Erg¨anzungskurs Physik Teil 1: Theoretische Mechanik · Ein harmonischer Oszillator ist ein...

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Vorlesungsskript Erg¨ anzungskurs Physik Teil 1: Theoretische Mechanik Angewandte Naturwissenschaft TU Bergakademie Freiberg Sandra Gilles nach einer Vorlesung von Prof. J. Monecke im Sommersemester 2003 Mai 2004

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Vorlesungsskript

Erganzungskurs Physik

Teil 1: Theoretische MechanikAngewandte Naturwissenschaft

TU Bergakademie Freiberg

Sandra Gilles

nach einer Vorlesung von Prof. J. Monecke im Sommersemester 2003

Mai 2004

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Inhaltsverzeichnis

1 Newton’sche Punktmechanik 21.1 Axiome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.2 Konservative Krafte, Potentialkrafte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41.3 Zentralkrafte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61.4 Der Energieerhaltungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71.5 Harmonischer Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

1.5.1 Der ungedampfte lineare harmonische Oszillator . . . . . . . . . . . . 91.5.2 Der gedampfte lineare harmonische Oszillator . . . . . . . . . . . . . 111.5.3 Erzwungene Schwingungen / Resonanz . . . . . . . . . . . . . . . . . 121.5.4 Zwei gekoppelte lineare harmonische Oszillatoren (ungedampft) . . . 151.5.5 Chaotische Bewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

2 Prinzipien der Mechanik 172.1 Nebenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

2.1.1 Freiheitsgrade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172.1.2 Holonome Nebenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172.1.3 Nicht-holonome Nebenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182.1.4 Skleronome Nebenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182.1.5 Rheonome Nebenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

2.2 d’Alembert’sches Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182.3 Lagrange-Gleichungen 1. Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192.4 Hamilton’sches Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192.5 Lagrange Gleichungen 2. Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212.6 Hamilton´sche Kanonische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

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Inhaltsverzeichnis 1

Allgemeines

Empfohlene Literatur:

• Stephani, Kluge:”Grundlagen der Theoretischen Mechanik “

• Nolting:”Grundkurs Theoretische Physik 1 “

• Joos”Lehrbuch der Theoretischen Physik “

Mathematische Methoden:

• Komplexe Zahlen

• Vektorrechnung (grad, rot, div, Gauß´scher und Stokes´scher Satz)

• Differential- und Integralrechnung

• gewohnliche Differentialgleichungen

Konstanten:

• Lichtgeschwindigkeit c = 299792458ms

• Planck’sches Wirkungsquantum h = 6, 261 ∗ 10−34 Jsh = h

2π= 1, 054 ∗ 10−34 Js

Vorbemerkungen

• Die Mechanik beschreibt Bewegungen von Korpern unter dem Einfluß von (als gegebenvorausgesetzten) Kraften

• Die Mechanik ist naherungsweise korrekt, falls alle Geschwindigkeiten sehr klein gegenc und alle Großen der Dimension Energie*Zeit sehr groß im Vergleich zu h sind

• Bei der Punktmechanik werden punktformige Massen (ohne raumliche Ausdehnung)betrachtet. Fur die Beschreibung des Schwerpunktes ist dies korrekt, ansonsten ist eseine Idealisierung.

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1 Newton’sche Punktmechanik

1.1 Axiome

a) lex secunda:

~f = m~r (1.1)

genauer: m(t) moglich, dann ist richtig:

~f = ~p =d

dt(m~v) =

d

dt(m~r) (1.2)

Spezialfall: ~f = 0 → m~r = 0 → m~r = const⇒ lex prima:

~r = ~v = const (1.3)

falls m 6= m(t)

Lex prima wird auch Galilei´sches Tragheitsprinzip genannt: Jeder Korper verharrtim Zustand der Ruhe oder der gleichformigen Bewegung solange keine Kraft auf ihnwirkt.

Moglich: ~f(~r, ~r; t)

Unmoglich: ~f abhangig von hoheren Zeitableitungen von ~r

m~r = ~f(~r, ~r; t)

= mx = fx(x, y, z, x, y, z; t)

my = fy(x, y, z, x, y, z; t)

mz = fz(x, y, z, x, y, z; t)

→ drei gekoppelte Differentialgleichungen 2. Ordnung → sechs Integrationen notig →sechs Integrationskonstanten

→ x = x(t, a, b, c, d, e, f)

y = y(t, a, b, c, d, e, f)

z = z(t, a, b, c, d, e, f)

Integrationskonstanten sind festgelegt durch Kenntnis von Anfangsort ~r0 = ~r(t = 0)und Anfangsgeschwindigkeit ~v0 = ~v(t = 0)

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1.1 Axiome 3

⇒ Losung: ~r = ~r(t, ~r0, ~v0)

Voraussetzung: Bewegung ist Anderung des Ortes im Raum im Verlauf der Zeit.

b) lex quarta:Krafte sind vektorielle Großen, sie addieren sich nach dem Parallelogrammsatz.

~f =∑

i

~fi (1.4)

Wesentlich: Eine Kraft ~f1 wird durch die Anwesenheit (oder Abwesenheit) einer ande-

ren Kraft ~f2 nicht geandert

c) N Massenpunkte

mj~rj = ~fj

j = 1, . . . , N→ 3N gewohnliche gekoppelte Differentialgleichungen 2. Ordnung→ 6N Integrationskonstanten = Anfangsorte und Anfangsgeschwindigkeiten

Krafte setzen sich aus inneren und außeren Kraften zusammen:

~fj = ~f inj + ~faeuß

j (1.5)

a) Innere Krafte: Krafte zwischen den N Massenpunkten

~f inj =

N∑i=1

~fji

~fji: Kraft des Korpers i auf den Korperj

b) Außere Krafte: Ausgeubt von etwas außerhalb des Systems der N Massepunkte

d) lex tertia: actio = reactio

~fji = − ~fij (1.6)

Die Krafte haben die gleiche Wirkungslinie.

Die Summe der inneren Krafte ergibt Null:∑j

~f inj =

∑ij

~fji = 0

Gesamtkraft ~f , verursacht durch außere Krafte:

mj~rj = ~fj =∑

j

~faeußj = ~f (1.7)

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1.2 Konservative Krafte, Potentialkrafte 4

Definition: Gesamtmasse M

M =∑

j

mj (1.8)

Definition: Ort des Schwerpunktes ~rS

~rS =1

M

∑j

mj~rj (1.9)

⇒ Lex secunda fur Schwerpunkt eines Systems von N Massepunkten:

M~rS =∑

j

mj~rj = ~f (1.10)

→ Der Schwerpunkt eines Systems bewegt sich unter dem Einfluß der Gesamtkraft (Summerder außeren Krafte) entsprechend lex secunda. Innere Krafte spielen keine Rolle.

