Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810),...

41
Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina 11. "Ist nun auch Titz kein großer Geiger, noch weniger der größte al- ler Zeiten, wie seine Verehrer behaupten, so ist er doch unbezwei- feIt ein musikalisches Genie, wie seine Compositionen hinläng- lich beweisen" 1, so charakterisierte den deutschen Musiker Louis Spohr, der ihn während eines Aufenthalts· in St. Petersburg im Jahre 1803 spielen hörte und selbst mit ihm musizierte. Damals hatte Titz das sechzigste Lebensjahr bereits über- schritten, die beste Zeit seines Künstlerlebens lag also schon hin- ter ihm. Seit 1797 kränkelte er, und als Spohr mit ihm zusammen- traf, hatte er wegen eines Nervenleidens sein Instrument längere Zeit nicht anrühren können, §O dass er völlig aus der Übung war. Spohr wusste das, doch urteilt der damals erst neunzehnjährige Künstler, ohne diese sich auf Technik und Gestaltung des Violin- spiels zweifellos negativ auswirkenden Umstände zu berücksich- tigen. Die Biographie von Anton Titz lag jahrzehntelang völlig im Dunkeln. Erst 1842 vermutlich im Zusammenhang mit Titz' hundertjährigem Geburtsjahr - erschien in St. Petersburg eine sehr romantisch abgefasste Lebensbeschreibung des Musikers 2. Vorher brachten einige Musiklexika über Titz viel Phantastisches oder einfach frei Erfundenes. Doch auch in der russischen Quel- le von 1842 lassen sich Anekdotisches und dokumentarisch Gesi- chertes nicht immer scharf voneinander trenneIl. So wird Titz' To- desjahr fälschlicherweise mit 1798 angegeben 3. Titz' Tod läßt sich an Hand eines Schreibens des Fürsten Aleksandr Golicyn vom 24. Dezember 1810 datieren, in dem er um die Anweisung von 1000 Rubel für die Ausrichtung von Titz' Begräbnis bittet 4. Da der 1 Louis Spohr, Selbstbiographie, Bd. 1, Cassel u. Göttingen 1860, S. 47. 2N. M., Biograficeskij ocerk znamenitogo v svoe vremja muzykanta Ferdi- nanda Dica, in: Repertuar russkogo i panteon vsech evropejskich teatrov na 1842 god, 1., St. Petersburg 1841, S. 1Off. 3Ebd., S. 14. 4Nicht vorn 25. Dezember, wie in Muzykal'naja enciklopedija, Bd. 5, Mos- kau 1981, Spalte 539 angegeben. Der Brief Golicyns befindet sich in der 42

Transcript of Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810),...

Page 1: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

Ernst Stoumlckl Anton Titz (1742-1810) ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina 11

Ist nun auch Titz kein groszliger Geiger noch weniger der groumlszligte alshyler Zeiten wie seine Verehrer behaupten so ist er doch unbezweishyfeIt ein musikalisches Genie wie seine Compositionen hinlaumlngshylich beweisen 1 so charakterisierte den deutschen Musiker Louis Spohr der ihn waumlhrend eines Aufenthaltsmiddot in St Petersburg im Jahre 1803 spielen houmlrte und selbst mit ihm musizierte

Damals hatte Titz das sechzigste Lebensjahr bereits uumlbershyschritten die beste Zeit seines Kuumlnstlerlebens lag also schon hinshyter ihm Seit 1797 kraumlnkelte er und als Spohr mit ihm zusammenshytraf hatte er wegen eines Nervenleidens sein Instrument laumlngere Zeit nicht anruumlhren koumlnnen sectO dass er voumlllig aus der Uumlbung war Spohr wusste das doch urteilt der damals erst neunzehnjaumlhrige Kuumlnstler ohne diese sich auf Technik und Gestaltung des Violinshyspiels zweifellos negativ auswirkenden Umstaumlnde zu beruumlcksichshytigen

Die Biographie von Anton Titz lag jahrzehntelang voumlllig im Dunkeln Erst 1842 vermutlich im Zusammenhang mit Titz hundertjaumlhrigem Geburtsjahr - erschien in St Petersburg eine sehr romantisch abgefasste Lebensbeschreibung des Musikers 2

Vorher brachten einige Musiklexika uumlber Titz viel Phantastisches oder einfach frei Erfundenes Doch auch in der russischen Quelshyle von 1842 lassen sich Anekdotisches und dokumentarisch Gesishychertes nicht immer scharf voneinander trenneIl So wird Titz Toshydesjahr faumllschlicherweise mit 1798 angegeben 3 Titz Tod laumlszligt sich an Hand eines Schreibens des Fuumlrsten Aleksandr Golicyn vom 24 Dezember 1810 datieren in dem er um die Anweisung von 1000 Rubel fuumlr die Ausrichtung von Titz Begraumlbnis bittet 4 Da der

1 Louis Spohr Selbstbiographie Bd 1 Cassel u Goumlttingen 1860 S 47 2N M Biograficeskij ocerk znamenitogo v svoe vremja muzykanta Ferdishynanda Dica in Repertuar russkogo i panteon vsech evropejskich teatrov na 1842 god 1 St Petersburg 1841 S 1Off

3Ebd S 14 4Nicht vorn 25 Dezember wie in Muzykalnaja enciklopedija Bd 5 Mosshykau 1981 Spalte 539 angegeben Der Brief Golicyns befindet sich in der

42

nur mit den Initialen N M unterzeichnete Verfasser des biograshyphischen Artikels uumlber Titz seine Kenntnisse zum Teil aus dem Munde von Titz Zeitgenossen geschoumlpft hat ist diese Quelle sishycher doch noch als die zuverlaumlssigste anzusehen Gewaumlhrsmaumlnner fuumlr den Autor waren ua der Violinist Anton Horn der dem Hoforchester schon seit 1769 angehoumlrte und der Theaterdichter Aleksandr Aleksandrovic Sachovskoj (1777-1846)

Um die Entschluumlsselung der Initialen mit denen der Verfasshyser seinen Artikel uumlber Titz unterschrieb hat sich bisher noch niemand gekuumlmmert Indes ist die Zahl der Personen die in Russland um 1840 auf dem Gebiet der Musikkritik taumltig washyren durchaus noch uumlberschaubar Im Zusammenhang mit der hier beruumlhrten Problematik faumlllt von ihnen Nikolaj Aleksandroshyvic Melgunov (1804-1867) ins Auge weil sich seine Initialen mit denen des Autors der Titz-Biographie decken Ein Vergleich der Darstellungsweise der sectich der Verfasser der Titz-Biographie bedient mit der von Melgunov zB in der Besprechung der Streichquintette von FX Gebel s laumlszligt vermuten dass es sich bei dem Autor der Titz-Biographie um Nikolaj Melgunov handelt der als Klassenkamerad von ML Glinka die Petersburger Adelsshypension absolvierte und bis zum Tode des Komponisten eng mit ihm befreundet war

N ach der russischen Quelle wurde Anton Titz um das Jahr 1742 in Nuumlrnberg geboren Schon als Kind verwaist nahm sich seiner sein Onkel der Landschafts- und Blumenmaler Johann Christoph Dietzsch (1710-1789) an Er wollte aus dem Jungen einen Mashyler machen setzte ihn jedoch als Anton fuumlr die Malerei weder Begabung noch Interesse zeigte kurzerhand auf die Straszlige Aus der Schreibweise der Namen seiner naumlchsten Verwandten die alle Kunstmaler waren geht hervor dass Titz urspruumlnglich Dietzsch geheiszligen haben muss 6 Verwirrend sind auch die verschiedenen Vornamen die in den einzelnen Quellen in Verbindung mit Titz

fruumlheren Archivhauptverwaltung der UdSSR eine Kopie davon besitzt der Verfasser des vorliegenden Artikels

5 N Melgunov Moskovskie zapiski 0 muzykalnych vecerach gospodina Gebelja in Molva 1834 Nr 49 ders 0 muzykalnych vecerach gospodina Gebelja in Teleskop 1835 Teil XXV Buch 2

6Der Autor des biographischen Artikels im Pantheon schreibt Ferdinand Die

43

gebraucht werden Er erscheint als Anton Ferdinand Ferdinand Anton Anton Ferdinand (AF) August Ferdinand und ohne Anshygabe des Vornamens 7 Es besteht jedoch kein Zweifel dass es sich trotz der verschiedenen Vornamen immer um denselben Musiker handelt

Als sein Onkel den Knaben verstoszligen hatte nahm ihn seine alshyleinstehende Tante Barbara Regina Dietzsch zu sich die ebenfalls Kunstmalerin war Sie brachte der Musikliebe des Jungen Vershystaumlndnis entgegen und sorgte dafuumlr dass er seine autodidaktisch erworbenen Fertigkeiten im Violinspiel durch systematischen Unshyterrichtvervollkomnlnen konnte Wer den jungen Titz unterrichshytete ist unbekannt Mit siebzehn Jahren beherrschte er das Vioshylinspiel jedenfalls so gut dass er in die Kapelle der St-SebaldusshyKirche aufgenommen und schon bald inmiddot den ersten Geigen einshygesetzt werden konnte Eine enttaumluschte erste Liebe veranlasste den etwa zwanzigjaumlhrigen seJlsiblen Juumlngling N uumlrnberg zu vershylassen und sich in Wien nach einem neuen Betaumltigungsfeld umshyzusehen Hier wurde er mit Christoph Willibald Gluck bekannt dem der junge Geiger offenbar sympathisch war so dass sich zwischen den beiden Musikern ein freundschaftliches Verhaumlltnis zu entwickeln begann Titz verdankte Gluck eine Anstellung als

7 Anton (Antoine) 3 Streichquartette dem Zaren Alexander I geshywidmet St Petersburg bei FA Dittmar

Ferdinand 6 Streichquartette Wien 1781 Artaria 3 Duos fuumlr 2 Violinen Wien 1781 Torricella

AF (Anton Ferdinand) 3 Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine op I II u III St Petersburg Gerstenberg et Co

Ferdinand Anton R A Mooser Annales de la musique et des mushysiciens en Russie au XVIIIe siede Bd 2 Genf 1951 S 179ft

August Ferdinand R Eitner Biographisch-bibliographisches Quelshylenlexikon der Musiker und Musikgelehrten Bd 9 Leipzig 1903 S 407 MGG Bd 13 Kassel usw 1966 Sp 411

Ohne Vorname(n) Sonate pour Violon avec laccomp de Basshyse Moskau (CG Kaestner) Manuskripte der in Wien (Oumlsterreichische Nationalbibliothek u Gesellschaft der Musikfreunde) befindlichen Streichquartette u -quintette

44

Geiger im Opernorchester 8 Folgt man der russischen Quelle so war Gluck in Wien der einzige Mensch dem sich Titz verbunden fuumlhlte Und da Gluck ein versierter Violoncellist war spielte Titz des oumlfteren zusammen mit ihm Duos fuumlr Violine und Violoncello Wenn Titz als Zwanzigjaumlhriger also 1762 nach Wien gekommen war dann ist das gemeinsame 1tIusizieren fuumlr die Zeit zwischen 1762 und 1771 anzusetzen 9

Titz verkehrte in Wien gelegentlich auch im Palais des Fuumlrsten Ferdinand Philipp Lobkowitz (1724-1784) Als ihn hier der in Wien auf der Durchreise weilende hohe russische Beamte Petr Aleksandrovic Sojmonov (1737-1800) spielen houmlrte war dieser so begeistert dass er ihn nach Russland einlud 1771 ging Titz nach St Petersburg wurde Kammermusiker der Zarin Katharina 11 und als erster Geiger in das Erste Hoforchester aufgenommen 10

Uumlber die ersten zehn Jahre die Titz in Russland verbrachshyte gibt es keine Nachrichilen In dieser Zeit scheint er durch den Dienst im Hoforchester voll in Anspruch genommen worshyden zu sein Erst 1781 tritt Titz wieder in das Blickfeld des Historikers Wir erfahren dass er in Warschau bei einer Soishyree des italienischen Saumlngerehepaars Guglielmo und Maria Anshyna Jermolli mitwirkte indem er mehrere Sonaten sowie zwei Konzerte eigener Komposition vortrug 11 Um welche Sonaten

8 Nicht als Kapellmeister wie in M uzy kalnaja enciklopedija (hrsg von J u V Keldys) Bd 5 Moskau 1981 Spalte 539 zu lesen ist

90b Titz die Wieller Urauffuumlhrung von Glucks Orpheo am 5 Oktober 1762 miterlebte ist fraglich In der Folgezeit hat Gluck Wien nur dreimal verlasshysen Als er im Fruumlhjahr 1763 zur Urauffuumlhrung der von ihm zur Einweihung des Teatro Comunale komponierten Oper Il Trionfo di Clelia nach Boloshygna reiste als er im FebruarMaumlrz 1764 kurze Zeit in Paris weilte und als er Anfang 1767 in Florenz war um die Auffuumlhrung eines von ihm komshyponierten Prologs zu dirigieren Glucks gemeinsames Musizieren mit Titz insbesondere sein Wirken als Violoncellist stellen interessante Details dar die den Gluck-Biographen bisher unbekannt waren

1degSeinen Dienst trat Titz am 22 Mai oder am 14 Dezember 1771 an Da im gleichen Jahr auch ein Bratscher mit dem Namen Anton Titz im Hofshyorchester angestellt wurde laumlszligt sich nicht sagen wann der Violinist und wann der Bratscher eingestellt wurde Die beiden Musiker waren jedoch nicht miteinander verwandt denn der Bratscher stammte aus Boumlhmen

11 Vgl RA Mooser Annales de Ia musique et des musiciens en Russie au XVIIIe siede Bd 2 Genf 1951 S 488

45

und Konzerte es sich handelte bleibt mangels Angaben unbeshykannt Ein Jahr spaumlter im Februar 1782 trat Titz zusammen mit dem Clavecinisten K Zierlein einem Schuumller von CPhE Bach und Kapellmeister des Fuumlrstbischofs von Ermland in St Petersburg an die Oumlffentlichkeit Er lieszlig sich damals auf der Viola d amore houmlren auf der er virtuos spielen konnte Zierlein begleishytete ihn auf dem Clavecin Was die beiden Kuumlnstler vortrugen ist unbekannt Nach V Natanson 12 soll Titz neben Field und Romberg zu Privatkonzerten herangezogen worden sein wie sie Ende des 18 Jahrhunderts im Hause des Feldmarschalls N1 Salshytykov zahlreich stattfanden Damit scheint sich Titz Auftreten in der Oumlffentlichkeit auszligerhalb des Hofes erschoumlpft zu haben Uumlberhaupt scheute er ein breites Publikum Dies war wohl der Menschenscheu und dem introvertierten Wesen des Musikers geshyschuldet das sein Biograph auf seine enttaumluschte Jugendliebe aus der Nuumlrnberger Zeit zuruumlckfi1hrt

Dass Titz in der zweiten Haumllfte der 1790er Jahre Mitglied der Koumlniglichen Kapelle in Dresden war und von hier aus als Soshylist in Leipzig Berlin (1803) und Prag (1809) aufgetreten sei ist unrichtig 13 Hier wird offenbar Anton Titz mit Ludwig Titz verwechselt der als Violinist der Koumlniglichen Kapelle in Dresshy

12V Natanson Prosloe russkogo pianizma Moskau 1960 S 156 13 Dass 1802 der Kurfuumlrstl Saumlchsischen Hofkapelle ein Violinist namens Tietz

angehoumlrte geben Gerber (NL IV 357) C von Wurzbach (Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oumlsterreich Teil 44 Wien 1882 S 147) Eitner (EitnerQ 407) A Weinmann (MGG XIII 411) und TA RepCinskaja (in Muzykalnaja enciklopedija Bd 5 Moskau 1981 Sp 339) an Es handelte sich aber wahrscheinlich um Ludwig Tietz der von 1818 bis 1828 Vizekonshyzertmeister in der Hofkapelle zu Dresden und ein tuumlchtiger Kuumlnstler war (vgl M Fuumlrstenau Beitraumlge zur Geschichte der Kgl Saumlchsischen musikashylischen Kapelle Dresden 1849 S 193 u 206) Zum Auftreten von Tietz 1803 in Berlin schreibt zB die Allgemeine musikalische Zeitung Den 25sten Februar gab der Kurfuumlrstl Saumlchsische Kammermusiker Herr Tietz aus Dresden ein Konzert im Saale der Stadt Paris und rechtfertigte voumlllig in zwey von ihm gesetzten und gespielten Violinkonzerten die allgemeinen Erwartungen (AmZ 1803 410) - Dass es sich bei dem Violinisten des Berliner Konzerts nicht um den Petersburger Hofmusikus Anton Titz geshyhandelt haben konnte geht auch daraus hervor dass sich 1 Spohr von Januar bis Mai 1803 in Petersburg befand und dort wiederholt mit Titz zusamentraf (vgl Spohr wie Anm 1 S 45)

46

den einer der ersten reisenden Musiker war waumlhrend es als ershywiesen gelten kann dass Anton Titz nachdem er sich 1771 in Russland niedergelassen hatte dieses Land bis zu seinem Tode inl Jahre 1810 nicht wieder verlassen hat 14 Gegen Anton Titz Konzerttaumltigkeit zwischen 1803 und 1809 spricht auch sein in dieser Zeit schon stark beeintraumlchtigter Gesundheitszustand der strapazioumlse Konzertreisen nicht mehr moumlglich machte

Mit der Zeit erweiterte sich offenbar Titz Aufgabenkreis Neshyben dem Dienst im Ersten Hoforchester war er als Violinlehrer an der Theaterschule taumltig und im Auftrag von Katharina 11 hatte er den Groszligfuumlrsten Aleksandr Pavlovic den spaumlteren Zashyren Aleksandr 1 im Violinspiel zu unterweisen Vermutlich seit Beginn der 1780er Jahre wurde Titz mit der Bildung und Leishytung eines Kammermusikensembles betraut Wahrscheinlich ershyhielt er diesen Auftrag von der Zarin selbst Sie schaumltzte den deutschen Musiker und bezahlte ihm das beachtlich hohe Jahresshygehalt von 3000 Rubel Die ihm uumlbertragene neue Aufgabe kam Titz Veranlagung in geradezu idealer Weise entgegen Da er shywie sein Biograph vermerkt wegen seiner Schuumlchternheit nie haumltte Konzertgeiger werden koumlnnen dafuumlr jedoch im Quartett in seinem Element war 15 musste ihm das Ensemblespiel ganz besonders zusagen Auszligerdem bot es ihm Anregung zu manch neuer Komposition

Kammermusikpflege hatte am Zarenhof eine lange Tradition Sie reichte in die 1720er Jahre zuruumlck als - wie Staumlhlin berichtet shyder Herzog Ulrich von Holstein-Gottorp der spaumltere Schwiegershysohn Peters des Groszligen in St Petersburg Zuflucht nehmen musshyste und seine kleine Kammerkapelle dorthin mitbrachte 16 Sie bestand etwa aus einem Dutzend deutscher wohlgeuumlbter Musiker darunter die Vornehmsten zween Bruumlder Huumlbner der eine den Kapellmeister und der andere den Concertmeister vorstellte Dieshyse bisher in Russland unerhoumlrte Musik bestand in Sonaten Soshy

14Vgl Mooser wie Anm 11 Bd II S 179 Anm 8 15V gl N M wie Anm 2 S 13 16 Neuerdings wird die Anwesenheit der holsteinschen Kapelle von A Porshy

fireva angezweifelt (vgl A Porfireva Aus der Geschichte des russischen Hoforchesters in der petrinischen Epoche in Arolser Beitraumlge zur Musikshyforschung 8 Sinzig 2000 S 125ff) Die Beweisfuumlhrung erscheint uns jedoch luumlckenhaft und daher wenig uumlberzeugend

47

li Trii und Concerten von Telemann 17 Kayser 18 Haynichen 19

SchuItz 20 Fuchs 21 und andern damals beruumlhmtesten Deutschen sowohl als von Corelli 22 Tartini 23 Porpora 24 und andern itashylienischen Komponisten Peter der Groszlige wohnte diesem hershyzoglichen Kammerkonzert nicht nur selbst oumlfters bei sondern lieszlig es fast alle Woche einmal auch an seinenl Hofe spielen Daselbst fand es um so mehr allgemeinen Beifall je neuer und angenehshymer es den vornehmen Russen im Vergleich aller ihrer bisherigen Musik vorkommen musste 25

Nach diesen1 ersten Kontakt der russischen Hofgesellschaft mit der Kammermusik Westeuropas der infolge der woumlchentlich reshygelmaumlszligig stattfindenden Konzerte zur Herausbildung einer festen Tradition fuumlhrte erlebte der Zarenhof als er 1733 und dann wieder seit 1735 eine italienische Hofoper einrichtete nicht nur eine Bluumltezeit der opera seria sondern getragen von den im italienischen Opernorchester wirkenden Violinvirtuosen Giovanshyni Verocai 26 Luigi Madonis 27 und Domenico dallOglio 28 auch eine strahlende Epoche der spaumltbarocken Geigenkunst 29 Diese Geiger traten in den Hofkonzerten regelmaumlszligig als Solisten hervor

17 Georg Philipp Telemann (1681-1767) 18Gemeint ist Reinhard Keiser (1674-1739) 19Gemeint ist Johann David Heinichen (1683-1729) 2degGemeint ist vermutlich Heinrich Schultze der 1681 in Stralsund geboren

wurde und seit 1717 Konzertmeister hierauf Direktor der Polnischen Kashypelle Augusts des Starken war

21Es handelt sich wahrscheinlich um Johann Joseph Fux (1660-1741) von dem die Zeitgenossen insbesondere die Trio-Sonaten lobten

22 Arcangelo Corelli (1653-1713) 23Giuseppe Tartini (1692-1770) 24 Nicola Antonio Porpora (1686-1766) 25 Jakob v Staumlhlin Nachrichten von der Musik in Ruszligland in Theater Tanz

und Musik in Ruszligland hrsgv E Stoumlckl Leipzig 1982 S 80r 26G Verocai C um 1700 in Venedig t 1745 in Braunschweig) war seit 1731

im Dienste des russischen Hofs in Moskau seit 1732 in St Petersburg 271 Madonis ( 1700 in Venedig t 1767 in St Petersburg) in Petersburg

1733 bis 1738 und dann wieder 1740 bis zum Tode seit 1761 geistesgestoumlrt 28D dallOglio ( um 1700 in Padua t 1764 in Narva) In St Petersburg

von 1735 bis 1764 29 V gl dazu L Gurevic Der russische Violinb1fock in Arolser Beitraumlge zur

Musikforschung 8 Sinzig 2000 S 29ff

48

middot raumlumten aber dabei auch Kammermusikwerken wie Sonaten und Trios einen gebuumlhrenden Platz ein Damit knuumlpften sie an die in den 1720er Jahren von Musikern des holsteinschen Herzogs geshyschaffene Tradition an und fuumlhrten sie zu einenl glanzvollen neuen Houmlhepunkt Als die Italiener Petersburg verlieszligen Verocai ging schon 1738 nach Braunschweig dall OgHo reiste 1764 aus Petersshyburg ab Madonis war seit 1761 geistesgestoumlrt - riss die Kamshymermusikpflege unvermittelt ab Als Titz 1771 nach Petersburg kam war von den italienischen Violinvirtuosen niemand mehr da Die von ihnen fruumlher gepflegte Kammermusik lebte jedoch in der Erinnerung der einstmaligen Houmlrer fort so dass ihr Verschwinshyden aus dem houmlfischen Musikleben als Luumlcke empfunden werden musste Katharina I1 scheint dies gespuumlrt zu haben so dass sie schlieszliglich den Befehl zur Gruumlndung eines festen Ensembles gab und damit die in den 1760er Jahren verloren gegangene Tradition der Kammermusikpflege nea belebte Mit diesenl Ensemble hatshyte Titz vor allem fuumlr das spezielle musikalische Amuumlsement der Hofgesellschaft in erster Linie der Zarin selbst zu sorgen Wann immer Katharina I1 oder einem Mitglied der Hofgesellschaft der Sinn nach musikalischer Unterhaltung stand wurde Titz gerushyfen und musste mit seinem Ensenlble fuumlr die hohen Herrschaften aufspielen

Die Musiker des Ensembles wechselten doch rekrutierten sie sich stets aus den besten Instrumentalisten die es damals in Peshytersburg gab So spielte - vermutlich zwischen 1783 und 1786 -Ivan Giornovicchi (Jarnowick um 1740-1804) mit der - wie die Allgemeine musikalische Zeitung in ihrem Nachruf konstatiert einer der vorzuumlglichsten Virtuosen auf seinem Instrument war das er besonders mit Genauigkeit Anmuth und Zierlichkeit beshyhandelte ihm den reinsten und einschmeichelndsten Ton zu entshylocken und eine Seele einzuhauchen wusste welcher man sich mit Entzuumlcken hingab Selbst spaumlte Jahre hatten diese seine Vorzuumlge nicht verringert 30

Eine Zeitlang gehoumlrte der in Berlin geborene Ernst Heinrich Raab (1750- ) Sohn eines Hofmusikers des Prinzen Ferdinands von Preuszligen dem von Titz geleiteten Kammermusikensemble an Er war 1781 fuumlr die ersten Geigen des Ersten Hoforchesters anshygestellt worden wurde jedoch schon ein Jahr spaumlter beurlaubt

30 AmZ 1804 241

49

shy

( ~ -

Seitdem gibt es uumlber ihn keine Nachrichten mehr Er kann also nur kurze Zeit in der Kammermusik bei Hofe mitgewirkt haben Anders verhaumllt es sich mit Otto Ernst Tewes (1759-1800) der seit 1775 erster Geiger im Ersten Hoforchester war und bis zu seinem Lebensende in Petersburg blieb Aus seiner Feder stammt die dreiaktige komische Oper Die wuumltende Familie (Besenaja sem ja) auf ein Libretto des bekannten russischen Fabeldichters LA Kryshylov die 1786 - allerdings mit einem nur maumlszligigen Erfolg in Petersburg auch aufgefuumlhrt wurde 31 Tewes spielte in Titz Enshysemble sicher laumlngere Zeit mit Die Bratsche war durch Stockfisch vertreten uumlber den wir allerdings keinerlei naumlhere Informationen besitzen sogar sein Vorname ist unbekannt Vermutlich war er Bratscher im Ersten Hoforchester Am Pult des Violoncellisten saszlig Alessandro Delfino der ehe er 1789 nach Petersburg geganshygen war als erster Violoncellist im Orchester der Mailaumlnder Scashyla gewirkt hatte Nach voruumlliergehendem Dienst im Privatorcheshyster von Feldmarschall Fuumlrst Grigorij Aleksandrovic Potemkin (1739-1791 ) erhielt er 1793 in Petersburg die Stelle des Solovioshyloncellisten im Ersten Hoforchester mit einem Vertrag auf fuumlnf Jahre Vermutlich in dieser Zeit 1793 bis 1798 wirkte er in Titz Ensemble 32 Mit Tewes Stockfisch und Delfino stand Titz eishyne ausgezeichnete Streichquartettbesetzung zur Verfuumlgung die bei Bedarf oder wenn es die Anwesenheit besonders talentiershyter Musiker in Petersburg erforderte erweitert bzw veraumlndert wurde So wirkten bei Titz der aus Boumlhmen stammende Claveshyeinist und Komponist Ernest Wanzura ( um 1750 t 1802) der franzoumlsische Harfenist Jean-Baptiste Cardon ( um 1747 t um 1805) der aus Kassel gebuumlrtige Floumltenvirtuose Franz Ludwig Mishychel (Lebensgrenzen unbekannt) und der deutschboumlhmische Klashyrinettenvirtuose Johann Joseph Beer (1744-1812) mit

Wanzura lebte seit 1783 in Moskau und wechselte 1786 nach Petersburg uumlber Seit dieser Zeit spielte er - wahrscheinlich auch nicht regelmaumlszligig - im Kammermusikensemble von Titz mit Der Harfenist Cardon der Paris vermutlich zu Beginn der Revolution verlassen hatte weilte seit 1790 in Petersburg Sein Vertrag mit der Direktion der Kaiserlichen Theater war auf drei Jahre (1790shy

31 Vgl Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 343 32Zu Delfino vgl RA Mooser Annales de la musique et des musiciens en

Russie au XVIII siede Bd 2 Genf 1951 S 488

50

I r

1793) befristet In dieser Zeit spielte er bei Titz mit Der Floumltist Franz Ludwig Michel war 1775 bis 1791 Mitglied des Privatorcheshysters des Fuumlrsten Grigorij Aleksandrovic Potemkin lebte hierauf bis 1796 in Petersburg um dann nach Deutschland zuruumlckzukehshyren Michels Mitwirkung in Titz Ensemble kann daher fuumlr die Zeit zwischen 1791 und 1796 angenommen werden Der Klarinetshytist Johann Joseph Beer spielte bei Titz vermutlich eher in der Zeit von 1783 bis 1786 mit zu der Zeit also als auch Giornovicchi Titz Ensemble angehoumlrte Ab und zu musizierte bei Titz auch der Groszligfuumlrst Aleksandr Pavlovic der spaumltere Zar Aleksandr 1 mit den Titz zu einem passablen Geiger herangebildet hatte

Die zeitweise Mitwirkung von verschiedenen Instrumentalisten und eine sich daraus ergebende variierende und bisweilen unshygewoumlhnliche Besetzung fuumlr die es originale Literatur nicht oder noch nicht gab hatte natuumlrlich zur Folge dass entsprechende Arshyrangements geschaffen werden mussten Als Autoren von solchen Bearbeitungen kamen Titzmiddot selbst und Wanzura in Frage Titz verfuumlgte als Komponist uumlber die dafuumlr notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten Diese besaszlig in gleicher Weise auch Wanzura Seine Klavierbearbeitungen von Opernnummern erschienen in dem Journal de musique dedie aux dames das der Petersburger Verleger Bernhard Theodor Breitkopf (1749-1820) der Bruder des Leipziger Verlagsinhabers zwischen 1785 und 1794 herausshygab Welches Repertoire einer Bearbeitung unterzogen wurde ist im einzelnen unbekannt Es kann jedoch vermutet werden dass es sich um Ausschnitte aus italienischen Opern handelte die dashymals auf dem Spielplan der Kaiserlichen Theater standen Da die 1791 in Petersburg eroumlffnete Musikalienhandlung von Johann Dashyniel Gerstenberg immer die neuesten Notenausgaben aus Paris Wien und Berlin heranschaffte 33 waren Titz und seine Musiker uumlber den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Westeuropa gut informiert und konnten so fuumlr das Repertoire des Kammerenshysembles immer auch neue Werke auswaumlhlen Gerstenberg brachshyte 17941795 das St Petersburger Musikmagazin fuumlr das Klavishychord oder Pianoforte heraus das neben Klavierkompositionen shy

33Vgl dazu E Stoumlckl Der St Petersburger Musikverlag Gerstenberg und der Beitrag deutscher Tonsetzer zur Schaffung der ersten Klavierkomposishytionen in Russland in Arolser Beitraumlge zur Musikforschung 8 Sinzig 2000 S 148

51

meist Variationen uumlber russische Volkslieder - auch Triosonaten von Ignaz Pleye1 34 enthielt In der Spaumltzeit von Titz Wirken in Petersburg erschienen in der Zarenresidenz die ersten einheimishyschen Ausgaben von Streichquartetten die Titz sicher kannte und moumlglicherweise fuumlr seine Musizierpraxis auch nutzte Zu denken ist an die Trois Grands Quatuors des aus Regensburg gebuumlrtigen Franz Adam Veichtner (1741-1822) seit 1795 Kammermusikus und Konzertmeister der Petersburger Hofkapelle die vermutlich zwischen 1796 und 1799 von Gerstenberg als Stimmen gedruckt wurden 35 sowie die ebenfalls von Gerstenberg herausgebrachten heute jedoch als verschollen anzusehenden Six Quatuors (1797) und Trois Quatuors (op 3 1796) von Johalln Konrad Schlick (1748-1818) Violoncellist in der Hofkapelle von Herzog Ernst 11 in Gotha 36 Es kann weiter vermutet werden dass Titz Sonaten des in den 1770er Jahren in Petersburg weilenden und sich der besonderen Gunst der Zarin erfreuenden italienischen Violinvirshytuosen Antonio Lolli (1730-1802) spielte Titz Kammerrpusikenshysemble musizierte gelegentlich auch im Theater und ersetzte auf diese Weise ein ganzes Orchester Manchmal saszligen waumlhrend der Theatervorstellullg im Orchester nur vier ausgezeichnete Musishyker Titz mit der Geige Delfino mit dem Violoncello Cardon mit der Harfe und Wanzura am Klavier 37 Es gibt Berichte wonach das Titzsche Ensemble in kleiner Besetzung Symphonishy

34 VgL ebd S 180 35 Das einzige erhalten gebliebene Exemplar von Veichtners Streichquartetshy

ten (F D g) befindet sich in der Szechenyi-N ational-Bibliothek in Budashypest Mit der freundlichen Unterstuumltzung von Herrn Dr Robert Muranyi (Szechenyi-Nationalbibliothek Budapest) und des Instituts fuumlr ostdeutsche Musik (Bergisch Gladbach) brachte E Stoumlckl das Zweite Streichquartett bei Edition Gravis (Bad Schwalbach 1988) in einer praktischen Erstausgashybe (Partitur und Stimmen) heraus

36Vgl B Vol man Russkie pecatnye noty XVIII veka Leningad 1957 S 224 und 227 auch Svodnyj katalog rossijskich llotnych izdanij Bd I XVIIlyj vek St Petersburg 1996 S 109 Nr IIL208 u III209 Die Konzertreisen die Schlick zusammen mit seiner Frau Regina Strinasacchi einer vorzuumlglishychen Violinistin unternahm fuumlhrten ihn ua auch nach Petersburg und es ist moumlglich dass seine von Gerstenberg herausgebrachten Kompositionen in der russischen Residenz auch aufgefuumlhrt wurden

