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Fortbildungsveranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. „Ernährungsaspekte in Senioreneinrichtungen“ Ernährung im Alter Prof. Dr. Helmut Heseker Fachgruppe Ernährung und Verbraucherbildung Fakultät für Naturwissenschaften Universität Paderborn

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Fortbildungsveranstaltungder Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V.

„Ernährungsaspekte in Senioreneinrichtungen“

Ernährung im AlterProf. Dr. Helmut Heseker

Fachgruppe Ernährung und VerbraucherbildungFakultät für Naturwissenschaften

Universität Paderborn

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Die Entwicklung der Lebenserwartung

0102030405060708090

1890 1905 1925 1933 1950 1960 1970 1983 1985 1990 2000

MannFrau

Alter

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Hochbetagte in Deutschlandim Jahr 2002

~ 5 Mio. Personen sind 80 Jahre und älter(~ 6 % der Bevölkerung)

~ 80000 Personen sind 95 Jahre und älter

~ 10.000 Personen sind 100 Jahre und älter(1950: 352; 1994: 4602 (Ε:4404, Γ: 558)

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Pflegebedürftige in Deutschlandnach Pflegestufen

Stufe 1928 032

Stufe 2786 616

Stufe 3285 991

Statistisches Bundesamt, 1999

Jahresende 1999:2 020 122Pflegebedürftigeinsgesamt

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Pflegebedürftige in Deutschlandnach Art der Pflege

in Heimen575 315

zu Hausedurch ambulante

Dienste417 216

zu Hauseallein durchAngehörige

1 027 591

Statistisches Bundesamt, 1999

Jahresende 1999:2 020 122Pflegebedürftigeinsgesamt

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Anteil pflegebedürftiger Personenim Alter bei Frauen und Männern

0

5

10

15

20

25

30

70-74 75-79 80-84 >84

MännerFrauen

pfle

gebe

dürf

tige

Per

sone

n %

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Lebensjahre mit stark eingeschränkter Selbständigkeit im Alter bei Frauen und Männern

0,00,51,01,52,02,53,03,54,0

65 75 85

MännerFrauen

Jahre

Alter

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Chronologische Alterseinteilung

65 - 74 Jahre ältere Menschen(„junge, aktive Alte“)

75 - 90 Jahre Hochbetagte90 - 100 Jahre Höchstbetagte „alteüber 100 Jahre Langlebige Alte“

Aber: je älter jemand ist, um so weniger sagt die Anzahl der Lebensjahre etwas aus über die Fertigkeiten und Fähigkeiten eines Menschen.

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Funktionale Alterseinteilungoft keine Übereinstimmung zwischen chronologischem und biologischem Alter(senile 68jährige und aktive 90jährige Menschen)

daher zusätzliche Einteilung auf Grund der körper-lichen und geistig-seelischen Funktionen in:

unabhängig lebende Senioren: „go goes“hilfsbedürftige Senioren: „slow goes“pflegebedürftige Senioren: „no goes“

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Gründe für höhere Lebenserwartungund bessere Gesundheit älterer Menschen

medizinischer und technischer Fortschritt

bessere Ernährung

gesünderer Lebensstil

weniger gefährliche und weniger belastende Arbeitsplatzbedingungen

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Im Trend: Die 4 - 5 Generationen-Familie

jedes 2. Paar, das heute in den Ruhestand eintritt, hat noch ein lebendes, hochbetagtes Elternteilin vielen Fällen pflegen die Großmütter die Urgroßmütter

>> viele haben das Gefühl, überfordert zu sein

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Gesund und zufrieden alt werdenWir leben zu kurz, und wir sterben zu lange!

