Ermittlung des Bemessungswasserstandes

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© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Beton- und Stahlbetonbau Spezial 2014 37 DOI: 10.1002/best.201400086 Hubert von Grabczewski FACHTHEMA Ermittlung des Bemessungswasserstandes Eine vorplanerische Pflicht oder Planerschicksal 1 Allgemeine Planerpflicht Gebäude sind mit dem Erdboden verbundene, aus Bau- stoffen hergestellte, selbstständig benutzbare und über- dachte bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können. Sie müssen geeignet oder bestimmt sein, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu die- nen [1]. Sowohl Planungen als auch Baustoffe können nur ge- nutzt werden, wenn die Art der Beanspruchung dem Pla- ner bekannt ist. Die Anspruchsklasse ergibt sich aus den Kenntnissen des Baugrundgutachtens, die am tatsächli- chen Bauwerkstandort erhoben wurden. Die Deutsche Gesellschaft für Geotechnik e.V. legte im Jahre 1997 als Reprint die 2. Auflage aus 1937 der „Richtlinien für bautechnische Bodenuntersuchungen für Entwurfsver- fasser, Bauausführende und Bauherren“ auf [2]. Hierin wurden in kurzer, prägnanter Form den Planern und an- deren Baubeteiligten Regeln zur Bodenuntersuchung und damit der Ermittlung des Bemessungswasserstandes ver- mittelt. In dem genannten Merkblatt [3] wurde u. a. festgehalten, dass die Untersuchungen rechtzeitig schon für die Ent- wurfsbearbeitung unerlässlich sind. das Fehlen gründlicher Untersuchungen der Erkun- dung der Bodenverhältnisse in vielen Fällen zu großen Misserfolgen, Betriebserschwernissen, zu schweren Unfällen und Geldverlusten führt. die Kosten für Bodenuntersuchungen in keinem Ver- hältnis zu den Nachteilen der Unterlassung stehen. jeder Planungsbeteiligte sich bewusst sein muss, dass die Unterlassung der Untersuchung Sparen am fal- schen Platz bedeutet. Auch J.S. FRONTINUS (33 bis 104 n. Chr.) [4] stellte bereits seinerzeit Folgendes fest: „Kein anderer Bau erfordert (…) größere Sorgfalt in seiner Ausführung, als einer, der dem Wasser stand- halten soll. Daher ist für einen solchen Fall Gewissen- haftigkeit von Nöten – ganz im Sinne der Regeln, die zwar alle kennen, aber nur wenige befolgen.“ Seit jeher werden Regeln und Normen genutzt, um die Ge- brauchstauglichkeit für die uneingeschränkte Nutzung und für den vorhergesehenen Zweck einer baulichen Anlage zu ge- währleisten. Trotz dieser klaren Kenntnisse nehmen in den letz- ten Jahren Feuchteschäden an Gebäuden erheblich und mit steigender Tendenz zu. Neben Ausführungsfehlern wurden Pla- nungsfehler als Hauptursache der Feuchteschäden erkannt. Hierbei sind die vorliegenden Wasser- und Bodenverhältnisse, insbesondere der Bemessungswasserstand, von maßgeblicher Bedeutung. Obwohl alle Regelwerke darauf hinweisen, dass jedem Planer vor Planungsbeginn die am Bauwerkstandort vorliegenden Wasser- und Bodenverhältnisse und die sich daraus ergeben- den Interaktionen zwischen Boden, Feuchte, Wasser und Bau- werk bekannt sein müssen, werden Planungen heute noch viel- fach basierend auf ungesicherten Erkenntnissen und Annah- men erstellt. Bei dieser Vorgehensweise ist dem Zufall überlas- sen, ob schadenauslösende Planungen und Bauausführungen erstellt werden. Dadurch erhöhen Planer erheblich ihr Schick- sal, in Verantwortung genommen zu werden. In Folgendem soll daher dargestellt werden, welche Rand- bedingungen bei der Ermittlung der Planungsgrundlage „Be- messungswasserstand“ für eine Bauwerksplanung zu beach- ten sind und wo Planerfallen lauern. Measurement of the design water level – A planning obligation or a planner’s fate Regulations and norms have always been used to ensure the suitability of a construction for unrestricted use and for the in- tended purpose. Despite this clear knowledge, moisture dam- age to buildings has been increasing at a considerable rate in recent years. Alongside execution errors, planning errors have been found to be the primary cause of moisture damage. In this context, existing water and soil conditions, in particular the de- sign water level, are of particular importance. Even though all rules and standards indicate that every planner must be aware of the existing water and soil conditions at the construction site, as well as the resulting interaction between soil, moisture, water and the structure, before the beginning of planning, planning is still currently frequently undertaken on the basis of uncertain knowledge and assumptions. If assump- tions and uncertain knowledge of design water levels are used as the basis for planning, it is obvious that such an approach will result in planning and construction that leads to subse- quent damage. Planners thereby increase their own likelihood of being held responsible. What follows is an explanation of which general conditions must be taken into consideration when determining the “design water level” planning basis and what traps may await planners.

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© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Beton- und Stahlbetonbau Spezial 2014 37

DOI: 10.1002/best.201400086

Hubert von Grabczewski FACHTHEMA

Ermittlung des BemessungswasserstandesEine vorplanerische Pflicht oder Planerschicksal

1 Allgemeine Planerpflicht

Gebäude sind mit dem Erdboden verbundene, aus Bau-stoffen hergestellte, selbstständig benutzbare und über-dachte bauliche Anlagen, die von Menschen betretenwerden können. Sie müssen geeignet oder bestimmt sein,dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu die-nen [1].