37pI Sumarokov in Russkij archiv 1870 Sp 2106

52

en von Haydn und Mozart spielte 38 Neben haumlufigen Soireen in der Eremitage und den Privatgemaumlchern der Zarin trat Titz in den Sommermonaten auch in Carskoe selo auf wo er bevorzugt Streichquartette vortrug 39 auch solche von Haydn und Mozart Titz Kammermusikensemble beteiligte sich aber auch an groumlszligeshyren musikalischen Festivitaumlten des Zarenhofs Ein Ereignis dieshyser Art hat der Kammerfourier in seinem Journal unter dem 20 Juli 1791 in einer kurzen Notiz festgehalten Im Kiosk spielte die Kammermusik des Kapellmeisters Titz auf Geigen und dem Violoncello Auf der rechten Seite des Kiosks im Garten stand die Kammermusik der Blaumlser auf der linken Seite jenseits des Sees erklang Hornmusik und vor dem Kiosk selbst sangen die Hofsaumlnger verschiedene Konzerte und russische Volkslieder 40

Da als sicher anzunehmen ist dass Titz im Besitz seiner eigenen 1781 in Wien von Artaria publizierten Six Quatuors war ist es aumluszligerst wahrscheinlich dass er auch seine eigenen Kompositioshynen vortrug Titz duumlrfte mit seinem Streichquartett die zwischen 1801 und 1802 von Dittmar veroumlffentlichten Trois Quatuors soshywohl die drei Alexander 1 wie auch die drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette ehe sie in den Druck gingen ausprobiert haben Auf den Programmen standen wohl auch Titz Sonaten fuumlr Klavier und obligate Violine op I II und II1 Es ist weiter anzunehmen dass das Streichtrio und die Streichquartette von Wanzura die nicht erhalten geblieben sind von Titz und seinem Ensemble aufgefuumlhrt wurden

Die Zeitgenossen schaumltzten Titz Violinspiel in der Regel als beshy

38S0 schreibt die Graumlfin Varvara Nikolaevna Golovina in ihren Memoiren Jeden Morgen erhielt ich von der Groszligfuumlrstin eine schriftliche Nachricht in der sie mir befahl am Abend bei ihr zu erscheinen Die besten Musiker geleitet von Titz spielten Symphonien von Haydn und Mozart Der Groszligfuumlrst spielte auf der Violine Wir houmlrten diese herrliche Musik aus dem Nachbarzimmer (Zapiski grafini Varvary Nikolaevny Golovinoj (1766-1819) St Petersburg 1900 S 52f)

39Man rief Titz und drei weitere ausgezeichnete Musiker um Quartette zu spielen heiszligt es in den Memoiren der Graumlfin V N Golovina siehe unter Anm 38 zitierte Memoiren S 65

40 Aus dem Kapitel Die Kammerfourier-Journale und die Musik bei Hofe (T Livanova Russkaja muzykalnaja kultura XVIII veka Bd II Moskau 1953 S 423)

53

sonders glanzvoll ein wobei natuumlrlich subjektive Kriterien nicht auszuschlieszligen sind Der Dichter Ivan Ivanovic Dmitriev (1760shy1837) ein Vertreter des Sentimentalismus in Russland besingt den deutschen Geiger im Jahre 1798 in dem Vierzeiler

Wen houmlre ich Titz Der von dir beseelte Bogen singt spricht und bewegt die Herzen aller Oh Sohn der Harmonie dir gebuumlhrt die Krone und die gewoumlhnliche Sprache kannst du verachten 41

Als BN Zinovev ein Zeitgenosse von Titz waumlhrend eines Aufshyenthalts in Neapel Felice de Giardini (1716-1796) einen der beshydeutendsten Violinvirtuosen seiner Zeit Streichquartett spielen houmlrte stufte er die Qualitaumlt seines Spiels niedriger ein als die von Titz und Jarnowick 42

Der Verfasser des biographischen Artikels im Pantheon spricht davon dass Titz wegen sein~r Schuumlchternheit nicht haumltte Konshyzertgeiger werden koumlnnen und er deshalb auch nie als Solist aufshytrat Er fuumlgt aber hinzu Doch dafuumlr war er im Quartett in seinem Element Es gab nichts was man mit seiner angenehmen Bogenfuumlhrung und mit jenen wunderbar zarten Toumlnen haumltte vershygleichen koumlnnen die er den Saiten seiner Geige entlockte Besonshyders vortrefflich war er im Adagio seine Violine weinte im vollen Sinne dieses Wortes und sie ruumlhrte auch andere zu Traumlnen 43

Da Titz nach der Biographie im Pantheon 1797 erkrankte duumlrfte in diesem Jahr auch die Aktivitaumlt des von ihm geleiteshyten Kammermusikensembles nachgelassen haben und da sich der Geiger in der Folgezeit eigentlich nie wieder recht erholt hat ist die Kammermusikpfiege am russischen Hof vermutlich um 1797 ganz zum Erliegen gekommen Zusammenfassend kann festgeshystellt werden Ob als Streichquartett Trio oder als Ensemble mit einer gemischten Besetzung immer zeichnete sich das Spiel von Titz und seinen Musikern durch eine unvergleichlich hohe kuumlnstshylerische Qualitaumlt und Perfektion aus

41 Zitiert nach A Glumov Muzykalnyj mir Puskina Moskau-Leningrad 1950 S 97

42Russkaja starina 1878 Bd XXIII S 412 zitiert auch von T Livanova wie Anm 40 II S 311 Anm 2

43NM wie Anm 2 S 13

54

Die Werke

Anton Titz kompositorisches ffiuvre ist nicht allzu umfangreich Einige seiner Werke gelten als verschollen (zB viele seiner Roshymanzen fuumlr Gesang und Klavier) Es ist daher durchaus moumlglich dass die eine oder andere Komposition noch aufgefunden wird so dass sich das Gesamtwerk von Titz noch erweitern koumlnnte

1 Drucke

11 Streichquartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello

111 Six Quatuors (C A G c d Es) komponiert von Ferdinand Titz Nlusicien de la Chanlbre de Sa Maj Imp de toutes les Russhysies gewidmet Fuumlrst Galitzin (Golicyn) Wien 1781 Artaria Der Pariser Verleger Antoine Bailleux brachte unmittelbar nach der Wiener Ausgabe von ArtarHt einen Nachdruck der Quartettstimshymen mit dem VermerkTitz Schuumller Haydns heraus

1 Quartett Allegro Rondo

2 Quartett Poco Adagio con Variazioni Menuetto Trio Allegro di mol to

3 Quartett Allegro Rondo

4 Quartett Adagio - Allegro Allegretto (Menuetto) - Trio Cantabile Allegro spirito

5 Quartett Allegro Rondo

6 Quartett Adagio-Allegro Menuetto Trio Romance Allegro di molto

55

112 Trois Quatuors (G F a) komponiert von Anton Titz Alexander 1 gewidmet Gedruckt in St Petersburg bei Friedshyrich August Dittmar - Als Johann Daniel Gerstenberg 1799 nach Deutschland zuruumlckgegangen war uumlbernahm sein bisheriger Kompagnon Dittmar die Verlagsleitung und fuumlhrte das U nternehshymen bis 1808 alleine weiter Alexander I dem Titz seine Quarshytette widmete war 1801 russischer Zar geworden Einen mit der Dittmarschen Ausgabe identischen Nachdruck brachte Simrock in Bonn zwischen 1802 und 1803 heraus (vgl OE Deutsch Mushysikverlagsnummern Berlin 1961) Somit lieszlige sich die Publikation der Alexander 1 gewidmeten drei Streichquartette mit ziemlicher Sicherheit in die Zeit zwischen 1801 und 1802 datieren und sie waumlre eine der ersten russischen Streichquartettdrucke Von diesen drei Streichquartetten existiert ein Nachdruck auch von Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig der aumlhnlich wie der von Simrock in die Zeit zwischen 1802 und 1803 zu datieren ist Im Auftrag des Instishytuts fuumlr deutsche Musikkultur im oumlstlichen Europa e V (Bonn) gab E Stoumlckl eine praktische Erstausgabe des 1 Quartetts in G-Dur mit Partitur Vorwort und Stimmen heraus (Bad Schwalshybach 2000 Edition Gravis) Die praktische Erstausgabe auch des 2 und 3 Quartetts ist vorgesehen

1 Quartett Adagio Allegro Adagio Allegretto (Menuetto) - Trio Rondo

2 Quartett Allegro Adagio cantabile Rondo vivace

3 Quartett Siciliano affettuoso Allegro di molto agitato Romance Polonaise

113 Trois Quatuors (C B Es) komponiert von Anton Titz gewidmet dem Senator Aleksej Grigorevic Teplov Gedruckt in St Petersburg bei Friedrich August Dittmar zwischen 1801 und 1802 Das einzige erhalten gebliebene Exemplar das sich in der

56

Bibliothek des Cajkovskij-Konservatoriums in Moskau befindet ist defekt Nach Mitteilung der Bibliotheksdirektorin Frau Dr AF Cerkasova aus dem Jahre 1998 ist die Bratschenstimme verloren gegangen und in der Stimme der 2 Violine fehlen die Takte 5 bis 16 Es war nicht moumlglich von den drei AG Teplov gewidmeten Quartetten eine Kopie zu bekommen 1 Jampolskij fuumlhrt in seinem Buch Russkoe skripicnoe iskusstvo (MoskaushyLeningrad 1951) auf S 304 ff ein Notenbeispiel aus dem C-Dur Quartett dieser Ausgabe an fuumlr die die Violastimme von dem Komponisten G S Gamburg hinzukomponiert wurde

12 Duos fuumlr Streichinstrumente

121 Trois Duos a Deux Violons avec Romance et Rondeaux Composes par Ferdinand Titz Musicien de la Chambre de la Maj Im p de toutes les Russies Dedies a Madame La Baronesse de Fried Chez Christoph Torricella (B G C) Wien 1781

122 Sonate pour le Violon avec 1 accomp de Basse Compose par Mr Titz et dedie aMr Ignace Suchaneck par C G Kaestner A Moscou par Kaestner et Comp Adagio und Rondo beide in d-Moll

123 Sonate fuumlr Violine und Bass B-Dur Cantabile Allegro con espressione - Rondo

124 Sonate fuumlr Violine und Bass f-Moll Adagio - Allegro con espressione - Rondo

125 Sonate fuumlr Violine und Bass d-Moll Breitkopf amp Haumlrtei Nr 108 (Uppsala Universitaumltsbibliothek)

126 Trois sonates pour un violon avec ace d une basse Wien Jean Traeg Nr 121 (Zagreb Hrvatski glazbeni zavod Zbirka Don Nikole Udina Algaratti)

57

13 Sonaten fuumlr Clavecin oder Klavier und obligate Violine

131 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 1 ASt Petersbourg chez J D Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op I steht in f-Moll und unlfasst die Saumltze 1 Adagio con sordino 2 Allegro agitato Adagio

132 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 11 ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op II steht in fis-Moll und umfasst die Saumltze 1 Allegro con Espressione 2 Romance siciliano 3 Finale Presto I

133 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv In ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op III steht in c-Moll und umfasst die Saumltze 1 Adagio 2 Allegro agitato 3 Adagio 4 Allegro vivace

134 Sonate fuumlr Violine und Klavier Gemeinschaftskomposition mit dem in Riga lebenden Komponishysten Julius August Fehre (1745-1812) Vgl B Volman Russkie pecatnye noty XVIII veka Leningrad 1957 S 64 ( verschollen)

14 Lied

141 Stonet sizyj golu bocek (Es klagt die graue Taube) in N Findejzen Ocerki Bd 2 Moskau-Leningrad 1929 S CXXXVIL

58

2 Manuskripte

21 Quartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello

211 Sechs Streichquartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello Identisch mit den 1781 in Wien bei Artaria publizierten Werken Wien Oumlsterreichische Nationalbibliothek

22 Quintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen und Violoncello

221 Vier Streichquintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen u Violoncello (A c-C F Es) Wien Gesellschaft der Musikfreunde Es handelt sich unl Abshyschriften die von Wiener Berufskopisten zwischen 1780 und 1800 angefertigt wurden Daraus ist zu schlieszligen dass Titz die hier aufgefuumlhrten Kompositionen schon in Russland schuf

Quintett in A-Dur Allegro - Andante grazioso - Presto Quintett in c-Moll Adagio - Allegro con spirito - Adagio - Ronshy

do Presto Quintett in F-Dur Allegro Andante Rondo Quintett in Es- Dur Allegro Maestoso - U n poco Adagio Rondo

~22 Sechs Streichquintette Osterreichische Nationalbibliothek Wien

Quintett in F-Dur (Mus Hs 11511) Allegro Andante - Rondo Quintett in Es-Dur (Mus Hs 15512) Allegro Maestoso - Un

poco Adagio Rondo Quintett in B-Dur (Mus Hs 11513) Allegro con espressione

Adagio - Rondo Presto Quintett in A-Dur (Mus Hs 11514) Allegro - Andante grazioso

Presto Quintett in c-Moll (Mus Hs 11515) Adagio - Allegro con spirito

Adagio Presto Quintett in d-Moll (Mus Hs l1516) Adagio - Allegro - Cantashy

bile Allegro assai

Alle sechs Stimmabschriften tragen den Vermerk N H 796 wurshyden also 1 796 angefertigt

59

23 Konzert

231 Concert fuumlr Violine principale 2 Violinen 2 Corni Oboi et Basso in Es-Dur Das Konzert besteht aus den Saumltzen Allegro - Cantabile - Rondo Fundort Wien Gesellschaft der Musikfreunde

24 Symphonie

241 Dreisaumltziges Werk fuumlr 2 Violinen Viola Kontrabass 2 Oboen 2 Waldhoumlrner und Pauken (Im Andantino werden die Oboen durch eine Floumlte ersetzt) Die Symphonie besteht aus den Saumltzen Allegro di molto Andantino und Prestissinlo Die handschriftlichen Orchesterstimmen befinden sich in der Bishybliothek des Schlosses zu Pavlovsk (s Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 402 Anm 42)

25 Vokalkomposition

251 Arie fuumlr Sopran solo mit Instrumentalbegleitung (EitnerQ 408)

Wenn wir auch bis zum gegenwaumlrtigen Zeitpunkt nicht alle von Titz geschaffenen Kompositionen kennen so erlauben es doch die der Forschung zugaumlnglichen Werke durchaus sich zumindest von Titz als Komponisten von instrumentaler Kammermusik ein Bild zu machen Zwar hat er auch eine ganze Reihe von Liedern (Roshymanzen) fuumlr Gesang und Klavier geschrieben doch muumlssen dieshyse Kompositionen wahrscheinlich als verschollen angesehen wershyden und entziehen sich daher einer Einschaumltzung Einzig und alshylein das Lied Es klagt die graue Taube (Stonet sizyj golubocek) dessen Autorschaft Findejzen einenl unbekannten Komponisten Keldys 44 aber Titzzuschreiben zu koumlnnen glaubt scheint der

44 VgI N Findejzen Ocerki po istorii muzyki v Rossii Bd 2 Moskau-Leshyningrad 1929 S 301 das Nbsp dazu befindet sich auf S CXXXVII - Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 220 Anm 59

60

r

auf uns gekommene Rest von Titz Vokalschaffen zu sein Dabei erfreuten sich Titz Lieder und insbesondere Es klagt die graue Taube zu ihrer Zeit groumlszligter Beliebtheit und letzteres wurde noch in den 1830er Jahren viel gesungen

Auch uumlber Titz als Symphoniker lassen sich zur Zeit keine Ausshysagen machen weil diesbezuumlgliche Werke in Deutschland nicht verfuumlgbar sind 45

Der folgende Versuch einer Stilanalyse bezieht sich infolgedesshysen vorwiegend auf die Sonaten fuumlr Klavier und obligate Violine op I 11 und III sowie die der Forschung zugaumlnglichen Streichshyquartette Es zeigt sich dass Titz in dem Zeitraum zwischen etwa 1781 und 1802 den Weg von der Fruumlhklassik zur Klassik durchlaushyfen hat Seine fruumlhen 1781 in Wien bei Artaria veroumlffentlichten Six Quatuors weisen in den ersten Saumltzen noch eine mehr oder minder willkuumlrliche Reihung des thematischen Materials auf N r 1 3 und 5 bestehen nur aus zwei Saumltzen jeweils aus einem Allegro und einem Rondo die drei uumlbrigen Werke zeigen dagegen schon die spaumltere klassische Viersaumltzigkeit mit zwei schnellen Ecksaumltzen einem Menuett mit Trio und einem nach dem Menuett folgenden langsamen Satz Eine Sonatensatzform ist jedoch nicht zu erkenshynen Den Quartetten N r 4 und 6 stellte Titz ein einleitendes Adagio voran im Streichquartett Nr 2 (A-Dur) waumlhlte er als ershysten Satz ein Thema mit Variationen Fuumlr die Vermutung dass Titz diese Quartette erst in Russland geschrieben hat spricht dass er sich auf dem Titelblatt als M usicien de la Chambre de Sa Maj Imp de toutes les Russies bezeichnet und die Kompositioshynen dem Fuumlrsten Galitzin (Golicyn) Ministre Plenipotentiaire de S M 1 de toutes les Russies pres la Cour Imp et Roy gewidshymet hat 46 (Siehe Abbildung 1) In Wien wurden sie gedruckt weil es in Russland zu dieser Zeit einen 1vlusikverlag mit einer funktionierenden Notendruckerei noch nicht gab Bei den sechs von Artaria 1781 herausgebrachten Streichquartetten haben wir es daher mit den ersten in Russland komponierten Werken dieser Gattung zu tun Titz kann infolgedessen mit Recht als der Beshygruumlnder des Streichquartetts in Russland angesehen werden Dass

45Wie unter Die Werke angegeben ist Titz einzige symphonische Komposhysition eine dreisaumltzige Symphonie Manuskript geblieben Dieses Werk hershyauszugeben waumlre eine verdienstvolle Aufgabe fuumlr die russischen Kollegen

46Naumlhere Angaben zu Golicyn waren nicht zu ermitteln

61

Nbsp 1 Op I die zwei Themen des Allegro agitato

Allegro agitato

r I

~ J I

tJ - ~ bull ~ I I

~

l ~

tgt

-

bull ~

bull bull

r

_I ~ 1 bull

_ _I --~ t

-

--

-

~ ~

TI I

I

11

( 4 I

~

(

I Thema I ~

e)

~ I bull

e

bull

~ shy

-J tJ

-T bull

L

1 I i

tJ I

~

h1 I

11

1

4

62

bullbull

Fortsetzung Nbsp 1

2 Thema 1 J I bullbull - - bull

1 J bull 1 I

t I I J - lfIt bullbullt ~I --shy~

~ -4 i

Jr 1 bull ~

1 t l

~ ~j j ttt

- - tmiddot --m shy I l

- I tJ - J I

Ij T

J rt t t t t t ~~ t 1 I~i bull I

- shyI bullftmiddot

63

dann die drei zwischen 1801 und 1802 in Petersburg bei Dittmar gedruckten Alexander I gewidmeten Quartette auch von Simshyrock in Bonn und Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig herausgebracht wurden zeugt von der offenbar groszligen Beliebtheit dieser Komshypositionen zu ihrer Zeit

In den drei Sonaten fuumlr Clavecin oder Pianoforte und obligate Violine op I II und III die bei J D Gerstenberg amp Comp in St ~~tersburg vermutlich 1795 gedruckt wurden vollzieht Titz den Ubergang zum klassischen Stil 47 Op I (f-Moll) besteht nur aus zwei Saumltzen einem con sordino vorzutragenden Adagio und einem Allegro agitato In der formalen Gestaltung verfaumlhrt Titz im Allegro ziemlich eigenwillig Er bringt ein zweites Thema erst im zweiten Teil des Allegro-Satzes und baut es gewissermaszligen in die Durchfuumlhrung ein Zwar kontrastiert es mit dem Hauptthema steht aber - was ungewoumlhnlich ist - in g-Moll (siehe Nbsp 1) Diese formale Anordnung fUumllhrt jedoch in gewisser Weise schon

47 Die drei Sonaten op I II und III blieben von russischen und sowjetischen Musikforschern bisher voumlllig unbeachtet Neben den schon erwaumlhnten Aushytoren sind hier noch zu nennen L Raaben (Instrumentalnyj ansambl v russkoj muzyke Moskau 1961) und L Ginzburg (Istorija violoncelnogo isshykusstva Buch 2 Moskau 1957 S 399) Offenbar waren ihnen diese Komposhysitionen nicht zugaumlnglich denn RISM gibt fuumlr sie einen russischen Standort nicht an Doch ist wohl op II in den letzten Jahren wieder aufgefunden worden Im Katalog der Russischen Nationalbibliothek ist dieser N otenshydruck jedenfalls verzeichnet (vgl Svodnyj katalog rossijskich notnych izshydanij Bd I XVIII vek St Petersburg 1996 S 60 I 206) RISM nennt dagegen als einzige Bibliothek die diese Sonaten heute noch besitzt die Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar der fuumlr die Anfertigung von Kopien an dieser Stelle herzlich gedankt sei

Das Exemplar des op I traumlgt den handschriftlichen Vermerk Maria Pavshylovna (siehe Abbildung 2) gehoumlrte also wahrscheinlich dieser aus der Zashyren familie stammenden russischen Groszligfuumlrstin die es bei ihrer 1804 erfolgshyten Vermaumlhlung mit dem Groszligfuumlrsten Karl Friedrich von Sachsen-Weimar (1783-1853) vermutlich mit nach Weimar gebracht hat Die allseitig geshybildete Maria Pavlovna (t 1859) spielte Klavier sie stand mit Goethe in staumlndigem geistigem Austausch es ist auch uumlberliefert dass sie sich unter der Anleitung des damaligen russischen Hofkapellmeisters Giuseppe Sarti (1729-1802) mit Komposition beschaumlftigt hat (vgl N von Milde Maria Pawlowna Hamburg 1904 S 88) Dass sie Anton Titz persoumlnlich gekannt hat und ihn zusammen mit seinem Ensemble am Petersburger Hof musishyzieren houmlrte ist sehr wahrscheinlich

64

Abb 1 Titelblatt der Six Quattuors Wien 1781 (Artaria)

65

S 0 N A T E~ pour le

CLAYECIN ou PIANOFORTE

et

VIOLON OBLIGE

conposee

par

Mf TITZ

Opl

A St Petersbour8

ehc Gcutenberg et Camp

Prix IR

Abb 2 Titelblatt von op I mit den Schriftzuumlgen von Maria Pavlovna Groszligherzogin von Sachsen-Weimar

66

zur Sonatensatzform hin die der Komponist dann in den Sonaten op II und III in voller Auspraumlgung anwendet

Nbsp 2 Op III Adagio

Adagio _A ~ bull

I

JI I

I

iM eJ tJ f I

11 - -- ~ - I

p ~ ~ ~ ---

y

f ~

f 1 I ti I~~ I -bullbull bull

I )

r r 6

bull -pshy pt If

bullbull 11 bull bull ~

I r-Bei op 11 (fis-Moll) haben wir es mit einer dreisaumltzigen und bei op III (c-Moll) sogar mit einer viersaumltzigen Sonate zu tun Zwishyschen die bei den schnellen Ecksaumltze schiebt sich in op 11 eine im Volkston gehaltene Romance siciliano (A-Dur) in der Titz seine lyrische Veranlagung auslebt In den Ecksaumltzen des op III (cshyMoll) kommen dagegen pathetische Zuumlge zum Tragen die auch in dem der Sonate vorangestellten einleitenden Adagio anklingen Eine zarte Lyrik kennzeichnet dagegen den langsamen Satz ein

67

Nbsp 3 Op II 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro con espressione A

I

t

~ --- ---shy ----shy -shy1 j - ~ ~ ~ bull

- bull r - 11 i 1 shy bull lI__ bull

J 11 I

t) - r

1 I ~ rrI bull 1_ 1__ rtI eJ ~ - 1 1middot

bull d 11shy llI

~ 14 Ci bull

~ f Seitenthema

~

f

) t

4J -shy - ~ -J

A~lmiddot i_I I

-J I I bull I

A f

~ fI i bull f7 bull shy j i

eJ vshy - ~ ~ - bull t I I )r L

J 1 I I 11 L 11 i

t) bull -

68

1

~bull

Nbsp 4 Op III 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro agitato ~ I bull r Umiddot ~ F

bullbull f~ ~ I I - - ~

bull-~ - ~

bull I tI I t

~ jj jjl ~H 6 bull

I IIJshy -shy I --

4) P ttUCo fJ I I )_r ----

~ -- - crvc J1 P

( ~ ~- 1t_~ - ~

I

VIIoi ~

dolc I a -- r ~

dok ~

I

( ~

- r I I bull ~

11

V8=

~ I ~ -Je - _- _I

1I - I I I l J

~ r I I V ~ - - l0t ~ ~ (

69

Nbsp 5 Quartett a-Moll Haupt- und Seitenthema

Allegro di molto agitato - t1I ft

lt shy ~

-~ -

~

ttJ f j J ~ 4 J ~ bull

I - I - r ~fIe

I IJr

I JJ I- bull

- ~ ]11 _t

1- ~~ 1Il 4 ~ ilA JJ r J ~ -shy

bull

4i) I bull 11 ~ bull ~ 1i-Idole ~ ~ -~ -

I -

~~ I I _I f bull eJ 1shy - - - I -

11 J ir (shy 1-( -~

~

I

Adagio in Es-Dur (siehe Nbsp 2) Formal weisen die Ecksaumltze dieser beiden Sonaten die typische Sonatensatzform auf wobei das Seitenthema jeweils in der parallelen Dur-Tonart steht (siehe Nbsp 3 und 4) Der Satzumfang ist mit jeweils ca 250 Takshy