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110

Alter in Jahren

heutezukünftig

Ges

undh

eits

zust

and

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Altersabhängigkeit von Körperfunktionen

0

2 0

4 0

6 0

0 20 40 60 80 100 120Alter (Jahre)

Funk

tion

kritische Schwelle

Funktions-maximum

Selbständigkeit

Hilfe/Pflegebedürftigkeit

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Knochenmasse und Alter

100 %

Gewinn750 g

Verlust400 g

Calcium

20 50 70 Jahre

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Altersassoziierte, physiologische Veränderungen mit Bedeutung für Ernährung / Ernährungsstatus

Sinnesorgane (Sehen, Schmecken, Riechen)Gastrointestinaltrakt (Schlucken, Verdauen)KörperzusammensetzungMuskelmasseGehirn und Nervensystem

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Geschmack

Geschmackswahrnehmung erfolgt über die Geschmacks-knospen auf der Zunge, die Geruchswahrnehmung durch Sinneszellen in der Nase. Die Anzahl der Geschmacksknospen ist im Alter reduziert.Die Schwellenwerte für die vier Geschmacksqualitäten süß, salzig, sauer und bitter verschieben sich. Der besonders ausgeprägte Verlust von Geschmackspapil-len für “süß” und “salzig” führt zu einem Überwiegen der Papillen für “sauer” und “bitter”.

Folgen: Viele Speisen werden als gleich und normal gewürzte Gerichte als fade schmeckend empfunden.

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Zahnverlust und Kaubeschwerden

Durch Kauen wird die Nahrung zerkleinert und schluck-fertig gemacht. Zahnverlust, schlecht sitzende Prothesen und andere Kaubeschwerden sind im Seniorenalter weit verbreitet.Bei ca. 20 % aller Senioren liegen Kauprobleme vor.Eine gründliche Zerkleinerung der Nahrung unterbleibt und erschwert die weitere Ausnutzung der Nahrung. Sind Gaumen und Zahnfleisch durch eine Prothese abgedeckt, kommt es zu erheblichen Einbußen des Mundgefühls und des Geschmacks von Speisen.

Folgen: eingeschränkte NahrungsauswahlEmpfehlung: zahnmedizinische Versorgung verbessern!

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Schwierigkeiten beim Kauen Zufallsstichprobe (n = 950), Senioren > 65 Jahre

80,4 82,5

12,1 12,32,7 3,1

0

20

40

60

80

100

Frauen Männer

k.A.

immer

gelegentlich

selten/nie

%

Ursachen: - Abnahme der Zungen- und Kaumuskulatur- schlecht sitzende Prothesen (Kaudruck ist 1/3 reduziert!)

PASS, 2000

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Paderborner Seniorenstudie (PASS)Gesundheit, Ernährung, Bewegung

Ziel: Gewinnung repräsentativer Daten zur Gesund-heits-, Ernährungs- und Bewegungssituation bei Senioren/innen (Privathaushalte und Heime)

Untersuchungsdesign: repräsentative QuerschnittsstudieStichprobe: geschichtete Stichprobe des

Paderborner Einwohnermeldeamt,950 Personen, 65 - 100 Jahre

Teilnehmer: 490 Teilnehmer, m: 268 , w: 222Teilnahmerate: 51,5 %Durchführung: Jan.-Juni 2000Methodik: Fragebogen

Schmid und Heseker (2000)

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Speichelbildung

ausreichende Speichelbildung ist für den Kauprozess, die Freisetzung von Geruchs- und Geschmacksstoffenund den Schluckvorgang erforderlichbis zu 50 % der Senioren/innen klagen übermangelnde Speichelbildung und MundtrockenheitUrsachen: - Einnahme bestimmter Medikamente

- zu geringe FlüssigkeitszufuhrFolgen: - Appetitverlust

- Schwierigkeiten beim Schlucken- erhöhte Kariesgefahr- eingeschränkte Nahrungsauswahl

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Schluckbeschwerden beim EssenZufallsstichprobe (n = 950), Senioren > 65 Jahre

85,7 92,5

8,9 4,91,3 1,1

0

20

40

60

80

100

Frauen Männer

k.A.

immer

gelegentlich

selten/nie

%

Ursachen: - reduzierter Ruheverschlussdruck der Ösophagussphinkter- verzögerte Relaxation der Muskulatur beim Schlucken

PASS, 2000

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Wie ist der Appetit?Zufallsstichprobe (n = 950), Senioren > 65 Jahre

13 16,4

61,472,8

24,610,8

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Frauen Männer

mäßig/schlechtgut

sehr gut

Ursachen: - reduzierter Geschmackssinn, besonders für süß & salzig- viele Speisen werden als gleichschmeckend oder fade empfunden

PASS, 2000

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Kau-/Schluckbeschwerden und Appetit- Frauen -

0

20

40

60

80

100

immer gelegentlich selten/nie

Kau-/Schluckbeschwerden

schlechtgutsehr gut

%

PASS, 2000

Appetit

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Nahrung auf oralem Weg nur, wenn

der Patient in der Lage ist, seinen eigenen Speichel zu schlucken (=> Schluckreflex vorhanden),der Hustenreflex vorhanden ist, der die unteren Atemwege schützt,der Patient keine Pneumonie oder Fieber hat, die auf eine Aspiration hinweisen,der Patient ausreichend wach ist und sich in einem ausreichend guten Allgemeinzustand befindet.