Sowohl Planungen als auch Baustoffe können nur ge-nutzt werden, wenn die Art der Beanspruchung dem Pla-ner bekannt ist. Die Anspruchsklasse ergibt sich aus denKenntnissen des Baugrundgutachtens, die am tatsächli-chen Bauwerkstandort erhoben wurden. Die DeutscheGesellschaft für Geotechnik e.V. legte im Jahre 1997 alsReprint die 2. Auflage aus 1937 der „Richtlinien für bautechnische Bodenuntersuchungen für Entwurfsver -fasser, Bauausführende und Bauherren“ auf [2]. Hierinwurden in kurzer, prägnanter Form den Planern und an-deren Baubeteiligten Regeln zur Bodenuntersuchung unddamit der Ermittlung des Bemessungswasserstandes ver-mittelt.

In dem genannten Merkblatt [3] wurde u. a. festgehalten,dass

– die Untersuchungen rechtzeitig schon für die Ent-wurfsbearbeitung unerlässlich sind.

– das Fehlen gründlicher Untersuchungen der Erkun-dung der Bodenverhältnisse in vielen Fällen zu großenMisserfolgen, Betriebserschwernissen, zu schwerenUnfällen und Geldverlusten führt.

– die Kosten für Bodenuntersuchungen in keinem Ver-hältnis zu den Nachteilen der Unterlassung stehen.

– jeder Planungsbeteiligte sich bewusst sein muss, dassdie Unterlassung der Untersuchung Sparen am fal-schen Platz bedeutet.

Auch J.S. FRONTINUS (33 bis 104 n. Chr.) [4] stellte bereitsseinerzeit Folgendes fest:

– „Kein anderer Bau erfordert (…) größere Sorgfalt inseiner Ausführung, als einer, der dem Wasser stand-halten soll. Daher ist für einen solchen Fall Gewissen-haftigkeit von Nöten – ganz im Sinne der Regeln, diezwar alle kennen, aber nur wenige befolgen.“

Seit jeher werden Regeln und Normen genutzt, um die Ge-brauchstauglichkeit für die uneingeschränkte Nutzung und fürden vorhergesehenen Zweck einer baulichen Anlage zu ge-währleisten. Trotz dieser klaren Kenntnisse nehmen in den letz-ten Jahren Feuchteschäden an Gebäuden erheblich und mitsteigender Tendenz zu. Neben Ausführungsfehlern wurden Pla-nungsfehler als Hauptursache der Feuchteschäden erkannt.Hierbei sind die vorliegenden Wasser- und Bodenverhältnisse,insbesondere der Bemessungswasserstand, von maßgeblicherBedeutung.Obwohl alle Regelwerke darauf hinweisen, dass jedem Planervor Planungsbeginn die am Bauwerkstandort vorliegendenWasser- und Bodenverhältnisse und die sich daraus ergeben-den Interaktionen zwischen Boden, Feuchte, Wasser und Bau-werk bekannt sein müssen, werden Planungen heute noch viel-fach basierend auf ungesicherten Erkenntnissen und Annah-men erstellt. Bei dieser Vorgehensweise ist dem Zufall überlas-sen, ob schadenauslösende Planungen und Bauausführungenerstellt werden. Dadurch erhöhen Planer erheblich ihr Schick-sal, in Verantwortung genommen zu werden.In Folgendem soll daher dargestellt werden, welche Rand -bedingungen bei der Ermittlung der Planungsgrundlage „Be-messungswasserstand“ für eine Bauwerksplanung zu beach-ten sind und wo Planerfallen lauern.

Measurement of the design water level – A planningobligation or a planner’s fateRegulations and norms have always been used to ensure thesuitability of a construction for unrestricted use and for the in-tended purpose. Despite this clear knowledge, moisture dam-age to buildings has been increasing at a considerable rate inrecent years. Alongside execution errors, planning errors havebeen found to be the primary cause of moisture damage. In thiscontext, existing water and soil conditions, in particular the de-sign water level, are of particular importance.Even though all rules and standards indicate that every plannermust be aware of the existing water and soil conditions at theconstruction site, as well as the resulting interaction betweensoil, moisture, water and the structure, before the beginning ofplanning, planning is still currently frequently undertaken onthe basis of uncertain knowledge and assumptions. If assump-tions and uncertain knowledge of design water levels are usedas the basis for planning, it is obvious that such an approachwill result in planning and construction that leads to subse-quent damage. Planners thereby increase their own likelihoodof being held responsible.What follows is an explanation of which general conditionsmust be taken into consideration when determining the “designwater level” planning basis and what traps may await planners.

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Die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik, indenen als Bemessungsgrundlage die Kenntnis des Be -messungswasserstandes gefordert wird, ist unbestrittenePlanerpflicht.

Die Entwurfsverfasser sind zudem dafür verantwortlichund nachweispflichtig, dass die öffentlich rechtlichen Vor-schriften eingehalten wurden. Ihnen entgeht oftmals, dassz. B. die oberste Bauaufsichtsbehörde in NRW DIN-Nor-men – u. a. die DIN 1054 [5] und DIN 4020 [6] – als„Technische Baubestimmungen“ veröffentlichte und da-mit diese Normen zu „öffentlich rechtlichen Vorschrif-ten“ erhob.

Herr Prof. HERMANN KORBION († 1999), langjährigerVorsitzender Richter am OLG Düsseldorf, prägte auf-grund seiner Erfahrungen aus baulichen Rechtsstreitig-keiten folgenden Grundsatz:

„Ohne Grund und Boden geht das Bauen nicht.“

Deutlicher kann man nicht ausdrücken, von welch grund-legender Bedeutung die Kenntnis des Bemessungswasser-standes ist, um ein funktionserfüllendes Bauwerk zu pla-nen, auszuführen und nicht mit Regressen konfrontiert zuwerden.

