ERNEUERBARE ENERGIEN Innovationen für die Zukunft · Erneuerbare Energien – Garanten für eine...

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ERNEUERBARE ENERGIEN Innovationen für die Zukunft

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ERNEUERBARE ENERGIENInnovationen für die Zukunft

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Impressum

Herausgeber: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU)Referat Öffentlichkeitsarbeit • 11055 BerlinE-Mail: [email protected] • Internet: www.bmu.de

Redaktion: Dr. Wolfhart Dürrschmidt, Gisela ZimmermannBMU, Referat Z III 1 “Allgemeine und grundsätzliche Angelegenheiten der Erneuerbaren Energien”

Alexandra LiebingBMU, Referat Z II 3 “Öffentlichkeitsarbeit”

Fachliche Bearbeitung: Dr. Joachim Nitsch, Dr. Wolfram Krewitt, Michael Nast, Dr. Franz Trieb, Stephan Schmid, Uwe Klann, Dr. Peter ViebahnDLR – Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt

Dr. Manfred Fischedick, Dietmar SchüwerWuppertal Institut für Klima Umwelt Energie GmbH

Dr. Martin Pehnt, Dr. Guido ReinhardtIfeu – Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg GmbH

Gestaltung: Block Design, Berlin

Abbildungen: © AG Solar NRW / Universität Essen: 34 (1)© Aral: 79 (3)© Arsenal Research / Christian Halter: 34 (2)© Bundesverband Wärmepumpe: 74 (1); 76; 77© H. Burkhardt GmbH & Co. KG: 69 (2)© C.A.R.M.E.N.: 55 (1)© DLR: 49© EnBW: 30 (2)© Enercon: 23 (2), 25, 26© EVS: 23 (1)© ExpoStadt: 45 (1); 51 (1, 2)© Flagsol / Solarmillenium: 41 (1)© Fraunhofer ISE: 37 (2)© Geothermische Vereinigung e.V. / Oliver Joswig: 69 (3)© Gesellschaft für Handel und Finanz mbH: 30 (3)© Haase: 55 (2), 57 (2)© Kramer Junction Company: 39 (3)© Krüger: 59© Michael Nast (DLR): 45 (2); 50 (1, 2); 57 (1)© Thomas Kläber: 29 / Montage: © Block Design© NEG Micon: 23 (3)© Nordzucker: 63 (3)© Norsk Hydro Electrolyseurs: 79 (1)© Picture Alliance / ZB: 84 (3)© Sandia: 41 (2)© Schlaich Bergermann und Partner: 39 (1); 42; 43 (1); 84 (2)© Solarmundo: 43 (2)© Solarverein Ditzingen / Norbert Breuer: 34 (3)© Stadtwerke Bad Urach: 69 (1)© Stadtwerke Bielefeld: 79 (2)© Uwe Strobel: 51 (3)© ThermoLux: 45 (3)© ufop: 68 (2); 65© Vorarlberger Illwerke Kopsee: 30 (1)© Rainer Weisflog (Titelseite)© Wodtke: 55 (3)© Wolfgang Steche / Agentur + 49: 27© Wuppertal Institut: 84 (1)

Stand: Mai 2004 5. Auflage: 40.000 Stück

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damit unsere Energieversorgung nachhaltig wird, muss sie eine ganze Reihe vonEigenschaften aufweisen: Klimaverträglichkeit, Ressourcenschonung, Risikoarmut,Sozialverträglichkeit und gesellschaftliche Akzeptanz. Gleichzeitig soll sie neue Innovationsimpulse vermitteln und zur Schaffung zukunftsträchtiger Arbeitsplätzebeitragen. In zahlreichen weltweiten und regionalen Analysen wird den erneuerba-ren Energien zugetraut, diese Forderungen erfüllen zu können. Entsprechende glo-bale und nationale Zukunftsentwürfe weisen regelmäßig deutlich wachsende Anteileerneuerbarer Energien an der Energieversorgung der nächsten Jahrzehnte aus. Eszeigt sich immer deutlicher, dass der beschleunigte Ausbau erneuerbarer Energieneine notwendige Voraussetzung für eine nachhaltige Energiezukunft ist.

In Deutschland wurden Ende 2003 über 3 % der Primärenergie bzw. 7,9 % desStroms, 4,1 % der Wärme und 0,9 % der Kraftstoffe aus erneuerbaren Energienbereitgestellt und damit 53 Mio. t Kohlendioxid (CO2) vermieden. Erfreulicherweisehat sich die hohe Ausbaudynamik der letzten Jahre damit fortgesetzt. Ein weiteresStück des Weges in Richtung der Ausbauziele, die sich die Bundesregierung gesetzthat, ist damit zurückgelegt. Doch noch liegt eine beträchtliche Wegstrecke vor uns,denn die Ziele lauten:

––– Verdopplung des Beitrags erneuerbarer Energien bis 2010 (bezogen auf das Jahr 2000), d.h. ein Anteil von mindestens 12,5 % am Stromverbrauch und von mindestens 4,2 % am Primärenergieverbrauch;

––– mittelfristig strebt die Bundesregierung bis 2020 einen Anteil von minde-stens 20 % am Stromverbrauch an; aus Sicht des Bundesumweltministeriums sollte der Anteil am Primärenergieverbrauch 2020 mindestens 10 % betragen;

––– langfristig strebt die Bundesregierung einen Anteil der erneuerbaren Energien von mindestens 50 % an der gesamten Energieversorgung bis zum Jahr 2050 an.

Das novellierte Erneuerbare-Energien-Gesetz schafft den optimalen Rahmen für ei-nen weiteren Ausbau der regenerativen Stromerzeugung. Im Kraftstoffbereich sorgtdie Steuerbefreiung für Bio-Kraftstoffe ebenfalls für wachsende Märkte. Nun gilt es in den nächsten Jahren, diese Dynamik auf den Bereich der Wärmeversorgung aus-zudehnen. Zusammen mit der weiteren Erschließung von Energieeinsparpotenzialenund der stetigen Verbesserung der Energieeffizienz wird der Umbau der Energiever-sorgung in Richtung Nachhaltigkeit unaufhaltsam.

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LIEBE LESERINNEN, LIEBE LESER,

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Bereits heute ist unumstritten: Für den Umweltschutz und eine nachhaltige Entwick-lung ist der verstärkte Einsatz erneuerbarer Energien unverzichtbar. Damit wachsenauch die Chancen auf eine Vielzahl qualifizierter Arbeitsplätze und wachsendeExportmärkte. Für Maschinen- und Anlagenbauer eröffnen sich vielversprechendeWachstumsmärkte. Die Bereiche der Bauwirtschaft und des Handwerks profitierenimmer stärker von wachsenden Märkten. Und schließlich kommt der Entwicklung,Planung, Information, Beratung und Schulung eine immer größere Bedeutung zu.Bereits rund 120.000 Arbeitsplätze sind in Deutschland mit den erneuerbarenEnergien verbunden.

Bürgerinnen und Bürger, die selbst einen Beitrag zum Umweltschutz und zur nach-haltigen Entwicklung im Energiebereich leisten oder sich zu erneuerbaren Energieneine eigene Meinung bilden wollen, bietet der hier vorgelegte Überblick über denStand der Technik erneuerbarer Energien, ihre Einsatzmöglichkeiten, Potenziale undEntwicklungsperspektiven gründliche und aktuelle Informationen.

Die nunmehr in der 5. Auflage vorliegende Publikation dokumentiert, dass dieTechniken zur Nutzung der erneuerbaren Energien einsatzbereit sind für eine zü-gige Markteinführung. Der perspektivische Ausblick in die Energieversorgung desJahres 2050 – abgeleitet aus mehreren im Auftrag des Bundesumweltministeriumsdurchgeführten umfangreichen Studien – macht deutlich, dass bei ökologischer undökonomischer Optimierung erneuerbare Energien in Verbindung mit einer nocheffizienteren Nutzung von Energie in allen Bereichen herausragende Chancen zurnachhaltigen Entwicklung unserer Volkswirtschaft bieten.

Jürgen TrittinBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

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Nachhaltigkeitsanforderungen an die Energieversorgung 6

Was bedeutet “Nachhaltigkeit” für die Energieversorgung? 6Fossile Energien – der Motor der heutigen Weltwirtschaft 6Das Klima gerät aus dem Gleichgewicht 10Kernenergie – Risiken größer als der Nutzen 13Energieverschwender und Energiehabenichtse – ein brisanter Zustand 14Wege zu einer nachhaltigen Energiewirtschaft 15Erneuerbare Energien – Garanten für eine zukunftsfähige Energieversorgung 18

Windenergie 23

Windenergie – stark im Aufwind 24Technik der Windenergienutzung 24Vor der Küste neue Potenziale erschließen 26Die Kosten sind kontinuierlich gesunken 27Windenergie und Umweltschutz 27Windenergie in Deutschland 29

Wasserkraft 30

Wasserkraft – bewährt und trotzdem aktuell 31Speicherkraftwerke 31Laufwasserkraftwerke 32Kleinwasserkraftwerke 32Ökologisch verträglicher Ausbau 33

Fotovoltaik 34

Fotovoltaik – Sonnenstrom überall 35Von Milliwatt bis Megawatt: Ein dynamischer Markt 35Netzgekoppelte Anlagen 36Netzunabhängige Kleinanlagen 37Ökologisch zahlt es sich aus 37

Solarthermische Kraftwerke 39

Solarthermische Kraftwerke – ein Geheimtipp für den Klimaschutz 40Parabolrinnenkraftwerke 40Solarturmkraftwerke 41Paraboloidkraftwerke 41Aufwindkraftwerke 42Fresnel-Konzentratoren 42Kosten solarthermischer Kraftwerke 42

Sonnenkollektoren 45

Sonnenkollektoren – Sonne ins Haus geholt 46Technische Trends 48Kosten 49Marktentwicklung 49Perspektiven 49

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INHALTSVERZEICHNIS

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Passive Solarnutzung 51

Passive Solarnutzung – die Architektur macht’s möglich 52Fenster: Verlustposten oder Wärmequelle? 52Mehrkosten des Wärmeschutzes 52Wintergärten und transparente Wärmedämmung 53Die Energieeinsparverordnung 54

Biomasse als Brennstoff 55

Biomasse – der Dauerbrenner für Wärme und Strom 56Die älteste Nutzungsart: Feuerungen 56Strom aus Biomasse 57Biogas – Bakterien am Werk 58Kosten 59Potenziale 60Heutige Nutzung 62Umweltnutzen biogener Brennstoffe 62

Biokraftstoffe 63

Biokraftstoffe – ein Beitrag zur Mobilität aus Pflanzen und Abfällen 64Eine Fülle an Möglichkeiten 64Umweltfreundlich am Steuer – mit Bioalkohol im Tank 64Rohstoff Raps: Rapsöl und Diesel 65Ökobilanz von Biokraftstoffen 65Kosten 66Ein Blick in die Zukunft der Biokraftstoffe 67

Geothermie 69

Geothermie – die Energie aus dem Inneren der Erde 70Hot-Dry-Rock-Verfahren 70Hydrothermale Systeme mit hohem Temperaturangebot 71Hydrothermale Systeme mit niedrigem Temperaturangebot 71Tiefe Erdwärmesonde 72Oberflächennahe Geothermie 72Forschung erforderlich 72

Wärmepumpen 74

Die Wärmepumpe – ein Zwitter 75Energie ist nicht gleich Energie 75Prinzip der Wärmepumpe 75In Luft, Erde und Wasser stecken noch ungenutzte Energien 76Monovalent – bivalent – monoenergetisch? 76Kosten und Potenziale 77Wärmepumpen – Teil einer nachhaltigen Energieversorgung? 77

Wasserstoff und erneuerbare Energien 79

Wasserstoff – der positive Imageträger 80Der Prozess macht die Bilanz 81Die optimale Strategie 81

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Inselsysteme 84

Inselsysteme – unabhängig vom öffentlichen Netz 85Technologien und Anwendungen 85Windenergie 85Solarenergie 86Biomasse 86Wasserkraft 86Hybridsysteme und ihre Komponenten 87Wechsel- und Stromrichter 87Speicher 87Steuerungs- und Kommunikationseinrichtungen 88Marktentwicklung und Perspektiven 88

Technische Potenziale und ökologische Eigenschaften 90

Globales Energieangebot 90 Potenziale für Deutschland und ihre Kosten 92Erneuerbare Energien für Entwicklungsländer 96“Nord” und “Süd” – Nutznießer einer gemeinsamen Energiestrategie 97Die ökologischen Qualitäten der erneuerbaren Energien 98

Perspektiven erneuerbarer Energien im Rahmen einer 102

nachhaltigen Entwicklung

Heutige Energienutzung in Deutschland 102Rationellere Energiewandlung und -nutzung 102Das Verdopplungsziel 2010 104 Die längerfristige Perspektive 107Die Förderung erneuerbarer Energien 110Erneuerbare Energien in der Europäischen Union 113Die gegenwärtige Nutzung erneuerbarer Energien in der Europäischen Union 113Technische Potenziale erneuerbarer Energien 114Perspektiven erneuerbarer Energien in Europa 116

Ansprechpartner 118

Quellenverzeichnis 120

Glossar 124

Glossar Energieeinheiten 128

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Was bedeutet “Nachhaltigkeit” für die Energieversorgung ?

Seit etwa zwei Jahrzehnten prägt der Begriff “Nachhaltige Entwicklung” die Diskussionen, wenn es um einen scho-nenden Umgang mit unserer natürlichen Umwelt, um eine gerechtere Verteilung des Wohlstands in der Welt undum eine humane Gestaltung der Lebensgrundlagen für alle Menschen geht. Nachhaltigkeit umfasst somit sowohlökologische als auch ökonomische und soziale Aspekte, die stets gemeinsam und in ihrer Wechselwirkung betrach-tet werden müssen. Eine umfassende Definition von Nachhaltigkeit wurde erstmals von der Brundtland-Kommissionerarbeitet, von der Rio-Konferenz 1992 aufgegriffen und seither im Rahmen des Rio-Folgeprozesses in zahlreichenDokumenten niedergelegt, konkretisiert und interpretiert [Brundtland 1987; Rio-Agenda 21, 1992]. Sie lautet:“Nachhaltige Entwicklung befriedigt die Bedürfnisse der heutigen Generationen ohne die Fähigkeiten künftigerGenerationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihre eigenen Lebensstile zu wählen.” Fürdiese nachhaltige Entwicklung spielt Energie eine zentrale Rolle. Die Art ihrer Verfügbarkeit wirkt sich praktisch inallen Bereichen sozialen, ökonomischen und politischen Handelns aus; der Zustand von Umwelt und Klima wirddurch sie beeinflusst, vielfach entscheidet sie über ein friedliches oder konfliktbelastetes Zusammenleben vonVölkern. Demzufolge ist auch “die Energienutzung nur nachhaltig, wenn sie eine ausreichende und dauerhafteVerfügbarkeit von geeigneten Energieressourcen sicherstellt und zugleich die negativen Auswirkungen von Energiebereitstellung, -transport und -nutzung begrenzt.” [BMU/UBA 2002]

Daraus lassen sich konkrete Leitlinien definieren, die als Orientierung für die im Energiesektor handelnden Akteureund für die Entwicklung energiepolitischer Handlungsstrategien dienen können [HGF 2001]. Gemäß dem Verständ-nis von Nachhaltigkeit sind diese Leitlinien als Mindestanforderungen einer nachhaltigen Entwicklung zu verste-hen. Andere für die weitere Entwicklung von Gesellschaften und Staaten wesentliche Aktivitäten, wie Sicherungvon Wirtschaftswachstum, Vermehrung von Wohlstand oder von Freizügigkeit sollten sich deshalb nur in einemMaße entfalten, wie sie die Mindestanforderungen für Nachhaltigkeit nicht gefährden (siehe Kasten rechts).

Die Bundesregierung hat im April 2002 unter der Überschrift “Perspektiven für Deutschland” eine nationaleStrategie für eine nachhaltige Entwicklung beschlossen, mit der deutlich gemacht wurde, in welche Richtung sichunser Land entwickeln soll und welche Weichenstellungen dafür notwendig sind. Über die ökologischen Heraus-forderungen hinaus dient die Strategie als Handlungsanleitung für eine umfassende zukunftsfähige Politik, um der Generationen übergreifenden Verantwortung für eine ökonomisch, ökologisch und sozial tragfähige Ent-wicklung gerecht zu werden. In der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie zählt der umweltverträgliche Ausbauerneuerbarer Energien zu den wesentlichen Pfeilern einer nachhaltigen Energieversorgung [Bundesregierung2002].

Diese Handlungsgrundsätze verlangen ein erweitertes Verständnis von Fortschritt und Entwicklung, insbesonderein den hochindustrialisierten Staaten, wenn ein Umsteuern in Richtung Nachhaltigkeit auf globaler Ebene gelingensoll. Auch Deutschland ist, trotz des im internationalen Vergleich durchaus fortgeschrittenen Standes seiner Um-weltpolitik in bestimmten Bereichen, wie z.B. im Gewässerschutz oder bei der schadstoffarmen Elektrizitätser-zeugung, heute noch deutlich von einer nachhaltigen Entwicklung entfernt [HGF 2003]. Misst man die heutigeEnergieversorgung an diesen Leitlinien, so lassen sich daran wesentliche Defizite erkennen:

––– der übermäßige Verbrauch begrenzter Energieressourcen––– die sich abzeichnende globale Klimaveränderung––– das extrem starke Gefälle des Energieverbrauchs zwischen Industrie- und Entwicklungsländern––– die Risiken der Kernenergienutzung

Fossile Energien — der Motor der heutigen Weltwirtschaft

Seit Beginn der Industrialisierung wächst der Energieverbrauch deutlich rascher als die Anzahl der Menschen.Während die Weltbevölkerung seit 1870 bis heute um das Vierfache auf 6 Milliarden Menschen stieg, wuchs derweltweite Energieverbrauch und damit der Verbrauch fossiler Ressourcen an Kohle, Mineralöl und Erdgas um dasSechzigfache auf derzeit 423 EJ/a (2000; EJ = Exajoule, siehe Glossar). Ein Mensch verbraucht also heute im Durch-schnitt 15mal mehr Energie als vor 130 Jahren (Grafik: Entwicklung des Primärenergieverbrauchs), die Bürger der

NACHHALTIGKEITSANFORDERUNGEN AN DIE ENERGIEVERSORGUNG

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Leitlinien für eine nachhaltige Energieversorgung

Zugang und Verteilungsgerechtigkeit für alle:

Für alle Menschen sind vergleichbare Chancen des Zugangs zu Energieressourcen und zu Energiedienst-leistungen zu gewährleisten.

Ressourcenschonung:

Kommenden Generationen ist die Nutzungsmöglichkeit für die verschiedenen Energieressourcen offen zu halten oder es müssen vergleichbare Optionen der Bereitstellung von Energiedienstleistungen geschaffen werden.

Umwelt-, Klima- und Gesundheitsverträglichkeit:

Die Anpassungs- und Regenerationsfähigkeiten natürlicher Systeme (der “Umwelt”) dürfen durch energie-bedingte Emissionen und Abfälle nicht überschritten werden. Gefahren für die menschliche Gesundheit –etwa durch Akkumulation problematischer Schadstoffe – sind zu vermeiden.

Soziale Verträglichkeit:

Bei der Gestaltung von Energieversorgungssystemen ist zu gewährleisten, dass allen Betroffenen dieTeilhabe an den jeweiligen Entscheidungsprozessen möglich ist. Die Handlungs- und Gestaltungsspiel-räume von wirtschaftlichen Akteuren bzw. von Gemeinwesen dürfen durch diese Systeme nicht eingeengtwerden, sondern sind möglichst zu erweitern.

Risikoarmut und Fehlertoleranz:

Die bei der Energieerzeugung und -nutzung unvermeidlich auftretenden Risiken und Gefahren sind zuminimieren sowie in ihrer räumlichen und zeitlichen Ausdehnung zu begrenzen. Bei ihrer Bewertungsind auch fehlerhaftes Verhalten, unsachgemäße Handhabung, mutwillige Zerstörung und Missbrauchs-möglichkeiten zu berücksichtigen.

Umfassende Wirtschaftlichkeit:

Energiedienstleistungen sollen – in Relation zu anderen Kosten des Wirtschaftens und des Konsums – zu vertretbaren Kosten bereitgestellt werden. Das Kriterium der “Vertretbarkeit” bezieht sich dabei zumeinen auf die im Zusammenhang mit der Energieerzeugung oder -nutzung entstehenden einzelwirt-schaftlichen Kosten, zum anderen bezieht es sich auch auf die gesamtwirtschaftlichen Kosten unterBerücksichtigung der externen ökologischen und sozialen Kosten.

Bedarfsgerechte Nutzungsmöglichkeit und dauerhafte Versorgungssicherheit:

Die zur Befriedigung von Bedürfnissen erforderliche Energie muss dauerhaft, in ausreichender Mengesowie zeitlich und räumlich bedarfsgerecht zur Verfügung stehen. Dies verlangt eine hinreichend diver-sifizierte Energieversorgung, um auf Krisen reagieren zu können und um Handlungsspielräume für dieZukunft zu erhalten bzw. zu vergrößern. Auch sind leistungsfähige und flexible Versorgungsstrukturen zuschaffen und aufrecht zu halten, die gut mit den bestehenden Siedlungsstrukturen harmonieren.

Internationale Kooperation:

Die Weiterentwicklung von Energiesystemen soll durch Verknappung von Ressourcen bedingte Konflikt-potenziale zwischen Staaten vermindern bzw. beseitigen und ihre friedliche Kooperation durch gemein-same Nutzung der jeweiligen Fähigkeiten und Potenziale fördern.

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Industriestaaten noch wesentlich mehr. Historische Einschnitte, wie die beiden Weltkriege, die Ölpreiskrisen oderder gravierende Rückgang der Industrieproduktion in den Staaten der früheren Sowjetunion haben diesen Wachs-tumstrend nur kurzzeitig unterbrochen. Das eigentlich rasante Wachstum des Energieverbrauchs ist seit etwa 1950eingetreten und allein zwischen 1970 und 2000 hat sich der Weltenergieverbrauch verdoppelt. In absehbarer Zu-kunft wird sich an diesem Wachstumstrend nichts Grundsätzliches ändern.

Zur Zeit stellt der traditionelle Einsatz von Biomasse in Form der nichtkommerziellen Brennholznutzung in zahl-reichen wenig entwickelten Ländern 9 % des weltweiten Primärenergieverbrauchs bereit. Die übrigen erneuerbarenEnergien, allen voran die Wasserkraft, haben zusammen einen Anteil von 4,5 % 1. Kernenergie trägt mit 6,7 % zurDeckung des Bedarfs bei. Somit basieren rund 80 % der Weltenergieversorgung auf fossilen Energieträgern, bei derkommerziellen Nutzung sogar 88 %. Sowohl die weltweite als auch die deutsche Energieversorgung stützen sichalso überwiegend auf die endlichen fossilen Energieträger Kohle, Mineralöl und Erdgas. Es ist somit klar, dass selbstbei einem sehr raschen Umsteuern in der Energieversorgung fossile Energien noch Jahrzehnte benötigt werdenund dies möglicherweise in größerem Ausmaß als heute. Damit gewinnt die Frage nach den noch verfügbarenRessourcen und den Reichweiten dieser Energieträger eine zentrale Bedeutung.

Bei den Reserven handelt es sich um jene Energiemengen, die sicher nachgewiesen sind und mit den heutigentechnischen Möglichkeiten wirtschaftlich abbaubar sind; Ressourcen sind dagegen Mengen, die entweder geolo-gisch nachgewiesen, aber derzeit nicht wirtschaftlich förderbar sind oder Mengen, die nicht nachgewiesen sind,jedoch aus geologischen Gründen in dem betreffenden Gebiet erwartet werden können. Die noch vorhandenenReserven an fossilen Energien betragen knapp 34.000 EJ (Stand 2001) was etwa dem Achtzigfachen des derzeitigenWeltenergieverbrauchs entspricht (Grafik: Reserven an fossilen Energien), aber lediglich das 2,4-fache der bereitsinsgesamt verbrauchten Menge an fossilen Energien. Kohle macht über 60 % dieser Reserven aus. KonventionellesErdöl mit 20 % der noch vorhandenen Reserven, ist im Verhältnis zu anderen fossilen Energieträgern bereits amstärksten ausgebeutet. Vergleicht man dies mit der großen gegenwärtigen Bedeutung des Erdöls mit einem Anteilvon 35 % an der globalen Energieversorgung, so wird klar, dass hier in absehbarer Zeit auch auf die nicht konven-tionellen Ölreserven (Schweröl, Ölschiefer, Ölsände) und die teureren Ressourcen zurückgegriffen werden muss,wenn die (noch steigende) Nachfrage in Zukunft gedeckt werden soll. Bezieht man das Erdgas mit ein (ohne Be-rücksichtigung der noch sehr unsicheren Angaben über Aquifere und Gashydrate – siehe Glossar), so sind allein dieRessourcen der Kohlenwasserstoffe mit rund 28.200 EJ in der Größenordnung der Reserven aller fossilen Energie-träger. Große Ressourcen in Höhe von 116.000 EJ werden noch bei der Kohle vermutet.

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500

400

300

200

100

0

Pr imärenerg ieverbrauch , EJ/a

Nichtkommerzielle Biomasse

Erneuerbare Energien

Kernenergie

Erdgas

Mineralöl

Kohle

Entwicklung des weltweiten Primärenergieverbrauchs seit 1870 und seiner Deckung nach Energiequellen einschließlich der nichtkom-merziellen Nutzung von Biomasse (Brennholz)

1870 1880 1890 1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000

1 Zu beachten ist, dass in den Energiestatistiken Strom aus Wasser, Wind und Sonnenstrahlung im Verhältnis 1:1 als Primärenergie angesetzt werden, Strom

aus Kernenergie wird dagegen im Verhältnis 3:1 in (thermische) Primärenergie umgerechnet; die fossilen Primärenergien und die Biomasse werden durch

ihren Heizwert charakterisiert (siehe Glossar).

Entwicklung des Primärenergieverbrauchs Quel len : IEA Stat ist iken u . a .

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Die sich abzeichnenden Verknappungstendenzen der Reserven von Öl und Erdgas spiegeln sich auch in den stati-schen Reichweiten dieser Energien wider. Darunter ist die Zeitdauer zu verstehen, in der die Reserven bei ihremjeweiligen gegenwärtigen Verbrauch vollständig erschöpft sein werden. Konventionelles Erdöl hat mit 43 Jahren(2001) die geringste Reichweite, bezieht man unkonventionelles Erdöl mit ein – also Schweröle, Ölsand und Ölschie-fer – so liegt dieser Wert bei 62 Jahren. Erdgas reicht bei gleichbleibendem Verbrauch noch ca. 64 Jahre, währenduns die Reserven von Kohle noch etwa 200 Jahre zur Verfügung stehen. Uran, eine weitere endliche Energiequelle,reicht bei einer Nutzung in Leichtwasserreaktoren und ohne Aufbereitung der Kernbrennstoffe nur etwa 40 Jahre.Aus der Sicht des Einzelnen mögen diese Zeiträume wenig besorgniserregend erscheinen, da die Reserven voraus-sichtlich nicht innerhalb seiner Lebenszeit erschöpft sein werden und zudem noch beträchtliche Mengen anRessourcen zu ihrer prinzipiellen Nutzung bereitstehen. Eine solche Betrachtung lässt aber zweierlei außer Acht:

––– Zum einen wird das weltweite Fördermaximum für Erdöl – der sogenannte “mid-depletion point” – bereitsin 10 bis 20 Jahren erwartet. Spätestens dann dürften deutliche Preissteigerungen beim Rohöl auftreten. Erdgasallein kann die Deckungslücke nicht übernehmen und die Reserven an unkonventionellem Öl sind allemal teurer.Die Reserven an Erdöl und Erdgas sind zudem sehr ungleichmäßig über den Globus verteilt. Über 70 % der Erdöl-reserven und über 65 % der Erdgasreserven befinden sich innerhalb einer “strategischen Ellipse” von Ländern, dievon Saudi-Arabien im Süden über Irak und Iran bis nach Russland reicht (Grafik: Verteilung der Reserven). Nimmtman beide Tatsachen zusammen, so wird klar, welche brisante Versorgungssituation in absehbarer Zeit auf den“energiehungrigen Westen” zukommen kann. Der gesicherte Zugang zu preisgünstigen Energieressourcen ist fürdie Industrieländer schon heute von so großer Bedeutung, dass er zur Entstehung und Vertiefung einer Vielzahlpolitisch oder sogar militärisch ausgetragener Konflikte beiträgt.

––– Auch die intragenerative Gerechtigkeit, also die gerechte Verteilung der Ressourcen zwischen heutigen undzukünftigen Generationen – ein wichtiges Prinzip der Nachhaltigkeit – wird ignoriert. Selbst wenn heutige Genera-tionen zu dem Schluss kommen sollten, dass trotz der Ausbeutung der Reserven fossiler und nuklearer Energie-träger zukünftigen Generationen eine angemessene Handlungsbasis erhalten bleibt, so muss angesichts der langenEntwicklungs- und Einführungszeiträume von neuen Energietechnologien die Mindestforderung lauten, schonheute mit der Einführung neuer Technologien zu beginnen, die nicht mehr auf den Einsatz fossiler oder nuklearerBrennstoffe angewiesen sind und heute keine Strukturen festzuschreiben, die Veränderungen in diesem Sinne füreine lange Zeit unmöglich machen oder zumindest sehr stark behindern. So hat ein Kraftwerk eine Lebensdauervon etwa 30 bis 40 Jahren, neue Braunkohlegruben eine Auskohlungsdauer von 60 Jahren und auch die Entwick-lung und nennenswerte Markteinführung einer neuen Generation von Energiewandlern wie etwa der Brennstoff-zelle dauert 20 bis 30 Jahre.

Aus der Beschränktheit und der geografischen Verteilung der Energiereserven leitet sich also zwingend ab, heuteschon mit dem Aufbau einer zukunftsverträglicheren Energieversorgung zu beginnen. Diese Aussage gilt auchdann noch, wenn man zusätzlich die Ressourcen an fossilen Energien berücksichtigt, also die unter gegenwärtigenRahmenbedingungen noch nicht lohnend abbaubaren Lagerstätten. Geht man nämlich von einem auch weiterhin

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Erdöl Erdgas Braunkohle Steinkohle

5.200

6.360

2.825

2.200

5.110

500

1.960

6.100

17.670

Verbraucht bis Ende 2001: 14.000 EJ Reserven, konventionell: 31.100 EJ Reserven, nichtkonventionell: 2.825 EJ

Quel le : BGR 2003 Reserven an fossilen Energien

Energ ie, EJ

– 4.000

0

4.000

8.000

12.000

16.000

Reserven 2001 an fossilen Energien im Vergleich zur bisher verbrauchten Menge

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stetig wachsenden globalen Energieverbrauch von etwa 2 % pro Jahr aus, so verlängert sich die Reichweite vonErdöl und Erdgas unter Einbeziehung der Ressourcen gegenüber den Reichweiten der Reserven nur um einige Jahr-zehnte. Die Erschließung dieser Ressourcen wird jedoch einen ungleich höheren Aufwand nach sich ziehen, als erheute bei der Förderung der Reserven erforderlich ist. Und auch die Umweltauswirkungen ihrer Förderung sindalles andere als klar. Dies betrifft z.B. die Gefahr der Freisetzung großer Mengen des klimarelevanten SpurengasesMethan bei der Gewinnung von Gashydraten. Wenn wir heute dagegen beginnen, den Verbrauch endlicher Ener-gieträger zu mindern, so schützen wir uns vor den Gefahren zukünftiger, möglicherweise ähnlich drastischer Preis-sprünge, wie sie in den siebziger Jahren bei Erdöl zu beobachten waren und werden auch den Anforderungen desUmwelt- und Klimaschutzes gerecht.

Vergleicht man die Zeiträume, die zur Bildung der fossilen Energieträger benötigt wurden mit jenen, in der dieMenschheit diese Vorräte aufbraucht, so wird der Raubbau an der Natur noch deutlicher. Über Hunderte von Jahr-millionen Fotosynthese waren notwendig, um die energiereichen Kohlenstoffverbindungen aufzubauen. In nurwenigen hundert Jahren verbraucht die Menschheit diese wertvollen Rohstoffe und belastet zudem mit ihren Rück-ständen die Umwelt.

Das Klima gerät aus dem Gleichgewicht

Es wird voraussichtlich nicht zuerst die Erschöpfung der fossilen Energieressourcen sein, die ein Umdenken überunseren Umgang mit Energie erzwingen wird. Vielmehr ist es die bereits heute vielfach erschöpfte Aufnahme-fähigkeit unserer Umwelt für die Abfallprodukte der Energienutzung, die ein entschlossenes Handeln hin zu einernachhaltigen Energiewirtschaft notwendig macht. Dies gilt insbesondere für jene Produkte, die in die Atmosphäreentlassen werden. Bei der Verbrennung von fossilen Energieträgern entstehen Luftschadstoffe wie Schwefeldioxidund Stickoxide, die zur Bildung des sauren Regens beitragen. Findet die Verbrennung nicht vollständig statt, wer-den weiterhin Kohlenmonoxide, unverbrannte Kohlenwasserstoffe und Rußpartikel emittiert; bei festen Brennstof-fen können darüber hinaus erhebliche Mengen an Staub auftreten. Diese Emissionen und noch eine Vielzahl ande-rer, schädigen nicht nur die Umwelt, sondern sind für den Menschen direkt gesundheitsschädigend; sie werdendaher Luftschadstoffe genannt.

Durch eine verbesserte Verbrennung und durch den Einsatz von Katalysatoren und Filtern kann die Emission vonLuftschadstoffen allerdings stark verringert werden. In vielen westlichen Industrieländern, insbesondere auchDeutschland, sind in den vergangenen drei Jahrzehnten, motiviert durch eine entsprechende Umweltpolitik undunter Einsatz erheblicher finanzieller Mittel, große Fortschritte erzielt worden. Die Luft ist dadurch insbesondere inden Ballungsräumen sauberer geworden. Als Problembereich geblieben sind vor allem die durch den immer weiterwachsenden Individualverkehr hervorgerufenen Stickoxidemissionen, deren Reduzierung jedoch durch stetig ver-schärfte Abgasnormen für Neufahrzeuge vorangetrieben wird. Dagegen steigen die Belastungen durch diese Schad-stoffe in den schnell wachsenden Ballungsräumen weniger entwickelter Länder weiterhin deutlich und ziehen alljene negativen Folgen wie z.B. Krupphusten nach sich, die aus der Vergangenheit der Industrieländer bekanntsind.

Quel le : BGR 2003

60,8 %

13,5 %

8,1 %

9,5 %

8,1 % 9,6 %

35,9 %

10,9 %

10,3 %

33,3 %

Reserven Erdö l 2001 : 6 . 360 EJ Reserven Erdgas 2001 : 5 .1 1 0 EJ

OPEC-Golf

OPEC andere

OECD

GUS

Sonstige

Verteilung der Reserven (2001) von konventionellem Erdöl und Erdgas auf Ländergruppen

Verteilung der Reserven

10

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Neben diesen häufig auch als “klassische” Luftschadstoffe bezeichneten Emissionen wird bei der Verbrennung vonkohlenstoffhaltigen Energieträgern auch immer Kohlendioxid freigesetzt. Dieses Gas ist zwar für Organismen nichtgiftig, seine schädigende Wirkung entfaltet es vielmehr durch die Verstärkung des Treibhauseffektes, der zu einerErhöhung der globalen Temperaturen führt. Seit Beginn der Industrialisierung ist die Konzentration des Kohlen-dioxids in der Atmosphäre bereits um ein Viertel angestiegen und hat eine Erhöhung der mittleren bodennahenLufttemperatur von 0,6 ± 0,2°C bewirkt. Werden keine deutlichen Gegenmaßnahmen zur Reduktion dieser undanderer klimarelevanter Emissionen ergriffen, so wird nach Szenarien des IPCC (Glossar) mit einem weiteren An-stieg der mittleren globalen bodennahen Lufttemperatur zwischen 1,4°C und 5,8°C bis zum Jahr 2100 gerechnet,wobei regional die Änderungen durchaus unterschiedlich stark ausfallen können. Neben der Temperaturerhöhungsind Änderungen der Niederschlagsverteilung, ein Anstieg der Häufigkeit extremer Wettersituationen, eine Ver-schiebung von Klima- und Vegetationszonen und die Verschlechterung der Böden mit fatalen Folgen für die ohne-hin angespannte Welternährungssituation zu erwarten. Klimaänderungen haben in der Erdgeschichte häufig statt-gefunden; bedrohlich an den heute zu beobachtenden Veränderungen ist, dass die Änderungen mit hoher Ge-schwindigkeit auftreten und weder den menschlichen Zivilisationen noch der Umwelt einen ausreichenden Zeit-raum zur Anpassung lassen.

Energiebedingte CO2-Emissionen tragen etwa zur Hälfte zum menschlich verursachten Treibhauseffekt bei und ste-hen damit im Mittelpunkt der Bemühungen um den Klimaschutz. Der Anstieg dieser energiebedingten globalenKohlendioxidemissionen im Gefolge des wachsenden Weltenergieverbrauchs (Grafik: Entwicklung der globalen CO2-Emissionen), die jetzt 23,5 Mrd. t CO2/a erreicht haben, führte dazu, dass seit Beginn der Industrialisierung insge-samt zusätzliche 1.000 Mrd. t CO2 in die Atmosphäre emittiert wurden, davon allein 80 % in den letzten 50 Jahren.Da das Wachstum vornehmlich in den Industrieländern stattfand, sind diese für rund 90 % der bis heute durch denEnergieeinsatz entstandenen CO2-Emissionen verantwortlich. Derzeit emittieren sie zwei Drittel der globalen CO2-Emissionen. Deutschland hat im Jahr 2000 rund 860 Mio. t Kohlendioxid emittiert, das sind knapp 4 % der welt-weiten Emissionen. Jeder Bewohner Deutschlands ist damit für den Ausstoß von über 10 t/a Kohlendioxid verant-wortlich. Ein US-Amerikaner bläst sogar pro Jahr 22 t, also gut die doppelte Menge, in die Luft, ein Chinese dage-gen nur 2,7 t und ein Inder sogar nur 0,7 t. Die große Verantwortung der Industrieländer für den Treibhauseffektwird hierdurch besonders deutlich.

Die globale Klimaerwärmung infolge der Verbrennung fossiler Energieträger, des Raubbaus an Wäldern und einerindustriell betriebenen Landwirtschaft (Emission des klimawirksamen Lachgases) wird heute ganz überwiegend alsgesichert betrachtet. Um den Temperaturanstieg im unteren Bereich zu halten, sollte die Konzentration von CO2 inder Atmosphäre, die derzeit bei 360 ppm (siehe Glossar) liegt, bis zum Ende dieses Jahrhunderts höchstens auf 450 ppm steigen (Grafik: Szenarien der Entwicklung der globalen CO2-Emissionen). Will man dies erreichen, so isteine weltweite Reduktion der energiebedingten CO2-Emissionen um mehr als die Hälfte bis zum Jahr 2100 unerläss-lich. Berücksichtigt man die weiter wachsende Bevölkerung, so darf jeder der dann voraussichtlich 10 MilliardenErdenbürger durchschnittlich nur noch wenig mehr als eine Tonne CO2 emittieren. Daraus abgeleitet ergibt sich

11

Quel le : DLR

24

22

20

18

16

14

12

10

8

6

4

2

0

Entwicklung der globalen energiebedingten CO2-Emissionen seit 1870 und ihrer Hauptursachen: Bevölkerungszuwachs und Verbrennungvon Kohle, Mineralöl und Erdgas (1 Gt SKE [Steinkohleeinheiten] entspricht 29,3 EJ)

1870 1880 1890 1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000

CO2-Emissionen (Mrd. t/a)

Primärenergie (Mrd. t SKE/a)

Bevölkerung (Mrd.)

Entwicklung der globalen CO2-Emissionen

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für Deutschland das längerfristige Ziel, eine Senkung der nationalen CO2-Emissionen um etwa 75 % (bezogen auf2000) bis zum Jahr 2050 zu erreichen. Geht man dagegen eher von einer weiteren unbeschränkten Deckung deswachsenden Energieverbrauchs vorwiegend durch fossile Energien aus – wofür das Szenario A1FI des IPCC steht,welches eine weitgehende Erschließung aller fossilen Ressourcen voraussetzt – so steigen die CO2-Emissionen erheb-lich und die dadurch induzierten Temperaturänderungen gelangen in nicht mehr beherrschbare Bereiche (IPCC2002). Man benötigt daher rasch, also innerhalb weniger Jahrzehnte, eine wirksame Kombination von Effizienz-technologien in allen Nutzungsbereichen und von CO2-freien oder CO2-armen Energiewandlungstechnologien,wenn der schon eingetretene Klimawandel in tolerierbaren Grenzen gehalten werden soll.

Im Gegensatz zu den klassischen Luftschadstoffen haben die negativen Wirkungen des Kohlendioxids ausschließlichglobalen Charakter – und sie machen sich nicht sofort, sondern schleichend und regional sehr unterschiedlichbemerkbar. Eine Verminderung der Emissionen führt nicht direkt zu lokalen Vorteilen für die dortigen Energie-verbraucher. Erst wenn weltweit Maßnahmen ergriffen werden, können die CO2-Emissionen in dem notwendigenAusmaß reduziert werden. Einzelne Staaten oder Staatengruppen können allerdings eine wichtige Vorreiterrolleübernehmen. Die globale Dimension des Treibhauseffektes erfordert eine wesentlich umfassendere Art politischenHandelns als dies bei ausschließlich nationalen Problemen der Fall ist. Eine weitere Schwierigkeit liegt in der Naturder Entstehung von Kohlendioxid. Bisher existiert noch keine nachhaltige Abscheide- und Entsorgungsmöglichkeitzu wirtschaftlich vertretbaren Kosten. Jene technischen “End of pipe”-Maßnahmen, die bei der Reduktion der klassi-schen Luftschadstoffe sehr erfolgreich waren, entfallen also beim Klimaschutz oder werden so teuer, dass es günsti-ger sein dürfte, den Verbrauch fossiler Energieträger direkt deutlich zu reduzieren oder durch nicht fossile Energie-träger zu ersetzen.

Angesichts der weitreichenden Gefahren des Treibhauseffektes ist der Klimaschutz eine ganz zentrale Begründungfür die Notwendigkeit einer nachhaltigen Energiewirtschaft. Selbstverständlich bleibt auch die weitere Minderungvon anderen Schadstoffen in Zukunft ein wichtiges Anliegen, das zur Erhaltung der natürlichen Umwelt wichtigeBeiträge leistet. Ebenso dürfen die weiteren Umweltauswirkungen der derzeitigen Energienutzung, wie großflächi-ge Landschaftszerstörung bei der Förderung von Kohle, Erdöl und Uran, die Meeresverschmutzung durch Erdöl-förderung und bei Tankerhavarien, vermehrte Umweltbelastungen durch den Abbau unkonventioneller Kohlenwas-serstoffe sowie die teilweise gravierenden Folgen großer Wasserkraftwerke, insbesondere wenn mit ihrer Errichtungdie Überflutung großer Wasserflächen verbunden ist, nicht außer Acht gelassen werden.

12

Quel le : IPCC 2002

90

80

70

60

50

40

30

20

10

0

CO 2-Emiss ionen , Mrd . t CO 2/a

Historisch

Szenario “A1FI”

Szenario “550”

Szenario “450”

Entwicklung der energiebedingten CO2–Emissionen in verschiedenen IPCC-Szenarien im Vergleich zum historischen Verlauf und ihre Aus-wirkungen auf CO2-Konzentration und Temperatur in der Atmosphäre (“A1FI”: Wachstumsszenario mit Deckung durch weitgehend fossileEnergien; “450” und “550”: jeweilige Mittelwerte von Szenarien, die zu einer stabilen Konzentration von CO2 in der Atmosphäre führen)

1900 1920 1940 1960 1980 2000 2020 2040 2060 2080 2100

Szenario:

Kumulierte CO2 (Gt C):

CO2-Konzentration in 2100 (ppm):

mittlerer Temperaturanstieg (°C):

Historisch “A1FI” “550” “450”

300 2200 1000 700

(360) 950 550 450

0,4 — 0,8 4,5 — 5,0 2,5 — 3,0 1,5 — 2,0

Szenarien der Entwicklung der globalen CO2-Emissionen

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Kernenergie — Risiken größer als der Nutzen

Da mit der Kernspaltung Strom weitgehend CO2-frei bereitgestellt werden kann, wird Kernenergie – und in ihremGefolge oft auch die Kernfusion – häufig als unverzichtbar zur Erreichung der angestrebten CO2-Reduktionszielebezeichnet. Diese These ist jedoch bei genauer Betrachtung nicht haltbar: Nur eine lang anhaltende Vermeidungsehr großer Mengen Kohlendioxid ist unter Klimaschutzgesichtspunkten sinnvoll. Dazu müsste der Beitrag derKernenergie zur globalen Energieversorgung um mehr als eine Größenordnung gesteigert und über Jahrhunderteaufrecht erhalten werden. Abgesehen von der Zunahme des Risikos mit jedem neuen Kernkraftwerk (und dannauch in Ländern, deren Sicherheitsstandards und politische Stabilität nicht so hoch sind wie die in Europa) kanndies die Kernenergie schon aus Ressourcengründen nicht leisten. Preiswertes Uran für Leichtwasserreaktoren reichtbereits beim heutigen Nutzungsstand gerade 40 Jahre. Für die großen und über einen sehr langen Zeitraum erfor-derlichen Mengen an Kernenergiestrom wäre bald der Einstieg in eine Wiederaufbereitungs- und Brüterwirtschafterforderlich, die nicht nur teurer ist als die heutigen Reaktoren, sondern auch wesentlich risikoreicher. Aber schonjetzt kommt die Kernenergie mit wesentlichen Leitlinien einer nachhaltigen Energieversorgung in Konflikt:

––– In Kernreaktoren können Kernschmelzunfälle (Super-GAU) mit unvertretbar hohen Gefahren für die menschli-che Gesundheit nicht ausgeschlossen werden. In den betroffenen Gebieten entstünden extreme Folgeschäden (sieheLeitlinie 3).

––– Auf allen Stufen der Brennstoffbereitstellung, -nutzung und -entsorgung entstehen radioaktive Stoffe, die teil-weise emittiert werden, größtenteils aber unter hohem technischen und logistischen Aufwand für lange Zeiten vonder Umwelt abgeschirmt und überwacht werden müssen (siehe Leitlinien 3 und 4). Wie dies geschehen soll, istzudem bis heute völlig offen.

––– Ein vollkommener Schutz gegen den Missbrauch von Plutonium als Abfallprodukt der Kernspaltung erscheintunmöglich, insbesondere, wenn es in den für eine Brüterwirtschaft erforderlichen Mengen im internationalenRahmen gehandhabt werden müsste. Eine missbräuchliche waffentechnische Verwendung durch einzelne Staatenoder supranationale Gruppen wäre eine ständige Bedrohung für die Menschheit (siehe Leitlinien 5 und 8).

––– Ein völliger Schutz von Kernenergieanlagen gegen äußere Gewaltanwendungen (z.B. Flugzeugabstürze) undSabotage ist nicht möglich oder würde im Einzelfall zu äußerst hohen Kosten und der Einschränkung sozialer Frei-räume führen (siehe Leitlinien 4 und 6).

––– Eine Begrenzung der Kernenergienutzung auf “hochentwickelte” Länder zur Verringerung obiger Risikenbehindert die friedliche weltweite Kooperation und ist politisch nicht durchführbar (siehe Leitlinie 8).

13

Quel le : UN 2001 / IEA 2001

35 %

32 %

24 %

1%

8 %

11 %

1. Bevölkerung: 5,9 Mrd.

3. Primärenergie: 410 EJ

2. BIP: 32 Bill. US $ (95)

4. CO2-Emission: 23,1 Mrd. t

11 %19 %

4 %

66 %

10 %20 %

5 %

Wohlstand und Energieverbrauch weltweit

9 %

80 %

65 %

Kenndaten einer zweigeteilten Welt (1998). Je ärmer desto weniger – die Industriestaaten beanspruchen den größten Teil am Wohlstandund Energie (IL = Industrieländer, HDC, MDC, LDC = Hoch, mittel und wenig entwickelte Länder).

IL HDC MDC LDC

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Bei vollständiger und gründlicher Abwägung dieser Gegebenheiten ist der Nutzen einer kohlenstofffreien Strom-erzeugung aus Kernenergie gering im Vergleich zu den Risiken und Gefahren, die inhärent mit der weiterenNutzung und gar einer Ausweitung der Kernenergie verbunden sind. Glücklicherweise gibt es geeignetere “nicht-fossile” Energiequellen in Form der erneuerbaren Energien, deren große technische Potenziale ausreichen, denWeltenergiebedarf um ein Mehrfaches zu decken. Mit dem Mitte 2000 zwischen der Bundesregierung und denKraftwerksbetreibern geschlossenen Konsens bezüglich der sukzessiven Außerbetriebnahme der Kernkraftwerke istdies in Deutschland erkannt und der notwendige Umsteuerungsprozess eingeleitet worden.

Energieverschwender und Energiehabenichtse — ein brisanter Zustand

Ein weiteres gravierendes Nachhaltigkeitsdefizit besteht in dem sehr starken Gefälle des Energieverbrauchs zwi-schen Industrie- und Entwicklungsländern, das sich in den letzten Jahren eher vergrößert als verringert hat. Derzeitverbrauchen 24 % der Weltbevölkerung in den Industrieländern 65 % der konventionellen Energieträger und 75 %der Elektrizität. Dagegen müssen sich 32 % der Weltbevölkerung in der ärmsten Gruppe der Entwicklungsländer –den “low developed countries” – mit 1 % des Wohlstands und 4 % der Energie begnügen. Sie sind dafür aber nurfür 5 % der globalen CO2-Emissionen “verantwortlich” (Grafik: Wohlstand und Energieverbrauch weltweit). Die aufLändergruppen bezogenen Durchschnittswerte glätten dabei noch die extremen Spreizungen der länderspezifi-schen Kennwerte. Betrachtet man diese, werden die Kontraste noch ausgeprägter (Grafik: Energieverbrauch proKopf im Vergleich). So verbraucht im Durchschnitt ein Nordamerikaner nahezu 15-mal mehr Energie pro Kopf alsein Afrikaner (kommerzielle Energie ca. 30-mal) und liegt damit um das 5-fache über dem globalen Durchschnitt.Die ärmsten Länder (Jemen, Niger, Bangladesh u.a.) müssen dagegen mit einem Hundertstel der kommerziellenEnergie eines Nordamerikaners auskommen. Die Europäer und Japaner verbrauchen etwa halb soviel Energie proKopf wie dieser und zeigen damit, dass hoher Energieverbrauch nur in Grenzen etwas mit Wohlstand zu tun hat.Trotzdem liegt der Durchschnittseuropäer mit rund 140 GJ pro Kopf und Jahr noch um das Zweifache über demWeltdurchschnitt.

Das Problem einer weltweit gerech-teren Verteilung von Energie istauch hinsichtlich finanzieller oderökologischer Folgelasten von großerBedeutung. Modellrechnungen zei-gen, dass die voraussichtlich amstärksten von den Folgen möglicherKlimaänderungen betroffenen Re-gionen nach heutigen Erkenntnis-sen vorwiegend solche sein werden,die am wenigsten zu ihrer Verur-sachung beigetragen haben oderdie diesen Folgen am wenigstenmit technischen und finanziellenMitteln entgegenwirken können.Diese Tatsache verschärft die so-zialen und wirtschaftlichen Kon-flikte.

Ein auch nur tendenzieller Aus-gleich der gravierenden Unterschie-de im Energieeinsatz, der wegender Forderung nach sozialer Nach-haltigkeit unbedingt notwendig ist,führt in Verbindung mit dem An-wachsen der Weltbevölkerung auf9 bis 10 Mrd. Menschen 2050 un-vermeidlich zu einem weiterenWachstum der globalen Energie-nachfrage. Da Art und Höhe derEnergieversorgung in den Industrie-ländern aufgrund des hier erreich-ten großen Wohlstandes den ärme-

14

Welt

Nordamerika

Ozeanien

Europa

GUS

Südamerika

Asien

Afrika

OECD

EU (15)

Arab. Emirate

USA

Deutschland

Japan

Südkorea

Italien

Portugal

Mexiko

China

Indonesien

Indien

Haiti

Jemen

Bangladesh

68

345

190

140

131

45

30

25

195

155

417

348

172

170

161

122

100

64

37

26

20

11

6

5

0GJ pro Kopf 50 100 150 200 250 300 350 400 450

Energieverbrauch pro Kopf im Vergleich

Energieverbrauch pro Kopf (1999) im internationalen Vergleich (einschließlichnichtkommerzieller Energie)

Quel le : IEA 2001

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ren Ländern der Welt als vorbildlich gilt, bewegt sich derzeit die Entwicklung in diesen Ländern in die gleiche ressourcenverzehrende Richtung, wie wir sie lange Zeit eingeschlagen haben, und vergrößern somit die schonbestehenden Nachhaltigkeitsdefizite weiter. Nur wenn wir daher unsere Energieversorgung grundlegend umgestal-ten, besteht überhaupt eine Chance, den vorprogrammierten globalen Energieverbrauchszuwachs in Grenzen zuhalten und gleichzeitig die aus Klimaschutzgründen problematischen fossilen Energieträger zurückzudrängen.

Wege zu einer nachhaltigen Energiewirtschaft

Eine völlig objektive Abwägung und Gewichtung zwischen überwiegend anerkannter Klimagefährdung, den zuerwartenden Verknappungs- und Verteuerungstendenzen im fossilen Bereich, den divergierenden Haltungen zuden Risikoaspekten der Kernenergie und den volkswirtschaftlichen und sozialen Schäden, die durch den extremunausgewogenen Zugang zu Energie entstehen, erscheint aus heutiger Sicht nicht möglich. Aus den vorliegendenErkenntnissen können jedoch prinzipielle Schlüsse gezogen werden: Die zukünftige Energieversorgung darf sichnicht weiterhin beinahe ausschließlich auf fossile und auf nukleare Energieträger stützen. Vielmehr muss ein Sys-tem etabliert werden, das den acht Leitlinien einer nachhaltigen Energieversorgung möglichst nahe kommt bzw.die stetige Annäherung an sie erlaubt. Für eine Umgestaltung der Energieversorgung in diese Richtung gibt esdrei zentrale Strategieelemente, die in der Nachhaltigkeitsdiskussion mit “Effizienz”, “Konsistenz” und “Suffizienz”bezeichnet werden:

Zentrale Strategieelemente

Effizienz:Gewünschte Energiedienstleistungen sind z.B. ein angenehmes Raumklima, warmes Wasser, ein beleuchteterRaum, funktionsfähige Maschinen und Geräte oder die Möglichkeit der Fortbewegung von A nach B. Von derPrimärenergie zur Dienstleistung durchlaufen die Energieträger mit Verlusten behaftete Wandlungsschritte.Diese Verluste können nach heutiger Erkenntnis mit intelligenter Technik und gutem Energiemanagement nocherheblich reduziert werden. Neben einer wesentlich rationelleren Energiewandlung bzw. -verwendung in allenAggregaten und Geräten gehört auch der Ersatz von hochwertigen durch weniger “wertvolle” Energieträger(z.B. der Ersatz von Stromheizung durch Nutzwärme aus der Kraft-Wärme-Kopplung) und die Vermeidung vonEnergieeinsatz (z.B. Ersatz bzw. starke Verminderung von Raumheizung durch sehr gute Wärmedämmung)dazu. Von Bedeutung ist auch eine energetisch effiziente Nutzung von Rest- und Abfallstoffen, die nicht ver-meidbar sind oder die nicht anderweitig wiederverwertet werden können.

Konsistenz:Wegen des Verbrauchs fossiler und nuklearer Energierohstoffe und der Ablagerung der Abfallprodukte in dieUmwelt ist das derzeitige Energiesystem “offen”. Auf längere Sicht nachhaltig sind jedoch nur “geschlossene”Energiesysteme, die Energie weitgehend ohne Rohstoffverbrauch bereitstellen oder die es erlauben, die entspre-chenden Materialien in den Kreislauf zurückzuführen. Energiesysteme, welche die natürlichen durch Sonnen-energie, Gravitation und Erdwärme angetriebenen Energiekreisläufe “anzapfen” und daraus zeitweise geringeBruchteile entnehmen, kommen diesem Ideal sehr nahe. Die in den Anlagen gebundenen Materialien könnenwie bei anderen Gütern und Anlagen in großem Umfang wieder verwertet werden, da sie nicht kontaminiertsind; Energieträger werden nicht “verbraucht”.

Suffizienz:Die Höhe des Energieeinsatzes hängt auch von Lebensstilen und Konsumgewohnheiten ab. Ändern sich mensch-liche Aktivitäten und Bedürfnisse, etwa im Freizeitverhalten, so kann dies erheblichen Einfluss auf den resultie-renden Energieverbrauch haben. Die Skala des eigenverantwortlichen Handelns ist dabei sehr groß, sie kann vonbewusstem Verzicht auf energieintensive Produkte oder übertriebene Mobilität bis zur klugen Auswahl von Nah-rungsmitteln oder Verkehrsmitteln reichen. Aus der Erkenntnis, dass die eingefahrenen Gewohnheiten nach“immer weiter, immer schneller, immer mehr” auf Dauer nicht mit Nachhaltigkeitsbestrebungen vereinbar sind,könnte speziell in den Industrieländern ein Wertewandel, der sich stattdessen ein “lieber besser leben, als mehrhaben” zum Ziel setzt, großen Einfluss auf die Höhe des zukünftigen Energieverbrauchs haben.