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Magen-Darm-Trakt

chronischen Gastritis und ihre Folgeerkrankungen- Abnahme der Magensäureproduktion- fehlender Intrinsic-Factor (Vitamin B12!)

früher Eintritt von Sättigung während der Nahrungsauf-nahme durch erhöhte Aktivität von Sättigungshormonen (z. B. Cholecystokinin)

verlangsamte Magendehnung mit schneller Magenfüllung u.veränderte Magenmotilität mit verzögerter Magenentleerung

Folgen: verschlechterter Nahrungsaufschluß, frühzeitigeBeendigung einer Mahlzeit; perniziöse Anämie

aber: Alter geht nicht generell mit Störungen der Resorption einher!

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DurstempfindenDas Durstgefühl nimmt mit zunehmendem Alter ab, es wird oft zu wenig getrunken,ein entstehendes Flüssigkeitsdefizit wird nicht oder erstsehr spät wahrgenommen,viele Senioren trinken nicht zum Essen,manche haben Angst vor nächtlichen Toilettengängen,andere trinken auf Grund von Prostatabeschwerden zuwenig,erhöhte Wasserverluste durch Diuretika.

Folgen: Austrocknungszustände und Exsikkose,Delirium,Nierenveragen, Kreislaufstörungen; besonders anheißen Sommertagen; in überhitzten Räumen

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Muskelmasse im AlterMuskulatur ist unser größtes Körperorgandurch den Alterungsprozeß und passiven Lebensstil verliert der Mensch bis zum 80. Lebensjahr 20-40 % Muskelmasseda gleichzeitig der Fettgehalt ansteigt, wird diese Veränderung beim Wiegen nicht bemerktältere Menschen verlieren 3-4 % Kraft/Jahrnoch schnellerer Kraftabbau bei Erkrankungen und Bettlägerigkeit

aber: Kraft ist bis ins hohe Lebensalter trainierbar!!

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Bedeutung der Muskelmasse im Alter

verbessert Kohlenhydrat-, Fett- und Protein-stoffwechselsteigert den Energiebedarf steigert den Appetit und die aufgenommene Nahrungsmenge verbessert die Gesundheitserwartung reduziert das Risiko für Knochenfrakturenverbessert die Mobilität reduziert das Risiko für eine Nährstoffunter-versorgung

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Stoffwechsel

allgemeine Verminderung der StoffwechselrateAbnahme der Fähigkeit, Glukose zu verstoffwechselnAbnahme der Glukosetoleranz

Folgen: - große Nahrungsmittelmengen werden nicht gut toleriert

- eingeschränktes Lebensmittelspektrum(„das vertrage ich nicht“)

- frühzeitiger Abbruch der Nahrungsaufnahme

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Geistige und psychische Beeinträchtigungen

Geistige Beeinträchtigungen und Hirnleistungsstörungen(Vergeßlichkeit, Depressionen, Demenz: Alzheimer oder Parkinson) nehmen mit dem Alter an Häufigkeit zu. Verlust an Kompetenz und Lebensqualität führt nicht selten zu Pflegebedürftigkeit bis hin zur völligen Abhängigkeiterhebliche Konsequenzen auf die Ernährung und den ErnährungszustandEinkäufe und Essenszubereitung können nicht mehr selbständig erfolgen. Es wird nicht mehr gekocht und gelegentlich wird es einfach vergessen, zu essen.

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Körperliche Beeinträchtigungen

Behinderungen, die die Gehfähigkeit und Bewegungs-fähigkeit von Armen und Beinen einschränken

erschweren Einkauf und Zubereitung der Nahrungbegrenzen Verfügbarkeit frischer LebensmittelImmobilität und fehlende körperliche Aktivitätreduzieren den Appetit, erhöhen das Risiko fürErnährungsdefiziteBehinderungen beim Essen (Essabhängigkeit):Probleme beim Schneiden, Portionspackungen öffnen, Brot streichen, Bissen zum Mund führen, trinken, etc.