70

Nbsp 6 Quartett G-Dur 1 Satz

Allegro ~

r I

1 bull 1 bull bullbull I TT

-UI II I I --- - bull

f ~~ ~

h hbull J -1 ~

bull

bull bull bull 1 iilbull bull bull bullbullbullbull bull bullbullbullbull

f - -bull

bull iii - - ---ifiJ bull 1fI bull bull

~~~ -

--~

middot bull

r shy

bull

Ir ~ bull

J~ n--

r

0___- V ______

1amp

~

-

JJlJ J~

I

I bull bull ~

bull

lJ~~r-J

--

1 ~ t bull r t

T -- -

SilJ -- -

71

Fortsetzung Nbsp 6

A

_t

-su - shy

eJ bull IJgt- f~ 11- I

-

t t 1 1

- t I - _

T

bull

~v v 17

-PO bull

bull I

11 bull Ir ~

---shy J ~

bull bull bullL---shyWW~

bull bull ltr~ ~ bullbull ~ ~

t l1li bull a

bullbullbullbull

) bull bull-

-

~ I

~

-

-po

I 1 bull

bull I bull bull

bullbullbullbull

bull bull

-tiTbull

~

-

~ --shy-

--

1 I

J

~ bull bull

72

ten beachtlich der Durchfuumlhrung wird viel Raum gegeben Die Violinstimme ist sparsam ausgesetzt nur verhaumlltnismaumlszligig selten wird ihr thematisches Material uumlbertragen Dennoch bildet sie zusammen nlit dem Klavierpart eine untrennbare klangliche Einshyheit Insgesamt zeichnen sich die drei Sonaten durch einfallsreiche thematische Erfindung aus Besonders zu bezaubern vermag die Sonate in fis-Moll (Op II)

Nbsp 7 Quartett F-Dur 1 Satz Hauptthema

r r r - - r - rr rrrf Dass sich Titz die klassische Schreibweise zu eigen gemacht hat

belegen auch die drei Alexander 1 gewidnleten Streichquartette von 18011802 Am konsequentesten haumllt sich der Komponist an das Schema der Sonatensatzform im Allegro di molto agitato des 3 Quartetts (a-Moll) In der Exposition bringt er das Haupt- und in der parallelen Dur-Tonart das Seitenthema (siehe Nbsp 5) und laumlsst dann eine Durchfuumlhrung und Reprise mit Coda folgen In

73

Nbsp 8 Quartett F-Dur 1 Satz Seitenthema

Ir

I bull bull

lIiiiiiiii

ol LI r4tJ - ~l ~J t J j 11 bull q- tr bullbull bull r I~ t I It-I- It bull It It IJ S

I-

~ - - -shy I I shy - IJ1p - --1J - h~~ Ir I

41-

J J- I wr -

- bull rTJ

f) ~ ~ ~ -iJ--1-- -~t J

~

bullt-1

74

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 2: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

nur mit den Initialen N M unterzeichnete Verfasser des biograshyphischen Artikels uumlber Titz seine Kenntnisse zum Teil aus dem Munde von Titz Zeitgenossen geschoumlpft hat ist diese Quelle sishycher doch noch als die zuverlaumlssigste anzusehen Gewaumlhrsmaumlnner fuumlr den Autor waren ua der Violinist Anton Horn der dem Hoforchester schon seit 1769 angehoumlrte und der Theaterdichter Aleksandr Aleksandrovic Sachovskoj (1777-1846)

Um die Entschluumlsselung der Initialen mit denen der Verfasshyser seinen Artikel uumlber Titz unterschrieb hat sich bisher noch niemand gekuumlmmert Indes ist die Zahl der Personen die in Russland um 1840 auf dem Gebiet der Musikkritik taumltig washyren durchaus noch uumlberschaubar Im Zusammenhang mit der hier beruumlhrten Problematik faumlllt von ihnen Nikolaj Aleksandroshyvic Melgunov (1804-1867) ins Auge weil sich seine Initialen mit denen des Autors der Titz-Biographie decken Ein Vergleich der Darstellungsweise der sectich der Verfasser der Titz-Biographie bedient mit der von Melgunov zB in der Besprechung der Streichquintette von FX Gebel s laumlszligt vermuten dass es sich bei dem Autor der Titz-Biographie um Nikolaj Melgunov handelt der als Klassenkamerad von ML Glinka die Petersburger Adelsshypension absolvierte und bis zum Tode des Komponisten eng mit ihm befreundet war

N ach der russischen Quelle wurde Anton Titz um das Jahr 1742 in Nuumlrnberg geboren Schon als Kind verwaist nahm sich seiner sein Onkel der Landschafts- und Blumenmaler Johann Christoph Dietzsch (1710-1789) an Er wollte aus dem Jungen einen Mashyler machen setzte ihn jedoch als Anton fuumlr die Malerei weder Begabung noch Interesse zeigte kurzerhand auf die Straszlige Aus der Schreibweise der Namen seiner naumlchsten Verwandten die alle Kunstmaler waren geht hervor dass Titz urspruumlnglich Dietzsch geheiszligen haben muss 6 Verwirrend sind auch die verschiedenen Vornamen die in den einzelnen Quellen in Verbindung mit Titz

fruumlheren Archivhauptverwaltung der UdSSR eine Kopie davon besitzt der Verfasser des vorliegenden Artikels

5 N Melgunov Moskovskie zapiski 0 muzykalnych vecerach gospodina Gebelja in Molva 1834 Nr 49 ders 0 muzykalnych vecerach gospodina Gebelja in Teleskop 1835 Teil XXV Buch 2

6Der Autor des biographischen Artikels im Pantheon schreibt Ferdinand Die

43

gebraucht werden Er erscheint als Anton Ferdinand Ferdinand Anton Anton Ferdinand (AF) August Ferdinand und ohne Anshygabe des Vornamens 7 Es besteht jedoch kein Zweifel dass es sich trotz der verschiedenen Vornamen immer um denselben Musiker handelt

Als sein Onkel den Knaben verstoszligen hatte nahm ihn seine alshyleinstehende Tante Barbara Regina Dietzsch zu sich die ebenfalls Kunstmalerin war Sie brachte der Musikliebe des Jungen Vershystaumlndnis entgegen und sorgte dafuumlr dass er seine autodidaktisch erworbenen Fertigkeiten im Violinspiel durch systematischen Unshyterrichtvervollkomnlnen konnte Wer den jungen Titz unterrichshytete ist unbekannt Mit siebzehn Jahren beherrschte er das Vioshylinspiel jedenfalls so gut dass er in die Kapelle der St-SebaldusshyKirche aufgenommen und schon bald inmiddot den ersten Geigen einshygesetzt werden konnte Eine enttaumluschte erste Liebe veranlasste den etwa zwanzigjaumlhrigen seJlsiblen Juumlngling N uumlrnberg zu vershylassen und sich in Wien nach einem neuen Betaumltigungsfeld umshyzusehen Hier wurde er mit Christoph Willibald Gluck bekannt dem der junge Geiger offenbar sympathisch war so dass sich zwischen den beiden Musikern ein freundschaftliches Verhaumlltnis zu entwickeln begann Titz verdankte Gluck eine Anstellung als

7 Anton (Antoine) 3 Streichquartette dem Zaren Alexander I geshywidmet St Petersburg bei FA Dittmar

Ferdinand 6 Streichquartette Wien 1781 Artaria 3 Duos fuumlr 2 Violinen Wien 1781 Torricella

AF (Anton Ferdinand) 3 Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine op I II u III St Petersburg Gerstenberg et Co

Ferdinand Anton R A Mooser Annales de la musique et des mushysiciens en Russie au XVIIIe siede Bd 2 Genf 1951 S 179ft

August Ferdinand R Eitner Biographisch-bibliographisches Quelshylenlexikon der Musiker und Musikgelehrten Bd 9 Leipzig 1903 S 407 MGG Bd 13 Kassel usw 1966 Sp 411

Ohne Vorname(n) Sonate pour Violon avec laccomp de Basshyse Moskau (CG Kaestner) Manuskripte der in Wien (Oumlsterreichische Nationalbibliothek u Gesellschaft der Musikfreunde) befindlichen Streichquartette u -quintette

44

Geiger im Opernorchester 8 Folgt man der russischen Quelle so war Gluck in Wien der einzige Mensch dem sich Titz verbunden fuumlhlte Und da Gluck ein versierter Violoncellist war spielte Titz des oumlfteren zusammen mit ihm Duos fuumlr Violine und Violoncello Wenn Titz als Zwanzigjaumlhriger also 1762 nach Wien gekommen war dann ist das gemeinsame 1tIusizieren fuumlr die Zeit zwischen 1762 und 1771 anzusetzen 9

Titz verkehrte in Wien gelegentlich auch im Palais des Fuumlrsten Ferdinand Philipp Lobkowitz (1724-1784) Als ihn hier der in Wien auf der Durchreise weilende hohe russische Beamte Petr Aleksandrovic Sojmonov (1737-1800) spielen houmlrte war dieser so begeistert dass er ihn nach Russland einlud 1771 ging Titz nach St Petersburg wurde Kammermusiker der Zarin Katharina 11 und als erster Geiger in das Erste Hoforchester aufgenommen 10

Uumlber die ersten zehn Jahre die Titz in Russland verbrachshyte gibt es keine Nachrichilen In dieser Zeit scheint er durch den Dienst im Hoforchester voll in Anspruch genommen worshyden zu sein Erst 1781 tritt Titz wieder in das Blickfeld des Historikers Wir erfahren dass er in Warschau bei einer Soishyree des italienischen Saumlngerehepaars Guglielmo und Maria Anshyna Jermolli mitwirkte indem er mehrere Sonaten sowie zwei Konzerte eigener Komposition vortrug 11 Um welche Sonaten

8 Nicht als Kapellmeister wie in M uzy kalnaja enciklopedija (hrsg von J u V Keldys) Bd 5 Moskau 1981 Spalte 539 zu lesen ist

90b Titz die Wieller Urauffuumlhrung von Glucks Orpheo am 5 Oktober 1762 miterlebte ist fraglich In der Folgezeit hat Gluck Wien nur dreimal verlasshysen Als er im Fruumlhjahr 1763 zur Urauffuumlhrung der von ihm zur Einweihung des Teatro Comunale komponierten Oper Il Trionfo di Clelia nach Boloshygna reiste als er im FebruarMaumlrz 1764 kurze Zeit in Paris weilte und als er Anfang 1767 in Florenz war um die Auffuumlhrung eines von ihm komshyponierten Prologs zu dirigieren Glucks gemeinsames Musizieren mit Titz insbesondere sein Wirken als Violoncellist stellen interessante Details dar die den Gluck-Biographen bisher unbekannt waren

1degSeinen Dienst trat Titz am 22 Mai oder am 14 Dezember 1771 an Da im gleichen Jahr auch ein Bratscher mit dem Namen Anton Titz im Hofshyorchester angestellt wurde laumlszligt sich nicht sagen wann der Violinist und wann der Bratscher eingestellt wurde Die beiden Musiker waren jedoch nicht miteinander verwandt denn der Bratscher stammte aus Boumlhmen

11 Vgl RA Mooser Annales de Ia musique et des musiciens en Russie au XVIIIe siede Bd 2 Genf 1951 S 488

45

und Konzerte es sich handelte bleibt mangels Angaben unbeshykannt Ein Jahr spaumlter im Februar 1782 trat Titz zusammen mit dem Clavecinisten K Zierlein einem Schuumller von CPhE Bach und Kapellmeister des Fuumlrstbischofs von Ermland in St Petersburg an die Oumlffentlichkeit Er lieszlig sich damals auf der Viola d amore houmlren auf der er virtuos spielen konnte Zierlein begleishytete ihn auf dem Clavecin Was die beiden Kuumlnstler vortrugen ist unbekannt Nach V Natanson 12 soll Titz neben Field und Romberg zu Privatkonzerten herangezogen worden sein wie sie Ende des 18 Jahrhunderts im Hause des Feldmarschalls N1 Salshytykov zahlreich stattfanden Damit scheint sich Titz Auftreten in der Oumlffentlichkeit auszligerhalb des Hofes erschoumlpft zu haben Uumlberhaupt scheute er ein breites Publikum Dies war wohl der Menschenscheu und dem introvertierten Wesen des Musikers geshyschuldet das sein Biograph auf seine enttaumluschte Jugendliebe aus der Nuumlrnberger Zeit zuruumlckfi1hrt

Dass Titz in der zweiten Haumllfte der 1790er Jahre Mitglied der Koumlniglichen Kapelle in Dresden war und von hier aus als Soshylist in Leipzig Berlin (1803) und Prag (1809) aufgetreten sei ist unrichtig 13 Hier wird offenbar Anton Titz mit Ludwig Titz verwechselt der als Violinist der Koumlniglichen Kapelle in Dresshy

12V Natanson Prosloe russkogo pianizma Moskau 1960 S 156 13 Dass 1802 der Kurfuumlrstl Saumlchsischen Hofkapelle ein Violinist namens Tietz

angehoumlrte geben Gerber (NL IV 357) C von Wurzbach (Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oumlsterreich Teil 44 Wien 1882 S 147) Eitner (EitnerQ 407) A Weinmann (MGG XIII 411) und TA RepCinskaja (in Muzykalnaja enciklopedija Bd 5 Moskau 1981 Sp 339) an Es handelte sich aber wahrscheinlich um Ludwig Tietz der von 1818 bis 1828 Vizekonshyzertmeister in der Hofkapelle zu Dresden und ein tuumlchtiger Kuumlnstler war (vgl M Fuumlrstenau Beitraumlge zur Geschichte der Kgl Saumlchsischen musikashylischen Kapelle Dresden 1849 S 193 u 206) Zum Auftreten von Tietz 1803 in Berlin schreibt zB die Allgemeine musikalische Zeitung Den 25sten Februar gab der Kurfuumlrstl Saumlchsische Kammermusiker Herr Tietz aus Dresden ein Konzert im Saale der Stadt Paris und rechtfertigte voumlllig in zwey von ihm gesetzten und gespielten Violinkonzerten die allgemeinen Erwartungen (AmZ 1803 410) - Dass es sich bei dem Violinisten des Berliner Konzerts nicht um den Petersburger Hofmusikus Anton Titz geshyhandelt haben konnte geht auch daraus hervor dass sich 1 Spohr von Januar bis Mai 1803 in Petersburg befand und dort wiederholt mit Titz zusamentraf (vgl Spohr wie Anm 1 S 45)

46

den einer der ersten reisenden Musiker war waumlhrend es als ershywiesen gelten kann dass Anton Titz nachdem er sich 1771 in Russland niedergelassen hatte dieses Land bis zu seinem Tode inl Jahre 1810 nicht wieder verlassen hat 14 Gegen Anton Titz Konzerttaumltigkeit zwischen 1803 und 1809 spricht auch sein in dieser Zeit schon stark beeintraumlchtigter Gesundheitszustand der strapazioumlse Konzertreisen nicht mehr moumlglich machte

Mit der Zeit erweiterte sich offenbar Titz Aufgabenkreis Neshyben dem Dienst im Ersten Hoforchester war er als Violinlehrer an der Theaterschule taumltig und im Auftrag von Katharina 11 hatte er den Groszligfuumlrsten Aleksandr Pavlovic den spaumlteren Zashyren Aleksandr 1 im Violinspiel zu unterweisen Vermutlich seit Beginn der 1780er Jahre wurde Titz mit der Bildung und Leishytung eines Kammermusikensembles betraut Wahrscheinlich ershyhielt er diesen Auftrag von der Zarin selbst Sie schaumltzte den deutschen Musiker und bezahlte ihm das beachtlich hohe Jahresshygehalt von 3000 Rubel Die ihm uumlbertragene neue Aufgabe kam Titz Veranlagung in geradezu idealer Weise entgegen Da er shywie sein Biograph vermerkt wegen seiner Schuumlchternheit nie haumltte Konzertgeiger werden koumlnnen dafuumlr jedoch im Quartett in seinem Element war 15 musste ihm das Ensemblespiel ganz besonders zusagen Auszligerdem bot es ihm Anregung zu manch neuer Komposition

Kammermusikpflege hatte am Zarenhof eine lange Tradition Sie reichte in die 1720er Jahre zuruumlck als - wie Staumlhlin berichtet shyder Herzog Ulrich von Holstein-Gottorp der spaumltere Schwiegershysohn Peters des Groszligen in St Petersburg Zuflucht nehmen musshyste und seine kleine Kammerkapelle dorthin mitbrachte 16 Sie bestand etwa aus einem Dutzend deutscher wohlgeuumlbter Musiker darunter die Vornehmsten zween Bruumlder Huumlbner der eine den Kapellmeister und der andere den Concertmeister vorstellte Dieshyse bisher in Russland unerhoumlrte Musik bestand in Sonaten Soshy

14Vgl Mooser wie Anm 11 Bd II S 179 Anm 8 15V gl N M wie Anm 2 S 13 16 Neuerdings wird die Anwesenheit der holsteinschen Kapelle von A Porshy

fireva angezweifelt (vgl A Porfireva Aus der Geschichte des russischen Hoforchesters in der petrinischen Epoche in Arolser Beitraumlge zur Musikshyforschung 8 Sinzig 2000 S 125ff) Die Beweisfuumlhrung erscheint uns jedoch luumlckenhaft und daher wenig uumlberzeugend

47

li Trii und Concerten von Telemann 17 Kayser 18 Haynichen 19

SchuItz 20 Fuchs 21 und andern damals beruumlhmtesten Deutschen sowohl als von Corelli 22 Tartini 23 Porpora 24 und andern itashylienischen Komponisten Peter der Groszlige wohnte diesem hershyzoglichen Kammerkonzert nicht nur selbst oumlfters bei sondern lieszlig es fast alle Woche einmal auch an seinenl Hofe spielen Daselbst fand es um so mehr allgemeinen Beifall je neuer und angenehshymer es den vornehmen Russen im Vergleich aller ihrer bisherigen Musik vorkommen musste 25

Nach diesen1 ersten Kontakt der russischen Hofgesellschaft mit der Kammermusik Westeuropas der infolge der woumlchentlich reshygelmaumlszligig stattfindenden Konzerte zur Herausbildung einer festen Tradition fuumlhrte erlebte der Zarenhof als er 1733 und dann wieder seit 1735 eine italienische Hofoper einrichtete nicht nur eine Bluumltezeit der opera seria sondern getragen von den im italienischen Opernorchester wirkenden Violinvirtuosen Giovanshyni Verocai 26 Luigi Madonis 27 und Domenico dallOglio 28 auch eine strahlende Epoche der spaumltbarocken Geigenkunst 29 Diese Geiger traten in den Hofkonzerten regelmaumlszligig als Solisten hervor

17 Georg Philipp Telemann (1681-1767) 18Gemeint ist Reinhard Keiser (1674-1739) 19Gemeint ist Johann David Heinichen (1683-1729) 2degGemeint ist vermutlich Heinrich Schultze der 1681 in Stralsund geboren

wurde und seit 1717 Konzertmeister hierauf Direktor der Polnischen Kashypelle Augusts des Starken war

21Es handelt sich wahrscheinlich um Johann Joseph Fux (1660-1741) von dem die Zeitgenossen insbesondere die Trio-Sonaten lobten

22 Arcangelo Corelli (1653-1713) 23Giuseppe Tartini (1692-1770) 24 Nicola Antonio Porpora (1686-1766) 25 Jakob v Staumlhlin Nachrichten von der Musik in Ruszligland in Theater Tanz

und Musik in Ruszligland hrsgv E Stoumlckl Leipzig 1982 S 80r 26G Verocai C um 1700 in Venedig t 1745 in Braunschweig) war seit 1731

im Dienste des russischen Hofs in Moskau seit 1732 in St Petersburg 271 Madonis ( 1700 in Venedig t 1767 in St Petersburg) in Petersburg

1733 bis 1738 und dann wieder 1740 bis zum Tode seit 1761 geistesgestoumlrt 28D dallOglio ( um 1700 in Padua t 1764 in Narva) In St Petersburg

von 1735 bis 1764 29 V gl dazu L Gurevic Der russische Violinb1fock in Arolser Beitraumlge zur

Musikforschung 8 Sinzig 2000 S 29ff

48

middot raumlumten aber dabei auch Kammermusikwerken wie Sonaten und Trios einen gebuumlhrenden Platz ein Damit knuumlpften sie an die in den 1720er Jahren von Musikern des holsteinschen Herzogs geshyschaffene Tradition an und fuumlhrten sie zu einenl glanzvollen neuen Houmlhepunkt Als die Italiener Petersburg verlieszligen Verocai ging schon 1738 nach Braunschweig dall OgHo reiste 1764 aus Petersshyburg ab Madonis war seit 1761 geistesgestoumlrt - riss die Kamshymermusikpflege unvermittelt ab Als Titz 1771 nach Petersburg kam war von den italienischen Violinvirtuosen niemand mehr da Die von ihnen fruumlher gepflegte Kammermusik lebte jedoch in der Erinnerung der einstmaligen Houmlrer fort so dass ihr Verschwinshyden aus dem houmlfischen Musikleben als Luumlcke empfunden werden musste Katharina I1 scheint dies gespuumlrt zu haben so dass sie schlieszliglich den Befehl zur Gruumlndung eines festen Ensembles gab und damit die in den 1760er Jahren verloren gegangene Tradition der Kammermusikpflege nea belebte Mit diesenl Ensemble hatshyte Titz vor allem fuumlr das spezielle musikalische Amuumlsement der Hofgesellschaft in erster Linie der Zarin selbst zu sorgen Wann immer Katharina I1 oder einem Mitglied der Hofgesellschaft der Sinn nach musikalischer Unterhaltung stand wurde Titz gerushyfen und musste mit seinem Ensenlble fuumlr die hohen Herrschaften aufspielen

Die Musiker des Ensembles wechselten doch rekrutierten sie sich stets aus den besten Instrumentalisten die es damals in Peshytersburg gab So spielte - vermutlich zwischen 1783 und 1786 -Ivan Giornovicchi (Jarnowick um 1740-1804) mit der - wie die Allgemeine musikalische Zeitung in ihrem Nachruf konstatiert einer der vorzuumlglichsten Virtuosen auf seinem Instrument war das er besonders mit Genauigkeit Anmuth und Zierlichkeit beshyhandelte ihm den reinsten und einschmeichelndsten Ton zu entshylocken und eine Seele einzuhauchen wusste welcher man sich mit Entzuumlcken hingab Selbst spaumlte Jahre hatten diese seine Vorzuumlge nicht verringert 30

Eine Zeitlang gehoumlrte der in Berlin geborene Ernst Heinrich Raab (1750- ) Sohn eines Hofmusikers des Prinzen Ferdinands von Preuszligen dem von Titz geleiteten Kammermusikensemble an Er war 1781 fuumlr die ersten Geigen des Ersten Hoforchesters anshygestellt worden wurde jedoch schon ein Jahr spaumlter beurlaubt

30 AmZ 1804 241

49

shy

( ~ -

Seitdem gibt es uumlber ihn keine Nachrichten mehr Er kann also nur kurze Zeit in der Kammermusik bei Hofe mitgewirkt haben Anders verhaumllt es sich mit Otto Ernst Tewes (1759-1800) der seit 1775 erster Geiger im Ersten Hoforchester war und bis zu seinem Lebensende in Petersburg blieb Aus seiner Feder stammt die dreiaktige komische Oper Die wuumltende Familie (Besenaja sem ja) auf ein Libretto des bekannten russischen Fabeldichters LA Kryshylov die 1786 - allerdings mit einem nur maumlszligigen Erfolg in Petersburg auch aufgefuumlhrt wurde 31 Tewes spielte in Titz Enshysemble sicher laumlngere Zeit mit Die Bratsche war durch Stockfisch vertreten uumlber den wir allerdings keinerlei naumlhere Informationen besitzen sogar sein Vorname ist unbekannt Vermutlich war er Bratscher im Ersten Hoforchester Am Pult des Violoncellisten saszlig Alessandro Delfino der ehe er 1789 nach Petersburg geganshygen war als erster Violoncellist im Orchester der Mailaumlnder Scashyla gewirkt hatte Nach voruumlliergehendem Dienst im Privatorcheshyster von Feldmarschall Fuumlrst Grigorij Aleksandrovic Potemkin (1739-1791 ) erhielt er 1793 in Petersburg die Stelle des Solovioshyloncellisten im Ersten Hoforchester mit einem Vertrag auf fuumlnf Jahre Vermutlich in dieser Zeit 1793 bis 1798 wirkte er in Titz Ensemble 32 Mit Tewes Stockfisch und Delfino stand Titz eishyne ausgezeichnete Streichquartettbesetzung zur Verfuumlgung die bei Bedarf oder wenn es die Anwesenheit besonders talentiershyter Musiker in Petersburg erforderte erweitert bzw veraumlndert wurde So wirkten bei Titz der aus Boumlhmen stammende Claveshyeinist und Komponist Ernest Wanzura ( um 1750 t 1802) der franzoumlsische Harfenist Jean-Baptiste Cardon ( um 1747 t um 1805) der aus Kassel gebuumlrtige Floumltenvirtuose Franz Ludwig Mishychel (Lebensgrenzen unbekannt) und der deutschboumlhmische Klashyrinettenvirtuose Johann Joseph Beer (1744-1812) mit

Wanzura lebte seit 1783 in Moskau und wechselte 1786 nach Petersburg uumlber Seit dieser Zeit spielte er - wahrscheinlich auch nicht regelmaumlszligig - im Kammermusikensemble von Titz mit Der Harfenist Cardon der Paris vermutlich zu Beginn der Revolution verlassen hatte weilte seit 1790 in Petersburg Sein Vertrag mit der Direktion der Kaiserlichen Theater war auf drei Jahre (1790shy

31 Vgl Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 343 32Zu Delfino vgl RA Mooser Annales de la musique et des musiciens en

Russie au XVIII siede Bd 2 Genf 1951 S 488

50

I r

1793) befristet In dieser Zeit spielte er bei Titz mit Der Floumltist Franz Ludwig Michel war 1775 bis 1791 Mitglied des Privatorcheshysters des Fuumlrsten Grigorij Aleksandrovic Potemkin lebte hierauf bis 1796 in Petersburg um dann nach Deutschland zuruumlckzukehshyren Michels Mitwirkung in Titz Ensemble kann daher fuumlr die Zeit zwischen 1791 und 1796 angenommen werden Der Klarinetshytist Johann Joseph Beer spielte bei Titz vermutlich eher in der Zeit von 1783 bis 1786 mit zu der Zeit also als auch Giornovicchi Titz Ensemble angehoumlrte Ab und zu musizierte bei Titz auch der Groszligfuumlrst Aleksandr Pavlovic der spaumltere Zar Aleksandr 1 mit den Titz zu einem passablen Geiger herangebildet hatte

Die zeitweise Mitwirkung von verschiedenen Instrumentalisten und eine sich daraus ergebende variierende und bisweilen unshygewoumlhnliche Besetzung fuumlr die es originale Literatur nicht oder noch nicht gab hatte natuumlrlich zur Folge dass entsprechende Arshyrangements geschaffen werden mussten Als Autoren von solchen Bearbeitungen kamen Titzmiddot selbst und Wanzura in Frage Titz verfuumlgte als Komponist uumlber die dafuumlr notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten Diese besaszlig in gleicher Weise auch Wanzura Seine Klavierbearbeitungen von Opernnummern erschienen in dem Journal de musique dedie aux dames das der Petersburger Verleger Bernhard Theodor Breitkopf (1749-1820) der Bruder des Leipziger Verlagsinhabers zwischen 1785 und 1794 herausshygab Welches Repertoire einer Bearbeitung unterzogen wurde ist im einzelnen unbekannt Es kann jedoch vermutet werden dass es sich um Ausschnitte aus italienischen Opern handelte die dashymals auf dem Spielplan der Kaiserlichen Theater standen Da die 1791 in Petersburg eroumlffnete Musikalienhandlung von Johann Dashyniel Gerstenberg immer die neuesten Notenausgaben aus Paris Wien und Berlin heranschaffte 33 waren Titz und seine Musiker uumlber den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Westeuropa gut informiert und konnten so fuumlr das Repertoire des Kammerenshysembles immer auch neue Werke auswaumlhlen Gerstenberg brachshyte 17941795 das St Petersburger Musikmagazin fuumlr das Klavishychord oder Pianoforte heraus das neben Klavierkompositionen shy

33Vgl dazu E Stoumlckl Der St Petersburger Musikverlag Gerstenberg und der Beitrag deutscher Tonsetzer zur Schaffung der ersten Klavierkomposishytionen in Russland in Arolser Beitraumlge zur Musikforschung 8 Sinzig 2000 S 148

51

meist Variationen uumlber russische Volkslieder - auch Triosonaten von Ignaz Pleye1 34 enthielt In der Spaumltzeit von Titz Wirken in Petersburg erschienen in der Zarenresidenz die ersten einheimishyschen Ausgaben von Streichquartetten die Titz sicher kannte und moumlglicherweise fuumlr seine Musizierpraxis auch nutzte Zu denken ist an die Trois Grands Quatuors des aus Regensburg gebuumlrtigen Franz Adam Veichtner (1741-1822) seit 1795 Kammermusikus und Konzertmeister der Petersburger Hofkapelle die vermutlich zwischen 1796 und 1799 von Gerstenberg als Stimmen gedruckt wurden 35 sowie die ebenfalls von Gerstenberg herausgebrachten heute jedoch als verschollen anzusehenden Six Quatuors (1797) und Trois Quatuors (op 3 1796) von Johalln Konrad Schlick (1748-1818) Violoncellist in der Hofkapelle von Herzog Ernst 11 in Gotha 36 Es kann weiter vermutet werden dass Titz Sonaten des in den 1770er Jahren in Petersburg weilenden und sich der besonderen Gunst der Zarin erfreuenden italienischen Violinvirshytuosen Antonio Lolli (1730-1802) spielte Titz Kammerrpusikenshysemble musizierte gelegentlich auch im Theater und ersetzte auf diese Weise ein ganzes Orchester Manchmal saszligen waumlhrend der Theatervorstellullg im Orchester nur vier ausgezeichnete Musishyker Titz mit der Geige Delfino mit dem Violoncello Cardon mit der Harfe und Wanzura am Klavier 37 Es gibt Berichte wonach das Titzsche Ensemble in kleiner Besetzung Symphonishy

34 VgL ebd S 180 35 Das einzige erhalten gebliebene Exemplar von Veichtners Streichquartetshy

ten (F D g) befindet sich in der Szechenyi-N ational-Bibliothek in Budashypest Mit der freundlichen Unterstuumltzung von Herrn Dr Robert Muranyi (Szechenyi-Nationalbibliothek Budapest) und des Instituts fuumlr ostdeutsche Musik (Bergisch Gladbach) brachte E Stoumlckl das Zweite Streichquartett bei Edition Gravis (Bad Schwalbach 1988) in einer praktischen Erstausgashybe (Partitur und Stimmen) heraus

36Vgl B Vol man Russkie pecatnye noty XVIII veka Leningad 1957 S 224 und 227 auch Svodnyj katalog rossijskich llotnych izdanij Bd I XVIIlyj vek St Petersburg 1996 S 109 Nr IIL208 u III209 Die Konzertreisen die Schlick zusammen mit seiner Frau Regina Strinasacchi einer vorzuumlglishychen Violinistin unternahm fuumlhrten ihn ua auch nach Petersburg und es ist moumlglich dass seine von Gerstenberg herausgebrachten Kompositionen in der russischen Residenz auch aufgefuumlhrt wurden

37pI Sumarokov in Russkij archiv 1870 Sp 2106

52

en von Haydn und Mozart spielte 38 Neben haumlufigen Soireen in der Eremitage und den Privatgemaumlchern der Zarin trat Titz in den Sommermonaten auch in Carskoe selo auf wo er bevorzugt Streichquartette vortrug 39 auch solche von Haydn und Mozart Titz Kammermusikensemble beteiligte sich aber auch an groumlszligeshyren musikalischen Festivitaumlten des Zarenhofs Ein Ereignis dieshyser Art hat der Kammerfourier in seinem Journal unter dem 20 Juli 1791 in einer kurzen Notiz festgehalten Im Kiosk spielte die Kammermusik des Kapellmeisters Titz auf Geigen und dem Violoncello Auf der rechten Seite des Kiosks im Garten stand die Kammermusik der Blaumlser auf der linken Seite jenseits des Sees erklang Hornmusik und vor dem Kiosk selbst sangen die Hofsaumlnger verschiedene Konzerte und russische Volkslieder 40

Da als sicher anzunehmen ist dass Titz im Besitz seiner eigenen 1781 in Wien von Artaria publizierten Six Quatuors war ist es aumluszligerst wahrscheinlich dass er auch seine eigenen Kompositioshynen vortrug Titz duumlrfte mit seinem Streichquartett die zwischen 1801 und 1802 von Dittmar veroumlffentlichten Trois Quatuors soshywohl die drei Alexander 1 wie auch die drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette ehe sie in den Druck gingen ausprobiert haben Auf den Programmen standen wohl auch Titz Sonaten fuumlr Klavier und obligate Violine op I II und II1 Es ist weiter anzunehmen dass das Streichtrio und die Streichquartette von Wanzura die nicht erhalten geblieben sind von Titz und seinem Ensemble aufgefuumlhrt wurden

Die Zeitgenossen schaumltzten Titz Violinspiel in der Regel als beshy

38S0 schreibt die Graumlfin Varvara Nikolaevna Golovina in ihren Memoiren Jeden Morgen erhielt ich von der Groszligfuumlrstin eine schriftliche Nachricht in der sie mir befahl am Abend bei ihr zu erscheinen Die besten Musiker geleitet von Titz spielten Symphonien von Haydn und Mozart Der Groszligfuumlrst spielte auf der Violine Wir houmlrten diese herrliche Musik aus dem Nachbarzimmer (Zapiski grafini Varvary Nikolaevny Golovinoj (1766-1819) St Petersburg 1900 S 52f)

39Man rief Titz und drei weitere ausgezeichnete Musiker um Quartette zu spielen heiszligt es in den Memoiren der Graumlfin V N Golovina siehe unter Anm 38 zitierte Memoiren S 65

40 Aus dem Kapitel Die Kammerfourier-Journale und die Musik bei Hofe (T Livanova Russkaja muzykalnaja kultura XVIII veka Bd II Moskau 1953 S 423)

53

sonders glanzvoll ein wobei natuumlrlich subjektive Kriterien nicht auszuschlieszligen sind Der Dichter Ivan Ivanovic Dmitriev (1760shy1837) ein Vertreter des Sentimentalismus in Russland besingt den deutschen Geiger im Jahre 1798 in dem Vierzeiler

Wen houmlre ich Titz Der von dir beseelte Bogen singt spricht und bewegt die Herzen aller Oh Sohn der Harmonie dir gebuumlhrt die Krone und die gewoumlhnliche Sprache kannst du verachten 41

Als BN Zinovev ein Zeitgenosse von Titz waumlhrend eines Aufshyenthalts in Neapel Felice de Giardini (1716-1796) einen der beshydeutendsten Violinvirtuosen seiner Zeit Streichquartett spielen houmlrte stufte er die Qualitaumlt seines Spiels niedriger ein als die von Titz und Jarnowick 42

Der Verfasser des biographischen Artikels im Pantheon spricht davon dass Titz wegen sein~r Schuumlchternheit nicht haumltte Konshyzertgeiger werden koumlnnen und er deshalb auch nie als Solist aufshytrat Er fuumlgt aber hinzu Doch dafuumlr war er im Quartett in seinem Element Es gab nichts was man mit seiner angenehmen Bogenfuumlhrung und mit jenen wunderbar zarten Toumlnen haumltte vershygleichen koumlnnen die er den Saiten seiner Geige entlockte Besonshyders vortrefflich war er im Adagio seine Violine weinte im vollen Sinne dieses Wortes und sie ruumlhrte auch andere zu Traumlnen 43

Da Titz nach der Biographie im Pantheon 1797 erkrankte duumlrfte in diesem Jahr auch die Aktivitaumlt des von ihm geleiteshyten Kammermusikensembles nachgelassen haben und da sich der Geiger in der Folgezeit eigentlich nie wieder recht erholt hat ist die Kammermusikpfiege am russischen Hof vermutlich um 1797 ganz zum Erliegen gekommen Zusammenfassend kann festgeshystellt werden Ob als Streichquartett Trio oder als Ensemble mit einer gemischten Besetzung immer zeichnete sich das Spiel von Titz und seinen Musikern durch eine unvergleichlich hohe kuumlnstshylerische Qualitaumlt und Perfektion aus

41 Zitiert nach A Glumov Muzykalnyj mir Puskina Moskau-Leningrad 1950 S 97

42Russkaja starina 1878 Bd XXIII S 412 zitiert auch von T Livanova wie Anm 40 II S 311 Anm 2

43NM wie Anm 2 S 13

54

Die Werke

Anton Titz kompositorisches ffiuvre ist nicht allzu umfangreich Einige seiner Werke gelten als verschollen (zB viele seiner Roshymanzen fuumlr Gesang und Klavier) Es ist daher durchaus moumlglich dass die eine oder andere Komposition noch aufgefunden wird so dass sich das Gesamtwerk von Titz noch erweitern koumlnnte

1 Drucke

11 Streichquartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello

111 Six Quatuors (C A G c d Es) komponiert von Ferdinand Titz Nlusicien de la Chanlbre de Sa Maj Imp de toutes les Russhysies gewidmet Fuumlrst Galitzin (Golicyn) Wien 1781 Artaria Der Pariser Verleger Antoine Bailleux brachte unmittelbar nach der Wiener Ausgabe von ArtarHt einen Nachdruck der Quartettstimshymen mit dem VermerkTitz Schuumller Haydns heraus

1 Quartett Allegro Rondo

2 Quartett Poco Adagio con Variazioni Menuetto Trio Allegro di mol to

3 Quartett Allegro Rondo

4 Quartett Adagio - Allegro Allegretto (Menuetto) - Trio Cantabile Allegro spirito

5 Quartett Allegro Rondo

6 Quartett Adagio-Allegro Menuetto Trio Romance Allegro di molto

55

112 Trois Quatuors (G F a) komponiert von Anton Titz Alexander 1 gewidmet Gedruckt in St Petersburg bei Friedshyrich August Dittmar - Als Johann Daniel Gerstenberg 1799 nach Deutschland zuruumlckgegangen war uumlbernahm sein bisheriger Kompagnon Dittmar die Verlagsleitung und fuumlhrte das U nternehshymen bis 1808 alleine weiter Alexander I dem Titz seine Quarshytette widmete war 1801 russischer Zar geworden Einen mit der Dittmarschen Ausgabe identischen Nachdruck brachte Simrock in Bonn zwischen 1802 und 1803 heraus (vgl OE Deutsch Mushysikverlagsnummern Berlin 1961) Somit lieszlige sich die Publikation der Alexander 1 gewidmeten drei Streichquartette mit ziemlicher Sicherheit in die Zeit zwischen 1801 und 1802 datieren und sie waumlre eine der ersten russischen Streichquartettdrucke Von diesen drei Streichquartetten existiert ein Nachdruck auch von Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig der aumlhnlich wie der von Simrock in die Zeit zwischen 1802 und 1803 zu datieren ist Im Auftrag des Instishytuts fuumlr deutsche Musikkultur im oumlstlichen Europa e V (Bonn) gab E Stoumlckl eine praktische Erstausgabe des 1 Quartetts in G-Dur mit Partitur Vorwort und Stimmen heraus (Bad Schwalshybach 2000 Edition Gravis) Die praktische Erstausgabe auch des 2 und 3 Quartetts ist vorgesehen

1 Quartett Adagio Allegro Adagio Allegretto (Menuetto) - Trio Rondo

2 Quartett Allegro Adagio cantabile Rondo vivace

3 Quartett Siciliano affettuoso Allegro di molto agitato Romance Polonaise

113 Trois Quatuors (C B Es) komponiert von Anton Titz gewidmet dem Senator Aleksej Grigorevic Teplov Gedruckt in St Petersburg bei Friedrich August Dittmar zwischen 1801 und 1802 Das einzige erhalten gebliebene Exemplar das sich in der

56

Bibliothek des Cajkovskij-Konservatoriums in Moskau befindet ist defekt Nach Mitteilung der Bibliotheksdirektorin Frau Dr AF Cerkasova aus dem Jahre 1998 ist die Bratschenstimme verloren gegangen und in der Stimme der 2 Violine fehlen die Takte 5 bis 16 Es war nicht moumlglich von den drei AG Teplov gewidmeten Quartetten eine Kopie zu bekommen 1 Jampolskij fuumlhrt in seinem Buch Russkoe skripicnoe iskusstvo (MoskaushyLeningrad 1951) auf S 304 ff ein Notenbeispiel aus dem C-Dur Quartett dieser Ausgabe an fuumlr die die Violastimme von dem Komponisten G S Gamburg hinzukomponiert wurde

12 Duos fuumlr Streichinstrumente

121 Trois Duos a Deux Violons avec Romance et Rondeaux Composes par Ferdinand Titz Musicien de la Chambre de la Maj Im p de toutes les Russies Dedies a Madame La Baronesse de Fried Chez Christoph Torricella (B G C) Wien 1781

122 Sonate pour le Violon avec 1 accomp de Basse Compose par Mr Titz et dedie aMr Ignace Suchaneck par C G Kaestner A Moscou par Kaestner et Comp Adagio und Rondo beide in d-Moll

123 Sonate fuumlr Violine und Bass B-Dur Cantabile Allegro con espressione - Rondo

124 Sonate fuumlr Violine und Bass f-Moll Adagio - Allegro con espressione - Rondo

125 Sonate fuumlr Violine und Bass d-Moll Breitkopf amp Haumlrtei Nr 108 (Uppsala Universitaumltsbibliothek)

126 Trois sonates pour un violon avec ace d une basse Wien Jean Traeg Nr 121 (Zagreb Hrvatski glazbeni zavod Zbirka Don Nikole Udina Algaratti)

57

13 Sonaten fuumlr Clavecin oder Klavier und obligate Violine

131 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 1 ASt Petersbourg chez J D Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op I steht in f-Moll und unlfasst die Saumltze 1 Adagio con sordino 2 Allegro agitato Adagio

132 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 11 ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op II steht in fis-Moll und umfasst die Saumltze 1 Allegro con Espressione 2 Romance siciliano 3 Finale Presto I

133 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv In ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op III steht in c-Moll und umfasst die Saumltze 1 Adagio 2 Allegro agitato 3 Adagio 4 Allegro vivace

134 Sonate fuumlr Violine und Klavier Gemeinschaftskomposition mit dem in Riga lebenden Komponishysten Julius August Fehre (1745-1812) Vgl B Volman Russkie pecatnye noty XVIII veka Leningrad 1957 S 64 ( verschollen)

14 Lied

141 Stonet sizyj golu bocek (Es klagt die graue Taube) in N Findejzen Ocerki Bd 2 Moskau-Leningrad 1929 S CXXXVIL

58

2 Manuskripte

21 Quartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello

211 Sechs Streichquartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello Identisch mit den 1781 in Wien bei Artaria publizierten Werken Wien Oumlsterreichische Nationalbibliothek

22 Quintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen und Violoncello

221 Vier Streichquintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen u Violoncello (A c-C F Es) Wien Gesellschaft der Musikfreunde Es handelt sich unl Abshyschriften die von Wiener Berufskopisten zwischen 1780 und 1800 angefertigt wurden Daraus ist zu schlieszligen dass Titz die hier aufgefuumlhrten Kompositionen schon in Russland schuf

Quintett in A-Dur Allegro - Andante grazioso - Presto Quintett in c-Moll Adagio - Allegro con spirito - Adagio - Ronshy

do Presto Quintett in F-Dur Allegro Andante Rondo Quintett in Es- Dur Allegro Maestoso - U n poco Adagio Rondo

~22 Sechs Streichquintette Osterreichische Nationalbibliothek Wien

Quintett in F-Dur (Mus Hs 11511) Allegro Andante - Rondo Quintett in Es-Dur (Mus Hs 15512) Allegro Maestoso - Un

poco Adagio Rondo Quintett in B-Dur (Mus Hs 11513) Allegro con espressione

Adagio - Rondo Presto Quintett in A-Dur (Mus Hs 11514) Allegro - Andante grazioso

Presto Quintett in c-Moll (Mus Hs 11515) Adagio - Allegro con spirito

Adagio Presto Quintett in d-Moll (Mus Hs l1516) Adagio - Allegro - Cantashy

bile Allegro assai

Alle sechs Stimmabschriften tragen den Vermerk N H 796 wurshyden also 1 796 angefertigt

59

23 Konzert

231 Concert fuumlr Violine principale 2 Violinen 2 Corni Oboi et Basso in Es-Dur Das Konzert besteht aus den Saumltzen Allegro - Cantabile - Rondo Fundort Wien Gesellschaft der Musikfreunde

24 Symphonie

241 Dreisaumltziges Werk fuumlr 2 Violinen Viola Kontrabass 2 Oboen 2 Waldhoumlrner und Pauken (Im Andantino werden die Oboen durch eine Floumlte ersetzt) Die Symphonie besteht aus den Saumltzen Allegro di molto Andantino und Prestissinlo Die handschriftlichen Orchesterstimmen befinden sich in der Bishybliothek des Schlosses zu Pavlovsk (s Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 402 Anm 42)

25 Vokalkomposition

251 Arie fuumlr Sopran solo mit Instrumentalbegleitung (EitnerQ 408)

Wenn wir auch bis zum gegenwaumlrtigen Zeitpunkt nicht alle von Titz geschaffenen Kompositionen kennen so erlauben es doch die der Forschung zugaumlnglichen Werke durchaus sich zumindest von Titz als Komponisten von instrumentaler Kammermusik ein Bild zu machen Zwar hat er auch eine ganze Reihe von Liedern (Roshymanzen) fuumlr Gesang und Klavier geschrieben doch muumlssen dieshyse Kompositionen wahrscheinlich als verschollen angesehen wershyden und entziehen sich daher einer Einschaumltzung Einzig und alshylein das Lied Es klagt die graue Taube (Stonet sizyj golubocek) dessen Autorschaft Findejzen einenl unbekannten Komponisten Keldys 44 aber Titzzuschreiben zu koumlnnen glaubt scheint der

44 VgI N Findejzen Ocerki po istorii muzyki v Rossii Bd 2 Moskau-Leshyningrad 1929 S 301 das Nbsp dazu befindet sich auf S CXXXVII - Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 220 Anm 59

60

r

auf uns gekommene Rest von Titz Vokalschaffen zu sein Dabei erfreuten sich Titz Lieder und insbesondere Es klagt die graue Taube zu ihrer Zeit groumlszligter Beliebtheit und letzteres wurde noch in den 1830er Jahren viel gesungen

Auch uumlber Titz als Symphoniker lassen sich zur Zeit keine Ausshysagen machen weil diesbezuumlgliche Werke in Deutschland nicht verfuumlgbar sind 45

Der folgende Versuch einer Stilanalyse bezieht sich infolgedesshysen vorwiegend auf die Sonaten fuumlr Klavier und obligate Violine op I 11 und III sowie die der Forschung zugaumlnglichen Streichshyquartette Es zeigt sich dass Titz in dem Zeitraum zwischen etwa 1781 und 1802 den Weg von der Fruumlhklassik zur Klassik durchlaushyfen hat Seine fruumlhen 1781 in Wien bei Artaria veroumlffentlichten Six Quatuors weisen in den ersten Saumltzen noch eine mehr oder minder willkuumlrliche Reihung des thematischen Materials auf N r 1 3 und 5 bestehen nur aus zwei Saumltzen jeweils aus einem Allegro und einem Rondo die drei uumlbrigen Werke zeigen dagegen schon die spaumltere klassische Viersaumltzigkeit mit zwei schnellen Ecksaumltzen einem Menuett mit Trio und einem nach dem Menuett folgenden langsamen Satz Eine Sonatensatzform ist jedoch nicht zu erkenshynen Den Quartetten N r 4 und 6 stellte Titz ein einleitendes Adagio voran im Streichquartett Nr 2 (A-Dur) waumlhlte er als ershysten Satz ein Thema mit Variationen Fuumlr die Vermutung dass Titz diese Quartette erst in Russland geschrieben hat spricht dass er sich auf dem Titelblatt als M usicien de la Chambre de Sa Maj Imp de toutes les Russies bezeichnet und die Kompositioshynen dem Fuumlrsten Galitzin (Golicyn) Ministre Plenipotentiaire de S M 1 de toutes les Russies pres la Cour Imp et Roy gewidshymet hat 46 (Siehe Abbildung 1) In Wien wurden sie gedruckt weil es in Russland zu dieser Zeit einen 1vlusikverlag mit einer funktionierenden Notendruckerei noch nicht gab Bei den sechs von Artaria 1781 herausgebrachten Streichquartetten haben wir es daher mit den ersten in Russland komponierten Werken dieser Gattung zu tun Titz kann infolgedessen mit Recht als der Beshygruumlnder des Streichquartetts in Russland angesehen werden Dass

45Wie unter Die Werke angegeben ist Titz einzige symphonische Komposhysition eine dreisaumltzige Symphonie Manuskript geblieben Dieses Werk hershyauszugeben waumlre eine verdienstvolle Aufgabe fuumlr die russischen Kollegen

46Naumlhere Angaben zu Golicyn waren nicht zu ermitteln

61

Nbsp 1 Op I die zwei Themen des Allegro agitato

Allegro agitato

r I

~ J I

tJ - ~ bull ~ I I

~

l ~

tgt

-

bull ~

bull bull

r

_I ~ 1 bull

_ _I --~ t

-

--

-

~ ~

TI I

I

11

( 4 I

~

(

I Thema I ~

e)

~ I bull

e

bull

~ shy

-J tJ

-T bull

L

1 I i

tJ I

~

h1 I

11

1

4

62

bullbull

Fortsetzung Nbsp 1

2 Thema 1 J I bullbull - - bull

1 J bull 1 I

t I I J - lfIt bullbullt ~I --shy~

~ -4 i

Jr 1 bull ~

1 t l

~ ~j j ttt

- - tmiddot --m shy I l

- I tJ - J I

Ij T

J rt t t t t t ~~ t 1 I~i bull I

- shyI bullftmiddot

63

dann die drei zwischen 1801 und 1802 in Petersburg bei Dittmar gedruckten Alexander I gewidmeten Quartette auch von Simshyrock in Bonn und Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig herausgebracht wurden zeugt von der offenbar groszligen Beliebtheit dieser Komshypositionen zu ihrer Zeit

In den drei Sonaten fuumlr Clavecin oder Pianoforte und obligate Violine op I II und III die bei J D Gerstenberg amp Comp in St ~~tersburg vermutlich 1795 gedruckt wurden vollzieht Titz den Ubergang zum klassischen Stil 47 Op I (f-Moll) besteht nur aus zwei Saumltzen einem con sordino vorzutragenden Adagio und einem Allegro agitato In der formalen Gestaltung verfaumlhrt Titz im Allegro ziemlich eigenwillig Er bringt ein zweites Thema erst im zweiten Teil des Allegro-Satzes und baut es gewissermaszligen in die Durchfuumlhrung ein Zwar kontrastiert es mit dem Hauptthema steht aber - was ungewoumlhnlich ist - in g-Moll (siehe Nbsp 1) Diese formale Anordnung fUumllhrt jedoch in gewisser Weise schon

47 Die drei Sonaten op I II und III blieben von russischen und sowjetischen Musikforschern bisher voumlllig unbeachtet Neben den schon erwaumlhnten Aushytoren sind hier noch zu nennen L Raaben (Instrumentalnyj ansambl v russkoj muzyke Moskau 1961) und L Ginzburg (Istorija violoncelnogo isshykusstva Buch 2 Moskau 1957 S 399) Offenbar waren ihnen diese Komposhysitionen nicht zugaumlnglich denn RISM gibt fuumlr sie einen russischen Standort nicht an Doch ist wohl op II in den letzten Jahren wieder aufgefunden worden Im Katalog der Russischen Nationalbibliothek ist dieser N otenshydruck jedenfalls verzeichnet (vgl Svodnyj katalog rossijskich notnych izshydanij Bd I XVIII vek St Petersburg 1996 S 60 I 206) RISM nennt dagegen als einzige Bibliothek die diese Sonaten heute noch besitzt die Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar der fuumlr die Anfertigung von Kopien an dieser Stelle herzlich gedankt sei

Das Exemplar des op I traumlgt den handschriftlichen Vermerk Maria Pavshylovna (siehe Abbildung 2) gehoumlrte also wahrscheinlich dieser aus der Zashyren familie stammenden russischen Groszligfuumlrstin die es bei ihrer 1804 erfolgshyten Vermaumlhlung mit dem Groszligfuumlrsten Karl Friedrich von Sachsen-Weimar (1783-1853) vermutlich mit nach Weimar gebracht hat Die allseitig geshybildete Maria Pavlovna (t 1859) spielte Klavier sie stand mit Goethe in staumlndigem geistigem Austausch es ist auch uumlberliefert dass sie sich unter der Anleitung des damaligen russischen Hofkapellmeisters Giuseppe Sarti (1729-1802) mit Komposition beschaumlftigt hat (vgl N von Milde Maria Pawlowna Hamburg 1904 S 88) Dass sie Anton Titz persoumlnlich gekannt hat und ihn zusammen mit seinem Ensemble am Petersburger Hof musishyzieren houmlrte ist sehr wahrscheinlich

64

Abb 1 Titelblatt der Six Quattuors Wien 1781 (Artaria)

65

S 0 N A T E~ pour le

CLAYECIN ou PIANOFORTE

et

VIOLON OBLIGE

conposee

par

Mf TITZ

Opl

A St Petersbour8

ehc Gcutenberg et Camp

Prix IR

Abb 2 Titelblatt von op I mit den Schriftzuumlgen von Maria Pavlovna Groszligherzogin von Sachsen-Weimar

66

zur Sonatensatzform hin die der Komponist dann in den Sonaten op II und III in voller Auspraumlgung anwendet

Nbsp 2 Op III Adagio

Adagio _A ~ bull

I

JI I

I

iM eJ tJ f I

11 - -- ~ - I

p ~ ~ ~ ---

y

f ~

f 1 I ti I~~ I -bullbull bull

I )

r r 6

bull -pshy pt If

bullbull 11 bull bull ~

I r-Bei op 11 (fis-Moll) haben wir es mit einer dreisaumltzigen und bei op III (c-Moll) sogar mit einer viersaumltzigen Sonate zu tun Zwishyschen die bei den schnellen Ecksaumltze schiebt sich in op 11 eine im Volkston gehaltene Romance siciliano (A-Dur) in der Titz seine lyrische Veranlagung auslebt In den Ecksaumltzen des op III (cshyMoll) kommen dagegen pathetische Zuumlge zum Tragen die auch in dem der Sonate vorangestellten einleitenden Adagio anklingen Eine zarte Lyrik kennzeichnet dagegen den langsamen Satz ein

67

Nbsp 3 Op II 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro con espressione A

I

t

~ --- ---shy ----shy -shy1 j - ~ ~ ~ bull

- bull r - 11 i 1 shy bull lI__ bull

J 11 I

t) - r

1 I ~ rrI bull 1_ 1__ rtI eJ ~ - 1 1middot

bull d 11shy llI

~ 14 Ci bull

~ f Seitenthema

~

f

) t

4J -shy - ~ -J

A~lmiddot i_I I

-J I I bull I

A f

~ fI i bull f7 bull shy j i

eJ vshy - ~ ~ - bull t I I )r L

J 1 I I 11 L 11 i

t) bull -

68

1

~bull

Nbsp 4 Op III 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro agitato ~ I bull r Umiddot ~ F

bullbull f~ ~ I I - - ~

bull-~ - ~

bull I tI I t

~ jj jjl ~H 6 bull

I IIJshy -shy I --

4) P ttUCo fJ I I )_r ----

~ -- - crvc J1 P

( ~ ~- 1t_~ - ~

I

VIIoi ~

dolc I a -- r ~

dok ~

I

( ~

- r I I bull ~

11

V8=

~ I ~ -Je - _- _I

1I - I I I l J

~ r I I V ~ - - l0t ~ ~ (

69

Nbsp 5 Quartett a-Moll Haupt- und Seitenthema

Allegro di molto agitato - t1I ft

lt shy ~

-~ -

~

ttJ f j J ~ 4 J ~ bull

I - I - r ~fIe

I IJr

I JJ I- bull

- ~ ]11 _t

1- ~~ 1Il 4 ~ ilA JJ r J ~ -shy

bull

4i) I bull 11 ~ bull ~ 1i-Idole ~ ~ -~ -

I -

~~ I I _I f bull eJ 1shy - - - I -

11 J ir (shy 1-( -~

~

I

Adagio in Es-Dur (siehe Nbsp 2) Formal weisen die Ecksaumltze dieser beiden Sonaten die typische Sonatensatzform auf wobei das Seitenthema jeweils in der parallelen Dur-Tonart steht (siehe Nbsp 3 und 4) Der Satzumfang ist mit jeweils ca 250 Takshy

70

Nbsp 6 Quartett G-Dur 1 Satz

Allegro ~

r I

1 bull 1 bull bullbull I TT

-UI II I I --- - bull

f ~~ ~

h hbull J -1 ~

bull

bull bull bull 1 iilbull bull bull bullbullbullbull bull bullbullbullbull

f - -bull

bull iii - - ---ifiJ bull 1fI bull bull