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Keine dieser drei Strategien kann für sich allein in Anspruch nehmen, der erfolgversprechendste Weg zu sein. Viel-mehr ergänzen sie sich und führen erst in einer engen Wechselwirkung zum angestrebten Ziel. Ein deutlich ver-minderter Energieverbrauch ist eine wesentliche Voraussetzung, damit erneuerbare Energien rasch genug nennens-werte Anteile des Energiebedarfs ökonomisch vertretbar decken können und ohne gleichzeitig energiebewusster zuleben, kann sich kein Erfolg durch den Einsatz effizienter Technologien einstellen. Auf der anderen Seite wird esmit jeder eingesparten Einheit Energie schwieriger, weitere Energie einzusparen. Eine Null-Energie-Gesellschaft istnicht vorstellbar, nachhaltig nutzbare Energieströme, also erneuerbare Energien, sind daher notwendig. Eine deut-lich effizientere Energienutzung aller Energieträger und die Substitution endlicher Energieressourcen durch Ener-gien aus natürlichen Energieströmen sind zwei Seiten einer Medaille.

Parallel dazu sollte auch ein Bewusstseins- und Wertewandel stattfinden, der weg vom stetig wachsenden Güter-konsum und hin zu einem qualitativen Wachstum der Bedürfnisbefriedigung führt und die Sensibilität für dieUmwelt schärft. Eine derartige Veränderung wird aber, wenn überhaupt, nur über längere Zeiträume größere Teileder Bevölkerung erfassen. Vor allem die fortschreitende Globalisierung aller Aktivitäten, also auch des Konsum-verhaltens, und die starke Ausrichtung auf sehr kurzfristige wirtschaftliche Erfolge statt auf vorsorgeorientierte, län-gerfristig angelegte Reformmaßnahmen stehen solchen Tendenzen im Wege. Es sind noch eine Vielzahl von “sozia-len Innovationen” notwendig, damit ein bewussterer Umgang mit den natürlichen Ressourcen zur Selbstverständ-lichkeit wird.

Eine idealtypische Entwicklung der globalen Energieversorgung, die alle vier genannten Nachhaltigkeitsdefizitegleichzeitig angeht, sollte bis zur Mitte des Jahrhunderts entsprechend verlaufen (Grafik: Idealszenario). Ausgangs-punkt ist ein konstant bleibender mittlerer Pro-Kopf-Verbrauch in Höhe von 70 GJ/a (2000), was bei deutlich stei-gender Energieproduktivität (Glossar) ein weiteres erhebliches Wachstum von Dienstleistungen und Gütern erlaubt.Die modernen Industriestaaten (OECD) halbieren ihren Energieeinsatz als Beitrag zur Milderung der krassen Un-gleichverteilung des weltweiten Energieverbrauchs. Dies erlaubt eine gute Verdopplung des Pro-Kopf-Verbrauchsder heutigen Entwicklungsländer und sichert ihnen, entsprechend ihrer wachsenden Bevölkerungszahl, im Jahr2050 einen Anteil von 75 % am Primärenergieverbrauch von dann 635 EJ/a – dem 1,5-fachen von heute (Grafik:Idealszenario). Die Beseitigung bzw. Verringerung der anderen drei Nachhaltigkeitsdefizite verlangt eine Halbie-rung des fossilen Energieeinsatzes bis 2050, eine Aufgabe der Kernenergienutzung und eine Umstellung der weit-gehend umweltschädlichen “traditionellen” Biomassenutzung (Brennholzbeschaffung) auf eine umweltverträgliche“moderne” Biomassenutzung. Der Einsatz moderner Technologien zur Nutzung erneuerbarer Energien müsste dem-nach bis 2050 um das 24-fache auf rund 470 EJ/a wachsen; sie würden so knapp 75 % des Gesamtbedarfs decken.

Idealszenario einer nachhaltigen globalen Energieversorgung für das Jahr 2050 hinsichtlich der Verminderung bzw. Beseitigung der vierwesentlichen Nachhaltigkeitsdefizite (Bevölkerungswachstum von 6 Mrd. in 2000 auf 9 Mrd. Menschen in 2050)

Pr imärenerg ieverbrauch , EJ/a

Reg ionen 2000 Regionen 2050 Energ ieque l len 2000 Energ ieque l len 2050

196

122

32

70*

92

92

65

70

Quel le : N i tsch / DLR 2003 Idealszenario einer nachhaltigen globalen Energieversorgung

Entwicklungsländer GUS, Osteuropa, Mittlerer Osten

OECD* Mittl. Pro-Kopf-Verbrauch in GJ/a

Moderne Erneuerbare

Kernenergie

Tradit. Biomasse

Fossile Energien

600

500

400

300

200

100

0

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Aus potenzialseitiger Sicht kann ein derartiger Beitrag erbracht werden, da das technische Potenzial der erneuer-baren Energien selbst bei strengen Restriktionen in der Größenordnung des Sechsfachen des derzeitigen weltweitenEnergieverbrauchs liegt (siehe Kapitel “Potenziale”). Aus struktureller Sicht ist die Herausforderung gewaltig, da dierechzeitige Mobilisierung dieser Technologien etwa alle zehn Jahre eine Verdopplung ihres derzeitigen Beitragsverlangt (bzw. ein durchschnittliches globales Wachstum über 50 Jahre von 6,4 % je Jahr) und gleichzeitig dieEnergieversorgungs- und -nutzungsstrukturen in allen Ländergruppen deutlich effizienter gestaltet werden müssen.

Die erläuterten Teilstrategien werden in aktuellen Szenarioanalysen der globalen Energieversorgung in unterschied-licher Gewichtung und Intensität miteinander verknüpft (Grafik: Aktuelle Szenarien). Wesentlicher Antrieb für dasWachstum des Energieverbrauchs ist der weitere Anstieg des Weltbruttosozialprodukts. Es beträgt in den meistenUntersuchungen im Jahr 2050 das Drei- bis Vierfache des heutigen Wertes. Die in den Szenarien sehr unterschiedli-che Höhe des zukünftigen Energieverbrauchs ist somit stark vom weiteren Anstieg der Energieproduktivität abhän-gig. In den Wachstumsszenarien entspricht die jährliche Steigerungsrate dem langjährigen Vergangenheitstrendvon etwa 1 %/a, in den Szenarien mit deutlich niedrigerem Energieverbrauch steigt sie dagegen um 1,5 %/a bis zu2,2 %/a an (Faktor 4). Auch der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderung (WBGU)hat sich in seinem aktuellen Gutachten “Welt im Wandel – Energiewende zur Nachhaltigkeit” mit dieser Problema-tik beschäftigt. Er unterstellt ein Szenario mit sehr dynamisch wachsender Weltwirtschaft. Bei einer Versechsfa-chung des Weltbruttosozialprodukts bis 2050 kompensiert aber eine jährliche Steigerungsrate der Energieproduk-tivität von 1,5 %/a einen Großteil des Wachstums der Energienachfrage, so dass dieses Szenario mit den anderenWachstumsprozessen hinsichtlich der Verbrauchshöhe vergleichbar ist. Die zentrale Bedeutung der erneuerbarenEnergien zeigt sich daran, dass sie in nahezu allen Untersuchungen im Jahr 2050 den größten Beitrag zur Energie-bedarfsdeckung mit Anteilen zwischen 22 % (WEC B) und 73 % (SEE) und Absolutwerten zwischen 185 EJ/a (WEC B)und 614 EJ/a (WBGU) bereitstellen. Der in obigem “Idealszenario” ermittelte Beitrag in Höhe von 470 EJ/a stellt alsokeineswegs die Obergrenze des für möglich gehaltenen Einsatzes erneuerbarer Energien im Jahr 2050 dar. Aus derGrafik zu den aktuellen Szenarien des globalen Energieverbrauchs ist auch ersichtlich, dass hohe Beiträge erneuer-barer Energien nur dann eine Gewähr für eine Erfüllung aller Nachhaltigkeitskriterien sind, wenn gleichzeitig dieEnergieproduktivität deutlich über das bisher übliche Maß hinaus gesteigert wird, also von Hocheffizienzszenarienausgegangen wird (siehe Szenarien im rechten Teil der Grafik: Aktuelle Szenarien des globalen Primärenergiever-

17

Pr imärenerg ie, EJ/a

2000 WBGU Shell SCA WEC A3 WEC B Shell DAS RIGES SEE WEC C1 Faktor 4

825 854

636 635597

431

1.0491.1211.169

423

Quel lenzusammenste l lung : DLR

Erneuerbare Energien Traditionelle Biomasse Kernenergie

KohleErdgas Mineralöl

Aktuelle Szenarien des globalen Primärenergieverbrauchs für das Jahr 2050 bei einem Bevölkerungswachstum bis 2050 auf 9 bis 10 Mrd., siehe Fußnote 2. (Quellen: WBGU 2003; WEC 1998; Shell 2001; Johannson 1993; Lovins / Hennicke 1999; Nitsch 2003.)

Aktuelle Szenarien des globalen Primärenergieverbrauchs

2 WBGU = exemplarischer Entwicklungspfad (2003); Shell: SCA = Spirit of the Coming Age, DAS = Dynamics as Usual (2001); WEC: A3 = Wachstum, B = Business

as Usual; C1 = ökologische Priorität (1998); RIGES = Renewable intensive scenario (1993); Faktor 4 = Effizienzrevolution (1999); SEE = Solar Energy Economy

(Idealszenario nach der Grafik: Aktuelle Szenarien des globalen Primärenergieverbrauchs).

200

400

600

800

1.000

1.200

0

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brauchs). Steigt dagegen die Energienachfrage bis 2050 auf das Doppelte des heutigen Wertes und darüber, werdentrotz hoher Beiträge erneuerbarer Energien zusätzlich alle endlichen Energieressourcen auf das Äußerste strapa-ziert. Auch das Klimaschutzkriterium wird deutlich verfehlt, es sei denn eine aktive Abtrennung und Speicherungvon CO2 ist Bestandteil der Szenariostrategie. So müssen beispielsweise im WBGU-Szenario im Zeitraum 2010 bis2100 rund 200 Gt Kohlenstoff bzw. 710 Gt CO2 extrahiert und in geeigneten Lagerstätten deponiert werden, wennman unter dem Grenzwert der “zulässigen” CO2-Konzentration bleiben will. Der Höhepunkt liegt im Jahr 2050 beieiner Extrahierungsrate von 4,5 Gt/a Kohlenstoff (16 Gt/a CO2) um bis 2100 auf Null zurückzugehen. Auch die Shell-Szenarien setzen eine CO2-Abtrennung und Deponierung in ähnlicher Größenordnung voraus.

Ein einheitliches politisches oder gesellschaftliches Handeln bezüglich der Weiterentwicklung der Energiewirtschaftin Richtung stärkerer Nachhaltigkeit auf globaler Ebene ist derzeit immerhin bereits in Ansätzen erkennbar. Daswurde im Verlauf des Folgeprozesses der Konferenz von Rio, beim Protokoll der Kyoto-Konferenz oder den wegwei-senden Arbeiten des IPCC offenkundig. In der letztlich entscheidenden politischen Umsetzung wiegen bisher aller-dings nationale wirtschaftliche und machtpolitische Interessen oft stärker, was sich am Ausscheren der USA ausdem Klimaschutzprozess anlässlich der 6. Vertragsstaatenkonferenz in Den Haag 2000 zeigte. In der Fortsetzungdieser Konferenz in Bonn 2001 mussten an andere Länder, nämlich Japan, Russland, Australien und Kanada weitreichende Zugeständnisse hinsichtlich der Anrechenbarkeit von CO2-Senken gemacht werden, um das Kyoto-Protokoll zu retten. Auch beim Weltgipfel in Johannesburg 2002 zeigten sich die bekannten Konfliktpotenziale. Soscheiterte die Festlegung verpflichtender globaler Ausbauziele für erneuerbare Energien am Widerstand der USAund der maßgeblich durch die OPEC-Länder beeinflussten G77-Gruppe (gegenwärtig 140 Entwicklungsländer).

Erfreulich ist, dass sich im europäischen Umfeld die Gestaltungsimpulse in diese Richtung weiter verstärkt haben.Das europäische Parlament und die europäische Kommission haben den Diskussionsprozess wesentlich belebt undwichtige Beschlüsse dazu gefasst. Sie haben sich von den USA klimapolitisch emanzipiert und nehmen eine wichti-ge Vorreiterrolle ein. Beispielhaft dafür ist etwa das schon 1997 gefasste Ziel, den Beitrag erneuerbarer Energienbis zum Jahr 2010 zu verdoppeln. In der EU-Richtlinie zur Förderung erneuerbarer Energien, die am 27. September2001 in Kraft trat, hat die EU indikative Richtziele für den Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch in denMitgliedstaaten festgelegt. Damit will die EU deren Anteil von 14 % (1997) auf 22 % im Jahr 2010 steigern.

Aus der Erkenntnis der großen politischen Verpflichtung gegenüber kommenden Generationen setzt sich auch diedeutsche Bundesregierung gemeinsam mit den anderen EU-Mitgliedsstaaten in internationalen Verhandlungensehr engagiert für eine globale nachhaltige Entwicklung ein. Es besteht weiterhin das Ziel, die deutschen Kohlen-dioxidemissionen über das Kyoto-Ziel hinaus (minus 21 % bis 2010) bis zum Jahr 2020 um 40 % gegenüber 1990 zusenken. Im Oktober 2000 ist hierfür das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung entsprechend fortgeschriebenworden. Die Bundesregierung hat sich ferner das langfristige Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2050 den Anteil erneuer-barer Energien auf mindestens 50 % zu steigern. Auf maßgebliche Initiative Deutschlands entstand auch die Johan-nesburger Erklärung “The Way forward on Renewable Energy”, in der sich rund 100 Länder verpflichten, sich ehr-geizige Ziele für den Ausbau erneuerbarer Energien zu setzen. Auf dem “Weltgipfel” zu Erneuerbaren Energien, zudem die Bundesregierung im Juni 2004 nach Bonn einlädt, sollen dazu u.a. konkrete bi- und multilaterale Koope-rationen vereinbart werden.

Erneuerbare Energien — Garanten für eine zukunftsfähige Energieversorgung

Im Gegensatz zu den unterschiedlichen Vorstellungen über mögliche Effizienzsteigerungen und über die Möglich-keiten einer machbaren CO2-Rückhaltung in großem Umfang kommen alle Untersuchungen zu der Aussage, dassnur eine deutliche Steigerung des Beitrags erneuerbarer Energien die Chance bietet, in einen nachhaltigen Ener-giepfad einzuschwenken. Sie sind somit die einzigen verlässlichen Garanten für eine zukunftsfähige Energie-versorgung.

Kennzeichen der Nutzung erneuerbarer Energien ist es, geringe Teile der natürlichen Energieströme der Ökosphärezu entnehmen und sie nach Erfüllung der Energiedienstleistung wieder in Form von “entwerteter” Abwärme an dieUmwelt zurückzugeben. Zur Generierung steht die unerschöpfliche Kraft der Sonne bereit, eines gigantischen Fu-sionsreaktors, der seit Jahrmilliarden aus sicherer Entfernung die Erde mit Energie versorgt und weiterhin versor-gen wird. Alles Leben auf der Erde bezieht seine Energie aus der Kraft der Sonne. Pflanzen wachsen mit Hilfe vonSonnenstrahlung und bauen Biomasse auf. Die Sonne treibt auch das Wetter an, sorgt für Wind und Niederschlägeund schafft so die Voraussetzung für Wind- und Wasserkraft. Sonnenkollektoren, solarthermische Kraftwerke undSolarzellen nutzen die Sonnenstrahlung direkt, ohne den Umweg über ein anderes Medium. Wärmepumpen kön-nen unter Einsatz konventioneller Energie die Umgebungswärme nutzen. Schließlich kann man auch die Erdwärmeanzapfen, eine erneuerbare Energie, die aus der Wärme des radioaktiven Zerfalls im Erdinneren stammt.

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Externe Kosten — Wie man Energiekosten richtig bestimmt

Die durch Energiewandlung und -nutzung verursachten Schäden können unter Umständen zu erheblichenvolkswirtschaftlichen Kosten führen. Da diese Kosten nicht vom Verursacher getragen werden und sich auchnicht in den Marktpreisen für Strom und Wärme widerspiegeln, werden sie als externe Kosten bezeichnet. Solcheexternen Effekte führen – in der Sprache der Ökonomen – zu einer nicht-optimalen Allokation knapper Ressourcen,d.h. die Umwelt wird über das optimale Maß hinaus in Anspruch genommen.

Die Lösung des Problems ist theoretisch einfach: Externe Effekte müssen “internalisiert”, d.h. die durch dieUmweltbelastung verursachten Kosten müssen dem Verursacher angelastet werden, damit die Marktpreisealle relevanten Kosten enthalten, die mit der Bereitstellung eines Gutes verbunden sind. Dies kann durchUmweltsteuern, Abgaben, handelbare Emissionsrechte oder ähnliche Instrumente erreicht werden. Die Umsetzungder Theorie in die Praxis ist leider nicht einfach, da sie die genaue Erfassung von Umweltschäden und deren öko-nomische Bewertung voraussetzt. Die Komplexität der ökologischen und ökonomischen Zusammenhänge lässt erah-nen, mit welchen Schwierigkeiten dabei zu rechnen ist. Um einen kausalen Zusammenhang zwischen einerUmweltbelastung und einem resultierenden Schaden herzustellen und zusätzlich noch den Schaden in quantifizier-baren Größen erfassen zu können, wird versucht, die vollständige Wirkungskette eines Schadstoffs von der Emissionüber Transport- und Umwandlungsprozesse bis hin zur Wirkung auf Menschen oder Ökosysteme zu beschreiben. Ineinem großangelegten Projekt der Europäischen Kommission (ExternE – External Costs of Energy) wurden entspre-chende Methoden und Modelle zur Beschreibung des Verhaltens von Schadstoffen in der Umwelt und zurWirkungsmodellierung entwickelt. Trotz zum Teil erheblicher Unsicherheiten ist es mit den entwickelten Modellenmöglich, die Auswirkungen von Luftschadstoffen auf Materialien (z.B. erhöhte Korrosion), die Wirkungen auf diemenschliche Gesundheit (von leichten Atemwegssymptomen bis hin zu einem erhöhtem Sterblichkeitsrisiko) oderdie Versauerung und Eutrophierung von Ökosystemen quantitativ abzuschätzen.

Verschiedene Studien haben in den letzten Jahren auch versucht, die durch eine Klimaänderung verursachtenSchäden und die daraus resultierenden Kosten abzuschätzen. Die Unsicherheiten bei der Abschätzung der Scha-denskosten durch den Treibhauseffekt sind jedoch so groß, dass sie eine zuverlässige monetäre Bewertungder zum Teil unbekannten Folgen nicht zulassen. Man bedient sich deshalb eines Hilfsverfahrens: Man zieht die-jenigen Kosten heran, die zum Erreichen eines vorgegebenen Minderungsziels aufzuwenden sind – die so genann-ten marginalen Vermeidungskosten. Es ist allerdings zu betonen, dass diese stark von den energiepolitischen Rah-menbedingungen abhängen.

Umweltschäden durch die Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern werden vor allem durch die vom Kraftwerkemittierten Luftschadstoffe und Treibhausgase, besonders CO2, verursacht. Die externen Kosten werden wesentlichvon den Gesundheitsschäden, vor allem wegen der erhöhten Konzentration von Feinstaub, bestimmt, der zum Teilvom Kraftwerk direkt emittiert, aber auch durch die Umwandlung von Schwefeldioxid (SO2) und Stickoxiden (NOx)zu Sulfat- und Nitrataerosolen gebildet wird. Auch führt die erhöhte Konzentration von säurebildenden und oxidie-renden Luftverunreinigungen zu einer beschleunigten Korrosion von Materialoberflächen und dadurch zu einerVerkürzung von Instandsetzungsintervallen. Die hieraus resultierenden externen Kosten sind jedoch im Vergleichzu den Gesundheitseffekten relativ klein. Aufgrund der inzwischen in Westeuropa niedrigen SO2-Hintergrundbe-lastung verursachen die zusätzlichen Schwefeldioxid-Emissionen zum Teil sogar einen Düngeeffekt und führen so-mit zu einer Ertragssteigerung bei Agrarprodukten. Dennoch, durch die zusätzliche Schwefel- und Stickstoffdepo-sition kommt es insgesamt zu einer Zunahme der Fläche, auf der Belastungsgrenzen für Ökosysteme überschrittenwerden. Die Bewertung mit Hilfe der Vermeidungskosten zeigt, dass Versauerung und Eutrophierung neben denGesundheitsschäden und dem Treibhauseffekt zu den wichtigsten Schadenskategorien bei der Stromerzeugunggehören.

Die derzeit verfügbaren Anhaltswerte sind dabei als aus heutiger Sicht “beste Schätzung” zu verstehen undsollten nicht ohne die oben erwähnten Unsicherheiten und methodischen Eingrenzungen interpretiert wer-den. Für neue Braunkohlekraftwerke lauten sie 3,8 Cent/kWh Strom. Damit verdoppeln sich etwa ihre betriebswirt-schaftlich ermittelten Stromkosten. Auch für Steinkohlekraftwerke liegen sie mit 2,5 Cent/kWh noch im Bereich derjetzigen Stromkosten, während sie für Gaskraftwerke mit 1,1 Cent/kWh zwar deutlich kleiner, aber nicht vernach-lässigbar sind. Vergleicht man diese Kosten mit Kostenschätzungen zur Abtrennung von CO2 aus fossilen Brennstof-fen oder Abgasen von Kraftwerken, so ergibt sich als Kostensteigerung eine ähnliche Größenordnung. CO2-freierStrom aus herkömmlichen Kraftwerken wird also teurer sein als heute – darin drückt sich die so erfolgte Internali-sierung der externen Kosten aus.

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Die Berechnung externer Kosten der Kernenergienutzung ist vor allem wegen der umstrittenen Bewertung großerUnfälle und der extrem langen Belastung durch radioaktive Abfälle schwierig und führt je nach Annahmen zu sehrunterschiedlichen Ergebnissen.

Bei Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien aus Fotovoltaik, Wind und Wasserkraft ist der Betrieb derStromerzeugungsanlage emissionsfrei. Umweltschäden entstehen im Wesentlichen nur durch die Emissionen ausvorgelagerten Prozessstufen wie der Materialherstellung oder der Fertigung der Anlagenkomponenten. Für dieStromerzeugung aus Wind- und Wasserkraft ergeben sich daher sehr niedrige externe Kosten von 0,16 Cent/kWh(Windkraftanlage von 1 MW Leistung) bzw. von 0,11 Cent/kWh (Wasserkraftwerk von 3 MW). Bei der Fotovoltaik (5 kW-Dachanlage) verursacht vor allem der derzeit noch aufwändige Herstellungsprozess, der einen erheblichenEinsatz an fossilen Energieträgern bedingt, relativ hohe externe Kosten von 0,8 Cent/kWh. Art und Ausmaß derEmissionen und damit der Schäden durch die Anlagenherstellung werden wesentlich durch die in den vorgelager-ten Prozessstufen eingesetzten fossilen Energieträger bestimmt. Anders als bei fossilen Energieanlagen können beierneuerbaren Energien die CO2-Emissionen daher in dem Maße sinken, wie CO2-arme bzw. -freie Energieträger inder zukünftigen Energieversorgung zum Einsatz kommen. Und darüber hinaus sind auch die technischen Möglich-keiten zur Verbesserung des Herstellungsprozesses dieser noch jungen Technologien bei weitem noch nicht ausge-schöpft.

Diese Vergleiche verdeutlichen, dass wir heute bei der Ermittlung der “kostengünstigsten” Energieversor-gung von unzulänglichen Voraussetzungen ausgehen. Fossile und nukleare Energien sind teurer als es die be-triebswirtschaftliche Rechnung zeigt. Und sie werden in Zukunft noch teurer werden. Die Kosten erneuerbarerEnergien sagen dagegen heute schon weitgehend die ökologische Wahrheit und können zukünftig infolge weiterentechnischen Fortschritts und wachsender Märkte noch deutlich geringer werden. Es ist daher nur eine Frage derZeit, wann Energie aus erneuerbaren Quellen kostengünstiger sein wird als die aus herkömmlichen, erschöpflichenQuellen. Wer also auch in Zukunft preisgünstige Energie nutzen will, sollte heute in erneuerbare Energien investie-ren. Und je effektiver die externen Kosten in das Preiskalkül einbezogen werden, desto früher wird eine Umgestal-tung der Energieversorgung auch aus ökonomischer Sicht attraktiv. Dazu muss die Energiepolitik die entsprechen-den Vorgaben machen. Entsprechende “Leitplanken” sollten dafür sorgen, dass neben die kurzfristige Sichtweisedes Marktes die längerfristigen Perspektiven eines nachhaltigen Wirtschaftens treten. Ein Beispiel für einen Ansatzin dieser Richtung ist die “Ökosteuer”. Aber auch das Erneuerbare-Energien-Gesetz kann als “Vorwegnahme” derfälligen Korrektur der Energiepreise angesehen werden. Die Strompreiskorrekturen nach diesem Gesetz können alsAusgleich für nicht internalisierte externe Kosten anderer Energieträger angesehen werden.

Ökonomische Effizienz

Versorgungssicherheit Klima- und Umweltschutz

Erre ichbar mit EEAngemessene Kosten

Effiziente Märkte

Unterstützt durch EEMarktstabilität und -flexibilität

Geopolitische Stabilität

Garant ier t mit EENaturschutz

KlimastabilitätVerhinderung von Nuklearrisiken

Das Energiedreieck: Alle wesentlichen Anforderungen an eine nachhaltige Energieversorgung können durch erneuerbare Energien bereits heute oder in Zukunft erfüllt werden.

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Über Jahrtausende hat der Mensch ausschließlich diese erneuerbaren Energien genutzt, allerdings auf einem sehrniedrigen Niveau und mit sehr geringen Wirkungsgraden. Gegenüber unseren Vorfahren haben wir heute immenseVorteile: Uns stehen Technologien zur Verfügung, mit denen aus erneuerbaren Energiequellen Energiedienstleis-tungen auf ebenso hohem Niveau angeboten werden können, wie es die moderne Industriegesellschaft von der fossil-nuklearen Energieversorgung gewohnt ist.

Auch die Kosten hierfür sind erschwinglich, wenn diese Technologien in großtechnischem Maßstab eingesetzt unddabei alle Kostensenkungspotenziale ausgeschöpft werden. Auch gilt es die “Kosten” in Relation zu den ökologi-schen und sozialen “Qualitäten” dieser Energieformen zu setzen, also die durch die derzeitige bzw. einer auf fossi-len und nuklearen Energiequellen verharrenden Energieversorgung verursachten Umwelt- und Folgeschäden in dasökonomische Kalkül einzubeziehen. (siehe Kasten: Externe Kosten – wie man Energiekosten richtig bestimmt).Dann stellt sich heraus, dass erneuerbare Energien alle wesentlichen Anforderungen an eine zukunftsfähige Ener-gieversorgung erfüllen können (Grafik: Energiedreieck).

Ein besonderes Kennzeichen erneuerbarer Energien stellt die Vielfalt der einsetzbaren Energiequellen und -techno-logien und der enorme darstellbare Leistungsbereich von wenigen Watt bis zu Hunderten von MW Einheitsleistungdar. Sie können sowohl an jegliche Art der erforderlichen Energiedienstleistung angepasst werden als auch inenger Verzahnung mit modernen Energietechniken zur Nutzung fossiler Energien die erforderliche Versorgungs-sicherheit zu jeder Zeit und an jedem Ort gewährleisten. Kennzeichen für eine derartige Energieversorgung sindzum einen die zunehmende Vernetzung auf dezentraler Ebene (“virtuelle” Kraftwerke, Nahwärmeversorgungen), indie sich erneuerbare Energien hervorragend einbinden lassen. Zum andern sind es großräumige interkontinentaleNetzverbünde, die das regional sehr unterschiedliche Angebot erneuerbarer Energien optimal miteinander ver-knüpfen können. Über die jeweilige landesspezifische “dezentrale” Nutzung von erneuerbaren Energien hinauswerden zukünftig an Orten eines sehr reichhaltigen (und damit auch kostengünstigen) Angebots erneuerbarerEnergien große Nutzungszentren entstehen, die Regionen großer Energienachfrage mittels Hochspannungsleitun-gen oder (Wasserstoff-) Pipelines mit Energieträgern versorgen. So können alle “Reservoire” erneuerbarer Energienkostengünstig “angezapft” und genutzt werden. Diese Zentren können gleichzeitig zu Keimzellen wirtschaftlicherEntwicklung und damit von zunehmendem Wohlstand und einer Stabilisierung sozialer Strukturen werden. Da diemeisten dieser Zentren eher in heute wenig entwickelten Regionen liegen dürften (z.B. Nordafrika), geht mit einerrelevanten Mobilisierung erneuerbarer Energien inhärent eine positive Entwicklung der betreffenden Länder ein-her.

Damit ist der Hintergrund des oben angesprochenen Idealszenarios “Solar Energy Economy” (SEE) skizziert. Die dar-aus resultierende vielfältige Primärenergiestruktur illustriert die Grafik zum globalen Idealszenario “SEE”. Am 73 %-igen Deckungsanteil erneuerbarer Energien (465 EJ/a) im Jahr 2050 sind alle Energiequellen maßgebend beteiligt.Die Anteile einzelner Technologien reichen von 6 % (Wasserkraft) bis zu 15 % (Biomasse, Geothermie, Solarther-

21

2000 2010 2020 2030 2040 2050

Spez i f i sche Energ iekosten Erneuerbare Energ ien

— junge Technologien; Technologiefortschritt und Kostendegression groß

— unbegrenzte, großräumige Verfügbarkeit

— global einsetzbar, nicht missbrauchsfähig, nahezu keine Gefährdungen

— externe Kosten gering (Anlagenerstellung)

Foss i le und nuk leare Energ ien

— begrenzte Ressourcen, regionale Ungleichverteilung

— Preise längerfristig steigend

— nukleare als Ersatz für fossile Energien verlangen teure und risikoreiche

Systeme (Brüter)

— nukleare Energien kaum global einsetzbar; Gefahr von Missbrauch und

Risiken ist hoch

— externe Kosten: fossile Energien langfristig prohibitiv (Klima);

nukleare Energien sind potenziell prohibitiv

Externe Kosten

Fossile und nukleare Energien

Erneuerbare Energien

Kostenverlauf erneuerbarer und herkömmlicher Energien

Erneuerbare Energiequellen liefern auf Dauer die kostengünstigste Energie.

Quel le : DLR

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mische Kraftwerke)3. Entsprechend den Potenzialen liefern die Strahlungsenergie nutzenden Technologien (Foto-voltaik, Solarthermische Kraftwerke und Kollektoren) den größten Beitrag mit zusammen knapp 30 %. Fossile Pri-märenergien wachsen noch bis 2020 auf etwa 370 EJ/a (Kohle 115 EJ/a, Öl 160 EJ/a, Erdgas 95 EJ/a), sinken nach2030 wieder auf das heutige Niveau und stellen im Jahr 2050 mit zusammen 170 EJ/a noch einen Anteil von 27 %am gesamten Primärenergieverbrauch.

Das hier vorgestellte Szenario einer deutlichen Ausweitung erneuerbarer Energien stellt selbstverständlich nur einBeispiel für eine zukünftige Energieversorgung dar. Andere Lösungsstrategien, welche die Nachhaltigkeitskriterienerfüllen (siehe Szenarien in der Grafik zum globalen Primärenergieverbrauch auf S. 17), erfordern anders gewichte-te, aber vom Umfang her eher noch größere Anstrengungen (z.B. die bei geringeren Effizienzbemühungen erfor-derliche CO2-Rückhaltung aus fossilen Energien und dessen Speicherung). Der erforderliche Umbau der globalenEnergieversorgung innerhalb eines halben Jahrhunderts kann daher nur mit Aussicht auf Erfolg in Gang gesetztwerden, wenn zumindest die große Mehrheit der globalen Staatengemeinschaft sich zu einem gemeinsamenraschen und wirksamen Handeln aufrafft. Eine konkrete Umsetzung etwa der Johannesburger Erklärung in abseh-barer Zeit und eine effektive Weiterführung des Kyoto-Prozesses über die Zielsetzungen des Jahres 2010 hinaus sinddaher von allerhöchster Dringlichkeit.

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Globa le Pr imärenerg ie, EJ /a

1980

325

Quel le : DLR

1990

379

2000

427

2010

475

2020

517

2030

560

2040

600

2050

635

Das globale Idealszenario “SEE”

Primärenergieverbrauch im globalen Idealszenario “SEE”. Verstärkte Energieeffizienz und eine ausgewogene Mobilisierung allererneuerbarer Energiequellen führt zu einer Halbierung des Beitrags fossiler Primärenergien bis zum Jahr 2050.

3 Zur besseren Vergleichbarkeit mit dem Primärenergiebeitrag fossiler und nuklearen Energien und untereinander (Biomasse, Geothermie) sind hier alle erneuerbaren

Energien primärenergieseitig mit ihrem thermischen Äquivalent dargestellt (Substitutionsprinzip).

700

600

500

400

300

200

100

Übrige EE Geothermie (Strom, Wärme) Biomasse traditionell

Wasser

Gas

ÖlSolarthermie (Strom, Wärme) Wind

Kernenergie KohleFotovoltaik Biomasse modern

0

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WINDENERGIE

––– Ressource: Bewegungsenergie des Windes

––– Standorte: weltweit; bevorzugt in Küstenregionen und auf Bergkuppen sowie auf See

––– Einsatzgebiete: Stromerzeugung

––– Leistungsbereich: 0,05 kW bis 5 MW je Maschine; Wind-farmen 100 MW und mehr

––– Stromkosten heute: 5,5 bis 13 Cent/kWh

––– Abbildungen: Windkraftanlage, Windpark an Land, Offshore-Windpark

N i e d r i g e W i n d g e s c h w i n d i g k e i t

H o h e W i n d g e s c h w i n d i g k e i t

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Wind wird von alters her vom Menschen genutzt. DerHandel über die Weltmeere wurde vor Erfindung derDampfmaschine ausschließlich mit Segelschiffen durch-geführt. Windräder trieben Wasserpumpen zur Be-oder Entwässerung an, und Windmühlen mahlten dasKorn. Es wird berichtet, dass noch um die Jahrhundert-wende 30.000 Windmühlen allein in Norddeutschlandstanden. Erst als Elektrizität überall in Deutschland aus-reichend und billig zur Verfügung stand, verschwan-den die Windmühlen aus dem Alltagsbild.

Erste Bemühungen einer Wiederbelebung dieser um-weltfreundlichen, ressourcenschonenden Technologiewurden seit den fünfziger Jahren von deutschen Pionie-ren wie Hütter unternommen, aber erst die Ölkrisender siebziger Jahre und das verstärkte Umweltbewusst-sein haben der Windenergienutzung in jüngerer Zeitzur Wiedergeburt verholfen.

Moderne Windkraftanlagen nutzen das Auftriebs-prinzip anstatt des Widerstandsprinzips, d.h. demWind wird nicht ein Widerstand entgegengesetzt, son-dern der Wind erzeugt beim Vorbeiströmen an denFlügeln der Windkraftanlage einen Auftrieb, ähnlichwie beim Flugzeug, der den Flügel in Rotation versetzt.Kann mit dem Widerstandsprinzip dem Wind maximal15 % der Energie entzogen werden, so sind es bei derUmsetzung im Auftrieb immerhin 60 %. Im Bestpunkterreichen moderne Windkraftanlagen heute schoneinen Wirkungsgrad von 50 %, der mittlere Wirkungs-grad liegt bei 45 %. Damit sind also moderne Wind-kraftanlagen schon sehr nahe an der maximal mög-lichen Energieausbeute angelangt.

Man kann in Abhängigkeit von der Windgeschwindig-keit vier unterschiedliche Betriebsphasen einer Wind-kraftanlage unterscheiden. Weht der Wind zu schwach,so reicht die in ihm enthaltene Energie nicht aus, dieReibungs- und Trägheitsmomente der Anlage zu über-winden, die Anlage steht still. Ab einer gewissen Wind-geschwindigkeit – je nach Anlagentyp rund 3 m/s –beginnt die Anlage zu arbeiten. Dabei nimmt die Leis-tung mit der dritten Potenz der Windgeschwindigkeitzu, d.h. mit einer Verdopplung der Windgeschwindig-keit verachtfacht sich die Leistung. Steigt nun die Wind-geschwindigkeit weiter an, wird die maximale Nenn-leistung des Generators erreicht. Damit ist die maximalaufnehmbare Energiemenge erreicht. Bei weiter wach-sender Windgeschwindigkeit muss der Leistungsüber-schuss weggeregelt werden. Die maximale Leistung derAnlage wird bestimmt von der durchströmten Rotor-fläche und ist zunächst unabhängig von der Anzahl derFlügel.

Zur Leistungsregelung werden drei unterschiedlicheKonzepte angeboten. Bei stallgeregelten Anlagen füh-

ren die starre Befestigung und die feste Drehzahl derFlügel zu einem Abriss der Strömung ab einer bestimm-ten Windgeschwindigkeit. Der Rotor nimmt dann auchbei weiter wachsenden Windgeschwindigkeiten nureine nahezu konstante Leistung auf. Der einfache Auf-bau der stallgeregelten Anlagen hat zu einer weitenVerbreitung dieser Anlagen in den Anfangsjahrengeführt. Bei Anlagen im Megawattbereich dominiertdie aktive Blattregelung (auch Pitchregelung genannt),bei der die Rotorblätter mechanisch um ihre Längs-achse verdreht werden können. Solche Anlagen verlan-gen gegenüber stallgeregelten Anlagen einen höherenkonstruktiven Aufwand, führen aber zu einer höherenEnergieausbeute und zu einer geringeren Belastungder Rotoren. Ein Kompromiss zwischen beiden Kon-zepten ist die Active-Stall Regelung, bei der die Rotor-blätter ab Nennleistung je nach Windgeschwindigkeitleicht nachgeregelt werden können.

Bei Sturm (ab einer Windgeschwindigkeit von etwa 24 – 26 m/s, das entspricht Windstärke 10), werden dieLasten auf den Rotor zu groß. Pitchgeregelte Anlagenund Anlagen mit Active-Stall Regelung werden dannvom Netz getrennt, die Rotorblätter in Fahnenstellunggebracht, der Rotor trudelt im Leerlauf. StallgeregelteAnlagen werden aerodynamisch mit Blattspitzenbrem-sen angehalten.

Die Charakteristik verschiedener Windkraftanlagenunterscheidet sich voneinander, sie wird vom Herstellerkonstruktiv vorgegeben. Manche Anlagen laufen schonbei geringen Windgeschwindigkeiten an und erreichenfrüh ihre Nennleistung. Damit sind sie für Gebiete mitdurchschnittlichen Windgeschwindigkeiten, etwa wind-günstige Binnenlandstandorte, gut geeignet. In Gebie-ten mit häufig starken Winden kommen dagegen eherAnlagen zum Einsatz, die erst bei höheren Geschwin-digkeiten ihre Nennleistung erreichen und auch nochdie Energie starker Winde umsetzen können.

Technik der Windenergienutzung

Während in anderen Regionen der Welt Windenergiein mechanischer Form auch zum Antrieb von Pumpeneingesetzt wird, dienen Windkraftanlagen in Deutsch-land heute ausschließlich der netzgekoppelten Erzeu-gung von Elektrizität. Die dynamische Anlagenent-wicklung der letzten zehn Jahre brachte zum Teil völ-lig neue Konzepte im Bereich der Konstruktion, der Re-gelungstechnik und auch der Generatortechnik hervor.Dadurch konnte die Effizienz der Anlagen gesteigertwerden, außerdem führte diese Entwicklung zu vielenqualitativen Verbesserungen wie zum Beispiel einerbesseren Netzintegration oder der Verminderung vonSchallemissionen. Der weitaus größte Teil der heute

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WINDENERGIE — STARK IM AUFWIND

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installierten Windkraftanlagen hat drei Rotorblätter,da so die mechanischen Belastungen am besten in denGriff zu bekommen sind und drehende Dreiflügler vonden meisten Menschen als optisch ausgeglichener emp-funden werden als Ein- oder Zweiflügler. Die Flügelselbst bestehen meist aus Kunststoff und sind bei gro-ßen Anlagen über 50 m lang. Die von dem Rotor über-strichene Fläche beträgt bei den größten am Markt ver-fügbaren Anlagen 10.200 m2, dies entspricht der Flächevon fast zwei Fußballfeldern.

Große Rotoren moderner Bauart drehen sich, abhängigvon der Nennleistung, 10- bis 30-mal pro Minute. Davor allem für Großanlagen die Regelbarkeit und Gleich-mäßigkeit der Leistungsabgabe von großer Bedeutungsind, ist in den letzten Jahren eine deutliche Zunahmevon Anlagen mit variabler Drehzahl zu verzeichnen.Durch die Anpassung der Drehzahl an die Rotoraero-dynamik kann der Betriebspunkt des höchsten Wir-kungsgrades über einen großen Bereich der Windge-

schwindigkeit eingehalten werden. Werden gängigevierpolige Generatoren eingesetzt, so ist ein Getriebenotwendig, um die niedrigen Drehzahlen des Rotorsauf die erforderliche Generatordrehzahl von 1.500Umdrehungen pro Minute zu übersetzen. Durch dasGetriebe entstehen Verluste in der Größenordnung von2 % je Stufe, außerdem ist das Getriebe potenzielleQuelle der Geräuschentwicklung. Getriebelose Anla-gen umgehen diese Probleme, allerdings sind hier spe-ziell gefertigte große vielpolige Generatoren notwen-dig.

Generatoren können als Synchron- oder Asynchronma-schinen ausgeführt werden. Die Vorteile des Asyn-chrongenerators liegen im relativ einfachen regeltech-nischen Aufbau und der Möglichkeit der direkten Netz-kopplung. Allerdings ist er in Bezug auf seine Netzan-passung relativ unflexibel und erlaubt keine kontinuier-liche Drehzahlregelung des Rotors. Eine Variante deseinfachen Asynchronprinzips ist der doppelt-gespeiste

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Horizontal gelagerter Rotor: Die potenzielle Lärmbelastung ist bei Dreiflüglern niedriger.

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Generator, bei dem der Strom des Läufers des Asyn-chrongenerators über einen Wechselrichter geregeltwird. Dieses Prinzip ermöglicht eine Drehzahlregelungüber einen weiten Bereich. Eine vergleichbare Dreh-zahlvariabilität bietet der Synchrongenerator in Ver-bindung mit einem Wechselrichter. Im Inselbetrieb istder Synchrongenerator in der Lage, ein eigenes elektri-sches Netz aufzubauen und zu stabilisieren.

Die Türme der größten Windkraftanlagen weisen in-zwischen Höhen von über 120 m auf, zusammen mitdem Rotor erreichen Anlagen dieser Größenklasse so-mit eine Höhe von bis zu 170 m. Dabei gilt: Je höherder Turm, desto weniger stören Verwirbelungen durchdie Bodenrauhigkeit und desto höher sind die mittlerenWindgeschwindigkeiten. Die Türme werden meist alsStahlmantel-Turm ausgeführt, die durch ihre schlankeKonstruktion den geringsten Einfluss auf das Land-schaftsbild haben. Bewährt hat sich dabei, dass derTurmfuß zum Teil in der vorherrschenden Farbe derUmgebung gehalten ist, während er weiter oben mitnicht reflektierenden Farben (lichtgrau) gestrichenwird.

Die technische Entwicklung der Windkraftanlagenhat sich in den letzten 20 Jahren hauptsächlich auf dieKonstruktion immer größerer Anlagen konzentriert,um so die Standorte mit guten Windverhältnissen opti-mal auszunutzen. Damit ist eine rasante technischeEntwicklung angestoßen worden. Lag die durchschnitt-liche Größe der installierten Windkraftanlagen 1987bei weniger als 50 kW, so betrug sie 2003 mit etwa 1,5 MW mehr als das Dreißigfache. Es ist gegenwärtignoch nicht abzusehen, bei welcher Anlagengröße dastechnische und wirtschaftliche Optimum erreicht ist.Im Jahr 2002 wurde die erste Windkraftanlage miteiner Leistung von 4,5 MW installiert. Der Ertrag einersolchen Anlage entspricht in etwa dem Jahresstrom-verbrauch von 5.000 Haushalten.

In der Weiterentwicklung des Systems Windkraftan-lage werden noch bedeutende Verbesserungspotenzialevermutet. Dies betrifft sowohl die einzelnen Komponen-ten wie auch die Optimierung des Zusammenspiels die-ser Komponenten. So kann der Materialaufwand mitden wachsenden praktischen Erfahrungen noch deut-lich reduziert werden. Schlankere Flügel versprecheneine verbesserte Aerodynamik und damit höhereWirkungsgrade. Neue Regelungsverfahren können diemechanische Belastung von Anlagenkomponentenreduzieren. Fehlerfrüherkennungssysteme vermin-dern Wartungsaufwand und Stillstandszeiten. Auch ander weiteren Reduktion der Schallemissionen wird in-tensiv gearbeitet.

Vor der Küste neue Potenziale erschließen

Da der Platz für den weiteren Ausbau der Windenergie-nutzung auf dem Land knapp geworden ist, hat maninzwischen damit begonnen, die großen Potenziale aufSee (Offshore) zu erschließen. Durch den Betrieb vonWindparks auf See sollen Eingriffe in die Landschaftund Umwelt minimiert werden. Da außerdem dieWindgeschwindigkeit im Vergleich zu Standorten anLand deutlich höher ist, kann an Offshore-Standortenjährlich bis zu 40 % mehr Strom erzeugt werden als aneinem sehr guten küstennahen Standort auf demFestland.

Das Potenzial für die Offshore-Windenergienutzungist beträchtlich: Aus heutiger Sicht erscheint es langfri-stig möglich, Windparks mit einer Leistung von insge-samt bis zu 25.000 MW im deutschen Küstenmeer undin der Ausschließlichen Wirtschaftszone zu errichten.Der jährliche Stromertrag wird auf 85 bis 100 TWhgeschätzt und entspräche damit ca. 15 % des heuti-gen Stromverbrauchs in Deutschland. Für eine solcheNutzung der Windenergie auf dem Meer ist es erfor-derlich, dass die Voraussetzung für den Transport desOffshore erzeugten Stroms in Form von ausreichendenSeekabel-Kapazitäten und einer geeigneten Anbin-dung an das Festlandnetz geschaffen werden.

Im Vergleich zu Ländern wie Dänemark oder Schwedenkommen in Deutschland wegen des geringeren Raum-angebots vor allem Standorte mit großen Wassertie-fen und weiten Entfernungen von der Küste in Fra-ge. Bei der Standortwahl sind neben wirtschaftlichenAspekten vor allem die Belange des Natur- undUmweltschutzes, aber auch die der Schifffahrt, derwirtschaftlichen (z.B. Fischerei, Bodenschätze) und mili-tärischen Nutzung zu berücksichtigen. Da es sich beider Windenergienutzung auf See um einen großflächi-gen und langfristigen Eingriff in die Meeresumwelthandelt und die Auswirkungen von Offshore-Windparksauf die Meeresumwelt bisher nur mit Unsicherheitenvorhergesagt werden können, wird im Sinne des Vor-sorgeprinzips ein stufenweiser Ausbau angestrebt.

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Im brandenburgischen Klettwitz entstand auf den Höhenrückenvon Abraumhalden mit 38 Windkraftanlagen einer der größtenWindparks Europas.

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Unter Abwägung verschiedener Schutz- und Nutzungs-anliegen sind inzwischen in Zusammenarbeit verschie-dener Bundesministerien Flächen identifiziert worden,die als Eignungsgebiete der Offshore-Windenergienut-zung in Betracht kommen. Ein zukünftiger weitererAusbau setzt ein positives Ergebnis hinsichtlich derUmwelt- und Naturverträglichkeit erster Anlagenvoraus. Gemäß Verabschiedung des Bundesnaturschutz-gesetzes vom 1.2.2002 weist der Bund sowohl geschütz-te als auch besondere Eignungsgebiete für Windan-lagen in der sogenannten Ausschließlichen Wirtschafts-zone (AWZ) aus. Im Zuge der Novellierung des Bun-desnaturschutzgesetzes ist auch die Umweltverträglich-keitsprüfung in der AWZ geregelt worden.

Die Kosten sind kontinuierlich gesunken

Die durchschnittlichen Investitionskosten für heuteinstallierte Windkraftanlagen liegen zwischen 800 und900 Euro/kW. Es hat sich jedoch gezeigt, dass dieser inder Energiewirtschaft häufig verwendete, auf die elek-trische Leistung bezogene Kennwert bei Windkraftan-lagen nicht immer entscheidend ist, da der Energie-ertrag einer Anlage weniger von der Generatorgrößeals vielmehr von der Rotorfläche, der Nabenhöhe, derSteuerungstechnik und von aerodynamischen Faktorenabhängt. Als alternative Kenngröße bietet es sich daheran, die Investitionskosten auf den erwarteten jähr-lichen Stromertrag zu beziehen. Allein zwischen1998 und 2001 sind die ertragsbezogenen Kosten umfast 10 % gesunken.

Zu den reinen Anlagenkosten kommen Zusatzkostenfür Fundament, Netzanbindung, Zuwegung, Grund-stückskosten und Planung hinzu. Diese Investitions-nebenkosten liegen in der Größenordnung von 30 %der reinen Anlagenkosten. Für die gesamten Projekt-kosten einer 1,5 MW-Anlage sind somit etwa 1,8 Millio-nen Euro zu veranschlagen. Seit den frühen 80er Jah-ren sind die spezifischen Kosten von Windanlagen aufweniger als ein Drittel des ursprünglichen Wertes ge-sunken (Grafik: Kostenentwicklung bei Windkraftanla-gen).

Unter Berücksichtigung der Betriebs- und Wartungsko-sten werden bei den in Deutschland typischen Jahres-windgeschwindigkeiten von durchschnittlich 5 bis 6 m/s an der Küste und 4 – 5 m/s (50 m über Grund)an guten Binnenlandstandorten Stromgestehungskos-ten zwischen 5,5 und 13 Cent/kWh erreicht (das Er-neuerbare-Energien-Gesetz [EEG] geht von einem Refe-renzstandort mit einer mittleren Jahreswindgeschwin-digkeit von 5,5 m/s in einer Höhe von 30 m überGrund aus).

Je nach Entfernung zur Küste und der Wassertiefe amStandort können die Zusatzinvestitionen für die Netz-anbindung und Gründung eines Offshore-Windparksbis zu 200 % des Preises der Windenergieanlagen aus-

machen. Da die Höhe der Zusatzkosten in erster Linievon der Wassertiefe und der Entfernung von der Küsteund weniger von der Größe der Windenergieanlageabhängt, werden aus wirtschaftlichen Gründen mög-lichst große Anlagen geplant. Wegen der hohen Netz-anschlusskosten wird ein Offshore-Windpark sehr vielgrößer sein als sein Gegenstück auf dem Festland. Ähn-lich wie auf dem Land wird bei einer großtechnischenOffshore-Windenergienutzung in Deutschland ein gro-ßes Kosteneinsparpotenzial erwartet, so dass die Kostender Stromerzeugung durch Offshore-Windanlagen lang-fristig deutlich sinken werden.

Windenergie und Umweltschutz

Im Zusammenhang mit der verstärkten Nutzung derWindenergie sind in den letzten Jahren auch Stimmenlaut geworden, die nach der Umweltverträglichkeit derWindenergie fragen. Führt man eine solche Diskussion,so gilt es, die Vor- und Nachteile der Windenergie mitdenen der Alternativen abzuwägen. Dabei ist insbeson-dere zu berücksichtigen, welche Schädigungen derUmwelt durch die Windkraftanlage an anderen Stellenvermieden werden können. Die Nutzung der Wind-energie kann die Umwelt belasten durch Geräusch-emissionen, Störung der Tierwelt (hiervon betroffensind insbesondere Vögel) und durch die Beeinträch-tigung des Landschaftsbildes.

Die Geräuschemissionen moderner Windkraftanlagenkonnten gegenüber den Anfangsjahren der Windnut-zung durch aerodynamische Verbesserungen, Geräusch-isolierung der Maschinengondel und den Verzicht aufbestimmte Baugruppen erheblich gemindert werden.Während direkt an der Anlage häufig Schallleistungs-pegel in der Größenordnung von 100 Dezibel gemessenwerden, beträgt der Pegel in 50 m Entfernung nurnoch 55 Dezibel, was einem Radio in Zimmerlautstärkeentspricht. In 500 m Entfernung, dem Mindestabstand,den Windkraftanlagen im Allgemeinen von Wohnge-

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Blick aus der Gondel einer 1,5 MW-Windkraftanlage.

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bieten einhalten müssen, ist die Anlage praktisch nichtmehr zu hören. Häufig ist auch das natürliche Rau-schen des Windes lauter als die Anlagengeräusche.Generell gelten die strengen immissionsschutzrecht-lichen Anforderungen der TA Lärm.

Langjährige Beobachtungen haben gezeigt, dass Vögelim Flug tagsüber Windkraftanlagen ausweichen und esnur in seltenen Fällen zu Vogelschlag kommt. Aller-dings ist es möglich, dass Zugvögel in dunklen Nächtenund bei Nebel manchmal gegen jegliche Art von Hin-dernissen, also neben Stromleitungsmasten und Sende-masten auch gegen Windkraftanlagen prallen. Drehen-de Rotoren werden von Vögeln durch die Änderungvon Luftströmungen vor den Anlagen erkannt und kön-nen so auch bei schlechter Sicht umflogen werden.Trotzdem sollten Windkraftanlagen nicht in den Haupt-routen von Zugvögeln aufgestellt werden. Ebenso we-nig dürfen Anlagen in geschützten Gebieten aufgestelltwerden. Da für die Errichtung einer Windkraftanlageimmer eine Baugenehmigung einzuholen ist, wird diesjeweils geprüft. Seit 2001 ist für Windparks ab drei An-lagen eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) gesetz-lich vorgeschrieben.

Der Einfluss von Windkraftanlagen auf das Land-schaftsbild wird unterschiedlich bewertet. Sehen dieeinen darin eine negative Veränderung der Landschaft,so erkennen andere eine positive Ergänzung unsererKulturlandschaft, die auch schon in anderer Form,etwa durch die 200.000 Strommasten in Deutschland,durch den Menschen geprägt ist. Der Konflikt um dieunterschiedlichen subjektiven Wahrnehmungen lässtsich aber letztlich nicht auflösen. Aber vielleicht fällt esden Kritikern leichter, die Nutzung der Windenergie zuakzeptieren, wenn sie sich die ökologischen Vorteileder Windkraft vor Augen führen. So können durch eine

Windkraftanlage mit einer Leistung von 1,5 MW imLaufe ihrer Lebensdauer von 20 Jahren rund 64.000 tCO2-Emissionen vermieden werden. Auch der Beitragzum Ressourcenschutz ist beachtlich: Eine einzelne 1,5 MW-Windkraftanlage vermeidet den Einsatz vonüber 80.000 t Braunkohle in konventionellen Kraftwer-ken. Aufgeschüttet bildet diese Menge Braunkohle ei-nen Hügel, dessen Höhe mit der Höhe der Windkraft-anlage vergleichbar ist. Es ist daher eine Aufgabe derRaumplanung und somit der Bundesländer, unterBeachtung der lokalen Gegebenheiten die verschiede-nen Aspekte des Umwelt- und Naturschutzes abzuwä-gen und sowohl Vorrang- und Eignungsflächen auszu-weisen, die für die Nutzung der Windenergie zur Ver-fügung stehen, als auch Gebiete festzulegen, die füreine Windkraftnutzung nicht in Frage kommen.

Auch wenn Offshore-Windparks zukünftig außer Sicht-weite der Strandurlauber Strom erzeugen, so ist ihrBetrieb trotzdem mit Auswirkungen auf die Natur ver-bunden, die sich durch technische Maßnahmen nichtvollständig vermeiden lassen. Das an den ersten Off-shore-Pilotanlagen durchgeführte ökologische Monito-ring wird helfen, den Einfluss auf den Vogelflug oderdie Auswirkungen niederfrequenter Lärmemissionenauf die Meeresfauna besser zu verstehen. Nach der See-anlagenverordnung §2a sind künftig besondere Eig-nungsgebiete für Offshore Windparks festzulegen.Im Sinne der geplanten schrittweisen Erschließung derWindenergienutzung auf See hat die Bundesregierunginzwischen auf der Basis der derzeitigen Datenlageerste konfliktarme Flächen identifiziert, die unter dengegenwärtigen Bedingungen für die Startphase underste Ausbauphase als besondere Eignungsgebiete inBetracht kommen. Flächen innerhalb von “ImportantBird Areas” sind für die Errichtung von Windparksgrundsätzlich nicht geeignet. Auch in Gebieten, die

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82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03

Spez i f i sche Pro jektkosten ( ink lus ive Zusatzkosten für Fundament, Netzanb indung etc . ) in Euro 2000 /kW

Quel le : DLR Kostenentwicklung bei Windkraftanlagen

Die spezifischen Kosten von Windanlagen sind kontinuierlich gesunken.