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Medikamenteneinnahme und Appetit

0%

20%

40%

60%

80%

100%

keine 1-2 3-4 5-6 >6 /Tag

Medikamenteneinnahme

schlechtgutsehr gut

%

PASS, 2000

Appetit

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Veränderungen des Nährstoffbedarfs Energiebedarf

zwischen 25. und 75. Lebensjahr: - 25 % (- 400 kcal/Tag)

Ursachen: Abnahme der Muskelmasse (Sarkopenie)Abnahme der körperlichen AktivitätZunahme der Körperfettmasse

Folgen: geringerer Appetit

essentielle Nährstoffe

Bedarf weitgehend unverändert, bei Calcium, Vitamin D, B6, B12 und C eventuell erhöht.

erforderlich: Lebensmittel mit höherer Nährstoffdichte

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Bonner SeniorenstudieStehle und Volkert (2000)

Untersuchungsdesign: deskriptive Studie in einer regionalen (=Euskirchen) und einer nationalen Stichprobe

Teilnehmer/innen: insgesamt 1912 Senioren/innen, die selbständig im Privathaushalt lebenAlter: > 65 Jahre

Durchführung: 1997-1998Methodik: 3-Tage Verzehrsprotokoll

Verzehrshäufigkeiten-Fragebogen

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Vitaminversorgung von gesunden Senioren/innen nach Alter in Deutschland (Privathaushalte)

0

50

100

150

200

A D E B1 B2 B6 Fol C A D E B1 B2 B6 Fol C

65-74 J 75-84 J >= 85 J% des DACH-Referenzwertes

Volkert und Stehle, 2000

Männer Frauen

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Mineralstoffversorgung von gesunden Senioren/innen nach Alter in Deutschland (Privathaushalte)

0

50

100

150

200

K Ca Mg Fe Zn K Ca Mg Fe Zn

65-74 J 75-84 J >= 85 J% des DACH-Referenzwertes

Volkert und Stehle, 2000

Männer Frauen

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Verbreitung von Untergewicht und Adipositas im Alter (Frauen)

0

5

10

15

20

60-64 65-79 70-74 75-79 80-84 85-94Alter

UntergewichtAdipositas

NVS-Studie

%

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Ernährungssituation selbständig lebender, gesunder Seniorinnen und Senioren

Die Energie- und Nährstoffversorgung gesunder Senioren/innen unterscheidet sich nicht wesentlich von den jüngeren, noch im Berufsleben stehenden Erwachsenen.

Adipositas und Folgeerkrankungen sind bei den jüngeren Senioren/innen noch die zentralen ernährungs(mit)bedingten Probleme.

Hohes Alter stellt nicht per se ein Risikofaktor dar.

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Paderborner Altenheimstudie (PAHS)Gesundheit, Ernährung, Bewegung

Untersuchungsdesign: deskriptive Studie in einemPaderborner Altenheim

Teilnehmer: 47 Seniorinnen, die selbständigessen; Alter (Median): 85 Jahre20 Seniorinnen, die das Essen gereicht bekommen; Alter (Median): 87 Jahre

Durchführung: Jan.-Juni 1999Methodik: 3-Tage genaues Wiegeprotokoll,

FragebogenSchmid und Heseker (2001)

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Altenheimbewohnerinnen, die selbständig essen (n = 44)Mediane Energiezufuhr: 1620 kcal (820 - 4750)

0

2

4

6

8

10

12

14

< 1000 1000-1250 1250-1500 1500-1700 1701-2000 2001-2500 > 2500

Anzahl

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Mediane Zufuhr ausgewählter Vitamine beiAltenheimbewohnerinnen, die selbständig essen

0102030405060708090

100

% d

es D

ACH-

Refe

renz

wer

tes

B1 B2 B6 Folat Vit. E Vit. C Vit. D

0,7 mg

1 mg 1 mg

158 µg

8,4 mg

53,6 mg

2,6 µg

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Seniorinnen, die selbständig essenMediane Zufuhr ausgewählter Mineralstoffe bei

