Ernährung und Dekubitus – hilft ein Zaubertrank?...Nahrungsergänzungsmittel bei ungenügender...

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Ernährung und Dekubitus – hilft ein Zaubertrank? Caroline M. Kiss dipl. Ernährungsberaterin FH, MScNutr [email protected]

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Ernährung und Dekubitus –hilft ein Zaubertrank?

Caroline M. Kissdipl. Ernährungsberaterin FH, [email protected]

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Ernährung in der Dekubitusprophylaxe und -therapie

• Fortschritte modifizierbarer äusserer Einflussfaktoren

- Risikoeinschätzung- Erkenntnisse Wundpflege- Lagerung- medizinische Techniken

• Ernährung als modifizierbarer innerer Einflussfaktor

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Malnutrition und Risiko für Dekubital Ulcera (DU)Akutpatienten (n=2208), Australien

► Prävalenz DU gemäss Literatur 10 - 18%,

► Keine Malnutrition n=249, davon 17% DU Moderate Malnutrition n=590, davon 33% DUSchwere Malnutrition n=130, davon 52% DU

► Risikoangepasstes Quotenverhältnis (adjusted OR):DU bei moderater Malnutrition 2.2 (95% CI 1.6-3.0, p<0.001)DU bei schwerer Malnutrition 4.8 (95% CI 3.2-7.2, p<0.001)

Banks M. Nutrition.2010:26:896-901.

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Prävalenz Malnutrition

Kaiser MJ. J Am Geriatr Soc. 2010;58:1734-1738.

Mini Nutritional Assessment:

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Definition der Malnutrition

„Ein anhaltendes Defizit an Energie und/oder Nährstoffen im Sinne einer negativen Bilanz zwischen Aufnahme und Bedarf mit Konsequenzen und Einbussen für Ernährungszustand, physiologische Funktionen und Gesundheitszustand.“

Wirkt sich auf sämtliche Stoffwechsel- und Organ-funktionen aus und ist mit einer erhöhten Komplikations-rate, Multimorbidität und Mortalität verbunden.

Leitlinie DGEM, Bartholomeyczik 2008

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DRG

• Nebendiagnose Mangelernährung kann fallschwere-erhöhend und erlössteigernd sein, wenn: - Erhebung des Ernährungszustandes dokumentiert ist

- aufwandserhöhende Konsequenzen eingeleitet werden

ICD-10 Originaltext

E43 Nicht näher bezeichnete erhebliche Energie- und Eiweissmangelernährung

E44.0 Mässige Energie- und Eiweissmangelernährung

E44.1 Leichte Energie- und Eiweissmangelernährung

E46 Nicht näher bezeichnete Energie- und Eiweissmangelernährung

R64 Kachexie

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Ernährung in der Dekubitusprophylaxe und -therapie

• NPUAP-EPUAP 2009 (National Pressure Ulcer Advisory Panel - European Pressure Ulcer Advisory Panel)

• Empfehlungsgrad

A: starke EmpfehlungB: EmpfehlungC: Expertenmeinung

http://www.npuap.org/news.htm

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Screening des Ernährungszustandes

• Überprüfen und bewerten des Ernährungsstatus (C)

• Valides, zuverlässiges und praktikables Instrument zur Einschätzung verwenden (C)

www.mna-elderly.com. Kondrup. Clin Nutr. 2003:22(3): 321–336

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Assessment durch Ernährungsberatung

• Personen mit Risiko für Mangelernährung und mit Dekubitusrisiko (C)

• Personen mit Dekubitus (C)

Beinhaltet:

- Beurteilung des Ernährungszustandes- Abschätzen des Energie- und Nährstoffbedarfs

- Vergleich Ist-Soll

- Erstellen eines individuellen Ernährungsplanes

- Information/Schulung

- Überprüfung und Anpassung

Falls notwendig multidisziplinäre Besprechung

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Patienten mit Ernährungs- u. Dekubitusrisiko