500

1.000

1.500

2.000

2.500

3.000

3.500

0

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den Status eines faktischen Vogelschutzgebietes erfül-len, ist die Errichtung von Windkraftanlagen ausge-schlossen.

Windenergie in Deutschland

Die in Deutschland installierte Windenergieleistungwächst seit Jahren beträchtlich. Im Jahr 2003 sindWindkraftanlagen mit einer Leistung von 2.645 MWneu in Betrieb genommen worden. Damit wuchs dieZahl der Windkraftanlagen bis Ende 2003 auf knapp15.400 Anlagen mit einer installierten Leistung voninsgesamt 14.600 MW. Mit einem Stromertrag von18,5 TWh trägt die Windkraft zu rund 3 % der Strom-erzeugung in Deutschland bei, dies entspricht einerCO2-Einsparung von etwa 16 Millionen Tonnen.

In keinem Land der Erde stehen mehr Windkraft-anlagen als in Deutschland (Grafik: Installierte Wind-energieleistung). Mehr als die Hälfte der insgesamt in-stallierten Leistung findet sich dabei in den windrei-chen Küstenländern. So kann Schleswig-Holstein heuteschon mehr als ein Viertel des Strombedarfs aus Wind-kraftanlagen decken. Doch die Nutzung der Windener-gie hat durch die fortschreitende Technikentwicklungin den letzten Jahren auch im Binnenland verstärktzugenommen. Die Ausdehnung auf immer mehr Wind-standorte im Binnenland führt allerdings auch zuhöheren Stromgestehungskosten. Dies wurde beimErneuerbare-Energien-Gesetz durch eine differenzierteVergütung berücksichtigt.

Potenziell könnten in Deutschland an Land Windkraft-anlagen jährlich rund 50 TWh Strom abdecken, also ca.10 % des deutschen Strombedarfs. Das Potenzial fürdeutsche Offshore-Windparks wird auf bis zu 110 TWhpro Jahr geschätzt. Insgesamt könnten somit rund 30 %der gegenwärtigen Bruttostromerzeugung durch Wind-kraft ersetzt werden.

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Die im Laufe der Lebensdauer einer Windanlage erzeugteStrommenge vermeidet die Verbrennung einer Menge Kohle ineinem konventionellen Kraftwerk, die aufgeschüttet beinahe die Höhe der Windkraftanlage erreicht.

82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 Jahr

3

6

9

12

15

18

21

24

TWh/a

0

Quel len : ISET / DLR Installierte Windenergieleistung

Windenergie in Deutschland – eine stürmische Entwicklung.

Jährlich installierte Leistung in MW Jährlicher Ertrag in TWh

400

800

1.200

1.600

2.000

2.400

2.800

3.200

MW

0

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WASSERKRAFT

––– Ressource: Bewegungsenergie und Fallhöhe von Wasser

––– Standorte: Gebirge, Mittelgebirge, Flüsse, Bäche

––– Einsatzgebiete: Stromerzeugung, Energiespeicherung

––– Leistungsbereich: Speicher- und Laufwasserkraftwerke bis 5.000 MW, Kleinwasserkraftwerke bis 1 MW

––– Stromkosten heute: Speicher- und Laufwasserkraftwerke 3 bis 10 Cent/kWh, Kleinwasserkraftwerke 10 bis 25 Cent/kWh

––– Abbildungen: Speicherkraftwerk, Laufwasserkraftwerk, Kleinwasserkraftwerk

S t r ö m u n g T u r b i n e

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Wasserkraft wurde schon in vorindustrieller Zeit zumAntrieb von Mühlen, Säge- und Hammerwerken ge-nutzt. Die kinetische und potenzielle Energie einerWasserströmung wird über ein Turbinenrad in mecha-nische Rotationsenergie umgewandelt, die zum Antriebvon Maschinen oder Generatoren genutzt werdenkann. Heute wird mit Wasserkraft in Deutschland fastausschließlich elektrischer Strom erzeugt.

Wasserkraft ist eine ausgereifte Technologie, mit derweltweit, an zweiter Stelle nach der traditionellen Nut-zung von Biomasse, der größte Anteil an erneuerbarerEnergie erzeugt wird. 17 % des global erzeugtenStroms stammt aus Wasserkraftwerken!

Von allen erneuerbaren Energien leistet in Deutschlanddie Wasserkraft heute noch den größten Beitrag zurStromversorgung. Ihr Anteil an der gesamten Strom-erzeugung liegt bei etwa 3,5 %.

Fast 90 % des Wasserkraftstroms wird in Bayern undBaden-Württemberg erzeugt, da hier der Voralpenraumfür ein günstiges Gefälle sorgt. In Deutschland werdenzurzeit etwa 5.500 Kleinanlagen mit einer Leistungunter 1 MW betrieben, die sich vor allem in der Handvon kleinen Unternehmern und Privatpersonen befin-den. Der Beitrag dieser Anlagen zur Stromerzeugungist allerdings relativ klein. Mehr als 90 % des Stromsaus Wasserkraft wird in den ca. 400 Wasserkraftanla-gen mit einer Leistung größer als 1 MW erzeugt, die in erster Linie von Energieversorgungsunternehmen betrieben werden.

Für die Nutzung der Wasserkraft gibt es unterschied-liche Arten von Turbinen, die je nach Volumenstromund Fallhöhe unterschiedliche optimale Einsatzbereichehaben.

Die Kaplanturbine funktioniert ähnlich wie eineSchiffsschraube, bei der die Achse vertikal gelagert ist.Die Laufradflügel und der Leitapparat sind verstellbarund können optimal an die Strömungsverhältnisse an-gepasst werden. Das Wasser strömt entlang der Achsedurch das Laufrad. Eine Sonderform der Kaplanturbineist die Rohrturbine, bei der die Drehachse horizontalgelagert ist. Kaplan- und Rohrturbinen werden bei ge-ringen Fallhöhen und großen Volumenströmen einge-setzt.

Die konventionelle Francisturbine ist eine der ältestenTurbinenarten und wird nach wie vor hauptsächlich imBereich der Kleinwasserkraftwerke angewendet. Ty-pisch ist das schneckenförmige Gehäuse. Sie wird beigeringen Fallhöhen und mittleren Wassermengen ein-gesetzt. Bei dieser Turbine ist nur der Leitapparat ver-stellbar. Das Wasser strömt radial in das Laufrad hineinund verlässt es entlang der Drehachse. Sonderformen

der Francisturbine können auch bei großen Fallhöhenund Volumenströmen eingesetzt werden.

Die Peltonturbine ist für große Fallhöhen und kleineWassermengen geeignet. Das Wasser wird nach Durch-laufen einer Druckleitung mit hoher Geschwindigkeitüber Düsen auf die Schaufeln der Turbine gespritzt.

Durchströmturbinen werden für kleine Fallhöhen undWassermengen genutzt und hauptsächlich bei kleinenLeistungen eingesetzt. Das Wasser strömt tangentialdurch das Laufrad hindurch.

Speicherkraftwerke

Speicherkraftwerke nutzen das hohe Gefälle und dieSpeicherkapazität von Talsperren und Bergseen zurStromerzeugung. Beim Talsperren-Kraftwerk werdenüblicherweise Kaplan- oder Francisturbinen eingesetzt,die sich am Fuß der Staumauer befinden. Beim Berg-speicherkraftwerk wird ein in der Höhe liegender Seeüber Druckrohrleitungen mit der im Tal liegendenKraftwerksanlage verbunden. Wegen der in der Regelsehr großen Fallhöhe werden meistens Pelton-Turbinen

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WASSERKRAFT — BEWÄHRT UND TROTZDEM AKTUELL

Gesamtes Wasserpotenzial: 25,5 TWh/aQuel le : G iesecke 2002

Wasserkraftpotenziale

Wasserkraftpotenziale in der Bundesrepublik Deutschland

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eingesetzt. Speicherkraftwerke können sowohl zurDeckung der elektrischen Grundlast als auch im Spit-zenlastbetrieb eingesetzt werden.

Pumpspeicherkraftwerke werden nicht durch natürli-che Wasservorkommen, sondern durch aus dem Talgepumptes Wasser aufgefüllt. Damit wird in Schwach-lastzeiten erzeugter elektrischer Strom als potenzielleEnergie des Wassers zwischengespeichert und kann inSpitzenlastzeiten wieder über eine Turbine abgerufenwerden.

Laufwasserkraftwerke

Laufwasserkraftwerke nutzen die Strömung eines Flus-ses oder Kanals zur Stromerzeugung. Charakteristisch

ist eine niedrige Fallhöhe bei relativ großer, oft jahres-zeitlich mehr oder weniger stark schwankender Wasser-menge. Die Anlagen werden aus wirtschaftlichen Grün-den oft in Verbindung mit Schleusen gebaut. Bei Lauf-wasserkraftwerken kommen hauptsächlich Kaplan-,Rohr-, und Durchströmturbinen zum Einsatz.

Kleinwasserkraftwerke

Neben der Modernisierung großer Laufwasserkraftwer-ke besteht ein gewisses Ausbau-Potenzial bei Anlagenkleiner Leistung, insbesondere durch die Modernisie-rung und Reaktivierung bestehender Anlagen, die auf-grund des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und z.T. durch Investitionszuschüsse wieder wirtschaftlichtragfähig werden. Dabei ist den Anliegen des Natur-

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Beispiel und Prinzip eines Laufwasserkraftwerks

Prinzip eines LaufwasserkraftwerksQuel le : ExpoStadt

Ober lauf

Wasserzulauf

Wasserablauf

Generator

Kaplan-Turbine

Unter lauf

Beispiel und Prinzip eines Talsperren-Speicherkraftwerks

Quel le : Werksfoto Tauernkraf t / Verbund

Stausee

Druckstollen

Druckleitung

MaschinenhausStaumauer

Prinzip eines Speicherkraftwerks

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Investitionskosten von neuen und reaktivierten Kleinwasserkraftwerken als Funktion der installierten Leistung

schutzes und der Gewässerökologie Rechnung zu tra-gen. Die Anlagen werden sowohl im Inselbetrieb alsauch netzgekoppelt eingesetzt.

Technisch handelt es sich hier ebenfalls um Speicher-oder Laufwasserkraftwerke, die aufgrund kleinererFallhöhen und Wassermengen aber nur kleinere Leis-tungen liefern und bei denen ausschließlich Pelton-,Francis- oder Durchströmturbinen zum Einsatz kom-men.

Die Kosten einer Wasserkraftanlage werden ganz we-sentlich von der installierten Leistung und den ört-lichen Randbedingungen wie zum Beispiel der Fallhöhebestimmt. Neue Kleinwasserkraftanlagen zwischen 70und 1.000 kW Leistung kosten zwischen 8.500 und10.000 Euro je Kilowatt installierter Leistung. Bei einertypischen Auslastung von 4.000 bis 5.000 Volllaststun-den pro Jahr liegen die Stromgestehungskosten einersolchen Anlage zwischen 10 und 20 Cent/kWh. Auf-grund der Kostendegression liegen die spezifischen In-vestitionskosten bei Großanlagen (10 bis 100 MW) zwi-schen 2.000 und 4.000 Euro/kW, so dass Stromerzeu-gungskosten in Höhe von 4,5 bis 10 Cent/kWh realisiertwerden können. Bei Reaktivierung oder Modernisie-rung bestehender Anlagen können Stromgestehungs-kosten zwischen 2,5 und 6,6 Cent/ kWh erreicht werden.

Ökologisch verträglicher Ausbau

Mit einer installierten Leistung von 4.600 MW (ohnePumpspeicherkraftwerke) konnten im Jahr 2003 etwa20,4 TWh Strom erzeugt werden. Obwohl die inDeutschland existierenden Wasserkraftpotenziale nochnicht vollständig ausgenutzt werden, ist ein weitererAusbau nur begrenzt möglich. Der Betrieb einer Was-serkraftanlage stellt immer einen bedeutenden Eingriffin die Ökologie eines Gewässers dar, so dass bei einemweiteren Ausbau der Wasserkraft vor allem Aspekte desNatur- und Gewässerschutzes zu berücksichtigen sind.Durch die Modernisierung bzw. den Ausbau bestehen-der Wasserkraftanlagen unter ökologischen Auflagenkann allerdings ein erhebliches Potenzial zur regenera-tiven Stromerzeugung erschlossen werden. Durch öko-logische Gestaltungs- und Kompensationsmaßnahmenwie zum Beispiel dem Anlegen von Fischaufstiegshilfenkann dabei der ökologische Zustand des Gewässers so-gar verbessert werden. Auch Neubauten in Flussab-schnitten mit bereits bestehenden Eingriffen können zueiner Verbesserung der ökologischen Situation beitra-gen. Allein durch die Erweiterung und Modernisierungbestehender Anlagen kann ein zusätzliches Potenzialvon mehr als 2 TWh/a ökologisch verträglich erschlos-sen werden.

33

0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1.000 Insta l l ier te Le istung in kW

14.000

12.000

10.000

8.000

6.000

4.000

2.000

0

Invest i t ionen in Euro/kW

Quel le : IÖW / ISET Investitionskosten für Kleinwasserkraftwerke

Neubau

Revitalisierung

Modernisierung

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FOTOVOLTAIK

––– Ressource: solare Direkt- und Diffusstrahlung

––– Standorte: überall; insbesondere Dächer und Fassaden

––– Einsatzgebiete: Stromerzeugung

––– Leistungsbereich: wenige Watt bis einige MW

––– Stromkosten heute: 50 bis 80 Cent/kWh (Mitteleuropa),30 bis 50 Cent/kWh (Nordafrika)

––– Abbildungen: Fotovoltaik-Fassade, Solarkraftwerk, netzgekoppelte Anlage

+–

H a l b l e i t e r n -T y p H a l b l e i t e r p -T y p

K o n t a k t

S o n n e n l i c h t

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Solarzellen wandeln Sonnenlicht ohne mechanische,thermische oder chemische Zwischenschritte in elektri-schen Strom um. Herzstück jeder Solarzelle ist einHalbleiter, meist Silizium. Solarzellen beruhen auf demfotovoltaischen Effekt: Bei bestimmten übereinanderangeordneten Halbleiterschichten entstehen unter demEinfluss von Licht (Photonen) freie positive und negati-ve Ladungen, die durch ein elektrisches Feld getrenntund als Elektronen über einen elektrischen Leiter ab-fließen können. Der so entstehende Gleichstrom kanndirekt zum Betrieb elektrischer Geräte genutzt oder inBatterien gespeichert werden. Er kann auch inWechselstrom umgewandelt und in das öffentlicheStromnetz eingespeist werden.

Von Milliwatt bis Megawatt: Ein dynamischer Markt

Solarzellen gibt es in allen denkbaren Größenordnun-gen. Kleinstzellen gelangen in Taschenrechnern undUhren zum Einsatz. Im Kilowatt-Bereich können Häusermit Strom versorgt werden. Zu großen Solarfeldern zu-sammengestellt, dringen Solarzellen neuerdings aberauch in den Megawatt-Bereich vor.

Zwar ist die Sonnenstrahlung in Deutschland nicht soüppig wie in südlichen Ländern. Da Solarzellen aberauch den diffusen Anteil der Strahlung energetisch um-setzen, lohnt sich Fotovoltaik auch in unseren Breiten.Die Strahlungsenergie der Sonne ist in den südlichenBundesländern im Jahresmittel höher als im Norden(Grafik: Globalstrahlung in Deutschland). Auf einenQuadratmeter fallen jährlich zwischen 900 und 1.200 kWh Strahlungsenergie. Eine heutige Solarzellesetzt im Schnitt ein Zehntel davon in Strom um.

An Fläche ist ebenfalls kein Mangel: In Deutschland ste-hen insgesamt 2.300 km2 auf Dächern, an Gebäudefas-saden und an anderen Stellen innerhalb von Siedlungs-flächen für eine solartechnische Nutzung zur Verfü-gung. Geht man davon aus, dass sich Fotovoltaik undSolarkollektoren diese Fläche teilen, so könnten mitSolarzellen 105 TWh Strom pro Jahr erzeugt werden.Das entspricht knapp einem Viertel des gegenwärtigenStromverbrauchs.

Im Jahr 2001 wurden weltweit Solarzellen mit einerpotenziellen Leistung von 400 MW installiert – 40 %mehr als im vorhergehenden Jahr. Das Volumen desdeutschen PV-Marktes stieg zwischen 1990 und 2001von 0,6 MWp/a auf 80 MWp/a. Deutschland ist miteiner Gesamtleistung von etwa 400 MWp (Ende 2003)hinter Japan der zweitgrößte Markt für Fotovoltaik-anlagen.

Die Fotovoltaik hat in den vergangenen Jahren nichtnur drastische Nachfragesteigerungen verbucht, son-

dern auch eine deutliche Kostenreduktion durchlau-fen. Seit Beginn der 1990er Jahre konnten die System-kosten ungefähr halbiert werden. Die Investition füreine Hausdachanlage liegt heute bei 6.500 Euro proKilowatt installierter Leistung, größere Anlagen sindmit Kosten um 5.000 Euro pro Kilowatt etwas günsti-ger. Während Strom aus PV-Anlagen 1985 noch etwa 1,5 Euro/kWh kostete, liegen die Stromgestehungs-kosten heute in Mitteleuropa je nach Anwendungsfallund Technologie zwischen 0,50 Euro/kWh bei großennetzgekoppelten Generatoren und 0,75 Euro/kWh beidezentralen Kleinanlagen.

Auch für die Zukunft wird eine deutliche Verminde-rung der Kosten erwartet. Bis 2010 wird von einer Hal-bierung der heutigen Kosten ausgegangen. Vor allemein deutlicher Anstieg des Produktionsvolumens istdafür verantwortlich. Aber auch die Verbesserung derMaterialausbeute – heute geht ein Großteil des Halb-leitermaterials beim Schneiden der Wafer und andererVerarbeitungsschritte verloren – und Steigerungen desWirkungsgrades werden helfen, die Kosten der innova-tiven Stromquelle zu senken.

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FOTOVOLTAIK — SONNENSTROM ÜBERALL

Quel le : Deutscher Wetterd ienst

Schleswig

Hamburg

Bremen

Osnabrück

Essen

Köln

Bonn

Frankfurt/M.

KasselHalle

Leipzig

Weimar

Dresden

Chemnitz

Berlin

Neubrandenburg

Wittenberg

Schwerin

Rostock

Nürnberg

Stuttgart

MünchenFreiburg

Saarbrücken

Hannover Magdeburg

Ulm

Aachen

Durchschnittliche jährliche Sonneneinstrahlung in kWh/m2

Globalstrahlung in Deutschland

900 – 950

951 – 1.000

1.001 – 1.050

1.051 – 1.100

1.101 – 1.150

1.151 – 1.200

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Inzwischen steht eine große Zahl von Halbleitermate-rialien für die Herstellung von Solarzellen zur Verfü-gung. Das wichtigste Element ist nach wie vor das Sili-zium. Es wird in drei Varianten hergestellt:

––– Das teure, aber sehr reine monokristalline Sili-zium ist sehr aufwändig in der Herstellung, weist aberdie besten Wirkungsgrade für die Umwandlung derStrahlungsenergie auf.

––– Polykristallines Silizium ist einfacher und kos-tengünstiger in der Herstellung, die geringere Reinheitdes Materials führt jedoch auch zu etwas schlechterenWirkungsgraden, die sich in einem größeren Aufwandfür die erforderliche Generatorfläche und Gestelle nie-derschlagen.

––– Noch billiger in der Herstellung sind Dünn-schichtzellen aus amorphem Silizium, allerdings istder Wirkungsgrad und die Lebensdauer gegenüber denkristallinen Zellen herabgesetzt, was die Kostenvorteileweitgehend wieder ausgleicht.

Neben Materialien aus Silizium ist noch eine Vielzahlweiterer Materialien und Materialkombinationen in derErprobung und Entwicklung. Vor allem im Bereich derDünnschichttechnologie, die mit deutlich weniger Ma-terial als die kristallinen Zellen auskommt, werden star-ke Kostensenkungen erwartet.

Die wichtigsten Materialien für Solarzellen sind nebendem amorphen Silizium z.B. Gallium-Arsenid (GaAs),Germanium (Ge), Cadmium-Tellurid (CdTe) und Kupfer-Indium-Diselenid (CIS). Ein vielversprechendes Konzeptfür die Zukunft ist das der sogenannten Tandemzellen.Hier werden mehrere Halbleitermaterialien so kombi-niert, dass sie einen größeren Bereich des Spektrumsdes Sonnenlichtes ausnutzen können. Bei Laborzellenaus einer Kombination von Gallium-Arsenid und

Gallium-Antimon wurden unter konzentriertem LichtWirkungsgrade gemessen, die deutlich über denen ein-facher Solarzellen lagen.

Netzgekoppelte Anlagen

Ein typisches System besteht aus einem dach- oder fas-sadenintegrierten Solargenerator, der bei EinstrahlungGleichstrom liefert. Über einen Wechselrichter wird derGleichstrom in Wechselstrom umgewandelt und kanndirekt in Haushaltsgeräten genutzt oder ins Netz einge-speist werden. Während die Leistung typischer Haus-anlagen zwischen 2 und 5 kWp liegt, erreichen großeAufdachanlagen wie die auf dem Dach der neuen Mes-se München eine Leistung von über 2 MWp. Große Solarparks “auf der grünen Wiese” sind allerdings um-stritten, da sie zu einem zusätzlichen Flächenverbrauchführen. Die gesetzliche Förderpraxis zielt darauf ab,den Bau großer Solaranlagen auf bereits versiegelteSiedlungsflächen oder auf aus Ackerland umgewidmeteGrünlandflächen zu beschränken.

Die Bundesregierung hat 1999 das 100.000-Dächer-Solarstromprogramm ins Leben gerufen, mit dem dieMarktentwicklung der Fotovoltaik durch zinsgünstigeKredite gefördert wurde. Zusammen mit der Förderungdurch das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das die Ein-speisung erneuerbaren Stroms in das deutsche Strom-netz regelt, gab dieses Programm der Nachfrage nachPV-Anlagen einen deutlichen Schub: Die installierte PV-Leistung konnte zwischen den Jahren 2000 und 2002um fast 400 % gesteigert werden. Mit einer installiertenLeistung von über 300 MW wurde das Ziel des 100.000-Dächer-Solarstromprogramm inzwischen erreicht. DieFörderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz sinktfür Neuanlagen jedes Jahr um 5 %, dadurch wird dieKostendegression für Fotovoltaikanlagen anhaltend stimuliert.

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1985 1990 1995 2000 2005 2010

800

700

600

500

400

300

200

100

0

2,00

1,75

1,50

1,25

1,00

0,75

0,50

0,25

0

Insta l l ier te Le istung (MW p ) Stromkosten (Euro/kWh)

Quel le : DLR

Marktentwicklung in Deutschland, Verlauf der Stromgestehungskosten von PV-Anlagen und die mögliche zukünftige Entwicklung

Marktentwicklung

Stromkosten

Installierte Leistung

Prognose

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Netzunabhängige Kleinanlagen

Eine weitere wichtige Anwendung der Fotovoltaik sindnetzunabhängige Kleinanlagen zur Versorgung vonentlegenen Funk- und Messstationen, Notrufsäulen,Garten- und Wochenendhäusern. Je nachdem, ob dieVerbrauchsgeräte mit Gleich- oder Wechselstrom arbei-ten, ist ein Wechselrichter notwendig. In der Regel wer-den eine Batterie und ein Laderegler gebraucht, umSchwankungen der Einstrahlung zu überbrücken oderum auch nachts Solarstrom zur Verfügung zu stellen.

In Entwicklungsländern, in denen die Versorgungs-netze noch unzulänglich ausgebaut sind, wird die Foto-voltaik bereits erfolgreich bei Einzelhausversorgungen(Solar-Home-Systems), Dorfstromversorgungen oder fürPumpenanlagen angewandt. In vielen Fällen der dezen-

tralen Klein- und Kleinstanwendungen sind die brenn-stoffunabhängigen und wartungsarmen Systeme diebeste und oft auch wirtschaftlichste Lösung für einenetzferne Stromversorgung.

Ökologisch zahlt es sich aus

Solarzellen haben keinen Schornstein: Keine Luftschad-stoffe, kein Brennstoffverbrauch, kein Lärm sind mitder Stromerzeugung verbunden. Allerdings ist die Her-stellung herkömmlicher Solarzellen energieintensiv.Zwischen drei und fünf Jahre müssen sie hierzulandearbeiten, um die Energie zu produzieren, die ihre Her-stellung gekostet hat. Jede weitere Kilowattstunde istdann aber ökologisch “umsonst” (siehe auch Kapitel“Ökologische Qualitäten erneuerbarer Energien”).

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Prinzip einer netzgekoppelten Fotovoltaikanlage zur Hausstromversorgung

Prinzip einer FotovoltaikanlageQuel len : P i lk ington So lar Internat iona l GmbH; ExpoStadt

Inverter

EigenverbrauchStromzähler

PV-So largenerator

Stromnetz

Prinzip einer netzunabhängigen Anlage

Prinzip einer netzunabhängigen KleinanlageQuel le : Fraunhofer ISE , Fre iburg

Laderegler

Solarbatterie

PV-So largenerator

E igenverbrauch

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Setzt man voraus, dass für die Herstellungsenergie derkonventionelle Kraftwerkspark eingesetzt wird, so sindfolgerichtig indirekte Umwelteinwirkungen zu verzeich-nen. Dabei ist aber zweierlei zu beachten: Zum einensind diese Emissionen ein Problem des jetzigen undnicht eines zukünftigen Energiesystems. Würde dieEnergie zur Herstellung von Solarzellen mit Solarzellen

selber erzeugt, so gäbe es diese Emissionen nicht. Zumanderen ist das Minderungspotenzial immens. Durchfortschrittliche Technologien und Serienfertigung, aberauch durch den Übergang auf weniger materialintensi-ve Prozesse lassen sich die “ökologischen Rucksäcke”der Solarzellen noch weiter verkleinern.

38

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SOLARTHERMISCHE KRAFTWERKE

––– Ressource: direkte Solarstrahlung, ggf. mit Speicher- system; Hybridbetrieb mit fossilen und Biobrennstoffen ist möglich

––– Standorte: aride Zonen in Südeuropa, Nordafrika, Arabische Halbinsel (“Sonnengürtel” der Erde)

––– Einsatzgebiete: Stromerzeugung, Kraft-Wärme-Kopplung

––– Leistungsbereich: Paraboloid ca. 10 kW pro Modul, Turm, Rinne 5 bis 200 MW

––– Stromkosten heute: rein solar: 9 bis 16 Cent/kWh, hybrid: 3 bis 8 Cent/kWh

––– Abbildungen: Paraboloid-, Solarturm- und Parabolrinnen-Kraftwerk

Sonnenko l lektor

Thermischer Spe icherBrennstoff

Kraf tmasch ine (Strom/Wärme)

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Solarthermische Kraftwerke nutzen Hochtemperatur-wärme aus konzentrierenden Sonnenkollektoren, umeine konventionelle Kraftmaschine anzutreiben. DieAnlagen können zur reinen Stromerzeugung, aberauch zur Kraft-Wärme-Kopplung eingesetzt werden,also zur kombinierten Erzeugung von Strom und Pro-zesswärme. So kann ein solarthermisches Kraftwerk z.B. gleichzeitig Elektrizität, Kälte über eine Absorp-tionskältemaschine, industriellen Prozessdampf, undüber eine Meerwasserentsalzungsanlage auch Trink-wasser erzeugen und so bis zu 85 % der geerntetenSolarwärme in Nutzenergie umwandeln.

Effiziente thermische Speicherung der erzeugten Solar-wärme und Zufeuerung mit Brennstoffen erlauben dieim Kraftwerksbetrieb unverzichtbare ständige Verfüg-barkeit zur Lastdeckung. Die Kraftwerke können dop-pelt genutzt werden: tagsüber als Solarkraftwerk, undnachts als Teil des konventionellen Kraftwerksparks. Sowird nicht nur der Brennstoffverbrauch reduziert, son-dern auch der Bau konventioneller Reservekraftwerkevermieden. Die Umwelt gewinnt so doppelt, und dieStromgestehungskosten können sich gegenüber demreinen Solarbetrieb halbieren. Thermische Speichersind schon heute technisch möglich und sollen ab 2006in einem ersten Solarkraftwerk in Spanien eingesetztwerden. Mit ihnen kann das Solarkraftwerk rund umdie Uhr 100 % solar betrieben werden, tagsüber direktvon den Spiegeln versorgt, nachts aus dem tagsübersolar aufgefüllten Wärmespeicher.

Als Standorte kommen hauptsächlich die trockenenund heißen Zonen der Erde südlich des 40. Breiten-

grades in Frage, da lediglich der direkte Anteil der Son-nenstrahlung mittels Spiegeln gebündelt werden kann.Der hohe Anteil diffuser Strahlung und die insgesamtniedrigere Einstrahlung erschweren den wirtschaft-lichen Einsatz in unseren Breiten.

Bisher wurden fünf Arten solarthermischer Kraftwerkeverwirklicht:

Parabolrinnenkraftwerke

Bei diesem Konzept wird das Sonnenlicht durch para-bolisch gekrümmte Spiegel – mit bis zu 6 Metern Breiteund 100 Metern Länge – auf ein Absorberrohr konzen-triert, das sich dabei auf etwa 400°C erhitzt. Das Ab-sorberrohr wird durch eine selektive Beschichtung unddurch ein evakuiertes Glashüllrohr gegen Wärmever-luste geschützt. Die absorbierte Wärme wird durch einim Rohr strömendes Thermoöl abgeführt und übereinen Wärmetauscher zur Dampferzeugung genutzt.Der so erzeugte Dampf dient zum Antrieb eines kon-ventionellen Dampfturbinen-Generator-Satzes. Auch dieIntegration in den Dampfteil eines modernen Gas- undDampfturbinenkraftwerks (GuD) ist möglich. Wesent-liche Bestandteile wie z.B. die Spiegelelemente und dieAbsorberrohre stammen von deutschen Herstellern.

Dampfkraftwerke mit Parabolrinnenkollektoren werdenseit Mitte der achtziger Jahre in Kalifornien betrieben.Insgesamt ist eine Kapazität von 354 MW installiert,die einzelnen Anlagen haben eine Nennleistung bis zu80 MW. Ein Spitzenwirkungsgrad von über 21 % für die

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SOLARTHERMISCHE KRAFTWERKE —EIN GEHEIMTIPP FÜR DEN KLIMASCHUTZ

Quel le : DLR

Konzentrierte Strahlung Luft, 1.000°C, 15 bar

Luft, 400°C, 15 bar

AbsorberFenster

Druckbehälter

Geschlossener volumetrischer Druckluftabsorber (REFOS): Luft wird unter Druck bis zu 1.000°C erhitzt, umdirekt eine Gasturbine bzw. ein modernes Gas- und Dampfturbinenkraftwerk anzutreiben.

Prinzip eines Druckluftabsorbers

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Umwandlung der Solarstrahlung in Wechselstrom wur-de im Betrieb nachgewiesen. Sie versorgen seit ihrerInbetriebnahme jährlich etwa 150.000 Haushalte mitStrom und haben inzwischen über eine Milliarde US$an Erlösen erwirtschaftet.

Forschungsarbeiten zielen derzeit auf eine Kostensen-kung durch eine verbesserte Struktur der Kollektoren,Optimierung der Betriebsstrategie und einer Substitu-tion des zwischengeschalteten Thermoölkreislaufsdurch direkte Dampferzeugung in den Absorberrohren.Im April 2003 wurde ein neuer, in Deutschland ent-wickelter Parabolrinnenkollektor (SKALET) in einem derkalifornischen Kraftwerke in Betrieb genommen.

Solarturmkraftwerke

Beim Solarturmkraftwerk wird die Sonnenstrahlungdurch ein Feld einzeln nachgeführter Spiegel (Helio-staten) auf die Spitze eines Turmes konzentriert. Beidiesem Konzept können Temperaturen bis über 1.000°Cerreicht werden. In der Turmspitze befindet sich einAbsorber, der die Strahlung in Wärme umwandelt undan ein Wärmeträgermedium abgibt, das die Wärmeeinem konventionellen Kraftwerksprozess zuführt.

Bei der 10 MW Testanlage Solar Two in Barstow, Kali-fornien, wird ein Rohrbündelwärmetauscher als Ab-sorber und geschmolzenes Salz als Wärmeträger be-nutzt. Ein Vorteil ist die gute Energiespeicherfähigkeitder Salzschmelze, die mit Hilfe von zwei Speichertanksfür den Tag- und Nachtbetrieb genutzt wurde. Nachtei-lig ist die Gefahr lokaler Überhitzung der Absorberroh-re. Außerdem kann das Salz stellenweise in einen festenZustand übergehen.

Beim deutschem PHOEBUS-Konzept wird anstelle desRohrbündelabsorbers ein metallischer Schwamm

benutzt, der auch als volumetrischer Absorber bezeich-net wird, da die Strahlung sowohl an der Oberflächeals auch im inneren Volumen des Drahtgeflechts absor-biert und in Wärme umgewandelt wird. Außenluft, diedurch den Schwamm nach innen gesaugt wird, erhitztsich auf rund 800°C und dient anschließend zurDampferzeugung in einem konventionellen Kraftwerk.Der Vorteil gegenüber Rohrbündelabsorbern ist, dassdie Wärme nicht durch eine Wand hindurch übertra-gen werden muss. Dadurch sind höhere Energiefluss-dichten, Betriebstemperaturen und Wirkungsgrade möglich. Anfang der neunziger Jahre wurde ein Proto-typ auf der Plataforma Solar in Almeria, Spanien,erfolgreich getestet. Eine Neuentwicklung ist der ge-schlossene oder druckbeladene volumetrische Receiver(REFOS Konzept). Die Druckluft aus der Kompressorstufeeiner Gasturbine wird in diesem Absorber solar erhitztund treibt dann die Turbine an. Das Prinzip wurde erst-mals Ende 2002 auf der Plataforma Solar in Spanienerfolgreich zur Stromerzeugung eingesetzt. Eine Pilot-anlage mit kombinierter Strom- und Absorptionskälte-erzeugung wird derzeit für den semi-kommerziellenEinsatz in Italien gefertigt. Mit dieser Technologie wirdes auch möglich, Sonnenenergie direkt in ein moder-nes, hocheffizientes Gas- und Dampfturbinenkraftwerkeinzukoppeln und dort mit hohen Wirkungsgraden vonüber 50 % in Strom umzuwandeln.

Paraboloidkraftwerke

Mit einer typischen Leistung von einigen 10 kW sindParaboloidkraftwerke besonders für den dezentralenEinsatz geeignet. Bei diesem Konzept konzentriert einzweiachsig der Sonne nachgeführter Parabolspiegel dieSonnenenergie direkt auf einen im Brennpunkt desSpiegels aufgehängten Absorber. In diesem wird einArbeitsgas (Helium oder Luft) zum Antrieb eines Stir-ling Motors oder einer Gasturbine – die unmittelbar

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Strukturverbesserter europäischer Parabolrinnenkollektor SKALET im Testbetrieb in einem der Solarkraftwerke in KramerJunction (USA)

Solarturmkraftwerk in Barstow, Kalifornien

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neben dem Absorber angeordnet sind – auf etwa 900°C erhitzt. Paraboloidkraftwerke haben ihre techni-sche Reife in mehreren Jahren Testbetrieb erfolgreichdemonstriert und dabei mit bis zu 30 % die bestenüberhaupt nachgewiesenen solar-elektrischen Wir-kungsgrade erreicht. In einem nächsten Schritt gilt es,zu einer Serienfertigung zu gelangen und dadurch dasKostensenkungspotenzial dieser Technologie zu er-schließen.

Dieser Kraftwerkstyp eignet sich vor allem auch für dieDorfversorgung in Entwicklungsländern. Mehrere Para-boloide lassen sich dabei zu einem kleineren Kraft-werkspark zusammenschalten. In Kombination miteiner Biomasse-Feuerung oder einem Speicher ist auchein Betrieb rund um die Uhr möglich.

Aufwindkraftwerke

In Aufwindkraftwerken erwärmt die Sonne Luft untereinem großen Kollektordach aus Glas oder Kunststoff-folie. Die warme Luft strömt zu einem in der Mitte desKollektordachs stehenden Kamin, in dem sie aufsteigt.Durch die Luftströmung werden am Fuß des Kaminseingebaute Turbinen angetrieben und so Strom er-zeugt. Auf diese Weise werden drei bekannte physika-lische Effekte miteinander kombiniert:

1. Der Treibhauseffekt, der zur Erwärmung der Luftunter dem Glasdach führt.

2. Der Kaminzug, der für das Aufsteigen der unter demGlasdach erwärmten Luft im Kamin sorgt.

3. Die Turbine, die der Luftströmung im Kamin Energieentzieht und über einen Generator in elektrischeEnergie wandelt.

Aufwindkraftwerke arbeiten ausschließlich mit Luft, siebenötigen kein Kühlwasser. In vielen sonnenreichenLändern, die bereits große Wasserversorgungsproblemehaben, ist dies ein großer Vorteil. Da die Solarstrahlungim Gegensatz zu den zuvor beschriebenen Anlagennicht konzentriert wird, kann auch die diffuse Strah-lung zur Lufterwärmung unter dem Glasdach genutztwerden. Dadurch ist ein Kraftwerksbetrieb auch beiganz oder teilweise bedecktem Himmel möglich. DerErdboden unter dem Kollektor kann zusätzlich alsnatürlicher Wärmespeicher dienen und so für einegleichmäßige Stromerzeugung sorgen. Die am Taggespeicherte Wärme wird nachts abgegeben, so dassauch nach Sonnenuntergang weiter Strom erzeugtwird.

Die technische Machbarkeit dieses Konzeptes wurde inmehrjährigem Betrieb in einem spanischen Versuchs-kraftwerk nachgewiesen. Derzeit werden mehrere Pro-jekte für große Aufwindkraftwerke entwickelt. Am wei-testen fortgeschritten ist die Projektierung in Austra-lien, wo eine 200 MW Anlage mit 1.000 m Kaminhöheund einem Kollektordurchmesser von 6 bis 7 km entste-hen soll.

Fresnel-Konzentratoren

Anfang 2001 wurde ein Kollektor vorgestellt, bei demder Konzentrator aus einzelnen Facetten gerader Spie-gel besteht. Da die Lichtbündelung dieses Systemsschwächer ist als bei Parabolrinnen, wurde über demAbsorberrohr ein Sekundärkonzentrator angebracht,der das Licht ein zweites Mal konzentriert. Im Absor-berrohr wird direkt Wasser verdampft. Das Systemzeichnet sich durch einfache und kostengünstige Bau-weise aus und kann auf mehrere 100 MW Leistung aus-gebaut werden. Ein Prototyp zur Dampferzeugungwurde über mehrere Jahre betrieben und erfolgreichgetestet. Nächster Schritt ist eine voll funktionsfähige,semi-kommerzielle Pilotanlage zur Stromerzeugung.

Kosten solarthermischer Kraftwerke

Die Kosten für die Sonnenkollektoren fallen grundsätz-lich als Anfangsinvestition an. Das ist so, als würdeman den gesamten für den Betrieb notwendigenBrennstoff eines Kraftwerks zu Beginn des Projekts kau-fen und dann einlagern. Für diese Investition müssenzudem Steuern, Zinsen und Versicherungsprämienbezahlt werden, während fossiler Brennstoff erst beiBedarf zugekauft wird und in vielen Ländern nicht nursteuerfrei ist, sondern sogar subventioniert wird. Diewirtschaftliche Ausgangslage für Solarstrom ist alsodenkbar ungünstig. Insbesondere bei den derzeit nied-rigen Preisen für fossile Brennstoffe ist Solarstrom des-halb in der Regel teurer als Strom aus konventionellenKraftwerken. Das Bundesministerium für Umwelt,Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) hat deshalb

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Turm des geplanten 200 MW-Aufwindkraftwerks (Höhe 1.000 m,mit speziellen Speichenrädern zur Stütze), unten das Kollektor-dach (Durchmesser 6 km)

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Paraboloidkraftwerke mit Stirlingmotor-Generator im Test- undDemonstrationsbetrieb auf der Plataforma de Almeria, Spanien:Der solar-elektrische Wirkungsgrad solcher Anlagen beträgt biszu 30 %.

Kollektorsystem einer Fresnel-Anlage. Unten die Spiegelsegmen-te des Fresnel-Reflektors, oben das Absorberrohr im Zentrumdes Sekundärkonzentrators. Ein Kollektorstrang ist 24 m breitund soll in der Kraftwerksausführung bis zu 1 km lang werden.

zusammen mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau(KfW), dem United Nations Environment Programme(UNEP) und der Global Environmental Facility (GEF)eine Marktinitiative für solarthermische Kraftwerke insLeben gerufen, um die dafür notwendigen finanziellenund technischen Schritte auf internationaler Ebeneeinzuleiten und voranzutreiben.

Solarthermische Kraftwerke können an guten Stand-orten ohne Energiespeicher etwa 2.000 bis 3.000 Stun-den pro Jahr im reinen Solarbetrieb arbeiten. Darausergeben sich Stromgestehungskosten von heute 9 bis 16 Cent/kWh. Wenn die vorhandenen Kostensenkungs-

potenziale im Rahmen der anstehenden globalen Markt-einführung erschlossen werden, können diese Kosteninnerhalb des kommenden Jahrzehnts halbiert werden.Dualbetrieb, also die Zufeuerung von Brennstoffen,führt zu einer besseren Auslastung der Wärmekraft-maschine, da auf diese Art mehr Betriebsstunden er-reicht werden können. Damit wird die Konkurrenz-fähigkeit gegenüber konventionell betriebenen Kraft-werken deutlich verbessert. Je nach Anteil der Zufeue-rung und abhängig von den Brennstoffpreisen könnendie Stromgestehungskosten gegenüber dem im Bilddargestellten reinen Solarbetrieb um ca. 50 % niedrigerliegen. Dadurch werden schon heute Stromgestehungs-

1980 1990 2000 2010 2020 2030 2040

0,50

0,40

0,30

0,20

0,10

0

Euro/kWh

Quel le : DLR

Kostenentwicklung solarthermischer Kraftwerke im reinen Solarbetrieb bei 8 % Zinsen, einer wirtschaftlichen Lebensdauer von 25 Jahren und einer angenommenen Einstrahlung von 2.300 kWh/m2a

Stromkostenentwicklung für solarthermische Kraftwerke

Parabolrinne

Solarturm

Dish-Stirling

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kosten erreicht, die – ohne Fördermaßnahmen – nurwenige Cents über denen konventioneller Kraftwerkeliegen.

Energiespeicher erhöhen den Solaranteil des Kraft-werks, sie verbessern das Betriebsverhalten, bewirkeneine höhere Ausnutzung des Kraftwerkblocks und ver-bessern die Erlössituation. Im Rahmen des spanischenEinspeisegesetzes soll ab 2006 ein erstes solarthermi-sches Kraftwerk in Andalusien in Betrieb gehen, beieinem Erlös von etwa 0,16 Euro/kWh.

Das Zusammenwirken aller genannten Faktoren führtdazu, dass sich die solaren Stromgestehungskosteneines solarthermischen Kraftwerks mit integrierterSpeichertechnik gegenüber dem Betrieb ohne Speicherabsenken lassen. Zu diesem Zweck sollen bis etwa 2005

kommerzielle solarthermische Speicherkonzepte ent-wickelt und erste Anlagen gebaut werden.

Solarthermische Kraftwerke stellen ein wichtiges Binde-glied zwischen der heutigen fossilen und der zukünf-tigen “solaren” Energieversorgung dar, da sie wesent-liche Elemente beider in sich vereinen. Sie nutzen her-kömmliche Kraftwerksprozesse in Kombination mit solaren Technologien zur Aufbereitung der Strahlungs-energie, sie können mittels hybrider Fahrweise denschrittweisen Übergang vom fossilen ins solare Zeitaltersowohl technisch wie ökonomisch am Einzelobjekt demonstrieren und erlauben mittels Kraft-Wärme-Kopplung (insbesondere zum Zwecke der Trinkwasser-bereitung aus Meerwasser) eine äußerst effizienteNutzung der gesammelten solaren Primärenergie.

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SONNENKOLLEKTOREN

––– Ressource: direkte und diffuse Solarstrahlung

––– Standorte: weltweit

––– Einsatzgebiete: Heizung, Warmwasser

––– Leistungsbereich: 1,5 bis 200 MWh/a; keine eigentliche Leistungsobergrenze

––– Stromkosten heute: 10 bis 25 Cent/kWh

––– Abbildungen: Vakuumröhren, Flachkollektor, Kunststoff-absorber

Absorber

Wasser a ls Wärmele i ter

Sonnen l icht

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Mit Solarkollektoren wird die Strahlung der Sonne inWärme umgesetzt, um etwa Wasser für den täglichenBedarf zu erwärmen oder Gebäude zu heizen. Das Prin-zip kann man verstehen, wenn man im Sommer einenmit Wasser gefüllten Gartenschlauch in die Sonne legt:Schon nach kurzer Zeit ist das Wasser heiß.

In der einfachsten technischen Ausführung fließt einWärmeträgermedium durch nicht abgedeckte, schwar-ze Kunststoffmatten, auch Absorber genannt. Mit sol-chen Anlagen können keine hohen Temperaturen er-reicht werden. Dafür weisen sie geringe Anschaffungs-kosten auf und werden für die Erwärmung des Bade-wassers in Freibädern eingesetzt. Da sie meistens kos-tengünstiger als fossil gefeuerte Heizkessel sind, tragensie bereits heute dazu bei, die Haushaltskasse derSchwimmbadbetreiber zu entlasten.

Technisch ausgefeilter sind Flachkollektoren. Um dieWärmeverluste des Kollektors durch Konvektion undLeitung zu vermindern, ist bei diesem Kollektortyp derAbsorber, der aus Metall besteht, gut isoliert. Auf derSeite, wo die Sonne auf den Absorber auftrifft, ist ermit einer Glasscheibe abgedeckt, auf der Rückseite isteine dicke Dämmschicht aufgebracht. Verluste durchAbstrahlung der schon eingefangenen Wärme lassensich durch Aufbringung von schwarzem Solarlack odernoch wirksameren selektiven Schichten vermindern. Bei gleicher Sonnenstrahlung kann ein solcher Flach-kollektor durch diese Maßnahmen höhere Tempera-

turen erreichen als die zuerst beschriebenen schwarzenKunststoffmatten. Auch wenn es draußen schon kälterist, können sie noch Wärme liefern. Daher sind Flach-kollektoren heute die bevorzugte Wahl, wenn man mitder Sonne Brauchwasser erwärmen möchte (Grafik:Wirkungsgradkennlinien). Gegenwärtig auf dem Markterhältliche Kollektoren weisen meist eine Fläche zwi-schen 2 und 6 m2 auf. Mehrere Module werden kombi-niert, bis die erforderliche Wärmeleistung erreichtwird. Ein typisches Warmwassersystem für ein Einfami-lienhaus nimmt gewöhnlich eine Dachfläche von 6 m2

ein und kann damit 60 % des jährlichen Brauchwas-serbedarfs bereitstellen. Dabei deckt eine solche An-lage im Sommer den Bedarf vollständig ab, in denanderen Jahreszeiten muss der konventionelle Kesseldas vom Kollektor vorgewärmte Wasser noch nach-heizen (Abbildung: Kollektoranlage).

Wärmeverluste durch Leitung und Konvektion sind beiVakuumröhrenkollektoren fast gänzlich unterbunden.Die Absorber liegen in gläsernen Röhren, in denen einVakuum herrscht. Diese Isolation ähnelt der von Ther-moskannen. Kollektoren solcher Bauart haben diehöchsten Wirkungsgrade unter den Kollektortechnolo-gien. Sie können auch noch bei niedrigen Außentem-peraturen im Winter Wärme liefern, wenn bei Flach-kollektoren die solaren Gewinne durch die Wärme-verluste wieder verloren gehen, und eignen sich daherbesonders für die Heizung von Gebäuden und die Be-reitstellung von Prozesswärme.

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SONNENKOLLEKTOREN — SONNE INS HAUS GEHOLT

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 T Kol lektor — T Außen (K)

100

80

60

40

20

0

Wirkungsgrad (%)

Quel le : DLR

Je besser der Kollektor isoliert ist, desto höher ist die Temperatur der erzeugten Wärme. Wirkungsgradkennlinien unterschiedlicherKollektortypen bei 500 W/m2 Einstrahlung und die sich daraus ergebenden Einsatzfelder.

Wirkungsgradkennlinien

Kennlinie Absorber

Kennlinie Flachkollektor

Kennlinie Vakuumröhre

Schwimmbad Warmwasser Raumwärme Prozesswärme

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Um einen hohen Wirkungsgrad des Kollektors, egalwelcher Bauart, zu erreichen, sollte das erforderlicheTemperaturniveau der genutzten Wärme möglichst nie-drig sein. Sollen mit der Sonne auch Räume beheiztwerden, bieten sich daher Fußboden- oder Wand-flächenheizungen an. Es ist deshalb auch wichtig, daszu beheizende Gebäude sehr gut zu dämmen, um soden Heizbedarf möglichst gering zu halten. Mit einerAnlage von 11 m2 (Vakuumröhrenkollektor) bzw. 14 m2

(Flachkollektor) lassen sich bei einem gut gedämmtenHaus etwa 20 – 30 % des gesamten Wärmebedarfssolar abdecken. Insbesondere in den Übergangszeitenim Frühling und Herbst leisten die Kollektoren guteDienste.

Die Ausrichtung des Kollektors nach Süden und seineNeigung spielen dabei eine weit geringere Rolle alsgemeinhin angenommen (Grafik: Wärmeertrag undSüdausrichtung). Modellrechnungen zeigen, dass Ab-weichungen von + / – 60° von der genauen Südaus-richtung eine Einbuße der Sonnenernte von nur 10 %zur Folge haben. Weicht die Neigung um 20° von derin unseren Breiten optimalen Neigung von 50° ab, sogeht der Energieertrag um etwa 5 % zurück.

Für eine Solarkollektoranlage ist ein Speicher unerläss-lich. Er nimmt die vom Kollektor bereitgestellte Wärme

auf, falls kein aktueller Wärmebedarf gegeben ist, undgibt die Wärme dann wieder ab, wenn Wärme benö-tigt wird. Solarkollektoranlagen zur Brauchwasserer-wärmung benötigen in einem durchschnittlichen Ein-familienhaus einen Speicher von 350 Litern Inhalt. Wirdder Sonnenkollektor auch zur Raumheizung eingesetzt,so werden größere Speicher mit einem Volumen vonrund 70 Litern je Quadratmeter Kollektorfläche benö-tigt. Diese Speicher können für wenige Tage die Unter-schiede zwischen Energieangebot und Wärmenach-frage ausgleichen, sie sind jedoch nicht groß genug,um Sonnenwärme bis in den Winter zu speichern.

Für diese Zwecke sind erheblich größere Speicher undauch Kollektorflächen notwendig. Hierzu gibt es inEuropa eine Vielzahl von Demonstrationsprojekten. Diederzeit größte deutsche Anlage in Neckarsulm wird imEndausbau 1.200 Wohnungen auch im Winter mit sola-rer Wärme aus 15.000 m2 Kollektoren und einem150.000 m3 großen Speicher versorgen. Die Kollektorenbefinden sich teils auf den Dächern der Schule, derSporthalle und einigen Wohngebäuden, teils wurdensie über Parkplätzen (Abbildung: Solar versorgte Sied-lung) aufgeständert oder entlang eines Lärmschutz-walls installiert. Für die in derartigen Projekten einge-setzten saisonalen Speicher müssen kostengünstigeLösungen gefunden werden, da sie im Unterschied zu

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1030507090West 10 30 50 70 90 Ost

Quel le : DLR

Solaran lage mit He izungsunterstützung

30 - 30

- 50

- 70

50

70

70 %

80 %

90 %100 %

10 - 10

0

0

Dachne igung (Grad)

Süd

Az imuth (Grad)Az imuth (Grad)

Wärmeertrag und Südausrichtung

Die Ausbeute (maximal 100 %) nimmt nur relativ geringfügig ab, wenn der Kollektor nicht genau nach Süden ausgerichtet ist.

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den normalen Speichern in den Heizungskellern nureinmal im Jahr be- und entladen werden. Neben demNeckarsulmer Ansatz, den vorhandenen Lehmbodenmittels Erdsonden als billiges Speichermedium zu ver-wenden, gibt es noch weitere vielversprechende Ent-wicklungslinien. Hierzu gehört die Wärmeeinspeisungin unterirdische, wasserführende Schichten (Aquifere),die Nutzung von Schüttungen aus grobkörnigem Kiesund Wasser oder die Konstruktion von wenigstens teil-weise ins Erdreich versenkten wassergefüllten Beton-behältern. Jedes dieser Speicherkonzepte hat seine Vor-und Nachteile. Eine erfolgreiche Entwicklung kosten-günstiger Langzeitspeicher wird der Solarenergie An-wendungsfelder erschließen, die weit über die heute

noch vorherrschende sommerliche Brauchwasserer-wärmung hinausgehen.

Technische Trends

Tests belegen, dass die Solarkollektoranlagen mittler-weile einen hohen Reifegrad erreicht haben, der einenzuverlässigen Betrieb über 20 Jahre ermöglicht.Trotzdem gab es in jüngster Zeit noch weitere techni-sche Verbesserungen. Durch den Einsatz neuer selekti-ver Schichten auf der Absorberoberfläche konnte dieAbstrahlung verringert und damit der Wirkungsgraderhöht werden. Zudem sind diese selektiven Schichten

48

Jähr l ich insta l l ier te Ko l lektorf läche ( 1 .000 m 2)

1990

Quel le : DLR

1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003

Jährlich installierte Kollektorflächen

Seit 1990 ist der Kollektorabsatz auf das Zwanzigfache gestiegen.

Vakuumkollektoren Flachkollektoren

1982 1986 1990 1994 1998 2002 2006

Quel le : Drück / ITW

Die Kosten für solarthermische Anlagen fallen stetig. Die Grafik zeigt die Entwicklung der Durchschnittskosten kompletter Solaranlagenzur Brauchwassererwärmung und zur Heizungsunterstützung.

Kostenentwicklung solarthermischer Anlagen

Solare Heizungsunterstützung

Warmwasser-Anlagen

Trendlinie

20.000

16.000

12.000

8.000

4.000

0

Anlagenkosten in Euro

1.000

800

600

400

200

0

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umweltfreundlicher als die bisher eingesetzten galvani-schen Beschichtungen und zeigen sich auch unemp-findlicher gegenüber mechanischen Einflüssen oderhohen Temperaturen. Bei Flachkollektoren konnten dieReflexionsverluste an der Abdeckungsverglasung durcheine besondere Oberflächenbehandlung reduziert wer-den. Niedrigere Durchflussraten durch den Kollektorerlauben den Einsatz von Zu- und Ableitungen mitgeringerem Durchmesser. Dadurch können dünnereRohrisolierungen eingesetzt, der Materialaufwand er-heblich reduziert und Pumpstrom eingespart werden.Um die Kosten weiter zu mindern, geht der Trend zuimmer größeren Einzelmodulen. Außerdem wird dieMontagetechnik auf dem Dach vereinfacht. Dies gehtsoweit, dass die Kollektoren die konventionelle Dach-haut, also z.B. Dachpfannen und -sparren, komplett er-setzen, so dass die Kosten für Teile des Dachstuhls ein-gespart werden können. Regelung und Pumpen werdenin vormontierten, integrierten Baugruppen geliefert. Eswerden lötfreie Rohrverbindungen angeboten, so dassdie Montage vor Ort erheblich vereinfacht ist und vonbegabten Laien selbst ausgeführt werden kann.

Kosten

Durch technische Fortentwicklung und Marktauswei-tung konnten die Preise für das Gesamtsystem in denletzten 18 Jahren deutlich gesenkt werden. Derzeitkann man mit spezifischen Investitionskosten für einekomplette Anlage inklusive Speicher, Verrohrung undMontage von 830 Euro/m2 Kollektorfläche rechnen(Grafik: Kostenentwicklung solarthermischer Anlagen).Wenn Solarkollektoren bei den gegenwärtigen Preisenfossiler Energieträger noch nicht ganz mithalten kön-nen, so kann man sich doch gegen die Risiken zukünf-tiger Energiepreiserhöhungen zuverlässig schützen.Außerdem: Energetisch betrachtet macht sich eine An-lage schon nach 1 bis 2 Jahren bezahlt. Dann hat siebereits so viel Energie hereingeholt, wie für ihre Her-stellung notwendig war.

Marktentwicklung

Ende 2003 waren über 5,5 Mio. m2 Kollektoren aufdeutschen Dächern installiert. Hierdurch werden über2,5 Mrd. kWh an fossilen Brennstoffen ersetzt, waseiner Menge von 250 Mio. l Heizöl entspricht (Grafik:Jährlich installierte Kollektorfläche).