1.2 Konservative Krafte, Potentialkrafte

Eine Kraft ~f ist konservativ, wenn sie sich als Gradient eines skalaren Potentials U schreibenlaßt:

~f = −gradU = −∇U = −(

∂U

∂x,∂U

∂y,∂U

∂z

)(1.11)

Das Potential U (≡ potentielle Energie) ist weder von ~r noch von t abhangig, sondern nurvon ~r:

U = U(~r) (1.12)

⇒ dU =∂U

∂xdx +

∂U

∂ydy +

∂U

∂zdz

= gradUd~r

= −~fd~r

⇒Die Potentialdifferenz ist das Integral uber die Kraft:

U(~r0)− U(~r1) =

~r1∫~r0

dU = −~r1∫

~r0

~fd~r (1.13)

Zu jedem Potential kann eine beliebige Konstante addiert werden; das Potential kann aneinem beliebigen Ort gleich Null gesetzt werden. Allgemein setzt man U(∞) = 0.

Daraus ergeben sich verschiedene Folgen:

• Auch der Energienullpunkt liegt nicht fest. Die Gesamtenergie E ist wie folgt definiert:

E =1

2m~v2 + U (1.14)

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1.2 Konservative Krafte, Potentialkrafte 5

• Das geschlossene Wegintegral uber die Kraft ist gleich Null:

U(~r0)− U(~r0) = 0 = −~r0∫

~r0

~fd~r (1.15)

In einem konservativen Kraftfeld ist also die Arbeit beim Verschieben eines Massen-punktes zwischen zwei Raumpunkten wegunabhangig.

Die Bedingung (notwendige und hinreichende) fur die Existenz eines Potentials ist:

rot ~f = 0 (1.16)

Herleitung:

rot ~f = −rotgradU = 0

(weil stets gilt: rotgrad = 0)

⇒ rot ~f = 0 ist notwendige Bedingung fur Existenz eines Potentials.

Weiter:∮~fd~r

Stokes=

∫rot ~fd ~A

rot~f = 0 →∫

rot ~fd ~A = 0 →∮

~fd~r = 0

→ ~fd~r ist totales Differential → Potential existiert (hinreichende Bedingung)

Aquipontentialflachen sind Flachen gleichen Potentials: U(~r) = const. Die Kraft ist senk-recht zu den Aquipotentialflachen und ist groß, wo diese dicht liegen.Herleitung: d~r liege in Aquipotentialflache

U(~r + d~r) = U(~r) +∂U

∂xdx +

∂U

∂ydy +

∂U

∂zdz + . . .

(. . . + hohere Glieder der Taylorentwicklung)

da d~r infinitesimal klein:

U(~r + d~r) = U(~r) + gradUd~r = U(~r)

⇒ ~f = −gradU ⊥ d~r

Ferner: Flachen dicht → grad groß → Kraft groß

Beispiele fur Potentialkrafte sind Gravitationskraft, elektrostatische Kraft, magnetostati-sche Kraft und Federkraft.Gegenbeispiele sind Reibungskraft und Lorentzkraft.

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1.3 Zentralkrafte 6

1.3 Zentralkrafte

Eine Zentralkraft auf einen Massenpunkt MP geht von einem punktformigen Zentrum (ei-nem anderen Massenpunkt MP’) aus und hat die Richtung des Radiusvektors von diesemZentrum aus (bzw. Gegenrichtung). Die Koordinaten der Massenpunkte werden mit ~r und~r′ bezeichnet. Dann ergibt sich die Zentralkraft zu:

~f =~r − ~r′

| ~r − ~r′ |F (~r − ~r′, ~r − ~ ′r, t) (1.17)

Falls das Zentrum im Ursprung des Koordinatensystems liegt:

~f =~r

rF (~r, ~r, t) (1.18)

Im Allgemeinen ist folgender Spezialfall realisiert:

~f =~r − ~r′

| ~r − ~r′ |F (| ~r − ~r′ |) (1.19)

Und wenn das Zentrum im Ursprung des Koordinatensystems liegt:

~f =~r

rF (~r) (1.20)

Behauptung: Im Spezialfall ist die Kraft auch Potentialkraft!zu prufen: rot ~f = 0

Beweis:

rot~r

rF (r) = F (r)rot

~r

r− ~r

r× gradF (r)

= F (r)1

rrot~r︸ ︷︷ ︸

=0

−F (r)~r × grad1

r︸ ︷︷ ︸=0

− ~r

r× gradF (r)︸ ︷︷ ︸

=0

Im Spezialfall ist die Zentralkraft also auch Potentialkraft.

Berechnung des Potentials:(Zentrum = Ursprung)

U(~r)− U(0) = −~r∫

0

~r

rF (r)d~r

= −~r∫

0

F (~r)dr′

→ U(r)− U(0) = −r∫

0

F (r′)dr′ (1.21)

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1.4 Der Energieerhaltungssatz 7

1.4 Der Energieerhaltungssatz

Voraussetzung: alle Krafte sind Potentialkrafte.

Ein Massenpunkt:

m~r = ~f ⇔ m~rd~r = ~fd~r

(d~r = ~rdt) ⇒ m~r~rdt = ~fd~r

(~rdt = d~r) ⇒ m~rd~r = ~fd~r(~rd~r =

1

2d~r2

)⇒ m

2d~r2 = ~fd~r

d(m

2~v2)

= −gradUd~r

d(m

2~v2 + U

)= 0

Kinetische Energie: T = m2~v2

Gesamtenergie: E = T + U

Da dE = 0 ⇒ E = const ergibt sich der Energieerhaltungssatz:

E = T + U = const (1.22)

N Massenpunkte:

Tj =mj

2~vj

2

T =∑

j

Tj

U =∑

j

Uj =∑

j

(U in

j + Uaeußj

)= Aufteilung der Krafte in innere und außere

Rechnung analog wie bei einem Massenpunkt, zusatzlich mit Index j, anschließend uber jsummiert ergibt ebenfalls den Energieerhaltungssatz E = T + U = const

Außere Krafte:

~faeußj (~rj) = −gradjU

aeußj (~rj) = −

→∇ Uaeuß

j (~rj)

Uaeuß =∑

j

Uaeußj (~rj)

=∑

j

Uaeuß(~rj)

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1.5 Harmonischer Oszillator 8

Innere Krafte:

~f inj =

∑i

~fji =∑

i

~rj − ~ri

| ~rj − ~ri |Fji(| ~rj − ~ri |)

=∑

i

~rj − ~ri

| ~rj − ~ri |F (| ~rj − ~ri |)

Innere Krafte = Spezialfall von Zentralkraften

~fji = −gradjUji(~rj, ~ri)

= −gradjU(~rj, ~ri)

U(~rj, ~ri) = U(| ~rj − ~ri |)

U in =∑ji

U(| ~rj − ~ri |)

U(| ~rj − ~ri |) = U(| ~ri − ~rj |)Doppelzahlung ist zu vermeiden!