Angebot an Energie- und Nährstoffen (B)

• Energie: 30 – 35 kcal/kg Körpergewicht

• Protein: 1.25 - 1.5 g/kg Körpergewicht

• Flüssigkeit: 1 ml/kcal

Überprüfung

► Essprotokoll führen

► Wöchentlich Gewicht messen

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Individueller Ernährungsplan

• Energie: ↓ Bettlägerigkeit↓ ↓ bei Adipositas ↑ Gewichtsverlust/Malnutrition (Cave Refeeding-Syndrom)normnahe Blutzuckerkontrolle

• Protein ↓ bei Niereninsuffizienz ohne Dialyse↑ Adipositas

• Flüssigkeit ↓ Herzinsuffizienz oder Dialysebehandlung↑ Spezialmatratzen, Wundsekret oder Wund-Drainagen

Arnold M. Plast Reconstr Surg.2006;117:S42-58. Dambach B. JAGS. 2005:478-482.

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Befolgen relevanter und evidenzbasierter Richtlinien

zur enteralen Sondenernährung

• Energiebedarf 25-30 kcal x 60 (kg KG) = 1500 - 1800 kcal

• Proteinbedarf 1.25 – 1.5 g x 60 (kg KG) = 75 - 90 g

• Sondennahrung ist streng natriumarm

• Lagerung Aspirationsrisiko (?!)

kcal g Protein

Standardprodukt 1500 47

1800 68

Proteinreich 1500 84

1800 100

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• führt nicht automatisch zu adäquater Ernährung

• führt häufig zu vermehrter Immobilität

• erhöht häufig Urin- und Stuhl-Inkontinenz

• Komplikationen

• Intoleranz der Sondennahrung (Übelkeit, Durchfall)

• 70% keine Verbesserung des funktionalen Status

• 70% keine Verbesserung der Lebensqualität

• 70% der Betreuer/Angehörigen beurteilten Sonde als Verbesserung

DeLegge M et al. Ethical and medicolegal aspects of PEG-tube placement and provision of artifical nutritional therapy. Gastrointestinal Endoscopy 2005;62:951-959.

Kann Dekubitus mit Sondenernährung verhindert bzw.

rascher geheilt werden?

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Zusätzlich zur üblichen Kost proteinreiche Trinknahrung

• Patienten mit Malnutritions- und Dekubitusrisiko bei akuter oder chronischer Erkrankung/nach chirurgischen Eingriffen (A)

• Zwischen den Mahlzeiten verabreichen (C)

►Proteinreiche Trinknahrung vs. keine Trinknahrung OR 0.75%(95% CI 0.62-0.89)

► 25% Reduktion Dekubitus-entwicklung

+

Proteinreiche

Trinknahrung +

=

200 ml

http://www.npuap.org/news.htm; Stratton RJ. Age Res Rev. 2005;4:422–450

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Zusätzlich zur üblichen Kost proteinreiche Trinknahrung

• < als 1 Minute wurde für die Motivation verwendet

• Von verschriebenen Trinknahrungen wurden 75% verteilt und davon 55% konsumiert

• Gastrointestinale Nebenwirkungen

• Angehörige bevorzugen andere Verbesserungen vor Einsatz von Trinknahrung

• In Kombination mit körperlicher Aktivität

• Patienten zu Hause: meist keine Kostenübernahme (ca. Fr. 5.--/Stk)

Simmons S. JAGS. 2003;51:69-74 und 2006.54:1372–1376.

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• Normale Nahrung als Menschenrecht und Ernährung als Menschenpflicht.

• Anspruch jedes Menschen auf Ernährungsautonomie, selbst dann wenn die Art und Weise der Ernährungsgewohnheiten und das Trinkverhalten eines Menschen zu Mangel- oder Fehlernährung führt.