Nach dem Rekordjahr 2001 mit einer neu installiertenKollektorfläche von 900.000 m2 musste im Jahr 2002nach einer Kürzung der Förderung von Solaranlagenein Markteinbruch von 40 % hingenommen werden.Nach einer Verbesserung der Förderbedingungen wur-den in 2003 im Marktanreizprogramm der Bundes-regierung wieder Rekordzahlen bei den eingehendenFörderanträgen erreicht, so dass für 2004 mit einerNeuinstallation von 840.000 m2 verglaster Kollektor-

fläche gerechnet werden kann. Dadurch wird unserLand aber noch nicht Spitzenreiter bei der Nutzung derSolarenergie sein. Im Nachbarland Österreich ist jeKopf der Bevölkerung die fünffache Menge an Solar-kollektoren installiert. Dort sind die Kollektoren außer-dem bereits zu einem lukrativen Exportschlager gewor-den. Andere EU-Länder wie Frankreich, Italien oderEngland hinken dagegen der Entwicklung noch weithinterher.

Ein weiterer Schub für die Marktausweitung kanndurch eine Erhöhung der Nachfrage nach größerenAnlagen erhofft werden. Noch wird der ganz überwie-gende Teil der Sonnenkollektoranlagen auf Dächernvon Einfamilienhäusern installiert. Auf Mehrfamilien-häusern oder sonstigen großen Gebäuden finden sichbisher kaum Anlagen. Dabei können die Kosten fürsolare Wärme gerade bei Großanlagen deutlich gesenktwerden. Das Marketing für diese Anlagen ist dennochschwieriger: Die solare Wärme kommt nicht mehr demEigentümer der Anlage, sondern den Mietern zugute.Hierdurch entfällt die Freude des Anlagenbesitzersbeim Duschen mit “selbst erzeugter” Wärme aus einerunerschöpflichen Quelle. Statt dessen treten verstärktwirtschaftliche Kriterien in den Vordergrund. EinigeWohnbaugesellschaften haben sich für Solaranlagenauf ihren Miethäusern entschieden, weil hierdurch dieVermietbarkeit verbessert und die Leerstände reduziertwerden konnten.

Perspektiven

Langfristig kann solare Wärme in erheblichem Maßezu einer nachhaltigen Energieversorgung Deutschlandsbeitragen. Auf den Dächern von Gebäuden ist Platz für800 km2 Kollektoren. Weitere Installationsflächen gibtes an Südfassaden, über Parkplätzen oder an Straßen-böschungen (Abbildung: Lärmschutzwall mit Solarkol-lektoren). Insgesamt können bis zu 1.300 km2 Kollek-toren installiert werden, wobei schon berücksichtigt ist,

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Kollektoranlage zur Warmwasserbereitung

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dass ein Teil der Dachflächen für die Nutzung von So-larzellen zur Stromerzeugung (Fotovoltaik) reserviertbleiben muss. Mit dieser Kollektorfläche könnte rech-nerisch etwa die Hälfte des heutigen Wärmebedarfs fürHeizung und Warmwasser gedeckt werden. Heute liegtder Beitrag solarer Wärme am gesamten WärmebedarfDeutschlands erst bei 0,2 %. Um solare Wärme zu ei-nem Standbein der Energieversorgung zu machen, ge-nügt es nicht, jedes Dach mit Kollektoren zu belegenund einen Solarspeicher in jeden Keller zu stellen. Es istvielmehr notwendig, eine große Anzahl von Gebäudenüber ein Nahwärmenetz miteinander zu verbinden undan einen großen gemeinsamen Speicher anzuschließen.Nur so kann zu vertretbaren Kosten Sommersonnen-wärme bis in den Winter gespeichert werden. Die Kol-lektoren liefern ihre Wärme an den Speicher, von woaus sie dann bei Bedarf an die angeschlossenen Gebäu-de weitergeleitet wird.

Der Aufbau von Nahwärmenetzen ist eine entschei-dende Voraussetzung für die umfassende Nutzung sola-rer Wärme. Auch zur kostengünstigen Nutzung vonHolzhackschnitzeln, Stroh, Miscanthus oder Geothermiekann Nahwärme in erheblichem Maße beitragen. AlsBeispiel kann hier Dänemark dienen, wo bereits heute60 % aller Wohnungen mit Fern- oder Nahwärme be-heizt werden. Mehr als ein Drittel der in die Netze ein-gespeisten Wärme stammt dabei aus erneuerbarenEnergien und der überwiegende Rest aus der ebenfallsumweltfreundlichen Kraft-Wärme-Kopplung.

Nahwärme ist flexibel und zukunftsoffen. Zugunsteneiner nachhaltigen Wärmeversorgung ist für die näch-sten Jahrzehnte ein entschiedener Ausbau derartigerSysteme auch in Deutschland anzustreben. Dies wirdkeine einfache Aufgabe sein.

50

Oben: Zwei Fliegen mit einer Klappe – Kollektoren für Nahwärmeund lärmgeschützte Wohngebiete

Unten: Solar versorgte Siedlung – in Neckarsulm werden sogardie Parkplatzflächen zur Wärmeerzeugung genutzt

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PASSIVE SOLARNUTZUNG

––– Ressource: solare Direkt- und Diffusstrahlung

––– Standorte: überall

––– Einsatzgebiete: Gebäudeheizung

––– Kosten heute: Die Einsparung von Heizkosten kompen-siert in der Regel die Mehrinvestition.

––– Abbildungen: transparente Wärmedämmung; architek-tonische Maßnahmen und lichtdurchlässigeFassaden

direkte Raumheizung

ind i rekte Raumheizung

Außenhü l le zur Wärmedämmung und -spe icherung

Sonnen l icht

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Die passive Nutzung von Sonnenenergie ist dadurchgekennzeichnet, dass die solaren Gewinne ohne denEinsatz aktiver Technik wie beispielsweise Pumpenerzielt werden. Das Paradebeispiel hierfür sind unver-schattete Südfenster, durch die besonders im Winterdie Strahlen der tiefstehenden Sonne in das Haus ein-dringen können und es erwärmen: Das Gebäude selbstwird zu einer Art Sonnenkollektor.

Zum Bereich der passiven Nutzung zählen aber auchsonstige lichtdurchlässige Teile der äußeren Gebäude-hülle wie Wintergärten oder die transparente Wärme-dämmung. Aufgabe des Architekten ist es, die Gebäudeso zu konstruieren, dass die nutzbaren passiven solarenGewinne möglichst hoch sind, keine sommerliche Über-hitzung eintritt und nachts die zusätzlichen Verlustedurch vergrößerte Fensterflächen in vertretbaren Gren-zen gehalten werden. Passive Solarnutzung ist wie kei-ne andere Technologie auf die ganzheitliche Betrach-tung der Gebäudestruktur und Energieversorgungangewiesen (Grafik: Gebäudeenergiekennwerte).

Fenster: Verlustposten oder Wärmequelle?

Tagsüber kann Solarstrahlung erheblich zur Beheizungeines Hauses beitragen. Je besser das Haus bereits wär-megedämmt ist, desto stärker sind die Auswirkungen.Während der Nachtstunden geht dagegen auch durchdie besten Fenster mehr Wärme verloren als durch

eine gut gedämmte Wand. Ob sich bei einer Vergröße-rung der Fensterfläche insgesamt eine positive oder ei-ne negative Energiebilanz ergibt, hängt stark von derQualität der Verglasung ab (Grafik: Südfensterfläche).Eine Vergrößerung der Südfensterfläche wirkt sichnicht immer günstig auf den Heizwärmebedarf aus.Insbesondere bei Passivhäusern können Verbesserun-gen nur mit erstklassigen Verglasungen erreicht wer-den.

Mehrkosten des Wärmeschutzes

Je geringer der Heizwärmebedarf eines Neubaus ist,desto geringer ist die jährliche Heizkostenrechnung.Dem stehen Mehrkosten beim Neubau des Gebäudesgegenüber (Grafik: Mehrkosten). Niedrigenergie-häuser können bereits zu geringen Mehrkosten reali-siert werden. Für Passivhäuser muss hingegen mitzusätzlichen Investitionskosten von 200 Euro je Qua-dratmeter Nutzfläche gerechnet werden. Dafür bietensie einen zuverlässigen Schutz gegenüber zukünftigenEnergiepreissprüngen und können – bei abgesenkterRaumtemperatur – selbst im Winter notfalls ganz ohneHeizung auskommen.

Durch eine noch weitergehendere Wärmedämmung inVerbindung mit einer Solaranlage und einem sehr gro-ßen Speicher im Inneren des Hauses kann erreicht wer-den, dass dem Gebäude überhaupt kein Brennstoff oder

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PASSIVE SOLARNUTZUNG — DIE ARCHITEKTURMACHT’S MÖGLICH

Bestand

WschVO = Wärmeschutzverordnung; EnEV = Energieeinsparverordnung; NEH = NiedrigenergiehausEnerg iebedarf in kWh/(m 2 a)

Quel le : Luther 2001

WschVo 1995 EnEV 2001 NEH 2001 3-Liter-Haus NullheizenergieSolar-Passivhaus

Gebäudeenergiekennwerte

Energiekennwerte für verschiedene Wärmedämmstandards am Beispiel eines Einfamilienhauses

Raumwärme Warmwasser Haustechnikstrom Haushaltsstrom

50

100

150

200

250

300

0

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Heizstrom von außen mehr zugeführt werden muss.Dies ist aber noch sehr teuer.

Verbesserungen im Altbaubestand sind für eine nach-haltige Entwicklung noch wichtiger als der Neubau. Im Rahmen ohnehin fälliger Sanierungsarbeiten er-geben sich sehr geringe Mehrkosten für einen zusätz-lichen Wärmeschutz, die sich nach kurzer Zeit amorti-sieren. Bei Renovierungen sollte daher unbedingt auch

an die Wärmedämmung gedacht werden, da sich eineähnlich günstige Gelegenheit erst beim nächsten Reno-vierungszyklus nach ca. 30 Jahren ergeben wird.

Wintergärten und transparente Wärmedämmung

Allgemein sind Wintergärten sehr beliebt. In den Über-gangsmonaten bieten sie einen zusätzlichen unbeheiz-

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Fenster als Heizung: Bei guter Verglasung (Dreifach-Verglasung) sinkt der Heizwärmebedarf mit steigendem Anteil von Südfenstern.

0 10 20 30 40 50 60 70 Verg lasungsante i l in %

0

10

20

30

40

50

60

70

80

Heizwärmebedarf in kWh/(m 2 a)

Quel le : IWU 1997

Niedr igenerg iehaus

Pass ivhaus

Südfensterfläche und Heizwärmebedarf

Isolierglas

Wärmeschutzglas

Dreifach-Verglasung

Mehrkosten für den Wärmeschutz pro Quadratmeter Nutzfläche

0 20 40 60 80 100 Heizwärmebedarf in kWh/(m 2 a)

600

500

400

300

200

100

0

Mehrkosten in Euro/m 2

Quel le : Ger t is 2001 Mehrkosten für verbesserten Wärmeschutz

Passivhaus

NEH (Niedrigenergiehaus)

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ten, lichtdurchfluteten, naturnahen und dennoch ge-schützten Aufenthaltsraum. Im Winter kann auch Heiz-wärme eingespart werden. Dieser Effekt ist jedoch ge-ring und kann leicht in sein Gegenteil verkehrt werden– etwa indem im Winter die Türe zum beheiztenWohnraum gelegentlich offen gelassen wird. Trans-parente Wärmedämmung (TWD) kann an den Fassadenvon Alt- oder Neubauten angebracht werden. Sie be-steht aus einer lichtdurchlässigen, aber gut wärme-dämmenden Schicht, beispielsweise aus feinen Glas-oder Kunststoffröhrchen (Grafik: Transparente Wärme-dämmung). Das einfallende Licht durchquert die trans-parente Dämmschicht und wird auf der tragendenWand absorbiert. Dabei erwärmt sich die Wand. Dasich diese Wärme bereits hinter der Dämmschicht derHauswand befindet, kann sie nicht mehr nach außenentweichen und heizt so – mit zeitlicher Verzögerung –auch den dahinter liegenden Wohnraum auf. Im Som-mer kann als Schutz gegen Überhitzung ein Verschat-tungssystem notwendig werden.

Der Nutzen einer transparenten Wärmedämmunghängt von der Himmelsrichtung der TWD-Wand, vonder Qualität und Ausrichtung der übrigen transparen-ten Bauteile (Fenster) sowie dem Aufbau der Wand hin-ter der TWD ab. Dementsprechend darf auf eine sorg-fältige Planung keinesfalls verzichtet werden.

Die Energieeinsparverordnung

Seit Februar 2002 gilt die neue Energieeinsparverord-nung (EnEV). Durch sie werden die bisher geltendenVorschriften der Wärmeschutzverordnung und derHeizungsanlagenverordnung ersetzt. Anstelle des Heiz-wärmebedarfs, also der Wärmemenge, die von denHeizkörpern abgegeben werden muss, wird jetzt derPrimärenergiebedarf begrenzt. Unter Primärenergie isthier der Energiegehalt der Kohle-, Öl-, Gas- oder Uran-menge zu verstehen, die gefördert werden muss, umden geplanten Neubau zu beheizen und mit Warm-wasser zu versorgen; zugunsten von Stromheizungenwurden übergangsweise Ausnahmen zugelassen.

Die Energieeinsparverordnung lässt dem Bauherren dieWahl, ob er die anspruchsvolleren Ziele der neuen Ver-ordnung durch eine verbesserte Wärmedämmung,durch energiesparende Heizsysteme oder den Einsatzerneuerbarer Energien erreicht. Er kann jetzt das Ge-samtsystem optimieren. Dies ist der entscheidende Vor-teil der neuen Verordnung. Beispielsweise kann für einEinfamilienhaus die Anforderung an die Wärmedäm-mung bzw. den Heizwärmebedarf durch die Installa-tion einer gut ausgelegten solaren Warmwasseranlageum mindestens 15 % reduziert werden.

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Quel le : FhG- ISE

Konvent ione l le Wärmedämmung

Wärmeverlust

Wärmegewinn

Sonneneinstrahlung

Reflexion

Wärmegewinn

Sonneneinstrahlung

Rückstreuung

Reflexion

L ichtdurch läss ige Wärmedämmung

Wärmeverlust

Transparente Wärmedämmung

Funktionsweise der lichtdurchlässigen, transparenten Wärmedämmung

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BIOMASSE ALS BRENNSTOFF

––– Ressource: Holz, Getreide, Zucker- und Stärkepflanzen, Ölpflanzen, organische Reststoffe und Bioabfall

––– Standorte: weltweit je nach Verfügbarkeit der Biomasse

––– Einsatzgebiete: Strom, Wärmeerzeugung, Kraft-Wärme-Kopplung

––– Leistungsbereich: 1 kW bis 50 MW (thermisch)

––– Kosten heute: Wärme: 1 bis 10 Cent/kWhStrom: 5 bis 30 Cent/kWh

––– Abbildungen: Holz-Heizkraftwerk, Biogas-Anlage, Pelletheizung

Biomasse

Wärme Strom

Aufbere i tung

Thermo- , phys ika l i sch-chemische oder b iochemische Umwandlung

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Die Nutzung von Biomasse zur Erzeugung von Stromund Wärme ist eine besonders unter Klimagesichts-punkten attraktive Form der Energiewandlung. Dennfür die Bildung von Biomasse wird der Atmosphärezunächst das Treibhausgas CO2 entzogen; der Kohlen-stoff wird in der Biomasse gebunden. Später wird erwieder in die Atmosphäre abgegeben – z.B. bei derVerbrennung oder der Verrottung der Biomasse. Wirddie Biomasse daher energetisch genutzt, wird nur dasCO2 freigesetzt, das zuvor beim Wachstum der Pflanzender Atmosphäre entnommen wurde.

Die Biomasse-Verordnung, die festlegt, welche Stoffe alsBiomasse für das Erneuerbare-Energien-Gesetz gelten,definiert sie als “Energieträger aus Phyto- und Zoomas-se” – also Stoffe pflanzlichen und tierischen Ursprungs– inklusive der “Folge- und Nebenprodukte, Rückständeund Abfälle, deren Energiegehalt aus Phyto- und Zoo-masse stammt”. Ferner wird in der Biomasse-Verord-nung festgelegt, welche Verfahren zum Einsatz kom-men und welche Umweltanforderungen einzuhaltensind.

Zu den wichtigsten der biogenen Brennstoffe zählensicherlich Holz und Holzreste, die als Reststoff ausWalddurchforstungen, Sägereien oder als Altholz vorlie-gen. Schnellwachsende Hölzer, z.B. Pappeln oder Wei-den, können in so genannten Kurzumtriebsplantagenangebaut und nach wenigen Jahren geerntet werden.Schilfgras (Miscanthus) ist ein potenziell sehr ertragrei-cher nachwachsender Rohstoff, setzt aber Ackerbödenvon hoher Qualität mit guter Wasserversorgung voraus.

Reststroh, aber auch speziell Getreide-Ganzpflanzen,z.B. der Weizen-Roggen-Hybrid Triticale, eignen sichebenfalls zur Energieerzeugung. Zucker- und Stärke-pflanzen, beispielsweise Mais oder Zuckerrübe, könnenzur Herstellung von Bioalkohol verwendet werden. ZurBiomasse zählen auch ölhaltige Pflanzen, die durchPressung und nachfolgende Verarbeitung in flüssigeEnergieträger umgewandelt werden (siehe Kapitel“Biokraftstoffe”).

Organische Reststoffe eignen sich ebenfalls als Ener-gielieferant. Gülle, Bioabfall, Klärschlamm und kommu-nale Abwässer oder Speisereste können in ein energie-reiches Biogas verwandelt werden. Auch aus Deponientritt Biogas aus. Biogas aus Deponien und Kläranlagenist allerdings im Sinne der Biomasse-Verordnung nichtals Biomasse anerkannt, da nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz gesondert vergütet.

Die älteste Nutzungsart: Feuerungen

Die älteste und einfachste Art der energetischen Nut-zung ist die Verfeuerung der Biomasse. Um eine voll-ständige und emissionsarme Verbrennung zu gewähr-leisten und Rücksicht auf den Aschegehalt, die Brenn-stoffzusammensetzung, Form und Partikelgröße derBrennstoffe zu nehmen, wurden für die verschiedenenGrößenklassen der Anlagen unterschiedliche Feue-rungstypen entwickelt, die sich im Wesentlichen durchdie Art der Brennstoffaufbereitung und -zufuhr unter-scheiden.

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Quel le : F la ig 1998

Füllstandgrenzhalter

Sekundärluft

Kessel

Zündbrenner

mechanische Beschickung

Unterwind

Nassentschlacker Aschecontainer

Die Rostfeuerung ist ein Beispiel für eine flexibel einsetzbare Biomassefeuerung. Durch die Fortbewegungs-geschwindigkeit des Brenngutes und die Luftmenge kann die Feuerung präzise gesteuert werden.

Biomassefeuerung

BIOMASSE — DER DAUERBRENNER FÜR WÄRME UND STROM

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Hackschnitzellager in Schweden. Ein Kilogramm trockenes Holzenthält so viel Energie wie ein halber Liter Heizöl.

Die heutige Nutzung biogener Feststoffe in Deutschlandgeschieht überwiegend in Kleinst- (Anlagen unter 15 kW) oder Kleinanlagen. Eine automatische Brenn-stoffbeschickung und Feuerungsregelungen haben denBedienungskomfort erhöht. Kleinanlagen unterliegendabei auch den Emissionsgrenzwerten des Bundesim-missionsschutzgesetzes.

Neben Scheitholz und Stroh können auch Holzpelletsoder Hackschnitzel eingesetzt werden. Holzpellets sindkleine Presslinge aus naturbelassenem Holz, meist ausSäge- oder Hobelspänen. Sie können genau wie Heizölim Tankwagen angeliefert oder in Säcken gekauft wer-den. Pellets können in Kaminöfen genauso wie in gro-ßen, vollautomatischen und emissionsarmen Zentral-heizungen verfeuert werden. Der notwendige Lager-raum für den Brennstoff ist bei Pellets kaum größer alsbei einer Ölzentralheizung.

Wärmeerzeugung ist aber nicht nur auf Kleinanlagenbegrenzt. Mit Holzfeuerungen können auch Nah- undFernwärmenetze mit Wärme versorgt werden (sieheKapitel Sonnenkollektoren). In Österreich, das seit Jah-ren Biomasse systematisch fördert, gibt es bereits über500 mit Biomasse befeuerte Fernheizwerke. In diesengrößeren Feuerungen lohnt auch ein höherer techni-scher Optimierungsaufwand. Verbessert wurden dieheutigen modernen Feuerungen sowohl im Bereich derWirkungsgrade wie auch der Emissionen. Beispielswei-se können die Wirkungsgrade durch die Kondensationder Rauchgase – hierbei wird die Energie der Umwand-lung von Wasserdampf in flüssiges Wasser genutzt –und durch die Vortrocknung der Biomasse erheblichgesteigert werden. Die Abgaswerte lassen sich durcheinen kontinuierlichen Verbrennungsvorgang unddurch eine effiziente Staubabscheidung verbessern.Gerade bei den kleinen Anlagen konnten die Emissio-nen von Kohlenmonoxid und unverbrannten Kohlen-wasserstoffen in den vergangenen Jahren deutlichgesenkt werden.

Strom aus Biomasse

Das Interesse an der Verstromung von Biomasse ist seitder Verabschiedung der Biomasse-Verordnung Mitte2001 sprunghaft angestiegen. Allein die Stromerzeu-gung aus Holz (ca. 1,2 Mrd. kWh in 2002) wird sichaufgrund der bekannten Planungen in den nächstendrei Jahren mehr als verdoppeln. Als Brennstoff wird inden neu errichteten Kraftwerken fast ausschließlich kos-tengünstiges Altholz verwendet. Mit teurerem natur-belassenem Holz ist kein wirtschaftlicher Betrieb derAnlagen möglich. Allerdings sind die Zeiten, in wel-chen für die Annahme kontaminierter Hölzer nochEntsorgungserlöse erzielt werden konnten, aufgrundder inzwischen stark erhöhten Nachfrage vorbei. Nach2005 wird das Potenzial an Altholz weitgehend er-schöpft sein, so dass andere Techniken zum Einsatzkommen müssen, wenn die Stromerzeugung aus Bio-masse weiter wachsen soll.

Die effizienteste Form der energetischen Nutzung vonBiomasse ist die Kraft-Wärme-Kopplung. Im Unter-schied zur reinen Stromerzeugung wird hier nicht –wie derzeit bei den Altholzkraftwerken üblich – dieAbwärme ungenutzt an die Umgebung abgegeben,sondern zur Beheizung von Gebäuden oder für Trock-nungsprozesse verwendet. Besonders in kleinen Anla-gen sind jedoch die heute erreichbaren Wirkungsgradenoch unbefriedigend. Es werden daher neue Technolo-gien entwickelt. Hierzu gehört der Stirlingmotor, wel-cher im Unterschied zu Dampfturbinen auch im Leis-tungsbereich unter 1 MW noch hohe Strom- und Wär-meausbeuten aufweist. Deren Kommerzialisierungbeginnt allerdings erst allmählich (Grafik: Möglichkei-ten der Verstromung von Biomasse).

Eine vielversprechende Alternative zur Verbrennung istdie Vergasung von Biomasse. Mit gasförmigen bio-genen Brennstoffen können bewährte und effizienteTechniken wie Gasturbinen oder Blockheizkraftwerke

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In diesem Blockheizkraftwerk wird Biogas verbrannt und damitStrom und Wärme erzeugt.

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(BHKW) genutzt werden. Auch die zukünftige Nutzungvon Biomasse in Brennstoffzellen, von welchen auchbei kleinen Leistungseinheiten noch hohe Stromaus-beuten erwartet werden, wird mit vergastem Holz mög-lich. Holzvergaser sind prinzipiell nichts Neues. Sie wur-den z.B. nach dem Krieg mangels motorschonendererKraftstoffe zum Antrieb von LKWs verwendet. Im Holz-vergaser wird der Brennstoff nur unvollständig oxidiert.Dabei kann bei passender Prozessführung das Holz bisauf einen Ascherest vollständig in ein wasserstoffrei-ches Gas umgewandelt werden. Die größte technolo-gische Herausforderung bei der Verbesserung der Holz-vergaser ist die Erzeugung eines teerfreien Gases, wel-ches ohne zerstörende Ablagerungen in Motoren ver-brannt werden kann. Neu entwickelte Holzvergaser-Pilotanlagen mit angeschlossenem BHKW werden der-zeit im Dauerbetrieb erprobt.

Biogas — Bakterien am Werk

Auch Biogas kann zur Stromerzeugung oder Kraft-Wärme-Kopplung eingesetzt werden. Biogas entstehtbei der Zersetzung von organischer Materie durch spe-zielle Methanbakterien. Dieser Prozess heißt Vergärung.Zwei wesentliche Voraussetzungen müssen für die Bil-dung eines energiereichen Gases erfüllt sein: Es müssenanaerobe Bedingungen herrschen, d.h. Sauerstoff mussausgeschlossen sein. Außerdem müssen die Temperatu-ren im Biogasreaktor den vorhandenen Bakterien ange-passt sein. Die meisten Biogasanlagen arbeiten bei Tem-peraturen zwischen 30 und 37°Celsius.

Die Bakterien zersetzen die organische Materie in meh-reren Stufen. Endpunkte der Zersetzungskette sind dieGase Methan (CH4) und Kohlendioxid (CO2). HundertKubikmeter Biogas entstehen durch eine halbe bis eine

Tonne Haus- oder Biomüll oder die täglichen Exkre-mente von 90 Rindern bzw. 12.000 Hühnern.

Bereits 1948 entstand die erste deutsche Biogasanlageim Odenwald. Seitdem hat sich die Verfahrenstechnikstetig verbessert. Die Kernkomponenten sind jedochgleichgeblieben (Grafik: Biogasanlage): In der Auf-bereitungsstufe wird die organische Masse zerkleinertund von Störstoffen befreit. Das Herzstück der Anlageist der Methanreaktor, in dem die eigentliche bakteriel-le Zersetzung stattfindet. Je nach Größe der Anlagekann dieser Reaktor aus Beton, Kunststoff oder Stahlgefertigt werden. Für landwirtschaftliche Kleinanlagenin Entwicklungsländern werden die Faulräume oft imBoden versenkt gemauert. Das organische Substrat ver-weilt zwischen zehn und 35 Tagen im Reaktor, bevorder Gärrest ausgeschleust und beispielsweise als Dün-gemittel bzw. Kompost weiterverarbeitet wird. An-schließend wird das erzeugte Biogas in einer Gasreini-gungsstufe gereinigt und gegebenenfalls entschwefelt.

Mit einem Heizwert von ca. 6 kWh entspricht einKubikmeter Biogas 0,6 Litern Heizöl oder 0,6 m3

Erdgas. Es eignet sich als Kraftstoff für Motoren. InDeutschland wird das im Reaktor entstandene Biogasnahezu ausschließlich in Blockheizkraftwerken (BHKW)genutzt. Das BHKW deckt zunächst den Eigenbedarfder Anlage an Strom und Wärme, der bei durchschnitt-lichen Anlagen zwischen 5 (Landwirtschaft) und 40 %(Bioabfall) des Stroms für Rührwerke und andere elek-trische Aggregate bzw. zwischen 5 und 50 % der Wär-me für die Beheizung des Reaktors (je nach Jahreszeit)beträgt.

Biogasanlagen haben für Landwirte einen mehrfachenNutzen: Der größte wirtschaftliche Vorteil entstehtdurch den im BHKW erzeugten Strom, welcher teils

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Feste Biomasse

Verbrennung

Vergasung

Verflüssigung

Kohle- /Gaskraftwerk

Dampfturbine oder -motor

Stirlingmotor

Gasturbine /Gas- und Dampfanlage

Gas-Otto-Motor (BHKW)

Brennstoffzelle

30 – 40 %

15 – 20 %

10 – 15 % *

20 (GT) – 30 %

ca. 25 %

30 – 45 % **

Möglichkeiten der Verstromung von Biomasse

Verschiedene Technologien stehen zur Stromerzeugung aus Biomasse bereit ( * kleinere Leistungsklasse als Dampfturbine; ** je nach Brennstoffzellentyp).

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selbst genutzt und teils gemäß dem Erneuerbare-Energien-Gesetz in das öffentliche Stromnetz einge-speist und vergütet wird. Die Wärme wird zur Be-heizung von Gebäuden und Stallungen verwendet. Bei größeren Anlagen ist auch die Einspeisung in einNahwärmenetz möglich. Außerdem wird die Gülle alsDüngemittel aufgewertet und die Geruchsbelästigungbei der Ausbringung reduziert.

Durch Kofermentation, also die gleichzeitige Vergärungvon Gülle und organischen Abfällen aus Haushaltenoder Gewerbe, kann die Ausbeute an Biogas gesteigertund damit ein weiterer Erlös aus der zusätzlichenStromerzeugung erzielt werden. Hinzu kommen Erlösefür die Abnahme und umweltschonende Entsorgungvon Abfallstoffen. Allerdings sind bei Kofermentations-anlagen wesentlich strengere Hygienisierungs- undKontrollvorschriften zu beachten und auch die recht-lichen Randbedingungen sind komplizierter. Dies führtzu deutlich höheren Investitions- und Betriebskosten,wodurch der wirtschaftliche Vorteil relativiert wird.

Kosten

Die Vielfältigkeit der biogenen Einsatzstoffe spiegeltsich auch in den Kosten der Energieerzeugung wider.Ausschlaggebend für die Wirtschaftlichkeit der Anla-gen sind in der Regel die Brennstoffbereitstellungskos-ten, die von “negativen” Kosten – durch Gutschriftenfür vermiedene Deponie- und Entsorgungskosten – bishin zu 3 Cent/kWh für Getreide-Ganzpflanzen reichen.Die Kosten nachwachsender Rohstoffe liegen derzeitum das 1,5 bis 2-fache über den Kosten der meisten

Reststoffe. Aus den Bereitstellungs- und Investitions-kosten lassen sich Wärmegestehungskosten ableiten,wobei für Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung voneiner Stromvergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ausgegangen werden kann (Grafik: Wirt-schaftlichkeit biogener Wärmebereitstellung). NiedrigeWärmegestehungskosten weisen vor allem größereDampf-Heizkraftwerke und Heizwerke mit preiswertemRestholz auf. Unter günstigen Rahmenbedingungen,beispielsweise bei einem hohen Eigenleistungsanteilund kostengünstigen Brennstoffquellen, können auchKleinanlagen niedrigere Wärmegestehungskosten auf-weisen als fossile Vergleichsanlagen. Dies trifft häufigauf Scheitholzkessel zu. Sehr viel bequemer kann dage-gen mit Pellets geheizt werden. Dafür ist bei Pelletanla-

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Quel le : Haase

Gül le Organ ik

Vor lagebehä lter

Hyg ien is ierungsbehä lter 70°C

Mischbehä lter

Bioreaktoren

Gas lager

BHKW

Dünger Prozessdampf Strom Fernwärme

Düngerbehä lter

Bei 37°C gärt die Biomasse kräftig in diesem Methanreaktor.

Von der Gülle bis zum Strom – schematische Darstellung der Verfahrensprozesse

Biogasanlage

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gen noch eine Förderung notwendig, um mit Ölheizun-gen konkurrieren zu können.

Die Kosten von Biogasanlagen hängen in starkem Maßevon der Anlagengröße, dem Kofermentationsanteilbzw. den eventuellen Entsorgungsgutschriften, derGasausbeute, dem Stromeigenbedarf, dem externenWärmebedarf und anderen Nutzen (z.B. Düngewert-verbesserungen) ab. Verallgemeinernde Aussagen sinddaher nicht möglich. Bei vielen landwirtschaftlichenAnlagen wird Wirtschaftlichkeit erst mit Entsorgungs-erlösen oder Investitionszuschüssen erreicht. Zudemkönnen Landwirte durch Eigenleistung viel Geld beimBau der Anlage sparen. Wichtig ist es, die Anlagenmaximal auszulasten. So werden in Dänemark zur bes-seren Auslastung und wegen der Kostendegression beigrößeren Anlagen bevorzugt Gemeinschaftsanlagenmehrerer Landwirte gebaut.

Deponiegas fällt kontinuierlich und vorhersagbar an. Esmuss ohnehin durch ein Leitungssystem erfasst werden.Bei ordnungsgemäßer Auslegung des angeschlossenenBHKW ist daher ein wirtschaftlicher Betrieb gewährlei-stet. Klärgasanlagen sind wirtschaftlich, wenn ohnehinein Faulturm (Biogasreaktor für den Klärschlamm) vor-handen ist.

Potenziale

Holz leistet heute den mit Abstand größten Beitrag zurenergetischen Nutzung von Biomasse. Dies wird auchin Zukunft so bleiben. Im Wald fällt Restholz, welchesnicht zur stofflichen Verwertung an die Industrie ver-kauft werden kann, als dünne Stämme bei der Durch-forstung junger Bestände und als dicke Äste oder son-stige Erntereste beim Fällen von schlagreifen Bäumenan. Weiteres naturbelassenes Holz fällt als Verschnitt inSägewerken (sogenannte Nebenprodukte) und in derübrigen holzverarbeitenden Industrie an. Hiervon wirdallerdings ein großer Teil in der Papier- und Spanplat-tenindustrie stofflich verwertet, so dass nur der über-schüssige Rest energetisch genutzt werden kann. DesWeiteren stehen Holzprodukte am Ende ihrer Nut-zungsdauer als meist kontaminiertes Altholz zur Ver-fügung. Auch dieses wird teilweise noch stofflich ver-wertet. Die Grenze zwischen der stofflichen und ener-getischen Nutzung ist gleitend und von den jeweils er-zielbaren Verkaufspreisen abhängig. Werden die Mög-lichkeiten zur energetischen Nutzung von Holz voll aus-geschöpft, so ergibt sich allein daraus ein Potenzial von173 Mrd. kWh/a. Weitere Potenziale können durch dieNutzung von Stroh, durch Biogasanlagen und den ge-zielten Anbau von Energiepflanzen erschlossen werden.

60

Restholz, kostenfrei

Industrierestholz

Waldrestholz

Plantage

Industrierestholz

Waldrestholz

Plantage

Waldrestholz

Plantage

5 MWth; Sägerestholz

5 MWth; Waldrestholz

300 kWth; Waldrestholz

Stroh

Gülle, 250 GVE

Kofermentation, 3 MWgas

Gülle, 120 GVE

0 2 4 6 8 10Cent / kWh

Wirtschaftlichkeit biogener Wärmebereitstellung (frei Verbraucher)

Anlagen mit preiswerten Reststoffen und große Heizkraftwerke sind heute die günstigste Form der Wärmebereitstellung aus Biomasse;Zinssatz (real) 4 % und Abschreibung über 15 bis 20 Jahre (GVE = Großvieheinheit).

Quel le : DLR

Dampf-HKW; 3 MWel Holzeinzelheizung; 40 kWth Strohheizwerk

Biogasanlage und BHKWHolzheizwerk; 3,2 MWth Holzvergaser und BHKW

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Stroh wird als Einstreu für die Tierhaltung benötigtund muss außerdem in vielen Gegenden zur Erhaltungder Bodenqualität auf den Acker zurückgeführt wer-den. Für die energetische Nutzung verbleibt nur einAnteil von ca. 20 % des gesamten Strohaufkommens.Stroh ist ein problematischer Brennstoff und wirddaher – im Unterschied zu Dänemark – in Deutschlandheute kaum genutzt. Für eine zukünftige Nutzung bie-tet sich die kostengünstige und effiziente Mitverbren-nung in Kohlekraftwerken an.

Das größte Potenzial für die Gewinnung von Biogas istin der Landwirtschaft zu finden. Über 200.000 Anlagenallein mit Abfällen aus der Landwirtschaft könnten inDeutschland realisiert werden – verglichen mit den der-zeit ca. 1.500 Anlagen eine bedeutsame Steigerung(Grafik: Biogasanlagen in Deutschland).

Neben Rest- und Abfallstoffen bietet sich auch dergezielte Anbau von Biomasse an. Setzt man die füreinen Energiepflanzenanbau zukünftig nutzbarenFlächen – beispielsweise Anbauflächen, die zur Ver-ringerung des Nahrungsmittelüberschusses in der EUstillgelegt werden – in Deutschland mit 2 Mio. ha an(das entspricht einem Sechstel der derzeit in Deutsch-land als Ackerland genutzten Bodenfläche), so würdenetwa 94 Mrd. kWh Energie pro Jahr zur Verfügung stehen. Allerdings ist es keineswegs selbstverständlich,dass solche Flächen für den Anbau von Energiepflan-zen eingesetzt werden. Eine dringend gebotene Ex-tensivierung der Landwirtschaft wäre ebenfalls aufzusätzliche Flächen großen Ausmaßes angewiesen.

Ausgehend von den 2 Mio. ha Anbaufläche und denMöglichkeiten der Nutzung von Rest- und Abfallstoffenkönnte unter günstigen Randbedingungen insgesamt

ein Anteil von rund 9 % des derzeitigen Primärenergie-verbrauchs durch Biomasse gedeckt werden (Grafik:Potenzial biogener Brenn- und Kraftstoffe).

61

Quel le : DLR

Insgesamt 360 Mrd . kWh pro Jahr

Potenzial biogener Brenn- und Kraftstoffe

Quel le : Fachverband Biogas 2001

Biogasanlagen in Deutschland

Kleine landwirtschaftliche Biogasanlagen gibt es im Süden,größere Anlagen im Norden Deutschlands.

Biomasse kann in vielfältiger Form zur Energiegewinnung genutzt werden. Der Potenzialwert stellt eine Obergrenze dar. Die Schwankungs-breite ist gerade bei Biomasse mit Angaben zwischen 140 und etwa 400 Mrd. kWh jährlich groß.

Energiepflanzen 26 % (2 Mio. ha)

Waldrestholz 23 %

Gülle, Biomüll 14 %

Reststroh 10 %

Klär- und Deponiegas 3 %

Sonstiges Restholz 5 %

Altholz 9 %

Ungenutzter Zuwachs im Wald 10 %

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Heutige Nutzung

Nur beim Deponie- und Klärgas sowie in naher Zukunftauch beim Altholz wird mehr als die Hälfte des Poten-zials schon genutzt. Heute werden nur etwa 1 % allerWohnungen mit Holz beheizt. Insgesamt wurden 2003rund 80 Mrd. kWh Primärenergie aus Biomasse bereit-gestellt, der größte Anteil davon als Wärme aus festenBrennstoffen. Damit trägt Biomasse ca. 2,1 % zum deut-schen Primärenergiebedarf bei. Dieser Anteil ist deut-lichen Schwankungen unterworfen, da etwa jede fünfteWohnung in Deutschland neben der Zentralheizungauch über einen Kaminofen oder eine vergleichbareHolzfeuerung verfügt. Wie intensiv diese Feuerungengenutzt werden, hängt unter anderem von den Preis-sprüngen auf dem Heizölmarkt ab.

Umweltnutzen biogener Brennstoffe

Allen Nutzungsformen biogener Brennstoffe gemein-sam ist der erhebliche Beitrag zum Klima- und Ressour-censchutz. Zur Bereitstellung von Biomasse müssen nurBruchteile (Größenordnung: ein Zehntel) des Energie-gehaltes in Form von fossiler Energie aufgewendet wer-den. Das gilt sowohl für Rest- und Abfallstoffe, die ge-sammelt, transportiert und aufbereitet werden, alsauch für Energiepflanzen, bei denen zusätzlich derAnbau und die Herstellung von Betriebsstoffen (Dünge-mittel, Pestizide etc. je nach Anbauform) bilanziert wer-den müssen. Diese positive Energiebilanz schont nichtnur die Reserven der endlichen Energieträger, sondernverringert auch die klimawirksamen CO2-Emissionenerheblich, da fossile Energieträger ersetzt werden und

zugleich durch den geschlossenen CO2-Kreislauf keinetreibhauswirksamen CO2-Emissionen ausgestoßen wer-den (siehe oben). Auch unter Berücksichtigung derTreibhausgase Methan und Lachgas – letzteres wird beiangebauter Biomasse durch die Herstellung von Dünge-mitteln und durch stoffliche Vorgänge im Boden freige-setzt – bleibt die Bilanz deutlich positiv. Bei der energe-tischen Nutzung von Biogas kommt ein weiterer Klima-vorteil hinzu. Bei schlecht durchlüfteter Kompostierungvon Bioabfällen, in Mülldeponien oder Faulbehälternentsteht bei Vergärungsprozessen Methan, das vielfachunkontrolliert freigesetzt wird. Methan ist aber 21-malso klimawirksam wie CO2. Die Verbrennung diesesMethans zu CO2 in den Biogasanlagen “entschärft” alsodas Treibhausgas.

Nicht für alle Umweltprobleme ist die Umweltbilanzeindeutig positiv (Tabelle: Ökobilanz Biomasse). Beinachwachsenden Rohstoffen haben beispielsweise dieAnbauweise, der Standort und die Düngung einen großen Einfluss auf die Schadstoffemissionen.

Der Zielkonflikt zwischen der Schonung der Rohstoff-vorräte und des Klimas einerseits und einigen anderenökologischen Problembereichen andererseits kann auswissenschaftlicher Sicht allein nicht gelöst werden. Hiermüssen die Entscheidungsträger eine Gewichtung vor-nehmen. In der Politik wird dem Klimaschutz derzeiteine besonders große Bedeutung zugemessen. Hinzukommt, dass durch einen ökologisch optimierten, ex-tensivierten Anbau von Bioenergieträgern mit niedri-gem Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmittelnund durch eine weitgehende Nutzung von Reststoffendieser Zielkonflikt entschärft werden kann.

Biobrennstoffe bei Substitution von Kohle

WinterweizenChinaschilfPappel (nachwachsend)WeizenstrohFichten-Waldrestholz

Biobrennstoffe bei Substitution von Erdgas

WinterweizenChinaschilfPappel (nachwachsend)WeizenstrohFichten-Waldrestholz

Quel le : Ka l tschmitt / Re inhardt 1997

+ + — + / — —+ + — + ++ + — + ++ + + / — + ++ + + / — + +

+ + — — —+ + — — —+ + — — —+ + — — —+ + — — —

Ressourcen-verbrauch

Treibhauseffekt StratosphärischerOzonabbau

Versauerung Toxizität(Beispiel NOx)

Ökobilanz Biomasse

Umwelteinwirkungen der Biomasse-Nutzung im Vergleich zu fossilen Brennstoffen: + Vorteile des Bioenergieträgers; + / — ausgeglichen bzw. abhängig von der Bewertungsmethode; — Nachteile des Bioenergieträgers

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BIOKRAFTSTOFFE

––– Ressource: unterschiedliche Biomassen

––– Standorte: weltweit

––– Einsatzgebiete: Verbrennungsmotoren, zukünftig Brennstoffzellen

––– Kosten: teurer als fossile Kraftstoffe

––– Abbildungen: Holzvergaser, Rapsernte, Zuckerrüben- verarbeitung

Biomasse

Kraf tstoff

Aufbere i tung

Thermo- , phys ika l i sch-chemische oder b iochemische Umwandlung

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Der Verkehr braucht sehr viel Energie. Mehr als 60 Mio. t Kraftstoffe auf Basis von Erdöl wurden imJahr 2002 in Deutschland getankt, verbrannt und letz-ten Endes als Kohlendioxid in die Atmosphäre gebla-sen. Davon entfielen 85 % auf den Straßenverkehr und10 % wurden als Flugkraftstoff getankt. Insgesamt istder Verkehr der größte Energieverbraucher mitknapp 30 % in Deutschland, dicht gefolgt von Haus-halten (28 %) und Industrie (26 %).

Drei Probleme geben Anlass für Veränderungen: DieImportabhängigkeit von Erdölprodukten, die Endlich-keit fossiler Ressourcen und die Problematik desKlimawandels. Der Verkehrssektor ist wie kein andererabhängig von Rohölimporten, und Preissteigerungenbekommt der Verbraucher schmerzlich zu spüren.Aber auch das absehbare Ende des Anwachsens derMineralölproduktion könnte sich schon in den kom-menden 25 Jahren auf den Preis auswirken, und hierist ein frühes Nachdenken über das “Was wäre dann?”angebracht, denn Mobilität ist uns allen wichtig.Schließlich gibt der heute beobachtbare globale Klima-wandel Anlass zur Sorge, zu dem die CO2-Emissionenaus dem Verbrennen von Kraftstoffen ebenfalls wesent-lich beitragen.

Biokraftstoffe sind eine sehr gute Möglichkeit, Mineral-öl als Energieträger im Verkehr teilweise zu ersetzen,denn damit werden diese Probleme gemeinsam ange-gangen. Die Ausgangsstoffe können im Land produziertwerden – das Importproblem vermindert sich – und siewachsen wieder nach, sie sind also erneuerbar. Schließ-lich ist ein weiterer enormer Vorteil der Biokraftstoffeihre prinzipielle CO2-Neutralität, denn was bei ihrerVerbrennung an CO2 entsteht, haben sie zuvor beimAnbau auf dem Feld der Atmosphäre entnommen.

Eine Fülle an Möglichkeiten

Den einen Biokraftstoff gibt es nicht, sondern eine gan-ze Reihe flüssiger und gasförmiger Bioenergieträger,die im Verkehr zum Einsatz kommen können. Bei denflüssigen Biokraftstoffen sind hierzulande die Pflanzen-öle aus Raps und Sonnenblumen und die verarbeiteteForm des Rapses als Biodiesel (Rapsölmethylester) ambekanntesten. Aber auch der so genannte Bioalkohol(Ethanol) aus Zuckerrüben, Getreide, Kartoffeln etc. undMethanol aus lignocellulosehaltiger Biomasse (z.B. Holz)sind wichtige Vertreter der flüssigen Biokraftstoffe. FürBiogase gibt es ebenfalls eine ganze Reihe von Vertre-tern, wie z.B. Bio-, Klär-, und Deponiegas sowie Bio-wasserstoff und Holzgas, die mehr oder weniger fürden Einsatz im Verkehr geeignet sind. Die Ausgangs-stoffe sind ebenso vielfältig, denn sie stammen aus der

Land-, Forst- und Fischwirtschaft, aus Rest- und Abfall-stoffen oder aus thermochemischen Prozessen.

Umweltfreundlich am Steuer — mit Bioalkohol im Tank

Die Alkohole Ethanol und Methanol eignen sich sehrgut als Kraftstoffe im Verkehrsbereich; Erfahrungenwerden damit schon lange gesammelt. Nikolaus AugustOtto, nach dem der Ottomotor benannt ist, verwendetefür seine Entwicklungen Ethanol als Kraftstoff, undauch Henry Ford hatte sein berühmtes T-Modell für diesen Kraftstoff entworfen.

Reines Ethanol erfordert allerdings besondere Motoren,die z.B. in den 80er Jahren in den Fahrzeugen in Bra-silien verbreitet waren, oder die in so genannten“Flexible Fuel Vehicles” eingebaut sind. Hiervon wirdeine kleine Flotte in Schweden und in den USA betrie-ben. Es geht jedoch auch einfacher: Durch eine Zu-mischung zu Ottokraftstoff könnte Bioethanol bereitsheute mit geringem Verteilungsaufwand auf den Marktkommen. Bis zu 5 Volumenprozent sind nach DIN-Norm ohne weiteres möglich und bereiten heutigenFahrzeugen keine Probleme. Dabei kann reines Bioetha-nol verwendet werden, oder – mit einem zusätzlichenpositiven Umwelteffekt – nach einer chemischen Um-wandlung ETBE (Ethyl-Tertiär-Butyl-Ether). Dieses kannden gesundheitlich umstrittenen OktanzahlverbessererMTBE (Methyl-Tertiär-Butyl-Ether), der dem Benzin zuge-setzt ist, ersetzen, und trägt zu einer Minderung derLuftschadstoffemissionen bei. Ob ETBE im Vergleich zuMTBE das Grundwasser weniger gefährdet, ist jedochnoch ungeklärt – immerhin wurde aber deshalb MTBEinzwischen in Kalifornien und Dänemark verboten.

Die fast schon legendäre brasilianische Nur-Bioethanol-Fahrzeugflotte ist allerdings stark rückläufig. Veränder-te Marktbedingungen und eine erhöhte Nachfragenach Fahrzeugen, für die jedoch kein Bioethanol zurVerfügung stand, ließ diese Fahrzeuge vom Markt ver-schwinden. Dennoch ist Brasilien heute der weltweitgrößte Hersteller von Bioethanol, welcher jedoch nungrößtenteils mit Benzin gemischt wird. In den USA,Nummer zwei der Bioethanol-Herstellerländer, enthältebenfalls 15 % des verkauften Benzins Ethanol. In Euro-pa ist seit 2002 Spanien der größte Bioethanolherstel-ler. Hier wird das Bioethanol in ETBE umgewandeltund direkt dem Ottokraftstoff zugemischt. Ihren An-fang hatte diese Entwicklung mit einer Steuerbefreiungauf Ethanol im Jahr 1995, mit einem anschließendenkonstanten Ausbau der Produktion. Auch in Frankreichwird Bioethanol als ETBE dem Benzin beigemischt.

BIOKRAFTSTOFFE — EIN BEITRAG ZUR MOBILITÄTAUS PFLANZEN UND ABFÄLLEN

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Rohstoff Raps: Rapsöl und Diesel

Schon der Erfinder des Dieselmotors setzte auf Biokraft-stoffe für seinen Motor. “Der Gebrauch von Pflanzenölals Kraftstoff mag heute unbedeutend sein. Aber derar-tige Produkte können im Laufe der Zeit ebenso wichtigwerden wie Petroleum und diese Kohle-Teer-Produktevon heute”, schrieb Rudolf Diesel 1912 in seiner Patent-schrift. Raps-Biodiesel, RME oder auch Rapsölfettsäure-methylester genannt, ist der in Deutschland am weite-sten verbreitete Biokraftstoff – mit stark steigender Ten-denz. Der Biodiesel-Absatz stieg von 130.000 Tonnen imJahr 1999 auf 650.000 Tonnen im Jahr 2003 um dasFünffache und die Produktionskapazität wird 2003 so-gar auf ca. 1.2 Mio. t anwachsen.

Über 1.600 Tankstellen bieten bundesweit Biodiesel an,was zu einem Anteil von derzeit 1,7 % am gesamtenDieselabsatz geführt hat. Ein Grund dafür: Biodiesel istgegenüber fossilem Diesel um ca. 6 – 10 Cent pro Literbilliger! Die Befreiung von Biodiesel von der Mineral-ölsteuer ermöglicht dies und lässt eine weitere Erhö-hung des Marktanteils auf 3 bis 4 % in den nächstenJahren erwarten. Da ein Liter Biodiesel weniger Ener-gieinhalt hat als herkömmlicher Dieselkraftstoff, ver-braucht man je Kilometer allerdings etwas mehr, wasden Preisvorteil wieder teilweise kompensiert.

Biodiesel ist ein vollwertiger Dieselkraftstoff – daherkann er vom Kleinwagen bis zum 40-Tonnen-Lkwgetankt werden. Doch nicht alle Dieselfahrzeuge sindbiodieseltauglich. Man sollte sich daher beim Herstellererkundigen, ob das eigene Modell für den Biodieselbe-trieb freigegeben ist oder einen Blick in die Betriebs-anleitung werfen. Ansonsten drohen Schäden u. a. imEinspritzsystem, denn Biodiesel greift bestimmte Kunst-stoffe an, die bei den freigegebenen Fahrzeugen durchbiodieselresistenten Kunststoff ersetzt sind.

Reines Rapsöl hingegen kann in konventionellen Diesel-fahrzeugen nicht ohne weiteres eingesetzt werden, mitder Ausnahme von älteren Traktoren. Spezielle Motorensind technisch möglich, z.B. nach dem Duothermver-fahren (Elsbett-Motoren), aber im normalen Pkw ausder Großserie wird sich der Einsatz von Rapsöl kaumdurchsetzen. Ungelöste Probleme sind die Kaltstart-eigenschaften des kälteempfindlichen Öls, die Einhal-tung strengerer EURO-4-Abgasvorschriften ab 2005 undeine negative Ökobilanz im Vergleich zum Biodiesel, sodass der Einsatz auf wenige Nischenanwendungenbeschränkt bleiben wird.

Ökobilanz von Biokraftstoffen

Umwelt- und Ressourcenschonung sind wesentlicheBestandteile einer nachhaltigen Entwicklung. Dahermuss auch jeder neue Kraftstoff geprüft werden, obsein Einsatz ökologisch sinnvoll ist. Die Ökobilanz isteine Methode, um mögliche Umweltwirkungen im

Verlauf des Lebensweges eines Produktes zu erfassen.Möglichst alle wichtigen Prozesse, die mit der Her-stellung, Nutzung und Entsorgung in Verbindung ste-hen, sollen betrachtet werden. Erstellt man Ökobilan-zen der Biokraftstoffe, so sind Anbau und Aufbereitung,Verteilung und Nutzung, sowie möglicherweise entste-hende Abgase der Verbrennung wichtige Aspekte.

Auf einem Hektar Acker können pro Jahr zwischen 3 und 4 t Trockenmasse Rapssaat geerntet werden, woraus sich etwa 1.300 bis 1.700 Liter Biodiesel gewin-nen lassen. Die Fläche eines Fußballfeldes reicht alsoaus, um den Kraftstoff für eine durchschnittlicheJahresfahrleistung eines Pkws bereitzustellen. DieRapssaat wird gepresst, raffiniert – unerwünschteNebenprodukte werden entfernt – und, bei Biodiesel,noch chemisch verändert. Bei dieser Umesterung wirddas große Rapsölmolekül durch Zugabe von Methanolin jeweils drei Bruchstücke zerlegt. Dadurch entstehennicht nur dem Dieselkraftstoff ähnliche Moleküle, son-dern gleichzeitig auch der Chemierohstoff Glyzerin.

Ethanol kann hierzulande bevorzugt aus Zuckerrüben,Weizen oder Roggen gewonnen werden, wobei dieZuckerrübe den höchsten Ertrag liefert. Die Zucker-rüben werden zerkleinert und eine Zuckerlösung wirdaus den Wurzelkörpern extrahiert. Bei stärkehaltigenPflanzen muss die Stärke aus den Pflanzen gelöst undverzuckert werden. Die gewonnene zuckerhaltige Lö-sung wird dann mit Hefen vergoren. Schließlich läßtsich der energiehaltige Alkohol abtrennen. Im Jahr2000 wurden in Deutschland im Schnitt 62 t Rüben proHektar geerntet, woraus etwa 6.600 Liter Bioethanolgewonnen wurden. Betrachtet man den Energieinhaltdes geernteten Ethanols, so ist der Ertrag fast doppeltso hoch wie bei RME.

Für den Prozess der Kraftstoffherstellung werden je-doch Energie und Einsatzstoffe benötigt – und hierkommt die Ökobilanz zum Zug. Ein großer Teil desEnergiebedarfs beim Energiepflanzenanbau entfällt auf

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Kraftstoff vom Acker: Raps als Rohstoff

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die Düngemittelproduktion. Auch für die Feldarbeitmuss Energie eingesetzt werden. Bei der Produktionvon Biodiesel hat die Umesterung mit ca. 40 %, vorallem durch den hohen Methanolbedarf, den größtenAnteil am Energiebedarf. Auf die Produktion des Raps-korns entfällt ca. 30 %, und der Rest geht an die Bereit-stellung der Ernte und die Ölgewinnung.

Dennoch: Insgesamt fällt die Energie- und Klimabilanzdes Biodiesels deutlich positiv aus (Grafik: Ökobilanzeiniger Kraftstoffe). Das Ergebnis hängt allerdings da-von ab, wie die Nebenprodukte, vor allem Rapsschrotund das wertvolle Glyzerin, genutzt werden. Rapsschrotkann anstelle von Soja als Futtermittel verwendet wer-den. Glyzerin wird vor allem als Rohstoff in der Che-mie, z.B. zur Produktion von Kosmetika, eingesetzt.Wird das heute fossil hergestellte Glyzerin durch nach-wachsendes ersetzt, ergibt sich eine CO2-Gutschrift fürden Biodiesel, welche den Mehraufwand der Umeste-rung aufwiegt. Da Glyzerin bei der Rapsöl-Herstellungnicht anfällt, gewinnt der Biodiesel hier einen beacht-lichen Vorsprung. Auch für Bioethanol aus Zuckerrü-ben, Weizen und Roggen errechnet sich eine hervor-ragende Energiebilanz.

Während alle Bioenergieträger deutlich zur Schonungfossiler Ressourcen und zur Minderung von Treibhaus-gasen beitragen, gibt es durchaus auch ökologischeNachteile von Raps-Kraftstoffen (Grafik: ÖkologischeVor- und Nachteile). Zum Beispiel führt der Einsatz vonBiokraftstoffen zu einer höheren Versauerung der Bö-den und Gewässer und zu höheren Emissionen von

stickstoffhaltigen Substanzen. Wie bei der Nutzung vonBiomasse als Brennstoff (Kapitel “Biomasse als Brenn-stoff”) muss auch hier durch die Entscheidungsträgereine Abwägung bezüglich der ökologischen Bedeutungder einzelnen Vor- und Nachteile vorgenommen wer-den, wobei der Klimaschutz derzeit auf der umwelt-politischen Rangliste ganz oben steht.

Kosten

Nicht nur ökologisch müssen Bioenergieträger konkur-renzfähig sein. Auch die Kosten müssen sich mit denender fossilen Kraftstoffe vergleichen lassen. Es ist nichterstaunlich, dass derzeit Biokraftstoffe teurer sind alsherkömmliche Kraftstoffe, denn Rohöl ist praktisch ko-stenlos vorhanden, lediglich die Förder- und Transport-kosten sind aufzubringen. Bei Raps, Weizen oderZuckerrüben jedoch muss die gesamte landwirtschaftli-che Produktion finanziert werden und natürlich auchalle weiterverarbeitenden Schritte. Das kann auchdurch den Erlös aus dem Verkauf der Nebenprodukte,z.B. des als Futtermittel verkauften Rapsextraktions-schrotes und des Glyzerins bei der Biodieselproduktion,nicht mehr kompensiert werden.