U in =∑i<j

U(| ~rj − ~ri |) =1

2

∑ij

U(| ~rj − ~ri |)

E =∑

j

mj

2~v2

j +∑

j

Uaeuß(~rj) +1

2

∑ij

U(| ~rj − ~ri |) = const

→ Energieerhaltungssatz

Bemerkungen:

• Impuls und Drehimpulserhaltungssatz unter gewissen Voraussetzungen

• Wieviele Erhaltungssatze gibt es? Zufall?

• Jeder Erhaltungssatz spart eine Integration

Definition: Phasenraumvorlaufig: ein Massenpunkt, Bewegung nur in x-Richtung→ Phasenraum = Raum von x und px = mvx = 2-d Raum

• mechanischer Zustand: Punkt im Phasenraum

• Bewegung: Kurve im Phasenraum

• Erhaltungssatz z.B. E = 12m

p2x + U(x) = const = Linie in 2-d Raum

1.5 Harmonischer Oszillator

Ein harmonischer Oszillator ist ein schwingungsfahiges System, das sinusformige Schwin-gungen ausfuhrt. Bei einem linearen, harmonischen Oszillator wird der Schwingungszustanddurch die Angabe des zeitlichen Verlaufs einer einzigen physikalischen Große beschrieben,z.B. Auslenkung aus der Ruhelage x.

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1.5 Harmonischer Oszillator 9

1.5.1 Der ungedampfte lineare harmonische Oszillator

Bewegungsgleichung:

mx + kx = 0 (1.23)

Dabei ist die rucktreibende Kraft laut dem Hook´schen Gesetz der Auslenkung aus derRuhelage proportional: f = −kx (k: Federkonstante). Diese Kraft ruft eine Beschleunigungder Masse hervor.

Die Bewegungsgleichung ist eine lineare, homogene Differentialgleichung 2. Ordnung.⇒ Losung mit Hilfe des charakteristischen Poynoms:

mλ2 + k = 0

→ λ2 = − km→ λ1/2 =+ i

√km

sei ω0 =√

km

⇒ folgende zwei Losungen:

x1(t) = α1eiω0t

x2(t) = α2e−iω0t

Allgemeine Losung:

x(t) = α1eiω0t + α2e

−iω0t

= Acos(ω0t) + Bsin(ω0t)

Andere Form der Losung:

x(t) = Ccos(ω0t + γ) (1.24)

Diskussion:C ist die Amplitude, γ die Phasenverschiebung und ω0 die Eigenfrequenz. Fur die Eigenfre-quenz gilt:

ω0 = 2πν0 =2π

T=

√k

m(1.25)

ν0: FrequenzT : Periodendauer

a) Energieerhaltung

E =1

2mv2 +

1

2kx2 = const

= T + U = const

v2max = 2E

m(da x = 0)

x2max = 2E

k(da v = 0)

→ x2max =

2E

m

m

k= v2

max

1

ω20

| xmax |= vmax1

ω0

(1.26)

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1.5 Harmonischer Oszillator 10

b) Periodendauer

T =2π

ω0

= 2π

√m

k(1.27)

T ist abhangig von xmax

c) Energieerhalung (Fortsetzung)

E = m2v2 + U(x) = const gilt fur jedes U(x)

Kenntnis eines Erhaltungssatzes spart eine Integration:

v = dxdt

=+

√2m

(E − U)

Trennung der Variablen, da v positiv und negativ sein kanndt =+ dx√

2m

(E−U)→ t− t0 =

∫ x

x0

dx√2m

(E−U)

→ durch nur eine Integration erhalt man t = t(x)→ durch Auflosen, Umstellen erhalt man dann x = x(t)

Das funktioniert fur beliebige U(x), i.a. nur numerisch.

d) Phasenraum

E =p2

2m+

k

2x2 = const

⇔ p2

2mE+

x2

2Ek

= 1

Allgemeine Ellipsengleichung: x2

a2 + y2

b2= 1

⇒ Bewegung des ungedampften harmonischen Oszillators bildet im Phasenraum eine

Ellipse mit dem Abszissenabschnitt a =√

2mE und dem Ordinatenabschnitt b =√

2Ek

.

Flache der Ellipse:

F = πab = π

√2E

k2mE = 2πE

√m

k=

ω0

E =E

ν0

= ET

Die Flache hat die Dimension einer Wirkung (Energie*Zeit).Es gibt nur bestimmte Flachen, bei harmonischem Oszillator:

F =

(n +

1

2

)h (1.28)

En =

(n +

1

2

)hν0 =

(n +

1

2

)hω0 (1.29)

n = 0, 1, 2, 3, . . .

• Energien (und maximale Ausschlage) sind gequantelt, nicht alle Energien/Ausschlagesind moglich

• Es gibt eine kleinste Flache

• x = 0 und p = 0 ist unmoglich⇒ Nullpunktschwingungen

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1.5 Harmonischer Oszillator 11

1.5.2 Der gedampfte lineare harmonische Oszillator

Der lineare harmonische Oszillator kann durch Reibung gedampft werden. Die Reibungskraftist der Geschwindigkeit proportional.Bewegungsgleichung:

mx + µx + kx = 0 (1.30)

oder

x + 2ρx + ω20x = 0 (1.31)

mit ρ = 12

µm

und ω0 =√

km

Losung der Bewegungsgleichung:

x(t) = e−ρt[Ae√

ρ2−ω20t + Be−

√ρ2−ω2

0t]

(1.32)

Es gibt allgemein drei verschiedene Falle des gedampften linearen harmonischen Oszillators:

a) Kriechfall (starke Dampfung: ρ > ω0)

x(t) = x1(t) + x2(t) = Ae−λ1t + Be−λ2t (1.33)

mit:

λ1 = ρ−√

ρ2 − ω20 > 0

λ2 = ρ +√

ρ2 − ω20 > 0

λ2 >> λ1

Es gibt keinen oder maximal einen Nulldurchgang.

b) Aperiodischer Grenzfall (kritische Dampfung: ρ = ω0)

x(t) = e−ρt[A + B] = Ce−ρt (1.34)

Hier gibt es nur eine Losung, 2. Losung kann durch Differentiation nach Parametergewonnen werden.

x1(t) = x(t) = Ce−ρt (1.35)

x2(t) =∂x1

∂ρ= −tCe−ρt = Dte−ρt (1.36)

⇒ x(t) = x1(t) + x2(t) = e−ρt[C + Dt] (1.37)

Es gibt wieder keinen oder maximal einen Nulldurchgang.

c) Schwingfall (schwache Dampfung: ρ < ω0)

x(t) = Ce−ρtcos(ωeigent + γ) (1.38)

mit:

ωeigen =√

ω20 − ρ2 < ω0

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1.5 Harmonischer Oszillator 12

Es werden Schwingungen ausgefuhrt mit der Frequenz:

νeigen =ωeigen

2π< ν0

Ce−ρt ist die Amplitude, die mit der Zeit abnimmt.

Es gibt unendlich viele Nulldurchgange.

Der Abstand zwischen den Maxima der Funktion ist die Periodendauer T . Sie nimmtebenfalls mit der Zeit ab. Der Quotient der x-Werte zweier Maxima betragt:

xn

xn+1

= eρT

⇔ lnxn

xn+1

= ρT = δ

δ wird logarithmisches Dekrement genannt.

Liegt Dampfung vor, so hat die Kraft kein Potential, da die Reibung geschwindigkeits-abhangig ist.⇒ kein Energieerhaltungssatz⇒ die Energie nimmt ab, das System kommt zum Stillstand

Darstellung im Phasenraum:

1.5.3 Erzwungene Schwingungen / Resonanz

Der gedampfte harmonische Oszillator wird durch eine außere Kraft f(t) angeregt zum Aus-gleich des Energieverlustes. Die Bewegungsgleichung lautet dann:

x + 2ρx + ω20x = f(t) (1.39)

→ Inhomogene Differentialgleichung 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten→ Allgemeine Losung: allgemeine Losung der homogenen Gleichung + spezielle Losung derinhomogenen Gleichung:

x(t) = xhom(t) + xinh(t)

xhom(t): siehe Gleichung (1.32), Losung mit zwei Integrationskonstantenxinh(t) : spezielle Losung ohne Integrationskonstanten→ es werden nur zwei Integrationskonstanten benotigt

xinh:f(t) sei zunachst f(t) = f0e

iωt

Verabredung in der theoretischen Physik: Bei linearen Differentialgleichungen mit kon-stanten Koeffizienten wird mit komplexen Losungen/Losungsansatzen und mit komplexenInhomogenitaten gearbeitet. Man verstehe automatisch, dass der Realteil genommen werdenmuß.⇒ f(t) = f0cos(ωt) ist eigentlich gemeint.

Dies ist moglich, da:

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1.5 Harmonischer Oszillator 13

es sei Lx = fL = Operator, L = d2

dx2 + 2ρ ddx

+ ω20 ⇒ Re(Lx) = L(Re x) =Re f

⇒ falls Lx = f gelost ist (mit komplexen f und x), dann ist Re x die Losung zu Re f⇒ Losung der Differentialgleichung mit f0e

iωt, dann ist xinh(t) komplex, aber der Realteildieser Losung ist Losung der Differentialgleichung mit f = f0cos(ωt)

Ansatz:

xinh(t) = αeiωt

= Aei(ωt−ϕ)

α = Ae−iϕ, α komplex, A reell

[−ω2 + i2ρω + ω2

0

]xinh = f0e

iωt[−ω2 + 2iρω + ω2

0

]Aei(ωt−ϕ) = f0e

iωt[−ω2 + 2iρω + ω2

0

]A = f0e

= f0 [cosϕ + isinϕ]

A, ϕ gesucht

A√

(ω20 − ω2)2 + 4ρ2ω2 = f0

tanϕ =2ρω

ω20 − ω2

→ A, ϕ bekannt ⇒ xinh(t) bekannt

⇒ Losung der Bewegungsgleichung (fur schwache Dampfung) nachdem Realteil genommenwurde:

x(t) = Ce−ρtcos

(√ω2

0 − ρ2t + γ

)+ Acos(ωt− ϕ) (1.40)

1. Summand: verschwindet nach langer Zeit (”Einschwingen“)

2. Summand: LangzeitverhaltenA: Amplitudeω: Frequenz der Erregerschwingungϕ: Phase, um die die Schwingung der außeren Kraft

”hinterherhinkt“

Diskussion der Amplitude:

A =f0√

(ω20 − ω2)2 + 4ρ2ω2

=f0

ω20

1√(1− ω2

ω20

)2

+ 4ρ2 ω2

ω40

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1.5 Harmonischer Oszillator 14

a) y = ωω0

sei klein, außere Kraft hat kleine Frequenz

β = 4ρ2

ω20

⇒ 1s�1−ω2

ω20

�2

+4ρ2 ω2

ω40

= 1√(1−y2)2+βy2

≈ 1√1−2y2−βy2

= 1√1+y2(β−2)

≈ 1

1+y2(β2−1)

≈ 1 + y2(1− β

2

)⇒ A ≈ f0

ω20

[1 +

ω2

ω20

(1− 2ρ2

ω20

)](1− 2ρ2

ω20

)→ positiv fur ω2

0 > 2ρ2

→ negativ fur ω20 < 2ρ2

b) ω sehr groß⇒ A ≈ f0√

ω4= f0

ω2

Lage des Maximums:

ωmax :∂A

∂ω= 0

∂A

∂ω= −fo

2

[(−4ω(ω20 − ω2) + 8ωρ2]√

. . .3= 0

2ρ2 = (ω20 − ω2)

ω2max = ω2

0 − 2ρ2

ωmax =√

ω20 − 2ρ2 > 0

falls 2ρ2 < ω20

ωeigen =√

ω20 − ρ2

⇒ ωmax ≈ ωeigen ≈ ω0

fur ρ sehr klein

A(ωmax) =f0√

4ρ4 − 4ρ2(ω20 − 2ρ2)

ρ klein ⇒ A(ωmax) großρ → 0 ⇒ A(ωmax) →∞

Resonanz ist das Mitschwingen eines schwingungsfahigen Systems, das an ein schwingendesSystem gekoppelt ist. Es werden starke Schwingungen bei kleiner außerer Kraft ausgefuhrt,falls:ω =

√ω2

0 − 2ρ2 ≈ ωeigen ≈ ω0 fur kleine ρ.Bei ω = ωeigen erreicht die Amplitude einen Maximalwert (Resonanzfall). Wird die Ampli-tude des mitschwingenden Systems unendlich groß (moglich bei sehr geringer Dampfung)spricht man von Resonanzkatastrophe.