2 Definition Bemessungswasserstand

In der Richtlinie des Deutschen Ausschusses für Stahlbe-ton – Wasserundurchlässige Bauwerke aus Beton [7] –wird folgende Definition zum Bemessungswasserstandgegeben:

– „Der höchste innerhalb der planmäßigen Nutzungs-dauer zu erwartende Grundwasser-, Schichtenwasseroder Hochwasserstand unter Berücksichtigung undlangjährigen Beobachtungen und zu erwartender zu-künftiger Gegebenheiten: der höchste planmäßigeWasserstand.“

Im Merkblatt des Bundes der Ingenieure für Wasserwirt-schaft, Abfallwirtschaft und Kulturbau (BWK) – Merk-blatt  M 8 „Ermittlung des Bemessungsgrundwasserstan-des für Bauwerksabdichtungen“ [8] heißt es dazu wiefolgt:

– „Der Bemessungsgrundwasserstand ist der Grund-wasserhöchststand, der sich witterungsbedingt einstel-len kann. Er ist aus langjähriger Beobachtung zu er-mitteln.

– Bei der Ermittlung des Bemessungsgrundwasserstan-des sind die dauerhaft verbindlich festgeschriebenenund die nicht dauerhaft verbindlich festgeschriebenenwasserwirtschaftlichen Maßnahmen zu unterscheidenund mit ihren Auswirkungen auf den Grundwasser-stand zu berücksichtigen.“

2.1 Ermittlungsvoraussetzung

Um ein funktionserfüllendes Bauwerk planen und aus-führen zu können, ist zuerst die Zuordnung der am Bau-werkstandort vorliegenden Beanspruchungsklasse „drü-ckendes Wasser“ oder „nicht drückendes Wasser“ vorzu-nehmen. Um belastbare Abgrenzungen den ermitteltenDaten entnehmen zu können, müssen folgende Faktengeklärt sein:

– Die örtliche Lage des Bauwerkstandorts muss eindeu-tig festgelegt sein. Dies wird z. B. durch die GAUSS-KRÜGER-Koordinaten des Hoch- und Rechtswerts er-reicht.

– Es muss ein eindeutiger Maßstab zum Vergleich derHöhenmaße und Grundwasserstände festgelegt wer-den (m ü. NN oder NHN).

– Die Höhenlage des Objekts muss ermittelt und an geo-dätischen Festpunkten nachvollzogen werden kön-nen. Der Wert ist im festgelegten Maßstab zu doku-mentieren.

– Der Bemessungsgrundwasserstand muss fach- undsachgerecht ermittelt und im festgelegten Maßstab do-kumentiert sein.

Zuerst ist die topografische Lage des Bauwerkstand ortseinzuordnen. Es ist von Bedeutung, ob der Bauwerk-standort am Hang, auf einer Bergkuppe oder in einerMulde liegt. Es muss erkundet werden, welche Relevanzder lokale Untergrundaufbau auf den Bauwerkstandorthat. Etwaige lokale hydrogeologische Gegebenheiten, wiez. B. schwebende Grundwasserleiter oder Schichtenwäs-ser, sind festzustellen oder auszuschließen.

Ferner muss abgeklärt werden, welche großräumigenwasserwirtschaftlichen Faktoren ohne oder mit Bedeu-tung für den Bauwerkstandort sind und welche rechtlichverbindlichen und rechtlich unverbindlichen wasserwirt-schaftlichen Einwirkungen auf den Grundwasserstandvorliegen.

Durch Internetrecherchen können erste Hinweise überverfügbare Informationen erlangt werden. Internetrecher-chen setzen jedoch erhebliche Erfahrungen voraus, da jedes Bundesland eigene Informationswege wählt. Such-begriffe wie „Grundwasserstand“, „Flurabstand“ und„Hochwassergefahr“ sind hier hilfreich. Hinweise gebenauch Ortsbezeichnungen wie „Bachstraße“, „Am Teich“,„Wasserstraße“ oder „Venn“.

2.2 Ermittlung ohne vorhandene Grundwasser -standmessungen

Wurden die Ermittlungsvoraussetzungen für den Bau-werkstandort abgeklärt und sind für den Bauwerkstand-ort keine nutzbaren Grundwassermessstellen vorhanden,kann man durch Anfragen bei Fach- und Genehmigungs-behörden (z. B. Untere Wasserbehörde) entsprechendeHinweise erhalten. Diese Behörde ist in der Regel bei der

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Stadt oder dem Landkreis angesiedelt. Auch Landes -ämter für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz verfü-gen über entsprechende Unterlagen und Informationen.

Grundwassergleichen oder Flurabstandskarten, soferndiese vorhanden sind, geben ebenfalls wichtige Hinweisezur zeitlichen Einordnung von dokumentierten Mess -werten einer Grundwassermessstelle. Bemessungswasser-stände können hieraus jedoch nicht abgeleitet werden.Die Werte dieser Karten dienen lediglich zur Orientierung.

Liegt der Bauwerkstandort im Nahbereich von kleinerenGewässern und sind keine nutzbaren Grundwasserstän-de vorhanden, ist die Höhe der Geländeoberkante als Be-messungswasserstand anzusetzen.

Karten hochwassergefährdeter Gebiete wurden im Rah-men der Umsetzung der EU-Hochwassermanagement-richtlinie [9] veröffentlicht. Befindet sich der zu betrach-tende Bauwerkstandort im Bereich von Überschwem-mungsgebieten, ist als Bemessungswasserstand der HQ100 anzusetzen. Der HQ 100 ist ein Bemessungswert fürein 100-jährliches Hochwasserereignis. Ist dieser Bemes-sungswert behördlicherseits nicht festgelegt, ist der Be-messungswasserstand – auf der sicheren Seite planend –gleich Geländeoberkante anzusetzen.