Heute können die Herstellungskosten doppelt sohoch liegen wie die Kosten der konventionellen Diesel-herstellung. Erst durch eine Mineralöl- und Ökosteu-erbefreiung, beschlossen im Sommer 2002 in Deutsch-land, konnte Biodiesel auf dem Markt gegenüber demnormalen Diesel bestehen. Seit Anfang 2004 sind in

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Saatgut Düngemitte l B ioz ide Kraf tstoff

landwir tschaf t l i cher Anbau

Transpor t / Lagerung

Ölmühle Rapskuchen

Extrakt ion + Hexan

Rapsschrot

Rapsö l

Umesterung

Biod iese l (RME)Säure

NaOH

Methanol

G lyzer in

Quel le : I feu

Vom Feld zur Tankstelle: Herstellung von Biodiesel

Der Herstellungsprozess von Biodiesel

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Deutschland alle Biokraftstoffe steuerbefreit, so dassauch Bioethanol wirtschaftlich attraktiv wird. Heutewerden Biokraftstoffe also massiv gefördert – dies mussaber nicht so bleiben.

Drei voneinander unabhängige Einflussfaktoren bestim-men die Wirtschaftlichkeit in hohem Maße: die Roh-stoffkosten, die erzielbaren Preise für Nebenprodukteund der Erdölpreis. Einerseits lässt sich über die Zeitdurch Züchtungserfolge der Ertrag von Energiepflan-zen steigern und dadurch die Rohstoffkosten senken.Andererseits wird es aufgrund der begrenzten Res-sourcen in Zukunft zu einer Verteuerung des Ener-gieträgers Rohöl kommen. Beide Effekte, zusammenmit der wachsenden Erfahrung bei der Herstellung vonBiokraftstoffen, tragen dazu bei, die Kosten für dieBereitstellung von Biokraftstoffen in Zukunft zu senken.

Ein Blick in die Zukunft der Biokraftstoffe

Im Jahr 2003 hat die Europäische Kommission die Ver-wendung von Biokraftstoffen per Richtlinie europaweitgesetzlich verankert. Die Mitgliedsstaaten verpflichtetensich, in zwei Stufen für Mindestanteile an Biokraft-stoffen im Verkehrssektor zu sorgen. Zunächst sollen

2 % aller Otto- und Dieselkraftstoffe bis Ende 2005ersetzt werden, dann knapp 6 % bis Ende 2010. Die Ver-wendung von Wasserstoff und synthetischen Kraftstof-fen aus Biomasse oder auch von Derivaten wie ETBE,fällt ebenfalls darunter. Auch in Deutschland werden inZukunft Biokraftstoffe bei Benzin und Diesel hinzuge-mischt – die Mineralölindustrie hat dazu grünes Lichtgegeben.

Die Gründe für diese Förderung sind vielfältig. Einelebensfähige Landwirtschaft, ein Beitrag zur Sicherheitder Versorgung, die Generierung von Arbeitsplätzenund nicht zuletzt ein Beitrag zur Erfüllung der Ver-pflichtungen in Bezug auf die Senkung der Treibhaus-gas-Emissionen sind zu nennen.

Das Potenzial einer Bewirtschaftung der stillgelegtenFlächen wird bei 1,2 % bis 5 % des Gesamtverbrauchsan Erdölprodukten gesehen. Jedoch sind Biokraftstoffenicht unbedingt an die landwirtschaftliche Fläche ge-koppelt. Organische Abfälle wie Öle und Fette, sowieholzartige Rohstoffe können ebenfalls herangezogenwerden. Betrachtet man im Vergleich dazu das progno-stizierte Wachstum des Verkehrs in den nächsten zehnJahren von 2 %, so könnten Biokraftstoffe die Auswir-kungen des Zuwachses klimaneutral auffangen.

67

Quel le : I feu

Ressourcenverbrauch

Treibhauseffekt

Stratosphärischer Ozonabbau

Versauerung

Fotosmog

Eutrophierung

Human- und Ökotoxizität

• Einsparung fossiler Energien

• geringere Emission von Treibhausgasen

• geringere SO2-Emissionen• geringere Meeresverschmutzung –

Exploration und Transport von Rohöl werden vermieden

• geringere Verschmutzung durch Leckagen nach Unfällen

• geringere Toxizität / bessere Bioabbaubarkeit

• Verbrauch mineralischer Ressourcen

• höhere N2O-Emissionen

• stärkere Versauerung

• höheres Ozonbildungspotenzial

• höhere NOx- und NH3-Emissionen• mögliche Gefährdung der

Oberflächengewässer

• mögliche Belastung von Oberflächen-gewässern durch Pestizide

• mögliche Belastung des Grundwassers durch Nitrat

Vorteile für BioenergieträgerVergleichsparameter Nachteile für Bioenergieträger

Ökologische Vor- und Nachteile von Biokraftstoffen

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Spielraum haben die Staaten bei der Wahl der beson-ders geförderten Biokraftstoffe, denn die klimatischenBedingungen sind für den Anbau der Energiepflanzennicht allerorten gleichermaßen geeignet. In Spanienwird bevorzugt Bioethanol aus Weizen produziert mit einer Jahresproduktion 2004 von voraussichtlich430.000 t in drei Anlagen. In Frankreich werden 75 %

des Ethanols aus Zuckerrüben hergestellt, der Rest ausGetreide. In Deutschland wird Bioethanol im Kraft-stoffsektor noch nicht verwendet. Deutschland ist je-doch in Europa der führende Produzent von Biodiesel.So kann also jedes Land den für sich optimalen Wegwählen.

68

Kompaktk lasse D iese l entspr icht 100 %

Quel le : I feu 2003

RME Bioethanol aus Zuckerrüben

Ökobilanz einiger Kraftstoffe

Ökologische Vor- und Nachteile von Biokraftstoffen, dargestellt im Verhältnis zu einem Diesel Pkw der Kompaktklasse (Ethanol alsBenzinersatz; RME als Dieselersatz). Lesebeispiel: Würde man in einem Diesel Pkw der Kompaktklasse Biodiesel anstatt fossilemDiesel tanken, so verschlechtert sich zwar die Ökobilanz aufgrund der Versauerung und des Sommersmogs, aber man würde wenigerals die Hälfte an Treibhausgas-Emissionen verursachen.

Treibhaus Versauerung Sommersmog

50 %

100 %

150 %

200 %

0 %

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GEOTHERMIE

––– Ressource: Erdwärme: oberflächennah (bis 400 m) 7 bis 25°C, hydrothermal 25 bis 120°C, Hot-Dry-Rock-Systeme ab 120°C

––– Standorte: oberflächennah: praktisch überall;hydrothermal: Norddeutsches Tiefland, Oberrheintal, Region zwischen Donau und Alpenrand, Schwäbische Alb, Oberfranken; Hot-Dry-Rock-Systeme: Oberrheingraben, zukünftig fast überall möglich

––– Einsatzgebiete: Heizung und Kühlung, saisonale Kälte- und Wärmespeicherung, Eisfreihaltung, Prozesswärme, Stromerzeugung

––– Leistungsbereich: oberflächennah: Erdwärmesonde 6 bis 8 kW;hydrothermal: 1 bis 30 MW thermisch;Hot-Dry-Rock: 1 bis 50 MW elektrisch

––– Gestehungskosten: Wärme: < 2 bis 6 Cent/kWhStrom: 7 bis 15 Cent/kWh

––– Abbildungen: Hot Dry Rock, Erdsonden, hydrothermale Geothermie

Wärmeverbraucher He ißwasser 80°C

Fördersonde

2 .000 m Aqui fersch icht

Ka ltwasser

In jekt ionssonde

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Geothermie oder Erdwärme ist Wärme, die von demschmelzflüssigen Kern im Erdinneren an die Erdober-fläche dringt. Dabei werden sowohl die auf dem Wegnach oben liegenden Gesteins- und Erdschichten alsauch unterirdische Wasserreservoirs erhitzt. An man-chen Stellen dringen heißes Wasser und Dampf alsheiße Quelle oder Geysir bis an die Erdoberfläche.

Je tiefer man in das Innere der Erde vordringt, umsowärmer wird es. In Mitteleuropa nimmt die Temperaturdurchschnittlich um 3°C pro 100 m Tiefe zu. Im ober-sten Erdmantel herrschen ca. 1.300°C, im Erdkern er-reichen sie wahrscheinlich 5.000°C.

Die in der Erde gespeicherte Wärme ist nach mensch-lichen Maßstäben unerschöpflich. Aus den Tiefen unse-res Planeten steigt täglich ein Mehrfaches des weltwei-

ten Energiebedarfs auf und macht sich ungenutzt inden Weltraum davon. Der größte Teil dieses Wärme-stroms stammt vom ständigen Zerfall radioaktiver Ele-mente im Erdmantel und in der Erdkruste, ein Vor-gang, der noch Milliarden Jahre anhalten wird. DieseEnergieressource lässt sich praktisch überall nutzen.

Um die Wärme aus dem Untergrund gewinnen zu können, braucht man gewöhnlich ein Transportmittel.Das grundlegende Prinzip ist einfach:

––– Entweder ist dieses Transportmittel in Form vonDampf oder heißem Wasser bereits im Untergrund vor-handen. Dann wird es an die Oberfläche befördert, aus-gekühlt und normalerweise wieder in den Untergrundzurückgeschickt;

––– oder es muss erst z.B. Wasser in die Tiefe ge-pumpt und erhitzt wieder nach oben gebracht werden.

Die gewonnene Wärme lässt sich unmittelbar zur Be-heizung von Gebäuden oder anderer Wärmeverbrau-cher einsetzen. Attraktiv ist aber auch die Verwendungder Erdwärme zur Stromerzeugung, denn Erdwärme istrund um die Uhr verfügbar. Erdwärmekraftwerke könn-ten also einen wichtigen Beitrag zu einer Grundversor-gung mit erneuerbarem Strom gewährleisten.

Bei der geothermischen Stromerzeugung fallen großeMengen von Wärme an. Diese kann in den meistenFällen nur dann genutzt werden, wenn die Gebäude inder Umgebung über ein Nahwärmenetz beheizt wer-den. Eine stark zunehmende Verbreitung von Nah-wärmenetzen ist daher eine entscheidende Voraus-setzung für die Erschließung des großen Potenzials der Geothermie.

Es werden grundsätzlich vier Arten der Erdwärme-nutzung unterschieden:

Hot-Dry-Rock-Verfahren

Die Nutzung heißer, trockener Gesteinsschichten (Hotdry rock, HDR) in bis zu 5 km Tiefe ist eine Möglichkeitder geothermischen Strom- und Wärmeerzeugung.Um die Wärme dieser meist kristallinen Gesteine andie Erdoberfläche zu bringen, müssen sie von einemWärmeträger durchflossen werden. Würde man Was-ser ohne weitere Maßnahmen durch die Schichtenschicken, wären die Wärmeaustauschfläche und dieDurchgängigkeit viel zu gering. Daher wird zuerst eineTiefbohrung angelegt, aus der in einer so genannten“hydraulischen Stimulation” Wasser unter sehr hohem

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GEOTHERMIE — DIE ENERGIE AUS DEM INNEREN DER ERDE

Kiel

Rostock

Hamburg

Berlin

Bremen

Hannover

MünsterländerBecken

ThüringerBecken

Köln

Leipzig

Dresden

Süddeutsche Senke

Nordalpines Molassebecken

München

Norddeutsches Becken

Geothermie

Geothermie-Vorkommen in Deutschland

Quel le : GeoForschungsZentrum

Becken mit hydrothermalen Energieressourcen

Becken mit potenziellen hydrothermalen Energievorkommen

Becken ohne nachgewiesene hydrothermale Energievorkommen

Grundgebirge ohne oder unter geringer Sedimentbedeckung

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Druck und mit hohen Fließraten in das Gestein gepresstwird. Dabei werden natürlich vorhandene Risse undSpalten hydraulisch aufgeweitet und geschert bzw.neue Risse aufgebrochen und so die Durchlässigkeit desGesteins erhöht. So erhält man einen “natürlichenWärmetauscher”.

Zum Betrieb einer HDR-Anlage wird kaltes Wasser indie Tiefe der Injektionsbohrung gepumpt und übereine zweite (Produktions-) Bohrung wieder an die Ober-fläche geführt. Das in den heißen Tiefengesteinen er-hitzte Wasser kann zur Speisung von Nah- und Fern-wärmenetzen und zur Bereitstellung von Industrie-dampf genutzt werden. Besonders attraktiv ist es, ausdem bis zu 180°C heißen Dampf Strom zu erzeugen.Dazu werden sogenannte ORC-Turbinen (Organic Ran-kine Cycle, ORC) eingesetzt, die im Wesentlichen wieDampfturbinen arbeiten. Allerdings ist es bei den ver-gleichsweise geringen Temperaturen des Wärmeträgersvon 100 bis maximal etwa 180°C notwendig, anstellevon Wasser im Dampfturbinenkreislauf eine organischeFlüssigkeit mit niedrigem Siedepunkt (z.B. Ammoniak)einzusetzen. Der elektrische Wirkungsgrad dieses Zy-klus’ liegt bei etwa 8 bis 12 %.

Kristalline Gesteinsschichten gibt es in Deutschlandnahezu überall im Untergrund. 95 % des geother-mischen Potenzials kann daher der HDR-Technik zu-geordnet werden. Es ist ausreichend, um die gesamteGrundlast des deutschen Strombedarfs zu decken.

Die Ausschöpfung dieses Potenzials wird durch dieheute noch fehlende Wirtschaftlichkeit gehemmt.Allein für eine Bohrung bis 5.000 m Tiefe muss mitKosten von 4 Mio. Euro gerechnet werden. Daher wer-den Standorte bevorzugt, wo bereits in vergleichsweisegeringer Tiefe kristallines Gestein und hohe Tempera-turen angetroffen werden. Dies ist insbesondere imOberrheingraben der Fall. Insgesamt werden die In-vestitionskosten auf etwa 2.500 bis 5.000 Euro/kWgeschätzt. Die Stromgestehungskosten liegen dann – bei einer Auslastung von 8.000 Volllaststunden proJahr – bei etwa 7 bis 15 Cent/kWh.

In einem Forschungsprojekt in Soultz sous Forêts (Oberrheingraben) wurde mit dem HDR-Verfahren in 3.900 m Tiefe eine unterirdische Wärmetauscherflächevon ca. 3 km2 erschlossen. In einem 1997 durchgeführ-ten Zirkulationsversuch ergab sich eine kontinuierlichextrahierbare Leistung von 10 bis 11 MWth. Inzwischenwurden zwei Tiefbohrungen bis 5.000 m abgeteuft. Eswurden Temperaturen über 200°C angetroffen. Eineweitere Förderbohrung soll im Frühjahr 2004 fertigge-stellt sein. Ziel ist es, eine thermische Leistung von 50 MW bei einer Auslauftemperatur von 185°C zuerreichen.

In Deutschland fördert das Bundesumweltministeriumderzeit die Weiterentwicklung des HDR-Verfahrens imkristallinen Gestein des süddeutschen Bad Urachs, aber

auch im Vulkangestein der Norddeutschen Tiefebene(Groß Schönebeck, Brandenburg).

Hydrothermale Systeme mit hohem Temperatur-angebot

Unter gewissen geologischen Bedingungen kann auchheißes Wasser aus wasserführenden Schichten, denAquiferen, gefördert und zur Strom- und Wärmeer-zeugung genutzt werden. Zur Stromproduktion sollteallerdings die Temperatur 100°C überschreiten. Außer-dem müssen ausreichende Thermalwassermengen zurVerfügung stehen. In einigen europäischen Ländern,z.B. Island und Italien, finden sich solche Thermalwas-servorkommen bereits in moderaten Tiefen. In Deutsch-land muss man hingegen schon 4.000 Meter tief boh-ren, um auf ausreichende Temperaturen und Wasser-mengen zu stoßen, und das nur an ausgesuchten Stand-orten des Oberrheintalgrabens und im bayerischen Vor-alpenraum.

Das Thermalwasser wird über Bohrungen an die Erd-oberfläche gefördert und gibt hier seine Wärme aneine Dampfturbine und etwaige weitere Wärmever-braucher ab. Auch hier kommt wieder der ORC-Zykluszum Einsatz. Anschließend wird es über eine zweiteBohrung wieder in die Tiefe gebracht, um die Mengen-bilanz im Untergrund zu erhalten. Die hochminerali-sierten Thermalwässer können aus Umweltschutz-gründen meistens nicht oberirdisch entsorgt werden.

Hydrothermale Systeme mit niedrigem Temperatur-angebot

In anderen Regionen Deutschlands, vor allem im süd-deutschen Molassebecken (Malmkarst), im Oberrheintal-graben, in der Schwäbischen Alb und in Teilen dernorddeutschen Tiefebene, liegt das erschließbare Tem-peraturniveau der Tiefengewässer zwischen 40°C und100°C. Damit ist eine Nutzung zur Stromerzeugungnicht an allen Standorten möglich. Diese Erdwärmewird stattdessen zur Gebäude- und Wasserheizung, inThermalbädern und zu gewerblichen Zwecken (z.B. zurBeheizung von Gewächshäusern) genutzt. In Süd-deutschland, vor allem in der Region zwischen Donauund Alpen, kann das Thermalwasser nach dem Ab-kühlen auch als Trinkwasser verwendet werden, daunterirdisch genügend Wasser nachfließt und derMineralgehalt nur gering ist.

Die Investitionskosten einer geothermischen Heizzen-trale liegen bei Anlagen mit einer installierten Leistungzwischen 3 und 30 MW im Bereich von 400 bis 1.000 Euro/kW. Dazu kommen meist noch Kosten fürein Wärmeverteilungsnetz. Je nach Temperaturniveauund Ergiebigkeit der Quelle können die Wärmege-stehungskosten zwischen 2 und 4 Cent/kWh liegen.Dabei wird von einer Auslastung mit 2.500 bis

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3.000 Volllaststunden pro Jahr ausgegangen. Bei in-dustriellen Abnehmern mit hoher Auslastung (über 5.000 h/a) können die Wärmegestehungskosten unter 2 Cent/kWh sinken.

In Deutschland wird die hydrothermale Geothermieschon seit langem energetisch genutzt. Anfang 2003waren 34 Anlagen mit einer thermischen Leistung voninsgesamt 88 MW in Betrieb. Etwa die Hälfte dieserLeistung entfällt auf fossil beheizte Spitzenkessel, wel-che nur an kalten Wintertagen benötigt werden. Dieaus der Erdtiefe bereitgestellte Wärmemenge wird auf0,11 Mrd. kWh geschätzt.

Tiefe Erdwärmesonde

Vorhandene Tiefbohrungen, die zur Prospektion vonErdgas, Erdwärme oder möglichen Endlagerstätten an-gelegt wurden, können ebenfalls zur geothermischenEnergieerzeugung verwendet werden. 5.000 bis 7.000solcher Bohrungen soll es allein in Deutschland geben.

In die Tiefbohrungen werden sogenannte Doppelrohr-sonden bis zu 4 km tief in das Bohrloch eingeführt.Durch diese Sonden zirkuliert Wasser in einem ge-schlossenen Kreislauf. In der Tiefe wird es erwärmt; ander Erdoberfläche wird die Wärme an einen Wärme-pumpenkreislauf abgegeben (siehe Kapitel “Wärme-pumpen”).

Das technische Potenzial solcher Sonden liegt inDeutschland bei etwa 800 Mrd. kWh/a. Die hohenKosten sind derzeit noch das Hauptproblem bei der

Einführung dieser Technologie. Je nachdem, ob einBohrloch neu abgeteuft werden muss oder ein bereitsvorhandenes benutzt werden kann, liegen die Wärme-gestehungskosten zwischen 8 und 10 Cent/kWh fürRaum- und Gebäudeheizung (2.000 h/a), bzw. bei 3 bis5 Cent/kWh für industrielle Prozesswärmenutzung(5.000 h/a).

An dem Machbarkeitsnachweis für die Herstellungeiner untertägigen Verbindung von zwei Tiefbohrun-gen wird zur Zeit an der Technischen Universität Berlinim Projekt “Untersuchung eines geschlossenen geother-mischen Wärmetauschers” gearbeitet, das vom Bundes-umweltministerium im Rahmen des Zukunftsinvesti-tionsprogramms gefördert wird.

Oberflächennahe Geothermie

Auch die sogenannte oberflächennahe Geothermie, beider die Wärme der obersten Erdschichten oder desGrundwassers mit Wärmepumpen genutzt wird, zähltzur Erdwärmenutzung. Diese Technologie ist im folgen-den Kapitel “Wärmepumpen” beschrieben.

Forschung erforderlich

Um die Energiebereitstellung aus Erdwärme, insbeson-dere auch die Stromerzeugung aus Geothermie, voran-zubringen, ist eine intensive Forschung und Entwick-lung erforderlich. Vor allem die Schaffung großer wär-metauschender Flächen im Untergrund (HDR-Verfah-ren) und die Verbesserung des ORC-Verfahrens sind in

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Förderung und Nutzung von Thermalwasser

Thermalwasser

Heizkre is lauf

Thermalwasserkre is lauf

Heiznetzrücklauftemperatur: 30°CHeiznetzvorlauftemperatur: 55°C

Injektionssonde

Nutzhorizont (Sandsteinschicht)

Fördersonde

Wärmeüberträger

Injektionstemperatur: 32°C

mögliche Fördertemperatur: 80°C

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zukünftigen Vorhaben zu optimieren. Die Bohrtechnikmuss auf die Erfordernisse der Geothermie abgeglichenwerden. Auch die Bestimmung und Erfassung des Vor-kommens hydrothermaler Reservoire gilt es zu verbes-sern.

Das Bundesumweltministerium fördert im Rahmen desZukunftsinvestitionsprogramms sieben Vorhaben. Inden verschiedenen geeigneten Regionen Deutschlandssollen Anlagen zur geothermischen Stromerzeugungund Kraft-Wärme-Kopplung fortentwickelt werden.Zum Einsatz kommen – je nach Standort – die unter-schiedlichen Technologierichtungen, also das Hot-Dry-Rock-Verfahren, die Nutzung bestehender Tiefbohrun-gen und die Nutzung des heißen Wassers aus Aquiferenund Karstgebieten. Mit der Förderung des Bundes-umweltministeriums konnte im November 2003 das

erste deutsche Erdwärme-Kraftwerk in Neustadt-Glewein Betrieb genommen werden. Das mit einer OrganicRankine Cycle (ORC) Turbine ausgerüstete Kraftwerkhat eine Leistung von 210 kW. Zur Stromerzeugungwird 97°C warmes Thermalwasser aus einer Tiefe von2.200 Metern genutzt. Das seit 1995 erfolgreich laufen-de geothermische Heizwerk Neustadt-Glewe liefert jähr-lich rund 16.000 MWh Wärme. Da in den Sommermo-naten kaum geheizt wird, blieb ein Großteil der gewon-nen Energie ungenutzt. Mit dem neuen Kraftwerk kannaus dieser Energie zusätzlicher Strom gewonnen wer-den. Es wird erwartet, dass mit einer jährlichen Strom-produktion von 1.400 bis 1.600 MWh der Jahresstrom-bedarf von rund 500 Haushalten gedeckt werden kann.Neben der Stromerzeugung wird die Anlage in Neu-stadt-Glewe vor allem auch als Erfahrungsträger fürkünftige Anlagenentwicklungen dienen.

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WÄRMEPUMPEN

––– Ressource: Umweltwärme aus Erdreich, Wasser und Luft

––– Standorte: weltweit

––– Einsatzgebiete: Warmwasser, Heizung

––– Leistungsbereich: 1 kW bis 1 MW

––– Gestehungskosten: 5 bis 10 Cent/kWh

––– Abbildungen: Erdreich, Wasser und Luft als Wärme- quellen

Heizkörper

Wärmeque l le

Drosse l

Hochdruck

Niederdruck

Verd ichter Kondensator

Verdampfer

n iedr ige Temperatur

hohe Temperatur

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Die Nutzung der Umgebungswärme mit Hilfe von Wär-mepumpen unterscheidet sich in einem Punkt wesent-lich von anderen erneuerbaren Energien. Die Wärme-pumpe braucht nämlich zum Antrieb einen erheb-lichen Anteil an Fremdenergie. Je nach äußeren Bedin-gungen kann diese ein Viertel bis die Hälfte der Ener-gie ausmachen, die als Wärme genutzt wird. Man ord-net daher diese Technologie auch dem Bereich derrationellen Energienutzung zu, sieht Wärmepumpenalso eher in einer Reihe z.B. mit sparsamen Heizkes-seln.

Aber auch zu diesen Techniken besteht ein wesent-licher Unterschied: Denn Wärmepumpen nutzen nichtnur die ihnen zum Antrieb zugeführte Energie, son-dern zusätzlich auch Energie aus der Umgebung.Entscheidend ist, ob der erneuerbare Anteil überwiegt.Also Wärmepumpen – ein Zwitter zwischen sparsa-mem, konventionellem Energieeinsatz und erneuer-baren Energien!

Energie ist nicht gleich Energie

Nach dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik kannEnergie nicht verloren gehen. Allerdings wird Energiejedes Mal entwertet, wenn sie von einer Form in eineandere überführt wird. Heizen wir ein Haus, so wirddie chemisch gebundene Energie des Brennstoffes beider Verbrennung zuerst in eine heiße Flamme umge-wandelt, damit das Wasser in den Heizkörpern erhitzt,die wiederum die Raumtemperatur anheben. Schließ-lich entweicht die Raumwärme nach außen. Energie istdabei nicht verloren gegangen, nur das Temperaturni-veau der Energie ist immer weiter gesunken. Wärme-pumpen drehen diesen Prozess um, sie “pumpen” dieauf niedrigem Temperaturniveau vorliegende Umge-bungsenergie unter Einsatz zusätzlicher Energie auf einhöheres Temperaturniveau, das zum Heizen ausreicht.

Prinzip der Wärmepumpe

Eine Flüssigkeit, z.B. ein herkömmliches Kältemitteloder Propan, wird in einem geschlossenen Kreislaufmit unterschiedlichen Drücken geführt. Bei niedrigemDruck nimmt diese Flüssigkeit, das sogenannte Arbeits-medium, im Verdampfer die Wärme aus der Umge-bung auf. Dann wird sie mit einer Pumpe (Verdichter)auf ein höheres Druck- und Temperaturniveau ge-bracht. Im Kondensator gibt das Arbeitsmedium dieWärme an einen Heizkreislauf ab und kühlt sich dabeiab. Ein Drosselventil senkt den Druck, die Temperaturfällt weiter ab, das Arbeitsmedium kann dann wiederdem Verdampfer zugeführt werden. Beim Kühlschrank

kommt das gleiche Prinzip zur Anwendung, nur dassan die Stelle der Wärmequelle das Kühlfach und an dieStelle des Heizkörpers der Wärmetauscher tritt, welchersich beim Kühlschrank auf der Rückseite findet.

Es gibt verschiedene technische Ausführungen vonWärmepumpen. Am weitesten verbreitet sind so ge-nannte Kompressionswärmepumpen. Die Verdichtersind häufig als Kolbenmaschinen ausgeführt, danebenkommen auch Rollkolben- und Schraubenverdichterzum Einsatz, die für eine Drehzahlregelung gut geeig-net sind. Kleinwärmepumpen zur Brauchwassererwär-mung und Heizung von Einfamilienhäusern werdenmeist von Elektromotoren angetrieben, größere Anla-gen auch von Gasmotoren. Diese Gasmotoren, die kon-ventionellen Verbrennungsmotoren gleichen, habenden Vorteil eines hohen primärenergetischen Wir-kungsgrades, außerdem kann mit dem Kühlwasser desMotors die Heizungstemperatur weiter angehoben wer-den. Allerdings sind die spezifischen Investitionskostenwie auch der Betriebs- und Wartungsaufwand gemein-hin höher. An der Entwicklung von gasmotorisch be-triebenen Wärmepumpen kleiner Leistung wird gear-beitet. Auch elektromotorisch angetriebene Wärme-pumpen werden weiter verbessert, um sie vor allemgünstiger an den tatsächlichen momentanen Heizungs-bedarf und die momentanen Temperaturen der Wär-mequelle anpassen zu können und so eine höhere Ef-fizienz zu erreichen. Generell können die heute aufdem Markt befindlichen Geräte als technisch ausgereiftgelten.

Von Kompressionswärmepumpen sind Absorptions-wärmepumpen zu unterscheiden. Bei ihnen ist dermechanische Kompressor durch einen thermischenVerdichter, der mit einem Zweistoff-Gemisch arbeitet,ersetzt. Die Absorptionswärmepumpe kann von jederArt thermischer Energie mit ausreichend hohem Tem-peraturniveau betrieben werden, also z.B. mit Heizöl,Erdgas oder auch Biobrennstoffen. Sie zeichnet sichdurch einen wartungsarmen Betrieb aus, da außereiner kleinen Lösungsmittelpumpe keine beweglichenTeile vorhanden sind. Absorptionswärmepumpen wer-den häufig in der Industrie zur Nutzung von Abwärmeeingesetzt.

Im Jahr 2004 wird die Markteinführung einer kleinengasgetriebenen Wärmepumpe erwartet, welche sichmit einer Heizleistung von nur 3,6 kW auch für denEinsatz in Niedrigenergiehäusern eignet. Ein höhererLeistungsbedarf im Winter oder für Warmwasser wirddurch einen in das Gerät integrierten Brennwertkesselbereitgestellt.

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DIE WÄRMEPUMPE — EIN ZWITTER

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In Luft, Erde und Wasser stecken noch ungenutzteEnergien

Wärmepumpen können in unterschiedlicher Form dieUmgebungswärme anzapfen. Für die Erzeugung vonWarmwasser wird meist die Energie der Umgebungs-luft genutzt. Vorteilhaft hierbei ist, dass Luft überallund jederzeit verfügbar ist. Nachteilig ist, dass die Um-gebungsluft immer dann am kältesten ist, wenn derWärmebedarf am höchsten ist, nämlich im Winter.Und das mindert den Ertrag der Wärmepumpe. Dennje größer die Temperaturunterschiede zwischen Wär-mequelle, hier also Luft, und der Nutzwärme, umsomehr Energie ist bei gleichem Ergebnis zum Antriebder Pumpe notwendig.

Energetisch günstiger ist daher z.B. das Erdreich alsWärmequelle. In 1 bis 2 m Bodentiefe sinken die Tem-peraturen auch im Winter in der Regel nicht unter 5°C. Mit im Erdreich verlegten Rohren, die von einerSole durchflossen werden, kann die Energie aufgenom-men und der Wärmepumpe zugeführt werden. DerTemperaturhub der Wärmepumpe kann so übers Jahrrelativ konstant gehalten werden, der Energieeinsatzbleibt niedrig. Allerdings sind die Erdkollektoren, sowerden die im Erdreich verlegten Rohre genannt, im

Vergleich zur Nutzung der Luft teurer. Bei horizontalverlegten Erdkollektoren beträgt der Flächenbedarf dasein- bis anderthalbfache der zu beheizenden Woh-nungsfläche (Abbildung: Erdkollektor). Dazu kann derein Haus umgebende Garten dienen, der nach Ver-legung des Kollektors wieder normal genutzt werdenkann. Ist diese Fläche für die Beheizung nicht ausrei-chend, was angesichts der heutigen Grundstücksgrößenbei Neubauten häufig der Fall ist, so können die Kollek-toren auch vertikal als Erdsonden verlegt werden. Zudiesem Zweck werden bis zu 150 m tiefe Löcher in dasErdreich gebohrt, in die dann die Rohre mit der Soleverbracht werden. Der entscheidende Nachteil: Die Erd-sonden sind noch teurer als die horizontal verlegtenErdkollektoren, außerdem ist eine wasserrechtliche Ge-nehmigung von den Behörden einzuholen. Die so ge-nutzte Energie des Erdreiches stammt – auch bei denErdsonden – weitgehend aus der Umgebung, also vonder Sonne. In Werne-Fürstenhof (NRW) soll jedes der120 Gebäude einer Neubausiedlung mit einer Erdsondeund zugehöriger Wärmepumpe ausgestattet werden.70 der Anlagen sind bereits fertig gestellt.

Eine andere mögliche Wärmequelle stellt Grundwas-ser dar. Die Temperatur von Grundwasser schwanktüber das Jahr nur wenig, meist liegt sie im Bereich zwi-schen 8 und 15°C. Allerdings besteht häufig nicht dieMöglichkeit, Grundwasser als Wärmequelle zu nutzen,außerdem behandeln die zuständigen Behörden die Er-teilung der erforderlichen wasserrechtlichen Geneh-migungen restriktiv, da der Schutz des Grundwassersein hohes Gut darstellt. Auch das Wasser vom Meer,von Seen und Flüssen ist, soweit zugänglich, als Wär-mequelle für Wärmepumpen sehr gut geeignet. Auchhier ist eine behördliche Erlaubnis einzuholen, die inden meisten Fällen erteilt wird, da eine Abkühlung derwärmebelasteten Oberflächenwässer vom ökologischenStandpunkt durchaus wünschenswert ist. Schließlichkann auch künstlichen Wärmequellen wie etwa Ab-wasser und Abluft die Energie entzogen werden. Da dieEnergie hier meist schon auf einem hohen Temperatur-niveau liegt, ist der Einsatz von Wärmepumpen sehrgünstig. Aufgrund des gegenwärtig niedrigen Energie-preisniveaus und der von der Industrie geforderten kur-zen Amortisationsdauer von Investitionen unterbleibtdie Nutzung der Abwärme in der Industrie aber häufig.

Monovalent — bivalent — monoenergetisch?

Um die Investitionskosten niedrig zu halten, deckenWärmepumpen nur in seltenen Fällen den Wärme-bedarf vollständig ab. Sie sind üblicherweise auf 30 bis50 % der maximal erforderlichen Heizleistung ausge-legt. Die Wärmepumpe muss dann “bivalent” betrie-ben, d.h. durch einen konventionellen Wärmeerzeugerergänzt werden. Wird diese Zusatzheizung mit demgleichen Energieträger betrieben, z.B. bei Ergänzungeiner Elektro-Wärmepumpe durch eine zusätzlicheElektro-Direktheizung, so nennt man diese Betriebsart

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Verlegung eines Erdkollektors

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“monoenergetisch”. Ist die Wärmepumpe die einzigeWärmequelle, so heißt die Anlage “monovalent”. DieseAnlagen haben den Vorteil, dass nur eine Technik imHeizungskeller installiert werden muss und der Schorn-stein entfallen kann. Erdgekoppelte Wärmepumpenwerden heute häufig monovalent ausgeführt. BeiNeubauten mit sehr guten Wärmedämmstandards können sie eine durchaus wirtschaftliche Alternativedarstellen.

Soll die bereitgestellte Wärme zu Heizzwecken verwen-det werden, so sind niedrige Vorlauftemperaturen imHeizungssystem vorteilhaft, da ein niedriger Tempera-turunterschied wichtig für einen effizienten Betrieb derAnlage ist. Kann die Vorlauftemperatur um ein Gradabgesenkt werden, so benötigt die Wärmepumpe be-reits 1 % weniger Antriebsenergie. Gut geeignet sinddeshalb Fußboden- und Wandheizungen. Auch Warm-luftheizungen benötigen nur niedrige Vorlauftempera-turen und werden möglicherweise in Zukunft zusam-men mit dem verstärkten Einsatz von kontrollierterWohnungsbelüftung größere Verbreitung finden.

Kosten und Potenziale

Elektrisch betriebene Wärmepumpen für den im Ein-familienhaus relevanten Leistungsbereich, werden zuspezifischen Investitionskosten von 500 bis 1.000 Euroje kW Heizleistung angeboten. Soweit es sich nicht umAnlagen handelt, die Luft als Wärmequelle nutzen,sind noch die Kosten für Kollektor und Erdarbeiten zuberücksichtigen, die je nach Gegebenheiten mit 250 bis500 Euro je kW Heizleistung anzusetzen sind. Typi-scherweise belaufen sich damit die Gesamtinvestitions-kosten für eine Wärmepumpenanlage in einem Ein-familienhaus auf 7.500 bis 15.000 Euro. Wie hoch diedaraus resultierenden Wärmekosten sind, hängt sehrstark davon ab, inwieweit der örtliche StromversorgerSondertarife für elektrische Wärmepumpen anbietet.Die spezifischen Kosten je Kilowattstunde Wärme be-wegen sich in der Größenordnung zwischen 6 und 10 Cent/kWh. Hinzu kommen können noch Kosten für bauseitige Maßnahmen zur Absenkung der Vor-lauftemperatur.

Es ist schwierig, das technische Potenzial der Nutzungder Umgebungswärme zu ermitteln. Schätzungen ge-hen davon aus, dass 14 bis 16 % des derzeitigen Bedarfsfür Raumwärme und Warmwasser in Deutschland be-reitgestellt werden könnten. Ende 2001 waren ca.60.000 fast ausschließlich elektrisch angetriebene An-lagen in Deutschland installiert, davon 40 % für dieErwärmung von Warmwasser. Nach einem Boom An-fang der achtziger Jahre, als aufgrund hoher Ölpreiseder Betrieb von Wärmepumpen wirtschaftlich erschien,ging die Nachfrage stark zurück. Seit Anfang der neun-ziger Jahre hat jedoch eine Erholung der Nachfrageeingesetzt, nicht zuletzt unterstützt durch die verstärk-ten Vermarktungsanstrengungen von Elektrizitätsver-

sorgungsunternehmen. Im Jahr 2001 wurden 8.215elektrisch angetriebene Heizungswärmepumpen neuinstalliert und weitere 4.287 für die Erzeugung vonWarmwasser. Die durch Wärmepumpen nutzbargemachte Umgebungswärme wird auf 1,4 Mrd. kWhgeschätzt.

Wärmepumpen — Teil einer nachhaltigen Energie-versorgung?

Zum Betrieb der Wärmepumpe muss ein beachtlicherTeil von Fremdenergie eingesetzt werden. Deshalb ist esfür ihre energetische Bewertung wichtig, das Verhältnisvon eingesetzter Energie zum Nutzenergieertrag zu er-mitteln und dabei die gesamte Kette von der Energie-quelle über die Energieaufbereitung bis zur Nutzung inder Wärmepumpe zu betrachten. Wird Strom alsFremdenergie eingesetzt, so ist es wegen der Verlusteder Stromerzeugung (derzeit rund zwei Drittel der ein-gesetzten Primärenergie) erforderlich, mit der einge-setzten Antriebsenergie mindestens den dreifachenWärmeertrag zu liefern, wenn der Einsatz fossiler odernuklearer Energie kleiner sein soll als die im Gebäudebereit gestellte Wärmemenge. Dieses als Arbeitszahlbezeichnete Verhältnis bestimmt also, ob in der Ge-samtbilanz überhaupt erneuerbare Energie genutztwird. Für Strom muss sie über den Jahresdurchschnittetwa größer als Drei sein. Da die Verluste in der Gas-versorgung geringer als in der Stromversorgung sind,insbesondere die Verluste in den Kraftwerken entfallen,beträgt die notwendige Jahresarbeitszahl bei gasmotor-betriebenen Wärmepumpen, um von erneuerbarenEnergien sprechen zu können, nur 1,1 (Grafik: Energie-flüsse und Nutzungsgrade der Wärmepumpensysteme).

Hinsichtlich der Schadstoff-Emissionen – beispielsweiseStickoxide oder Kohlenmonoxid, nicht aber Kohlen-dioxid (CO2), dessen Emission nur von den eingesetztenEnergieträgern und den Wirkungsgraden der Umwand-lung abhängt – können elektrisch betriebene Wärme-

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Anlegen vertikaler Bohrlöcher für Wärmesonden

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pumpen gegenüber konventionellen Heizkesseln, insbe-sondere Ölkesseln, auch schon bei niedrigeren Jahres-arbeitszahlen Vorteile bieten, da der bundesdeutscheKraftwerkspark dank effizienter Schadstoffrückhalte-maßnahmen niedrige spezifische Emissionen aufweist.Der verstärkte Einsatz von elektrischem Strom im Wär-mebereich ist allerdings angesichts des Atomausstiegs

und einer derzeit überwiegend auf fossilen Energie-trägern basierenden Stromversorgung energiepolitischproblematisch. Mit zunehmendem Anteil von erneuer-baren Energien und Kraft-Wärme-Kopplung an der zu-künftigen Stromerzeugung wird auch aus ökologischerSicht die elektrische Wärmepumpe zunehmend interes-santer.

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Quel le : DLR

112 103

Gasheizkessel

100

Gasverluste: – 9 Abwärme: – 3

7826 24

Wärmepumpe

7676

Verluste Kraftwerk und Stromnetz: – 52

Umweltwärme

Abwärme: – 2

Elektro-Wärmepumpe

Gasmotor-Wärmepumpe

100

66 61 3419

19

Gasmotor

Wärmepumpe

4747

Gasverluste: – 5Abwärme: – 8

100

Gas-Brennwertkessel

Energieflüsse und Nutzungsgrade der Wärmepumpensysteme

Energieflüsse und Nutzungsgrade verschiedener Wärmesysteme im Vergleich mit einem Gas-Brennwertkessel: In den Berechnungen wirdvon einer Elektro-Wärmepumpe mit einer Jahresarbeitszahl von rund 4 ausgegangen.

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WASSERSTOFF UND ERNEUERBARE ENERGIEN

––– Ressource: fossile Primärenergien durch Vergasung und Reformierung, erneuerbare Energien durch Wasserspaltung mittels Elektrolyse (längerfristig auch andere, direkte Ver-fahren möglich)

––– Standorte: großräumig überall mit Verteilungsinfra- struktur; in Inselsystemen als Puffer

––– Einsatzgebiete: wie andere chemische Energieträger; zusätzlich als Speichermedium

––– Leistungsbereich: 1 kW bis 50 MW (thermisch)

––– Kosten: gekoppelt an Kosten der Primärenergie: aus Erdgas ca. 4 Cent/kWh; aus Biomasse ca. 9 – 13 Cent/kWh; aus kostengünstiger Wasserkraft (Elektro-lyse) ca. 8 – 10 Cent/kWh

––– Abbildungen: Wasserspaltung mit Elektrolyse, MCFC-Hochtemperatur-Brennstoff-Zelle, Wasserstoff-Tankstelle

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Wasserstoff aus Sonnenenergie und Wasser: Diese ver-lockende Vision hatte schon Jules Verne 1874 formu-liert. “Ich glaube, dass eines Tages Wasserstoff undSauerstoff, allein oder zusammen verwendet, eine uner-schöpfliche Quelle von Wärme und Licht bilden wer-den”, prognostiziert ein cleverer Ingenieur in VernesRobinsonade “Die geheimnisvolle Insel”. Seit dieser Zeitsind zahlreiche Konzepte einer “Wasserstoffwirtschaft”entworfen worden, meistens auf der Basis erneuerbarerEnergien. Bei vielen dieser Vorschläge entstand jedochder Eindruck, dass Wasserstoff der zentrale Problem-löser sowohl für die Versorgungsengpässe der Energie-versorgung (begrenzte fossile Vorräte) als auch für dieEntsorgungsengpässe (CO2-Emissionen und Treibhaus-effekt) sei und man zahlreiche Zwischenschritte undEntwicklungsstufen einer sich ändernden Energiewirt-schaft überspringen könne.

In den meisten aktuelleren Untersuchungen wirdjedoch eine sehr differenzierte, sich über Jahrzehnteerstreckende Entwicklung vorausgesetzt und zahlreicheVoraussetzungen wurden inzwischen formuliert, dieerfüllt sein müssen, damit überhaupt ein Einstieg ineine umfangreichere Wasserstoffnutzung sinnvoll ist.Heute erlebt Wasserstoff, das leichteste Element, eineerneute Renaissance. Sie hängt vor allem mit dreiEntwicklungen zusammen:

––– Erneuerbare Energien werden inzwischen als zen-trale zukünftige Energieoption ernst genommen. Ihreorts- bzw. zeitgebundene Energieerzeugung in Formvon Strom und Nutzwärme bedürfen einer Anpassungan die Erfordernisse der Energienutzer. Daraus wird

gefolgert, dass mit ihrer Ausweitung auch eine schnelleEinführung von Wasserstoff verknüpft sei.

––– Der Verkehrssektor ist praktisch vollständig vonder knappsten fossilen Ressource, dem Mineralöl, ab-hängig. Benzin, Diesel und Kerosin werden von Jahr zuJahr zunehmend nachgefragt. Vor allem Wasserstoffwird als möglicher neuer Kraftstoff vorgeschlagen, der,hergestellt aus anderen Energieressourcen, diesen welt-weit steigenden Bedarf befriedigen soll.

––– Der dritte Grund für die Renaissance des Wasser-stoffs ist der Brennstoffzelle zu verdanken: Dieser inno-vative und sehr effiziente Energiewandler wandelt Was-serstoff und Sauerstoff unter Abgabe elektrischer undthermischer Energie in Wasser ohne dabei alle sonsti-gen bei herkömmlichen Kraftstoffen und Motoren auf-tretenden Schadstoffe zu produzieren. Damit erscheinteine ideale Symbiose zwischen Strom und Wasserstoffmöglich.

Lediglich der erste Grund hat etwas mit erneuerbarenEnergien zu tun und kann damit das äußerst positiveImage, das die Begriffe “Wasserstoff” und “Wasserstoff-wirtschaft” besitzen, für sich zu Recht in Anspruch neh-men. In den beiden anderen Fällen verbirgt sich viel-fach dahinter die Vorstellung, Kohle als reichlich ver-fügbare fossile Energiequelle in Form von “clean coal”für die harten Zeiten drastisch erforderlicher Klimagas-reduktionen zu rüsten oder auf diesem Umweg derKernenergie zu einem Einstieg in die Energieversor-gung in Form eines emissionsfreien Kraft- und Brenn-stoffs zu verhelfen.

80

WASSERSTOFF — DER POSITIVE IMAGETRÄGER

Verfahren zur Herstellung von Wasserstoff aus erneuerbaren und erschöpflichen Primärenergiequellen

Prinzipien der Wasserstofferzeugung

Erdgas Kohle Biomasse Regenerativer Strom

H2O

CO2

O2Reformierung — Vergasung

Synthesegas (CO, H2, CO2, H20)

CO-Konvertierung, Reinigung (CO2-Abscheidung)

H2

Strom, Wärme, Kraftstoff

H2

Kraftstoff, Fluktuationsausgleich

Elektrolyse H2O

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Der Prozess macht die Bilanz

Nutzen und Sinnhaftigkeit einer Wasserstoffwirtschafthängen in erster Linie davon ab, woher der Wasserstoffkommt. Dessen kostengünstige und umweltfreundlicheHerstellung ist das Schlüsselproblem. Zwar ist Wasser-stoff im Universum das häufigste Element und nichtzuletzt der Brennstoff unserer Sonne. Da er jedoch soreaktionsfreudig ist, gibt es ihn auf der Erde nur ingebundener Form: beispielsweise in Wasser, in Kohle-hydraten, in Biomasse oder Erdgas. Wasserstoff mussalso unter Einsatz von Energie zunächst abgetrenntwerden. Damit ist Wasserstoff nur so sauber, wie derProzess, mit dem er hergestellt wird.

Wasserstoff, der seit langem als chemischer Rohstoff inder Kunststoffherstellung, der Glas-, Düngemittel- undElektronikindustrie und in den Raffinerien zur Ent-schwefelung des Benzins eingesetzt wird, stammt heutezu 80 % aus Mineralöl und Erdgas. 15 % kommen ausder Kohlevergasung und 5 % aus Elektrolyseverfahren.Für den Schritt von Kohlenwasserstoffen zum Wasser-stoff benötigt man einen Reformer, in dem diese mitWasserdampf gemischt und in Wasserstoff und andereKomponenten aufgespalten werden. Bei diesem Schrittwird einerseits Energie benötigt, zum anderen wirdzwangsläufig auch das Treibhausgas Kohlendioxid frei-gesetzt. Als Resultat sind die spezifischen Treibhausgas-Emissionen fossil hergestellten Wasserstoffs immerhöher als die des Ausgangsprodukts (Grafik: Treibhaus-gas-Emissionen fossiler Energieträger). Solange alsonicht besonders effiziente Energiewandler diesen Nach-teil wieder wett machen – was für die erdgasversorgteBrennstoffzelle in vielen Einsatzfällen gilt – ist derEinsatz fossil erzeugten Wasserstoffs nicht sinnvoll.

Da die Emissionen allerdings am Ort der Herstellunganfallen und nicht wie bei Öl oder Gas vorwiegendwährend der Nutzung, kann das abgetrennte Kohlen-dioxid theoretisch “entsorgt”, d.h. in flüssiger oder gas-förmiger Form abtransportiert und in sicheren unterir-dischen Hohlräumen, z.B. leergeförderten Erdgasfel-dern oder in Aquiferen (Glossar) für lange Zeiträumegespeichert werden. Darauf setzt man bei der Kohlemit ihren besonders hohen CO2-Emissionen. Allerdingssind dazu noch zahlreiche offene Fragen zu klären undzunächst erst Pilot- und Demonstrationsversuche durch-zuführen. Auch sind die Speichermöglichkeiten be-grenzt, so dass nur eine bestimmte Menge Kohlendi-oxid dem Kohlenstoffkreislauf entzogen werden kann.Sicher ist lediglich, dass sich der so gewonnene, kohlen-dioxidfreie Wasserstoff mit ungefähr 12 – 13 Cent/kWhdeutlich verteuern wird gegenüber dem heute relativkostengünstigen Wasserstoff aus Erdgas mit etwa 4 Cent/kWh. Mittels Elektrolyse aus regenerativemStrom erzeugter Wasserstoff, der heute ebenfalls nochrelativ teuer ist, dürfte auf Grund von Kostendegressio-nen also mittelfristig weniger kosten als “clean coal”-Wasserstoff und ist zudem unbegrenzt verfügbar (Gra-fik: Kosten der Wasserstoffbereitstellung). Mittel- undlangfristig ist daher nur eine Wasserstoffwirtschaft aufBasis erneuerbarer Energien sinnvoll.

Die optimale Strategie

Die Besonderheit einer Energieversorgung mit erneuer-baren Energien besteht darin, dass die nutzbare Ener-gie – sieht man von Biomasse ab – zunächst “nur”hauptsächlich als Strom und im Falle von Solarstrah-lung und Geothermie als Wärme unterschiedlicher

81

Fossile Energieträger:

Benzin

Diesel / Heizöl

Erdgas

Fossiler Wasserstoff:

GH2 / Erdgas

GH2 / Schweröl

GH2 / Kohle

Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen:

GH2 / Restholz

GH2 / EE

0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 g CO 2-Äqu iv. kWhTre ibhausgas-Emiss ionen

Treibhausgas-Emissionen fossiler Energieträger

Treibhausgas-Emissionen fossiler Energieträger im Vergleich zu daraus hergestelltem Wasserstoff und von Wasserstoff aus Biomasse undStrom aus erneuerbaren Energiequellen (EE) in CO2-Aquivalenten je kWh einschließlich aller Aufwendungen für Gewinnung, Transport nachDeutschland und Kompression der gasförmigen Energieträger

Quel le : DLR

Nutzung Herstellung Energieart, Prozessführung

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Temperatur bereitsteht. Energie in chemischer Formmuss bei Bedarf erst in einem zweiten Wandlungs-schritt bereitgestellt werden. Die heute übliche Wand-lungskette von chemischer Energie (Kohle und Kohlen-wasserstoffe) zu Strom wird also umgedreht, was erheb-liche Konsequenzen für die Endenergiestruktur habenwird. Wasserstoff hat bei der Ausweitung des Versor-

gungsbeitrags erneuerbarer Energien aus mehrerenGründen gegenüber anderen chemischen Energie-trägern (Methanol u.ä.) wesentliche Vorteile:

––– Es wird ein Energieträger benötigt, der relativeinfach aus elektrischer Energie hergestellt werdenkann, da diese längerfristig die Hauptenergieart einer

82

H 2-Kosten , Cent/kWh

Foss i ler Wasserstoff Regenerat iver Wasserstoff Regenerat iver Wasserstoff

Erdg

as

Quel le : DLR

H 2, E

rdga

s

H 2, K

ohle

Wasse

r

Biomas

se

Wind, O

ffsho

re

SKW, Im

port

Biomas

se

Wind, O

ffsho

re

SKW, Im

port

Kosten der Wasserstoffbereitstellung

Kosten der Wasserstoffbereitstellung aus fossilen und erneuerbaren Energiequellen bei Großverbrauchern. Erdgas ist als Energieträgermit rund 2 Cent/kWh heute unschlagbar kostengünstig. Zukünftig dürfte dagegen erneuerbarer Wasserstoff mit 7 bis 10 Cent/kWh derkostengünstigste kohlendioxidfreie Brenn- und Kraftstoff sein (SKW = Solarthermische Kraftwerke).

Abschätzung mit CO2-Rückhaltung

Herstellung in naher Zukunft

Bandbreite

Herstellung in naher Zukunft

Bandbreite

Herstellung nach 2020

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 CO 2-Redukt ion , bezogen auf 1990, in %

Quel le : UBA 2002

Anteile von Wasserstoff am Endenergieverbrauch in Abhängigkeit der angestrebten Reduktion von CO2 in der EnergieversorgungDeutschlands auf der Basis von Untersuchungen seit 1989

Anteile von Wasserstoff am Endenergieverbrauch

Untersuchungen 1989 – 1998

Szenario Maximal

Szenario Nachhaltigkeit

0

5

10

15

20

25

30

35

Ante i l am Endenerg ieverbrauch in %

20

15

10

5

0

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intensiven Nutzung erneuerbarer Energien sein wirdund in technisch sehr großen Mengen kostengünstigbereitgestellt werden kann.

––– Steigt der Anteil erneuerbarer Energien an derStromversorgung deutlich über 50 %, sind die üblichenMethoden des Lastmanagements ausgeschöpft. Die zu-sätzlichen Strommengen sollten daher verhältnismäßigleicht und in flexibler Form, d.h. in sehr unterschied-lichen Leistungen bei möglichst großer Effizienz dezen-tral und zentral in einen speicherbaren Energieträgerumgewandelt werden können.

––– Der Energieträger muss multifunktional nutzbarsein, d.h. sowohl im Wärmebereich (Mittel- und Hoch-temperaturbereich) wie auch als Kraftstoff eingesetztwerden können. Außerdem soll sein breiter Einsatz infortschrittlichen Kraft-Wärme-Kopplungstechniken(Brennstoffzellen) in effizienter Weise möglich sein.

––– Transport und Verteilung des Energieträgers soll-ten auf vorhandenen Infrastrukturen aufbauen können.Er muss zudem saisonal speicherbar sein.

Diese Eigenschaften treffen nur auf Wasserstoff auserneuerbaren Energien zu. Er ist prinzipiell in derLage, die durch die Angebotsstruktur der erneuerbarenEnergien gesetzten Grenzen zu überwinden und allenEnergienutzern zu jeder Zeit eine gesicherte Energie-versorgung zu gewährleisten. Als weiterer Vorteilkommt hinzu, dass ein gleichfalls gasförmiger Energie-träger, nämlich Erdgas, derzeit an Bedeutung gewinnt.Die gegenwärtige Ausweitung seines Anteils – die aller-dings aus Ressourcengründen mittelfristig zu begren-zen ist – ist kompatibel mit einem gleichzeitig verstärk-ten Ausbau der erneuerbaren Energien. Erdgas ist so-mit die geeignete fossile “Übergangsenergie” bei einerTransformation des Energiesystems in Richtung erneu-erbare Energien und Wasserstoff. Dies gilt insbesondereauch für die Infrastrukturproblematik, die häufig einenlimitierenden Faktor für die Einführung neuer Energie-träger darstellt. Die Erdgasinfrastruktur kann in nahezuidealer Weise über die anteilige Einspeisung von Was-serstoff neben dem Aufbau und der späteren Vernet-zung dezentraler, lokaler Wasserstoffnetze genutzt wer-den. Da jedoch Verluste bei der Wasserstoffbereitstel-lung unvermeidlich sind und diese zusätzliche Kostenverursachen, liegt es auf der Hand, dass zuvor alle an-deren preiswerteren Verfahren der Nutzung erneuerba-rer Energien ausgeschöpft werden sollten. Die Einfüh-rung erneuerbarer Energien ist also der Türöffner fürWasserstoff – nicht umgekehrt.

Stellt man die Aussagen der einschlägigen Untersu-chungen zum Thema “Wasserstoff” im Hinblick auf denBeitrag von Wasserstoff bei einer sehr weitgehendenReduktion der CO2-Emissionen zusammen, so erhältman die folgenden Zusammenhänge:

––– Der Eintritt von Wasserstoff in die Energie-versorgung wird notwendig, wenn die CO2-Emissionenum mehr als 40 % (bezogen auf 1990) reduziert werdensollen. Bis dahin haben rationelle Energiewandlungund -nutzung und die direkte bzw. lokale Nutzung vonerneuerbaren Energien eindeutig Vorrang. JüngereStudien, die sich intensiver mit den Möglichkeiten desLastmanagements von Strom aus erneuerbaren Ener-gien auseinandergesetzt haben, verschieben den Ein-trittszeitpunkt von Wasserstoff zu CO2-Reduktionswer-ten um 70 bis 75 %. Bei CO2-Reduktionsbemühungengrößer 80 % kommt keine Untersuchung ohne Was-serstoff aus.