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1.5 Harmonischer Oszillator 15

ϕ ist die Phasenverschiebung zwischen Erregerschwingung und erzwungener Schwingung.Es gilt:

tanϕ = 2ρωω2

0−ω= 2ρω

ω20

fur kleine ω

tanϕ = 2ρωω2

0−ω= −2ρ

ωfur große ω

Fur kleine Frequenzen laufen Erreger- und erzwungene Schwingungen parallel, sie befin-den sich

”in Phase“. Im Resonanzfall betragt die Phasenverschiebung 90◦ bzw. π

2, um die

die Erregerschwingung der erzwungenen vorauseilt. Fur große Frequenzen vergroßert sich diePhasendifferenz auf 180◦ bzw. π, die beiden Schwingungen sind

”gegenphasig“.

Diskussion im Phasenraum:Kurve im Phasenraum ist nach langer Zeit (nach dem Einschwingen) eine Ellipse, un-

abhangig von Anfangsort und Anfangsgeschwindigkeit. Ellipse ist ein Attraktor (hier Grenz-zyklus), der alle Trajektoren

”anzieht“.

1.5.4 Zwei gekoppelte lineare harmonische Oszillatoren(ungedampft)

Schematische Darstellung:Bewegungsgleichungen ohne Kopplung (k′ = 0):

x1 + ω20x1 = 0

x2 + ω20x2 = 0

mit ω0 =√

km

Losung dieser Gleichungen siehe Gleichung (1.24).

Bewegungsgleichungen mit Kopplung (k′ 6= 0):

x1 + ω20x1 + ω2

k(x1 − x2) = 0 (1.41)

x2 + ω20x2 + ω2

k(x2 − x1) = 0 (1.42)

mit ω0 =√

km

und ωk =√

k′

m

→ gekoppeltes System linearer DifferentialgleichungenLosung durch Addition/Subtraktion beider Gleichungen:

(x1 + x2) + ω20(x1 + x2) = 0

(x1 − x2) + ω20(x1 − x2) + 2ω2

k(x1 − x2) = 0

x1 = x1 + x2

x2 = x1 − x2

⇒ ¨x1 + ω20x1 = 0

¨x2 + (ω20 + 2ω2

k)x2 = 0

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1.5 Harmonischer Oszillator 16

x1 = x1 + x2 = Acos(ω0t + γ)

x2 = x1 − x2 = Bcos

(√ω2

0 + 2ω2kt + µ

)⇒ Losungen:

x1(t) =A

2cos(ω0t + γ) +

B

2cos

(√ω2

0 + 2ω2kt + µ

)(1.43)

x2(t) =A

2cos(ω0t + γ)− B

2cos

(√ω2

0 + 2ω2kt + µ

)(1.44)

Die vier Integrationskonstanten A, B, γ und µ sind aus den Anfangsbedingungen (zwei An-fangsorte, zwei Anfangsgeschwindigkeiten) zu bestimmen.

speziell sei: B = 0 ⇒ x1 = x2

→ innere Feder nicht gespannt→ Schwingungen mit ω0

speziell sei: A = 0

⇒ x1 = −x2 = B2cos(√

ω20 + 2ω2

kt + µ)

→ maximale Spannung der inneren Feder

→ Kreisfrequenz ist√

ω20 + 2ω2

k > ω0

Allgemein gibt es hier zwei Kreisfrequenzen:ω1 = ω0

ω2 =√

ω20 + 2ω2

k

Diese werden Eigenfrequenzen genannt, die entsprechenden Schwingungen heißen Grund-schwingungen oder Eigenschwingungen.

1.5.5 Chaotische Bewegungen

Eine Bewegung heißt chaotisch, wenn sie nicht vorhersagbar ist, d.h. die Losung der Be-wegungsgleichung sehr empfindlich von den Anfangsbedingungen abhangt. DeterministischeDifferentialgleichungen konnen chaotische Losungen haben. Dies ist moglich, wenn sie min-destens ein nichtlineares Glied und mindestens drei Variable haben.

Beispiele:

• Henon-Heiles

• Staubkorn zwischen zwei Planeten

• Saturnmond Hypernion

• Pendel uber zwei Magneten

• Lorenzmodell (Wettermodell)

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2 Prinzipien der Mechanik

2.1 Nebenbedingungen

2.1.1 Freiheitsgrade

Als Freiheitsgrad F bezeichnet man jede, von den anderen unabhangige, Ortskoordinate.Beispiele:

• Ein Massenpunkt: F = 3 (x, y, z)

• Ein Massenpunkt auf Flache: F = 2 (x, y)

• Ein Massenpunkt auf Linie: F = 1 (x)

• Ein starrer Korper: F = 3 + 2 + 1 = 6

• N freie Massenpunkte: F = 3N

2.1.2 Holonome Nebenbedingungen

Holonome Nebenbedingungen sind Gleichungen, die die Zahl der Freiheitsgrade einschranken.Beispiele:

• Ein Massenpunkt auf Kugel: x2 + y2 + z2 = R2

• Ein Massenpunkt auf Tischflache: z = 0

• Zug auf Schiene: F = 1, weil es zwei Gleichungen der Nebenbedingungen gibt (z = 0und y = y(x))

Allgemein: Gibt es M Gleichungen

Fm(~r1, . . . ~rN ; t) = 0 (2.1)

mit m = 1 . . . Mso gilt fur die Freiheitsgrade:

F = 3N −M (2.2)

Die Bewegung erfolgt auf Schnittflachen von M Hyperflachen im 3N -dimensionalen Raum.