~~~ -

--~

middot bull

r shy

bull

Ir ~ bull

J~ n--

r

0___- V ______

1amp

~

-

JJlJ J~

I

I bull bull ~

bull

lJ~~r-J

--

1 ~ t bull r t

T -- -

SilJ -- -

71

Fortsetzung Nbsp 6

A

_t

-su - shy

eJ bull IJgt- f~ 11- I

-

t t 1 1

- t I - _

T

bull

~v v 17

-PO bull

bull I

11 bull Ir ~

---shy J ~

bull bull bullL---shyWW~

bull bull ltr~ ~ bullbull ~ ~

t l1li bull a

bullbullbullbull

) bull bull-

-

~ I

~

-

-po

I 1 bull

bull I bull bull

bullbullbullbull

bull bull

-tiTbull

~

-

~ --shy-

--

1 I

J

~ bull bull

72

ten beachtlich der Durchfuumlhrung wird viel Raum gegeben Die Violinstimme ist sparsam ausgesetzt nur verhaumlltnismaumlszligig selten wird ihr thematisches Material uumlbertragen Dennoch bildet sie zusammen nlit dem Klavierpart eine untrennbare klangliche Einshyheit Insgesamt zeichnen sich die drei Sonaten durch einfallsreiche thematische Erfindung aus Besonders zu bezaubern vermag die Sonate in fis-Moll (Op II)

Nbsp 7 Quartett F-Dur 1 Satz Hauptthema

r r r - - r - rr rrrf Dass sich Titz die klassische Schreibweise zu eigen gemacht hat

belegen auch die drei Alexander 1 gewidnleten Streichquartette von 18011802 Am konsequentesten haumllt sich der Komponist an das Schema der Sonatensatzform im Allegro di molto agitato des 3 Quartetts (a-Moll) In der Exposition bringt er das Haupt- und in der parallelen Dur-Tonart das Seitenthema (siehe Nbsp 5) und laumlsst dann eine Durchfuumlhrung und Reprise mit Coda folgen In

73

Nbsp 8 Quartett F-Dur 1 Satz Seitenthema

Ir

I bull bull

lIiiiiiiii

ol LI r4tJ - ~l ~J t J j 11 bull q- tr bullbull bull r I~ t I It-I- It bull It It IJ S

I-

~ - - -shy I I shy - IJ1p - --1J - h~~ Ir I

41-

J J- I wr -

- bull rTJ

f) ~ ~ ~ -iJ--1-- -~t J

~

bullt-1

74

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 3: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

gebraucht werden Er erscheint als Anton Ferdinand Ferdinand Anton Anton Ferdinand (AF) August Ferdinand und ohne Anshygabe des Vornamens 7 Es besteht jedoch kein Zweifel dass es sich trotz der verschiedenen Vornamen immer um denselben Musiker handelt

Als sein Onkel den Knaben verstoszligen hatte nahm ihn seine alshyleinstehende Tante Barbara Regina Dietzsch zu sich die ebenfalls Kunstmalerin war Sie brachte der Musikliebe des Jungen Vershystaumlndnis entgegen und sorgte dafuumlr dass er seine autodidaktisch erworbenen Fertigkeiten im Violinspiel durch systematischen Unshyterrichtvervollkomnlnen konnte Wer den jungen Titz unterrichshytete ist unbekannt Mit siebzehn Jahren beherrschte er das Vioshylinspiel jedenfalls so gut dass er in die Kapelle der St-SebaldusshyKirche aufgenommen und schon bald inmiddot den ersten Geigen einshygesetzt werden konnte Eine enttaumluschte erste Liebe veranlasste den etwa zwanzigjaumlhrigen seJlsiblen Juumlngling N uumlrnberg zu vershylassen und sich in Wien nach einem neuen Betaumltigungsfeld umshyzusehen Hier wurde er mit Christoph Willibald Gluck bekannt dem der junge Geiger offenbar sympathisch war so dass sich zwischen den beiden Musikern ein freundschaftliches Verhaumlltnis zu entwickeln begann Titz verdankte Gluck eine Anstellung als

7 Anton (Antoine) 3 Streichquartette dem Zaren Alexander I geshywidmet St Petersburg bei FA Dittmar

Ferdinand 6 Streichquartette Wien 1781 Artaria 3 Duos fuumlr 2 Violinen Wien 1781 Torricella

AF (Anton Ferdinand) 3 Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine op I II u III St Petersburg Gerstenberg et Co

Ferdinand Anton R A Mooser Annales de la musique et des mushysiciens en Russie au XVIIIe siede Bd 2 Genf 1951 S 179ft

August Ferdinand R Eitner Biographisch-bibliographisches Quelshylenlexikon der Musiker und Musikgelehrten Bd 9 Leipzig 1903 S 407 MGG Bd 13 Kassel usw 1966 Sp 411

Ohne Vorname(n) Sonate pour Violon avec laccomp de Basshyse Moskau (CG Kaestner) Manuskripte der in Wien (Oumlsterreichische Nationalbibliothek u Gesellschaft der Musikfreunde) befindlichen Streichquartette u -quintette

44

Geiger im Opernorchester 8 Folgt man der russischen Quelle so war Gluck in Wien der einzige Mensch dem sich Titz verbunden fuumlhlte Und da Gluck ein versierter Violoncellist war spielte Titz des oumlfteren zusammen mit ihm Duos fuumlr Violine und Violoncello Wenn Titz als Zwanzigjaumlhriger also 1762 nach Wien gekommen war dann ist das gemeinsame 1tIusizieren fuumlr die Zeit zwischen 1762 und 1771 anzusetzen 9

Titz verkehrte in Wien gelegentlich auch im Palais des Fuumlrsten Ferdinand Philipp Lobkowitz (1724-1784) Als ihn hier der in Wien auf der Durchreise weilende hohe russische Beamte Petr Aleksandrovic Sojmonov (1737-1800) spielen houmlrte war dieser so begeistert dass er ihn nach Russland einlud 1771 ging Titz nach St Petersburg wurde Kammermusiker der Zarin Katharina 11 und als erster Geiger in das Erste Hoforchester aufgenommen 10

Uumlber die ersten zehn Jahre die Titz in Russland verbrachshyte gibt es keine Nachrichilen In dieser Zeit scheint er durch den Dienst im Hoforchester voll in Anspruch genommen worshyden zu sein Erst 1781 tritt Titz wieder in das Blickfeld des Historikers Wir erfahren dass er in Warschau bei einer Soishyree des italienischen Saumlngerehepaars Guglielmo und Maria Anshyna Jermolli mitwirkte indem er mehrere Sonaten sowie zwei Konzerte eigener Komposition vortrug 11 Um welche Sonaten

8 Nicht als Kapellmeister wie in M uzy kalnaja enciklopedija (hrsg von J u V Keldys) Bd 5 Moskau 1981 Spalte 539 zu lesen ist

90b Titz die Wieller Urauffuumlhrung von Glucks Orpheo am 5 Oktober 1762 miterlebte ist fraglich In der Folgezeit hat Gluck Wien nur dreimal verlasshysen Als er im Fruumlhjahr 1763 zur Urauffuumlhrung der von ihm zur Einweihung des Teatro Comunale komponierten Oper Il Trionfo di Clelia nach Boloshygna reiste als er im FebruarMaumlrz 1764 kurze Zeit in Paris weilte und als er Anfang 1767 in Florenz war um die Auffuumlhrung eines von ihm komshyponierten Prologs zu dirigieren Glucks gemeinsames Musizieren mit Titz insbesondere sein Wirken als Violoncellist stellen interessante Details dar die den Gluck-Biographen bisher unbekannt waren

1degSeinen Dienst trat Titz am 22 Mai oder am 14 Dezember 1771 an Da im gleichen Jahr auch ein Bratscher mit dem Namen Anton Titz im Hofshyorchester angestellt wurde laumlszligt sich nicht sagen wann der Violinist und wann der Bratscher eingestellt wurde Die beiden Musiker waren jedoch nicht miteinander verwandt denn der Bratscher stammte aus Boumlhmen

11 Vgl RA Mooser Annales de Ia musique et des musiciens en Russie au XVIIIe siede Bd 2 Genf 1951 S 488

45

und Konzerte es sich handelte bleibt mangels Angaben unbeshykannt Ein Jahr spaumlter im Februar 1782 trat Titz zusammen mit dem Clavecinisten K Zierlein einem Schuumller von CPhE Bach und Kapellmeister des Fuumlrstbischofs von Ermland in St Petersburg an die Oumlffentlichkeit Er lieszlig sich damals auf der Viola d amore houmlren auf der er virtuos spielen konnte Zierlein begleishytete ihn auf dem Clavecin Was die beiden Kuumlnstler vortrugen ist unbekannt Nach V Natanson 12 soll Titz neben Field und Romberg zu Privatkonzerten herangezogen worden sein wie sie Ende des 18 Jahrhunderts im Hause des Feldmarschalls N1 Salshytykov zahlreich stattfanden Damit scheint sich Titz Auftreten in der Oumlffentlichkeit auszligerhalb des Hofes erschoumlpft zu haben Uumlberhaupt scheute er ein breites Publikum Dies war wohl der Menschenscheu und dem introvertierten Wesen des Musikers geshyschuldet das sein Biograph auf seine enttaumluschte Jugendliebe aus der Nuumlrnberger Zeit zuruumlckfi1hrt

Dass Titz in der zweiten Haumllfte der 1790er Jahre Mitglied der Koumlniglichen Kapelle in Dresden war und von hier aus als Soshylist in Leipzig Berlin (1803) und Prag (1809) aufgetreten sei ist unrichtig 13 Hier wird offenbar Anton Titz mit Ludwig Titz verwechselt der als Violinist der Koumlniglichen Kapelle in Dresshy

12V Natanson Prosloe russkogo pianizma Moskau 1960 S 156 13 Dass 1802 der Kurfuumlrstl Saumlchsischen Hofkapelle ein Violinist namens Tietz

angehoumlrte geben Gerber (NL IV 357) C von Wurzbach (Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oumlsterreich Teil 44 Wien 1882 S 147) Eitner (EitnerQ 407) A Weinmann (MGG XIII 411) und TA RepCinskaja (in Muzykalnaja enciklopedija Bd 5 Moskau 1981 Sp 339) an Es handelte sich aber wahrscheinlich um Ludwig Tietz der von 1818 bis 1828 Vizekonshyzertmeister in der Hofkapelle zu Dresden und ein tuumlchtiger Kuumlnstler war (vgl M Fuumlrstenau Beitraumlge zur Geschichte der Kgl Saumlchsischen musikashylischen Kapelle Dresden 1849 S 193 u 206) Zum Auftreten von Tietz 1803 in Berlin schreibt zB die Allgemeine musikalische Zeitung Den 25sten Februar gab der Kurfuumlrstl Saumlchsische Kammermusiker Herr Tietz aus Dresden ein Konzert im Saale der Stadt Paris und rechtfertigte voumlllig in zwey von ihm gesetzten und gespielten Violinkonzerten die allgemeinen Erwartungen (AmZ 1803 410) - Dass es sich bei dem Violinisten des Berliner Konzerts nicht um den Petersburger Hofmusikus Anton Titz geshyhandelt haben konnte geht auch daraus hervor dass sich 1 Spohr von Januar bis Mai 1803 in Petersburg befand und dort wiederholt mit Titz zusamentraf (vgl Spohr wie Anm 1 S 45)

46

den einer der ersten reisenden Musiker war waumlhrend es als ershywiesen gelten kann dass Anton Titz nachdem er sich 1771 in Russland niedergelassen hatte dieses Land bis zu seinem Tode inl Jahre 1810 nicht wieder verlassen hat 14 Gegen Anton Titz Konzerttaumltigkeit zwischen 1803 und 1809 spricht auch sein in dieser Zeit schon stark beeintraumlchtigter Gesundheitszustand der strapazioumlse Konzertreisen nicht mehr moumlglich machte

Mit der Zeit erweiterte sich offenbar Titz Aufgabenkreis Neshyben dem Dienst im Ersten Hoforchester war er als Violinlehrer an der Theaterschule taumltig und im Auftrag von Katharina 11 hatte er den Groszligfuumlrsten Aleksandr Pavlovic den spaumlteren Zashyren Aleksandr 1 im Violinspiel zu unterweisen Vermutlich seit Beginn der 1780er Jahre wurde Titz mit der Bildung und Leishytung eines Kammermusikensembles betraut Wahrscheinlich ershyhielt er diesen Auftrag von der Zarin selbst Sie schaumltzte den deutschen Musiker und bezahlte ihm das beachtlich hohe Jahresshygehalt von 3000 Rubel Die ihm uumlbertragene neue Aufgabe kam Titz Veranlagung in geradezu idealer Weise entgegen Da er shywie sein Biograph vermerkt wegen seiner Schuumlchternheit nie haumltte Konzertgeiger werden koumlnnen dafuumlr jedoch im Quartett in seinem Element war 15 musste ihm das Ensemblespiel ganz besonders zusagen Auszligerdem bot es ihm Anregung zu manch neuer Komposition

Kammermusikpflege hatte am Zarenhof eine lange Tradition Sie reichte in die 1720er Jahre zuruumlck als - wie Staumlhlin berichtet shyder Herzog Ulrich von Holstein-Gottorp der spaumltere Schwiegershysohn Peters des Groszligen in St Petersburg Zuflucht nehmen musshyste und seine kleine Kammerkapelle dorthin mitbrachte 16 Sie bestand etwa aus einem Dutzend deutscher wohlgeuumlbter Musiker darunter die Vornehmsten zween Bruumlder Huumlbner der eine den Kapellmeister und der andere den Concertmeister vorstellte Dieshyse bisher in Russland unerhoumlrte Musik bestand in Sonaten Soshy

14Vgl Mooser wie Anm 11 Bd II S 179 Anm 8 15V gl N M wie Anm 2 S 13 16 Neuerdings wird die Anwesenheit der holsteinschen Kapelle von A Porshy

fireva angezweifelt (vgl A Porfireva Aus der Geschichte des russischen Hoforchesters in der petrinischen Epoche in Arolser Beitraumlge zur Musikshyforschung 8 Sinzig 2000 S 125ff) Die Beweisfuumlhrung erscheint uns jedoch luumlckenhaft und daher wenig uumlberzeugend

47

li Trii und Concerten von Telemann 17 Kayser 18 Haynichen 19

SchuItz 20 Fuchs 21 und andern damals beruumlhmtesten Deutschen sowohl als von Corelli 22 Tartini 23 Porpora 24 und andern itashylienischen Komponisten Peter der Groszlige wohnte diesem hershyzoglichen Kammerkonzert nicht nur selbst oumlfters bei sondern lieszlig es fast alle Woche einmal auch an seinenl Hofe spielen Daselbst fand es um so mehr allgemeinen Beifall je neuer und angenehshymer es den vornehmen Russen im Vergleich aller ihrer bisherigen Musik vorkommen musste 25

Nach diesen1 ersten Kontakt der russischen Hofgesellschaft mit der Kammermusik Westeuropas der infolge der woumlchentlich reshygelmaumlszligig stattfindenden Konzerte zur Herausbildung einer festen Tradition fuumlhrte erlebte der Zarenhof als er 1733 und dann wieder seit 1735 eine italienische Hofoper einrichtete nicht nur eine Bluumltezeit der opera seria sondern getragen von den im italienischen Opernorchester wirkenden Violinvirtuosen Giovanshyni Verocai 26 Luigi Madonis 27 und Domenico dallOglio 28 auch eine strahlende Epoche der spaumltbarocken Geigenkunst 29 Diese Geiger traten in den Hofkonzerten regelmaumlszligig als Solisten hervor

17 Georg Philipp Telemann (1681-1767) 18Gemeint ist Reinhard Keiser (1674-1739) 19Gemeint ist Johann David Heinichen (1683-1729) 2degGemeint ist vermutlich Heinrich Schultze der 1681 in Stralsund geboren

wurde und seit 1717 Konzertmeister hierauf Direktor der Polnischen Kashypelle Augusts des Starken war

21Es handelt sich wahrscheinlich um Johann Joseph Fux (1660-1741) von dem die Zeitgenossen insbesondere die Trio-Sonaten lobten

22 Arcangelo Corelli (1653-1713) 23Giuseppe Tartini (1692-1770) 24 Nicola Antonio Porpora (1686-1766) 25 Jakob v Staumlhlin Nachrichten von der Musik in Ruszligland in Theater Tanz

und Musik in Ruszligland hrsgv E Stoumlckl Leipzig 1982 S 80r 26G Verocai C um 1700 in Venedig t 1745 in Braunschweig) war seit 1731

im Dienste des russischen Hofs in Moskau seit 1732 in St Petersburg 271 Madonis ( 1700 in Venedig t 1767 in St Petersburg) in Petersburg

1733 bis 1738 und dann wieder 1740 bis zum Tode seit 1761 geistesgestoumlrt 28D dallOglio ( um 1700 in Padua t 1764 in Narva) In St Petersburg

von 1735 bis 1764 29 V gl dazu L Gurevic Der russische Violinb1fock in Arolser Beitraumlge zur

Musikforschung 8 Sinzig 2000 S 29ff

48

middot raumlumten aber dabei auch Kammermusikwerken wie Sonaten und Trios einen gebuumlhrenden Platz ein Damit knuumlpften sie an die in den 1720er Jahren von Musikern des holsteinschen Herzogs geshyschaffene Tradition an und fuumlhrten sie zu einenl glanzvollen neuen Houmlhepunkt Als die Italiener Petersburg verlieszligen Verocai ging schon 1738 nach Braunschweig dall OgHo reiste 1764 aus Petersshyburg ab Madonis war seit 1761 geistesgestoumlrt - riss die Kamshymermusikpflege unvermittelt ab Als Titz 1771 nach Petersburg kam war von den italienischen Violinvirtuosen niemand mehr da Die von ihnen fruumlher gepflegte Kammermusik lebte jedoch in der Erinnerung der einstmaligen Houmlrer fort so dass ihr Verschwinshyden aus dem houmlfischen Musikleben als Luumlcke empfunden werden musste Katharina I1 scheint dies gespuumlrt zu haben so dass sie schlieszliglich den Befehl zur Gruumlndung eines festen Ensembles gab und damit die in den 1760er Jahren verloren gegangene Tradition der Kammermusikpflege nea belebte Mit diesenl Ensemble hatshyte Titz vor allem fuumlr das spezielle musikalische Amuumlsement der Hofgesellschaft in erster Linie der Zarin selbst zu sorgen Wann immer Katharina I1 oder einem Mitglied der Hofgesellschaft der Sinn nach musikalischer Unterhaltung stand wurde Titz gerushyfen und musste mit seinem Ensenlble fuumlr die hohen Herrschaften aufspielen