0102030405060708090

100

% d

es D

ACH-

Refe

renz

wer

tes

Calcium Magnesium Zink Jod

499 mg

182 mg

6,8 mg

56 µg

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Mediane Zufuhr von Nahrungsenergie bei Seniorinnen, die das Essen gereicht bekommen

Energie: 1130 kcal (239-1860 kcal)

Fettzufuhr: 48,7 g (41 %)

Kohlenhydrate: 128 g (46 %)

Protein: 34 g (13 %)

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Mediane Zufuhr ausgewählter Vitamine bei Seniorinnen, die das Essen gereicht bekommen

0102030405060708090

100

% d

es D

ACH-

Refe

renz

wer

tes

B1 B2 B6 Folat Vit. E Vit. C Vit. D

0,4 mg

0,8 mg0,7 mg

108 µg

6,5 mg

29 mg

1,34 µg

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Energieaufnahme geriatrischer Patienten

1500 - 1700 kcal/Tag in Langzeitpflege-Einrichtungen1500 - 1700 kcal/Tag Bethanien-Ernährungsstudie (BEST)

vor Eintritt in Klinik1000 - 1400 kcal/Tag Bethanien-Ernährungsstudie

während des Klinikaufenthalts

>> führte zu einer Verschlechterung des Ernährungszustands>> Mangelernährung wesentlich häufiger als bei jungen

oder gleichaltrigen „freilebenden“ Senioren>> häufig Vernachlässigung der Mahlzeiteneinnahme unter den

krankenhausspezifischen Bedingungen.

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Vitamin D: Empfehlungen und Zufuhr bei Altenheimbewohnerinnen

0

2

4

6

8

10

12

14

16

Vita

min

-D-Z

ufuh

r [µg

/Tag

]

Zufuhr bei Seniorinnen, die

selbständig essen

Zufuhrbei Seniorinnen, die

Essen gereichtbekommen

DACH

DRI 1999

10 µg

15 µg

2,6 µg1,3 µg

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Gründe für die weite Verbreitung von Unter- und Mangelernährung in Altenheimen

heute häufig sehr hohes Alter bei Eintritt ins Altenheim(Ursachen: höhere Lebenserwartung; Pflegeversicherung reicht nicht aus!)häufig schlechter Ernährungszustand bei Aufnahme (Unterernährung wird von Verwandten/Ärzten oft nicht wahrgenommen; Körpergewicht wird nicht kontrolliert)nach Eintritt ins Altenheim: vermehrt Depressionen und schlechter Appetitim Altenheim: wenig Bewegung, geringer EnergiebedarfMultimorbidität und hoher Medikamentenkonsum

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Folgen der Unterernährung im Altererhöhte Morbidität und Mortalität

unspezifische Folgen: schlechter Allgemeinzustand, Müdigkeit,allgemeine Schwäche, Antriebslosigkeit

Organfunktionen:Skelettmuskulatur: Schwäche, Abnahme der Muskelkraft

erhöhtes Sturz- und FrakturrisikoAtemmuskulatur: Störung der respiratorischen FunktionImmunfunktion: erhöhte InfektanfälligkeitHaut: erhöhtes DekubitusrisikoGehirn: neurologische und kognitive Störungen

Krankheitsverlauf: beeinträchtigte Wundheilungverlangsamte Rekonvaleszenzerhöhtes Komplikationsrisikoverlängerte Krankenhausaufenthalte

Mortalität (Sterblichkeit): erhöhtes Mortalitätsrisiko

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Maßnahmenkatalog zur Verbesserung derErnährungssituation im Alter

Sensibilisierung der Betroffenen, Angehörigen, Pflege-personal und Ärzte für die Symptome der Mangel- und UnterernährungGewichtskurven führenevtl. Trinkprotokolle führenEss- und Trinkhemmnisse identifizierenKontrolle, ob und wieviel gegessen wurde(genauso wichtig, wie Fiebermessen!!)bei geringer Nahrungszufuhr >> EFFEKTIVE diätetischeMaßnahmen einleiten (esstechnische Anpassung: mundgerechteFingerfood, nährstoffangereicherte LBM, angepasste Konsistenz, etc.)Kommunikation zwischen Pflegebereich, Küche und Arztverbessern