Bewegungsablauf:d~ri 6= 0; dt 6= 0; Fm = 0 immer

⇒ dFm = 0 =∑

i

(∂Fm

∂xi

dxi +∂Fm

∂yi

dyi +∂Fm

∂zi

dzi

)+

∂Fm

∂tdt (2.3)

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2.2 d’Alembert’sches Prinzip 18

da(

∂∂xi

, ∂∂yi

, ∂∂zi

)= gradi:

dFm = 0 =∑

i

gradiFmd~ri +∂Fm

∂tdt (2.4)

⇔ 0 =∑

i

~vigradiFm +∂Fm

∂t(2.5)

⇒ Geschwindigkeiten sind eingeschrankt.

2.1.3 Nicht-holonome Nebenbedingungen

Wahrend bei den holonomen Nebenbdingungen Orte und Geschwindigkeiten eingeschranktsind, sind bei den nicht-holonomen Nebenbedingungen nur Geschwindigkeiten eingeschrankt.

0 =∑

i

~vi ~ai,m(~r1, . . . ~rN , t) + am,0(~r1, . . . ~rN , t) (2.6)

aber: es gibt keine Fm(~r1, . . . ~rN , t), so dass:

~ai,m = gradiFm

am,0 = ∂Fm

∂t

2.1.4 Skleronome Nebenbedingungen

Skleronome Nebenbedingungen sind zeitunabhangige Nebenbedingungen.

2.1.5 Rheonome Nebenbedingungen

Rheonome Nebenbedingungen sind zeitabhangige Nebenbedingungen.

2.2 d’Alembert’sches Prinzip

Das d’Alembert’sche Prinzip wird auch das Prinzip der virtuellen Verruckungen oder dervirtuellen Arbeit genannt.Definition: Virtuelle Verruckungen δ~ri sind mit den Nebenbedingungen vertragliche (aberunendlich schnelle, nicht reale) infinitesimale Verschiebungen der Massenpunkte.δ~ri 6= 0; δt = 0; holonome Nebenbedingungen ⇒

0 =∑

i

gradiFmδ~ri (2.7)

Problem bei Aufgaben mit Nebenbedingungen:

mi ~ri = ~fi + ~fi

= Kraft plus Zusatzkraft auf i-ten Massenpunkt~fi

′sind i.a. unbekannte Zwangskrafte, die die Einhaltung der Nebenbedingungen erzwingen.

Es gilt:∑i

(~fi + ~fi

′−mi ~ri)δ~ri = 0 (2.8)

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2.4 Hamilton’sches Prinzip 19

d’Alembert:

δA′ =∑

i

~fi

′δ~ri = 0 (2.9)

⇒ Zwangskrafte leisten bei einer virtuellen Verruckung keine Arbeit (δA′: virtuelle Arbeit).

2.3 Lagrange-Gleichungen 1. Art

N∑i=1

[~fi +

(M∑

m=1

λmgradiFm

)−mi ~ri

]δ~ri = 0 (2.10)

λm := Lagrange-Parameterδ~ri: 3N Großen, davon sind nur F = 3N −M frei wahlbar;M Gleichungen

∑i gradiFmδ~ri = 0 sind zu erfullen

λm: M frei wahlbare Großen⇒ Insgesamt hat man (3N −M) + M = 3N frei wahlbare Großen.

→ mi ~ri = ~fi +∑m

λmgradiFm︸ ︷︷ ︸=~fi

(2.11)

Unbekannte: ~ri(t), λm: 3N + M UnbekannteGleichungen:

mi ~ri = ~fi +∑m

λmgradiFm → 3NGl.

Fm(~r1, . . . ~rN , t) = 0 → MGl.

Insgesamt: 3N + M Gleichungen fur 3N + M Unbekannte

2.4 Hamilton’sches Prinzip

(Hamilton 1834)Fragestellung: Wodurch ist die Bahn ~r(t) eines Massenpunktes (bzw. ~ri(t)von vielen) ausge-zeichnet gegenuber anderen denkbaren?Antwort:

• Erfullung der Newton’schen Gesetze

• ~r(t) in irgendeiner Weise”optimal“,

”schon “

Warum ist ~ri(t) ”besser “als variierte Bahn ~ri

′(t), die nicht den Newton’schen Gesetzengenugt?

Einschrankungen der Aufgabenstellung:

a) ~ri′(t)− ~ri(t) = δ~ri(t)

ist klein und variierte Bahn genugt auch Nebenbedingungen

→∑

i δ~rigradiFm = 0

und δt = 0: beide Bahnen werden zum selben Zeitpunkt verglichen

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2.4 Hamilton’sches Prinzip 20

b) δ~ri(t = t0) = δ~ri(t = t0) = 0→ fester Anfangs- und Endortaber: Anfangs- und Endgeschwindigkeit konnen unterschiedlich sein

c) δ~ri(t) sei klein und differenzierbar

Definition: Variation δΦ einer Funktion Φ = Φ(~ri(t), ~ri; t)

δΦ = Φ(~ri + δ~ri, ~ri + δ~ri; t)− Φ(~ri, ~ri; t) (2.12)

= Φ(~ri, ~ri; t) +∂Φ

∂x1

δx1 + · · ·+ ∂Φ

∂x1

δx1 + · · · − Φ(~ri, ~ri; t) (2.13)

=∑

i

[∂Φ

∂~rδ~ri +

∂Φ

∂~ri

δ~ri

](2.14)

da δt = 0 ⇒ δ~ri = ddt

δ~ri

→ xδx =d

dt(xδx)− x

d

dtδx

=d

dt(xδx)− sδx

=d

dt(xδx)− 1

2δx2

Analog fur y, z, summieren uber i, multiplizieren mit mi:∑i

mi ~riδ~ri =d

dt

∑i

mi ~riδ~ri −1

2

∑i

miδ~r2i︸ ︷︷ ︸

δT=δ 12

Pi mi ~r2

i

(2.15)

δT : Variation der kinetischen Energie

d

dt

∑i

mi ~riδ~ri = δT +∑

i

~fiδ~ri

= 0

Voraussetzung: Alle Krafte sind Potentialkrafte~fi = −gradiU∑

i

~fiδ~ri = −∑

i

gradiUδ~ri

= − ∂U

∂x1

dx1 − . . .

= −δU

d

dt

∑i

mi ~riδ~ri = δT − δU = δL (2.16)

→ Lagrange-Funktion:

L = T − U (2.17)

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2.5 Lagrange Gleichungen 2. Art 21

Integration:

t1∫to

d

dt

∑i

mi ~riδ~ridt =

[∑i

mi ~riδ~ri

]t1

t0

= 0

⇒t1∫

t0

δLdt = 0 (2.18)

⇔ δ

t1∫t0

Ldt = 0 (2.19)

⇒t1∫

t0

Ldt = Extr. (2.20)

Das Extremum ist i.a. ein Minimum.∫Ldt hat die Dimension einer Wirkung (Energie*Zeit).