––– Den größten Einfluss auf Zeit und Intensität einerWasserstoffeinführung haben CO2-Reduktionsstrate-gien im Verkehrssektor. Wird die Einführung vonWasserstoff im Verkehr forciert, so ist bereits bei einemReduktionsniveau um 60 % Wasserstoff merklich an derEndenergiedarbietung beteiligt. Werden die direktenNutzungsmöglichkeiten von erneuerbaren Energien imStrom- und Wärmebereich stärker betont, so wird Was-serstoff erst ab einem CO2-Reduktionsniveau von 75 %relevant.

––– Eine Extrapolation auf eine nahezu vollständigeVermeidung von energetisch bedingtem CO2 führt zueinem Anteil von Wasserstoff aus erneuerbarenEnergien um 30 bis 35 % am Endenergieverbrauch.Rund 85 % des Treibstoffs für den Verkehrsektor wirddann aus Wasserstoff bereitgestellt, der Energiebedarfdes Wärmebereichs wird zu rund 30 % mit Wasserstoffgedeckt.

––– Hinterlegt man die CO2-Reduktionswerte in derAbbildung mit einer Zeitskala, so ist eine breite Ein-führung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energiennicht vor 2025 erforderlich und wegen der dann im-mer noch relativ hohen Kosten volkswirtschaftlich auchnicht zweckmäßig; andererseits sollte eine energie-wirtschaftlich relevante Einführung bis spätestens2050 erfolgt sein, wenn eine weitere CO2-Reduktionüber 80 % hinaus angestrebt wird bzw. die Ressourcen-basis längerfristig ganz auf erneuerbare Energienumgestellt werden soll.

––– Eine Vorbereitung der Übergangsmöglichkeitenvon Erdgas zu Wasserstoff ist aufgrund der hohen Zeit-konstanten schon heute erforderlich. Dazu gehörtu.a. die baldige Nutzung von Brennstoffzellen als statio-näre Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen. Brennstoffzellensind ein wichtiger Baustein einer effizienten und emis-sionsarmen Energieversorgung. Die Nutzungsvorteilevon Brennstoffzellen gegenüber konventionellen Wand-lern wachsen in dem Maße wie Wasserstoff in denEnergiemarkt vordringt. Sie können daher auch alseine sehr gut geeignete “Brückentechnologie” für denÜbergang in eine Energieversorgung auf der Basiserneuerbarer Energien bezeichnet werden.

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INSELSYSTEME

––– Ressource: Solarstrahlung, Windenergie, Biomasse, Wasserkraft, ggf. mit Speichersystem; als Hybridsystem ggf. zusätzlich mit fossilen Brennstoffen

––– Standorte: netzferne Regionen und Anwendungen in Entwicklungs- und Industrieländern

––– Einsatzgebiete: Stromerzeugung, Direktanwendungen (Pumpen, Beleuchten, Wasserdesinfektion, Signalgebung usw.)

––– Leistungsbereich: mehrere Watt bis mehrere hundert Megawatt

––– Gestehungskosten: ca. 0,30 bis 1 Euro/kWh je nach Technik und Standort

––– Abbildungen: Wind-/Solar-Hybridsystem, Dish-Stirling, Wasserrad

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Als ein “Inselsystem” wird ein System bezeichnet, wel-ches unabhängig von einem übergeordneten Netz elek-trischen Strom bereitstellt. Ursprünglich war damit dieelektrische Versorgung auf einer realen Insel – wie bei-spielsweise der griechischen Insel Kythnos – gemeint.Die netzunabhängige Versorgung zum Beispiel einessolaren Parkscheinautomaten zählt jedoch ebenso zuden Insellösungen.

Ungefähr 2 bis 3 Mrd. Menschen leben weltweit heutenoch ohne Elektrifizierung. Den weitaus größten Anteildaran haben Entwicklungs- und Schwellenländer, in de-nen häufig die ländlichen Gebiete fernab des elektri-schen Netzes liegen. Aber auch auf kleinen Inseln oderin abgelegenen Bergregionen Europas haben bis zu 2 Mio. Menschen keinen Zugang zum öffentlichen Netz(Quelle: BINE 2002). Zielländer sind somit insbesondereEntwicklungs- und Schwellenländer. Ein großes Markt-potenzial wird jedoch auch netzfernen Regionen undEinzelanwendungen in Industrieländern zugeschrieben.Die Anforderungen an Inselsysteme in technischer,wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht fallen dement-sprechend vielseitig aus.

Technologien und Anwendungen

Die möglichen Anwendungen für Inselsysteme reichenvon der direkten Versorgung einzelner elektrischer Ver-braucher bis hin zur Bildung kleiner Netze zur Elektri-

fizierung von Haushalten, Einzelobjekten oder ganzerDörfer. Dementsprechend groß ist der Leistungsbereich,der sich von wenigen Watt bei Kleinstanwendungen biszu einigen Megawatt z.B. bei der dörflichen Versor-gung erstrecken kann.

In der Vergangenheit wurden Verbraucher in netzfer-nen Regionen häufig mit Dieselgeneratoren, ggf. er-weitert um eine Speicherbatterie, mit elektrischer Ener-gie versorgt. Aus Klimaschutzgründen ist der Ersatzoder zumindest die Ergänzung der Dieselaggregatedurch regenerative Stromquellen wünschenswert. Dieersten Anstrengungen in Richtung erneuerbare Ener-gien wurden jedoch meist aus praktischen oder finan-ziellen Gründen unternommen, weil beispielsweise dieTreibstoffversorgung schwierig, unsicher oder einfachzu teuer ist.

Anstelle oder zur Ergänzung eines mit fossilen Brenn-stoffen versorgten Energiewandlers können verschiede-ne regenerative Energiequellen genutzt werden, die imFolgenden beschrieben werden:

Windenergie

Im einfachsten Fall treibt eine Windmühle über einGetriebe verbunden direkt eine Wasserpumpe an. Vieledieser Mühlen waren in den Niederlanden und denUSA (Western-Rotor) in Betrieb; heutzutage finden sie

85

INSELSYSTEME — UNABHÄNGIG VOM ÖFFENTLICHEN NETZ

10 W 100 W 1 kW 10 kW 100 kW 1 MW 10 MW

Gliederung und Leistungsbereiche von Inselsystemen

Struktur von Inselsystemen

Kleinstanwendungen Direktantriebe

Direktanwendungen

Inselsysteme

Kleinnetze

Direktheizung Home Systems Wasserbehandlung Objektversorgung Dorfnetz

RadioWasserpumpen,windbetrieben

windbetrieben Solar HS Entsalzung Schule

Lampe Wind HS Entkeimung Krankenhaus

BatterieladerWasserpumpen,solarbetrieben

Hybridsystemelandwirtschaftlicher

Betrieb...

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noch Anwendung in den Dürregebieten zum Hebenvon Wasser aus tiefen Wasservorkommen.

Mittlerweile stehen moderne Windenergieanlagen zurVerfügung, deren Strom auch ohne Einspeisung in eingrößeres Netz vielfältig genutzt werden kann. Die Ein-satzmöglichkeiten reichen von der einfachen Strom-heizung mit ungeregelten Generatoren und wechseln-der Netzfrequenz über den Antrieb elektrischer Wasser-pumpen, der Batterieladung (z.B. für Ferienhäuser,Berghütten oder Mess-Stationen) bis hin zur Versorgunggrößerer Inselanlagen im Megawattbereich.

Windenergiekonverter können auch mit Solarzellen zuHybridsystemen kombiniert werden, so dass das fluktu-ierende Wind- und Solarangebot teilweise ausgeglichenwerden kann (Beispiel: Verkehrsleittechnik an Autobah-nen).

Solarenergie

Ähnlich wie bei der Windkraft kann auch die Solar-energie ohne Erzeugung von Elektrizität zum Antriebvon Wasserpumpen genutzt werden. 1875 wurde vonMouchot die erste solardampfbetriebene Wasserpumpemit Rinnenkollektor konstruiert, später wurden vonFlachkollektoren angetriebene Pumpen entwickelt.

Weltweite Verbreitung haben jedoch bisher nur diesolarelektrischen Systeme der Fotovoltaik (PV) gefun-den. Große Zukunftschancen werden darüber hinaussolarthermischen Kraftwerken eingeräumt.

Fotovoltaikanlagen sind modular aufgebaut und kön-nen – entsprechend verschaltet – elektrische Leistungenvon wenigen Watt bis zu mehreren Megawatt bereit-stellen. In Kleinstanwendungen versorgen sie Geräteder Signal- und Informationstechnik (Notrufsäulen, Signalanlagen, Parkscheinautomaten), Alltagsgeräte(Uhren, Radios, Taschenrechner, Taschenlampen, Lade-geräte, Spielzeuge), Haushaltsgeräte (Rasenmäher, Was-seraufbereitung) oder finden Anwendung in der Gebäu-detechnik (Rollladenantriebe, Beleuchtung, Lüftung,Alarmanlagen, Bewegungsmelder). Speziell für sonnen-reiche Entwicklungsländer wurden sogenannte “SolarHome Systems” im Leistungsbereich von ca. 50 bis 100 W entwickelt, welche zusammen mit einem Batte-rie-Ladesystem die wichtigsten Einrichtungen einesHauses (Beleuchtung, Radio) autark mit Strom versor-gen können. Mit PV-Anlagen können auch Sonderan-wendungen wie solare Kühlung oder Schiffsantriebe(Solarboote) realisiert werden.

Solarthermische Anlagen gewinnen auf indirekteWeise Strom, indem sie die einfallende Solarstrahlungzunächst konzentrieren, bevor sie diese in thermischeEnergie und erst in einem weiteren Schritt in elektri-sche Energie umwandeln. Als technische Varianten fürInselsysteme sind insbesondere Dish-Stirling-Systeme

von Bedeutung, aber auch Rinnen- oder Turmanlagenkönnen in kleineren Einheiten prinzipiell dafür genutztwerden (zum Beispiel 500 kWth-Pilotanlage mit Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung zur Versorgung eines Kranken-hauses in Empoli /Italien). Vorteile der solarther-mischen Anwendungen gegenüber der Fotovoltaik sindzum einen günstigere Stromerzeugungskosten, zumanderen die Möglichkeit, mit Hilfe thermischer Spei-cher Zeiten unzureichender Solarstrahlung zu über-brücken. Für netzferne Anwendungen kann somit dieVersorgungssicherheit erhöht werden.

Biomasse

Wegen der Speicherbarkeit der Brennstoffe sind insbe-sondere Biogas-Systeme mit angeschlossenem Genera-tor ideale Anwendungen für die Versorgung isolierterDörfer. Neben Fäkalien von Bewohnern und Zuchtviehkönnte auch Biomasse, die im Ackerbau anfällt, verwer-tet werden. Die zur Zeit verfügbaren Lösungen sind fürdie Stromerzeugung in Entwicklungsländern allerdingsnoch wenig geeignet, da die Technologie für wartungs-armen Inselbetrieb relativ komplex ist. Sofern es in Zu-kunft gelingt, in der Bedienung einfache und robusteSysteme zu bauen, erschließen sich für die Biomas-senutzung auch im Bereich geringer Leistungen großePotenziale.

Mit Biomasse befeuerte Stirlingmotoren finden bereitsheute Anwendung. Dagegen ist die Nutzung in Gas-turbinen und BIG /GT-Systemen (Biomass IntegratedGasification /Gas Turbine) für einen netzunabhängigenBetrieb z.Zt. noch ungeeignet, da sie nur in größerenLeistungsbereichen ökonomisch sinnvoll anwendbarsind. Sofern Mikrogasturbinen die Marktreife erlangen,könnten sich hier die Anwendungsmöglichkeiten je-doch erheblich erweitern.

Wasserkraft

Unter den regenerativen Energiequellen hat die Was-serkraft bisher mit Abstand den größten Stellenwert.Knapp ein Fünftel der weltweiten Stromproduktionstammt aus Wasserkraftwerken. Im Gegensatz zu dengroßen Stauwasser-Kraftwerksprojekten, welche zumTeil schwerwiegende soziale und ökologische Problemeaufwerfen, sind Kleinst- (< 100 kW) und Kleinwasser-kraftwerke (100 kW bis 10 MW) im allgemeinen deut-lich weniger bedenklich. Im Bereich dezentraler Anla-gen verfügen insbesondere Entwicklungsländer nochüber große unerschlossene Potenziale. Die Technikreicht von ober- und unterschlächtigen Wasserrädernüber Wasserkraftschnecken bis hin zur Wasserturbine.Während Wasserräder und Wasserkraftschneckenbesonders robust, wartungsarm und fischverträglichsind, zeichnen sich Turbinen – insbesondere im höhe-ren Leistungsbereich – durch hohe Wirkungsgrade undwirtschaftlichen Betrieb aus.

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Hybridsysteme und ihre Komponenten

Im einfachsten Fall besteht ein Inselsystem aus denKomponenten Energiewandler, Batterie und Ladegerät.Um die Verfügbarkeit einer Stromerzeugungsanlage zuerhöhen, ist es häufig aber sinnvoll, zwei oder mehrEnergiewandler zu einem “Hybridsystem” zu kombinie-ren. Solche Kombinationen können als “fuel saver” (z.B.Diesel /Wind- oder Diesel /Solar-System) oder als rein re-generative Systeme (z.B. Wind /Solar-System) ausgeführtsein. Eine weitere Möglichkeit, die Versorgungssicher-heit zu erhöhen, besteht darin, das System um einenEnergiespeicher zu ergänzen. Das Gesamtsystem setztsich dann aus den Komponenten Energiewandler,Wechselrichter, Speicher, sowie Steuerungs- und Kom-munikationseinrichtungen zusammen. Auf die mög-lichen Energiewandler wurde bereits oben näher einge-gangen, die übrigen Komponenten werden im Folgen-den erläutert.

Wechsel- und Stromrichter

Größere PV-Anlagen bestehen aus mehreren Strängenvon in Reihe geschalteten Solargeneratoren. Mittler-

weile verdrängen modular aufgebaute und standardi-sierte Konzepte mit sogenanntem String-Wechselrichterdie Technik der zentralen Wechselrichter.

Zentrale Bedeutung bei einer Hybridanlage kommtdem bidirektional wirkenden Stromrichter zu. Als Bin-deglied zwischen Batteriespeicher und Inselnetz hilfter, Netzspannung und -frequenz zu stabilisieren, kon-trolliert den Ladevorgang, regelt die Wirk- und Blind-leistung und sorgt ggf. für ein Energiemanagementdurch Lastabwurf. Kombiniert man eine Gleichstrom-batterie mit einem Stromrichter, so spricht man auchvon einer “Wechselstrombatterie”.

Speicher

In stationären Anlagen werden zur Speicherung elektri-scher Energie in der Regel preiswerte Bleibatterien ver-wendet. Für kleinere Anwendungen eignen sich auchhöherwertige Akkumulatoren auf Nickel-Cadmium-,Metallhydrid- oder Lithium-Ionen-Basis. Neben demPrinzip der elektrochemischen Speicherung in Batte-rien gibt es noch eine Reihe weiterer MöglichkeitenEnergie zu speichern:

87

Ökologische Aspekte KlimaschutzSpezifischer Ausstoß von Treibhausgasen pro kWhSpezifischer Ausstoß von Luftschadstoffen pro kWh

Ressourcenschutz Verbrauch nicht erneuerbarer Energien

Lärmschutz Lärmemissionen

Sozio-ökonomische Aspekte Allgemeine Interessen

Ökonomisches EntwicklungspotenzialKulturelle KompatibilitätGrad der VersorgungsgerechtigkeitGrad der Partizipation

Individuelle InteressenArbeitsplatzeffekteGesundheitliche / hygienische Auswirkungen

Ökonomische Aspekte Niedrige Kosten und PreiseSpezifische Investitionskosten pro kWStromgestehungskosten pro kWh

Wartung, Reparaturen und Instandhaltung Anforderungen an Fachkräfte und Ersatzteilbeschaffung

Zukunftspotenziale Grad der Know-how-Entwicklung

Ökonomische UnabhängigkeitGrad der Importabhängigkeit bzw. der regionalenSelbstversorgungVersorgungssicherheit / Verfügbarkeit

Beispielhafter Kriterienkatalog zur Bewertung von Inselsystemen

K r i t e r i u m I n d i k a t o r

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––– mechanische Speicherung (Pumpspeicher, Druckluftspeicher, Schwungräder)

––– elektrische Speicherung (Superkondensatoren, Supraleitende Magnetische Speicher SMES)

––– thermische Speicherung (sensible und latente Wärmespeicher)

––– chemische Speicherung (Biomasse, Methanreformierung, Wasserstoff).

Einige dieser Speichertechnologien wie zum BeispielPump- und Druckluftspeicher finden in Verbundnetzenbereits in großem Maßstab Anwendung (Einzelanlagenmit bis zu mehreren 100 MWel). Die Nutzung von Kon-densatoren oder Schwungrädern ist bisher noch aufkleinere Leistungsbereiche (wenige Milliwatt- bis Kilo-watt) und auf Nischenanwendungen begrenzt. Sie hatjedoch viel versprechende Entwicklungspotenziale.Technisch erprobt, aber in der Regel noch nicht wirt-schaftlich darstellbar, ist die Produktion von Wasser-stoff als Energiespeicher. Eine sehr interessante Optionstellt die relativ preiswerte und für große Leistungengeeignete thermische Speicherung dar, die in naherZukunft bei der Nutzung solarthermischer Kraftwerkeeine bedeutende Rolle spielen wird.

Steuerungs- und Kommunikationseinrichtungen

Mit zunehmender Komplexität eines Inselsystems er-höht sich der Regel-, Steuerungs- und Kommunikations-bedarf. Um das System stabil zu halten, die Betriebskos-ten zu minimieren und die Versorgungssicherheit zugewährleisten, ist eine vernetzte Kommunikation zwi-schen den einzelnen Systemkomponenten erforderlich.Um beispielsweise bei Bedarf die Sperrung bzw. denLastabwurf einzelner Verbraucher vorzunehmen, musseine Rückkopplung vom Verbraucher zur übergeordne-ten Steuerung möglich sein (Lastmanagementsystem).Bisher hat sich allerdings noch keines der verschiede-nen auf dem Markt existierenden Signalbus-Systeme alsStandard etabliert.

Marktentwicklung und Perspektiven

Inselsysteme haben sich ausgehend von zunächst einfa-chen dezentralen Dieselsystemen zu teilweise komple-xen Hybridsystemen auf regenerativer Energiebasis ent-wickelt. Bei vielen Kleinstanwendungen wie z.B. solar-betriebenen Uhren oder Taschenrechnern überwiegenpraktische Vorteile oder der Imagegewinn durch denNutzer. Bei der Versorgung größerer Systeme in entle-genen Gebieten muss ein regeneratives System jedochin erster Linie gegenüber konventioneller Technik inwirtschaftlicher Hinsicht konkurrenzfähig sein. Trotzzum Teil relativ hoher Stromgestehungskosten heutigerInselsysteme, die in der Bandbreite von ca. 0,30 bis 1 Euro/kWh liegen, sind diese dann sinnvoll anwend-bar, wenn die Beschaffung von Treibstoffen aufwändigoder unsicher ist. Nicht zu unterschätzen sind außer-dem die positiven Effekte durch die Vermeidung von

Brand- und Gesundheitsgefahren in Entwicklungs-ländern, die bei traditionellen Energiesystemen mit derVerbrennung von Kerosin, Diesel oder Paraffin einher-gehen. Eine ganzheitliche Bewertung regenerativerInselsysteme im Vergleich zu konventionellen Tech-niken bzw. zur Netzanbindung erfordert daher nebender Betrachtung rein wirtschaftlicher Aspekte auch dasEinbeziehen ökologischer und sozioökonomischerKriterien (siehe Kriterienkatalog). Prinzipiell ist für dieFrage der Marktperspektiven eine Unterscheidung derZielgruppen in Entwicklungs- bzw. Industrieländererforderlich. Allgemein besteht noch Forschungs- undEntwicklungsbedarf in Richtung Standardisierung undModularisierung der Systemkomponenten. Dies wird alsein wichtiger Schritt angesehen, um eine kostengünsti-ge Serienfertigung, aber auch einfachen und preiswer-ten Aufbau und Wartung von Anlagen realisieren zukönnen.

Für einen langfristigen Erfolg in Entwicklungsländernmuss eine Infrastruktur für Reparaturen, für Qualifizie-rung des Handwerks und für Ersatzteilbeschaffung auf-gebaut werden. Viele Projekte aus der Vergangenheithaben gezeigt, dass für das Gelingen eine sozioökono-mische Einzelbetrachtung vor Ort unerlässlich ist. Fi-nanzierungsmodelle spielen ebenfalls eine große Rolle,da die Menschen in der Regel nicht in der Lage sind,beispielsweise Solar-Home-Systems vorzufinanzieren.

In den Industrieländern werden in einem nächstenSchritt dezentrale Energiemanagementsysteme (DEMS)als Inselsysteme erprobt. Sie beziehen neben der Rege-lung der Energieerzeugung und -speicherung das intel-ligente Management der Nachfrage mit ein. Mittel-fristig lässt sich daraus ein Verbund herstellen. Werdenmehrere dezentrale Energieversorgungssysteme an einVerbundnetz angeschlossen und zentral gesteuert, soerhält man “virtuelle Kraftwerke”. Der Einsatz von vir-tuellen Kraftwerken erfordert den Umgang mit sehrgroßen Datenmengen und steht erst am Anfang derErprobung.

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Beispiel für Komponenten eines dezentralen Energie-managementsystems (DEMS)

Dezentrales Energiemanagementsystem

BatteriespeicheranlageWindkraftanlagen Brennstoffzellen

FotovoltaikanlageVerbraucher Biomassekraftwerk

DEMS

Quel le : Konwer l 2003

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Projektbeispiele

Starkenburger Hütte (Quelle: ISET 2002)

Fernab vom Verbundnetz versorgt ein BHKW/PV-Hybridsystem die Starkenburger Hütte in den Stubaier Alpen mitStrom. Mit diesem System wird seit 1995 die Anwendung einer Wechselstrom-gekoppelten Anlage erfolgreich inder Praxis demonstriert.

1 x Gas-BHKW: 15 kWel

6 x PV-Generatoren: 5,28 kWpeak

3 x Wechselstrombatterie: 2,2 kVA/ca. 40 kWh

Energiepark Geesthacht (Quelle: HEW 2001)

Der Energiepark Geesthacht bei Hamburg ist zwar kein Inselsystem, jedoch ein interessantes Beispiel für ein Hy-bridsystem bestehend aus einem Pumpspeicherwerk, welches seit 1994 über zusätzliche Pumpen mit Windkraft-und Fotovoltaikstrom gespeist wird. Prinzipiell könnte eine solche Anlage auch inselfähig ausgelegt werden.

Leistung Pumpturbinen: 140 MWel

Leistung Solarfeld: 60 kWel

Leistung Windkraftanlage: 500 kWel

Speicherkapazität Wasser: 3,3 Mio. m2 (= 600 MWhel Energie)Gesamtstromproduktion: 62 Mio. kWh/a (2001)Speicherwirkungsgrad: ca. 70 %

Haus-Solar-Anlagen in Südafrika (Quelle: KfW 2003)

Die südafrikanische Regierung hat ein Programm aufgelegt mit dem Ziel, innerhalb von zehn Jahren rund 1,5 Mio.Haushalte sowie Schulen und Gesundheitsstationen in ländlichen Regionen mit Solar-Home-Systems (SHS) auszu-statten. Die dezentrale Elektrifizierung ist umweltfreundlicher und in diesem Fall kosteneffizienter als eine Netz-anbindung. Zusätzlich zum Komfortgewinn erhöht sich die Sicherheit gegen Einbrüche, Gesundheits- und Unfall-gefahren werden reduziert und zusätzliche Anwendungen im kleingewerblichen Bereich können erschlossen werden.

Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) unterstützt dieses Vorhaben finanziell mit rund 16 Mio. Euro. Das Finan-zierungskonzept gleicht einem Contractingmodell: Ein privater Konzessionär investiert mit Unterstützung der KfWin die Anlagen und übernimmt die Installation und den Betrieb. Die Nutzer zahlen eine monatliche, entsprechenddem Subventionsbeitrag reduzierte Gebühr, die u.a. die Kosten für Wartung und Reparaturen deckt. Die Bezahlungwird über den Kauf einer Chipkarte, die den Betrieb eines SHS freischaltet, vorgenommen (“Fee-for-service-Modell”).Dadurch werden geringe Transaktionskosten und ein gesicherter Gebühreneinzug gewährleistet.

Vertragslaufzeit: > 15 JahreFinanzielle Förderung durch KfW: ca. 27.000 SHS mit ca. 16 Mio. EURLeistung der SHS: bis zu 0,2 kWh/d zur Versorgung von ca. 3 – 4 Glühlampen,

Radio oder Schwarz-Weiß-Fernseher

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Globales Energieangebot

Auf unserer Erde sorgt ein außerordentlich großes An-gebot an unerschöpflichen Energieströmen dafür, dassein Vielfaches unseres Energiebedarfs ohne Rückgriffauf endliche Energieressourcen prinzipiell gedeckt wer-den kann. Dazu müssen diese Energieströme mit denin den vorigen Kapiteln beschriebenen Technologiennutzbar gemacht werden. Mit diesen Technologien las-sen sich wesentliche Leitlinien einer nachhaltigen Ener-gieversorgung erfüllen. Zur Verfügung stehen die aufdie Kontinente eingestrahlte Solarenergie, die kineti-sche Energie des Windes, der Meereswellen und derMeeresströmungen, die jährlich nachwachsende Bio-masse, die potenzielle Energie des Wassers, die geo-thermische Energie und die Wärmeenergie der Meere.Diese Energieströme entsprechen etwa dem 3.000-fachendes derzeitigen jährlichen Weltenergieverbrauchs. Ausdiesem physikalischen Potenzial erneuerbarer Energien(große Würfel im Hintergrund) lassen sich die tech-nischen Nutzungspotenziale ableiten, welche diemöglichen Energieerträge in einer für den Endverbrau-cher nutzbaren Form – also Nutzwärme verschiedenerTemperatur, Elektrizität und Brenn- oder Treibstoffe,z.B. Wasserstoff – bereitstellen.

Bei der Ermittlung dieser Potenziale sind verschiedeneKriterien zu beachten:

––– Grenzen für Wirkungsgrade, Anlagengrößenund technische Entwicklungspotenziale der derzeitvorhandenen oder in absehbarer Zeit verfügbarenNutzungstechniken,

––– Strukturelle Restriktionen wie Nutzungsein-schränkungen infolge Ortsgebundenheit (z.B. Erdwär-me), begrenzter Transportradius (z.B. Biomasse), Ver-fügbarkeit von Flächen oder Konkurrenznutzung (z.B.Kollektoren, Solarzellen, Energiepflanzenanbau), nichtvorhandene Infrastruktur (z.B. fehlende Wärmenetze),begrenzte Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit der Ener-giedarbietung (z.B. Strom aus fluktuierenden Quellen,wie Wind oder Solarstrahlung)

––– Ökologische Restriktionen hinsichtlich Flächen-beanspruchung (z.B. Windenergie), Beeinträchtigungvon Fließgewässern (z.B. Wasserkraft) und Landschafts-bildern (z.B. Windenergie) sowie eingeschränkte Nut-zungsmöglichkeiten von Biomasse (z.B. Reststoffe ausForst- und Landwirtschaft; Energiepflanzenanbau).

Technische Potenziale erneuerbarer Energien sind so-mit keine für alle Zeiten unverrückbare Größe. Sie lie-fern lediglich einen abgesicherten Orientierungsrah-men für das technisch Machbare innerhalb eines län-

gerfristigen Betrachtungszeitraums und zeigen, welcheBedeutung die einzelnen Energiequellen und Nutzungs-technologien für die betrachteten Länder oder Regio-nen haben können.

Unter Beachtung dieser einschränkenden Kriterien sindvon den natürlichen Energieströmen nur wenige Pro-mille (Solarstrahlung, Wind) bis Prozente (Biomasse,Erdwärme) energetisch – d.h. in Form von Sekundär-energieträgern – nutzbar (siehe Grafik: NatürlichesAngebot erneuerbarer Energien). Lediglich bei derbereits konzentrierten Wasserkraft ist eine technischeNutzung im Bereich von 10 %. Das global insgesamttechnisch nutzbare Potenzial der erneuerbaren Ener-gien liegt aber selbst bei strengen Restriktionen in derGrößenordnung des Sechsfachen des derzeitigen welt-weiten Verbrauchs an Endenergie. Etwa 65 % davonstellt die Strahlungsenergie der Sonne.

Erneuerbare Energien können also auch einen nochsteigenden Energiebedarf der Menschheit prinzipiellvollständig und auf Dauer decken. Beiträge erneuerba-rer Energiequellen im Bereich von 50 % und mehr amWeltenergieverbrauch werden dementsprechend in ver-schiedenen Zukunftsentwürfen bereits bis zur Mitte desnächsten Jahrhunderts für möglich gehalten.

Tatsächlich decken erneuerbare Energien derzeit 5 %des Weltenergieverbrauchs, wenn man die ökologischproblematische Brennholznutzung in weniger entwik-kelten Ländern außer Betracht lässt. Dies entsprichtetwa dem weltweiten Beitrag der Kernenergie. Vomglobalen Stromverbrauch stammen zurzeit 19 % auserneuerbaren Energien. Ohne ihre derzeitige Haupt-stütze, die Wasserkraft, sind es lediglich 0,2 % Anteilam gesamten Weltverbrauch und 1,5 % am Stromver-brauch.

Das Angebot an erneuerbaren Energien weist weltweitstarke räumliche Unterschiede auf. Für die Solarstrah-lung, die ergiebigste Quelle, zeigt dies die Weltkarteam Beispiel des Potenzials für solarthermische Kraft-werke. Für diese Technologie, die die Solarstrahlung inkonzentrierter Form verwendet, liegen die Regionenmit dem größten Potenzial sämtlich im so genannten“Sonnengürtel” der Erde, also zwischen dem 20. und40. Breitengrad der südlichen und nördlichen Hemis-phäre. Dafür sind vor allem die tropische Bewölkungim Bereich des Äquators und die Tiefdruckgebiete inden Westwindzonen verantwortlich. Ein ähnliches Mus-ter ergibt sich auch für fotovoltaische Systeme. Aller-dings hat hier die Bewölkung einen weniger starkenEinfluss, da Fotovoltaik auch diffuse Strahlung nutzenkann. Das entsprechende Potenzial der Windenergiehängt dem gegenüber von anderen Faktoren ab: Über

90

TECHNISCHE POTENZIALE UND ÖKOLOGISCHEEIGENSCHAFTEN

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den Landmassen der Kontinente, wo die raue Gelände-struktur den Wind abbremst, ist die mittlere Windge-schwindigkeit deutlich niedriger als über den Welt-meeren, wo der Wind nahezu ungebremst weht. Dafürgibt es an Land exponierte Lagen, an denen durch be-sondere Geländeformen hervorragende Windverhältnis-se zu finden sind.

Noch größer werden die räumlichen Potenzialunter-schiede, wenn technische Einschränkungen und Ab-züge für nicht nutzbare oder anderweitig genutzteFlächen mit berücksichtigt werden. Sie schmälern dasPotenzial regional zum Teil sehr deutlich. Dies kannam Beispiel einer Weltkarte der Stromgewinnung aussolarthermischen Kraftwerken gezeigt werden. Als Ein-schränkungen der nutzbaren Fläche wurden in dieserKarte alle für die Aufstellung solarthermischer Kraft-werke ungeeigneten bzw. nicht infrage kommendenLandflächen wie Siedlungsflächen, Wald und landwirt-schaftlich genutzte Flächen, Gewässer und Sümpfe,Dünenfelder, Schutzgebiete oder eine zu hohe Gelän-deneigung ausgeschlossen.

Wie die Weltkarte zeigt, haben Nordafrika, die arabi-sche Halbinsel und Australien ein enorm hohes Poten-zial für die solarthermische Stromerzeugung. Mehr als

die Hälfte des weltweiten Potenzials entfallen allein aufdiese Gebiete; allein in Nordafrika könnte mehr als dasHundertfache des Weltstrombedarfs mittels solarerKraftwerke bereitgestellt werden. Dies liegt vor alleman dem hohen Flächenangebot dieser Regionen.

Ebenfalls ein sehr hohes Potenzial weisen die Südspit-zen Afrikas und Südamerikas, die Mongolei, der Süd-westen der USA und Mexiko auf. Zwar werden auchPotenziale in Kanada und Sibirien ausgewiesen, die flä-chenspezifischen Erträge sind dort allerdings so gering,dass sie unter ökonomischen Gesichtspunkten nichtsinnvoll nutzbar sind. Nordafrikanische Standorte lie-fern dagegen mit 200 – 300 GWh/km2/a auf jedemQuadratkilometer Landfläche genau soviel Energie wieein konventionelles Kohle- oder Erdgaskraftwerk mit 50 MW Leistung und 6.000 Vollastbetriebsstunden proJahr.

Die Auswirkungen der genannten Flächenrestriktionensind deutlicher sichtbar im Kartenausschnitt des Mittel-meerraums. Trotz vielfacher Nutzungskonkurrenz, diegerade bei den nördlichen Mittelmeeranrainern zueiner deutlichen Potenzialreduktion führt, ist auch indiesen Ländern noch so viel Fläche verfügbar, dassbeträchtliche Anteile der nationalen Stromerzeugung

91

Quel le : DLR Natürliches Angebot erneuerbarer Energien

Das natürliche Angebot der erneuerbaren Energien (hintere Quader) ist außerordentlich groß. Die daraus technisch gewinnbaren Energie-mengen in Form von Strom, Wärme und chemischen Energieträgern (vordere Quader) übertreffen den derzeitigen Weltenergieverbrauch(grauer Quader) um etwa das Sechsfache.

Weltenergieverbrauch

Erdwärme

Solarstrahlung auf Kontinente

Meereswärme / Wellenenergie

Wind

Wasser

Biomasse

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92

Geschütztes Terrain, m/s—1

> 6.0

5.0 – 6.0

4.5 – 5.0

3.5 – 4.5

< 3.5

Offene Ebene, m/s—1

> 7.5

6.5 – 7.5

5.5 – 6.4

4.5 – 5.4

< 4.5

Küste, m/s—1

> 8.5

7.0 – 8.5

6.0 – 6.9

5.0 – 5.9

< 5.0

Offshore, m/s—1

> 9.0

8.0 – 9.0

7.0 – 7.9

5.5 – 6.9

< 5.5

Berge und Kämme, m/s—1

> 11.5

10.0 – 11.5

8.5 – 9.9

7.0 – 8.4

< 7.0

Windgeschwindigkeit in 50 m Höhe über Grund unter Berücksichtigung von fünf verschiedenen topografischen Standortbedingungen.Linke Abbildung: Onshore, rechte Abbildung: Offshore (Quelle: Europäischer Wind Atlas, Risø National Laboratory, Roskilde,Dänemark, vereinfachte Darstellung)

durch solarthermische Kraftwerke gedeckt werdenkönnten. Allein die in Spanien prinzipiell verfügbarenFlächen- und Einstrahlungspotenziale reichen rechne-risch aus, um eine dem derzeitigen europäischenStrombedarf entsprechende Elektrizitätsmenge zu er-zeugen.

Man kann also folgendes festhalten: Das technischePotenzial der einzelnen erneuerbaren Energiequellenvariiert räumlich stark – nicht in jedem Land ist jedeEnergiequelle verfügbar und bestimmte Regionen ver-fügen über offensichtlich sehr günstig zu erschließendePotenziale. Je breiter also die Vielfalt der genutztenEnergiequellen und Technologien ist – Sonnenenergie,Wind, Geothermie, Biomasse, Wasserkraft – desto eherkönnen regionale Defizite bei einer Energiequelledurch Potenziale anderer Energiequellen ausgeglichenwerden. Unter räumlichen Potenzialgesichtspunkten isteine Diversifizierung von Energiequellen und Techno-logien also sehr sinnvoll. In praktisch jedem Land har-ren attraktive Potenzialsegmente erneuerbarer Ener-gien auf ihre Nutzung. Auf absehbare Zeit werden die-se heimischen Potenziale der Orientierungsrahmen fürdie nationale Erschließung sein, da sie im Allgemeinenerst innerhalb von Jahrzehnten erschlossen werdenkönnen. Bestimmte Regionen mit sehr großen Poten-zialen erneuerbarer Energien können darüber hinauslängerfristig zu Lieferanten kostengünstiger Sekundär-

energien werden. So kann der heutige Welthandel mitfossilen Energien langfristig durch einen entsprechen-den Handel mit erneuerbaren Energien in Form vonElektrizität und Wasserstoff abgelöst werden.

Potenziale für Deutschland und ihre Kosten

Deutschland ist ein gutes Beispiel dafür, wie ein Landmit gemäßigtem Klima auf eine Vielfalt von erneuerba-ren Energien zurückgreifen und damit beträchtlicheAnteile seines Energiebedarfs decken kann. Bezogenauf die gesamte Primärenergie beträgt das Potenzialder innerhalb Deutschlands nutzbaren erneuerbarenEnergiequellen 6.200 PJ/a, was rund 40 % des derzeiti-gen Primärenergieverbrauchs entspricht. Wenn es ge-lingt, den Energiebedarf in Deutschland zu senken – zudieser Effizienzstrategie ist mehr im Kapitel “Perspek-tiven erneuerbarer Energien im Rahmen einer nachhal-tigen Entwicklung” zu lesen – kann der Anteil alleindieser heimischen erneuerbaren Energien entspre-chend deutlich über 60 % steigen. Die einzelnen Poten-zialwerte sind bewusst restriktiv gewählt, was die ge-nutzten Flächen für Kollektoren und Solarzellen, fürWindkraftstandorte oder für den Energiepflanzen-anbau betrifft. Außerdem wurde, wie statistisch verein-bart, Strom aus Wasser-, Wind- und Solaranlagen imVerhältnis 1:1 als Primärenergie definiert. Trotzdem

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Oben: Globales technisches Potenzial der Stromerzeugung aus solarthermischen Kraftwerken. Angegeben ist der elektrische Ener-gieertrag in einem Jahr bezogen auf einen Quadratkilometer verfügbarer Landfläche. Die Auflösung der zu Grunde liegenden Strah-lungsdaten beträgt ca. 125 x 125 km2 am Äquator. Unten: Der Mittelmeerraum als Energielieferant – technisches Potenzial derStromerzeugung aus solarthermischen Kraftwerken bezogen auf einen Quadratkilometer Landfläche (Quelle: DLR).

93

0 – 20 GWh /km2/a

21 – 40 GWh /km2/a

41 – 60 GWh /km2/a

61 – 80 GWh /km2/a

81 – 100 GWh /km2/a

101 – 120 GWh /km2/a

121 – 140 GWh /km2/a

141 – 160 GWh /km2/a

161 – 180 GWh /km2/a

181 – 200 GWh /km2/a

201 – 220 GWh /km2/a

221 – 240 GWh /km2/a

241 – 260 GWh /km2/a

261 – 280 GWh /km2/a

281 – 310 GWh /km2/a

sind erneuerbare Energien damit die bedeutendste hei-mische Primärenergiequelle. Und ebenso wie bei denheutigen fossilen Energien können auch aus erneuerba-ren Energien gewonnene Energieträger zu einem späte-ren Zeitpunkt – aus Potenzialsicht in praktisch unbe-

grenzter Menge – importiert werden. Nimmt man vor-erst einen geringen Anteil dieses Potenzials als “Merk-posten” in das Referenzpotenzial für Deutschland auf,so liegt der entsprechende Wert für die bereitstellbarePrimärenergie aus erneuerbaren Energien für Deutsch-

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land bei mindestens 9.000 PJ/a. Mit rund 400 PJ/a wer-den derzeit erst 4,5 % dieses Potenzials genutzt. Wich-tiger als die reinen Potenzialangaben sind die zu einembestimmten Zeitpunkt nutzbaren Potenzialsegmente,denn nicht alle der in obigem Referenzpotenzial einge-schlossenen Energiemengen sind heute unmittelbarnutzbar. Von großer Bedeutung ist auch ihre Auftei-lung in Kostenklassen und die Berücksichtigung derzukünftig noch möglichen Kostensenkungen. Darauslassen sich die zu einem bestimmten Zeitpunkt verfüg-baren wirtschaftlichen Potenziale ableiten. Außer derWasserkraft und der Biomasse besitzen alle Technolo-gien teilweise beträchtliche Möglichkeiten einerKostenreduktion. Sie hängen wesentlich vom weiterentechnischen Fortschritt und von den Marktumsätzenab. Aus der Analyse der Kostenentwicklung in derVergangenheit, dem Vergleich mit anderen, den An-lagen zur Nutzung erneuerbarer Energien fertigungs-technisch vergleichbaren Anlagen sowie aus Annah-men über die zu erwartenden Marktumsätze lassensich die zukünftig erreichbaren Kostenreduktionen die-ser Energietechniken ermitteln. Man kann sie nähe-rungsweise aus Lernkurven ableiten, die angeben, um

welchen Prozentsatz die Kosten einer Technologie sin-ken, wenn sich ihr Umsatz verdoppelt. Typische Werteliegen zwischen 10 und 30 %. Am Beispiel der Wind-energie konnte gezeigt werden, dass sich derartige Kos-tensenkungen verwirklichen lassen.

Dieser Zusammenhang zwischen Marktwachstumund Kostensenkung ist auch von wesentlicher Bedeu-tung für die Ausgestaltung von Fördermaßnahmen, dieeine längerfristig wirksame Mobilisierung der erneuer-baren Energien zum Ziele haben. Sie müssen in jedemFall so wirksam sein, dass sie ein ausreichend großesMarktvolumen mobilisieren, andererseits aber einenstetigen Druck auf die Gestehungskosten der Techno-logie ausüben, damit sich die Technologien in hinrei-chend kurzer Zeit auf dem Energiemarkt behauptenkönnen.

Das kostengünstigste Potenzialsegment im Strombe-reich mit Kosten bis zu 0,075 Euro/kWh beläuft sichderzeit auf rund 25 TWh/a Strom aus der restlichenWasserkraft, aus Biomasse und aus Wind an günstigenStandorten. Zwischen 0,075 und 0,125 Euro/kWh liegen

94

Potenz ia l in TWh/a 2 0 0 0 2 0 1 0 2 0 2 0

Quel le : HGF 2001

< 0,0

75 Euro

/kWh

0,075 –

0,12

5 Euro

/kWh

> 0,12

5 Euro

/kWh

< 0,0

75 Euro

/kWh

0,075 –

0,12

5 Euro

/kWh

> 0,12

5 Euro

/kWh

< 0,0

75 Euro

/kWh

0,075 –

0,12

5 Euro

/kWh

> 0,12

5 Euro

/kWh

25

64

190

90

212

155

341

131 130

Potenziale der Stromerzeugung

Die Potenziale der erneuerbaren Energien wachsen in der Zukunft und werden immer preisgünstiger. Strompotenziale für drei Zeitpunkte,aufgeteilt in jeweils drei Kostenklassen.

Import

Fotovoltaik

Geothermie

Windkraft

Biogas

Wasserkraft

Biomasse

0

50

100

150

200

250

300

350

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rund 65 TWh/a. Weitere 190 TWh/a kosten mehr als0,125 Euro/kWh, davon allein 150 TWh/a die Foto-voltaik. Wird die Marktentwicklung aller Technologienausreichend stimuliert, so kann das kostengünstigePotenzialsegment mit Kosten unter 0,075 Euro/kWhinfolge Kostendegressionen und Marktzutritt neuerTechnologien (Offshore-Wind; Geothermie) bis 2010 aufrund 90 TWh/a wachsen. Aus demselben Grund steigtdas Gesamtpotenzial auf rund 450 TWh/a. Längerfris-tig, also nach 2020, kann durch weitere Mobilisierungaller Technologien das kostengünstige Potenzialseg-ment auf rund 350 TWh/a anwachsen. Das Gesamt-potenzial überschreitet 600 TWh/a und damit die heu-tige Stromerzeugung. Gründe dafür sind der dann mögliche Stromimport aus erneuerbaren Energien, diebreite Ausnutzung von Windpotenzialen auf dem Meer(Offshore) und von Potenzialen der Stromerzeugung ausErdwärme. Die bereitstellbare Strommenge des Re-ferenzpotenzials kommt zu etwa zwei Dritteln aus denfluktuierenden Quellen Wind und Solarstrahlung. Einesehr weitgehende Erschließung dieser Potenziale ver-langt daher eine Umgestaltung der Kraftwerksstrukturund eine Anpassung der heutigen Versorgungsnetze

mit deutlichen Veränderungen beim Lastmanagement,der Reservehaltung und der Kraftwerksregelung. Dasich dieser Prozess jedoch über Jahrzehnte hinzieht,kann er im Rahmen der anstehenden Neuinvestitionenunter stetiger Nutzung des technischen Fortschrittsdurchgeführt werden.

In ähnlicher Weise wie das Stromerzeugungspotenziallässt sich das Potenzial zur Nutzwärmebereitstellungstrukturieren (Grafik: Potenziale der Wärmeerzeugung).Insgesamt ergibt sich ein Nutzungspotenzial von 3.500 PJ pro Jahr (Endenergie), was etwa 65 % der derzeitig zur Wärmeerzeugung eingesetzten Brenn-stoffmenge entspricht. Wärme aus erneuerbaren Ener-gien kann durch Einzelsysteme (z.B. Holzheizkessel,Warmwasser-Kollektoren) und mittels kleinerer undgrößerer Wärmenetze bereitgestellt werden. Letzterespielen bei einer weitgehenden Erschließung des Wär-memarktes eine sehr große Rolle. Vielfach ist nur übersie eine Nutzung möglich (Erdwärme, Kollektorwärmefür Raumheizung in größerem Ausmaß, Anlagen derKraft-Wärme-Kopplung mit Biomasse). Durch die Wär-meverteilung verteuert sich die Wärme; typische Wär-

95

Potenz ia l in PJ/a

< 0,0

75 Euro

/kWh

0,075 –

0,12

5 Euro

/kWh

> 0,12

5 Euro

/kWh

< 0,0

75 Euro

/kWh

0,075 –

0,12

5 Euro

/kWh

> 0,12

5 Euro

/kWh

< 0,0

75 Euro

/kWh

0,075 –

0,12

5 Euro

/kWh

> 0,12

5 Euro

/kWh

345

465

235

850

1.040

305

1.425

Ω 1.815

215

Quel le : HGF 2001 Potenziale der Wärmeerzeugung

Wärmepotenziale aus erneuerbaren Energieträgern für drei Zeitpunkte, aufgeteilt in jeweils drei Kostenklassen

2 0 0 0 2 0 1 0 2 0 2 0

Geothermie Solarkollektoren Biogas Biomasse

250

500

750

1.000

1.250

1.500

1.750

0

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meverteilkosten von Nahwärmenetzen liegen zwischen 2 und 3 Cent/kWh. Da aber größere zentrale Heiz-anlagen geringere spezifische Kosten als Kleinanlagenfür Einzelgebäude aufweisen, sind die Gesamtwärme-kosten auf der Basis von Nahwärmeversorgungen beisorgfältiger Auslegung und vollständiger Nutzung desNetzes oft geringere als diejenigen von Einzelheizun-gen. Zu beachten ist, dass solche Wärmenetze auch inbereits bestehenden Siedlungsquartieren errichtet wer-den müssen, wenn die Potenziale erneuerbarer Ener-gien in ausreichendem Maße erschlossen werden sol-len.

Etwa zwei Drittel des Wärmepotenzials erneuerbarerEnergien steht jedoch derzeit aus strukturellen undtechnischen Gründen noch nicht unmittelbar zurVerfügung. Das betrifft solare Nahwärmeanlagen zurRaumheizung mit saisonalem Speicher, die Nutzungvon Wärme aus tiefen Bodenschichten und Biomasseaus Energieplantagen. Das preisgünstige Potenzialunter 0,075 Euro/kWhth in Höhe von derzeit knapp 350 PJ/a, welches bei einem Heizölpreis von etwa 0,5 Euro/Liter wirtschaftlich ist, besteht ausschließlichaus Biomassereststoffen. Kostensenkungen, insbesonde-re bei Kollektoranlagen, erhöhen dieses Potenzial biszum Zeitpunkt 2010 auf rund 850 PJ/a. Ist im Jahr 2020das technische Potenzial vollständig erschließbar, sokann etwa 40 % davon (1.400 PJ/a) in diese Kostenkate-gorie eingestuft werden.

Aus der bisher geringen Ausschöpfung des Potenzialsder erneuerbaren Energien sollte nicht der Schluss ge-zogen werden, dass allein wirtschaftliche Erwägungeneine schnelle Ausweitung erneuerbarer Energien beein-trächtigen. Von ebenso großer Bedeutung für ihre kon-tinuierliche, möglichst ungestörte Erschließung ist dieBerücksichtigung der Investitionszyklen im Gebäude-und Kraftwerksbereich. Ein beschleunigter Ausbau dererneuerbaren Energien, wie sie in den Überlegungenzu einem wirksamen Klimaschutz zum Ausdruck kom-men, erfordert daher ihre rechtzeitige und vorrangigeEinbeziehung in alle Planungen und Investitionsent-scheidungen, welche die Energieversorgung und insbe-sondere den Siedlungsbereich betreffen.

Erneuerbare Energien für Entwicklungsländer

Aus der Sicht der Energieversorgung werden Entwick-lungsländer gewöhnlich mit “dezentralen”, d.h. nichtoder nur wenig vernetzten Versorgungsstrukturengleichgesetzt, also mit isolierten Verbrauchern, die kei-nen Zugang zu einem Stromnetz haben und die wegengeringer Einkommen nur in geringem Maße über Ölverfügen. Dies trifft heute in der Tat für rund zweiDrittel (knapp 3 Mrd. Menschen) der Bevölkerung derEntwicklungsländer bzw. die Hälfte der Menschheit zu.Rund 2 Mrd. Menschen verfügen über keine Strom-versorgung aus Stromnetzen. Sie sind im wesentlichenauf die am wenigsten entwickelten Länder konzen-triert. Dort ist auch der Verbrauch nichtkommerzieller

Energie, also von Brennholz hauptsächlich für Koch-zwecke, am höchsten. Er ist in vielen Ländern ebensohoch wie der Verbrauch kommerzieller Energie. VielenMenschen in diesen Ländern gelingt ein Überleben nurdank des zeitaufwändigen, körperlich anstrengenden,aber dennoch unproduktiven und ökologisch bedenk-lichen Sammelns von Brennholz.

Gleichzeitig befinden sich die Entwicklungsländer je-doch in einem unaufhaltsamen Urbanisierungsprozess.Bereits in 15 Jahren wird die Hälfte ihrer Bevölkerung(2015 insgesamt 6 Mrd.) in Städten wohnen, die oftmalsdeutlich größer sind als die der nördlichen Hemisphä-re. Von den derzeit 15 Städten mit mehr als 10 Millio-nen Einwohnern liegen 11 Städte mit zusammen 140 Mio. Menschen in Entwicklungsländern, wobeiMexico City, Sao Paulo und Bombay die größten sind.Im Jahr 2010 werden bereits mehr als 20 Städte dieserGröße mit dann 350 Mio. Menschen in den Entwick-lungsländern zu finden sein. Eine weitere MilliardeMenschen wird in Städten mit über 1 Mio. Einwohnernleben.

Diese Entwicklung ist auch für die Ausgestaltung derzukünftigen Energieversorgung in diesen Ländern vongroßer Bedeutung. Sie stehen vor einer weit größerenHerausforderung als die Industrieländer, wenn es umdie Annäherung an eine nachhaltige Energieversor-gung geht. Sie muss nämlich gleichermaßen für beideBereiche – stark wachsende Ballungsräume und ländli-che Regionen – nachhaltige Lösungsansätze anbieten.Erneuerbare Energien stehen in diesen Ländern ausPotenzialsicht zwar reichlich zur Verfügung, sie könnenallerdings nur mit technischer und vor allem finanziel-ler Hilfe der Industrieländer in dem notwendigen Maßeerschlossen werden. Auch Effizienzsteigerungen bei derErzeugung (Kraft-Wärme-Kopplung im industriellenund gewerblichen Bereich, hocheffiziente Gas-Kraft-werke) und erst recht bei der Nutzung von Energie sindvon enormer Bedeutung; ebenso eine Erneuerung undVerbesserung der bestehenden Infrastruktur.

In den ländlichen Gebieten weniger entwickelter Län-der sind bereits heute die “vor Ort” befindlichen erneu-erbaren Energien die einzig sinnvolle Versorgungs-möglichkeit, da schlechte Verkehrsinfrastrukturen dieohnehin schon knappen fossilen Energieträger nochmehr verteuern. Es gilt daher, mit “angepassten” dezen-tralen Technologien, wie Kleinwasserkraft, Fotovoltaik,Windenergie sowie effizienter Biogas- und Biomasse-nutzung möglichst rasch die Grundbedürfnisse nachEnergie für die Landbevölkerung auf der Basis erneuer-barer Energien sicherzustellen. Damit könnte mögli-cherweise auch der Urbanisierungstrend verlangsamtwerden.

Die Hemmnisse, die bei der Realisierung von dezentra-len erneuerbaren Energietechnologien in Entwicklungs-ländern auftreten, sind zumeist anderer Art als in In-dustrieländern. Von besonderer Bedeutung ist die Dis-krepanz zwischen hohen Investitionskosten erneuerba-

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rer Energien und mangelnden Finanzierungsmöglich-keiten. Daher werden bereits unterschiedliche Finan-zierungsmechanismen ausprobiert. Kleine Solarsystemekönnten z.B. von großen Firmen vorfinanziert unddann durch Eingabe eines Passwortes, das man gegeneine monatliche Bezahlung erhält, freigeschaltet wer-den. Aber auch ganz pragmatische Probleme gilt es zulösen: Ersatzteilmangel, fehlende Verkehrsinfrastruktur– Turbinengehäuse von Wasserkraftwerken müssen aufden Rücken menschlicher Träger transportiert werden –,eine gelungene soziale Integration von Technologien inden Alltag der Bevölkerung u.v.a.m.

Doch damit ist es bei weitem nicht getan. Teil einerEntwicklungsstrategie im Energiebereich müssen eben-so dringlich größere “zentrale” Anlagen auf der Basisvon erneuerbaren Energien sein, also größere netzge-koppelte Windparks, Wasserkraftwerke in angemesse-ner Größe und solarthermische Kraftwerke, welche diebestehenden und sich rasch ausdehnenden städtischenRegionen mit erneuerbaren Energien in ausreichen-dem Maß versorgen. Notwendig sind integrierte “Sys-temlösungen”, die genau auf die jeweiligen Bedürfnisseausgerichtet sind und zumeist aus einer Vielzahl vonunterschiedlichen Anlagen bestehen werden. Auch dieProduktionskenntnisse und -kapazitäten in den Länderngilt es zu berücksichtigen.

“Nord” und “Süd” — Nutznießer einer gemeinsamenEnergiestrategie

In den Industrieländern findet bereits eine “Neuopti-mierung” der Energieversorgungsstrukturen in Rich-tung von mehr “Dezentralität” und “Integration in Sys-temlösungen” statt. Sie wird angetrieben durch techno-logische Entwicklungen bei Energietechnologien (z.B.Gasturbinen, Brennstoffzellen, erneuerbare Energien)und bei Informations- und Kommunikationstechnolo-gien (Management vieler dezentraler Anlagen), aberauch durch die fortschreitende Liberalisierung derEnergiemärkte, die eine geringere Kapitalbindung, kür-zere Planungs- und Bauzeiten sowie eine höhere Flexi-bilität und Reaktionsfähigkeit auf veränderte Rahmen-bedingungen verlangt. Für die Entwicklungsländerwäre es wenig zukunftsweisend, die bereits überholten,stark zentral orientierten Energieversorgungssystemeder Industrieländer nachzuahmen. Sie sollten von vorn-herein eine möglichst “optimale” Kombination vondezentralen und zentralen Energieversorgungstechno-logien aufbauen.

Unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten, d.h. auch unterder Prämisse, auf lange Sicht einen möglichst hohenAnteil von erneuerbaren Energien mobilisieren zu kön-nen, lautet die Alternative nicht “zentral” oder “dezen-tral”, sondern sie liegt in der effizientesten und zweck-mäßigsten Vernetzung von Anlagen unterschiedlicherGröße und Leistung. Die Entwicklungsländer könntenso den Weg zu einer zukunftsfähigen Energieversor-gung “abkürzen” und somit Entwicklungsdefizite im

Energiebereich rasch aufholen. Hierzu müssen aber dieIndustrieländer zunächst einmal tatkräftig Unterstüt-zung leisten, sowohl in der Konzipierung und der tech-nischen Ausgestaltung der Energiesysteme als insbeson-dere auch in finanzieller Hinsicht. Diese Unterstützungträgt längerfristig Früchte für beide Ländergruppen.