Die Musiker des Ensembles wechselten doch rekrutierten sie sich stets aus den besten Instrumentalisten die es damals in Peshytersburg gab So spielte - vermutlich zwischen 1783 und 1786 -Ivan Giornovicchi (Jarnowick um 1740-1804) mit der - wie die Allgemeine musikalische Zeitung in ihrem Nachruf konstatiert einer der vorzuumlglichsten Virtuosen auf seinem Instrument war das er besonders mit Genauigkeit Anmuth und Zierlichkeit beshyhandelte ihm den reinsten und einschmeichelndsten Ton zu entshylocken und eine Seele einzuhauchen wusste welcher man sich mit Entzuumlcken hingab Selbst spaumlte Jahre hatten diese seine Vorzuumlge nicht verringert 30

Eine Zeitlang gehoumlrte der in Berlin geborene Ernst Heinrich Raab (1750- ) Sohn eines Hofmusikers des Prinzen Ferdinands von Preuszligen dem von Titz geleiteten Kammermusikensemble an Er war 1781 fuumlr die ersten Geigen des Ersten Hoforchesters anshygestellt worden wurde jedoch schon ein Jahr spaumlter beurlaubt

30 AmZ 1804 241

49

shy

( ~ -

Seitdem gibt es uumlber ihn keine Nachrichten mehr Er kann also nur kurze Zeit in der Kammermusik bei Hofe mitgewirkt haben Anders verhaumllt es sich mit Otto Ernst Tewes (1759-1800) der seit 1775 erster Geiger im Ersten Hoforchester war und bis zu seinem Lebensende in Petersburg blieb Aus seiner Feder stammt die dreiaktige komische Oper Die wuumltende Familie (Besenaja sem ja) auf ein Libretto des bekannten russischen Fabeldichters LA Kryshylov die 1786 - allerdings mit einem nur maumlszligigen Erfolg in Petersburg auch aufgefuumlhrt wurde 31 Tewes spielte in Titz Enshysemble sicher laumlngere Zeit mit Die Bratsche war durch Stockfisch vertreten uumlber den wir allerdings keinerlei naumlhere Informationen besitzen sogar sein Vorname ist unbekannt Vermutlich war er Bratscher im Ersten Hoforchester Am Pult des Violoncellisten saszlig Alessandro Delfino der ehe er 1789 nach Petersburg geganshygen war als erster Violoncellist im Orchester der Mailaumlnder Scashyla gewirkt hatte Nach voruumlliergehendem Dienst im Privatorcheshyster von Feldmarschall Fuumlrst Grigorij Aleksandrovic Potemkin (1739-1791 ) erhielt er 1793 in Petersburg die Stelle des Solovioshyloncellisten im Ersten Hoforchester mit einem Vertrag auf fuumlnf Jahre Vermutlich in dieser Zeit 1793 bis 1798 wirkte er in Titz Ensemble 32 Mit Tewes Stockfisch und Delfino stand Titz eishyne ausgezeichnete Streichquartettbesetzung zur Verfuumlgung die bei Bedarf oder wenn es die Anwesenheit besonders talentiershyter Musiker in Petersburg erforderte erweitert bzw veraumlndert wurde So wirkten bei Titz der aus Boumlhmen stammende Claveshyeinist und Komponist Ernest Wanzura ( um 1750 t 1802) der franzoumlsische Harfenist Jean-Baptiste Cardon ( um 1747 t um 1805) der aus Kassel gebuumlrtige Floumltenvirtuose Franz Ludwig Mishychel (Lebensgrenzen unbekannt) und der deutschboumlhmische Klashyrinettenvirtuose Johann Joseph Beer (1744-1812) mit

Wanzura lebte seit 1783 in Moskau und wechselte 1786 nach Petersburg uumlber Seit dieser Zeit spielte er - wahrscheinlich auch nicht regelmaumlszligig - im Kammermusikensemble von Titz mit Der Harfenist Cardon der Paris vermutlich zu Beginn der Revolution verlassen hatte weilte seit 1790 in Petersburg Sein Vertrag mit der Direktion der Kaiserlichen Theater war auf drei Jahre (1790shy

31 Vgl Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 343 32Zu Delfino vgl RA Mooser Annales de la musique et des musiciens en

Russie au XVIII siede Bd 2 Genf 1951 S 488

50

I r

1793) befristet In dieser Zeit spielte er bei Titz mit Der Floumltist Franz Ludwig Michel war 1775 bis 1791 Mitglied des Privatorcheshysters des Fuumlrsten Grigorij Aleksandrovic Potemkin lebte hierauf bis 1796 in Petersburg um dann nach Deutschland zuruumlckzukehshyren Michels Mitwirkung in Titz Ensemble kann daher fuumlr die Zeit zwischen 1791 und 1796 angenommen werden Der Klarinetshytist Johann Joseph Beer spielte bei Titz vermutlich eher in der Zeit von 1783 bis 1786 mit zu der Zeit also als auch Giornovicchi Titz Ensemble angehoumlrte Ab und zu musizierte bei Titz auch der Groszligfuumlrst Aleksandr Pavlovic der spaumltere Zar Aleksandr 1 mit den Titz zu einem passablen Geiger herangebildet hatte

Die zeitweise Mitwirkung von verschiedenen Instrumentalisten und eine sich daraus ergebende variierende und bisweilen unshygewoumlhnliche Besetzung fuumlr die es originale Literatur nicht oder noch nicht gab hatte natuumlrlich zur Folge dass entsprechende Arshyrangements geschaffen werden mussten Als Autoren von solchen Bearbeitungen kamen Titzmiddot selbst und Wanzura in Frage Titz verfuumlgte als Komponist uumlber die dafuumlr notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten Diese besaszlig in gleicher Weise auch Wanzura Seine Klavierbearbeitungen von Opernnummern erschienen in dem Journal de musique dedie aux dames das der Petersburger Verleger Bernhard Theodor Breitkopf (1749-1820) der Bruder des Leipziger Verlagsinhabers zwischen 1785 und 1794 herausshygab Welches Repertoire einer Bearbeitung unterzogen wurde ist im einzelnen unbekannt Es kann jedoch vermutet werden dass es sich um Ausschnitte aus italienischen Opern handelte die dashymals auf dem Spielplan der Kaiserlichen Theater standen Da die 1791 in Petersburg eroumlffnete Musikalienhandlung von Johann Dashyniel Gerstenberg immer die neuesten Notenausgaben aus Paris Wien und Berlin heranschaffte 33 waren Titz und seine Musiker uumlber den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Westeuropa gut informiert und konnten so fuumlr das Repertoire des Kammerenshysembles immer auch neue Werke auswaumlhlen Gerstenberg brachshyte 17941795 das St Petersburger Musikmagazin fuumlr das Klavishychord oder Pianoforte heraus das neben Klavierkompositionen shy

33Vgl dazu E Stoumlckl Der St Petersburger Musikverlag Gerstenberg und der Beitrag deutscher Tonsetzer zur Schaffung der ersten Klavierkomposishytionen in Russland in Arolser Beitraumlge zur Musikforschung 8 Sinzig 2000 S 148

51

meist Variationen uumlber russische Volkslieder - auch Triosonaten von Ignaz Pleye1 34 enthielt In der Spaumltzeit von Titz Wirken in Petersburg erschienen in der Zarenresidenz die ersten einheimishyschen Ausgaben von Streichquartetten die Titz sicher kannte und moumlglicherweise fuumlr seine Musizierpraxis auch nutzte Zu denken ist an die Trois Grands Quatuors des aus Regensburg gebuumlrtigen Franz Adam Veichtner (1741-1822) seit 1795 Kammermusikus und Konzertmeister der Petersburger Hofkapelle die vermutlich zwischen 1796 und 1799 von Gerstenberg als Stimmen gedruckt wurden 35 sowie die ebenfalls von Gerstenberg herausgebrachten heute jedoch als verschollen anzusehenden Six Quatuors (1797) und Trois Quatuors (op 3 1796) von Johalln Konrad Schlick (1748-1818) Violoncellist in der Hofkapelle von Herzog Ernst 11 in Gotha 36 Es kann weiter vermutet werden dass Titz Sonaten des in den 1770er Jahren in Petersburg weilenden und sich der besonderen Gunst der Zarin erfreuenden italienischen Violinvirshytuosen Antonio Lolli (1730-1802) spielte Titz Kammerrpusikenshysemble musizierte gelegentlich auch im Theater und ersetzte auf diese Weise ein ganzes Orchester Manchmal saszligen waumlhrend der Theatervorstellullg im Orchester nur vier ausgezeichnete Musishyker Titz mit der Geige Delfino mit dem Violoncello Cardon mit der Harfe und Wanzura am Klavier 37 Es gibt Berichte wonach das Titzsche Ensemble in kleiner Besetzung Symphonishy

34 VgL ebd S 180 35 Das einzige erhalten gebliebene Exemplar von Veichtners Streichquartetshy

ten (F D g) befindet sich in der Szechenyi-N ational-Bibliothek in Budashypest Mit der freundlichen Unterstuumltzung von Herrn Dr Robert Muranyi (Szechenyi-Nationalbibliothek Budapest) und des Instituts fuumlr ostdeutsche Musik (Bergisch Gladbach) brachte E Stoumlckl das Zweite Streichquartett bei Edition Gravis (Bad Schwalbach 1988) in einer praktischen Erstausgashybe (Partitur und Stimmen) heraus

36Vgl B Vol man Russkie pecatnye noty XVIII veka Leningad 1957 S 224 und 227 auch Svodnyj katalog rossijskich llotnych izdanij Bd I XVIIlyj vek St Petersburg 1996 S 109 Nr IIL208 u III209 Die Konzertreisen die Schlick zusammen mit seiner Frau Regina Strinasacchi einer vorzuumlglishychen Violinistin unternahm fuumlhrten ihn ua auch nach Petersburg und es ist moumlglich dass seine von Gerstenberg herausgebrachten Kompositionen in der russischen Residenz auch aufgefuumlhrt wurden

37pI Sumarokov in Russkij archiv 1870 Sp 2106

52

en von Haydn und Mozart spielte 38 Neben haumlufigen Soireen in der Eremitage und den Privatgemaumlchern der Zarin trat Titz in den Sommermonaten auch in Carskoe selo auf wo er bevorzugt Streichquartette vortrug 39 auch solche von Haydn und Mozart Titz Kammermusikensemble beteiligte sich aber auch an groumlszligeshyren musikalischen Festivitaumlten des Zarenhofs Ein Ereignis dieshyser Art hat der Kammerfourier in seinem Journal unter dem 20 Juli 1791 in einer kurzen Notiz festgehalten Im Kiosk spielte die Kammermusik des Kapellmeisters Titz auf Geigen und dem Violoncello Auf der rechten Seite des Kiosks im Garten stand die Kammermusik der Blaumlser auf der linken Seite jenseits des Sees erklang Hornmusik und vor dem Kiosk selbst sangen die Hofsaumlnger verschiedene Konzerte und russische Volkslieder 40

Da als sicher anzunehmen ist dass Titz im Besitz seiner eigenen 1781 in Wien von Artaria publizierten Six Quatuors war ist es aumluszligerst wahrscheinlich dass er auch seine eigenen Kompositioshynen vortrug Titz duumlrfte mit seinem Streichquartett die zwischen 1801 und 1802 von Dittmar veroumlffentlichten Trois Quatuors soshywohl die drei Alexander 1 wie auch die drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette ehe sie in den Druck gingen ausprobiert haben Auf den Programmen standen wohl auch Titz Sonaten fuumlr Klavier und obligate Violine op I II und II1 Es ist weiter anzunehmen dass das Streichtrio und die Streichquartette von Wanzura die nicht erhalten geblieben sind von Titz und seinem Ensemble aufgefuumlhrt wurden

Die Zeitgenossen schaumltzten Titz Violinspiel in der Regel als beshy

38S0 schreibt die Graumlfin Varvara Nikolaevna Golovina in ihren Memoiren Jeden Morgen erhielt ich von der Groszligfuumlrstin eine schriftliche Nachricht in der sie mir befahl am Abend bei ihr zu erscheinen Die besten Musiker geleitet von Titz spielten Symphonien von Haydn und Mozart Der Groszligfuumlrst spielte auf der Violine Wir houmlrten diese herrliche Musik aus dem Nachbarzimmer (Zapiski grafini Varvary Nikolaevny Golovinoj (1766-1819) St Petersburg 1900 S 52f)

39Man rief Titz und drei weitere ausgezeichnete Musiker um Quartette zu spielen heiszligt es in den Memoiren der Graumlfin V N Golovina siehe unter Anm 38 zitierte Memoiren S 65

40 Aus dem Kapitel Die Kammerfourier-Journale und die Musik bei Hofe (T Livanova Russkaja muzykalnaja kultura XVIII veka Bd II Moskau 1953 S 423)

53

sonders glanzvoll ein wobei natuumlrlich subjektive Kriterien nicht auszuschlieszligen sind Der Dichter Ivan Ivanovic Dmitriev (1760shy1837) ein Vertreter des Sentimentalismus in Russland besingt den deutschen Geiger im Jahre 1798 in dem Vierzeiler

Wen houmlre ich Titz Der von dir beseelte Bogen singt spricht und bewegt die Herzen aller Oh Sohn der Harmonie dir gebuumlhrt die Krone und die gewoumlhnliche Sprache kannst du verachten 41

Als BN Zinovev ein Zeitgenosse von Titz waumlhrend eines Aufshyenthalts in Neapel Felice de Giardini (1716-1796) einen der beshydeutendsten Violinvirtuosen seiner Zeit Streichquartett spielen houmlrte stufte er die Qualitaumlt seines Spiels niedriger ein als die von Titz und Jarnowick 42

Der Verfasser des biographischen Artikels im Pantheon spricht davon dass Titz wegen sein~r Schuumlchternheit nicht haumltte Konshyzertgeiger werden koumlnnen und er deshalb auch nie als Solist aufshytrat Er fuumlgt aber hinzu Doch dafuumlr war er im Quartett in seinem Element Es gab nichts was man mit seiner angenehmen Bogenfuumlhrung und mit jenen wunderbar zarten Toumlnen haumltte vershygleichen koumlnnen die er den Saiten seiner Geige entlockte Besonshyders vortrefflich war er im Adagio seine Violine weinte im vollen Sinne dieses Wortes und sie ruumlhrte auch andere zu Traumlnen 43

Da Titz nach der Biographie im Pantheon 1797 erkrankte duumlrfte in diesem Jahr auch die Aktivitaumlt des von ihm geleiteshyten Kammermusikensembles nachgelassen haben und da sich der Geiger in der Folgezeit eigentlich nie wieder recht erholt hat ist die Kammermusikpfiege am russischen Hof vermutlich um 1797 ganz zum Erliegen gekommen Zusammenfassend kann festgeshystellt werden Ob als Streichquartett Trio oder als Ensemble mit einer gemischten Besetzung immer zeichnete sich das Spiel von Titz und seinen Musikern durch eine unvergleichlich hohe kuumlnstshylerische Qualitaumlt und Perfektion aus

41 Zitiert nach A Glumov Muzykalnyj mir Puskina Moskau-Leningrad 1950 S 97

42Russkaja starina 1878 Bd XXIII S 412 zitiert auch von T Livanova wie Anm 40 II S 311 Anm 2

43NM wie Anm 2 S 13

54

Die Werke

Anton Titz kompositorisches ffiuvre ist nicht allzu umfangreich Einige seiner Werke gelten als verschollen (zB viele seiner Roshymanzen fuumlr Gesang und Klavier) Es ist daher durchaus moumlglich dass die eine oder andere Komposition noch aufgefunden wird so dass sich das Gesamtwerk von Titz noch erweitern koumlnnte

1 Drucke

11 Streichquartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello

111 Six Quatuors (C A G c d Es) komponiert von Ferdinand Titz Nlusicien de la Chanlbre de Sa Maj Imp de toutes les Russhysies gewidmet Fuumlrst Galitzin (Golicyn) Wien 1781 Artaria Der Pariser Verleger Antoine Bailleux brachte unmittelbar nach der Wiener Ausgabe von ArtarHt einen Nachdruck der Quartettstimshymen mit dem VermerkTitz Schuumller Haydns heraus

1 Quartett Allegro Rondo

2 Quartett Poco Adagio con Variazioni Menuetto Trio Allegro di mol to

3 Quartett Allegro Rondo

4 Quartett Adagio - Allegro Allegretto (Menuetto) - Trio Cantabile Allegro spirito

5 Quartett Allegro Rondo

6 Quartett Adagio-Allegro Menuetto Trio Romance Allegro di molto

55

112 Trois Quatuors (G F a) komponiert von Anton Titz Alexander 1 gewidmet Gedruckt in St Petersburg bei Friedshyrich August Dittmar - Als Johann Daniel Gerstenberg 1799 nach Deutschland zuruumlckgegangen war uumlbernahm sein bisheriger Kompagnon Dittmar die Verlagsleitung und fuumlhrte das U nternehshymen bis 1808 alleine weiter Alexander I dem Titz seine Quarshytette widmete war 1801 russischer Zar geworden Einen mit der Dittmarschen Ausgabe identischen Nachdruck brachte Simrock in Bonn zwischen 1802 und 1803 heraus (vgl OE Deutsch Mushysikverlagsnummern Berlin 1961) Somit lieszlige sich die Publikation der Alexander 1 gewidmeten drei Streichquartette mit ziemlicher Sicherheit in die Zeit zwischen 1801 und 1802 datieren und sie waumlre eine der ersten russischen Streichquartettdrucke Von diesen drei Streichquartetten existiert ein Nachdruck auch von Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig der aumlhnlich wie der von Simrock in die Zeit zwischen 1802 und 1803 zu datieren ist Im Auftrag des Instishytuts fuumlr deutsche Musikkultur im oumlstlichen Europa e V (Bonn) gab E Stoumlckl eine praktische Erstausgabe des 1 Quartetts in G-Dur mit Partitur Vorwort und Stimmen heraus (Bad Schwalshybach 2000 Edition Gravis) Die praktische Erstausgabe auch des 2 und 3 Quartetts ist vorgesehen

1 Quartett Adagio Allegro Adagio Allegretto (Menuetto) - Trio Rondo

2 Quartett Allegro Adagio cantabile Rondo vivace

3 Quartett Siciliano affettuoso Allegro di molto agitato Romance Polonaise

113 Trois Quatuors (C B Es) komponiert von Anton Titz gewidmet dem Senator Aleksej Grigorevic Teplov Gedruckt in St Petersburg bei Friedrich August Dittmar zwischen 1801 und 1802 Das einzige erhalten gebliebene Exemplar das sich in der

56

Bibliothek des Cajkovskij-Konservatoriums in Moskau befindet ist defekt Nach Mitteilung der Bibliotheksdirektorin Frau Dr AF Cerkasova aus dem Jahre 1998 ist die Bratschenstimme verloren gegangen und in der Stimme der 2 Violine fehlen die Takte 5 bis 16 Es war nicht moumlglich von den drei AG Teplov gewidmeten Quartetten eine Kopie zu bekommen 1 Jampolskij fuumlhrt in seinem Buch Russkoe skripicnoe iskusstvo (MoskaushyLeningrad 1951) auf S 304 ff ein Notenbeispiel aus dem C-Dur Quartett dieser Ausgabe an fuumlr die die Violastimme von dem Komponisten G S Gamburg hinzukomponiert wurde

12 Duos fuumlr Streichinstrumente

121 Trois Duos a Deux Violons avec Romance et Rondeaux Composes par Ferdinand Titz Musicien de la Chambre de la Maj Im p de toutes les Russies Dedies a Madame La Baronesse de Fried Chez Christoph Torricella (B G C) Wien 1781

122 Sonate pour le Violon avec 1 accomp de Basse Compose par Mr Titz et dedie aMr Ignace Suchaneck par C G Kaestner A Moscou par Kaestner et Comp Adagio und Rondo beide in d-Moll

123 Sonate fuumlr Violine und Bass B-Dur Cantabile Allegro con espressione - Rondo

124 Sonate fuumlr Violine und Bass f-Moll Adagio - Allegro con espressione - Rondo

125 Sonate fuumlr Violine und Bass d-Moll Breitkopf amp Haumlrtei Nr 108 (Uppsala Universitaumltsbibliothek)

126 Trois sonates pour un violon avec ace d une basse Wien Jean Traeg Nr 121 (Zagreb Hrvatski glazbeni zavod Zbirka Don Nikole Udina Algaratti)

57

13 Sonaten fuumlr Clavecin oder Klavier und obligate Violine

131 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 1 ASt Petersbourg chez J D Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op I steht in f-Moll und unlfasst die Saumltze 1 Adagio con sordino 2 Allegro agitato Adagio

132 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 11 ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op II steht in fis-Moll und umfasst die Saumltze 1 Allegro con Espressione 2 Romance siciliano 3 Finale Presto I

133 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv In ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op III steht in c-Moll und umfasst die Saumltze 1 Adagio 2 Allegro agitato 3 Adagio 4 Allegro vivace

134 Sonate fuumlr Violine und Klavier Gemeinschaftskomposition mit dem in Riga lebenden Komponishysten Julius August Fehre (1745-1812) Vgl B Volman Russkie pecatnye noty XVIII veka Leningrad 1957 S 64 ( verschollen)

14 Lied

141 Stonet sizyj golu bocek (Es klagt die graue Taube) in N Findejzen Ocerki Bd 2 Moskau-Leningrad 1929 S CXXXVIL

58

2 Manuskripte

21 Quartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello

211 Sechs Streichquartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello Identisch mit den 1781 in Wien bei Artaria publizierten Werken Wien Oumlsterreichische Nationalbibliothek

22 Quintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen und Violoncello

221 Vier Streichquintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen u Violoncello (A c-C F Es) Wien Gesellschaft der Musikfreunde Es handelt sich unl Abshyschriften die von Wiener Berufskopisten zwischen 1780 und 1800 angefertigt wurden Daraus ist zu schlieszligen dass Titz die hier aufgefuumlhrten Kompositionen schon in Russland schuf

Quintett in A-Dur Allegro - Andante grazioso - Presto Quintett in c-Moll Adagio - Allegro con spirito - Adagio - Ronshy

do Presto Quintett in F-Dur Allegro Andante Rondo Quintett in Es- Dur Allegro Maestoso - U n poco Adagio Rondo

~22 Sechs Streichquintette Osterreichische Nationalbibliothek Wien

Quintett in F-Dur (Mus Hs 11511) Allegro Andante - Rondo Quintett in Es-Dur (Mus Hs 15512) Allegro Maestoso - Un

poco Adagio Rondo Quintett in B-Dur (Mus Hs 11513) Allegro con espressione

Adagio - Rondo Presto Quintett in A-Dur (Mus Hs 11514) Allegro - Andante grazioso

Presto Quintett in c-Moll (Mus Hs 11515) Adagio - Allegro con spirito

Adagio Presto Quintett in d-Moll (Mus Hs l1516) Adagio - Allegro - Cantashy

bile Allegro assai

Alle sechs Stimmabschriften tragen den Vermerk N H 796 wurshyden also 1 796 angefertigt

59

23 Konzert

231 Concert fuumlr Violine principale 2 Violinen 2 Corni Oboi et Basso in Es-Dur Das Konzert besteht aus den Saumltzen Allegro - Cantabile - Rondo Fundort Wien Gesellschaft der Musikfreunde

24 Symphonie

241 Dreisaumltziges Werk fuumlr 2 Violinen Viola Kontrabass 2 Oboen 2 Waldhoumlrner und Pauken (Im Andantino werden die Oboen durch eine Floumlte ersetzt) Die Symphonie besteht aus den Saumltzen Allegro di molto Andantino und Prestissinlo Die handschriftlichen Orchesterstimmen befinden sich in der Bishybliothek des Schlosses zu Pavlovsk (s Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 402 Anm 42)

25 Vokalkomposition

251 Arie fuumlr Sopran solo mit Instrumentalbegleitung (EitnerQ 408)

Wenn wir auch bis zum gegenwaumlrtigen Zeitpunkt nicht alle von Titz geschaffenen Kompositionen kennen so erlauben es doch die der Forschung zugaumlnglichen Werke durchaus sich zumindest von Titz als Komponisten von instrumentaler Kammermusik ein Bild zu machen Zwar hat er auch eine ganze Reihe von Liedern (Roshymanzen) fuumlr Gesang und Klavier geschrieben doch muumlssen dieshyse Kompositionen wahrscheinlich als verschollen angesehen wershyden und entziehen sich daher einer Einschaumltzung Einzig und alshylein das Lied Es klagt die graue Taube (Stonet sizyj golubocek) dessen Autorschaft Findejzen einenl unbekannten Komponisten Keldys 44 aber Titzzuschreiben zu koumlnnen glaubt scheint der

44 VgI N Findejzen Ocerki po istorii muzyki v Rossii Bd 2 Moskau-Leshyningrad 1929 S 301 das Nbsp dazu befindet sich auf S CXXXVII - Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 220 Anm 59

60

r

auf uns gekommene Rest von Titz Vokalschaffen zu sein Dabei erfreuten sich Titz Lieder und insbesondere Es klagt die graue Taube zu ihrer Zeit groumlszligter Beliebtheit und letzteres wurde noch in den 1830er Jahren viel gesungen

Auch uumlber Titz als Symphoniker lassen sich zur Zeit keine Ausshysagen machen weil diesbezuumlgliche Werke in Deutschland nicht verfuumlgbar sind 45

Der folgende Versuch einer Stilanalyse bezieht sich infolgedesshysen vorwiegend auf die Sonaten fuumlr Klavier und obligate Violine op I 11 und III sowie die der Forschung zugaumlnglichen Streichshyquartette Es zeigt sich dass Titz in dem Zeitraum zwischen etwa 1781 und 1802 den Weg von der Fruumlhklassik zur Klassik durchlaushyfen hat Seine fruumlhen 1781 in Wien bei Artaria veroumlffentlichten Six Quatuors weisen in den ersten Saumltzen noch eine mehr oder minder willkuumlrliche Reihung des thematischen Materials auf N r 1 3 und 5 bestehen nur aus zwei Saumltzen jeweils aus einem Allegro und einem Rondo die drei uumlbrigen Werke zeigen dagegen schon die spaumltere klassische Viersaumltzigkeit mit zwei schnellen Ecksaumltzen einem Menuett mit Trio und einem nach dem Menuett folgenden langsamen Satz Eine Sonatensatzform ist jedoch nicht zu erkenshynen Den Quartetten N r 4 und 6 stellte Titz ein einleitendes Adagio voran im Streichquartett Nr 2 (A-Dur) waumlhlte er als ershysten Satz ein Thema mit Variationen Fuumlr die Vermutung dass Titz diese Quartette erst in Russland geschrieben hat spricht dass er sich auf dem Titelblatt als M usicien de la Chambre de Sa Maj Imp de toutes les Russies bezeichnet und die Kompositioshynen dem Fuumlrsten Galitzin (Golicyn) Ministre Plenipotentiaire de S M 1 de toutes les Russies pres la Cour Imp et Roy gewidshymet hat 46 (Siehe Abbildung 1) In Wien wurden sie gedruckt weil es in Russland zu dieser Zeit einen 1vlusikverlag mit einer funktionierenden Notendruckerei noch nicht gab Bei den sechs von Artaria 1781 herausgebrachten Streichquartetten haben wir es daher mit den ersten in Russland komponierten Werken dieser Gattung zu tun Titz kann infolgedessen mit Recht als der Beshygruumlnder des Streichquartetts in Russland angesehen werden Dass

45Wie unter Die Werke angegeben ist Titz einzige symphonische Komposhysition eine dreisaumltzige Symphonie Manuskript geblieben Dieses Werk hershyauszugeben waumlre eine verdienstvolle Aufgabe fuumlr die russischen Kollegen

46Naumlhere Angaben zu Golicyn waren nicht zu ermitteln

61

Nbsp 1 Op I die zwei Themen des Allegro agitato

Allegro agitato

r I

~ J I

tJ - ~ bull ~ I I

~

l ~

tgt

-

bull ~

bull bull

r

_I ~ 1 bull

_ _I --~ t

-

--

-

~ ~

TI I

I

11

( 4 I

~

(

I Thema I ~

e)

~ I bull

e

bull

~ shy

-J tJ

-T bull

L

1 I i

tJ I

~

h1 I

11

1

4

62

bullbull

Fortsetzung Nbsp 1

2 Thema 1 J I bullbull - - bull

1 J bull 1 I

t I I J - lfIt bullbullt ~I --shy~

~ -4 i

Jr 1 bull ~

1 t l

~ ~j j ttt

- - tmiddot --m shy I l

- I tJ - J I

Ij T

J rt t t t t t ~~ t 1 I~i bull I

- shyI bullftmiddot

63

dann die drei zwischen 1801 und 1802 in Petersburg bei Dittmar gedruckten Alexander I gewidmeten Quartette auch von Simshyrock in Bonn und Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig herausgebracht wurden zeugt von der offenbar groszligen Beliebtheit dieser Komshypositionen zu ihrer Zeit

In den drei Sonaten fuumlr Clavecin oder Pianoforte und obligate Violine op I II und III die bei J D Gerstenberg amp Comp in St ~~tersburg vermutlich 1795 gedruckt wurden vollzieht Titz den Ubergang zum klassischen Stil 47 Op I (f-Moll) besteht nur aus zwei Saumltzen einem con sordino vorzutragenden Adagio und einem Allegro agitato In der formalen Gestaltung verfaumlhrt Titz im Allegro ziemlich eigenwillig Er bringt ein zweites Thema erst im zweiten Teil des Allegro-Satzes und baut es gewissermaszligen in die Durchfuumlhrung ein Zwar kontrastiert es mit dem Hauptthema steht aber - was ungewoumlhnlich ist - in g-Moll (siehe Nbsp 1) Diese formale Anordnung fUumllhrt jedoch in gewisser Weise schon

47 Die drei Sonaten op I II und III blieben von russischen und sowjetischen Musikforschern bisher voumlllig unbeachtet Neben den schon erwaumlhnten Aushytoren sind hier noch zu nennen L Raaben (Instrumentalnyj ansambl v russkoj muzyke Moskau 1961) und L Ginzburg (Istorija violoncelnogo isshykusstva Buch 2 Moskau 1957 S 399) Offenbar waren ihnen diese Komposhysitionen nicht zugaumlnglich denn RISM gibt fuumlr sie einen russischen Standort nicht an Doch ist wohl op II in den letzten Jahren wieder aufgefunden worden Im Katalog der Russischen Nationalbibliothek ist dieser N otenshydruck jedenfalls verzeichnet (vgl Svodnyj katalog rossijskich notnych izshydanij Bd I XVIII vek St Petersburg 1996 S 60 I 206) RISM nennt dagegen als einzige Bibliothek die diese Sonaten heute noch besitzt die Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar der fuumlr die Anfertigung von Kopien an dieser Stelle herzlich gedankt sei

Das Exemplar des op I traumlgt den handschriftlichen Vermerk Maria Pavshylovna (siehe Abbildung 2) gehoumlrte also wahrscheinlich dieser aus der Zashyren familie stammenden russischen Groszligfuumlrstin die es bei ihrer 1804 erfolgshyten Vermaumlhlung mit dem Groszligfuumlrsten Karl Friedrich von Sachsen-Weimar (1783-1853) vermutlich mit nach Weimar gebracht hat Die allseitig geshybildete Maria Pavlovna (t 1859) spielte Klavier sie stand mit Goethe in staumlndigem geistigem Austausch es ist auch uumlberliefert dass sie sich unter der Anleitung des damaligen russischen Hofkapellmeisters Giuseppe Sarti (1729-1802) mit Komposition beschaumlftigt hat (vgl N von Milde Maria Pawlowna Hamburg 1904 S 88) Dass sie Anton Titz persoumlnlich gekannt hat und ihn zusammen mit seinem Ensemble am Petersburger Hof musishyzieren houmlrte ist sehr wahrscheinlich

64

Abb 1 Titelblatt der Six Quattuors Wien 1781 (Artaria)

65

S 0 N A T E~ pour le

CLAYECIN ou PIANOFORTE

et

VIOLON OBLIGE

conposee

par

Mf TITZ

Opl

A St Petersbour8

ehc Gcutenberg et Camp

Prix IR

Abb 2 Titelblatt von op I mit den Schriftzuumlgen von Maria Pavlovna Groszligherzogin von Sachsen-Weimar

66

zur Sonatensatzform hin die der Komponist dann in den Sonaten op II und III in voller Auspraumlgung anwendet

Nbsp 2 Op III Adagio

Adagio _A ~ bull

I

JI I

I

iM eJ tJ f I

11 - -- ~ - I

p ~ ~ ~ ---

y

f ~

f 1 I ti I~~ I -bullbull bull

I )

r r 6

bull -pshy pt If

bullbull 11 bull bull ~

I r-Bei op 11 (fis-Moll) haben wir es mit einer dreisaumltzigen und bei op III (c-Moll) sogar mit einer viersaumltzigen Sonate zu tun Zwishyschen die bei den schnellen Ecksaumltze schiebt sich in op 11 eine im Volkston gehaltene Romance siciliano (A-Dur) in der Titz seine lyrische Veranlagung auslebt In den Ecksaumltzen des op III (cshyMoll) kommen dagegen pathetische Zuumlge zum Tragen die auch in dem der Sonate vorangestellten einleitenden Adagio anklingen Eine zarte Lyrik kennzeichnet dagegen den langsamen Satz ein

67

Nbsp 3 Op II 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro con espressione A