Das Hamilton’sche Prinzip wird daher auch das Prinzip der kleinsten Wirkung genannt.Die richtige Bahn ist dadurch ausgezeichnet, daß eine physikalische Große (Wirkung) mini-mal ist!

δ∫ t1

t0Ldt = 0 ist forminvariant, d.h. unabhangig von der Wahl des Koordinatensystems.

2.5 Lagrange Gleichungen 2. Art

Idee: Holonome Nebenbedingungen Fm(~ri, ~ri; t) = 0 konnen erfullt werden durch Auswahlneuer Koordinaten, Forminvarianz.

Beispiele:

• Ein Massenpunkt auf TischplatteKoordinaten: x, y, zNebenbedingung: z = 0Verallgemeinerte Koordinaten: x, y

• Ein Massenpunkt auf KugelKoordinaten: x, y, zNebenbedingung: x2 + y2 + z2 = R2

Verallgemeinerte Koordinaten: Breiten- und Langengrade θ, ϕ→ x = Rsinθcosϕ

y = Rsinθsinϕz = Rcosθ

• Ebenes PendelKoordinaten: x, y, zNebenbedingungen: z = 0 und x2 + y2 = l2

Verallgemeinerte Koordinaten: ϕ

Allgemein:

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2.5 Lagrange Gleichungen 2. Art 22

• Verallgemeinerte Koordinaten qi mussen aus Kenntnis der Nebenbedingungen”erfun-

den“werden.

• Umrechnung: ~rj = ~rj(qi; t)

• Umrechnung: ~rj = ~rj(qi, qi; t)

• L = T − U = L(~rj, ~rj) = L(qi, qi; t)

Forminvarianz →t1∫

t0

L(qi, qi; t)dt = Extr. (2.21)

Aufgabe = δ∫ t1

t0Ldt = 0 = ursprungliche Form

da δt = 0 →∫ t1

t0δLdt = 0

mit Gleichung (2.14):

δL =∑

i

[∂L∂qi

δqi +∂L∂qi

δqi

]

→t1∫

t0

∑i

[∂L∂qi

δqi +∂L∂qi

d

dtδqi

]dt = 0

Partielle Integration des zweiten Terms:

t1∫t0

∂L∂qi

(d

dtδqi

)dt =

[∂L∂qi

δqi

]t1

t0︸ ︷︷ ︸=0

−t1∫

t0

d

dt

(∂L∂qi

)δqidt

→t1∫

t0

∑i

[∂L∂qi

− d

dt

∂L∂qi

]δqidt = 0

δqi sind frei wahlbar, Nebenbedingungen sind erfullt, z.B.:δq1 6= 0, δq2 = δq3 = · · · = 0

⇒ Lagrange-Gleichungen 2. Art (Mathematik: Euler’sche Gleichungen):

∂L∂qi

− d

dt

∂L∂qi

= 0 (2.22)

→ nur noch 3N −M Differentialgleichungen 2. Ordnung statt 3N + M Differentialgleichun-gen!

Vorschrift:

a) L = T − U in kartesischen Koordinaten

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2.5 Lagrange Gleichungen 2. Art 23

b) verallgemeinerte Koordinaten qi . . . q3N−M so bestimmen, dass Nebenbedingungen erfulltsind.

c) ~rj = ~rj(qi; t) und ~rj = ~vj(qi, qi; t) berechnen

d) L(qi, qi; t) berechnen aus a) und c)

e) ∂L∂qi− d

dt∂L∂qi

= 0 aufschreiben

f) ∂L∂qi− d

dt∂L∂qi

= 0 losen

speziell: keine Nebenbedingungenz.B.: verallg. Koordinaten = kartesische Koordinaten ~ri mit i = 1 . . . N

→ L =∑

i

mi

2~r2i − U(~ri)

∂L∂qi

=∂L∂~ri

= mi ~ri

∂L∂qi

= −∂U

∂~ri

= −gradiU = ~fi

⇒ d

dt

∂L∂qi

=∂L∂qi

= mi ~ri = ~fi

→ lex secunda

Vorteile von Lagrange-Gleichungen 2. Art:

• ohne Nebenbedingungen: Ubergang z.B. zu Polarkoordinaten ist einfacher; nur ~ri und~ri mussen umgerechnet werden (nicht ~ri)

Polarkoordinaten r, θ, ϕ statt x, y, z →

∂L∂r− d

dt

∂L∂r

= 0

∂L∂θ− d

dt

∂L∂θ

= 0

∂L∂ϕ

− d

dt

∂L∂ϕ

= 0

• mit Nebenbedingungen: 3N −M statt 3N + M Differentialgleichungen

• allgemeine Aussagenerleichterung, z.B. L unabhangig von q5

→ ∂L∂q5

= 0 =d

dt

∂L∂q5

⇒ ∂L∂q5

= const.

Erhaltungssatz!

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2.6 Hamilton´sche Kanonische Gleichungen 24

2.6 Hamilton´sche Kanonische Gleichungen

Gegeben: L = L(qi, qi; t)qi = verallgemeinerte Koordinaten

Definition: Verallgemeinerte Impulse pi

pi =∂L∂qi

= pi(qj, qj; t) (2.23)

L = T − U =∑

i

mi

2~r2i − U

∂L∂x1

= m1x1 = px

→ verallgemeinerte Impulse ≡”normale “Impulse

Definition: Hamiltonfunktion

H = H(qi, pi; t) =∑

j

pj qj − L(qi, qi; t) (2.24)

Zur Definition gehort:

a) qi mussen eliminiert werden durch pi = pi(qj, qj; t)→ qi = qi(qj, pj; t) durch Auflosen

b) qi, pi sind unabhangige Großenz.B. ∂p5

∂q3= 0

Der Ubergang L → H heißt kanonische Transformation oder Legendre-Transformation.