Wegen der Dominanz der Strahlungsenergie habensüdliche Länder sehr hohe Potenziale an erneuerbarenEnergien, die selbst ihren zukünftig denkbaren Ver-brauch bei weitem übersteigen. So ließe sich etwa al-lein in Marokko mit Hilfe solarthermischer Kraftwerkeeine Strommenge erzeugen, die dem heutigen Welt-stromverbrauch entspricht. Die Nutzung regenerativerQuellen allein für den nationalen Verbrauch ist alsonicht die einzige Perspektive für die heutigen Entwick-lungsländer. Da längerfristig mittels Elektrizität oderchemischer Energieträger auch ein kontinentaler Ener-gieaustausch bzw. eine globale Versorgung auf derBasis erneuerbarer Energien technisch möglich ist –ähnlich wie dies heute mit Erdgas und in Grenzen auchmit Elektrizität bereits der Fall ist – können derartigeLänder in einigen Jahrzehnten “Exportregionen” fürentsprechende aus erneuerbaren Energiequellen ge-wonnene kostengünstige und unerschöpfliche Energie-träger werden. Dies bringt erhebliche Vorteile für beidePartner, da sich gemeinsam wesentlich größere Poten-ziale zu beider Nutzen erschließen lassen. Eine derarti-ge Strategie ist in vollem Einklang mit den im Kapitel“Nachhaltigkeitsanforderungen an die Energieversor-gung” aufgeführten Leitlinien einer nachhaltigenEnergiewirtschaft.

Energie ist nicht das einzige knappe Gut. In vielenLändern zeichnet sich in den kommenden Jahrzehntenein erheblicher Mangel an sauberem Wasser vor allemfür die landwirtschaftliche Nutzung ab. So rechnetNordafrika bis 2025 mit einem Defizit an trinkbaremWasser in der Größenordnung der Wassermenge desNils. Ein wichtiger Beitrag zur nachhaltigen Entwick-lung der Länder in den Trockengebieten der Erde istdeshalb die kombinierte Bereitstellung von Elektrizitätund Trinkwasser. Dazu können solarthermische Kraft-werke in Kraft-Wärme-Kopplung eingesetzt werden. Dieausgekoppelte Wärme dient zur thermischen Meerwas-serentsalzung, die im Gegensatz zum Revers-Osmose-Verfahren Wasser mit einem für die landwirtschaftlicheBewässerung ausreichend reduzierten Salzgehalt liefert.Die Herstellung von entsalztem Wasser wäre dabei so-gar vorrangiges Ziel: Strom fällt quasi als Nebenproduktan und kann sowohl im Erzeugerland genutzt odermittels Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ)nach Mitteleuropa exportiert werden. Die Übertra-gungskosten z.B. von Marokko liegen im Bereich weni-ger Cents pro Kilowattstunde, so dass in Mitteleuropalangfristig Kosten für importierten Solarstrom vonunter 6 Cent/kWh erreichbar sind. Für diesen Zweckwerden leistungsfähige Leitungen benötigt, wie sie bis-her weltweit mit knapp 60 GW Leistung und Übertra-gungslängen von bis zu 2.500 km je Leitung realisiertwurden.

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Der Ausbau derartiger HGÜ-Leitungen für den regene-rativen Stromverbund könnte Bestandteil zukünftigereuropäischer Investitionsplanungen sein und als Infra-strukturmaßnahme für eine nachhaltige Entwicklungeingestuft werden. Die Mittelmeerländer sind schonheute von zurückgehenden Niederschlägen als Folgedes Klimawandels betroffen. Eine beschleunigte Um-stellung Europas auf CO2-freien Strom ist deshalb ge-nauso im Interesse dieser Länder wie die emissionsfreieErzeugung großer Mengen Trinkwasser. Auf diese Wei-se könnten solarthermische Kraftwerke und anderestromerzeugende Technologien zur Nutzung erneuer-barer Energien Teil einer internationalen Kooperationzum globalen Klimaschutz und zur nachhaltigen Ent-wicklung beider Regionen werden. Eine derartige Stra-tegie würde auch dazu beitragen, das Risiko nationalerund internationaler Konflikte um die knappen und zu-nehmend teuren Güter Wasser und Energie zu reduzie-ren. Subventionierte Entwicklungshilfe würde so zuneh-mend durch die Erträge aus dem “grünen Stromhan-del” Nordafrikas und Europas ersetzt. Dabei werden diesynergetischen Potenziale beider Regionen, von denendie eine über große technische und finanzielle Mittelverfügt und einen großen Energiebedarf aufweist, wäh-rend die andere über große Sonnenenergie- und Flä-chenpotenziale verfügt, zur gemeinsamen nachhaltigenEntwicklung und wirtschaftlichen Zusammenarbeitgenutzt.

Die ökologischen Qualitäten der erneuerbarenEnergien

Das Kapitel “Nachhaltigkeit und Energie” hat gezeigt:Noch weist unser Energiesystem zahlreiche Nachhaltig-keitsdefizite auf, insbesondere im ökologischen Bereich.Es basiert auf Energieträgern, deren Reichweite be-grenzt ist. Es belastet unsere Atmosphäre, unsere Bödenund Gewässer mit Schadstoffen und Treibhausgasen.Und nicht nur das: Leckagen in Ölpipelines, Tanker-havarien und flächenzehrender Kohleabbau, eine unge-löste Entsorgungsfrage des Atommülls und die Möglich-keit von Reaktorunfällen: Die Liste der Umweltproble-me im Energiebereich ist lang.

Der intensive Einsatz von erneuerbaren Energien ver-spricht Abhilfe. Die Brennstoffe der entsprechendenNutzungstechniken sind die uns umgebenden natür-lichen Energieströme der Solarstrahlungsenergie unddes Windes, die Energie des fließenden Wassers undder Wellenenergie, der Energieinhalt der Biomasse undder Erdwärme. Mit der Nutzung dieser der Natur inne-wohnenden Energieströme wird vermieden, dass wei-terhin fossile oder nukleare Energievorräte auf unsererErde verbraucht werden müssen.

Erneuerbare Energien sind vor allem klima- undressourcenverträgliche Energien. Mit einer Einschrän-kung. Denn die Anlagen zur Nutzung dieser Energie-

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Europa Nordafrika

Technologieressourcen

Sonnenenergieressourcen

Finanzressourcen

Landressourcen

Strombedarf

Wasserbedarf

Pot. Europa Synergetisches Potenzial Pot. Nordafrika

Synergetische Potenziale Europas und Nordafrikas zur gemeinsamen nachhaltigen Entwicklung einer Energieversorgung. Mittels einestranskontinentalen Stromverbunds zur gemeinsamen Nutzung der ergiebigsten erneuerbaren Energiequellen dieser Region können diesePotenziale erschlossen werden.

Synergetische PotenzialeQuel le : DLR

Solarthermische Stromerzeugung, Wasserentsalzung Windkraft Wasserkraft

Geothermie HGÜ-Verbundnetz erweitertes Verbundnetz

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ströme müssen errichtet und betrieben und nach ihrerNutzungszeit auch wieder demontiert werden. Dazusind Rohstoffe und Energie erforderlich. Wie hoch sinddie dadurch entstehenden Auswirkungen auf die Um-welt im Vergleich zu konventionellen Energien? Mankann dies an zwei Kennzahlen deutlich machen: Ein-mal an der energetischen Amortisationszeit, also derZeit, die ein Energiesystem benötigt, um die Energie zuerzeugen, die zur Herstellung, zum Betrieb und zurEntsorgung benötigt wird, zum anderen sind es diedabei entstehenden Treibhausgas-Emissionen.

Die energetische Amortisationszeit für die reine Anla-genherstellung liegt für fossil gefeuerte Kraftwerke undfür Kernkraftwerke bei zwei bis drei Monaten Betriebs-zeit für die Anlagen. Aber bezogen auf den gesamtenBetrieb amortisieren sich diese Anlagen nie, denn esmuss immer mehr Energie in Form von Brennstoffenhineingesteckt werden, als man hinterher als Nutz-energie erhält!

Wasser-, Wind- und solarthermische Kraftwerke benöti-gen zur Amortisation der Herstellungsenergie zwischendrei und dreizehn Monaten, also deutlich weniger, alses ihrer Nutzungsdauer entspricht. Danach liefert jedeBetriebsstunde “ökologisch umsonst” wertvolle Energie!Die Solarzellenherstellung ist energetisch aufwändi-ger. Heutige Anlagen mit kristallinem Silizium als Basis-material haben in unseren Breiten energetische Amorti-

sationszeiten von einigen Jahren, ihre Lebensdauer istjedoch ein Vielfaches höher. Man erwartet durch weite-re Fortschritte in der Fertigungs- und Solarzellentech-nologie eine Verringerung dieses Wertes auf ein biszwei Jahre innerhalb des nächsten Jahrzehnts.

Ähnliche Verhältnisse liegen bei der Wärmeerzeugungvor. Solare Kollektoranlagen brauchen zwischen 18 und 30 Monaten, Anlagen mit hydrothermaler Erd-wärmenutzung nur sieben bis zehn Monate. Systemezur Nutzung erneuerbarer Energien holen also imLaufe ihrer Betriebszeit ein Vielfaches der Energie wie-der herein, die zu ihrer Herstellung erforderlich war –ganz im Gegensatz zu fossil gefeuerten Anlagen undauch Kernkraftwerken.

Dieser geringe Ressourcenverbrauch kommt auch inden damit verbundenen Emissionen von Treibhausga-sen zum Ausdruck. Diese Emissionen der Anlagenher-stellung, wobei die heutige Energieversorgungsstrukturzugrunde gelegt wurde, liegen für die Techniken zurNutzung erneuerbarer Energien – sieht man von derFotovoltaik ab – zwischen 10 und 25 g/kWh Nutzener-gie. Bei der Fotovoltaik sind mittelfristig Reduktionenauf etwa 50 g/kWh möglich. Beim Einsatz von Biomas-se in Heizkesseln schwanken die Werte je nach Anbauund Ernte des Holzes zwischen 20 und 65 g/kWh Nutz-energie. Die Treibhausgas-Emissionen fossiler Energie-anlagen sind dagegen deutlich höher. Wird zukünftig

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Die energetische Amortisationszeit beschreibt die Zeit, die die Anlage braucht, um die Energie für Herstellung, Betrieb und Entsorgungwieder hereinzuholen. (* Kraftwerke und Kessel auf Basis erschöpflicher Energieträger amortisieren sich energetisch nie, da sie immermehr Brennstoffe verbrauchen, als sie Nutzenergie erzeugen.)

Energetisches Potenzial für Herstellung, Betrieb und Entsorgung

Stromerzeugung im Vergleich zum heutigen Strommix

Wärmeerzeugung im Vergleich zu einem Erdgaskessel

Windkraft 3 bis 7 Monate

Wasserkraft 9 bis 13 Monate

Solarthermisches Kraftwerk in Marokko 5 Monate

Fotovoltaik in Mitteleuropa • Polykristallines Silizium, moderne Herstellungstechnologie 3 bis 5 Jahre• Dünnschicht-Zellen 2 bis 3 Jahre

Gaskraftwerk Nie *

Kohlekraftwerk Nie *

Atomkraftwerk Nie *

Sonnenkollektoren 1,5 bis 2,5 Jahre

Geothermie (hydrothermal) 7 bis 10 Monate

Gaskessel Nie *

Ölkessel Nie *

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die Energieversorgung höhere Anteile erneuerbarerEnergien aufweisen, so sinken die Treibhausgas-Emis-sionen, die aus der Herstellung der Anlagen resultie-ren, weiter ab, da zur Anlagenherstellung dann auchemissionsarme Energie eingesetzt wird und der techni-sche Fortschritt eine effizientere und ökologischereProduktion ermöglicht. Erneuerbare Energien könnenalso aus Ökobilanzsicht selbst unter Einbeziehung derAufwendungen zur Anlagenerstellung als ökologischsehr verträgliche Energietechniken bezeichnet werden. Für einen ökologisch optimierten Ausbau erneuerbarer

Energien ist es wichtig, dass darüber hinaus weitereUmweltanliegen gebührend berücksichtigt werden.Neben den Umweltwirkungen, die mit der Herstellung,dem Betrieb und der Entsorgung der Anlagen verbun-den sind, gibt es weitere, für jede einzelne Technologiecharakteristische Problembereiche, die sie in Konfliktmit dem Naturschutz bringen können.

Windanlagen müssen naturgemäß an windreichenund damit exponierten Standorten aufgestellt werden.Eine Anlagenplanung muss daher selbstverständlich

100

CO 2-Äqu iva lent in g/kWh th

Quel le : DLR

Solare Kleinanlage Solare Nahwärme Geothermie Holzhackschnitzel,Min. /Max.

Brennwertkessel,Gas

Brennwertkessel,Öl

Elektro-Wärmepumpe

CO 2-Äqu iva lent in g/kWh el

Quel le : DLR

WasserMin. /Max.

WindMin. /Max.

FotovoltaikMin. /Max.

SolarthermischeKraftwerkeMin. /Max.

Steinkohle Erdgas GuD Kernenergie

Treibhausgas-Emissionen bei der Wärmeerzeugung

Treibhausgas-Emissionen verschiedener Wärmeerzeugungstechnologien, ausgedrückt in CO2-Äquivalenten je Kilowattstunde Nutzenergie:Sie sind für erneuerbare Energien sehr klein gegenüber der Nutzung fossiler Brennstoffe.

Treibhausgas-Emissionen bei der Stromerzeugung

Treibhausgas-Emissionen verschiedener Stromerzeugungstechnologien, die sowohl für erneuerbare Energien als auch für Kernenergie sehrklein gegenüber der Nutzung fossiler Brennstoffe sind

100

200

300

400

0

200

400

600

800

1.000

0

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alle naturschützerischen Belange wie auch die Verträg-lichkeit mit Vogelflugrouten u.ä. berücksichtigen. Diesist durch die gesetzlichen Vorgaben und die Auswei-sung von Vorrangs- und Eignungsgebieten sicherge-stellt. Bei Offshore-Windparks muss darüber hinaus dieVerträglichkeit mit der Meeresfauna sichergestellt sein.Selbst die umstrittene Beeinträchtigung des Land-schaftsbildes, speziell in den stark strukturierten Mittel-gebirgsregionen, kann teilweise einer sachlichen Be-trachtung zugeführt werden, wenn etwa Flächen be-sonderer visueller Sensitivität mit entsprechenden GIS-gestützten (Glossar) Verfahren dargestellt werden undso eine Abwägung zwischen Klimaschutz und den loka-len optischen Auswirkungen einer Windkraftanlagestattfinden kann.

Auch die Nutzung von Wasserkraft kann mit weiterenökologischen Problemen behaftet sein. Bei Laufwasser-kraftwerken können Fischwanderungen durch Unter-brechung des Gewässerflusses erschwert werden. DerBau von Wehren, Ausleitungskanälen und Aufstauun-gen und die Verringerung der Fließgeschwindigkeit,Turbulenz und Schleppkraft des Gewässers veränderndie Gewässerstruktur, den Transport von Sedimentenund den ökologischen Haushalt des Gewässers und sei-ner Umgebung. Stauwasserkraftwerke können außer-dem zu Nutzungskonflikten mit der Landwirtschaft undzu einer Modifikation weitflächiger Gebiete durchÜberflutung führen. Gleichzeitig werden sie aber auchfür den Hochwasserschutz und die Bereitstellung vonTrinkwasser eingesetzt.

Der Zielkonflikt zwischen Klima- und Gewässerschutzkann durch gewässerbauliche Maßnahmen gemildertwerden. Beispielsweise verbessern Fischtreppen, Um-gehungsgerinne und Lockströmungen die Längsdurch-gängigkeit der Flüsse. Die deutsche Gesetzgebung aufBundes- und Länderebene regelt die Umweltverträglich-keit der Wasserkraftwerke. Beispielsweise können Min-destwassermengen bei Ausleitungskraftwerken dieVerschlammung und das Absterben des Mutterbettesverhindern. Umweltverträglichkeitsprüfungen alsGrundlage für die Genehmigung stellen hohe Anfor-derungen an die ökologische Qualität der Anlage.

In Deutschland wird sich der noch mögliche Ausbauder Wasserkraft auf die Reaktivierung und Sanierungvon Altanlagen oder den Neubau von Anlagen an be-reits bestehenden Standorten konzentrieren. Bei sensi-bler Planung und Ausführung kann dabei neben einererhöhten Stromerzeugung sogar ein Gewinn für denGewässer- und Naturschutz herauskommen, da dieNeuanlagen wesentlich umweltverträglicher gestaltetwerden können, als dies bei den frühen Anlagen derFall war. Auch eventuelle Neubauten (z.B. am Ober-rhein) werden in durch frühere menschliche Eingriffebereits veränderten Flussabschnitten liegen und so die

Chancen eröffnen, seinerzeit begangene Fehler zu mil-dern. An völlig unberührten Gewässerabschnitten, dieman hauptsächlich noch an kleineren Flüssen findet,ist daher auch folgerichtig der Bau von Wasserkraft-werken auszuschließen.

Die Nutzung von Biomasse ist insbesondere hinsicht-lich ihres Flächenbedarfs genau zu analysieren. Heuteund in naher Zukunft handelt es sich bei den einge-setzten Bioenergieträgern vor allem um Rest- und Ab-fallstoffe. Ein deutlich verstärkter Einsatz von Biomasseim Energiebereich erfordert aber mittelfristig auch denAnbau von Energiepflanzen, wobei insbesondere an dieTreibstoffherstellung gedacht wird. Zunächst kann die-ser Anbau auf den Stilllegungsflächen erfolgen, die sichdurch den Abbau des Überschusses in der Nahrungs-mittelproduktion ergeben. Längerfristig tritt der ener-getische Biomasseanbau jedoch in Konkurrenz zu derökologisch wünschenswerten Extensivierung der Land-wirtschaft. Dies muss frühzeitig berücksichtigt werden.Punktuell kann sich aus Sicht des Naturschutzes sogarder Wunsch ergeben, möglichst viel Biomasse einerenergetischen Verwendung zuzuführen und so dieKosten für die Pflege von Kulturlandschaften zu min-dern. Dies ist der Fall bei Landschaftspflegeholz (z.B.Heidelandschaften) oder Überschüssen an Schilf oderWasserpflanzen.

Alle Umweltbeeinträchtigungen durch die Nutzungerneuerbarer Energien müssen sorgsam analysiert wer-den, damit sich bei dem Versuch, ein langfristig nach-haltiges Energiesystem zu gestalten, nicht neue Pro-blembereiche einschleichen. Eine genaue Planung, dieEinbettung in die örtlichen Gegebenheiten, ein ange-passter Einsatz von Technologien, die Rücksichtnahmeauf ökologische Mindestkriterien und ein gesunder Mixunterschiedlicher erneuerbarer Energieträger müssenein Maximum an Umweltverträglichkeit bei der Ener-giebereitstellung garantieren. Das Bundesumwelt-ministerium fördert daher im Rahmen unterschied-licher Vorhaben die genaue Analyse der ökologischenVorzüge und auch Schwachstellen erneuerbarer Ener-gien, eine ökologische Begleitforschung von verschiede-nen Sparten erneuerbarer Energien sowie Strategienund Maßnahmen zur ökologischen Optimierung desAusbaus erneuerbarer Energien.

Was so für erneuerbare Energien selbstverständlicherMaßstab für ihre umweltverträgliche Nutzung ist, mussnatürlich auch für die heute noch genutzten Energie-arten gelten. Sonst besteht die Gefahr einer einseitigenBetrachtung und Bewertung. Sie kann schnell dazu füh-ren, selbst geringe lokale Wirkungen der Nutzungerneuerbarer Energien als bedenklich einzustufen unddie wesentlich schwer wiegenderen Auswirkungen derNutzung fossiler und nuklearer Energien für unserengesamten Lebensraum aus den Augen zu verlieren.

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Heutige Energienutzung in Deutschland

In Deutschland wurden 2003 etwa 14.330 PJ Primär-energie verbraucht; das entspricht knapp 340 Mio. tRohöleinheiten oder knapp 4.000 Mrd. kWh. Damitbeträgt der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch an Energie174 GJ entsprechend 6 t Steinkohle oder 48.500 kWh.Die Energieversorgung stützt sich nach wie vor haupt-sächlich auf Mineralöl, das im Jahr 2003 mit rund 36 %zur Deckung des Bedarfs beitrug. Die Bedeutung derStein- und der Braunkohle hat dagegen in den letztenJahren abgenommen. Beide zusammen tragen einViertel zur Bedarfsdeckung bei und dienen in ersterLinie der Stromerzeugung. Immer bedeutender wirdErdgas mit derzeit 23 %; die Versorgung stützt sichneben heimischer Förderung insbesondere auf nieder-ländische, norwegische und russische Quellen. Kern-energie hat einen Anteil von knapp 13 % am Primär-energieverbrauch Deutschlands, liegt also erst an vier-ter Stelle.

Erneuerbare Energien – das sind insbesondere Bio-masse und Wasserkraft und seit einigen Jahren inwachsendem Maße auch Windenergie – deckten imJahr 2003 mit knapp 450 PJ/a etwa 3,1 % des Primär-energiebedarfs Deutschlands. Die Bedeutung erneuer-barer Energien bei der Elektrizitätserzeugung ist weitgrößer. Im Jahr 2003 erzeugten sie 8 % des gesamtenStroms mit weiter steigender Tendenz. Den größtenAnteil davon liefern noch Wasserkraftwerke; aber auchWindkraftwerke steuern mittlerweile mehr als 3 % zurStromerzeugung bei. Zur Wärmeversorgung tragen

erneuerbare Energien inzwischen mit gut 4 % bei. Dortist es vor allem Holz, während der Beitrag von Solar-kollektoren und der Geothermie noch relativ gering ist.Am Kraftstoffverbrauch haben erneuerbare Energien inForm des Biodiesels inzwischen einen Anteil von 0,9 %.

Private Haushalte verbrauchen derzeit rund 29 % dergesamten Endenergie. Der Verbrauch des Verkehrssek-tors ist im letzten Jahrzehnt kontinuierlich gestiegen,da insbesondere der Straßenverkehr stark zugenommenhat. Seit 1999 ist er auf gleicher Höhe mit den privatenHaushalten, 1990 lag der Anteil des Verkehrs am End-energieverbrauch noch bei 25 %. Dagegen ist der Ver-brauch der Industrie immer weiter zurückgegangen,bedingt durch den Einsatz immer sparsamerer Tech-nologien, sowie durch den wirtschaftlichen Struktur-wandel von energieintensiven Produkten hin zu Dienst-leistungen. Heute benötigen wir für die industrielleProduktion noch 25 % der Endenergie, der Sektor Han-del, Gewerbe und Dienstleistungen benötigt die rest-lichen 17 %. Wegen dieser gegenläufigen Tendenzen istder Endenergieverbrauch seit etwa zehn Jahren nahezuunverändert geblieben und lag 2003 bei 9.200 PJ/a.

Rationellere Energiewandlung und -nutzung — eine notwendige Voraussetzung für eine nachhaltigeEnergiezukunft

Der Verbrauch an Primärenergie ist trotz deutlichhöherer Wirtschaftsleistung seit Jahren relativ konstantgeblieben, er konnte vom Wirtschaftswachstum entkop-

PERSPEKTIVEN ERNEUERBARER ENERGIEN IMRAHMEN EINER NACHHALTIGEN ENTWICKLUNG

Quel le : AG Energ ieb i lanzen / BMU 2003

25,4 %

21,2 %

12,6 %

37,7 %

3,1 %

2,1 %1,9 %PV = 0,3 %

17,1 %

15 %

63,6 %

Gesamte Primärenergie Erneuerbare Energien

Struktur des Primärenergieverbrauchs 2003 in Deutschland und Einzelbeiträge der erneuerbaren Energien (PV = Fotovoltaik)

Primärenergieverbrauch und erneuerbare Energien

Erneuerbare Energie

PV / Solarkollektoren

Kernenergie

Erdwärme

Naturgas

Windenergie Wasserkraft Biomasse

Erdöl Kohle

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pelt werden. Die Wirtschaftsleistung wird also je Ein-heit mit ständig weniger Energieeinsatz bereitgestellt;die Energieintensität, das Verhältnis aus Energieeinsatzund Bruttoinlandsprodukt, sinkt. Dahinter steht einer-seits der ständige technische Fortschritt bei Wandlungund Nutzung von Energie, andererseits bewirkt auchder parallel verlaufende Strukturwandel in der Indus-trie und die Verschiebung von Industrieproduktion zurDienstleistungsbranche eine Verringerung dieses Koef-fizienten.

Dieser Prozess lief beim Primärenergieverbrauch stetigab mit durchschnittlich 1,5 % Absenkung je Jahr in denletzten 20 Jahren, hat sich aber in den letzten Jahrenverlangsamt. Heute wird weniger als die Hälfte anEnergie für dieselbe Wirtschaftsleistung benötigt als imJahr 1950. Anders sieht die Situation beim Stromver-brauch aus. Bis Mitte der 80er Jahre hat der spezifischeStromverbrauch je Einheit Wirtschaftsleistung stetigzugenommen. Seither wächst der Stromverbrauch deut-lich langsamer, die Absenkung der Stromintensitätreicht aber noch nicht aus, um den absoluten Anstiegdes Stromverbrauchs vollständig zu stoppen.

Da Energie nicht kostenlos genutzt werden kann, wur-den und werden Maßnahmen zur Senkung des Ener-gieverbrauchs seit jeher durchgeführt. Allerdings hat-ten im Allgemeinen betriebswirtschaftliche Gesichts-punkten dabei Vorrang. Die technischen Potenziale zurErhöhung der Energieeffizienz werden aber bei weitemnoch nicht ausgeschöpft. Gleichermaßen gilt dies fürdie wirtschaftlichen Potenziale, die heute nicht er-schlossen werden. Dies liegt in erster Linie daran, dassbeim derzeitigen Preisniveau für Energie Investitionenin solche Maßnahmen nicht hinreichend attraktiv er-scheinen. In einer Wirtschaft, die sich vorrangig anden Bedingungen eines liberalisierten und globalisier-

ten Marktes orientiert, werden sehr kurze Amortisa-tionszeiten (das ist der Zeitraum, in dem sich eineInvestition bezahlt gemacht hat) von nur wenigenJahren gefordert. Nicht berücksichtigt wird, dass dietechnische Lebensdauer und damit die Zeit, in der dieEnergieeinsparung gewinnträchtig ist, ein Vielfachesdieser Zeiträume darstellt.

Die Energiekosten stellen nur einen sehr kleinen Teilder Kosten sowohl privater Haushalte als auch der mei-sten Betriebe dar. Die absoluten Kostenreduktionensind also im Vergleich zu anderen Ausgabenbereichen(z.B. Arbeitskosten) gering. Wegen verschiedener exter-ner Effekte spiegeln die Energiekosten in der Regelauch nicht die gesamten volkswirtschaftlichen Kostender Energiebereitstellung wieder (siehe Kasten: ExterneKosten im Kapitel “Nachhaltigkeitsanforderungen andie Energieversorgung”). Erst wenn sich Energiepreisein Relation zu anderen Kosten deutlich verändern, kön-nen verstärkte Anstrengungen zur rationellen Energie-nutzung erwartet werden. Dies ist der Ansatzpunkt derökologischen Steuerreform. Aber selbst wenn Sparmaß-nahmen unter heutigen Bedingungen schon wirtschaft-lich und mit entsprechend kurzer Amortisationsdauerdurchgeführt werden können, unterbleiben sie in derRealität häufig. Es gibt eine Vielzahl von Hemmnissenoder Trägheiten. Hierzu gehören neben unzureichen-der Information über technische Verbesserungsmög-lichkeiten die bestehenden, verbrauchsförderndenStrukturen und ein vielfach sorgloser und unbedachterKonsum. Problematisch ist auch, dass der betriebswirt-schaftliche Optimierungsprozess nur die Energiegewin-nung, -aufbereitung, -wandlung und -übertragungbetrifft. Die ökonomische Bewertung des eigentlichenNutzens, der Energiedienstleistung, unterbleibt meist. Ein Beispiel macht dies deutlich: Bewohner eines Ge-bäudes sind nicht an Erdgas oder Heizöl interessiert,

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1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005

160

140

120

100

80

60

40

Energ ie intens i tät ( 1970 = 100 %)

Quel le : DLR

Der Primärenergieeinsatz bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt sinkt ständig, auch der Stromeinsatz hat sich diesem Trend seit 1985angeschlossen (vor 1991 nur alte Bundesländer).

Verlauf der Energieintensitäten

Strom

Primärenergie

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sondern an einem warmen, behaglichen Wohngefühl.Diese Energiedienstleistung kann man nicht nur miteiner entsprechenden Heizung, sondern genauso gutdurch eine verbesserte Dämmung und angepasste Bau-weise erbringen. Die dazu erforderlichen Anfangsin-vestitionen müssen der langjährigen Energieeinsparunggegen gerechnet werden. Trotz der über die Lebenszeitder Maßnahmen häufig gegebenen Rentabilität unter-bleibt die energetische Sanierung häufig. Gründe hier-für sind z.B. die geringe Kapitalverfügbarkeit und dieaus der unklaren Entwicklung der Energiepreise resul-tierenden Unsicherheiten. Hinzu tritt vielfach das Ver-mieter-Mieter-Dilemma – die Mehrkosten infolge derInvestitionen müsste der Vermieter auf die Warmmieteumlegen können, da ja der Mieter ständig Heizkosteneinspart. Ein Energiepass für jedes Gebäude, der die“energetische Qualität” und den Energieverbrauchdokumentiert, wäre hierfür nützlich. Und er erhöht dieBereitschaft der Mieter, die Maßnahmen mit zu tragen.

Im Umwandlungsbereich kann der Wirkungsgraddurch den Einsatz moderner Gas-Dampfkraftwerke undweiterentwickelter Kohlekraftwerke noch erheblichgesteigert werden. Vor allem aber die verstärkte Nut-zung der Abwärme von Kraftwerken mittels Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) über Fern- und Nahwärme-netze, aber auch in dezentralen Einzelanlagen senktdie hohen Umwandlungsverluste bei der Stromerzeu-gung deutlich. KWK-Anlagen sind prinzipiell effizienterals die getrennte Bereitstellung von Strom und Nutz-wärme. Die Höhe der realistisch erreichbaren Energie-einsparung und der damit verknüpften CO2-Reduktionhängt allerdings sehr stark von Größe und Bauart derKWK-Anlage, ihrer Auslegung (z.B. Anteil KWK-Wärmezu Wärme aus Spitzenkessel), den Vergleichssystemenund den eingesetzten Brennstoffen ab. Typische An-haltswerte für die Energieeinsparung von KWK-Anla-gen liegen zwischen 15 und 30 %; die mögliche CO2-Reduktion gegenüber einer getrennten Erzeugung liegtje nach eingesetzten Brennstoffen zwischen 0 % (Kohle-KWK) und 50 % (Erdgas-KWK). Je höher der Gesamt-nutzungsgrad und die Stromkennzahl einer KWK-Anlage sind, desto höher fallen ihre energetischen undökologischen Vorteile aus; längerfristig sind also dieentsprechenden Technologien wie GuD-Kraftwerke,Brennstoffzellen- und sehr effiziente Motor-BHKWbegünstigt.

Bei diesen Anlagen gilt hinsichtlich der betriebswirt-schaftlichen Attraktivität entsprechendes wie bei Inves-titionen in die Energieeinsparung. Im liberalisiertenStrommarkt wurde in den letzten Jahren – und wirdnoch auf einige Jahre hinaus – billiger Strom aus abge-schriebenen Altkraftwerken angeboten (nur die Brenn-stoffkosten und die Betriebskosten bestimmen hier dieStrompreise). Investitionen in KWK-Anlagen unterblei-ben vorerst noch, weil sie für ihre betriebswirtschaftli-che Rentabilität zu lange Abschreibungszeiten benöti-gen. Selbst bereits installierte Anlagen wurden in grö-ßerem Ausmaß stillgelegt. Das im April 2002 in Kraftgetreten KWK-Gesetz sollte verhindern, dass sich dieser

Abbau fortsetzt und auch wieder in Neuanlagen inve-stiert wird. Der Erfolg bleibt allerdings deutlich hinterden Erwartungen zurück, so dass für die wünschens-werte dynamische Weiterentwicklung der KWK nochdringender energiepolitischer Handlungsbedarf be-steht.

Die Potenziale zur Energieeinsparung sind vielfältigund beträchtlich. Gründliche Analysen gehen davonaus, dass insgesamt weitere 35 bis 45 % des derzeitigenEnergieverbrauchs eingespart werden könnten, ohnedass an Energiedienstleistungen Abstriche gemachtwerden müssten. Ein großer Anteil wäre durch einebeschleunigte energetische Modernisierung von Alt-bauten, ein weiterer beträchtlicher Anteil durch dierasche Einführung sparsamerer Fahrzeuge mobilisier-bar. Aber auch in anderen Bereichen, z.B. bei elektri-schen Haushaltsgeräten und der Industrie, sind nocherhebliche Einsparungen realisierbar. In der Summewird eine Reduktion der Energieintensität um 3 bis 3,5 % pro Jahr auch über einen längeren Zeitraum fürmöglich gehalten; das ist doppelt so viel wie in denletzten Jahren erreicht wurde. Damit könnte der Ener-gieverbrauch bei einem vergleichbaren Wirtschafts-wachstum wie in der Vergangenheit absolut zurückge-hen. Dies ist eine notwendige Voraussetzung dafür,dass fossile Energieressourcen hinreichend geschontwerden und die Beiträge erneuerbarer Energien raschgenug Wirkung entfalten können.

Moderne Effizienztechnologien sind zudem auch einhervorragendes Exportgut, insbesondere für Volkswirt-schaften mit hohem Nachholbedarf an Energiedienst-leistungen. Die Vielzahl an Einzelmaßnahmen, die not-wendig sind, um die Blockade der ökonomischen, aberderzeitig nicht umgesetzten Effizienzpotenziale aufzu-heben, erfordert allerdings erhebliche politische undgesellschaftliche Anstrengungen zu ihrer Umsetzung.

Das Verdopplungsziel 2010 — der Einstieg in eine substanzielle Nutzung erneuerbarer Energien

In zahlreichen Zukunftsentwürfen (siehe Kapitel “Nach-haltigkeitsanforderungen an die Energieversorgung”)tragen die erneuerbaren Energien bereits bis 2050 50 % und mehr zur Deckung des Primärenergiebedarfsbei. Von derartig hohen Anteilen an der Versorgungsind wir heute noch sehr weit entfernt, da ein entspre-chender Ausbau Jahrzehnte erfordert. Dennoch habendiese Szenarien mittlerweile den Status von unverbind-lichen Visionen verlassen und wirken sich in konkretenenergie- und klimapolitischen Zielsetzungen aus. DasZiel der Europäischen Union ist es, den Anteil dererneuerbaren Energien an der gesamten Energie-versorgung bis 2010 auf 12 % zu steigern und denAnteil des Stroms aus erneuerbaren Energien von 14 %(1997) auf 22 % im Jahr 2010 zu erhöhen. Für Deutsch-land ist ein Richtziel von 12,5 % bis 2010 vorgesehen.Dies deckt sich mit dem Ziel der Bundesregierung imRahmen ihres Verdopplungsziels 2010. Dort soll zusätz-

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lich der Beitrag zum gesamten Primärenergieverbrauchauf 4,2 % im Jahr 2010 steigen (2002: 2,9 %). Nach demEEG-Entwurf der Bundesregierung sollen in Deutsch-land bis 2020 mindestens 20 % des Stroms aus erneuer-baren Energien stammen.

Mit den mittlerweile geschlossenen Vereinbarungenund Konkretisierungen zur Umsetzung des Kyoto-Pro-tokolls aus dem Jahr 1997, das die Reduktion des Treib-hausgasausstoßes der Industrieländer um 5,2 % und derEU um 8 % (Deutschland 21 %) bis zum Zeitraum 2008bis 2012 gegenüber dem Niveau des Jahres 1990 vor-sieht, nimmt der Druck auf den Ausbau erneuerbarerEnergien weiter zu. So sind u.a. die Arbeiten an derAufstellung der Nationalen Allokationspläne (NAP) auf-genommen worden. Darin werden sowohl die sektora-len Minderungsziele für Kohlendioxid als auch dieMinderungsziele für die von der EU-Richtlinie erfasstenAnlagen festgelegt. Die NAP müssen bis zum 31. März2004 der EU-Kommission vorgelegt werden, der Startdes Emissionshandels ist auf den 1. Januar 2005 festge-legt worden.

Eine weitere Richtlinie des EU-Parlaments (2003/30/EG)und des Rates zur “Förderung von Biokraftstoffen oderanderen erneuerbaren Kraftstoffen im Verkehrssektor”vom 17. Mai 2003 erhöht die Chancen, die Einsatzmög-

lichkeiten von erneuerbaren Energien im Verkehr wei-ter zu steigern. Doch noch mehr ist zu tun. So fehltnach wie vor eine dem EEG vergleichbare Unterstüt-zung erneuerbarer Energien im Wärmebereich. Vor-schläge, wie ein entsprechendes Instrument aussehenkönnte, werden derzeit erarbeitet.

Die Bundesregierung drängt noch zu weiteren Schrit-ten. Dabei stehen stärkere Harmonisierungsanstrengun-gen bei den energie- und emissionsbezogenen Steuernund bei Umwelt- und Effizenzstandards im Vorder-grund. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund deranstehenden EU-Erweiterung von großer Bedeutung.Auch Forschung, Entwicklung und Demonstration fürerneuerbare Energien sollten in Zukunft deutlich ver-stärkt werden.

Die Umsetzung des Verdopplungsziels der Bundesregie-rung – bezogen auf das Jahr 2000 müssen weitere 90 TWh/a an Strom, Nutzwärme und Kraftstoffen hin-zukommen – könnte sich auf die einzelnen Energie-quellen etwa so auswirken, wie es die Grafik zurWachstumsdynamik zeigt. Betrachtet man die Ent-wicklung seit 1997, so zeigt sich, dass bis Ende 2003schon ein beträchtlicher Zuwachs an erneuerbarenEnergien stattgefunden hat. Das Verdopplungsziel kannalso prinzipiell zeitgerecht erreicht werden. Maßgeb-

105

Strom, Nutzwärme und Kraf tstoff in TWh/a

Quel len : Jahrbuch 2003; WI / DLR 2004

25,2

Wasser

43,2

Wind

1,4

Fotovoltaik

9,4

Biomasse S

0,6

77

Biomasse W

5,9

Kollektoren

3,0

Geothermie W

12,0

Biokraftstoffe

Wachstumsdynamik

Geothermie S

Zum Verdopplungsziel 2010 liefern die Windenergie und die Biomasse die größten Zuwachsraten. Die relativ größten Zuwachsraten habenjedoch die solaren Technologien Fotovoltaik und Kollektoren und die Geothermie (S = Strom, W = Wärme, K = Kraftstoffe).

1997: 65 TWh /a 2002: 105 TWh /a 2010: 178 TWh /a

0

10

20

30

40

50

60

70

80

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lichen Anteil am bisherigen Zuwachs hatte die fortge-setzte Dynamik des Windenergieausbaus. Die Strom-erzeugung aus Windenergie dürfte im Jahr 2004 denBeitrag der Wasserkraft überflügeln. Aber noch ist dasVerdopplungsszenario alles andere als ein Selbstläufer.Die rasante Entwicklung in der Windenergie hat z.B.dazu geführt, dass bereits sehr viele der windreichenStandorte ausgeschöpft sind und die Widerstände ge-genüber der Nutzung der Windenergie aus Sicht desLandschaftsschutzes stetig zunehmen. Das für das Ver-dopplungsszenario erforderliche kontinuierliche Wachs-tum dieser Stromerzeugungsoption wird deshalb nurdann gelingen können, wenn nach 2005 die Offshore-Nutzung der Windenergie in beträchtlichem Ausmaßhinzukommt. Auch die Biomasse hat bei der Strom-erzeugung bereits deutlich zugelegt, allerdings musssich die Wachstumsgeschwindigkeit ebenfalls noch stei-gern und neben dem kostengünstigen Altholz die Nut-zung des teureren Waldrestholzes voran gebracht wer-den.

Im Bereich der Wärmebereitstellung ist der Nachhol-bedarf größer als im Strombereich, aber gleichzeitig

die derzeitige Wachstumsgeschwindigkeit geringer. Beider Biomasse sorgt zwar die verstärkte Nutzung vonWaldrestholz für ein Wachstum von Einzelheizungenund Kaminheizungen, auch die Zahl der Biogasanlagenwächst deutlich. Eine deutliche Zunahme von Heizzen-tralen mit Nahwärmenetzen, die für die Verdopplungdes Wärmebeitrags ebenfalls benötigt werden, lässtaber noch auf sich warten. Auch für die noch teurerenKollektor- und Erdwärmeanlagen sollte mit Hilfe desVerdopplungsziels bis 2010 der Grundstein für einenstabilen Markt und für deutliche Kostensenkungengelegt werden. Insgesamt gibt es hier also noch viel zutun, auch wenn das seit dem Jahr 1999 mit deutlichmehr Mitteln ausgestattete Markteinführungspro-gramm (für 2003 sind mit dem Schwerpunkt der Wär-mebereitstellung aus erneuerbaren Energien insgesamt190 Mio. Euro vorgesehen) bereits wichtige Impulsesetzt. Eine weitere Stütze zur Erreichung des Verdopp-lungsziels stellt inzwischen der wachsende Absatz vonBiodiesel dar, der durch die am 7. Juni 2002 beschlosse-ne Steuerfreiheit für biogene Kraftstoffe merklich stimuliert wurde. Biodiesel kann somit ebenfalls einenmerklichen Beitrag zum Verdopplungsziel leisten.

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Pr imärenerg ie in PJ/a

Quel le : BMU 2004

2000 2010 2020 2030

Entwicklung des Primärenergieverbrauchs nach Energieträgern (nach Wirkungsgradmethode; CO2-Emissionen ohne Industrieprozesse [in2000 = 25 Mio. t/a]; EE = Erneuerbare Energien, PV = Fotovoltaik). Die durch verbesserte Effizienz eingesparte Primärenergie ist auf dasReferenzszenario der Enquete-Kommission bezogen.

Primärenergie im Langfristszenario für Deutschland

Kernenergie

835

2,4

717

5,3

588

12,7

451

22,2

309

32,5

195

43,6

Wasser, Wind, PV

Braunkohle

Biomasse

Steinkohle

Kollektoren, Erdwärme Stromimport aus EE Verstärkte Effizienz

Mineralöl Erdgas

2040 2050

CO2-Emiss. (Mio. t/a)

Anteil EE (%)

2.000

4.000

6.000

8.000

10.000

12.000

14.000

0

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Die längerfristige Perspektive — ein Szenario, das dieerneuerbaren Energien optimal nutzt

Die angestrebte Steigerung der erneuerbaren Energienbis 2010 kann sich bereits deutlich auf die Emissions-bilanz Deutschlands auswirken. Bezieht man die Vor-gaben des Kyoto-Protokolls auf das wichtigste Treib-hausgas CO2, erfordert dies eine Verminderung derenergiebedingten CO2-Emissionen gegenüber dem Jahr1990 um rund 200 Mio. t auf 780 Mio. t bis zum Jahr2010. Derzeit ist mit CO2-Emissionen von jährlich 835Mio. t – die allerdings im Verlauf der 90er Jahre kaumnoch gesunken sind – bereits ein großer Schritt in dieseRichtung getan. Erneuerbare Energien sind bereits mitrund 50 Mio. t je Jahr an den erzielten Emissionsminde-rungen beteiligt, bis zum Jahr 2010 können sie ca. wei-tere 30 Mio. t beitragen. Da aber auch noch die Still-legung der Kernkraftwerke zu kompensieren ist, müs-sen noch andere Maßnahmen ergriffen werden, umdieses kurzfristige Klimaschutzziel erreichen zu kön-nen. Bis zur Mitte diesen Jahrhunderts sollte jedocheine Reduktion des CO2-Ausstoßes um 80 % gegenüberdem Niveau des Jahres 1990 erreicht werden, entspre-chend den weitergehenden Minderungsempfehlungender Energie-Enquete-Kommission des Deutschen Bun-destages, die sich an den Erkenntnissen des IPCC orien-tieren.

In dem vom Bundesumweltministerium finanziertenForschungsvorhaben “Ökologisch optimierter Ausbauder Nutzung erneuerbarer Energien in Deutschland”[BMU, 2004] wird in einem Langfristszenario aufge-zeigt, wie dieses Ziel zusammen mit den anderen Ziel-setzungen einer nachhaltigen Entwicklung, wie sie inKapitel 1 beschrieben wurden, umgesetzt werden kann(Grafik: Primärenergie im Langfristszenario für Deutsch-land). Dort ist insbesondere der optimale Einsatz erneu-erbarer Energien im Zusammenwirken mit anderenEnergiesystemen und dem verstärkten Einsatz effizien-terer Energietechnologien unter Berücksichtigungstrenger Naturschutzkriterien untersucht worden.Bereits bis zum Jahr 2010 muss den Ergebnissen desSzenarios folgend auch der Primärenergieaufwanddeutlich sinken. Dies kann erreicht werden, wenn imUmwandlungsbereich vor allem der Beitrag der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) an der Stromerzeugung deut-lich gesteigert wird (Erhöhung um 50 % gegenüber2000) und die bereitgestellte Energie in allen Anwen-dungsbereichen deutlich effizienter eingesetzt wird. ImVergleich zur Referenzentwicklung – einem Szenario,welches die Trendentwicklung bei nur geringem ener-giepolitischen Engagement veranschaulicht – bei derder Primärenergieverbrauch zunächst noch ansteigtund erst nach 2010 langsam abfällt, reduziert sich derPrimärenergieverbrauch im Langfristszenario bereits inden ersten zehn Jahren um rund 10 %. Der spezifische,auf die Wertschöpfung bezogene Primärenergiever-brauch verringert sich damit jährlich um ca. 2,5 %.Dies entspricht gegenüber den Werten der letztenJahre fast einer Verdopplung und kann nur erreichtwerden, wenn diese zweite Säule einer wirksamen

Klimaschutzpolitik mehr in den Blickpunkt energiepoli-tischer Bemühungen rückt.

Auch die Erreichbarkeit der mittelfristigen Minderungs-ziele (40 % Reduktion des CO2-Ausstoßes bis zum Jahr2020) steht und fällt mit der Umsetzung der verfügba-ren technischen und strukturellen Energieeinsparmög-lichkeiten. So liegt der Primärenergieverbrauch desSzenarios im Jahr 2020 um 24 % unterhalb des heuti-gen Niveaus; gegenüber der Referenzentwicklung sind20 % eingespart. Besondere Bedeutung kommt dabeider Stromerzeugung zu. Die hinreichend rasche Aus-schöpfung der Stromeinsparpotenziale wird dabei einemaßgebliche Säule für die klimaverträgliche Kompen-sation des Ausstiegs aus der Kernenergie sein, der nachdem im Jahr 2000 zwischen den Kraftwerksbetreibernund der Bundesregierung geschlossenen Konsens späte-stens bis zum Jahr 2025 erfolgt sein wird. Weitere Effi-zienzsteigerungen folgen aus dem Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung. Ihr Beitrag steigt von derzeit 14 %auf 30 % im Jahr 2020 und erreicht nach 2030 Werteum 40 % an der gesamten Strombereitstellung. Vorallem dezentrale Anlagen, und da insbesondere dieBrennstoffzellen, können hier eine besondere Rollespielen. Sie eröffnen der Kraft-Wärme-Kopplung neueAnwendungsgebiete im unteren Leistungsbereichdurch die verstärkte Versorgung auch von kleinerenEinzelobjekten. Im Langfristszenario wächst die Leis-tung dieser dezentralen Kraftwerke auf insgesamt23.500 MW.

Die konsequente Effizienzstrategie bewirkt bis zum Jahr2050 eine Reduktion des Primärenergieverbrauchs uminsgesamt 40 % gegenüber der Referenzentwicklungund ermöglicht es dadurch, den Beitrag der erneuerba-ren Energien bis dahin auf ebenfalls 40 % des verblei-benden Verbrauchs zu steigern, ohne dass es zu einerextremen Ausschöpfung von Einzelpotenzialen kom-men müsste. Da jede Art der Energienutzung auch Wir-kungen auf unsere natürliche Umwelt hat – bei fossilenund nuklearen Energien allerdings ungleich größere alsbei erneuerbaren Energien – gewährleistet diese Strate-gie auch einen möglichst weitgehenden Schutz natür-licher Lebensräume. Eine erfolgreiche Umsetzung derim Langfristszenario dargestellten strukturellen Ver-änderungen verlangt u.a., dass durch entsprechendeMaßnahmen und Förderanstrengungen das in den letz-ten Jahren eingesetzte Wachstum der erneuerbarenEnergien längerfristig sicherzustellen ist. Nur so kön-nen sie zur Jahrhundertmitte den genannten Beitragzur Energieversorgung auf umweltverträgliche Artsichern. Nach 2010 wachsen dabei zunächst vor allemnoch die Windenergie und die Biomasse, danach ent-falten sich die großen Potenziale der Solarstrahlungs-energie und der Erdwärme, ab 2020 spielt auch derImport kostengünstigen erneuerbaren Stroms im Rah-men eines europäischen Stromverbunds eine wachsen-de Rolle.

Besonders deutlich werden die anstehenden Struktur-veränderungen im Kraftwerkssektor. Hier ist in den

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nächsten Jahrzehnten aufgrund der Alterstruktur derKraftwerke und des vorgesehenen Abschaltens vonKernkraftwerken ein umfangreicher Erneuerungs- undErtüchtigungsbedarf von einigen 10.000 MW Leistungerforderlich. Dies gibt prinzipiell Raum genug, nebenneuen und damit effizienteren konventionellen Kraft-werken auch alle innovativen, vorwiegend dezentralenTechnologien im Bereich der Kraft-Wärme-Kopplungund der erneuerbaren Energien in beträchtlichemUmfang auszubauen und somit den hohen Ansprüchenan eine nachhaltige Stromversorgung gerecht zu wer-den.

Im Jahr 2020 sind mit rund 50 GW nur noch etwa 45 % der Kraftwerke des Jahres 2000 in Betrieb, wennman von einer mittleren Nutzungsdauer von 40 Jahrenausgeht und die Kernkraftwerke entsprechend demAusstiegsbeschluss vom Netz gehen. Zur Deckung desbis dahin um 12 % gesunkenen Strombedarfs werdenim Langfristszenario 79 GW neue Kraftwerksleistunginstalliert, davon allein 40 GW erneuerbare Energien(ohne Biomasse), 12 GW kleine bis mittelgroße (bis 10 MW Einheitsleistung) Blockheizkraftwerke auf Mo-

tor-, Gasturbinen- und Brennstoffzellenbasis (einschließ-lich Biomasse) und 27 GW Großkraftwerke, wovon aller-dings 16 GW als Heizkraftwerke arbeiten und 12 GWals reine Kondensationskraftwerke. Der Beitrag erneuer-barer Energien (ohne Biomasse) an der jährlichenStromerzeugung liegt dementsprechend bei 26 %, deraller KWK-Anlagen bei 29 %. Im Jahr 2050 ist praktischder gesamte Kraftwerkspark erneuert und hat danneine Kapazität von rund 144 GW. Den größten Teil derinstallierten Leistung tragen Anlagen zur Nutzungerneuerbarer Energien mit insgesamt 90 GW bei, 24 GW werden von Blockheizkraftwerken bereitgestelltund 31 GW kommen aus Großkraftwerken, wovon 20 GW Heizkraftwerke sind. Die insgesamt installierteLeistung ist um 27 GW größer als heute, weil die domi-nierenden erneuerbaren Energien eine geringere Voll-laststundenzahl haben als die heutigen fossil odernuklear versorgten Anlagen und weil mit einem Teilder erneuerbaren Energien dann auch bereits Wasser-stoff mittels Elektrolyse erzeugt wird. Durch den star-ken Rückgang der fossil gefeuerten Kondensationskraft-werke, die im Jahr 2050 nur noch zur Absicherung derNachfrage bei unsicherem Angebot der erneuerbaren

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Insta l l ier te Le istung in GW el

Quel len : BMU 2004

2005 2010 2015

Zubau neuer Kraftwerksleistung in Deutschland ab 2001 im Langfristszenario. Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung und zur Nutzung erneu-erbarer Energien dominieren, Kondensationskraftwerke decken den Restbedarf (EE = erneuerbare Energien, ohne Biomasse; KWK = Kraft-Wärme-Kopplung, einschließlich Biomasse).

Zubau neuer Kraftwerksleistung in Deutschland

Kond.-KW (Kohle, Gas)

13

21

2020

26

29

2025 2030

39

36

2035 2040

48

40

2045 2050

55

38

Wind, Offshore

HKW (Kohle, Gas)

Fotovoltaik

BHKW + BZ (Gas)

Wasser, Geothermie Import erneuerbarer Energien

BHKW + BZ (Biomasse) Wind, Onshore

Anteil erneuerbarer Energien in %

Anteil KWK in %

17

36

53

79

94

110

119

129

137

144

20

40

60

80

100

120

140

0

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Energien dienen, sinken auch die Verluste der Strom-erzeugung deutlich und damit auch deren CO2-Emis-sionen. Die Kombination von deutlich verstärkter Effizienz bei Nutzung und Umwandlung von Strom und Ausbau erneuerbarer Energien reduziert die CO2-Emissionen allein im Umwandlungssektor bis 2020 um40 % und bis 2050 um 80 % gegenüber dem Jahr 2000.Dies zeigt auch, dass die Kernenergie zur Erreichungdes Klimaschutzziels nicht benötigt wird.

Ähnliche Kombinationen von Effizienzsteigerungenund dem Ausbau erneuerbarer Energien bewirken inden anderen Nutzungsbereichen “Wärmeversorgung”und “Verkehr” Wirkungen, verlangen aber auch deutli-che Strukturveränderungen, damit neue, effizientereEnergietechnologien möglichst weitgehend die jeweili-gen Sektoren innerhalb der nächsten Jahrzehnte durch-dringen können. In der Summe gelingt es so, im Lang-fristszenario die energiebedingten CO2-Emissionen ge-genüber der Referenzentwicklung bis 2010 um knapp110 Mio. Tonnen /Jahr zu senken und somit das Kyoto-ziel deutlich zu übertreffen. Im Jahr 2020 erreicht manmit knapp 250 Mio. Tonnen /Jahr Emissionsminderungdas Ziel einer 40-prozentigen Reduktion und bis 2050mit rund 500 Mio. Tonnen /Jahr eine 80-prozentige Re-duktion von Kohlendioxid gegenüber dem Ausgangs-wert von 1990.

Kurz- bis mittelfristig dominieren die Effekte durch ver-stärkte Effizienzbemühungen, mittel- bis langfristigwächst die Bedeutung des Beitrags der erneuerbarenEnergien. Folgen auch andere Länder dieser oder einerähnlichen Ausbaustrategie – was angesichts der zusam-menwachsenden Märkte eine wesentliche Vorausset-zung für einen erfolgreichen Umbau der Energieversor-

gung in Deutschland ist – können neben den heimi-schen erneuerbaren Energiequellen auch ausländischekostengünstige Ressourcen genutzt werden. Dies kannmittelfristig der Import vor allem von Windenergie-strom von ertragsreichen europäischen Küstenregionensein, längerfristig aber auch der Import von “solarer”Energie in Form von Strom aus Solarkraftwerken imMittelmeerraum über das europäische Verbundnetz. ImEntwurf des Langfristszenarios liegt der Beitrag diesesImport-Stroms im Jahr 2050 mit 60 TWh/a bei ca. 13 %der gesamten Stromerzeugung. Wegen der beträchtlichreduzierten Anteile von Erdgas und Mineralöl am Pri-märenergieverbrauch ist dennoch die Abhängigkeitvon Energieimporten wesentlich geringer als heute.

Ein Teil des im Zeitverlauf stark anwachsenden Ener-gieangebotes aus erneuerbaren Energien wird gegenEnde des Betrachtungszeitraums für die Herstellungvon Wasserstoff verwendet. Die Elektrolyse von Wassermit Hilfe von Strom aus erneuerbaren Energien bietetangesichts der begrenzten Biomassepotenziale und dergegebenen Nutzungskonkurrenzen (siehe Kapitel “Bio-masse als Brennstoff”) eine Möglichkeit, auch im SektorVerkehr klimaverträgliche Kraftstoffe in größerem Um-fang anbieten zu können.

Diese Maßnahme wird allerdings erst ab dem Jahr 2030interessant, da abgesehen von den noch zu schaffendeninfrastrukturellen Voraussetzungen zuvor die mit derdirekten Nutzung des Stroms aus erneuerbaren Ener-gien erreichbaren CO2-Minderungseffekte deutlich grö-ßer sind als der Einsatz des solaren Wasserstoffs im Ver-kehrsbereich.

109

2010

Quel le : BMU 2004

CO2-Minderung im Langfristszenario gegenüber der Referenzentwicklung (REF): Durch konsequente Effizienzverbesserung, Ausbau derKraft-Wärme-Kopplung und der erneuerbaren Energien werden beachtliche CO2-Minderungen erreicht.