Angaben von Behörden, die aus regionalplanerischerSicht als Schätzwert für einen Bauwerkstandort abge -geben werden, sind nicht ohne nähere Einordnung alsBemessungsgrundlage verwendbar. Diese Schätzwertewerden zudem in NRW mit einer Maßtoleranz von+/–0,50 m versehen. Bei einer Einbindetiefe eines Gebäu-des von durchschnittlich 2,50 m ins Gelände ist ein derar-tiger Wert als belastbare Planungsunterlage nicht nutzbar,zumal die Interaktionen aus Wasser und Boden hierbeiunberücksichtigt sind.

2.3 Ermittlung anhand vorhandener Grundwasser -standmessungen

Sind für die Ermittlung des Bemessungswasserstandesnutzbare Grundwassermessstellen vorhanden, ist zu hin-terfragen, unter welchen Bedingungen die Messwerte er-hoben wurden. Es muss abgeklärt werden, ob die doku-mentierten Messwerte Ergebnisse des natürlichen Was-serkreislaufs sind. In Bild 1 ist eine entsprechende Zuord-nung von Einflüssen markiert.

Der Ganglinie sind Einflüsse zuzuordnen, die die Mess-werte beeinflusst haben. Dies kann z. B. durch einegrundwasserabsenkende Baumaßnahme, eine lang an-dauernde Grundwasserabsenkung z. B. einer Bergbau-maßnahme oder durch Nutzung von Wasserrechten wieTrinkwasserförderung oder industrieller Wassernutzungerfolgt sein. Neben den bereits genannten Einflussfakto-ren ist ferner durch Vergleiche von Niederschlagswertenund Grundwasserstandveränderungen festzustellen, obAuswirkungen aus klimatischen Veränderungen erkenn-bar sind.

3 Beispiele von Planungsfallen3.1 Planerfalle 1: Interaktion Wasser/Boden

Wasser durchfließt den Boden dreidimensional horizon-tal und vertikal. Es folgt dabei u. a. dabei den Gesetzender Schwerkraft. Je nach vorliegenden Durchlässigkeits-beiwerten der Böden ergeben sich unterschiedliche Passa-ge- und Verweilzeiten im Boden. Dieser Zustand ist vonbesonderer Bedeutung u. a. bei lang anhaltenden Hoch-wässern. Hier wird der Abfluss des Grundwassers durchhohe Wasserspiegellagen verhindert. Dadurch steigt dasGrundwasser im Hinterland an und kann über das Gelän-de austreten. Diese Vorgänge beschrieb der Wasserbau -

Bild 1 Ganglinie einer Grundwassermessstelle: sichtbar sind die bergbaubedingten Grundwasserabsenkungen (a), der Grundwasserwiederanstieg (b), die nachbergbauliche Einstellung von Einspeisungen (c) und die Grundwassererhöhung durch Renaturierungen (d) Hydrograph curve of a groundwater measurement station. It shows the lowering of groundwater caused by mining (a), the rising of the groundwater again(b), the creation of infeeds following the mining work (c) and the groundwater rise caused by renaturation (d)

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ingenieur TOLKMIT bereits im Jahre 1898 [10]. DieseWechselbeziehung wurde von der Deutschen Vereinigungfür Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) e. V. inden DWA-Themen T 2/2013 [11] erneut aufgegriffen undveranschaulich dargestellt.

Wie aus Bild 2 ersichtlich ist, können in unmittelbarerräumlicher Nähe durchaus sehr unterschiedliche Bödenanzutreffen sein. Dies ist wichtig, da Baugrundgutachtenin der Regel durch punktuelle Bodensondierungen (4-Punkt-Messung) erhoben werden. Die erschlossenenBodenschichten dieser Punktbetrachtungen werden stan-dardmäßig mit Linien verbunden. Unter der Annahme,dass in den nicht aufgeschlossenen Bodenbereichen iden-tische Bodenschichtungen anzutreffen sind wie im punk-tuellen Bodenaufschluss, wird in fantasievoller Weise der

anstehende Boden als durchgängig vorliegend beschrie-ben. Ob dies auch tatsächlich so ist, ist bei 4-Punkt-Mes-sungen vom Zufall abhängig.

Aus den Darstellungen in Bild 3 ist die Ungenauigkeitvon 4-Punkt-Messungen erkennbar. Die tatsächlich anste-henden Bodenschichten werden in derartigen Darstellun-gen nicht wiedergegeben.

Bild 4 gibt dagegen Aufschluss über die Genauigkeit, diesich aufgrund des gewählten Rasterabstands einer Raster-messung ergibt. Um den tatsächlichen Bodenschichten-aufbau in Höhenverlauf und Schichtenmächtigkeit zu erfassen, ist anstatt einer „4-Punkt-Messung“ eine „Ras-termessung“ notwendig. In vielen Fällen ist eine Raster-messung daher von Bedeutung für ökonomische Folge-entscheidungen.

3.2 Planerfalle 2: Abdichtung von Kanälen

Zur Grundwassertiefhaltung wurden in der Vergangen-heit Kanalisationen auch zur Ableitung von Grundwassergenutzt. Werden diese Kanalisationen nun abgedichtet,steigen Grundwasserstände im Einwirkungsbereich an.Gerät eine bisher angepasste Bebauung gegen Boden-feuchte in den Bereich dieses Grundwasseranstiegs, wirdsie nun dem Lastfall drückendes Wasser ausgesetzt. Diedadurch auftretenden Feuchtebelastungen beruhen nichtauf Fehlplanungen, sondern auf nicht vorherseh barenÄnderungen der Planungsgrundlage.