Thermodynamik: U = Gesamtenergie, T = Temperatur, S = Entropie→ F = U − TS ≡ Freie Energiemit U = U(S, V ) und F = F (T, V )

Die Hamilton’schen kanonischen Gleichungen:

∂H∂pi

= qi +∑

j

pj∂qj

∂pi

−∑

j

L∂qi

∂qj

∂pi

= qi

⇒ qi =∂H∂pi

(2.25)

∂H∂qi

=∑

j

pj∂qj

∂qi

− ∂L∂qi

−∑

j

L∂qj

∂qj

∂qi

= −pi

⇒ pi = −∂H∂qi

(2.26)

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2.6 Hamilton´sche Kanonische Gleichungen 25

i = 1, . . . , F→ 2F Differentialgleichungen 1. Ordnung → 2F Integrationskonstanten(aquivalent zu Lagrange-Gleichungen 2. Art: F Differentialgleichungen 2. Ordnung → 2FIntegrationskonstanten)

→ F Differentialgleichungen 2. Ordnung wurden in 2F Differentialgleichungen 1. Ordnungumgewandelt

Physikalische Bedeutung von H

H =∑

j

pj qj − L

=∑

j

~rj~pj − L

=∑

j

mj~r2j −

1

2

∑j

mj~r2j + U

=1

2

∑j

mj~r2j + U

= T + U

H ist also die Gesamtenergie

H = T + U = E (2.27)

Vorschrift:

a) H aus L berechnen

b) Transformation → Abhangigkeiten nur von qi, pi

c) Gleichungen aufstellen

d) Gleichungen losen

Phasenraumendgultige Definition: Raum der verallgemeinerten Orte und verallgemeinerten Impulse

• Bewegung: Kurve im Phasenraum

• Periodische Bewegung: geschlossene Kurve

• Kurve gegeben durch Hamilton’sche kanonische Gleichungen

Erhaltungssatze

a) Energieerhaltungssatz

H = H(qi(t), pi(t); t)(Abhangigkeit von t nur fur rheonome Nebenbedingungen)

dHdt

=∂H∂t

+∑

i

[∂H∂qi

qi +∂H∂pi

pi

]=

∂H∂t

+∑

i

[∂H∂qi

∂H∂pi

− ∂H∂pi

∂H∂qi

]

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2.6 Hamilton´sche Kanonische Gleichungen 26

⇒ fur rheonome Nebenbedingungen: dHdt

= ∂H∂t6= 0 ⇒ kein Energieerhaltungssatz

⇒ fur skleronome Nebenbedingungen: dHdt

= ∂H∂t

= 0→ H = E = const ⇒ Energieerhaltungssatz

Interpretation:∂H∂t

= 0 = H(qi, pi; t) = H(qi, pi; t + t0)→ Energieerhaltungssatz entspricht Invarianz gegenuber zeitlicher Translation

b) Impulserhaltungssatz

Keine Nebenbedingungen, kartesische Koordinaten:H = H (~ri, ~pi) mit i = 1, . . . N

H sei invariant gegenuber raumlicher Translation = Experiment ist unabhangig vomOrt⇒ H (~ri, ~pi) = H (~ri + ~a, ~pi) fur alle ~a

o.B.d.A.: ~a sei infinitesimal klein

dH = H (~ri + ~a, ~pi)−H (~ri, ~pi) = 0

= ~a∑

i

∂H∂~ri

= 0

~a klein, aber beliebig

⇒∑

i

∂H∂~ri

= 0∑i

~pi = 0

Definition: Gesamtimpuls ~P =∑

i ~pi

d

dt~P = 0 → ~P = const

→ Impulserhaltungssatz

c) Derhimpulserhaltungssatz

Keine Nebenbedingungen

• Forderung: Homogenitat (= Invarianz) gegenuber Drehung

• Definition: Drehung hat bestimmten Betrag und bestimmte Richtung

• Kleine Drehung: d~ϕ

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2.6 Hamilton´sche Kanonische Gleichungen 27

• d~ri = d~ϕ× ~ri

d~pi = d~ϕ× ~pi

Forderung: dH = 0

0 = H (~ri + d~ϕ× ~ri, ~pi + d~ϕ× ~pi)−H (~r − i, ~pi)

=∑

i

[∂H∂~ri

(d~ϕ× ~ri) +∂H∂~pi

(d~ϕ× ~pi)

]=

∑i

[−~pi(d~ϕ× ~ri) + ~ri(d~ϕ× ~pi)

]= −d~ϕ

∑i

[(~ri × ~pi) + (~pi × ~ri)

]= −d~ϕ

d

dt

∑i

(~ri × ~pi)

Definition: Drehimpuls des Massepunktes i: ~Li = ~ri × ~pi

Definition: Gesamtdrehimpuls: ~L =∑

i(~ri × ~pi)

d~ϕ klein, aber beliebig

d~L

dt= 0 → ~L = const

→ Drehimpulserhaltungssatz

d) Zyklische Koordinaten

(auch mit Nebenbedingungen)

∂H∂qi

= 0 → pi = 0 → pi = const

Eine Koordinate, von der H unabhangig ist, heißt zyklische Koordinate. Jeder zykli-schen Koordinate entspricht ein Erhaltungssatz. Der entsprechende verallgemeinerteImpuls ist Erhaltungsgroße.Systematische Theorie, um Erhaltungssatze zu finden → Hamilton-Jakobi-Theorie

Ziel: Durch geeignete Transformation qi, pi → Qi, Pi sollen alle neuen Qi zyklisch wer-den.

H(qi, pi; t)Transf.−→ H(Pi; t)

⇒ Qi =∂H(Pi; t)

∂Pi

= ωi(Pj; t)

Losung:

Qi(t) = Qi(t0) +

t∫t0

ωi(Pj; t)dt

Page 30: Erg¨anzungskurs Physik Teil 1: Theoretische Mechanik · Ein harmonischer Oszillator ist ein schwingungsf¨ahiges System, das sinusf¨ormige Schwin- gungen ausfuhrt.¨ Bei einem linearen,

2.6 Hamilton´sche Kanonische Gleichungen 28

speziell: skleronome Nebenbedingungen

ωi = ωi(Pj)

Qi(t) = Qi(t0) + ωi(Pj)(t− t0)

Pi = const

Damit waren alle Aufgaben der Mechanik gelost durch Rucktransformation: Qi →qi → ~ri

Systeme, bei denen dieses Ziel erreichbar ist, heißen integrabel.

• Zahl der Erhaltungssatze = Zahl der Freiheitsgrade F

• Systeme haben F Perioden (periodisch oder quasiperiodisch)

• ωi sind Kreisfrequenzen

Es gibt auch nicht integrable Systeme. Diese konnen (mussen nicht) chaotische Losun-gen haben.