I

t

~ --- ---shy ----shy -shy1 j - ~ ~ ~ bull

- bull r - 11 i 1 shy bull lI__ bull

J 11 I

t) - r

1 I ~ rrI bull 1_ 1__ rtI eJ ~ - 1 1middot

bull d 11shy llI

~ 14 Ci bull

~ f Seitenthema

~

f

) t

4J -shy - ~ -J

A~lmiddot i_I I

-J I I bull I

A f

~ fI i bull f7 bull shy j i

eJ vshy - ~ ~ - bull t I I )r L

J 1 I I 11 L 11 i

t) bull -

68

1

~bull

Nbsp 4 Op III 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro agitato ~ I bull r Umiddot ~ F

bullbull f~ ~ I I - - ~

bull-~ - ~

bull I tI I t

~ jj jjl ~H 6 bull

I IIJshy -shy I --

4) P ttUCo fJ I I )_r ----

~ -- - crvc J1 P

( ~ ~- 1t_~ - ~

I

VIIoi ~

dolc I a -- r ~

dok ~

I

( ~

- r I I bull ~

11

V8=

~ I ~ -Je - _- _I

1I - I I I l J

~ r I I V ~ - - l0t ~ ~ (

69

Nbsp 5 Quartett a-Moll Haupt- und Seitenthema

Allegro di molto agitato - t1I ft

lt shy ~

-~ -

~

ttJ f j J ~ 4 J ~ bull

I - I - r ~fIe

I IJr

I JJ I- bull

- ~ ]11 _t

1- ~~ 1Il 4 ~ ilA JJ r J ~ -shy

bull

4i) I bull 11 ~ bull ~ 1i-Idole ~ ~ -~ -

I -

~~ I I _I f bull eJ 1shy - - - I -

11 J ir (shy 1-( -~

~

I

Adagio in Es-Dur (siehe Nbsp 2) Formal weisen die Ecksaumltze dieser beiden Sonaten die typische Sonatensatzform auf wobei das Seitenthema jeweils in der parallelen Dur-Tonart steht (siehe Nbsp 3 und 4) Der Satzumfang ist mit jeweils ca 250 Takshy

70

Nbsp 6 Quartett G-Dur 1 Satz

Allegro ~

r I

1 bull 1 bull bullbull I TT

-UI II I I --- - bull

f ~~ ~

h hbull J -1 ~

bull

bull bull bull 1 iilbull bull bull bullbullbullbull bull bullbullbullbull

f - -bull

bull iii - - ---ifiJ bull 1fI bull bull

~~~ -

--~

middot bull

r shy

bull

Ir ~ bull

J~ n--

r

0___- V ______

1amp

~

-

JJlJ J~

I

I bull bull ~

bull

lJ~~r-J

--

1 ~ t bull r t

T -- -

SilJ -- -

71

Fortsetzung Nbsp 6

A

_t

-su - shy

eJ bull IJgt- f~ 11- I

-

t t 1 1

- t I - _

T

bull

~v v 17

-PO bull

bull I

11 bull Ir ~

---shy J ~

bull bull bullL---shyWW~

bull bull ltr~ ~ bullbull ~ ~

t l1li bull a

bullbullbullbull

) bull bull-

-

~ I

~

-

-po

I 1 bull

bull I bull bull

bullbullbullbull

bull bull

-tiTbull

~

-

~ --shy-

--

1 I

J

~ bull bull

72

ten beachtlich der Durchfuumlhrung wird viel Raum gegeben Die Violinstimme ist sparsam ausgesetzt nur verhaumlltnismaumlszligig selten wird ihr thematisches Material uumlbertragen Dennoch bildet sie zusammen nlit dem Klavierpart eine untrennbare klangliche Einshyheit Insgesamt zeichnen sich die drei Sonaten durch einfallsreiche thematische Erfindung aus Besonders zu bezaubern vermag die Sonate in fis-Moll (Op II)

Nbsp 7 Quartett F-Dur 1 Satz Hauptthema

r r r - - r - rr rrrf Dass sich Titz die klassische Schreibweise zu eigen gemacht hat

belegen auch die drei Alexander 1 gewidnleten Streichquartette von 18011802 Am konsequentesten haumllt sich der Komponist an das Schema der Sonatensatzform im Allegro di molto agitato des 3 Quartetts (a-Moll) In der Exposition bringt er das Haupt- und in der parallelen Dur-Tonart das Seitenthema (siehe Nbsp 5) und laumlsst dann eine Durchfuumlhrung und Reprise mit Coda folgen In

73

Nbsp 8 Quartett F-Dur 1 Satz Seitenthema

Ir

I bull bull

lIiiiiiiii

ol LI r4tJ - ~l ~J t J j 11 bull q- tr bullbull bull r I~ t I It-I- It bull It It IJ S

I-

~ - - -shy I I shy - IJ1p - --1J - h~~ Ir I

41-

J J- I wr -

- bull rTJ

f) ~ ~ ~ -iJ--1-- -~t J

~

bullt-1

74

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 4: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

Geiger im Opernorchester 8 Folgt man der russischen Quelle so war Gluck in Wien der einzige Mensch dem sich Titz verbunden fuumlhlte Und da Gluck ein versierter Violoncellist war spielte Titz des oumlfteren zusammen mit ihm Duos fuumlr Violine und Violoncello Wenn Titz als Zwanzigjaumlhriger also 1762 nach Wien gekommen war dann ist das gemeinsame 1tIusizieren fuumlr die Zeit zwischen 1762 und 1771 anzusetzen 9

Titz verkehrte in Wien gelegentlich auch im Palais des Fuumlrsten Ferdinand Philipp Lobkowitz (1724-1784) Als ihn hier der in Wien auf der Durchreise weilende hohe russische Beamte Petr Aleksandrovic Sojmonov (1737-1800) spielen houmlrte war dieser so begeistert dass er ihn nach Russland einlud 1771 ging Titz nach St Petersburg wurde Kammermusiker der Zarin Katharina 11 und als erster Geiger in das Erste Hoforchester aufgenommen 10

Uumlber die ersten zehn Jahre die Titz in Russland verbrachshyte gibt es keine Nachrichilen In dieser Zeit scheint er durch den Dienst im Hoforchester voll in Anspruch genommen worshyden zu sein Erst 1781 tritt Titz wieder in das Blickfeld des Historikers Wir erfahren dass er in Warschau bei einer Soishyree des italienischen Saumlngerehepaars Guglielmo und Maria Anshyna Jermolli mitwirkte indem er mehrere Sonaten sowie zwei Konzerte eigener Komposition vortrug 11 Um welche Sonaten

8 Nicht als Kapellmeister wie in M uzy kalnaja enciklopedija (hrsg von J u V Keldys) Bd 5 Moskau 1981 Spalte 539 zu lesen ist

90b Titz die Wieller Urauffuumlhrung von Glucks Orpheo am 5 Oktober 1762 miterlebte ist fraglich In der Folgezeit hat Gluck Wien nur dreimal verlasshysen Als er im Fruumlhjahr 1763 zur Urauffuumlhrung der von ihm zur Einweihung des Teatro Comunale komponierten Oper Il Trionfo di Clelia nach Boloshygna reiste als er im FebruarMaumlrz 1764 kurze Zeit in Paris weilte und als er Anfang 1767 in Florenz war um die Auffuumlhrung eines von ihm komshyponierten Prologs zu dirigieren Glucks gemeinsames Musizieren mit Titz insbesondere sein Wirken als Violoncellist stellen interessante Details dar die den Gluck-Biographen bisher unbekannt waren

1degSeinen Dienst trat Titz am 22 Mai oder am 14 Dezember 1771 an Da im gleichen Jahr auch ein Bratscher mit dem Namen Anton Titz im Hofshyorchester angestellt wurde laumlszligt sich nicht sagen wann der Violinist und wann der Bratscher eingestellt wurde Die beiden Musiker waren jedoch nicht miteinander verwandt denn der Bratscher stammte aus Boumlhmen

11 Vgl RA Mooser Annales de Ia musique et des musiciens en Russie au XVIIIe siede Bd 2 Genf 1951 S 488

45

und Konzerte es sich handelte bleibt mangels Angaben unbeshykannt Ein Jahr spaumlter im Februar 1782 trat Titz zusammen mit dem Clavecinisten K Zierlein einem Schuumller von CPhE Bach und Kapellmeister des Fuumlrstbischofs von Ermland in St Petersburg an die Oumlffentlichkeit Er lieszlig sich damals auf der Viola d amore houmlren auf der er virtuos spielen konnte Zierlein begleishytete ihn auf dem Clavecin Was die beiden Kuumlnstler vortrugen ist unbekannt Nach V Natanson 12 soll Titz neben Field und Romberg zu Privatkonzerten herangezogen worden sein wie sie Ende des 18 Jahrhunderts im Hause des Feldmarschalls N1 Salshytykov zahlreich stattfanden Damit scheint sich Titz Auftreten in der Oumlffentlichkeit auszligerhalb des Hofes erschoumlpft zu haben Uumlberhaupt scheute er ein breites Publikum Dies war wohl der Menschenscheu und dem introvertierten Wesen des Musikers geshyschuldet das sein Biograph auf seine enttaumluschte Jugendliebe aus der Nuumlrnberger Zeit zuruumlckfi1hrt

Dass Titz in der zweiten Haumllfte der 1790er Jahre Mitglied der Koumlniglichen Kapelle in Dresden war und von hier aus als Soshylist in Leipzig Berlin (1803) und Prag (1809) aufgetreten sei ist unrichtig 13 Hier wird offenbar Anton Titz mit Ludwig Titz verwechselt der als Violinist der Koumlniglichen Kapelle in Dresshy

12V Natanson Prosloe russkogo pianizma Moskau 1960 S 156 13 Dass 1802 der Kurfuumlrstl Saumlchsischen Hofkapelle ein Violinist namens Tietz

angehoumlrte geben Gerber (NL IV 357) C von Wurzbach (Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oumlsterreich Teil 44 Wien 1882 S 147) Eitner (EitnerQ 407) A Weinmann (MGG XIII 411) und TA RepCinskaja (in Muzykalnaja enciklopedija Bd 5 Moskau 1981 Sp 339) an Es handelte sich aber wahrscheinlich um Ludwig Tietz der von 1818 bis 1828 Vizekonshyzertmeister in der Hofkapelle zu Dresden und ein tuumlchtiger Kuumlnstler war (vgl M Fuumlrstenau Beitraumlge zur Geschichte der Kgl Saumlchsischen musikashylischen Kapelle Dresden 1849 S 193 u 206) Zum Auftreten von Tietz 1803 in Berlin schreibt zB die Allgemeine musikalische Zeitung Den 25sten Februar gab der Kurfuumlrstl Saumlchsische Kammermusiker Herr Tietz aus Dresden ein Konzert im Saale der Stadt Paris und rechtfertigte voumlllig in zwey von ihm gesetzten und gespielten Violinkonzerten die allgemeinen Erwartungen (AmZ 1803 410) - Dass es sich bei dem Violinisten des Berliner Konzerts nicht um den Petersburger Hofmusikus Anton Titz geshyhandelt haben konnte geht auch daraus hervor dass sich 1 Spohr von Januar bis Mai 1803 in Petersburg befand und dort wiederholt mit Titz zusamentraf (vgl Spohr wie Anm 1 S 45)

46

den einer der ersten reisenden Musiker war waumlhrend es als ershywiesen gelten kann dass Anton Titz nachdem er sich 1771 in Russland niedergelassen hatte dieses Land bis zu seinem Tode inl Jahre 1810 nicht wieder verlassen hat 14 Gegen Anton Titz Konzerttaumltigkeit zwischen 1803 und 1809 spricht auch sein in dieser Zeit schon stark beeintraumlchtigter Gesundheitszustand der strapazioumlse Konzertreisen nicht mehr moumlglich machte

Mit der Zeit erweiterte sich offenbar Titz Aufgabenkreis Neshyben dem Dienst im Ersten Hoforchester war er als Violinlehrer an der Theaterschule taumltig und im Auftrag von Katharina 11 hatte er den Groszligfuumlrsten Aleksandr Pavlovic den spaumlteren Zashyren Aleksandr 1 im Violinspiel zu unterweisen Vermutlich seit Beginn der 1780er Jahre wurde Titz mit der Bildung und Leishytung eines Kammermusikensembles betraut Wahrscheinlich ershyhielt er diesen Auftrag von der Zarin selbst Sie schaumltzte den deutschen Musiker und bezahlte ihm das beachtlich hohe Jahresshygehalt von 3000 Rubel Die ihm uumlbertragene neue Aufgabe kam Titz Veranlagung in geradezu idealer Weise entgegen Da er shywie sein Biograph vermerkt wegen seiner Schuumlchternheit nie haumltte Konzertgeiger werden koumlnnen dafuumlr jedoch im Quartett in seinem Element war 15 musste ihm das Ensemblespiel ganz besonders zusagen Auszligerdem bot es ihm Anregung zu manch neuer Komposition

Kammermusikpflege hatte am Zarenhof eine lange Tradition Sie reichte in die 1720er Jahre zuruumlck als - wie Staumlhlin berichtet shyder Herzog Ulrich von Holstein-Gottorp der spaumltere Schwiegershysohn Peters des Groszligen in St Petersburg Zuflucht nehmen musshyste und seine kleine Kammerkapelle dorthin mitbrachte 16 Sie bestand etwa aus einem Dutzend deutscher wohlgeuumlbter Musiker darunter die Vornehmsten zween Bruumlder Huumlbner der eine den Kapellmeister und der andere den Concertmeister vorstellte Dieshyse bisher in Russland unerhoumlrte Musik bestand in Sonaten Soshy

14Vgl Mooser wie Anm 11 Bd II S 179 Anm 8 15V gl N M wie Anm 2 S 13 16 Neuerdings wird die Anwesenheit der holsteinschen Kapelle von A Porshy

fireva angezweifelt (vgl A Porfireva Aus der Geschichte des russischen Hoforchesters in der petrinischen Epoche in Arolser Beitraumlge zur Musikshyforschung 8 Sinzig 2000 S 125ff) Die Beweisfuumlhrung erscheint uns jedoch luumlckenhaft und daher wenig uumlberzeugend

47

li Trii und Concerten von Telemann 17 Kayser 18 Haynichen 19

SchuItz 20 Fuchs 21 und andern damals beruumlhmtesten Deutschen sowohl als von Corelli 22 Tartini 23 Porpora 24 und andern itashylienischen Komponisten Peter der Groszlige wohnte diesem hershyzoglichen Kammerkonzert nicht nur selbst oumlfters bei sondern lieszlig es fast alle Woche einmal auch an seinenl Hofe spielen Daselbst fand es um so mehr allgemeinen Beifall je neuer und angenehshymer es den vornehmen Russen im Vergleich aller ihrer bisherigen Musik vorkommen musste 25

Nach diesen1 ersten Kontakt der russischen Hofgesellschaft mit der Kammermusik Westeuropas der infolge der woumlchentlich reshygelmaumlszligig stattfindenden Konzerte zur Herausbildung einer festen Tradition fuumlhrte erlebte der Zarenhof als er 1733 und dann wieder seit 1735 eine italienische Hofoper einrichtete nicht nur eine Bluumltezeit der opera seria sondern getragen von den im italienischen Opernorchester wirkenden Violinvirtuosen Giovanshyni Verocai 26 Luigi Madonis 27 und Domenico dallOglio 28 auch eine strahlende Epoche der spaumltbarocken Geigenkunst 29 Diese Geiger traten in den Hofkonzerten regelmaumlszligig als Solisten hervor

17 Georg Philipp Telemann (1681-1767) 18Gemeint ist Reinhard Keiser (1674-1739) 19Gemeint ist Johann David Heinichen (1683-1729) 2degGemeint ist vermutlich Heinrich Schultze der 1681 in Stralsund geboren

wurde und seit 1717 Konzertmeister hierauf Direktor der Polnischen Kashypelle Augusts des Starken war

21Es handelt sich wahrscheinlich um Johann Joseph Fux (1660-1741) von dem die Zeitgenossen insbesondere die Trio-Sonaten lobten

22 Arcangelo Corelli (1653-1713) 23Giuseppe Tartini (1692-1770) 24 Nicola Antonio Porpora (1686-1766) 25 Jakob v Staumlhlin Nachrichten von der Musik in Ruszligland in Theater Tanz

und Musik in Ruszligland hrsgv E Stoumlckl Leipzig 1982 S 80r 26G Verocai C um 1700 in Venedig t 1745 in Braunschweig) war seit 1731

im Dienste des russischen Hofs in Moskau seit 1732 in St Petersburg 271 Madonis ( 1700 in Venedig t 1767 in St Petersburg) in Petersburg

1733 bis 1738 und dann wieder 1740 bis zum Tode seit 1761 geistesgestoumlrt 28D dallOglio ( um 1700 in Padua t 1764 in Narva) In St Petersburg

von 1735 bis 1764 29 V gl dazu L Gurevic Der russische Violinb1fock in Arolser Beitraumlge zur

Musikforschung 8 Sinzig 2000 S 29ff

48

middot raumlumten aber dabei auch Kammermusikwerken wie Sonaten und Trios einen gebuumlhrenden Platz ein Damit knuumlpften sie an die in den 1720er Jahren von Musikern des holsteinschen Herzogs geshyschaffene Tradition an und fuumlhrten sie zu einenl glanzvollen neuen Houmlhepunkt Als die Italiener Petersburg verlieszligen Verocai ging schon 1738 nach Braunschweig dall OgHo reiste 1764 aus Petersshyburg ab Madonis war seit 1761 geistesgestoumlrt - riss die Kamshymermusikpflege unvermittelt ab Als Titz 1771 nach Petersburg kam war von den italienischen Violinvirtuosen niemand mehr da Die von ihnen fruumlher gepflegte Kammermusik lebte jedoch in der Erinnerung der einstmaligen Houmlrer fort so dass ihr Verschwinshyden aus dem houmlfischen Musikleben als Luumlcke empfunden werden musste Katharina I1 scheint dies gespuumlrt zu haben so dass sie schlieszliglich den Befehl zur Gruumlndung eines festen Ensembles gab und damit die in den 1760er Jahren verloren gegangene Tradition der Kammermusikpflege nea belebte Mit diesenl Ensemble hatshyte Titz vor allem fuumlr das spezielle musikalische Amuumlsement der Hofgesellschaft in erster Linie der Zarin selbst zu sorgen Wann immer Katharina I1 oder einem Mitglied der Hofgesellschaft der Sinn nach musikalischer Unterhaltung stand wurde Titz gerushyfen und musste mit seinem Ensenlble fuumlr die hohen Herrschaften aufspielen

Die Musiker des Ensembles wechselten doch rekrutierten sie sich stets aus den besten Instrumentalisten die es damals in Peshytersburg gab So spielte - vermutlich zwischen 1783 und 1786 -Ivan Giornovicchi (Jarnowick um 1740-1804) mit der - wie die Allgemeine musikalische Zeitung in ihrem Nachruf konstatiert einer der vorzuumlglichsten Virtuosen auf seinem Instrument war das er besonders mit Genauigkeit Anmuth und Zierlichkeit beshyhandelte ihm den reinsten und einschmeichelndsten Ton zu entshylocken und eine Seele einzuhauchen wusste welcher man sich mit Entzuumlcken hingab Selbst spaumlte Jahre hatten diese seine Vorzuumlge nicht verringert 30

Eine Zeitlang gehoumlrte der in Berlin geborene Ernst Heinrich Raab (1750- ) Sohn eines Hofmusikers des Prinzen Ferdinands von Preuszligen dem von Titz geleiteten Kammermusikensemble an Er war 1781 fuumlr die ersten Geigen des Ersten Hoforchesters anshygestellt worden wurde jedoch schon ein Jahr spaumlter beurlaubt

30 AmZ 1804 241

49

shy

( ~ -

Seitdem gibt es uumlber ihn keine Nachrichten mehr Er kann also nur kurze Zeit in der Kammermusik bei Hofe mitgewirkt haben Anders verhaumllt es sich mit Otto Ernst Tewes (1759-1800) der seit 1775 erster Geiger im Ersten Hoforchester war und bis zu seinem Lebensende in Petersburg blieb Aus seiner Feder stammt die dreiaktige komische Oper Die wuumltende Familie (Besenaja sem ja) auf ein Libretto des bekannten russischen Fabeldichters LA Kryshylov die 1786 - allerdings mit einem nur maumlszligigen Erfolg in Petersburg auch aufgefuumlhrt wurde 31 Tewes spielte in Titz Enshysemble sicher laumlngere Zeit mit Die Bratsche war durch Stockfisch vertreten uumlber den wir allerdings keinerlei naumlhere Informationen besitzen sogar sein Vorname ist unbekannt Vermutlich war er Bratscher im Ersten Hoforchester Am Pult des Violoncellisten saszlig Alessandro Delfino der ehe er 1789 nach Petersburg geganshygen war als erster Violoncellist im Orchester der Mailaumlnder Scashyla gewirkt hatte Nach voruumlliergehendem Dienst im Privatorcheshyster von Feldmarschall Fuumlrst Grigorij Aleksandrovic Potemkin (1739-1791 ) erhielt er 1793 in Petersburg die Stelle des Solovioshyloncellisten im Ersten Hoforchester mit einem Vertrag auf fuumlnf Jahre Vermutlich in dieser Zeit 1793 bis 1798 wirkte er in Titz Ensemble 32 Mit Tewes Stockfisch und Delfino stand Titz eishyne ausgezeichnete Streichquartettbesetzung zur Verfuumlgung die bei Bedarf oder wenn es die Anwesenheit besonders talentiershyter Musiker in Petersburg erforderte erweitert bzw veraumlndert wurde So wirkten bei Titz der aus Boumlhmen stammende Claveshyeinist und Komponist Ernest Wanzura ( um 1750 t 1802) der franzoumlsische Harfenist Jean-Baptiste Cardon ( um 1747 t um 1805) der aus Kassel gebuumlrtige Floumltenvirtuose Franz Ludwig Mishychel (Lebensgrenzen unbekannt) und der deutschboumlhmische Klashyrinettenvirtuose Johann Joseph Beer (1744-1812) mit

Wanzura lebte seit 1783 in Moskau und wechselte 1786 nach Petersburg uumlber Seit dieser Zeit spielte er - wahrscheinlich auch nicht regelmaumlszligig - im Kammermusikensemble von Titz mit Der Harfenist Cardon der Paris vermutlich zu Beginn der Revolution verlassen hatte weilte seit 1790 in Petersburg Sein Vertrag mit der Direktion der Kaiserlichen Theater war auf drei Jahre (1790shy

31 Vgl Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 343 32Zu Delfino vgl RA Mooser Annales de la musique et des musiciens en

Russie au XVIII siede Bd 2 Genf 1951 S 488

50

I r

1793) befristet In dieser Zeit spielte er bei Titz mit Der Floumltist Franz Ludwig Michel war 1775 bis 1791 Mitglied des Privatorcheshysters des Fuumlrsten Grigorij Aleksandrovic Potemkin lebte hierauf bis 1796 in Petersburg um dann nach Deutschland zuruumlckzukehshyren Michels Mitwirkung in Titz Ensemble kann daher fuumlr die Zeit zwischen 1791 und 1796 angenommen werden Der Klarinetshytist Johann Joseph Beer spielte bei Titz vermutlich eher in der Zeit von 1783 bis 1786 mit zu der Zeit also als auch Giornovicchi Titz Ensemble angehoumlrte Ab und zu musizierte bei Titz auch der Groszligfuumlrst Aleksandr Pavlovic der spaumltere Zar Aleksandr 1 mit den Titz zu einem passablen Geiger herangebildet hatte

Die zeitweise Mitwirkung von verschiedenen Instrumentalisten und eine sich daraus ergebende variierende und bisweilen unshygewoumlhnliche Besetzung fuumlr die es originale Literatur nicht oder noch nicht gab hatte natuumlrlich zur Folge dass entsprechende Arshyrangements geschaffen werden mussten Als Autoren von solchen Bearbeitungen kamen Titzmiddot selbst und Wanzura in Frage Titz verfuumlgte als Komponist uumlber die dafuumlr notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten Diese besaszlig in gleicher Weise auch Wanzura Seine Klavierbearbeitungen von Opernnummern erschienen in dem Journal de musique dedie aux dames das der Petersburger Verleger Bernhard Theodor Breitkopf (1749-1820) der Bruder des Leipziger Verlagsinhabers zwischen 1785 und 1794 herausshygab Welches Repertoire einer Bearbeitung unterzogen wurde ist im einzelnen unbekannt Es kann jedoch vermutet werden dass es sich um Ausschnitte aus italienischen Opern handelte die dashymals auf dem Spielplan der Kaiserlichen Theater standen Da die 1791 in Petersburg eroumlffnete Musikalienhandlung von Johann Dashyniel Gerstenberg immer die neuesten Notenausgaben aus Paris Wien und Berlin heranschaffte 33 waren Titz und seine Musiker uumlber den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Westeuropa gut informiert und konnten so fuumlr das Repertoire des Kammerenshysembles immer auch neue Werke auswaumlhlen Gerstenberg brachshyte 17941795 das St Petersburger Musikmagazin fuumlr das Klavishychord oder Pianoforte heraus das neben Klavierkompositionen shy

33Vgl dazu E Stoumlckl Der St Petersburger Musikverlag Gerstenberg und der Beitrag deutscher Tonsetzer zur Schaffung der ersten Klavierkomposishytionen in Russland in Arolser Beitraumlge zur Musikforschung 8 Sinzig 2000 S 148

51

meist Variationen uumlber russische Volkslieder - auch Triosonaten von Ignaz Pleye1 34 enthielt In der Spaumltzeit von Titz Wirken in Petersburg erschienen in der Zarenresidenz die ersten einheimishyschen Ausgaben von Streichquartetten die Titz sicher kannte und moumlglicherweise fuumlr seine Musizierpraxis auch nutzte Zu denken ist an die Trois Grands Quatuors des aus Regensburg gebuumlrtigen Franz Adam Veichtner (1741-1822) seit 1795 Kammermusikus und Konzertmeister der Petersburger Hofkapelle die vermutlich zwischen 1796 und 1799 von Gerstenberg als Stimmen gedruckt wurden 35 sowie die ebenfalls von Gerstenberg herausgebrachten heute jedoch als verschollen anzusehenden Six Quatuors (1797) und Trois Quatuors (op 3 1796) von Johalln Konrad Schlick (1748-1818) Violoncellist in der Hofkapelle von Herzog Ernst 11 in Gotha 36 Es kann weiter vermutet werden dass Titz Sonaten des in den 1770er Jahren in Petersburg weilenden und sich der besonderen Gunst der Zarin erfreuenden italienischen Violinvirshytuosen Antonio Lolli (1730-1802) spielte Titz Kammerrpusikenshysemble musizierte gelegentlich auch im Theater und ersetzte auf diese Weise ein ganzes Orchester Manchmal saszligen waumlhrend der Theatervorstellullg im Orchester nur vier ausgezeichnete Musishyker Titz mit der Geige Delfino mit dem Violoncello Cardon mit der Harfe und Wanzura am Klavier 37 Es gibt Berichte wonach das Titzsche Ensemble in kleiner Besetzung Symphonishy

34 VgL ebd S 180 35 Das einzige erhalten gebliebene Exemplar von Veichtners Streichquartetshy

ten (F D g) befindet sich in der Szechenyi-N ational-Bibliothek in Budashypest Mit der freundlichen Unterstuumltzung von Herrn Dr Robert Muranyi (Szechenyi-Nationalbibliothek Budapest) und des Instituts fuumlr ostdeutsche Musik (Bergisch Gladbach) brachte E Stoumlckl das Zweite Streichquartett bei Edition Gravis (Bad Schwalbach 1988) in einer praktischen Erstausgashybe (Partitur und Stimmen) heraus

36Vgl B Vol man Russkie pecatnye noty XVIII veka Leningad 1957 S 224 und 227 auch Svodnyj katalog rossijskich llotnych izdanij Bd I XVIIlyj vek St Petersburg 1996 S 109 Nr IIL208 u III209 Die Konzertreisen die Schlick zusammen mit seiner Frau Regina Strinasacchi einer vorzuumlglishychen Violinistin unternahm fuumlhrten ihn ua auch nach Petersburg und es ist moumlglich dass seine von Gerstenberg herausgebrachten Kompositionen in der russischen Residenz auch aufgefuumlhrt wurden

37pI Sumarokov in Russkij archiv 1870 Sp 2106

52

en von Haydn und Mozart spielte 38 Neben haumlufigen Soireen in der Eremitage und den Privatgemaumlchern der Zarin trat Titz in den Sommermonaten auch in Carskoe selo auf wo er bevorzugt Streichquartette vortrug 39 auch solche von Haydn und Mozart Titz Kammermusikensemble beteiligte sich aber auch an groumlszligeshyren musikalischen Festivitaumlten des Zarenhofs Ein Ereignis dieshyser Art hat der Kammerfourier in seinem Journal unter dem 20 Juli 1791 in einer kurzen Notiz festgehalten Im Kiosk spielte die Kammermusik des Kapellmeisters Titz auf Geigen und dem Violoncello Auf der rechten Seite des Kiosks im Garten stand die Kammermusik der Blaumlser auf der linken Seite jenseits des Sees erklang Hornmusik und vor dem Kiosk selbst sangen die Hofsaumlnger verschiedene Konzerte und russische Volkslieder 40

Da als sicher anzunehmen ist dass Titz im Besitz seiner eigenen 1781 in Wien von Artaria publizierten Six Quatuors war ist es aumluszligerst wahrscheinlich dass er auch seine eigenen Kompositioshynen vortrug Titz duumlrfte mit seinem Streichquartett die zwischen 1801 und 1802 von Dittmar veroumlffentlichten Trois Quatuors soshywohl die drei Alexander 1 wie auch die drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette ehe sie in den Druck gingen ausprobiert haben Auf den Programmen standen wohl auch Titz Sonaten fuumlr Klavier und obligate Violine op I II und II1 Es ist weiter anzunehmen dass das Streichtrio und die Streichquartette von Wanzura die nicht erhalten geblieben sind von Titz und seinem Ensemble aufgefuumlhrt wurden

Die Zeitgenossen schaumltzten Titz Violinspiel in der Regel als beshy

38S0 schreibt die Graumlfin Varvara Nikolaevna Golovina in ihren Memoiren Jeden Morgen erhielt ich von der Groszligfuumlrstin eine schriftliche Nachricht in der sie mir befahl am Abend bei ihr zu erscheinen Die besten Musiker geleitet von Titz spielten Symphonien von Haydn und Mozart Der Groszligfuumlrst spielte auf der Violine Wir houmlrten diese herrliche Musik aus dem Nachbarzimmer (Zapiski grafini Varvary Nikolaevny Golovinoj (1766-1819) St Petersburg 1900 S 52f)

39Man rief Titz und drei weitere ausgezeichnete Musiker um Quartette zu spielen heiszligt es in den Memoiren der Graumlfin V N Golovina siehe unter Anm 38 zitierte Memoiren S 65

40 Aus dem Kapitel Die Kammerfourier-Journale und die Musik bei Hofe (T Livanova Russkaja muzykalnaja kultura XVIII veka Bd II Moskau 1953 S 423)

53

sonders glanzvoll ein wobei natuumlrlich subjektive Kriterien nicht auszuschlieszligen sind Der Dichter Ivan Ivanovic Dmitriev (1760shy1837) ein Vertreter des Sentimentalismus in Russland besingt den deutschen Geiger im Jahre 1798 in dem Vierzeiler

Wen houmlre ich Titz Der von dir beseelte Bogen singt spricht und bewegt die Herzen aller Oh Sohn der Harmonie dir gebuumlhrt die Krone und die gewoumlhnliche Sprache kannst du verachten 41

Als BN Zinovev ein Zeitgenosse von Titz waumlhrend eines Aufshyenthalts in Neapel Felice de Giardini (1716-1796) einen der beshydeutendsten Violinvirtuosen seiner Zeit Streichquartett spielen houmlrte stufte er die Qualitaumlt seines Spiels niedriger ein als die von Titz und Jarnowick 42

Der Verfasser des biographischen Artikels im Pantheon spricht davon dass Titz wegen sein~r Schuumlchternheit nicht haumltte Konshyzertgeiger werden koumlnnen und er deshalb auch nie als Solist aufshytrat Er fuumlgt aber hinzu Doch dafuumlr war er im Quartett in seinem Element Es gab nichts was man mit seiner angenehmen Bogenfuumlhrung und mit jenen wunderbar zarten Toumlnen haumltte vershygleichen koumlnnen die er den Saiten seiner Geige entlockte Besonshyders vortrefflich war er im Adagio seine Violine weinte im vollen Sinne dieses Wortes und sie ruumlhrte auch andere zu Traumlnen 43

Da Titz nach der Biographie im Pantheon 1797 erkrankte duumlrfte in diesem Jahr auch die Aktivitaumlt des von ihm geleiteshyten Kammermusikensembles nachgelassen haben und da sich der Geiger in der Folgezeit eigentlich nie wieder recht erholt hat ist die Kammermusikpfiege am russischen Hof vermutlich um 1797 ganz zum Erliegen gekommen Zusammenfassend kann festgeshystellt werden Ob als Streichquartett Trio oder als Ensemble mit einer gemischten Besetzung immer zeichnete sich das Spiel von Titz und seinen Musikern durch eine unvergleichlich hohe kuumlnstshylerische Qualitaumlt und Perfektion aus

41 Zitiert nach A Glumov Muzykalnyj mir Puskina Moskau-Leningrad 1950 S 97

42Russkaja starina 1878 Bd XXIII S 412 zitiert auch von T Livanova wie Anm 40 II S 311 Anm 2

43NM wie Anm 2 S 13

54

Die Werke

Anton Titz kompositorisches ffiuvre ist nicht allzu umfangreich Einige seiner Werke gelten als verschollen (zB viele seiner Roshymanzen fuumlr Gesang und Klavier) Es ist daher durchaus moumlglich dass die eine oder andere Komposition noch aufgefunden wird so dass sich das Gesamtwerk von Titz noch erweitern koumlnnte

1 Drucke

11 Streichquartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello

111 Six Quatuors (C A G c d Es) komponiert von Ferdinand Titz Nlusicien de la Chanlbre de Sa Maj Imp de toutes les Russhysies gewidmet Fuumlrst Galitzin (Golicyn) Wien 1781 Artaria Der Pariser Verleger Antoine Bailleux brachte unmittelbar nach der Wiener Ausgabe von ArtarHt einen Nachdruck der Quartettstimshymen mit dem VermerkTitz Schuumller Haydns heraus

1 Quartett Allegro Rondo

2 Quartett Poco Adagio con Variazioni Menuetto Trio Allegro di mol to

3 Quartett Allegro Rondo

4 Quartett Adagio - Allegro Allegretto (Menuetto) - Trio Cantabile Allegro spirito

5 Quartett Allegro Rondo

6 Quartett Adagio-Allegro Menuetto Trio Romance Allegro di molto

55

112 Trois Quatuors (G F a) komponiert von Anton Titz Alexander 1 gewidmet Gedruckt in St Petersburg bei Friedshyrich August Dittmar - Als Johann Daniel Gerstenberg 1799 nach Deutschland zuruumlckgegangen war uumlbernahm sein bisheriger Kompagnon Dittmar die Verlagsleitung und fuumlhrte das U nternehshymen bis 1808 alleine weiter Alexander I dem Titz seine Quarshytette widmete war 1801 russischer Zar geworden Einen mit der Dittmarschen Ausgabe identischen Nachdruck brachte Simrock in Bonn zwischen 1802 und 1803 heraus (vgl OE Deutsch Mushysikverlagsnummern Berlin 1961) Somit lieszlige sich die Publikation der Alexander 1 gewidmeten drei Streichquartette mit ziemlicher Sicherheit in die Zeit zwischen 1801 und 1802 datieren und sie waumlre eine der ersten russischen Streichquartettdrucke Von diesen drei Streichquartetten existiert ein Nachdruck auch von Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig der aumlhnlich wie der von Simrock in die Zeit zwischen 1802 und 1803 zu datieren ist Im Auftrag des Instishytuts fuumlr deutsche Musikkultur im oumlstlichen Europa e V (Bonn) gab E Stoumlckl eine praktische Erstausgabe des 1 Quartetts in G-Dur mit Partitur Vorwort und Stimmen heraus (Bad Schwalshybach 2000 Edition Gravis) Die praktische Erstausgabe auch des 2 und 3 Quartetts ist vorgesehen

1 Quartett Adagio Allegro Adagio Allegretto (Menuetto) - Trio Rondo

2 Quartett Allegro Adagio cantabile Rondo vivace

3 Quartett Siciliano affettuoso Allegro di molto agitato Romance Polonaise

113 Trois Quatuors (C B Es) komponiert von Anton Titz gewidmet dem Senator Aleksej Grigorevic Teplov Gedruckt in St Petersburg bei Friedrich August Dittmar zwischen 1801 und 1802 Das einzige erhalten gebliebene Exemplar das sich in der

56

Bibliothek des Cajkovskij-Konservatoriums in Moskau befindet ist defekt Nach Mitteilung der Bibliotheksdirektorin Frau Dr AF Cerkasova aus dem Jahre 1998 ist die Bratschenstimme verloren gegangen und in der Stimme der 2 Violine fehlen die Takte 5 bis 16 Es war nicht moumlglich von den drei AG Teplov gewidmeten Quartetten eine Kopie zu bekommen 1 Jampolskij fuumlhrt in seinem Buch Russkoe skripicnoe iskusstvo (MoskaushyLeningrad 1951) auf S 304 ff ein Notenbeispiel aus dem C-Dur Quartett dieser Ausgabe an fuumlr die die Violastimme von dem Komponisten G S Gamburg hinzukomponiert wurde

12 Duos fuumlr Streichinstrumente

121 Trois Duos a Deux Violons avec Romance et Rondeaux Composes par Ferdinand Titz Musicien de la Chambre de la Maj Im p de toutes les Russies Dedies a Madame La Baronesse de Fried Chez Christoph Torricella (B G C) Wien 1781

122 Sonate pour le Violon avec 1 accomp de Basse Compose par Mr Titz et dedie aMr Ignace Suchaneck par C G Kaestner A Moscou par Kaestner et Comp Adagio und Rondo beide in d-Moll

123 Sonate fuumlr Violine und Bass B-Dur Cantabile Allegro con espressione - Rondo

124 Sonate fuumlr Violine und Bass f-Moll Adagio - Allegro con espressione - Rondo

125 Sonate fuumlr Violine und Bass d-Moll Breitkopf amp Haumlrtei Nr 108 (Uppsala Universitaumltsbibliothek)

126 Trois sonates pour un violon avec ace d une basse Wien Jean Traeg Nr 121 (Zagreb Hrvatski glazbeni zavod Zbirka Don Nikole Udina Algaratti)

57

13 Sonaten fuumlr Clavecin oder Klavier und obligate Violine

131 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 1 ASt Petersbourg chez J D Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op I steht in f-Moll und unlfasst die Saumltze 1 Adagio con sordino 2 Allegro agitato Adagio

132 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 11 ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op II steht in fis-Moll und umfasst die Saumltze 1 Allegro con Espressione 2 Romance siciliano 3 Finale Presto I

133 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv In ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op III steht in c-Moll und umfasst die Saumltze 1 Adagio 2 Allegro agitato 3 Adagio 4 Allegro vivace

134 Sonate fuumlr Violine und Klavier Gemeinschaftskomposition mit dem in Riga lebenden Komponishysten Julius August Fehre (1745-1812) Vgl B Volman Russkie pecatnye noty XVIII veka Leningrad 1957 S 64 ( verschollen)

14 Lied

141 Stonet sizyj golu bocek (Es klagt die graue Taube) in N Findejzen Ocerki Bd 2 Moskau-Leningrad 1929 S CXXXVIL

58

2 Manuskripte

21 Quartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello

211 Sechs Streichquartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello Identisch mit den 1781 in Wien bei Artaria publizierten Werken Wien Oumlsterreichische Nationalbibliothek

22 Quintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen und Violoncello

221 Vier Streichquintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen u Violoncello (A c-C F Es) Wien Gesellschaft der Musikfreunde Es handelt sich unl Abshyschriften die von Wiener Berufskopisten zwischen 1780 und 1800 angefertigt wurden Daraus ist zu schlieszligen dass Titz die hier aufgefuumlhrten Kompositionen schon in Russland schuf

Quintett in A-Dur Allegro - Andante grazioso - Presto Quintett in c-Moll Adagio - Allegro con spirito - Adagio - Ronshy

do Presto Quintett in F-Dur Allegro Andante Rondo Quintett in Es- Dur Allegro Maestoso - U n poco Adagio Rondo

~22 Sechs Streichquintette Osterreichische Nationalbibliothek Wien

Quintett in F-Dur (Mus Hs 11511) Allegro Andante - Rondo Quintett in Es-Dur (Mus Hs 15512) Allegro Maestoso - Un

poco Adagio Rondo Quintett in B-Dur (Mus Hs 11513) Allegro con espressione

Adagio - Rondo Presto Quintett in A-Dur (Mus Hs 11514) Allegro - Andante grazioso

Presto Quintett in c-Moll (Mus Hs 11515) Adagio - Allegro con spirito

Adagio Presto Quintett in d-Moll (Mus Hs l1516) Adagio - Allegro - Cantashy

bile Allegro assai

Alle sechs Stimmabschriften tragen den Vermerk N H 796 wurshyden also 1 796 angefertigt

59

23 Konzert

231 Concert fuumlr Violine principale 2 Violinen 2 Corni Oboi et Basso in Es-Dur Das Konzert besteht aus den Saumltzen Allegro - Cantabile - Rondo Fundort Wien Gesellschaft der Musikfreunde

24 Symphonie

241 Dreisaumltziges Werk fuumlr 2 Violinen Viola Kontrabass 2 Oboen 2 Waldhoumlrner und Pauken (Im Andantino werden die Oboen durch eine Floumlte ersetzt) Die Symphonie besteht aus den Saumltzen Allegro di molto Andantino und Prestissinlo Die handschriftlichen Orchesterstimmen befinden sich in der Bishybliothek des Schlosses zu Pavlovsk (s Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 402 Anm 42)

25 Vokalkomposition

251 Arie fuumlr Sopran solo mit Instrumentalbegleitung (EitnerQ 408)

Wenn wir auch bis zum gegenwaumlrtigen Zeitpunkt nicht alle von Titz geschaffenen Kompositionen kennen so erlauben es doch die der Forschung zugaumlnglichen Werke durchaus sich zumindest von Titz als Komponisten von instrumentaler Kammermusik ein Bild zu machen Zwar hat er auch eine ganze Reihe von Liedern (Roshymanzen) fuumlr Gesang und Klavier geschrieben doch muumlssen dieshyse Kompositionen wahrscheinlich als verschollen angesehen wershyden und entziehen sich daher einer Einschaumltzung Einzig und alshylein das Lied Es klagt die graue Taube (Stonet sizyj golubocek) dessen Autorschaft Findejzen einenl unbekannten Komponisten Keldys 44 aber Titzzuschreiben zu koumlnnen glaubt scheint der

44 VgI N Findejzen Ocerki po istorii muzyki v Rossii Bd 2 Moskau-Leshyningrad 1929 S 301 das Nbsp dazu befindet sich auf S CXXXVII - Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 220 Anm 59

60

r

auf uns gekommene Rest von Titz Vokalschaffen zu sein Dabei erfreuten sich Titz Lieder und insbesondere Es klagt die graue Taube zu ihrer Zeit groumlszligter Beliebtheit und letzteres wurde noch in den 1830er Jahren viel gesungen

Auch uumlber Titz als Symphoniker lassen sich zur Zeit keine Ausshysagen machen weil diesbezuumlgliche Werke in Deutschland nicht verfuumlgbar sind 45

Der folgende Versuch einer Stilanalyse bezieht sich infolgedesshysen vorwiegend auf die Sonaten fuumlr Klavier und obligate Violine op I 11 und III sowie die der Forschung zugaumlnglichen Streichshyquartette Es zeigt sich dass Titz in dem Zeitraum zwischen etwa 1781 und 1802 den Weg von der Fruumlhklassik zur Klassik durchlaushyfen hat Seine fruumlhen 1781 in Wien bei Artaria veroumlffentlichten Six Quatuors weisen in den ersten Saumltzen noch eine mehr oder minder willkuumlrliche Reihung des thematischen Materials auf N r 1 3 und 5 bestehen nur aus zwei Saumltzen jeweils aus einem Allegro und einem Rondo die drei uumlbrigen Werke zeigen dagegen schon die spaumltere klassische Viersaumltzigkeit mit zwei schnellen Ecksaumltzen einem Menuett mit Trio und einem nach dem Menuett folgenden langsamen Satz Eine Sonatensatzform ist jedoch nicht zu erkenshynen Den Quartetten N r 4 und 6 stellte Titz ein einleitendes Adagio voran im Streichquartett Nr 2 (A-Dur) waumlhlte er als ershysten Satz ein Thema mit Variationen Fuumlr die Vermutung dass Titz diese Quartette erst in Russland geschrieben hat spricht dass er sich auf dem Titelblatt als M usicien de la Chambre de Sa Maj Imp de toutes les Russies bezeichnet und die Kompositioshynen dem Fuumlrsten Galitzin (Golicyn) Ministre Plenipotentiaire de S M 1 de toutes les Russies pres la Cour Imp et Roy gewidshymet hat 46 (Siehe Abbildung 1) In Wien wurden sie gedruckt weil es in Russland zu dieser Zeit einen 1vlusikverlag mit einer funktionierenden Notendruckerei noch nicht gab Bei den sechs von Artaria 1781 herausgebrachten Streichquartetten haben wir es daher mit den ersten in Russland komponierten Werken dieser Gattung zu tun Titz kann infolgedessen mit Recht als der Beshygruumlnder des Streichquartetts in Russland angesehen werden Dass

45Wie unter Die Werke angegeben ist Titz einzige symphonische Komposhysition eine dreisaumltzige Symphonie Manuskript geblieben Dieses Werk hershyauszugeben waumlre eine verdienstvolle Aufgabe fuumlr die russischen Kollegen

46Naumlhere Angaben zu Golicyn waren nicht zu ermitteln

61

Nbsp 1 Op I die zwei Themen des Allegro agitato

Allegro agitato

r I

~ J I

tJ - ~ bull ~ I I

~

l ~

tgt

-

bull ~

bull bull

r

_I ~ 1 bull

_ _I --~ t

-

--

-

~ ~

TI I

I

11

( 4 I

~

(

I Thema I ~

e)

~ I bull

e

bull

~ shy

-J tJ

-T bull

L

1 I i

tJ I

~

h1 I

11

1

4

62

bullbull

Fortsetzung Nbsp 1

2 Thema 1 J I bullbull - - bull

1 J bull 1 I

t I I J - lfIt bullbullt ~I --shy~

~ -4 i

Jr 1 bull ~

1 t l

~ ~j j ttt

- - tmiddot --m shy I l

- I tJ - J I

Ij T

J rt t t t t t ~~ t 1 I~i bull I

- shyI bullftmiddot

63

dann die drei zwischen 1801 und 1802 in Petersburg bei Dittmar gedruckten Alexander I gewidmeten Quartette auch von Simshyrock in Bonn und Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig herausgebracht wurden zeugt von der offenbar groszligen Beliebtheit dieser Komshypositionen zu ihrer Zeit

In den drei Sonaten fuumlr Clavecin oder Pianoforte und obligate Violine op I II und III die bei J D Gerstenberg amp Comp in St ~~tersburg vermutlich 1795 gedruckt wurden vollzieht Titz den Ubergang zum klassischen Stil 47 Op I (f-Moll) besteht nur aus zwei Saumltzen einem con sordino vorzutragenden Adagio und einem Allegro agitato In der formalen Gestaltung verfaumlhrt Titz im Allegro ziemlich eigenwillig Er bringt ein zweites Thema erst im zweiten Teil des Allegro-Satzes und baut es gewissermaszligen in die Durchfuumlhrung ein Zwar kontrastiert es mit dem Hauptthema steht aber - was ungewoumlhnlich ist - in g-Moll (siehe Nbsp 1) Diese formale Anordnung fUumllhrt jedoch in gewisser Weise schon

47 Die drei Sonaten op I II und III blieben von russischen und sowjetischen Musikforschern bisher voumlllig unbeachtet Neben den schon erwaumlhnten Aushytoren sind hier noch zu nennen L Raaben (Instrumentalnyj ansambl v russkoj muzyke Moskau 1961) und L Ginzburg (Istorija violoncelnogo isshykusstva Buch 2 Moskau 1957 S 399) Offenbar waren ihnen diese Komposhysitionen nicht zugaumlnglich denn RISM gibt fuumlr sie einen russischen Standort nicht an Doch ist wohl op II in den letzten Jahren wieder aufgefunden worden Im Katalog der Russischen Nationalbibliothek ist dieser N otenshydruck jedenfalls verzeichnet (vgl Svodnyj katalog rossijskich notnych izshydanij Bd I XVIII vek St Petersburg 1996 S 60 I 206) RISM nennt dagegen als einzige Bibliothek die diese Sonaten heute noch besitzt die Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar der fuumlr die Anfertigung von Kopien an dieser Stelle herzlich gedankt sei

Das Exemplar des op I traumlgt den handschriftlichen Vermerk Maria Pavshylovna (siehe Abbildung 2) gehoumlrte also wahrscheinlich dieser aus der Zashyren familie stammenden russischen Groszligfuumlrstin die es bei ihrer 1804 erfolgshyten Vermaumlhlung mit dem Groszligfuumlrsten Karl Friedrich von Sachsen-Weimar (1783-1853) vermutlich mit nach Weimar gebracht hat Die allseitig geshybildete Maria Pavlovna (t 1859) spielte Klavier sie stand mit Goethe in staumlndigem geistigem Austausch es ist auch uumlberliefert dass sie sich unter der Anleitung des damaligen russischen Hofkapellmeisters Giuseppe Sarti (1729-1802) mit Komposition beschaumlftigt hat (vgl N von Milde Maria Pawlowna Hamburg 1904 S 88) Dass sie Anton Titz persoumlnlich gekannt hat und ihn zusammen mit seinem Ensemble am Petersburger Hof musishyzieren houmlrte ist sehr wahrscheinlich

64

Abb 1 Titelblatt der Six Quattuors Wien 1781 (Artaria)

65

S 0 N A T E~ pour le

CLAYECIN ou PIANOFORTE

et

VIOLON OBLIGE

conposee

par

Mf TITZ

Opl

A St Petersbour8

ehc Gcutenberg et Camp

Prix IR

Abb 2 Titelblatt von op I mit den Schriftzuumlgen von Maria Pavlovna Groszligherzogin von Sachsen-Weimar

66

zur Sonatensatzform hin die der Komponist dann in den Sonaten op II und III in voller Auspraumlgung anwendet

Nbsp 2 Op III Adagio

Adagio _A ~ bull

I

JI I

I

iM eJ tJ f I

11 - -- ~ - I

p ~ ~ ~ ---

y

f ~

f 1 I ti I~~ I -bullbull bull

I )

r r 6

bull -pshy pt If

bullbull 11 bull bull ~

I r-Bei op 11 (fis-Moll) haben wir es mit einer dreisaumltzigen und bei op III (c-Moll) sogar mit einer viersaumltzigen Sonate zu tun Zwishyschen die bei den schnellen Ecksaumltze schiebt sich in op 11 eine im Volkston gehaltene Romance siciliano (A-Dur) in der Titz seine lyrische Veranlagung auslebt In den Ecksaumltzen des op III (cshyMoll) kommen dagegen pathetische Zuumlge zum Tragen die auch in dem der Sonate vorangestellten einleitenden Adagio anklingen Eine zarte Lyrik kennzeichnet dagegen den langsamen Satz ein

67

Nbsp 3 Op II 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro con espressione A

I

t

~ --- ---shy ----shy -shy1 j - ~ ~ ~ bull

- bull r - 11 i 1 shy bull lI__ bull

J 11 I

t) - r

1 I ~ rrI bull 1_ 1__ rtI eJ ~ - 1 1middot

bull d 11shy llI

~ 14 Ci bull

~ f Seitenthema

~

f

) t

4J -shy - ~ -J

A~lmiddot i_I I

-J I I bull I

A f

~ fI i bull f7 bull shy j i

eJ vshy - ~ ~ - bull t I I )r L

J 1 I I 11 L 11 i

t) bull -

68

1

~bull

Nbsp 4 Op III 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro agitato ~ I bull r Umiddot ~ F

bullbull f~ ~ I I - - ~

bull-~ - ~

bull I tI I t

~ jj jjl ~H 6 bull

I IIJshy -shy I --

4) P ttUCo fJ I I )_r ----

~ -- - crvc J1 P

( ~ ~- 1t_~ - ~

I

VIIoi ~

dolc I a -- r ~

dok ~

I

( ~

- r I I bull ~

11

V8=

~ I ~ -Je - _- _I

1I - I I I l J

~ r I I V ~ - - l0t ~ ~ (

69

Nbsp 5 Quartett a-Moll Haupt- und Seitenthema

Allegro di molto agitato - t1I ft

lt shy ~

-~ -

~

ttJ f j J ~ 4 J ~ bull

I - I - r ~fIe

I IJr

I JJ I- bull

- ~ ]11 _t

1- ~~ 1Il 4 ~ ilA JJ r J ~ -shy

bull

4i) I bull 11 ~ bull ~ 1i-Idole ~ ~ -~ -

I -

~~ I I _I f bull eJ 1shy - - - I -

11 J ir (shy 1-( -~

~

I

Adagio in Es-Dur (siehe Nbsp 2) Formal weisen die Ecksaumltze dieser beiden Sonaten die typische Sonatensatzform auf wobei das Seitenthema jeweils in der parallelen Dur-Tonart steht (siehe Nbsp 3 und 4) Der Satzumfang ist mit jeweils ca 250 Takshy

70

Nbsp 6 Quartett G-Dur 1 Satz

Allegro ~

r I

1 bull 1 bull bullbull I TT

-UI II I I --- - bull

f ~~ ~

h hbull J -1 ~

bull

bull bull bull 1 iilbull bull bull bullbullbullbull bull bullbullbullbull

f - -bull

bull iii - - ---ifiJ bull 1fI bull bull