3.3 Planerfalle 3: Vorflutänderungen

Vorflut ist ein wasserwirtschaftlicher Begriff des umfang-reichen Komplexes der Entwässerung. Vorflut bietet Was-

Bild 2 Bodenprofilaufschluss an Schichtversatz mit 90 cm versetztenSchichtwasserhorizonten (Foto: © Dr. Klaus Becker Sachverständi-genbüro für Schadensanalyse und Prävention, Siegburg)Ground profile at the boundary between two layers with 90 cm differ-ence in layer water levels (photo: © Dr. Klaus Becker Sachverständi-genbüro für Schadensanalyse und Prävention, Siegburg)

Bild 3 4-Punkt-Messung (Quelle: © Dr. Klaus Becker Sachverständigenbüro für Schadensanalyse und Prävention, Siegburg)4-point measurement (Source: © Dr. Klaus Becker Sachverständigenbüro für Schadensanalyse und Prävention, Siegburg)

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ser die Möglichkeit, mit natürlichem Gefälle (natürlicheVorflut) oder durch künstliche Hebung (künstliche Vor-flut) abzufließen, um eine ausreichende Entwässerung ei-nes feuchten oder versumpften Geländes zu schaffen.Wörtlich sind sie zu verstehen als vor der Flut, d.h. alsMaßnahmen vor drohender Überschwemmung. Vorfluternehmen ober- oder unterirdisch zufließendes Wasser aufund führen diese ab. Bevor Schmutzwasser standardmäßigdurch Rohrleitungen (Kanäle) abgeleitet wurde, wurdenSchmutzwässer durch Vorfluter (offene Gräben, Kanäle)abgeführt. Durch Zufluss von Niederschlagswasser wurdedas Schmutzwasser verdünnt. Vorfluter dienten damit sei-nerzeit der Klärung von Schmutzwasser und der Beschaf-fung von Flurabständen. Wurden diese Kanäle neben derFlurabstandserzeugung auch zur Schmutzwasserableitunggenutzt, sind sie damit Teil der Ortskanalisationen.

In den 20er- und 30er-Jahren des vorigen Jahrhundertswurden aus dringender Veranlassung gesunde Lebens-und Arbeitsbedingungen geschaffen, indem vermehrt ver-sumpfte und vernässte Gebiete entwässert wurden. Dieswurde durch planmäßige Ableitungen des im Einzugs -gebiet anfallenden Wassers bewirkt. Hierfür wurden u. a.künstliche Abflussgerinne erstellt, deren Ausführung aufder Grundlage des anfallenden Wassers aus dem dazuge-hörigen Einzugsgebiet berechnet wurde. Individualisier-bare Entwässerungsziele wurden mit Abflussquerschnit-ten erreicht, die auf Bemessungsgrundlage festgelegterWasserabflussmengen und Fließgeschwindigkeiten be-rechnet wurden.

Die aus diesen Gewässerkennwerten abgeleiteten plan-mäßigen Wasserspiegellagen werden in Abflusskurvendokumentiert. Diese Werte sind bestandsichere Bemes-sungsgrundlage einer Planung [12]. Mit Verwaltungsaktenwie z. B. Planfeststellungen werden somit bestands- undplanungssichere Bemessungsgrundlagen geschaffen.

Bild 5 zeigt anschaulich, dass Abflussgräben ihre Funk -tion nicht erfüllen können, wenn durch Abflusshindernis-se ein Rückstau erfolgt.

Verschobene Ordnungsrahmen führen in neuerer Zeit da-zu, dass diese vorflutsichernden Parameter ohne recht -lichen Rahmen (Planänderung, Planfeststellung) geändertwerden. Die Abflussgeschwindigkeit wird verringert, Grä-ben und Abflussgerinne werden unter vermeintlich zwin-gend einzuhaltenden gesetzlichen Vorgaben entgegenplanfestgestellten verbindlichen Pflege- und Unterhal-tungsplänen weniger bis nicht mehr unterhalten. Als Fol-ge stellen sich erhöhte Wasserspiegellagen ein. Dadurchsteigen die Grundwasserstände und die Flurabständewerden verkürzt. Im Einwirkungsbereich liegende Ge-bäude mutieren so zu „unangepasster“ Bebauung. Durchdie nachträglich ansteigenden wassergesättigten Zonenim Baugrund wird die Standfestigkeit der Gebäude beein-trächtigt und die Gebäude erleiden Feuchteschäden [13].

Bild 4 Raster-Messung (Quelle: © Dr. Klaus Becker Sachverständigenbüro für Schadensanalyse und Prävention, Siegburg) Grid measurement (Source: © Dr. Klaus Becker Sachverständigenbüro für Schadensanalyse und Prävention, Siegburg)

Bild 5 Abflussbehinderung durch Aufstau von OberflächenwasserPrevention of outflow due to retention of surface water

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3.4 Planerfalle 4: Ortsnahe Niederschlagsversickerung

Um die Grundwassererneuerung zu forcieren und umAufwendungen für Regenwasserkanalisationen einzuspa-ren, werden von Kommunen Niederschlagswasserver -sickerungen auf eigenem Grundstück erlaubt oder vorge-schrieben. Dies geht oftmals mit dem Argument einher,dass die Hauseigentümer auf diese Weise Kosten der Was-serableitung sparen können.

In der Pilotstudie zum Einfluss der Versickerung auf denWasserhaushalt eines Stadtteils wurde untersucht, wiesich die ortsnahe Niederschlagsversickerung auf denGrundwasserstand auswirkt [14]. Festgestellt wurde, dasssich ein Grundwasseranstieg um 1,76 m bis 2,89 m überdem normalen Stand ergibt, wenn bei mittlerer Bebau-ungsdichte, mittlerem Versieglungsgrad, einem Nieder-schlag von 799 mm/a und 100 % des Niederschlagauf-kommens über Mulden und Rigolen versickert wird. Die-ser Zusammenhang muss jedem Planer geläufig sein,wenn er eine ortsnahe Niederschlagsversickerung plant.

