wodurch Störungen in kürzester Zeit beseitigt werden konnten.

ResultateDas Gesamtprojekt war in vieler-lei Hinsicht ein voller Erfolg. Der ursprüngliche Projektauftrag wur-de komplett erfüllt. Das vom TÜV zugelassene Fahrzeug konnte in 18 Monaten mit den vereinbar-ten Alleinstellungsmerkmalen

Mit dem Beginn des Fahr-zeugbaus machten alle

Beteiligten ihre Aufgaben und Störungen auf einem

Kanban-Board transparent.

Das vom TÜV zugelassene Fahrzeug konnte in 18 Mo-naten mit den vereinbarten Alleinstellungsmerkmalen

fertiggestellt werden.

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fertiggestellt werden und wurde im September auf der IAA Nutz-fahrzeuge 2018 vorgestellt. Die Vorteile der agilen Vorgehens-weise in einem Innovationsprojekt innerhalb der MAN konnten ein-drucksvoll nachgewiesen werden.

Im Zuge der Projektlaufzeit ist ein hoch motiviertes und erfahrenes Scrum Team entstanden, wel-ches „Ownership” für sein Produkt übernommen hat. Solch ein Team ist ein Wert an sich, welchen es über das Projekt hinaus für zu-künftige Themen zu erhalten gilt. Freiwillige Einsätze über die Re-gelarbeitszeit hinaus, um wichtige Etappenziele zu erreichen, sind nur ein Zeichen der außergewöhn-lichen Teammotivation. Die Scrum Maxime „ein Team, ein Ziel” lässt sich hier eindrucksvoll wieder-finden. Sogar privat ist das Team zusammengewachsen und trifft sich regelmäßig zu persönlichen und sportlichen Aktivitäten.

Spätestens mit Beginn der Fahr-zeugmontage wurden immer mehr Mitarbeiter in die Produktentwick-lung involviert, wodurch der „agile Funke” auch auf diese Kollegen übergesprungen ist. Diese Kombi-nation des persönlichen Erlebens der agilen Arbeitsweise und des enormen Projekterfolges führt zu einer massiven Strahlkraft in das ganze Unternehmen hinein.

ErfolgsfaktorenZusammenfassend ist festzu- stellen, dass ohne echtes Com-mitment und die Unterstützung der Stakeholder, ohne 100%ige

Verfügbarkeit der Teammitglieder und dem damit einhergehenden Fokus auf eine Aufgabe, ohne Co-Lokation der Teams sowie kurzer Wege und einer direkten Kommunikation ein derart kom-plexes Projekt in solch kurzer Zeit nicht realisierbar wäre.

Die Erfahrung aus diesem Pro-jekt zeigt, dass mit Menschen, die sich darauf einlassen können und wollen, neue Wege zu gehen, Din-ge kritisch zu hinterfragen, sich selbst zu organisieren und echte Verantwortung zu übernehmen, solche Erfolge tatsächlich mög-lich sind. Unterstützt und befähigt durch ein entsprechend über-zeugtes Management ist es sogar möglich, einen innovativen LKW in einer Projektlaufzeit von 1,5 Jah-ren zu bauen.

Bildnachweis und weiterführende informationen: tiny.cc/agilar-man

Die Scrum Maxime „ein Team, ein Ziel” lässt sich

hier eindrucksvoll wiederfinden.