• Ernährungstherapeutische Massnahmen (Trinknahrung, Anreichern, Verdicken, Sondenernährung) hat in gleicher Art und Weise die Kriterien der Indikation und der Einwilligung für das Beginnen und das Beenden anderer Therapien zu erfüllen.

Baumann-Hölzle R et al. Ernährungsautonomie - ethisches Grundsatzpapier zur Ernährung der Patientinnen und Patienten im Akutspital. Schw Ärztezeitung 2006;87:33:1412- 1413.

Ernährungsautonomie

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Normale orale übliche Kost optimieren

• Keine unnötigen Diäten oder Breikost (C)

• Ausreichendes Budget und motivierter Küchenchef

• Kleine Portionen, Energiedichte erhöhen, Fingerfood

• Zwischenmahlzeiten und Spätmahlzeit/-getränk (B)

• Vorlieben und Gewohnheiten berücksichtigen

• In Gemeinschaft essen/Angehörige miteinbeziehen

• Keine Störungen, angenehmes Ambiente

• Ausreichend Personal für Assistenz

• Medikamente überprüfenNieuwenhuizen W. Clin Nutr. 2010:29:160-169.

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Nahrungsergänzungsmittel bei ungenügender

Aufnahme/Mangel (B)

• Vitamin A, C, Zink, Eisen, Kupfer haben wichtige Rolle in der Wundheilung

• Keine Evidenz für routinemässige Supplementierung wenn kein Mangel vorliegt

• Mangel an Mikronährstoffen ist schwierig messbar/nicht aussagekräftig/teuer. Ausnahmen: Eisenstatus, Zink, B12, Vitamin D

► Gezielt substituieren bei Mangel, Mangelerscheinungen und Risikopersonen (Verwahrlosung, Alkoholiker, Raucher, Vegetarier, Malabsorption, Dünndarmstoma, Kortison, …)

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Nahrungsergänzungsmittel bei ungenügender

Aufnahme/Mangel (B)

• Abraten von isolierten und hochdosierten Mikronährstoffen

• Multivitaminpräparate in ca. empfohlener Tagesmenge für Vitamine und Spurenelemente (evtl. + Kalzium und Magnesium)

• Multivitaminpräparate speziell für >50 J.

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Spezielle Trinklösungen

• Datenlage noch ungenügend

für Empfehlung

Isolierte Wirkstoffe Natürliches Vorkommen

Arginin Nüsse, Hülsenfrüchte, Fleisch, Fisch

Glutamin (Glutaminsäure) Milchprodukte, Fleisch, Fisch, Eier, Nüsse

Hydroxy-Methylbutyrat (Metabolit der Aminosäure Leucin)

Milchprodukte, Fleisch, Fisch, Eier

Zink Fleisch, Eier, Hafer

Antioxidantien Zitrusfrüchte, gelbe/rote/blaue Gemüse und Obstsorten, Nüsse

Dorner B. Adv Skin Wound Care. 2009;22:212-221.

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Ernährungsassessment, -wissen und DekubitusSpitex-Patienten mit DU (n=290) vs. ohne DU (n=456), Japan

• DU bei Malnutrition 2.3x erhöht

• Assessment des Ernährungsstatus und der Nahrungsaufnahme durch PFP signifikant präventiver Faktor für ↓Dekubitusrisiko

• Ernährungswissen der Betreuer signifikant präventiver Faktor für ↓ fortgeschrittene DU

Iizaka S. Clin Nutr. 2010.20;47-53.

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Ernährung und Dekubitus – hilft ein Zaubertrank?

Rezept Zaubertrank:

• Wissen um die Rolle der Ernährung

• Ernährungszustand erfassen

• Interdisziplinär zusammenarbeiten

• Allgemeine und individuelle Massnahmen

• Verpflegungsangebot verbessern

• Ernährungsautonomie wahren

Alles zusammen mischen, anwenden, dokumentieren,evaluieren undpublizieren.