Es ist daher vor einer Planung belastbar zu ermitteln, obdie Voraussetzungen für eine ortsnahe Niederschlagsver-sickerung bei den am Bauwerkstandort vorliegenden Bö-den- und Flurabständen gegeben sind. Eine ortsnahe Ver-sickerung von Niederschlagswasser ist nur da möglich,wo hinreichend versickerungsfähige Böden vorliegen.Diese Vorgabe ist in den einschlägigen Regelwerken ver-bindlich vorgegeben [15 bis 18].

Bild 6 zeigt eine schadensgeneigte Niederschlagsversicke-rung. Wird Niederschlagswasser in den Rückfüllraum derBaugrube eingeleitet, staut sich Wasser über der Baugru-bensohle auf. Folge sind Durchfeuchtungen am Gebäude.Punktuell verklebte Dämmungen gegen den Lastfall „Bo-denfeuchte“ werden hinterlaufen. Wasser kann dann bisweit über die Brüstungen ansteigen. Folge sind dann Was-sereintritte durch Kellerfenster in das meist nachträglich

ausgebaute erdberührte Untergeschoss. Dies bestätigenSchäden in der Baupraxis.

4 Beispiele aus der Praxis4.1 Auswirkung einer Wasserspiegelerhöhung

In einem Wohngebiet mit rechtskräftigem Bauplan ver-läuft ein Bach. Im Rahmen von Renaturierungsmaßnah-men wurde mit wasserbaulichen Techniken ein Abfluss-hindernis quer zum Abflussgerinne erstellt. Durch die Ab-flussbehinderung stellte sich Rückstau ein. In dem Be-reich erhöhte sich plangemäß die Wasserspiegellage. InBild 7 ist die Konstruktion der Sohlerhöhung, die untereiner Brücke vollzogen wurde, sichtbar.

Die Folgen der erhöhten Wasserspiegellagen auf die Na-tur und die bestehende Wohnbebauung wurde gutachter-lich im Rahmen der Beantragung von EG-Fördermittelnerkannt. Im Endbericht Interreg-II 2001 [19] wird dazuwie folgt ausgeführt:

– „Problematisch ist die Auswirkung des angehobenenWasserstandes auf das nahe gelegene Wohngebiet.Auswirkungen auf Waldbestände durch die Wasser-spiegelanhebung von bis zu 50 cm sind jedoch nur ingeringem Ausmaß zu erwarten.“

Erkennbar werden hier die Änderungen der Wasser- undBodenverhältnisse durch Renaturierungsmaßnahmen, dieein Planer bei seiner Entwurfsplanung ebenso wenig er-kennen konnte wie der Bauherr.

4.2 Auswirkungen von Sohlerhöhung

Ein Entwässerungskanal wurde langjährig nicht mehrordnungsgemäß gepflegt. Abzuführendes Wasser war auf-grund von jahrzehntelanger tagebaubedingter Grundwas-

Bild 6 Unsachgemäße Niederschlagsversickerung in die BaugrubeImproper rainfall penetration into the construction pit

Bild 7 Anstieg des Wasserspiegels infolge Sohlerhöhung des Bachlaufs (damit korrespondierend ein Anstieg des Grundwasserspiegels) Increase in the water level following a rise in the level of thestreambed (with a corresponding increase in the groundwater level)

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serabsenkung nicht vorhanden. Dadurch verschlammteder Abflusskanal. Bedingt durch Verlagerung des Tage-baus wurden in bestimmten Bereichen, die auf den Kanaleinwirken, die Sümpfungspumpen abgestellt. Bedingthierdurch kommt es wieder zu einem Ansteigen desGrundwasserspiegels. Bild 8 verdeutlicht, inwieweit derGrundwasserstand durch die Herstellung der Vorflut be-wirkt würde, wenn man durch Entschlammung die Ka-nalsohle um ca. 0,50 m vertiefen würde.

Gutachterliche Untersuchungen des dafür zuständigenWasser- und Bodenverbandes ergaben, dass durchfeuch-tete Häuser von der Feuchtebelastung bereits entlastetwürden, wenn aus dem Kanal Schlamm in der Größen-

ordnung von 0,50 m entfernt würde, ohne dass damit dieursprüngliche Ausbausohle schon wieder hergestellt wä-re. Unter diesen Bedingungen würde die vorflutbedingteGrundwassersenkung z. B. in einer Entfernungen von ca.6 km noch in Höhe von 0,20 bis 0,30  m erfolgen. AusBild 8 ist ersichtlich, dass die tatsächliche vorflutbedingteGrundwasserabsenkung noch in einer Entfernung von11,6 km noch bis zu 0,10 m beträgt.

4.3 Auswirkung der Nichtberücksichtigung rechtlichunverbindlicher Wasserrechte

Liegt ein Bauwerkstandort in einem Einwirkungsbereicheines Wasserrechtsinhabers, dann wird durch die Förde-rung von Grundwasser ebenfalls ein Grundwasserabsen-kungstrichter erzeugt. Auswirkungen von Wasserechtensind rechtlich unverbindliche Einwirkungen. Wasserrech-te besitzen u. a. Trinkwasserwerke, Brauereien oder sons-tige industrielle wasserverbrauchende Betriebe. Erkenntder Planer bei der Festlegung des Bemessungswasserstan-des für seine Planung diesen Umstand nicht und legt sei-ner Planung den beeinflussten Grundwasserspiegel zu-grunde, plant er fehlerhaft.