~~~ -

--~

middot bull

r shy

bull

Ir ~ bull

J~ n--

r

0___- V ______

1amp

~

-

JJlJ J~

I

I bull bull ~

bull

lJ~~r-J

--

1 ~ t bull r t

T -- -

SilJ -- -

71

Fortsetzung Nbsp 6

A

_t

-su - shy

eJ bull IJgt- f~ 11- I

-

t t 1 1

- t I - _

T

bull

~v v 17

-PO bull

bull I

11 bull Ir ~

---shy J ~

bull bull bullL---shyWW~

bull bull ltr~ ~ bullbull ~ ~

t l1li bull a

bullbullbullbull

) bull bull-

-

~ I

~

-

-po

I 1 bull

bull I bull bull

bullbullbullbull

bull bull

-tiTbull

~

-

~ --shy-

--

1 I

J

~ bull bull

72

ten beachtlich der Durchfuumlhrung wird viel Raum gegeben Die Violinstimme ist sparsam ausgesetzt nur verhaumlltnismaumlszligig selten wird ihr thematisches Material uumlbertragen Dennoch bildet sie zusammen nlit dem Klavierpart eine untrennbare klangliche Einshyheit Insgesamt zeichnen sich die drei Sonaten durch einfallsreiche thematische Erfindung aus Besonders zu bezaubern vermag die Sonate in fis-Moll (Op II)

Nbsp 7 Quartett F-Dur 1 Satz Hauptthema

r r r - - r - rr rrrf Dass sich Titz die klassische Schreibweise zu eigen gemacht hat

belegen auch die drei Alexander 1 gewidnleten Streichquartette von 18011802 Am konsequentesten haumllt sich der Komponist an das Schema der Sonatensatzform im Allegro di molto agitato des 3 Quartetts (a-Moll) In der Exposition bringt er das Haupt- und in der parallelen Dur-Tonart das Seitenthema (siehe Nbsp 5) und laumlsst dann eine Durchfuumlhrung und Reprise mit Coda folgen In

73

Nbsp 8 Quartett F-Dur 1 Satz Seitenthema

Ir

I bull bull

lIiiiiiiii

ol LI r4tJ - ~l ~J t J j 11 bull q- tr bullbull bull r I~ t I It-I- It bull It It IJ S

I-

~ - - -shy I I shy - IJ1p - --1J - h~~ Ir I

41-

J J- I wr -

- bull rTJ

f) ~ ~ ~ -iJ--1-- -~t J

~

bullt-1

74

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 5: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

und Konzerte es sich handelte bleibt mangels Angaben unbeshykannt Ein Jahr spaumlter im Februar 1782 trat Titz zusammen mit dem Clavecinisten K Zierlein einem Schuumller von CPhE Bach und Kapellmeister des Fuumlrstbischofs von Ermland in St Petersburg an die Oumlffentlichkeit Er lieszlig sich damals auf der Viola d amore houmlren auf der er virtuos spielen konnte Zierlein begleishytete ihn auf dem Clavecin Was die beiden Kuumlnstler vortrugen ist unbekannt Nach V Natanson 12 soll Titz neben Field und Romberg zu Privatkonzerten herangezogen worden sein wie sie Ende des 18 Jahrhunderts im Hause des Feldmarschalls N1 Salshytykov zahlreich stattfanden Damit scheint sich Titz Auftreten in der Oumlffentlichkeit auszligerhalb des Hofes erschoumlpft zu haben Uumlberhaupt scheute er ein breites Publikum Dies war wohl der Menschenscheu und dem introvertierten Wesen des Musikers geshyschuldet das sein Biograph auf seine enttaumluschte Jugendliebe aus der Nuumlrnberger Zeit zuruumlckfi1hrt

Dass Titz in der zweiten Haumllfte der 1790er Jahre Mitglied der Koumlniglichen Kapelle in Dresden war und von hier aus als Soshylist in Leipzig Berlin (1803) und Prag (1809) aufgetreten sei ist unrichtig 13 Hier wird offenbar Anton Titz mit Ludwig Titz verwechselt der als Violinist der Koumlniglichen Kapelle in Dresshy

12V Natanson Prosloe russkogo pianizma Moskau 1960 S 156 13 Dass 1802 der Kurfuumlrstl Saumlchsischen Hofkapelle ein Violinist namens Tietz

angehoumlrte geben Gerber (NL IV 357) C von Wurzbach (Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oumlsterreich Teil 44 Wien 1882 S 147) Eitner (EitnerQ 407) A Weinmann (MGG XIII 411) und TA RepCinskaja (in Muzykalnaja enciklopedija Bd 5 Moskau 1981 Sp 339) an Es handelte sich aber wahrscheinlich um Ludwig Tietz der von 1818 bis 1828 Vizekonshyzertmeister in der Hofkapelle zu Dresden und ein tuumlchtiger Kuumlnstler war (vgl M Fuumlrstenau Beitraumlge zur Geschichte der Kgl Saumlchsischen musikashylischen Kapelle Dresden 1849 S 193 u 206) Zum Auftreten von Tietz 1803 in Berlin schreibt zB die Allgemeine musikalische Zeitung Den 25sten Februar gab der Kurfuumlrstl Saumlchsische Kammermusiker Herr Tietz aus Dresden ein Konzert im Saale der Stadt Paris und rechtfertigte voumlllig in zwey von ihm gesetzten und gespielten Violinkonzerten die allgemeinen Erwartungen (AmZ 1803 410) - Dass es sich bei dem Violinisten des Berliner Konzerts nicht um den Petersburger Hofmusikus Anton Titz geshyhandelt haben konnte geht auch daraus hervor dass sich 1 Spohr von Januar bis Mai 1803 in Petersburg befand und dort wiederholt mit Titz zusamentraf (vgl Spohr wie Anm 1 S 45)

46

den einer der ersten reisenden Musiker war waumlhrend es als ershywiesen gelten kann dass Anton Titz nachdem er sich 1771 in Russland niedergelassen hatte dieses Land bis zu seinem Tode inl Jahre 1810 nicht wieder verlassen hat 14 Gegen Anton Titz Konzerttaumltigkeit zwischen 1803 und 1809 spricht auch sein in dieser Zeit schon stark beeintraumlchtigter Gesundheitszustand der strapazioumlse Konzertreisen nicht mehr moumlglich machte

Mit der Zeit erweiterte sich offenbar Titz Aufgabenkreis Neshyben dem Dienst im Ersten Hoforchester war er als Violinlehrer an der Theaterschule taumltig und im Auftrag von Katharina 11 hatte er den Groszligfuumlrsten Aleksandr Pavlovic den spaumlteren Zashyren Aleksandr 1 im Violinspiel zu unterweisen Vermutlich seit Beginn der 1780er Jahre wurde Titz mit der Bildung und Leishytung eines Kammermusikensembles betraut Wahrscheinlich ershyhielt er diesen Auftrag von der Zarin selbst Sie schaumltzte den deutschen Musiker und bezahlte ihm das beachtlich hohe Jahresshygehalt von 3000 Rubel Die ihm uumlbertragene neue Aufgabe kam Titz Veranlagung in geradezu idealer Weise entgegen Da er shywie sein Biograph vermerkt wegen seiner Schuumlchternheit nie haumltte Konzertgeiger werden koumlnnen dafuumlr jedoch im Quartett in seinem Element war 15 musste ihm das Ensemblespiel ganz besonders zusagen Auszligerdem bot es ihm Anregung zu manch neuer Komposition

Kammermusikpflege hatte am Zarenhof eine lange Tradition Sie reichte in die 1720er Jahre zuruumlck als - wie Staumlhlin berichtet shyder Herzog Ulrich von Holstein-Gottorp der spaumltere Schwiegershysohn Peters des Groszligen in St Petersburg Zuflucht nehmen musshyste und seine kleine Kammerkapelle dorthin mitbrachte 16 Sie bestand etwa aus einem Dutzend deutscher wohlgeuumlbter Musiker darunter die Vornehmsten zween Bruumlder Huumlbner der eine den Kapellmeister und der andere den Concertmeister vorstellte Dieshyse bisher in Russland unerhoumlrte Musik bestand in Sonaten Soshy

14Vgl Mooser wie Anm 11 Bd II S 179 Anm 8 15V gl N M wie Anm 2 S 13 16 Neuerdings wird die Anwesenheit der holsteinschen Kapelle von A Porshy

fireva angezweifelt (vgl A Porfireva Aus der Geschichte des russischen Hoforchesters in der petrinischen Epoche in Arolser Beitraumlge zur Musikshyforschung 8 Sinzig 2000 S 125ff) Die Beweisfuumlhrung erscheint uns jedoch luumlckenhaft und daher wenig uumlberzeugend

47

li Trii und Concerten von Telemann 17 Kayser 18 Haynichen 19

SchuItz 20 Fuchs 21 und andern damals beruumlhmtesten Deutschen sowohl als von Corelli 22 Tartini 23 Porpora 24 und andern itashylienischen Komponisten Peter der Groszlige wohnte diesem hershyzoglichen Kammerkonzert nicht nur selbst oumlfters bei sondern lieszlig es fast alle Woche einmal auch an seinenl Hofe spielen Daselbst fand es um so mehr allgemeinen Beifall je neuer und angenehshymer es den vornehmen Russen im Vergleich aller ihrer bisherigen Musik vorkommen musste 25

Nach diesen1 ersten Kontakt der russischen Hofgesellschaft mit der Kammermusik Westeuropas der infolge der woumlchentlich reshygelmaumlszligig stattfindenden Konzerte zur Herausbildung einer festen Tradition fuumlhrte erlebte der Zarenhof als er 1733 und dann wieder seit 1735 eine italienische Hofoper einrichtete nicht nur eine Bluumltezeit der opera seria sondern getragen von den im italienischen Opernorchester wirkenden Violinvirtuosen Giovanshyni Verocai 26 Luigi Madonis 27 und Domenico dallOglio 28 auch eine strahlende Epoche der spaumltbarocken Geigenkunst 29 Diese Geiger traten in den Hofkonzerten regelmaumlszligig als Solisten hervor

17 Georg Philipp Telemann (1681-1767) 18Gemeint ist Reinhard Keiser (1674-1739) 19Gemeint ist Johann David Heinichen (1683-1729) 2degGemeint ist vermutlich Heinrich Schultze der 1681 in Stralsund geboren

wurde und seit 1717 Konzertmeister hierauf Direktor der Polnischen Kashypelle Augusts des Starken war

21Es handelt sich wahrscheinlich um Johann Joseph Fux (1660-1741) von dem die Zeitgenossen insbesondere die Trio-Sonaten lobten

22 Arcangelo Corelli (1653-1713) 23Giuseppe Tartini (1692-1770) 24 Nicola Antonio Porpora (1686-1766) 25 Jakob v Staumlhlin Nachrichten von der Musik in Ruszligland in Theater Tanz

und Musik in Ruszligland hrsgv E Stoumlckl Leipzig 1982 S 80r 26G Verocai C um 1700 in Venedig t 1745 in Braunschweig) war seit 1731

im Dienste des russischen Hofs in Moskau seit 1732 in St Petersburg 271 Madonis ( 1700 in Venedig t 1767 in St Petersburg) in Petersburg

1733 bis 1738 und dann wieder 1740 bis zum Tode seit 1761 geistesgestoumlrt 28D dallOglio ( um 1700 in Padua t 1764 in Narva) In St Petersburg

von 1735 bis 1764 29 V gl dazu L Gurevic Der russische Violinb1fock in Arolser Beitraumlge zur

Musikforschung 8 Sinzig 2000 S 29ff

48

middot raumlumten aber dabei auch Kammermusikwerken wie Sonaten und Trios einen gebuumlhrenden Platz ein Damit knuumlpften sie an die in den 1720er Jahren von Musikern des holsteinschen Herzogs geshyschaffene Tradition an und fuumlhrten sie zu einenl glanzvollen neuen Houmlhepunkt Als die Italiener Petersburg verlieszligen Verocai ging schon 1738 nach Braunschweig dall OgHo reiste 1764 aus Petersshyburg ab Madonis war seit 1761 geistesgestoumlrt - riss die Kamshymermusikpflege unvermittelt ab Als Titz 1771 nach Petersburg kam war von den italienischen Violinvirtuosen niemand mehr da Die von ihnen fruumlher gepflegte Kammermusik lebte jedoch in der Erinnerung der einstmaligen Houmlrer fort so dass ihr Verschwinshyden aus dem houmlfischen Musikleben als Luumlcke empfunden werden musste Katharina I1 scheint dies gespuumlrt zu haben so dass sie schlieszliglich den Befehl zur Gruumlndung eines festen Ensembles gab und damit die in den 1760er Jahren verloren gegangene Tradition der Kammermusikpflege nea belebte Mit diesenl Ensemble hatshyte Titz vor allem fuumlr das spezielle musikalische Amuumlsement der Hofgesellschaft in erster Linie der Zarin selbst zu sorgen Wann immer Katharina I1 oder einem Mitglied der Hofgesellschaft der Sinn nach musikalischer Unterhaltung stand wurde Titz gerushyfen und musste mit seinem Ensenlble fuumlr die hohen Herrschaften aufspielen

Die Musiker des Ensembles wechselten doch rekrutierten sie sich stets aus den besten Instrumentalisten die es damals in Peshytersburg gab So spielte - vermutlich zwischen 1783 und 1786 -Ivan Giornovicchi (Jarnowick um 1740-1804) mit der - wie die Allgemeine musikalische Zeitung in ihrem Nachruf konstatiert einer der vorzuumlglichsten Virtuosen auf seinem Instrument war das er besonders mit Genauigkeit Anmuth und Zierlichkeit beshyhandelte ihm den reinsten und einschmeichelndsten Ton zu entshylocken und eine Seele einzuhauchen wusste welcher man sich mit Entzuumlcken hingab Selbst spaumlte Jahre hatten diese seine Vorzuumlge nicht verringert 30

Eine Zeitlang gehoumlrte der in Berlin geborene Ernst Heinrich Raab (1750- ) Sohn eines Hofmusikers des Prinzen Ferdinands von Preuszligen dem von Titz geleiteten Kammermusikensemble an Er war 1781 fuumlr die ersten Geigen des Ersten Hoforchesters anshygestellt worden wurde jedoch schon ein Jahr spaumlter beurlaubt