CO2-Minderung gegenüber der Referenzentwicklung

CO 2-Minderung , M io. t CO 2/a

107

2020

243

2030

374

2040

462

2050

506

Erneuerbare Energien

Effizienz Wärme

Kraft-Wärme-Kopplung

Effizienz Strom

Effizienz Verkehr

0

100

200

300

400

500

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Die Förderung erneuerbarer Energien

Die verschiedenen Energieszenarien zeigen, dass eineVerdopplung des Beitrags erneuerbarer Energien inDeutschland und in Europa nur der Anfang sein kann. Deshalb hat das Bundesumweltministerium bereits sehrfrüh auch für Deutschland als Langfristziel formuliert,den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2050 aufmindestens 50 % zu steigern, bis 2020 soll der Anteilan der Stromerzeugung mindestens 20 % betragen. Ausden Gesamtsystembetrachtungen wird aber auch klar:

Es fällt umso leichter, einen deutlichen Anteil erneuer-barer Energien an der Energieversorgung zu erreichen,je geringer der Energieverbrauch ist. Sowohl erneuerba-re Energien wie auch die Bemühungen um einen spar-samen Einsatz von Energie benötigen in absehbarerZeit Unterstützung. Dabei muss nicht von Null begon-nen werden, sondern es kann auf verschiedenen, heuteschon etablierten Förderinstrumentarien aufgebautwerden. Auf Bundesebene wird heute die Nutzungerneuerbarer Energien durch verschiedenste Maßnah-men und Instrumente gefördert.

110

Was der Bund schon tut: Maßnahmen und Instrumente zur Förderung erneuerbarer Energien

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hat das im Jahr 2000 – auch im internationalen Vergleich – überauserfolgreiche Stromeinspeisungsgesetz (StrEG) abgelöst und an die neuen Rahmenbedingung liberalisierter Wett-bewerbsmärkte angepasst hat. Das EEG sieht für die Stromeinspeisung aus erneuerbaren Energien die Zahlungeines fixen Vergütungssatzes mit gesicherter Laufzeit vor und erhöht für die bisher überwiegend privaten Betrei-ber die Investitionssicherheiten. Außerdem schafft es eine Vorrangregelung für erneuerbare Energien und trägtzur Internalisierung externer Kosten bei. Mit einer Verringerung der Vergütungssätze für zukünftig in Betriebgenommene Anlagen bietet es einen Anreiz für kostenorientierte Innovationen. Im Rahmen des EEG werdenspezifische Fragen der Bioenergie durch die Biomasse-Verordnung (Biomasse V) geregelt. Unter Beibehaltungdieser bewährten Grundstruktur werden in dem seit Ende 2003 vorliegenden Regierungsentwurf zur Novelle desEEG die Vergütungssätze an aktuelle Entwicklungen angepasst. Die EEG-Novelle dient gleichzeitig der Umset-zung der Richtlinie der Europäischen Union zur Förderung erneuerbarer Energien vom September 2001, deshalbwird nun die ganze Bandbreite der erneuerbaren Energien in den Anwendungsbereich des EEG aufgenommen.

Das 100.000-Dächer-Solarstromprogramm, das für die Installation von Fotovoltaikanlagen zinsgünstige Kreditebereitstellte, wurde 2003 erfolgreich beendet. Mit rund 350 MW konnten weit mehr Neuinstallationen als vorge-sehen zielgerecht unterstützt werden. Der Ausbau der Fotovoltaik wird durch andere, adäquat angepasste Maß-nahmen unterstützt.

Im Jahr 2003 lag das Fördervolumen des Marktanreizprogramms des Bundes bei rund 190 Mio. Euro, lautKoalitionsvereinbarung ist bis 2006 eine Erhöhung auf 230 Mio. Euro vorgesehen. Damit werden Investitions-zuschüsse bereitgestellt. Zum einen werden Investitionskostenzuschüsse mit einem besonderen Fokus auf wärme-bereitstellende Anlagen (z.B. Solarthermie, Geothermie), Biogasanlagen und Anlagen, die von Multiplikatoren(z.B. Schulen) betrieben werden (siehe www.bafa.de), gewährt. Zum anderen werden größere Vorhaben im Rah-men dieses Programms durch zinsvergünstigte Darlehen gefördert, für die zusätzlich Teilschulderlasse in An-spruch genommen werden können (siehe www.kfw.de). Über das Programm wird seitdem versucht, einen Aus-gleich für die nicht erfolgte Freistellung erneuerbarer Energien von der Stromsteuer zu schaffen, die seit April1999 im Rahmen der ökologischen Steuerreform anfällt.

Weitere zinsgünstige Darlehen erteilte der Bund für unterschiedliche Akteure der Kreditanstalt für Wieder-aufbau (KfW) z.B. im Rahmen des CO2-Minderungsprogramms oder des CO2-Gebäudesanierungsprogramms(siehe www.kfw.de). Die ehemals von der Deutschen Ausgleichsbank (DtA) betreuten Programme werden nachderen Fusion mit der KfW von der KfW Mittelstandsbank betreut. Insgesamt wurden von KfW und DtA von 1999 – 2002 Darlehenszusagen in Höhe von rund 6,9 Mrd. Euro für erneuerbare Energien erteilt.

Es gilt eine Mineralölsteuerbefreiung von Biokraftstoffen.

Unterstützung von Beratungs-, Informations- und Öffentlichkeitsarbeit.

Unterstützung von Demonstrations- und Pilotanlagen.

Die Ökozulage für private Bauherren, die zusätzlich zur normalen Eigenheimzulage für den Einbau von Solar-anlagen eine steuerliche Förderung eröffnete, ist zum 31.12.2002 ausgelaufen. Das Fördervolumen betrug von1995 – 2001 rund 60 Mio. Euro.

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Ergänzt werden die bundesweiten Maßnahmen durchverschiedenste Aktivitäten der Länder, Kommunen undsonstiger Akteure (z.B. Energieversorgungsunterneh-men). Einen guten Überblick über die Förderland-schaft geben die Internetseiten des Bundesumwelt-ministeriums (www.bmu.de) und der Verbände (bei-spielsweise www. solarfoerderung.de), die Energieagen-turen des Bundes und der Länder sowie das “JahrbuchErneuerbare Energien”. Auch wenn bereits viel in dieWege geleitet worden ist, werden all diese Maßnahmenvoraussichtlich noch nicht ausreichen, das für 2010 ge-steckte Ziel der Verdopplung erneuerbarer Energien zuerreichen. Zentrales Hemmnis bei der Umsetzung er-neuerbarer Energien ist weiterhin die unter den gegen-wärtigen Rahmenbedingungen mangelnde wirtschaftli-che Konkurrenzfähigkeit der erneuerbaren Energiengegenüber konventionellen Energieträgern. Auch dieim April 1999 erstmalig erhobene Ökosteuer hat hieranbisher kaum etwas geändert. Im Strombereich folgtdies aus der Besteuerung von Strom aus erneuerbarenEnergien durch die Ökosteuer. Eine Befreiung kannaber gegenwärtig aufgrund der ansonsten zu erwarten-den Probleme mit Stromimporten nicht gewährt wer-den.

Soll das Verdopplungsziel zeitgerecht erreicht werden,kommt es darauf an, die heute schon bestehendenMaßnahmen zielorientiert fortzuschreiben. Vor allemmüssen noch für die Wärme erzeugenden Techniken,also Sonnenkollektoren, Biomasseanlagen und Erd-wärme, wirksame Instrumente zur Unterstützung ihrerMarkteinführung geschaffen werden, die ähnlich er-folgreich sein müssen wie das EEG im Strombereich.Erfolgversprechende und umsetzbare derartige Instru-mente werden gegenwärtig von Forschung, Energie-wirtschaft und Politik diskutiert.

Nicht zuletzt aufgrund des Erfolges in Deutschlandwird auch in anderen und zukünftigen EU-StaatenStrom aus erneuerbaren Energiequellen nach dem Muster des EEG gefördert. Genannt seien z.B. Spanien,

Frankreich, Estland, Tschechien, Ungarn, Slowenienund die Slowakei. Die Verbreitung dieses Instrumentssetzte jedoch erst ein, als ein Gerichtsurteil dessenVereinbarkeit mit EU-Recht feststellte und eine Richt-linie der EU-Kommission zur Energiepolitik nicht aus-schließlich auf eine Quotenregelung setzte. Die Erwar-tung von Entscheidungen gegen eine Mindestvergü-tung wie das EEG veranlasste einige EU-Staaten, Quo-tenregelungen einzuführen. Gegenwärtig existierenQuotenregelungen z.B. in Italien, Großbritannien, Bel-gien, Dänemark und Polen. Diese Maßnahme verpflich-tet Stromerzeuger nachzuweisen, dass ein vorgegebe-ner Anteil (“Quote”) ihrer Erzeugung aus erneuerbarenEnergiequellen stammt. Der Nachweis erfordert keineeigene Erzeugung. Vielmehr kann er auch über Zertifi-kate erfolgen, die von Erzeugern von Strom aus erneu-erbaren Energiequellen erworben werden. Die bisheri-gen wenigen Erfahrungen zeigen, dass eine Erfolg ver-sprechende Anwendung eine bis in Details sorgfältigePlanung und Umsetzung erfordert. Erfolgreich war die-ses Instrument bisher für eher ausgereifte Technologienund einem wenig ambitionierten Ausbauziel (zum Bei-spiel Windkraft in Texas). Da dieses Instrument ver-gleichsweise komplex ist, wird man erst in einiger ZeitVor- und Nachteile unter verschiedenen Einsatzbedin-gungen erkennen können. Staatliche Ausschreibungenvon gewünschten erneuerbaren Energieanlagen wer-den nach ernüchternden Erfahrungen – v.a. in Frank-reich und Großbritannien – in der EU nur noch vonIrland als zentrales Förderinstrument verwendet.

Die Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Energien wirdgegenwärtig in keinem EU-Staat durch vergleichbareInstrumente unterstützt, sondern vor allem durch Inves-titionszuschüsse, vergünstigte Kredite oder Steuerermä-ßigungen. Zusätzlich zu einem ähnlich Erfolg verspre-chenden Instrument wie des EEG im Strombereich sindgerade im Wärmebereich kommunale Maßnahmenwichtig. Insbesondere der Ausbau solarthermischerWärmeerzeugung wird in einer zunehmenden Zahlspanischer Städte – u.a. Barcelona, Sevilla, Madrid –

111

Spezifische Förderprogramme wirken im Bereich der Agrarwirtschaft (u.a. biogene Treib- und Schmierstoffe).

Die Energieeinsparverordnung (EnEV) lässt neben der Wärmedämmung auch aktive Maßnahmen (z.B. In-stallation einer Solaranlage) zur Erfüllung spezifischer energetischer Gebäudekennwerte zu.

Unterstützt werden Maßnahmen im europäischen Umfeld, wie z.B. die Mitgestaltung europäischer For-schungsschwerpunkte im Rahmen der Konzeption des 6. Rahmenforschungsprogramms der EU, die Einbezie-hung der positiven deutschen Erfahrungen mit dem Einspeisegesetz in europäische Richtlinienentwürfe oderder Richtlinie zur “Förderung der Verwendung von Biokraftstoffen oder anderer erneuerbarer Kraftstoffe imVerkehrssektor”, die als Richtwert für den Marktanteil von Biokraftstoffen in 2010 mindestens 5,75 % vorsieht.

Es erfolgt eine stärkere Fokussierung der Energieforschungsmittel auf den Bereich erneuerbare Energien. FürEnergieforschungsprojekte stellte die Bundesregierung im Jahr 2003 insgesamt knapp 162 Mio. Euro zur Ver-fügung. Davon wurden allein rund 60 Mio. Euro für Forschung und Entwicklung im Bereich der erneuerbarenEnergien verwendet.

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per Verordnung sowie in Vellmar bei Kassel per städte-baulichem Vertrag beschleunigt. Die Verordnungschreibt z.B. in Barcelona für die meisten Neubautenund bei größeren Instandsetzungen vor, dass 60 % desWarmwasserbedarfs durch solarthermische Energiegedeckt werden müssen. In Vellmar sieht der städte-bauliche Vertrag u.a. vor, dass die Stadt eine Energie-beratung für Bauherren bezahlt, die sich im Gegenzugdazu verpflichten, eine Solaranlage zu installieren, diez.B. mindestens 50 % des Energiebedarfs für Warmwas-ser und 10 % des Raumwärmeenergiebedarfs deckt.Derartige lokale Initiativen wirken gut mit den über-wiegend monetär ausgerichteten Instrumenten desBundes zusammen: Die monetären Instrumente ver-ringern die in diesen Verträgen erforderliche Gegen-leistungen der Gemeinden; die Gemeinden wiederumverstärken die Wirkung der monetäre Instrumente underhöhen mittelbar deren Bekanntheitsgrad.

Aufgrund der heutigen Marktgegebenheiten müssenwir uns darauf einstellen, dass der Ausbau der erneuer-baren Energien entsprechend dem Verdopplungszielzunächst zu Differenzkosten gegenüber einer weitge-hend konventionellen Strom- und Wärmebereitstellungführt. Beim derzeit erreichten Ausbaustand erneuerba-rer Energien fallen für die Stromerzeugung jährlich 1,2 Mrd. Euro an Differenzkosten an. Diese werden sichim Zuge der Umsetzung des Verdopplungsziels aufetwa 2,5 Mrd. Euro erhöhen. Der größte Anteil ist dabeizunächst für die Windenergie, gegen Ende des Zeit-raumes aber zunehmend für die übrigen Technologienaufzubringen. Bezogen auf den derzeitigen Gesamt-verbrauch an Strom entspricht dies für die Stromkun-den im Jahr 2010 einer zusätzlichen Belastung vonrund 0,5 Cent/kWh (im Vergleich zu heute von knapp0,25 Cent/kWh). Im Vergleich zu den durchschnitt-lichen Haushaltsstromtarifen erhöhen sich die Kostenalso um weniger als 3 %. Für Industriekunden, diedeutlich geringere Strompreise zahlen, ist die Erhöhungbei einer vollständigen Umlage auch auf diese Kunden-gruppe spürbarer.

Um hierdurch entstehende Wettbewerbsnachteile unddamit zusammenhängende Arbeitsplatzverluste zu ver-meiden, ist in der Neufassung des EEG eine Belastungs-begrenzung für besonders stark betroffene Unterneh-men vorgesehen. Nach 2010 nehmen die Differenzkos-ten wieder ab, da sich die Kostenschere zwischen kon-ventionell erzeugtem Strom und Strom aus erneuerba-ren Energien zunehmend schließt und damit letzterewirtschaftlich werden. Je nach Technologie kann da-nach Strom aus erneuerbaren Energien schrittweisekostengünstiger werden als weiterhin fossil erzeugterStrom, der mit stetig steigenden Brennstoffkosten undAuflagen zur CO2-Minderung (z.B. mittels CO2-Zertifi-katen) rechnen muss.

Im Vergleich mit anderen Aufwendungen im Energie-bereich nehmen sich die für den Marktaufbau der er-neuerbaren Energien abzudeckenden Differenzkostengering aus. So entsprechen sie weniger als der Hälfte

der derzeitigen Steinkohlesubventionen und liegen umeine Größenordnung niedriger als die vor allem in den60er, 70er und 80er Jahren für den Aufbau der nuklea-ren Stromerzeugung bereitgestellten Mittel. Bei einerDiskussion um die Förderung erneuerbarer Energiennach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz ist zudem zuberücksichtigen, dass die zusätzlich gewährten Vergü-tungen noch unter den vermiedenen externen Kostender konventionellen Stromerzeugung liegen. Aus einervolkswirtschaftlichen Perspektive ist eine solche Förde-rung also von Nutzen.

Dabei ist heute schon absehbar, dass sich diese Vorleis-tungen lohnen werden. Dies gilt nicht nur hinsichtlichdes außenpolitischen Ansehens ob der VorreiterrolleDeutschlands in Fragen des Klimaschutzes und derMarkteinführung erneuerbarer Energien, sondernvor allem auch hinsichtlich der Stärkung des Produk-tions- und Exportstandortes Deutschland. Im Jahr2002 arbeiteten allein für die Windenergienutzung45.000 Menschen. Im Bereich der energetischen Nut-zung von Biomasse war es eine vergleichbare Anzahl.

Im gesamten Sektor erneuerbarer Energien sind esunter Berücksichtigung indirekter Arbeitsplatz-Effekte,beispielsweise der Produktion bei Vorlieferanten, rund120.000 Beschäftigte. Sie erwerben in ihrer täglichenArbeit die Erfahrungen, die für das erfolgreiche Er-schließen der Exportmärkte notwendig sind. Dass essich international um sehr beträchtliche Märkte han-delt, lässt sich am Szenario zum globalen Ausbau er-neuerbarer Energien in Kapitel 1 ablesen. Angesichtsdes mit dem Verdopplungsziel angeschobenen Inves-titionsvolumens von 50 Mrd. Euro bis zum Jahr 2010ergeben sich aber auch auf dem heimischen Markt weitere Beschäftigungsimpulse.

Die heute notwendigen Vorleistungen stellen aucheinen ökonomischen Vorsorgebeitrag dar. Sobald mitden absehbar knapper werdenden Reserven von Rohölund Erdgas die Preise für die konventionelle Strom-und Wärmebereitstellung anziehen werden, profitiertdie Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Industrie-systems von der Verfügbarkeit hinreichend marktfähi-ger alternativer Energiequellen. Unterstützt wird dieserEffekt durch den Beitrag erneuerbarer Energien alsheimischer Energieträger zur Versorgungssicherheit.Ein Ausbau der erneuerbaren Energien erhöht denDiversifikationsgrad der Energieversorgung undverringert die Abhängigkeit von Energieimporten.Insbesondere mit Blick auf die zunehmende geografi-sche Konzentration der Erdöl- und Erdgasreserven istauch dies eine wertvolle Investition in die Zukunft.

Aus den Erkenntnissen der zahlreichen Szenarioanaly-sen lässt sich ein wesentliches Fazit ableiten: Deutsch-land kann bei der Verwirklichung nachhaltiger Zu-kunftsentwürfe und insbesondere dem Ausbau erneuer-barer Energien eine bedeutende Rolle spielen. Als be-deutendes Industrieland gehört es zweifellos zu denLändern, denen eine besondere Verantwortung bei der

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Umsetzung eines wirksamen Klimaschutzes zukommt.Es kann aber auch besonders von einer derartigen Ent-wicklung profitieren, wenn es eine Vorreiterrolle beider Entwicklung und Markteinführung neuer umwelt-verträglicher Energietechnologien einnimmt. Die deut-sche Energie- und Klimaschutzpolitik sollte daher diehinter dieser Verantwortung stehenden Chancen erken-nen und sie mittels wirksamer Maßnahmen in substan-zielle Vorteile für die Bürger umsetzen.

Erneuerbare Energien in der Europäischen Union

Die zunehmende Integration Europas wirkt sich auchauf die zukünftige Entwicklung erneuerbarer Energienaus. Noch bestimmen zwar die nationalstaatlichen Ziel-setzungen und Regelungen im Wesentlichen die Aus-baudynamik der erneuerbaren Energien. Doch nebeneinzelnen nationalen Ausbauzielen haben auch das EU-Parlament und die EU-Kommission konkrete Ausbau-ziele für erneuerbare Energien bis zum Jahr 2010 for-muliert.

Für längerfristige Zeiträume bis 2020/2030 gibt es ge-samteuropäische Energieszenarien, bei denen auch aufdie Anteile von erneuerbaren Energien eingegangenwird. Auch nimmt die EU-Kommission im gesetzlichvorgegebenen Rahmen Einfluss auf Art der Förderungdieser Technologien in den einzelnen Ländern und istbestrebt, die eingesetzten Förderinstrumente, die heutenoch eine große Vielfalt aufweisen, einer Harmonisie-rung zuzuführen. Auch die Märkte für einzelne Tech-nologien etablieren sich im Zuge der zunehmendenLiberalisierung der Energiemärkte zusehends europa-

weit. Anzeichen verstärken sich, dass die EuropäischeUnion am Ende dieses Jahrzehnts die führende Regionbei der energiewirtschaftlichen Nutzung und Vermark-tung der erneuerbaren Energien sein wird.

Die gegenwärtige Nutzung erneuerbarer Energien in der Europäischen Union

Die gegenwärtige Nutzung von erneuerbaren Energienin Europa wird – wie in den meisten anderen Konti-nenten – durch die Wasserkraft und die traditionelleNutzung der Biomasse zu Heizzwecken dominiert. DerPrimärenergiebeitrag der erneuerbaren Energien steigtin Europa seit 1989 kontinuierlich (Grafik: Primärener-giebeitrag). Mit 3.900 PJ/a wurden im Jahr 2002 rund6,5 % des gesamten Primärenergieverbrauchs der EUmittels erneuerbarer Energien bereitgestellt. Biomassemit 64 % und Wasserkraft mit 28 % dominieren, esfolgt Erdwärme mit knapp 4 % und Windenergie miteinem Anteil von 3 %. An nutzbarer Endenergie bietendie erneuerbaren Energien rund 3.500 PJ/a an, was 8,5 % des gesamten Endenergieverbrauchs entspricht.Der Beitrag erneuerbarer Energien am Stromverbrauchentspricht mit 410 TWh/a einem Anteil von 15 %. DerStrom wird zu 75 % aus Wasserkraft bereitgestellt, zu15 % stammt er von der Biomasse. Der Beitrag derWindenergie ist deutlich auf inzwischen 9 % gestiegen,der Anteil der Geothermie liegt bei 1 %, Solarstrom istmit 0,1 % energiewirtschaftlich noch unbedeutend.

Unübersehbar ist die Dominanz der Biomasse bei derWärmebereitstellung. Mit jeweils 1 % Anteil sind Solar-wärme und Erdwärme noch sehr gering beteiligt. Der

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0

1.000

2.000

3.000

4.000

Pr imärenerg ieverbrauch , EJ/a

Solarenergie

Windenergie

Geothermie

Biomasse

Wasserkraft

Primärenergiebeitrag erneuerbarer Energien in der Europäischen Union – seit 1989 ein stetiger Anstieg.

1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002

Primärenergiebeitrag erneuerbarer Energien in der EU Quel len : Eurostat 2001 / IEA 2003

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Beitrag erneuerbarer Energien in den einzelnen euro-päischen Länder ist sehr unterschiedlich (Grafik: Län-dervergleich). Dies ist nicht verwunderlich, da zahl-reiche Rahmenbedingungen diese Beiträge beeinflus-sen:

––– die länderspezifischen Potenziale der einzelnen erneuerbaren Energien

––– die strukturellen Randbedingungen, wie Bevöl-kerungsdichte und Siedlungsstruktur und damit verknüpft der Ausbau von Fern- und Nahwärme-netzen

––– die ökonomischen Gegebenheiten, wie länder-spezifische Energiepreise und Abgaben darauf

––– das Wohlstands- und damit verknüpft das Energieverbrauchsniveau

––– die energiepolitischen Rahmenbedingungen, wie z.B. Förderbedingungen für erneuerbare Ener-gien und die energiepolitischen Zielsetzungen

Die Bedeutung konkreter energiepolitischer Ziele undehrgeiziger Maßnahmen zur Förderung der erneuerba-re Energien wird am Beispiel Dänemarks mit 9 % An-teil am Primärenergieverbrauch deutlich, was sich ins-besondere auf die Entwicklung der “neuen” Technolo-gien zur Nutzung erneuerbarer Energien (hier Wind)günstig auswirkt. Deutschland – obwohl noch miteinem relativ geringen Anteil ausgestattet – verzeichnet

aufgrund seiner wirksamen Fördermaßnahmen diestärksten Zuwächse (2,9 % im Jahr 2002).

Im Gegensatz dazu steht – bei ähnlichen potenzialseiti-gen Voraussetzungen wie Dänemark – Großbritannien,wo die Entwicklung der erneuerbaren Energien bisherkaum vorankam.

Die eingangs genannten Beiträge der Wasserkraft undder Erdwärme steigen deutlich, wenn die drei LänderSchweiz, Norwegen und Island mit in die Bilanz aufge-nommen werden (rechte Seite der Grafik).

Norwegen und Island stellen rund 50 % ihrer Primär-energie (und praktisch 100 % ihres Stroms) aus er-neuerbaren Energien bereit, die Schweiz immerhinnoch 18 %. Im gesamten Westeuropa wurden demnachim Jahr 1999 knapp 7 % der Primärenergie aus erneu-erbaren Energien bereitgestellt; heute dürften es be-reits 0,5 Prozentpunkte mehr sein. Die fünf Länder mitden absolut größten Primärenergiemengen an erneuer-baren Energien sind Frankreich, Italien, Schweden,Norwegen und Deutschland mit insgesamt 62 % Anteil.

Technische Potenziale erneuerbarer Energien

Die zahlreichen vorliegenden Potenzialuntersuchungenzu erneuerbaren Energien erlauben heute eine belast-bare Aussage bezüglich der gesicherten technischenPotenziale in Europa. Die Werte sind bereits durch sied-lungsstrukturelle Vorgaben und insbesondere ökologi-

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Schw

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Ante i l der erneuerbaren Energ ien am Pr imärenerg ieverbrauch 1999 in %

Quel le : Eurostat 2001 Ländervergleich

Ländervergleich: Anteil erneuerbarer Energien am Primärenergieverbrauch der EU-Staaten sowie der Schweiz, Norwegens und Islands imJahr 1999

26,7

23,322,3

14,9

8,97,8 7,1

5,8 5,4

2,7 2,1 1,8 1,3 1,2 1,1

6,0

18,2

Ω 42,2 Ω 58,4

6,9

Biomasse Wasserkraft Windenergie Solarenergie Erdwärme

5

10

15

20

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30

35

0

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sche Randbedingungen deutlich eingegrenzt, so dasssie aus technischer Sicht die Untergrenze einer prakti-schen Nutzung von erneuerbaren Energien darstellen.Sie können daher als sicher ausschöpfbar und gesell-schaftlich akzeptiert gelten. Diese Potenziale über-schreiten die heutige Stromproduktion Westeuropasbereits um das Zweifache und können rund 75 % desgegenwärtigen Wärmebedarfs decken. Dies entsprichtzusammen einer Primärenergiemenge von 38.500 PJ/aund somit 62 % des gegenwärtigen Primärenergiever-brauchs Westeuropas.

Diese technischen Potenziale werden heute sehr unter-schiedlich genutzt. Das Wasserkraftpotenzial ist mit 80 % bereits sehr weitgehend erschlossen, wenn mandie Errichtung neuer Kraftwerke an naturbelassenenFlüssen weitgehend ausschließt. Auch die Nutzung derBiomasse erfolgt mit rund 50 % bereits in größeremUmfang. Alle anderen Potenzialwerte sind bisher nurzu geringen Bruchteilen ausgenutzt. In der Gesamt-bilanz zeigt sich, dass bereits mit der Untergrenze die-ses gesicherten technischen Potenzials eine rund zehn-fach größere Energiemenge aus erneuerbaren Energienals gegenwärtig in Westeuropa bereitgestellt werdenkann.

Sind alle erneuerbaren Energien erst einmal in derzukünftigen Energieversorgung etabliert, können län-gerfristig weitere Potenziale erschlossen werden. EinigeBeispiele sind:

––– eine ausgedehntere Wind-Offshore Nutzung an europäischen Küsten mit rund 2.000 TWh/a zusätzlicher Stromerzeugung

––– Energiepflanzenanbau auf zusätzlichen landwirt-schaftlichen Stillegungsflächen, insbesondere nach erfolgter Osterweiterung der EU, von ins-gesamt 30 Mio. ha mit zusätzlich 3.500 PJ/a Primärenergie

––– Nutzung weiterer Geothermieressourcen mit Stromerzeugungspotenzialen in Westeuropa bis zu 1.700 TWh/a

––– Import von Strom aus solarthermischen Kraft-werken mit Standorten in Nordafrika im Rahmen eines mediteranen Stromverbunds in der Größen-ordnung einiger 10.000 TWh/a

Zusätzliche Potenziale erneuerbarer Energien stehenhauptsächlich in Form von Elektrizität zur Verfügung.Die Erschließung weiterer Wärmepotenziale aus Erd-wärme oder Kollektoren ist nicht sinnvoll, da Nieder-temperaturwärme unter 150°C auf den Raumheizungs-und Warmwasserbedarf abgestimmt sein muss. Über-schüssige Elektrizität aus erneuerbaren Energien kannjedoch mittels Elektrolyse zur Herstellung von Wasser-stoff genutzt werden (siehe Abschnitt “Wasserstoff”),der sowohl als Kraftstoff wie auch zur Bereitstellungvon industrieller Prozesswärme hoher Temperatur ein-gesetzt werden kann.

Obige Beispiele ergeben ein zusätzliches technischesPrimärenergiepotenzial von mehr als 80.000 PJ/a. Mitden zusätzlich genannten technischen Potenzialenkann daher prinzipiell ein steigender EnergiebedarfWesteuropas langfristig ausschließlich mit erneuerbareEnergien gedeckt werden.

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Quel le : DLR

Biomasse

Fotovoltaik

Windenergie

Wasserkraft

Solarthermische Kraftwerke

Erdwärme

Gesichertes technisches Potenzial: 38.500 PJ/a,

davon bereits genutzt: 12 % (farbige Segmente)

Gesichertes technisches Potenzial erneuerbarer Energien in Westeuropa. Nur Wasserkraft und Biomasse werden bisher in größeremAusmaß genutzt.

Technische Potenziale

Sonnenkollektoren

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Perspektiven erneuerbarer Energien in Europa

In den letzten Jahren hat sich die Europäische Unionkonkrete Ziele zur Vergrößerung des Anteils erneuer-barer Energien gesetzt:

––– Im Dezember 1997 verabschiedete die Europä-ische Kommission das Weißbuch: “Community Strategyand Action Plan Energy for the Future: RenewableSources of Energy”. Ziel ist, den Beitrag erneuerbarerEnergien bis 2010 auf einen Anteil von 12 % des Pri-märenergieverbrauchs anzuheben. Im Jahr 2001 wurdedieser Aktionsplan ergänzt durch eine Direktive desEuropäischen Parlaments zur Ausweitung des Einsatzesvon Strom aus erneuerbaren Energien. Ziel ist ein An-teil von 22 % im Jahr 2010. Für die Mitgliedsstaatenwerden jeweils spezifische Zielwerte vorgeschlagen.

––– 1999 startete die Europäische Kommission eine“Take-Off”-Kampagne für die im Weißbuch gesetztenZiele mit spezifischen Zielen für den Zeitraum 1999 bis 2003. Im Jahr 2003 hat die Europäische Kommis-sion die Verwendung von Biokraftstoffen per Richtlinieeuropaweit gesetzlich verankert. Zunächst soll derAnteil von Biokraftstoffen am Verbrauch von Benzinund Diesel bis 2005 auf 2 % und bis 2010 auf rund 6 % gesteigert werden.

In der Tat hat sich seit 1995 das Wachstum von erneu-erbaren Energien in Europa deutlich beschleunigt. Be-trug es im Zeitabschnitt 1990 bis 1995 noch durch-schnittlich 2,2 %/a, so stieg es im darauf folgendenFünfjahresabschnitt bereits auf 3,6 %/a und liegt der-zeit bei rund 4 %/a. Die Zielsetzung des Weißbuchs ver-langt jedoch eine mittlere Wachstumsrate im Zeitraumbis 2010 von 7,3 %/a, also eine um das 2,5-fache höhereWachstumsrate als im vergangenen Jahrzehnt.

Hinter dem beschleunigten Wachstum stecken eineganze Anzahl von energiepolitischen Instrumenten undMaßnahmen. Eine aktuelle Untersuchung [Ecofys 2002]stellt jedoch fest, dass das angestrebte Ausbauziel mitdem derzeit vorhandenen politischen Instrumentariumnicht erreicht werden wird. Darauf weisen die Angabenunter dem Balken “Jetzige Politik” in der Abbildung“Mögliches Wachstum” für das Jahr 2010 hin. Berück-sichtigt man nämlich das bis zum Ende des Jahres 2001aktiv gewordene Instrumentarium, so werden damit bis2010 voraussichtlich nur zwei Drittel des Zielwerts er-reicht werden. Nimmt man diejenigen Maßnahmenhinzu, die sich derzeit noch im Diskussionsstadiumbefinden, aber in absehbarer Zeit vermutlich wirksamwerden (Balken “Verstärkte Politik”), so lassen sich vor-aussichtlich 80 bis 85 % des Ausbauziels 2010 (Balken“Weißbuch”) zeitgerecht erreichen. Das Ausbauzieldürfte allein bei der Windenergie mit ca. 60 GW deut-lich überschritten werden, alle anderen Energiequellenbleiben deutlich hinter den angestrebten Ausbauzielenzurück. Besonders starke Unterschiede werden aus heu-tiger Sicht beim Ausbau der Fotovoltaik mit nur

20 %iger Zielerreichung und der Stromerzeugung ausBiomasse mit 35 %iger Zielereichung erwartet.

Da Strukturveränderungen in der Energieversorgung inlängeren Zeiträumen verlaufen, ist es für die Einschät-zung der zukünftigen Bedeutung von erneuerbarenEnergien auch wichtig, längerfristige Überlegungenzum Wandel der Energieversorgung in der EU zu be-rücksichtigen. Im Grünbuch der EU-Kommission“Towards a European strategy for the security of energysupply” [Grünbuch 2000] vom November 2000 wird diePerspektive der europäischen Energieversorgung biszum Jahr 2030 unter der Annahme einer Fortschrei-bung der derzeitigen Trends und der zur Zeit gesetztenenergiepolitischen Akzente dargestellt. WesentlicheAusgangsdaten für diese Entwicklung (Grafik: Basis-szenario) sind ein um 80 % höheres Bruttoinlandspro-dukt in 2030, eine etwa gleich bleibende Bevölkerungvon 380 Mio. Menschen und ein nur mäßiger Anstiegder Energiepreise, wie am Beispiel des Ölpreises von 30 US$ 99/bbl im Jahr 2030 erkennbar ist. Für die Kern-energie wurde angenommen, dass sich die gesellschaft-liche Einstellung zu ihr nicht wesentlich ändern undsomit kein Neubau von Kernkraftwerken in größeremAusmaß mehr in der EU stattfindet. Bis 2030 ist damitder Einsatz der Kernenergie auf etwa die Hälfte desheutigen Wertes zurückgegangen. Unter diesen Bedin-gungen führt die Entwicklung im Bereich der EU-15Staaten zu einem Anstieg des Energieverbrauchs um 11 %, einer weiteren Erhöhung der Importabhängigkeitvon derzeit 49 % auf 70 % und, wegen des verstärktenEinsatzes von Kohle, zu einem Anstieg der CO2-Emis-sionen um 22 % gegenüber dem Referenzwert von1990 mit 3.068 Mt CO2. Aus den genannten Ausgangs-daten resultiert auch ein geringes Wachstum der er-neuerbaren Energien.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass auf derBasis der derzeit wirksamen Instrumente und Politiken,auf denen das Basisszenario aufbaut, das Ziel des Weiß-buchs nicht zeitgerecht erreicht werden kann und auchnach 2010 keine wesentlichen Impulse für das Wachs-tum von erneuerbaren Energien entstehen würden. Dieeuropäische Energiepolitik muss daher in den nächstenJahren noch weitere Maßnahmen ergreifen, um dasMarktwachstum von erneuerbaren Energien weiter zubeschleunigen. Im Szenario “Solar Energy Economy”(Balken “Szenario SEE”) ist versucht worden, eine ausheutiger Sicht realistische Einschätzung der bis 2010noch mobilisierbaren Energiemengen aus erneuerba-ren Energien abzuleiten. Ausgangspunkt ist die An-nahme, dass die mit “verstärkter Politik” bezeichneteStrategie der zielstrebigen Weiterentwicklung energie-politischer Instrumente in der Zeit bis etwa 2005 wirk-sam umgesetzt wird, damit sie innerhalb des Zeitraumsbis 2010 noch wirksam wird. Bis auf die im Weißbuchunterstellte sehr hohe Stromerzeugung aus Biomasse(230 TWh/a in 2010 gegenüber 35 TWh/a im Jahr2000) und einem geringeren Wachstum im Bereichsolarthermischer Kollektoren können damit die Ziele

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des Weißbuchs bis 2010 für die anderen Technologienerreicht werden. Als neue Technologie – die bisher inkeinen Untersuchungen berücksichtigt wurde – kommtim Szenario SEE bis zum Jahr 2010 die solarthermischeStromerzeugung in Südeuropa hinzu mit einem Beitragvon 20 TWh/a, was rund 5.000 MW Kraftwerksleistungentspricht. Damit werden die jüngsten verbessertenRahmenbedingungen des Stromeinspeisungsgesetzes in

Spanien berücksichtigt, das mit einer Vergütung vonrund 16 Cent/kWh den kostendeckenden Betrieb solar-thermischer Kraftwerke ermöglicht. Die Stromerzeu-gung aus erneuerbaren Energien erreicht im SzenarioSEE im Jahr 2010 mit insgesamt 568 TWh/a einen An-teil von 20 % an der gesamtem Stromerzeugung, derBeitrag zum gesamten Primärenergieverbrauch steigtmit 5.770 PJ/a auf 9,5 %.

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Pr imärenerg ie in TWh/a

Quel le : Ecofys 2002 / DLR

1990

2000

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2.770

3.700

7.620

5.110

6.656

4.314

5.770

Mögliches Wachstum

Mögliches Wachstum erneuerbarer Energien in Europa bis 2010

Wasserkraft Biomasse Windenergie Erdwärme Solarenergie

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1.000

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3.000

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6.000

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BINE, Fachinformationszentrum (FIZ) Karlsruhe (Hrsg.), www.bine.info

Bundesamt für Naturschutz, www.bfn.de

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, www.bmu.de; www.erneuerbare-energien.de

Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, www.verbraucherministerium.de/

Bundesverband BioEnergie e.V. (BBE), Godesberger Allee 142 – 148, 53175 Bonn

Bundesverband Erneuerbare Energien e.V. (BEE), Teichweg 6, 33100 Paderborn

Bundesverband Solarindustrie e.V., Stralauer Platz 34, 10243 Berlin, www.bsi-solar.de

Bundesverband WindEnergie e.V., Herrenteichsstr. 1, 49074 Osnabrück, www.wind-energie.de

C.A.R.M.E.N, Centrales Agrar-Rohstoff-Marketing- und Entwicklungs-Netzwerk (C.A.R.M.E.N) e.V.,Technologiepark 13, 97222 Rimpar

Deutsche WindGuard GmbH, Windallee 15, 26316 Varel

Deutscher Wetterdienst, Frankfurter Straße 135, 63067 Offenbach/Rhein

Deutsches Windenergie-Institut GmbH, Ebertstr. 96, 26382 Wilhelmshaven, www.dewi.de

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Institut für Technische Thermodynamik, Pfaffenwaldring 38 – 40, 70569 Stuttgart, www.dlr.de/tt

Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR), www.fnr.de/

Fachverband Biogas, Bauernschule Hohenlohe, Am Feuersee 8, 74592 Kirchberg/Jagst

Fichtner Ingenieurdienstleistungen und Consulting, Sarweystraße 3, 70191 Stuttgart

Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, Heidenhofstr. 2, 79110 Freiburg

GeoForschungsZentrum, Telegrafenberg, 14473 Potsdam

Geothermische Vereinigung e.V., Gartenstraße 36, 49744 Geeste

Hamburger Klimaschutz Fonds, www.Klimaschutz.com

Institut für Energetik und Umwelt gGmbH, Torgauer Str. 16, 04347 Leipzig, www.ie-leipzig.de

Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg, Wilckensstraße 3, 69120 Heidelberg

Institut für Solare Energieversorgungstechnik, Königstor 59, 34119 Kassel

Institut für Solarenergieforschung GmbH, Am Ohrberg 1, 31860 Emmerthal

Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik, Universität Stuttgart, Pfaffenwaldring 6, 70550 Stuttgart

Institut für ZukunftsEnergieSysteme, Vollweidstr. 11, 66115 Saarbrücken

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ANSPRECHPARTNER

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Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), www.kfw.de

Öko-Institut Darmstadt /Freiburg /Berlin, www.oeko.de/

Passiv Haus Institut, www.passiv.de/

Projektträger Jülich, Projektträger des BMBF, BMWA und BMU, Forschungszentrum Jülich, www.fz-juelich.de/ptj/

Umweltbundesamt, Postfach 33 00 22, 14191 Berlin, www.umweltbundesamt.de

Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung, Industriestr. 6, 70565 Stuttgart

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AG Energiebilanzen Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen, Berlin, diverse Jahrgänge.

BGR 2003 Reserven, Ressourcen und Verfügbarkeit von Energierohstoffen. Rohstoffwirtschaftliche Länderstudien, Heft XXVIII, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Hannover 2003.

BGR 1998 Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Reserven, Ressourcen und Verfügbarkeit von Energierohstoffen 1998, Hrsg. BGR, Hannover/Berlin 1998, ISBN 3-510-95842-X.

BINE 2002 BINE-Projekt-Info 02/2002.

BINE 1993 BINE-Info Nr. 12/1993, Energieversorgung von Autonomen Messstationen, FIZ-Karlsruhe 1993.

BMU 2003 Erneuerbare Energien in Zahlen 2003; Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Berlin 2004.

BMU 2004 J. Nitsch, W. Krewitt, M. Fischedick, G. Reinhard, u.a.: Ökologisch optimierter Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien in Deutschland. Untersuchung im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. DLR Stuttgart, WI Wuppertal, IFEU Heidelberg, März 2004.

BMU/UBA 2002 Nachhaltige Entwicklung in Deutschland – die Zukunft dauerhaft umweltgerecht gestalten. Erich Schmidt Verlag, Berlin 2002.

BMWI 2003 Zahlen und Fakten: Energie Daten 2002, Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie.

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Brundtland 1987 G. H. Brundtland, V. Hauff: Unsere gemeinsame Zukunft, Eggenkamp-Verlag, Greven 1987.

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QUELLENVERZEICHNIS

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Aquifer

Bezeichnung für eine poröse, wassergefüllte Gesteins-schicht, die von dichten Schichten abgedeckt ist. AlsAquiferspeicher bezeichnet man diese Schicht, wenn siezur Bevorratung von Flüssigkeiten (z.B. Öl) oder Gasenoder als Wärmereservoir genutzt wird.

BHKW

Ein Blockheizkraftwerk (BHKW) besteht aus einem sta-tionären Motor, der nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung sowohl elektrischen Strom als auchWärme produziert. Die Effektivität von BHKW beruhtauf der Nutzung der Abwärme, die in anderen Kraft-werken über das Kühlwasser ungenutzt in Flüsse gelei-tet wird. Der hohe Wirkungsgrad der Blockheizkraft-werke macht beträchtliche Energieeinsparungen mög-lich.

Biomasse

ist die gesamte durch Pflanzen und Tiere anfallendebzw. erzeugte organische Substanz. Beim Einsatz vonBiomasse zu energetischen Zwecken ist zwischen nach-wachsenden Rohstoffen (auch Energiepflanzengenannt) und organischen Reststoffen und Abfällen zuunterscheiden.

Nachwachsende Rohstoffe sind: – schnellwachsende Baumarten und spezielle

einjährige Energiepflanzen oder – hochertragreiche zucker- und stärkehaltige Acker

früchte wie auch Ölfrüchte für den Einsatz im Treibstoffsektor

Organische Reststoffe und Abfälle fallen bei der Land-,Fisch- und Forstwirtschaft, der Industrie und denHaushalten an. Es zählen dazu: Abfall- und Restholz,Stroh, Gras, Laub, Dung, Gülle, Bioabfall.

Produkte aus organischen Rest- und Abfallstoffen sindinsbesondere Biogas, Deponiegas, Klärgas.

Die Biomasse-Verordnung, die festlegt, welche Stoffe alsBiomasse für das Erneuerbare-Energien-Gesetz gelten,definiert sie als “Energieträger aus Phyto- und Zoomas-se” – also Stoffe pflanzlichen und tierischen Ursprungs– inklusive der “Folge- und Nebenprodukte, Rückständeund Abfälle, deren Energiegehalt aus Phyto- und Zoo-masse stammt”. Ferner wird in der Biomasse-Verord-nung festgelegt, welche Verfahren zum Einsatz kom-men und welche Umweltanforderungen einzuhaltensind.

CO2 (Kohlendioxid)

Eines der Treibhausgase mit der Eigenschaft für lang-wellige Wärmestrahlung undurchlässig zu sein. Ver-hindert damit die gleichgewichtige Abstrahlung derauf die Erde treffenden, kurzwelligen Sonnenstrahlung.Gefahr einer Temperaturerhöhung auf der Erdober-fläche.

Dezibel (dB)

Einheit der relativen Lautstärke

Energieeinheiten

J = JoulekWh = Kilowattstundekg SKE = Steinkohleeinheit

Bezeichnung größerer Einheiten:Kilo = 103

Mega = 106

Giga = 109

Tera = 1012

Peta = 1015

Exa = 1018

Umrechnung:Einheit kJ kWh kg SKE1 Kilojoule – 0,000278 0,0000341 Kilowattstunde 3.600 – 0,1231 kg Steinkohle- 29.308 8,14 –

einheit (SKE)

Energieträger

Alles, woraus Nutzenergie direkt oder durchUmformung gewonnen werden kann.

Energieproduktivität

Die Energieproduktivität gilt als Maßstab für dieEffizienz im Umgang mit den Energieressourcen. Siewird ausgedrückt als BIP (Bruttoinlandsprodukt) imVerhältnis zum Primärenergieverbrauch (BIP/PEV).Anschaulicher: Je mehr volkswirtschaftliche Gesamt-leistung (BIP) aus einer Einheit eingesetzter Primär-energie “herausgeholt” wird, umso effizienter gehtdiese Volkswirtschaft mit Energie um.

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GLOSSAR

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Erdwärme –> Geothermie

Erneuerbare Energien

auch regenerative Energien, sind Energiequellen, dienach den Zeitmaßstäben des Menschen unendlichlange zur Verfügung stehen. Die drei originärenQuellen sind: Solarstrahlung, Erdwärme (Geothermie),Gezeitenkraft. Diese können entweder direkt genutztwerden oder indirekt in Form von Biomasse, Wind,Wasserkraft, Wellenenergie sowie Umgebungswärme.

Flächeneinheiten

ha = Hektarm2 = Quadratmeterkm2 = Quadratkilometer

1 ha = 10.000 m2

100 ha = 1 km2

Fossile Brennstoffe

Aus Biomasse im Verlauf von Jahrmillionen entstande-ne Energierohstoffe: Öle, Kohlen, Gase. Probleme sindErschöpfbarkeit und Umweltbelastung bei derUmwandlung.

Fotovoltaik

Unmittelbare Umwandlung von Sonnenstrahlung inelektrische Energie mittels Halbleitern, den so genann-ten Solarzellen.

Gashydrate

Gashydrate sind feste, eisähnliche Verbindungen ausGas (z.B. Methan, Kohlendioxid, Schwefelwasserstoff)und Wasser, die sich unter natürlichen Bedingungen inSedimenten am Meeresgrund und auf Kontinentenunter Permafrost bilden. Aufgrund ihrer molekularenKäfigstruktur können in einem Kubikmeter Gashydratbis zu 164 Kubikmeter Gas enthalten sein. Bisher vorlie-gende grobe Abschätzungen sprechen dafür, dass welt-weit ungefähr doppelt so viel Kohlenstoff in Gashydra-ten vorhanden ist wie in allen bekannten Lagerstättenfossiler Brennstoffe (Kohle, Erdöl und Erdgas) zusam-men. Die immensen Mengen an Methan in natürlichenGashydraten stellen daher eine relevante potenzielleEnergieressource dar, die möglicherweise in der Zu-kunft genutzt werden kann.

Geothermie oder Erdwärme

ist die Wärmeenergie des Erdinneren.

GIS

Geografisches Informations-System

Heliostat

ist ein zweiachsig der Sonne nachgeführter Spiegel.

Heizwert

Für den Betrieb von Wärmekraftmaschinen wird stetsein Brennstoff benötigt. Bei der Verbrennung findeteine chemische Reaktion zwischen dem Brennstoff unddem Sauerstoff der Luft statt, dabei entstehen die GaseKohlendioxid und Wasserdampf. Die bei einer Verbren-nung freiwerdende Energie hängt von der Masse desverbrannten Stoffes und der Art des Stoffes ab. ZurCharakterisierung eines Brennstoffes hat man denBegriff Heizwert eingeführt. Der Heizwert H ist derQuotient aus der (bei vollständiger Verbrennung einesStoffes) freiwerdenden Energie und der Masse desBrennstoffes.

Hybrid-System

Kombination aus zwei oder mehreren Strom erzeugen-den Systemen zur Verbesserung der Verfügbarkeit

IPCC

Der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimafragen, englisch “Intergovermental Panel on Climate Change”(IPCC), wurde 1988 vom Umweltprogramm der Verein-ten Nationen (UNEP) und der Weltorganisation für Me-teorologie (WMO) ins Leben gerufen. Seine Aufgabensind die Darstellung des aktuellen Wissensstandes zuden unterschiedlichen Aspekten der Klimaproblematik,die Abschätzung der Folgen von Klimaveränderungenfür Umwelt und Gesellschaft, die Formulierung realisti-scher Vermeidungs- oder Anpassungsstrategien, sowiedie Förderung der Teilnahme von Entwicklungs- undSchwellenländern an den IPCC-Aktivitäten. Der IPCCbetreibt selbst keine Wissenschaft, sondern hat dieAufgabe, periodische wissenschaftliche Sachstands-berichte über Forschung zum Klimawandel und dessenAuswirkungen anzufertigen. Diese Berichte bilden dieGrundlage für die Regierungsverhandlungen imBereich Klimarahmenkonvektion der VereintenNationen.

Joule –> Energieeinheiten

Kilowattstunde –> Energieeinheiten

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Kohlendioxid –> CO2

Kollektor

Sammler für Sonnenstrahlungsenergie oder Vorrich-tung zur Umwandlung von Sonnenenergie in Wärme.Die Nutzwärme wird an ein Wärmeträgermedium (z.B. Wasser) abgegeben. Wärmeverluste werden u.a.vermindert durch einfache oder mehrfache Glasabde-ckung, durch Wärmedämmung der Rückseite, Evakuie-rung des Luftraums über dem Absorber (z.B. bei Vaku-umröhrenkollektoren) oder durch selektive Beschich-tungen.

Nutzenergie

Energie, die nach der letzten Umwandlung der Energiein Geräten dem Verbraucher zur Verfügung steht.

Off-Grid-System

Netzunabhängige bzw. dezentrale Anlagen, die in klei-nen Netzen gekoppelt sein können.

Organische Reststoffe

fallen bei der Land- und Forstwirtschaft, der Industrieund in Haushalten an. Es zählen dazu: Abfall- undRestholz, Stroh, Gras, Laub, Dung, Klärschlamm, organi-scher Müll. Produkte aus organischen Rest- undAbfallstoffen sind insbesondere Biogas, Deponiegas,Klärgas.

ppm

parts per million (ppm) ist eine Angabe für sehr gerin-ge Stoffkonzentrationen. 1 ppm (parts per million) = 1 Millionstel = 0,000.1% = 1 Milligramm pro Kilogramm(mg/kg) bzw. 1 Milliliter pro Kubikmeter (ml/m3)

Primärenergie

(Rohenergie) ist der Energieinhalt von Energieträgern,die noch keiner Umwandlung unterworfen wordensind, z.B. fossile Brennstoffe wie Stein- und Braunkohle,Erdöl und -gas, Kernbrennstoffe, erneuerbare Energienwie Wasserkraft, Sonnenenergie, Windkraft, Erdwärme.

Receiver

Solarstrahlungsabsorber, der in solarthermischenTurmkraftwerken eingesetzt wird.

Solarenergienutzung

– aktiv: Systeme zur aktiven direkten Energiewandlungder Sonnenenergie in Wärme (Solarkollektoren) oderStrom (Solarzellen, Solarkraftwerke)

– passiv: Systeme, die die direkte und diffuse Solar-strahlung zur Unterstützung der Gebäudeheizung nut-zen sowie zur passiven Energienutzung wie Wärme-dämmung und Gebäudeausrichtung

Solarstrahlung

Man unterscheidet

— diffuse Solarstrahlung, die uns indirekt aus allen Richtungen nach Streuung an Wolken und atmosphärischen Molekülen sowie Partikeln erreicht und

— direkte Solarstrahlung, die uns direkt unmittelbar aus Richtung der Sonne erreicht; mit Spiegeln oder Linsen lässt sich die direkte Solarstrah-lung umlenken und konzentrieren.

In der Summe bilden diffuse und direkte Strahlung die Globalstrahlung.

Solarthermische Kraftwerke

Kraftwerke, bei denen die Solarstrahlung in Wärmeumgewandelt, auf einen Wärmeträger (z.B. Öl, Luft)übertragen und schließlich in Kraftmaschinen (z.B.Dampfturbine, Gasturbine) in elektrische Energie um-gesetzt wird.

Spitzenleistung

Maximalleistung eines Sonnenenergiewandlers beiStandardbedingungen: Globalstrahlung der Stärke1.000 W/m2, Umgebungstemperatur von 25°C undSpektralverteilung der Sonne bei 1,5-facher Durch-querung der Erdatmosphäre; üblicherweise nur beiFotovoltaikanlagen als Bezugsgröße gewählt. Die Wertesind reproduzierbare Laborwerte, die aber in der Naturin unseren Breiten niemals auftreten.Einheit: 1 WP (Watt-Peak)

Stand-alone-System

Englischer Begriff für “Inselsystem”

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Steinkohleeinheit (SKE) –> Energieeinheiten

Standardmaß für den Energieinhalt fossiler Brennstoffe.Nominiert wird auf den Heizwert von Steinkohle. EinKilogramm Öl entspricht 1,44 kg SKE. Ein Norm-kubikmeter Gas 1,33 kg SKE. Auch Sekundärenergie-träger kann man in diese Energieeinheit umrechnen: 1 kWh Strom entspricht 0,123 kg SKE.

Wechselrichter

Gerät zur Umwandlung von Gleichstrom in Wechsel-strom. Es wird benötigt, damit beispielsweise der vonSolarzellen erzeugte Gleichstrom für die Einspeisung indas öffentliche Elektrizitätsnetz in Wechselstrom umge-wandelt werden kann.

Windkraftanlagen (WKA)

Unter Windkraftanlagen (WKA), auch Windenergie-anlagen (WEA) oder Windenergiekonverter (WEK), wer-den hier im engeren Sinne Anlagen zur Umwandlungvon Windenergie in elektrische Energie verstanden.

Wirkungsgrad

Verhältnis von Energieertrag zu Energieeinsatz

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1 J (Joule) ist die Basiseinheit für Energie. 1 J = 1 Nm (Newtonmeter) = 1 Ws (Wattsekunde).

Da 1 J nur einer geringen Energiemenge entspricht, werden meist Vielfache dieser Einheit verwendet.

kJ = 10 Joule = Tausend Joule (Kilo-)MJ = 106 Joule = Million Joule (Mega-)GJ = 109 Joule = Milliarde Joule (Giga-)TJ = 1012 Joule = Billion Joule (Tera-)PJ = 1015 Joule = Billiarde Joule (Peta-)EJ = 1018 Joule = Trillion Joule (Exa-)

Eine gebräuchliche Einheit ist auch die kWh (Kilowattstunde). Sie wird vor allem für Elektrizität benutzt.

1 kWh = 3.600 kJ = 3,6 MJ (1 h [Stunde] = 3.600 s [Sekunden])1 GWh = 106 kWh = 1 Million kWh = 3.600 GJ = 3,6 TJ1 TWh = 109 kWh = 1 Milliarde kWh = 3.600 TJ = 3,6 PJ

In Statistiken vielfach verwendete Einheiten sind:

1 Mill. t SKE = 1 Million Tonnen Steinkohleeinheiten = 8,14 TWh = 29,31 PJ 1 Mill. t ROE = 1 Million Tonnen Rohöleinheiten = 11,63 TWh = 41,87 PJ

Gelegentlich wird als sehr große Energieeinheit auch verwendet:

1 TWa = 8.760 TWh = 31,54 EJ (1 a [Jahr] = 8.760 h [Stunden])

1 W ist die Basiseinheit für die Leistung von Energieanlagen. Sie entsteht durch Division der Energieeinheit durchdie Zeit, also

1 W = 1 J/s1 kW = 1 KJ/s = 1 kWh/h usw.

Primärenergie: Zur Gewinnung von nutzbaren Energieträgern (Heizöl, Benzin, Strom, Fernwärme u.a.) eingesetzteRohenergie (Braunkohle, Steinkohlen, Uran, Erdgas, Biomasse u.a.).

Endenergie: Vom Endverbraucher genutzte obige Energieträger (= Primärenergie abzüglich aller Umwandlungs-und Verteilungsverluste, des Eigenverbrauchs von Kraftwerken und Raffinerien und des Einsatzes von Rohenergiefür nichtenergetische Zwecke).

Beispiele für Energiemengen:

Globaler Primärenergieverbrauch 2000: 423 EJ/a; dto. Deutschland: 14,2 EJ/a = 14.200 PJ/a

Globaler Endenergieverbrauch 2000: 285 EJ/a; dto. Deutschland: 9,2 EJ/a = 9.200 PJ/a

Globale Stromerzeugung 2000: 15.400 TWh/a; dto. Deutschland: 563 TWh/a

Stromverbrauch einer Großstadt (Stuttgart): 4,0 TWh/a = 4.000 GWh/a

Brennstoffverbrauch für Raumheizung und Warmwasser (Stuttgart): 25 PJ/a = 25.000 GJ/a

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GLOSSAR ENERGIEEINHEITEN

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“Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen ...”

Grundgesetz, Artikel 20 A

Kontakt:Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitReferat Öffentlichkeitsarbeit D - 11055 BerlinFax: (01888) 3 05 - 20 44Internet: www.bmu.deE-Mail: [email protected]

Diese Broschüre ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung. Sie wird kostenlos abgegeben und ist nicht zum Verkauf bestimmt. Der Druck erfolgt auf Recyclingpapier aus 100 % Altpapier.