Wasserechte werden vergeben. Der Wasserrechtsinhaberdarf sie nutzen. Wasserrechtsinhaber sind jedoch nichtverpflichtet, dauerhaft die genehmigte Menge von Grund-wasserförderung zu betreiben. Das hat zur Folge, dass dieGrundwasserstände wieder steigen, wenn der Wasser-rechtsinhaber aus ökonomischen oder anderen Gründenseine Grundwasserförderung einstellt. Als Folge mutiertein gegen den Lastfall Bodenfeuchte ausgerichtetes Ge-bäude, da die rechtlich unverbindlichen Auswirkungenvon Wasserrechten bei der Planung und Ausführung un-berücksichtigt blieben zur „unangepassten Bebauung“ ge-gen den Lastfall „drückendes Wasser“ mit allen daraus re-sultierenden Folgen.

Bild 8 Erzeugte Absenkungstrichter durch Vorflutherstellung (Quelle: Erftver-band, Bergheim; Grundwassermodell Neuss, Auswirkungen der Was-serspiegelabsenkung im Nordkanal auf den Grundwasserstand, Vari-ante 2, Juli 2003)Created depression cone as a result of run-off capacity (Source:Erftverband, Bergheim; Neuss groundwater model, effects of fallingwater level in the Nordkanal on the groundwater level, version 2, July2003)

Bild 9 Rohwasserförderung der Berliner Wasserbetriebe 1989–2008 Grafik (Quelle: Umweltinformationen Berlin)Untreated water pumping by Berlin water plants 1989-2008 graphic (Source: Berlin environmental information)

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Dieser Zusammenhang wird durch Bild 9 verdeutlicht.In dem Beispiel wird gezeigt, dass in Berlin die Trink -wasserförderung allein bei diesem Wasserbetrieb von378 Mio. m3 im Jahre 1989 bis zum Jahr 2008 auf206 Mio. m3, also um 172 Mio. m3 reduziert wurde. AlsFolge stiegen in Berlin in diesem Einwirkungsbereich dieGrundwasserstände erheblich an.

4.4 Auswirkung rechtlich verbindlicher Wasserrechte

Wird in das Grundwasserregime durch Tiefbauwerke wiez. B. U-Bahnen o. Ä. eingewirkt, können diese Maßnah-men nur umgesetzt werden, wenn die Auswirkungen miteiner Planfeststellung festgestellt wurden. Wie in Bild 10ersichtlich, verändern Tiefbauwerke die Grundwasser-landschaft erheblich. Fließrichtungen werden verändert.Aufstauungen von Grundwasser im Anstrombereich undAbsenkungen im Abstrombereich des Grundwassers kön-nen die Folge sein.

Derartige Einwirkungen sind durch Planfeststellungen je-doch rechtlich verbindlich. Planer können darauf vertrau-en, dass sich diese Gegebenheiten nicht verändern. Wer-den dennoch Umplanungen beabsichtigt, müssen die be-stehenden Bauwerke im Planfeststellungsänderungsver-fahren oder in einem neuen Planfeststellungsverfahrenberücksichtig werden. Die Bemessungsgrundlagen fürGründungen und Bauausführungen dürfen nicht scha-densgeneigt verändert werden.

4.5 Auswirkung bei Änderung gesicherter Bemessungs -wasserstände

Ein Planer wurde in Regress genommen. Er hatte in einerEntfernung von ca. 180 m eines Sees ein Mehrfamilien-haus errichtet. Feuchteschäden und Setzrisse wurden ihmzur Last gelegt. Ursache dieser Mängel wurde mit einemfalschen Bemessungswasserstand begründet, der der Pla-

nung unterlegt sein sollte. Bei Überprüfung der Sachlagekonnte festgestellt werden, dass der Planer den Bemes-sungswasserstand im Einklang mit der Wasserspiegel -höhe des nachbarschaftlich gelegenen Sees festgelegt hat-te. Seine Planung ging bis an die mögliche Untergrenzeunter Einhaltung von Sicherheitsabständen.

Bei der Ursachenermittlung stellte sich heraus, dass in derNähe des bemängelten Gebäudes und des Sees eine Sport-anlage lag, so wie dies in Bild 11 ersichtlich ist. Die Ent-wässerung des Sportplatzes wurde nach Erstellung desGebäudes verbessert. Das anfallende Wasser wurde in denSee geleitet. Als Folge stieg bis zum Zeitpunkt des Scha-deneintritts die Wasserspiegelhöhe des Sees um 0,30 m, dader Zufluss größer als der Abfluss und die Verdunstungwar. Dies bewirkte, dass die wassergesättigte Zone im Um-land ebenfalls angestiegen war. Anhand der erkannten Ur-sachen konnten Maßnahmen ergriffen werden, die be-wirkten, dass die Mängel dauerhaft beseitigt werden konn-ten. Gleichzeitig fiel die Regresslast vom Planer.

5 Schlussbetrachtung

Die Qualität eines Bauwerks wird maßgeblich von der imErdreich verborgenen Gründungskonstruktion bestimmt.Diese kann nur funktionserfüllend geplant und ausge-führt werden, wenn dem Planer der Baugrund- und derBemessungswasserstand bekannt sind. Diese Kenntnisseliegen nur dann belastbar vor, wenn beide Bemessungs-grundlagen fachgerecht ermittelt und dokumentiert sind.Die Dokumentation muss jederzeit nachvollziehbar sein.

Werden Bohrabstände der punktuellen Baugrundabboh-rungen zu weit auseinanderliegend und falsch gewähltund zu falschen Sondierungszeiten ausgeführt, geben dieauf diese Weise erlangten Kenntnisse u. U. keine ausrei-chenden Informationen. Neben regionalgeologischenKenntnissen ist ein Verständnis für den dreidimensionalheterogen geschichteten Bodenaufbau unabdingbar.

Bild 11 Lage des von Feuchtemängeln und Setzungen betroffenen Gebäudes(Quelle: Geobasis NRW)Level of lack of moisture and settling of the affected building(Source: Geobasis NRW)

Bild 10 U-Bahnbaustelle in Hamburg im Jahre 1959 (Quelle: Stadtarchiv Hansestadt Hamburg)Underground station in Hamburg in 1959 (Source: City Archive Hans-estadt Hamburg)

Page 9: Ermittlung des Bemessungswasserstandes

Beton- und Stahlbetonbau Spezial 2014 – WU-Bauwerke aus Beton 45

H. von Grabczewski: Measurement of the design water level

Die Ermittlung des Bemessungswasserstandes ist keinetriviale Angelegenheit. Für die Ermittlung des Bemes-sungswasserstandes sind die zuständigen Sonderfach -leute wie Bodenkundler, Hydrogeologen, Baugrundgut-achter oder andere fachlich kompetente Experten hinzu-zuziehen.

Baugrundschürfungen ergeben aus der punktuellen Ta-gesbetrachtung am Baugrundstandort nur Erkenntnisseder aktuell angetroffenen Gegebenheiten. Nicht alle aufden Bemessungswasserstand einwirkenden Einflüsse wer-den dadurch erkannt. Daher können Erkenntnisse ausBaugrundschürfungen nicht als belastbare Bemessungs-grundlage einer Planung unterlegt werden.

Nur wenn der Bemessungswasserstand für einen Bau-werkstandort korrekt ermittelt wurde, können Schädeninfolge von Bauwerksdurchfeuchtungen und Verringe-rung der Bodentragkräfte und damit Regresse vermiedenwerden. Der Planer verletzt seine Obliegenheitspflichtenund kann dadurch seinen Haftpflichtschutz verlieren,wenn er seinen Planungen und Bauausführungen keinfachlich fundiertes, für den Bauwerkstandort erarbeitetesBaugrundgutachten unterlegt [20]. Dies gilt selbstver-ständlich auch für Um- und Anbauten. Man kann nichtdarauf vertrauen, dass sich die Wasser- und Bodenverhält-nisse seit Erstellung des um- bzw. anzubauenden Gebäu-des nicht verändert haben.

Literatur

[1] Bauministerkonferenz: Musterbauordnung (MBO). Fassung2002, zuletzt geändert durch Beschluss vom 21.09.2012.

[2] Deutsche Gesellschaft für Bauwesen: Richtlinien für bau-technische Bodenuntersuchungen. Berlin: Beuth-VerlagGmbH, 1937.

[3] Deutsche Gesellschaft für Bauwesen: Merkblatt für den eili-gen Leser in Richtlinien für bautechnische Bodenunter -suchungen, Berlin: Beuth-Verlag GmbH, 1937.

[4] FRONTINUS, J. S.: De Aquaeductu Urbis Romae. (33–104 n.Chr.).

[5] DIN 1054: 2010-12, Baugrund – Sicherheitsnachweise imErd- und Grundbau – Ergänzende Regelungen zu DIN EN1997-1.

[6] DIN 4020: 2010-12, Geotechnische Untersuchungen fürbautechnische Zwecke – Ergänzende Regelungen zu DINEN 1997-2.

[7] DAfStb – Erläuterungen zur DAfStB-Richtlinie, Wasserun-durchlässige Bauwerke aus Beton, Heft 555. Berlin: BeuthVerlag 2006.

[8] Bund der Ingenieure für Wasserwirtschaft Abfallwirtschaftund Kulturbau e.V., BWK Merkblatt M 8, Ermittlung desBemessungsgrundwasserstandes für Bauwerksabdichtun-gen. September 2009.

[9] EU, Richtlinie 2007/60/EG des Europäischen Parlamentsund Rates über die Bewertung und das Management vonHochwasserrisiken. 23.10.2007.

[10] TOLKMIT, G.: Grundlagen der Wasserbaukunst. Berlin: Wil-helm Ernst & Sohn 1898.

[11] Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser undAbfall e.V., DWA – Themen T2/2013, Wechselwirkungenzwischen Grund- und Oberflächenwasser. September 2013.

[12] BECKER, KLAUS: Vernässung eines Gartenbaugeländesdurch Gewässerveränderungen an der Niers. In: Selbständi-ges Beweisverfahren Landgericht Krefeld 2 OH 2/00, De-zember 2007.

[13] BECKER, KLAUS: Ökologischer Umbau und „Entfesselung“von Gewässern und deren unberechenbaren Risiken für dasUferhinterland bei Klimaveränderungen. ExpertengesprächKlimawandel der DWA am 30.10.2008 in Siegburg.

[14] COLDEWEY, W. G.; GEIGER, W. F.: Abschlussbericht an dasMinisterium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaftund Verbraucherschutz des Landes NRW, Pilotstudie zumEinfluss der Versickerung auf den Wasserhaushalt einesStadtteils – Phase II, Münster und Essen. Dezember 2001.

[15] ATV-Information, Regenwasserversickerung. Hennef, Okto-ber 1996.

[16] DWA-Regelwerk, Arbeitsblatt DVWA-A 138, Planung, Bauund Betrieb von Anlagen zur Versickerung von Nieder-schlagswasser. April 2005.

[17] Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung und Land-schaftsbau e.V., Empfehlungen zur Versickerung und Was-serrückhaltung. Bonn 2005.

[18] RdErl. d. Ministeriums für Umwelt, Raumordnung undLandwirtschaft, Niederschlagsversickerung gemäß § 51 ades Landeswassergesetzes, MBL. NW Nr. 58. Mai 1996.

[19] INTERREG-II, Endbericht Schwerpunkt 3, Natur, Land-schaft und Umwelt. 2001.

[20] Bundesgerichtshof (BGH) Urteil AZ.: VII-ZR 133/04 vom26.10.2006.

Autor

Hubert von GrabczewskiAuf den Kempen 6141352 [email protected]