30 AmZ 1804 241

49

shy

( ~ -

Seitdem gibt es uumlber ihn keine Nachrichten mehr Er kann also nur kurze Zeit in der Kammermusik bei Hofe mitgewirkt haben Anders verhaumllt es sich mit Otto Ernst Tewes (1759-1800) der seit 1775 erster Geiger im Ersten Hoforchester war und bis zu seinem Lebensende in Petersburg blieb Aus seiner Feder stammt die dreiaktige komische Oper Die wuumltende Familie (Besenaja sem ja) auf ein Libretto des bekannten russischen Fabeldichters LA Kryshylov die 1786 - allerdings mit einem nur maumlszligigen Erfolg in Petersburg auch aufgefuumlhrt wurde 31 Tewes spielte in Titz Enshysemble sicher laumlngere Zeit mit Die Bratsche war durch Stockfisch vertreten uumlber den wir allerdings keinerlei naumlhere Informationen besitzen sogar sein Vorname ist unbekannt Vermutlich war er Bratscher im Ersten Hoforchester Am Pult des Violoncellisten saszlig Alessandro Delfino der ehe er 1789 nach Petersburg geganshygen war als erster Violoncellist im Orchester der Mailaumlnder Scashyla gewirkt hatte Nach voruumlliergehendem Dienst im Privatorcheshyster von Feldmarschall Fuumlrst Grigorij Aleksandrovic Potemkin (1739-1791 ) erhielt er 1793 in Petersburg die Stelle des Solovioshyloncellisten im Ersten Hoforchester mit einem Vertrag auf fuumlnf Jahre Vermutlich in dieser Zeit 1793 bis 1798 wirkte er in Titz Ensemble 32 Mit Tewes Stockfisch und Delfino stand Titz eishyne ausgezeichnete Streichquartettbesetzung zur Verfuumlgung die bei Bedarf oder wenn es die Anwesenheit besonders talentiershyter Musiker in Petersburg erforderte erweitert bzw veraumlndert wurde So wirkten bei Titz der aus Boumlhmen stammende Claveshyeinist und Komponist Ernest Wanzura ( um 1750 t 1802) der franzoumlsische Harfenist Jean-Baptiste Cardon ( um 1747 t um 1805) der aus Kassel gebuumlrtige Floumltenvirtuose Franz Ludwig Mishychel (Lebensgrenzen unbekannt) und der deutschboumlhmische Klashyrinettenvirtuose Johann Joseph Beer (1744-1812) mit

Wanzura lebte seit 1783 in Moskau und wechselte 1786 nach Petersburg uumlber Seit dieser Zeit spielte er - wahrscheinlich auch nicht regelmaumlszligig - im Kammermusikensemble von Titz mit Der Harfenist Cardon der Paris vermutlich zu Beginn der Revolution verlassen hatte weilte seit 1790 in Petersburg Sein Vertrag mit der Direktion der Kaiserlichen Theater war auf drei Jahre (1790shy

31 Vgl Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 343 32Zu Delfino vgl RA Mooser Annales de la musique et des musiciens en

Russie au XVIII siede Bd 2 Genf 1951 S 488

50

I r

1793) befristet In dieser Zeit spielte er bei Titz mit Der Floumltist Franz Ludwig Michel war 1775 bis 1791 Mitglied des Privatorcheshysters des Fuumlrsten Grigorij Aleksandrovic Potemkin lebte hierauf bis 1796 in Petersburg um dann nach Deutschland zuruumlckzukehshyren Michels Mitwirkung in Titz Ensemble kann daher fuumlr die Zeit zwischen 1791 und 1796 angenommen werden Der Klarinetshytist Johann Joseph Beer spielte bei Titz vermutlich eher in der Zeit von 1783 bis 1786 mit zu der Zeit also als auch Giornovicchi Titz Ensemble angehoumlrte Ab und zu musizierte bei Titz auch der Groszligfuumlrst Aleksandr Pavlovic der spaumltere Zar Aleksandr 1 mit den Titz zu einem passablen Geiger herangebildet hatte

Die zeitweise Mitwirkung von verschiedenen Instrumentalisten und eine sich daraus ergebende variierende und bisweilen unshygewoumlhnliche Besetzung fuumlr die es originale Literatur nicht oder noch nicht gab hatte natuumlrlich zur Folge dass entsprechende Arshyrangements geschaffen werden mussten Als Autoren von solchen Bearbeitungen kamen Titzmiddot selbst und Wanzura in Frage Titz verfuumlgte als Komponist uumlber die dafuumlr notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten Diese besaszlig in gleicher Weise auch Wanzura Seine Klavierbearbeitungen von Opernnummern erschienen in dem Journal de musique dedie aux dames das der Petersburger Verleger Bernhard Theodor Breitkopf (1749-1820) der Bruder des Leipziger Verlagsinhabers zwischen 1785 und 1794 herausshygab Welches Repertoire einer Bearbeitung unterzogen wurde ist im einzelnen unbekannt Es kann jedoch vermutet werden dass es sich um Ausschnitte aus italienischen Opern handelte die dashymals auf dem Spielplan der Kaiserlichen Theater standen Da die 1791 in Petersburg eroumlffnete Musikalienhandlung von Johann Dashyniel Gerstenberg immer die neuesten Notenausgaben aus Paris Wien und Berlin heranschaffte 33 waren Titz und seine Musiker uumlber den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Westeuropa gut informiert und konnten so fuumlr das Repertoire des Kammerenshysembles immer auch neue Werke auswaumlhlen Gerstenberg brachshyte 17941795 das St Petersburger Musikmagazin fuumlr das Klavishychord oder Pianoforte heraus das neben Klavierkompositionen shy

33Vgl dazu E Stoumlckl Der St Petersburger Musikverlag Gerstenberg und der Beitrag deutscher Tonsetzer zur Schaffung der ersten Klavierkomposishytionen in Russland in Arolser Beitraumlge zur Musikforschung 8 Sinzig 2000 S 148

51

meist Variationen uumlber russische Volkslieder - auch Triosonaten von Ignaz Pleye1 34 enthielt In der Spaumltzeit von Titz Wirken in Petersburg erschienen in der Zarenresidenz die ersten einheimishyschen Ausgaben von Streichquartetten die Titz sicher kannte und moumlglicherweise fuumlr seine Musizierpraxis auch nutzte Zu denken ist an die Trois Grands Quatuors des aus Regensburg gebuumlrtigen Franz Adam Veichtner (1741-1822) seit 1795 Kammermusikus und Konzertmeister der Petersburger Hofkapelle die vermutlich zwischen 1796 und 1799 von Gerstenberg als Stimmen gedruckt wurden 35 sowie die ebenfalls von Gerstenberg herausgebrachten heute jedoch als verschollen anzusehenden Six Quatuors (1797) und Trois Quatuors (op 3 1796) von Johalln Konrad Schlick (1748-1818) Violoncellist in der Hofkapelle von Herzog Ernst 11 in Gotha 36 Es kann weiter vermutet werden dass Titz Sonaten des in den 1770er Jahren in Petersburg weilenden und sich der besonderen Gunst der Zarin erfreuenden italienischen Violinvirshytuosen Antonio Lolli (1730-1802) spielte Titz Kammerrpusikenshysemble musizierte gelegentlich auch im Theater und ersetzte auf diese Weise ein ganzes Orchester Manchmal saszligen waumlhrend der Theatervorstellullg im Orchester nur vier ausgezeichnete Musishyker Titz mit der Geige Delfino mit dem Violoncello Cardon mit der Harfe und Wanzura am Klavier 37 Es gibt Berichte wonach das Titzsche Ensemble in kleiner Besetzung Symphonishy

34 VgL ebd S 180 35 Das einzige erhalten gebliebene Exemplar von Veichtners Streichquartetshy

ten (F D g) befindet sich in der Szechenyi-N ational-Bibliothek in Budashypest Mit der freundlichen Unterstuumltzung von Herrn Dr Robert Muranyi (Szechenyi-Nationalbibliothek Budapest) und des Instituts fuumlr ostdeutsche Musik (Bergisch Gladbach) brachte E Stoumlckl das Zweite Streichquartett bei Edition Gravis (Bad Schwalbach 1988) in einer praktischen Erstausgashybe (Partitur und Stimmen) heraus

36Vgl B Vol man Russkie pecatnye noty XVIII veka Leningad 1957 S 224 und 227 auch Svodnyj katalog rossijskich llotnych izdanij Bd I XVIIlyj vek St Petersburg 1996 S 109 Nr IIL208 u III209 Die Konzertreisen die Schlick zusammen mit seiner Frau Regina Strinasacchi einer vorzuumlglishychen Violinistin unternahm fuumlhrten ihn ua auch nach Petersburg und es ist moumlglich dass seine von Gerstenberg herausgebrachten Kompositionen in der russischen Residenz auch aufgefuumlhrt wurden

37pI Sumarokov in Russkij archiv 1870 Sp 2106

52

en von Haydn und Mozart spielte 38 Neben haumlufigen Soireen in der Eremitage und den Privatgemaumlchern der Zarin trat Titz in den Sommermonaten auch in Carskoe selo auf wo er bevorzugt Streichquartette vortrug 39 auch solche von Haydn und Mozart Titz Kammermusikensemble beteiligte sich aber auch an groumlszligeshyren musikalischen Festivitaumlten des Zarenhofs Ein Ereignis dieshyser Art hat der Kammerfourier in seinem Journal unter dem 20 Juli 1791 in einer kurzen Notiz festgehalten Im Kiosk spielte die Kammermusik des Kapellmeisters Titz auf Geigen und dem Violoncello Auf der rechten Seite des Kiosks im Garten stand die Kammermusik der Blaumlser auf der linken Seite jenseits des Sees erklang Hornmusik und vor dem Kiosk selbst sangen die Hofsaumlnger verschiedene Konzerte und russische Volkslieder 40

Da als sicher anzunehmen ist dass Titz im Besitz seiner eigenen 1781 in Wien von Artaria publizierten Six Quatuors war ist es aumluszligerst wahrscheinlich dass er auch seine eigenen Kompositioshynen vortrug Titz duumlrfte mit seinem Streichquartett die zwischen 1801 und 1802 von Dittmar veroumlffentlichten Trois Quatuors soshywohl die drei Alexander 1 wie auch die drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette ehe sie in den Druck gingen ausprobiert haben Auf den Programmen standen wohl auch Titz Sonaten fuumlr Klavier und obligate Violine op I II und II1 Es ist weiter anzunehmen dass das Streichtrio und die Streichquartette von Wanzura die nicht erhalten geblieben sind von Titz und seinem Ensemble aufgefuumlhrt wurden

Die Zeitgenossen schaumltzten Titz Violinspiel in der Regel als beshy

38S0 schreibt die Graumlfin Varvara Nikolaevna Golovina in ihren Memoiren Jeden Morgen erhielt ich von der Groszligfuumlrstin eine schriftliche Nachricht in der sie mir befahl am Abend bei ihr zu erscheinen Die besten Musiker geleitet von Titz spielten Symphonien von Haydn und Mozart Der Groszligfuumlrst spielte auf der Violine Wir houmlrten diese herrliche Musik aus dem Nachbarzimmer (Zapiski grafini Varvary Nikolaevny Golovinoj (1766-1819) St Petersburg 1900 S 52f)

39Man rief Titz und drei weitere ausgezeichnete Musiker um Quartette zu spielen heiszligt es in den Memoiren der Graumlfin V N Golovina siehe unter Anm 38 zitierte Memoiren S 65

40 Aus dem Kapitel Die Kammerfourier-Journale und die Musik bei Hofe (T Livanova Russkaja muzykalnaja kultura XVIII veka Bd II Moskau 1953 S 423)

53

sonders glanzvoll ein wobei natuumlrlich subjektive Kriterien nicht auszuschlieszligen sind Der Dichter Ivan Ivanovic Dmitriev (1760shy1837) ein Vertreter des Sentimentalismus in Russland besingt den deutschen Geiger im Jahre 1798 in dem Vierzeiler

Wen houmlre ich Titz Der von dir beseelte Bogen singt spricht und bewegt die Herzen aller Oh Sohn der Harmonie dir gebuumlhrt die Krone und die gewoumlhnliche Sprache kannst du verachten 41

Als BN Zinovev ein Zeitgenosse von Titz waumlhrend eines Aufshyenthalts in Neapel Felice de Giardini (1716-1796) einen der beshydeutendsten Violinvirtuosen seiner Zeit Streichquartett spielen houmlrte stufte er die Qualitaumlt seines Spiels niedriger ein als die von Titz und Jarnowick 42

Der Verfasser des biographischen Artikels im Pantheon spricht davon dass Titz wegen sein~r Schuumlchternheit nicht haumltte Konshyzertgeiger werden koumlnnen und er deshalb auch nie als Solist aufshytrat Er fuumlgt aber hinzu Doch dafuumlr war er im Quartett in seinem Element Es gab nichts was man mit seiner angenehmen Bogenfuumlhrung und mit jenen wunderbar zarten Toumlnen haumltte vershygleichen koumlnnen die er den Saiten seiner Geige entlockte Besonshyders vortrefflich war er im Adagio seine Violine weinte im vollen Sinne dieses Wortes und sie ruumlhrte auch andere zu Traumlnen 43

Da Titz nach der Biographie im Pantheon 1797 erkrankte duumlrfte in diesem Jahr auch die Aktivitaumlt des von ihm geleiteshyten Kammermusikensembles nachgelassen haben und da sich der Geiger in der Folgezeit eigentlich nie wieder recht erholt hat ist die Kammermusikpfiege am russischen Hof vermutlich um 1797 ganz zum Erliegen gekommen Zusammenfassend kann festgeshystellt werden Ob als Streichquartett Trio oder als Ensemble mit einer gemischten Besetzung immer zeichnete sich das Spiel von Titz und seinen Musikern durch eine unvergleichlich hohe kuumlnstshylerische Qualitaumlt und Perfektion aus

41 Zitiert nach A Glumov Muzykalnyj mir Puskina Moskau-Leningrad 1950 S 97

42Russkaja starina 1878 Bd XXIII S 412 zitiert auch von T Livanova wie Anm 40 II S 311 Anm 2

43NM wie Anm 2 S 13

54

Die Werke

Anton Titz kompositorisches ffiuvre ist nicht allzu umfangreich Einige seiner Werke gelten als verschollen (zB viele seiner Roshymanzen fuumlr Gesang und Klavier) Es ist daher durchaus moumlglich dass die eine oder andere Komposition noch aufgefunden wird so dass sich das Gesamtwerk von Titz noch erweitern koumlnnte

1 Drucke

11 Streichquartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello

111 Six Quatuors (C A G c d Es) komponiert von Ferdinand Titz Nlusicien de la Chanlbre de Sa Maj Imp de toutes les Russhysies gewidmet Fuumlrst Galitzin (Golicyn) Wien 1781 Artaria Der Pariser Verleger Antoine Bailleux brachte unmittelbar nach der Wiener Ausgabe von ArtarHt einen Nachdruck der Quartettstimshymen mit dem VermerkTitz Schuumller Haydns heraus

1 Quartett Allegro Rondo

2 Quartett Poco Adagio con Variazioni Menuetto Trio Allegro di mol to

3 Quartett Allegro Rondo

4 Quartett Adagio - Allegro Allegretto (Menuetto) - Trio Cantabile Allegro spirito

5 Quartett Allegro Rondo

6 Quartett Adagio-Allegro Menuetto Trio Romance Allegro di molto

55

112 Trois Quatuors (G F a) komponiert von Anton Titz Alexander 1 gewidmet Gedruckt in St Petersburg bei Friedshyrich August Dittmar - Als Johann Daniel Gerstenberg 1799 nach Deutschland zuruumlckgegangen war uumlbernahm sein bisheriger Kompagnon Dittmar die Verlagsleitung und fuumlhrte das U nternehshymen bis 1808 alleine weiter Alexander I dem Titz seine Quarshytette widmete war 1801 russischer Zar geworden Einen mit der Dittmarschen Ausgabe identischen Nachdruck brachte Simrock in Bonn zwischen 1802 und 1803 heraus (vgl OE Deutsch Mushysikverlagsnummern Berlin 1961) Somit lieszlige sich die Publikation der Alexander 1 gewidmeten drei Streichquartette mit ziemlicher Sicherheit in die Zeit zwischen 1801 und 1802 datieren und sie waumlre eine der ersten russischen Streichquartettdrucke Von diesen drei Streichquartetten existiert ein Nachdruck auch von Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig der aumlhnlich wie der von Simrock in die Zeit zwischen 1802 und 1803 zu datieren ist Im Auftrag des Instishytuts fuumlr deutsche Musikkultur im oumlstlichen Europa e V (Bonn) gab E Stoumlckl eine praktische Erstausgabe des 1 Quartetts in G-Dur mit Partitur Vorwort und Stimmen heraus (Bad Schwalshybach 2000 Edition Gravis) Die praktische Erstausgabe auch des 2 und 3 Quartetts ist vorgesehen

1 Quartett Adagio Allegro Adagio Allegretto (Menuetto) - Trio Rondo

2 Quartett Allegro Adagio cantabile Rondo vivace

3 Quartett Siciliano affettuoso Allegro di molto agitato Romance Polonaise

113 Trois Quatuors (C B Es) komponiert von Anton Titz gewidmet dem Senator Aleksej Grigorevic Teplov Gedruckt in St Petersburg bei Friedrich August Dittmar zwischen 1801 und 1802 Das einzige erhalten gebliebene Exemplar das sich in der

56

Bibliothek des Cajkovskij-Konservatoriums in Moskau befindet ist defekt Nach Mitteilung der Bibliotheksdirektorin Frau Dr AF Cerkasova aus dem Jahre 1998 ist die Bratschenstimme verloren gegangen und in der Stimme der 2 Violine fehlen die Takte 5 bis 16 Es war nicht moumlglich von den drei AG Teplov gewidmeten Quartetten eine Kopie zu bekommen 1 Jampolskij fuumlhrt in seinem Buch Russkoe skripicnoe iskusstvo (MoskaushyLeningrad 1951) auf S 304 ff ein Notenbeispiel aus dem C-Dur Quartett dieser Ausgabe an fuumlr die die Violastimme von dem Komponisten G S Gamburg hinzukomponiert wurde

12 Duos fuumlr Streichinstrumente

121 Trois Duos a Deux Violons avec Romance et Rondeaux Composes par Ferdinand Titz Musicien de la Chambre de la Maj Im p de toutes les Russies Dedies a Madame La Baronesse de Fried Chez Christoph Torricella (B G C) Wien 1781

122 Sonate pour le Violon avec 1 accomp de Basse Compose par Mr Titz et dedie aMr Ignace Suchaneck par C G Kaestner A Moscou par Kaestner et Comp Adagio und Rondo beide in d-Moll

123 Sonate fuumlr Violine und Bass B-Dur Cantabile Allegro con espressione - Rondo

124 Sonate fuumlr Violine und Bass f-Moll Adagio - Allegro con espressione - Rondo

125 Sonate fuumlr Violine und Bass d-Moll Breitkopf amp Haumlrtei Nr 108 (Uppsala Universitaumltsbibliothek)

126 Trois sonates pour un violon avec ace d une basse Wien Jean Traeg Nr 121 (Zagreb Hrvatski glazbeni zavod Zbirka Don Nikole Udina Algaratti)

57

13 Sonaten fuumlr Clavecin oder Klavier und obligate Violine

131 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 1 ASt Petersbourg chez J D Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op I steht in f-Moll und unlfasst die Saumltze 1 Adagio con sordino 2 Allegro agitato Adagio

132 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 11 ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op II steht in fis-Moll und umfasst die Saumltze 1 Allegro con Espressione 2 Romance siciliano 3 Finale Presto I

133 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv In ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op III steht in c-Moll und umfasst die Saumltze 1 Adagio 2 Allegro agitato 3 Adagio 4 Allegro vivace

134 Sonate fuumlr Violine und Klavier Gemeinschaftskomposition mit dem in Riga lebenden Komponishysten Julius August Fehre (1745-1812) Vgl B Volman Russkie pecatnye noty XVIII veka Leningrad 1957 S 64 ( verschollen)

14 Lied

141 Stonet sizyj golu bocek (Es klagt die graue Taube) in N Findejzen Ocerki Bd 2 Moskau-Leningrad 1929 S CXXXVIL

58

2 Manuskripte

21 Quartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello

211 Sechs Streichquartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello Identisch mit den 1781 in Wien bei Artaria publizierten Werken Wien Oumlsterreichische Nationalbibliothek

22 Quintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen und Violoncello

221 Vier Streichquintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen u Violoncello (A c-C F Es) Wien Gesellschaft der Musikfreunde Es handelt sich unl Abshyschriften die von Wiener Berufskopisten zwischen 1780 und 1800 angefertigt wurden Daraus ist zu schlieszligen dass Titz die hier aufgefuumlhrten Kompositionen schon in Russland schuf

Quintett in A-Dur Allegro - Andante grazioso - Presto Quintett in c-Moll Adagio - Allegro con spirito - Adagio - Ronshy

do Presto Quintett in F-Dur Allegro Andante Rondo Quintett in Es- Dur Allegro Maestoso - U n poco Adagio Rondo

~22 Sechs Streichquintette Osterreichische Nationalbibliothek Wien

Quintett in F-Dur (Mus Hs 11511) Allegro Andante - Rondo Quintett in Es-Dur (Mus Hs 15512) Allegro Maestoso - Un

poco Adagio Rondo Quintett in B-Dur (Mus Hs 11513) Allegro con espressione

Adagio - Rondo Presto Quintett in A-Dur (Mus Hs 11514) Allegro - Andante grazioso

Presto Quintett in c-Moll (Mus Hs 11515) Adagio - Allegro con spirito

Adagio Presto Quintett in d-Moll (Mus Hs l1516) Adagio - Allegro - Cantashy

bile Allegro assai

Alle sechs Stimmabschriften tragen den Vermerk N H 796 wurshyden also 1 796 angefertigt

59

23 Konzert

231 Concert fuumlr Violine principale 2 Violinen 2 Corni Oboi et Basso in Es-Dur Das Konzert besteht aus den Saumltzen Allegro - Cantabile - Rondo Fundort Wien Gesellschaft der Musikfreunde

24 Symphonie

241 Dreisaumltziges Werk fuumlr 2 Violinen Viola Kontrabass 2 Oboen 2 Waldhoumlrner und Pauken (Im Andantino werden die Oboen durch eine Floumlte ersetzt) Die Symphonie besteht aus den Saumltzen Allegro di molto Andantino und Prestissinlo Die handschriftlichen Orchesterstimmen befinden sich in der Bishybliothek des Schlosses zu Pavlovsk (s Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 402 Anm 42)

25 Vokalkomposition

251 Arie fuumlr Sopran solo mit Instrumentalbegleitung (EitnerQ 408)

Wenn wir auch bis zum gegenwaumlrtigen Zeitpunkt nicht alle von Titz geschaffenen Kompositionen kennen so erlauben es doch die der Forschung zugaumlnglichen Werke durchaus sich zumindest von Titz als Komponisten von instrumentaler Kammermusik ein Bild zu machen Zwar hat er auch eine ganze Reihe von Liedern (Roshymanzen) fuumlr Gesang und Klavier geschrieben doch muumlssen dieshyse Kompositionen wahrscheinlich als verschollen angesehen wershyden und entziehen sich daher einer Einschaumltzung Einzig und alshylein das Lied Es klagt die graue Taube (Stonet sizyj golubocek) dessen Autorschaft Findejzen einenl unbekannten Komponisten Keldys 44 aber Titzzuschreiben zu koumlnnen glaubt scheint der

44 VgI N Findejzen Ocerki po istorii muzyki v Rossii Bd 2 Moskau-Leshyningrad 1929 S 301 das Nbsp dazu befindet sich auf S CXXXVII - Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 220 Anm 59

60

r

auf uns gekommene Rest von Titz Vokalschaffen zu sein Dabei erfreuten sich Titz Lieder und insbesondere Es klagt die graue Taube zu ihrer Zeit groumlszligter Beliebtheit und letzteres wurde noch in den 1830er Jahren viel gesungen

Auch uumlber Titz als Symphoniker lassen sich zur Zeit keine Ausshysagen machen weil diesbezuumlgliche Werke in Deutschland nicht verfuumlgbar sind 45

Der folgende Versuch einer Stilanalyse bezieht sich infolgedesshysen vorwiegend auf die Sonaten fuumlr Klavier und obligate Violine op I 11 und III sowie die der Forschung zugaumlnglichen Streichshyquartette Es zeigt sich dass Titz in dem Zeitraum zwischen etwa 1781 und 1802 den Weg von der Fruumlhklassik zur Klassik durchlaushyfen hat Seine fruumlhen 1781 in Wien bei Artaria veroumlffentlichten Six Quatuors weisen in den ersten Saumltzen noch eine mehr oder minder willkuumlrliche Reihung des thematischen Materials auf N r 1 3 und 5 bestehen nur aus zwei Saumltzen jeweils aus einem Allegro und einem Rondo die drei uumlbrigen Werke zeigen dagegen schon die spaumltere klassische Viersaumltzigkeit mit zwei schnellen Ecksaumltzen einem Menuett mit Trio und einem nach dem Menuett folgenden langsamen Satz Eine Sonatensatzform ist jedoch nicht zu erkenshynen Den Quartetten N r 4 und 6 stellte Titz ein einleitendes Adagio voran im Streichquartett Nr 2 (A-Dur) waumlhlte er als ershysten Satz ein Thema mit Variationen Fuumlr die Vermutung dass Titz diese Quartette erst in Russland geschrieben hat spricht dass er sich auf dem Titelblatt als M usicien de la Chambre de Sa Maj Imp de toutes les Russies bezeichnet und die Kompositioshynen dem Fuumlrsten Galitzin (Golicyn) Ministre Plenipotentiaire de S M 1 de toutes les Russies pres la Cour Imp et Roy gewidshymet hat 46 (Siehe Abbildung 1) In Wien wurden sie gedruckt weil es in Russland zu dieser Zeit einen 1vlusikverlag mit einer funktionierenden Notendruckerei noch nicht gab Bei den sechs von Artaria 1781 herausgebrachten Streichquartetten haben wir es daher mit den ersten in Russland komponierten Werken dieser Gattung zu tun Titz kann infolgedessen mit Recht als der Beshygruumlnder des Streichquartetts in Russland angesehen werden Dass

45Wie unter Die Werke angegeben ist Titz einzige symphonische Komposhysition eine dreisaumltzige Symphonie Manuskript geblieben Dieses Werk hershyauszugeben waumlre eine verdienstvolle Aufgabe fuumlr die russischen Kollegen

46Naumlhere Angaben zu Golicyn waren nicht zu ermitteln

61

Nbsp 1 Op I die zwei Themen des Allegro agitato

Allegro agitato

r I

~ J I

tJ - ~ bull ~ I I

~

l ~

tgt

-

bull ~

bull bull

r

_I ~ 1 bull

_ _I --~ t

-

--

-

~ ~

TI I

I

11

( 4 I

~

(

I Thema I ~

e)

~ I bull

e

bull

~ shy

-J tJ

-T bull

L

1 I i

tJ I

~

h1 I

11

1

4

62

bullbull

Fortsetzung Nbsp 1

2 Thema 1 J I bullbull - - bull

1 J bull 1 I

t I I J - lfIt bullbullt ~I --shy~

~ -4 i

Jr 1 bull ~

1 t l

~ ~j j ttt

- - tmiddot --m shy I l

- I tJ - J I

Ij T

J rt t t t t t ~~ t 1 I~i bull I

- shyI bullftmiddot

63

dann die drei zwischen 1801 und 1802 in Petersburg bei Dittmar gedruckten Alexander I gewidmeten Quartette auch von Simshyrock in Bonn und Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig herausgebracht wurden zeugt von der offenbar groszligen Beliebtheit dieser Komshypositionen zu ihrer Zeit

In den drei Sonaten fuumlr Clavecin oder Pianoforte und obligate Violine op I II und III die bei J D Gerstenberg amp Comp in St ~~tersburg vermutlich 1795 gedruckt wurden vollzieht Titz den Ubergang zum klassischen Stil 47 Op I (f-Moll) besteht nur aus zwei Saumltzen einem con sordino vorzutragenden Adagio und einem Allegro agitato In der formalen Gestaltung verfaumlhrt Titz im Allegro ziemlich eigenwillig Er bringt ein zweites Thema erst im zweiten Teil des Allegro-Satzes und baut es gewissermaszligen in die Durchfuumlhrung ein Zwar kontrastiert es mit dem Hauptthema steht aber - was ungewoumlhnlich ist - in g-Moll (siehe Nbsp 1) Diese formale Anordnung fUumllhrt jedoch in gewisser Weise schon

47 Die drei Sonaten op I II und III blieben von russischen und sowjetischen Musikforschern bisher voumlllig unbeachtet Neben den schon erwaumlhnten Aushytoren sind hier noch zu nennen L Raaben (Instrumentalnyj ansambl v russkoj muzyke Moskau 1961) und L Ginzburg (Istorija violoncelnogo isshykusstva Buch 2 Moskau 1957 S 399) Offenbar waren ihnen diese Komposhysitionen nicht zugaumlnglich denn RISM gibt fuumlr sie einen russischen Standort nicht an Doch ist wohl op II in den letzten Jahren wieder aufgefunden worden Im Katalog der Russischen Nationalbibliothek ist dieser N otenshydruck jedenfalls verzeichnet (vgl Svodnyj katalog rossijskich notnych izshydanij Bd I XVIII vek St Petersburg 1996 S 60 I 206) RISM nennt dagegen als einzige Bibliothek die diese Sonaten heute noch besitzt die Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar der fuumlr die Anfertigung von Kopien an dieser Stelle herzlich gedankt sei

Das Exemplar des op I traumlgt den handschriftlichen Vermerk Maria Pavshylovna (siehe Abbildung 2) gehoumlrte also wahrscheinlich dieser aus der Zashyren familie stammenden russischen Groszligfuumlrstin die es bei ihrer 1804 erfolgshyten Vermaumlhlung mit dem Groszligfuumlrsten Karl Friedrich von Sachsen-Weimar (1783-1853) vermutlich mit nach Weimar gebracht hat Die allseitig geshybildete Maria Pavlovna (t 1859) spielte Klavier sie stand mit Goethe in staumlndigem geistigem Austausch es ist auch uumlberliefert dass sie sich unter der Anleitung des damaligen russischen Hofkapellmeisters Giuseppe Sarti (1729-1802) mit Komposition beschaumlftigt hat (vgl N von Milde Maria Pawlowna Hamburg 1904 S 88) Dass sie Anton Titz persoumlnlich gekannt hat und ihn zusammen mit seinem Ensemble am Petersburger Hof musishyzieren houmlrte ist sehr wahrscheinlich

64

Abb 1 Titelblatt der Six Quattuors Wien 1781 (Artaria)

65

S 0 N A T E~ pour le

CLAYECIN ou PIANOFORTE

et

VIOLON OBLIGE

conposee

par

Mf TITZ

Opl

A St Petersbour8

ehc Gcutenberg et Camp

Prix IR

Abb 2 Titelblatt von op I mit den Schriftzuumlgen von Maria Pavlovna Groszligherzogin von Sachsen-Weimar

66

zur Sonatensatzform hin die der Komponist dann in den Sonaten op II und III in voller Auspraumlgung anwendet

Nbsp 2 Op III Adagio

Adagio _A ~ bull

I

JI I

I

iM eJ tJ f I

11 - -- ~ - I

p ~ ~ ~ ---

y

f ~

f 1 I ti I~~ I -bullbull bull

I )

r r 6

bull -pshy pt If

bullbull 11 bull bull ~

I r-Bei op 11 (fis-Moll) haben wir es mit einer dreisaumltzigen und bei op III (c-Moll) sogar mit einer viersaumltzigen Sonate zu tun Zwishyschen die bei den schnellen Ecksaumltze schiebt sich in op 11 eine im Volkston gehaltene Romance siciliano (A-Dur) in der Titz seine lyrische Veranlagung auslebt In den Ecksaumltzen des op III (cshyMoll) kommen dagegen pathetische Zuumlge zum Tragen die auch in dem der Sonate vorangestellten einleitenden Adagio anklingen Eine zarte Lyrik kennzeichnet dagegen den langsamen Satz ein

67

Nbsp 3 Op II 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro con espressione A

I

t

~ --- ---shy ----shy -shy1 j - ~ ~ ~ bull

- bull r - 11 i 1 shy bull lI__ bull

J 11 I

t) - r

1 I ~ rrI bull 1_ 1__ rtI eJ ~ - 1 1middot

bull d 11shy llI

~ 14 Ci bull

~ f Seitenthema

~

f

) t

4J -shy - ~ -J

A~lmiddot i_I I

-J I I bull I

A f

~ fI i bull f7 bull shy j i

eJ vshy - ~ ~ - bull t I I )r L

J 1 I I 11 L 11 i

t) bull -

68

1

~bull

Nbsp 4 Op III 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro agitato ~ I bull r Umiddot ~ F

bullbull f~ ~ I I - - ~

bull-~ - ~

bull I tI I t

~ jj jjl ~H 6 bull

I IIJshy -shy I --

4) P ttUCo fJ I I )_r ----

~ -- - crvc J1 P

( ~ ~- 1t_~ - ~

I

VIIoi ~

dolc I a -- r ~

dok ~

I

( ~

- r I I bull ~

11

V8=

~ I ~ -Je - _- _I

1I - I I I l J

~ r I I V ~ - - l0t ~ ~ (

69

Nbsp 5 Quartett a-Moll Haupt- und Seitenthema

Allegro di molto agitato - t1I ft

lt shy ~

-~ -

~

ttJ f j J ~ 4 J ~ bull

I - I - r ~fIe

I IJr

I JJ I- bull

- ~ ]11 _t

1- ~~ 1Il 4 ~ ilA JJ r J ~ -shy

bull

4i) I bull 11 ~ bull ~ 1i-Idole ~ ~ -~ -

I -

~~ I I _I f bull eJ 1shy - - - I -

11 J ir (shy 1-( -~

~

I

Adagio in Es-Dur (siehe Nbsp 2) Formal weisen die Ecksaumltze dieser beiden Sonaten die typische Sonatensatzform auf wobei das Seitenthema jeweils in der parallelen Dur-Tonart steht (siehe Nbsp 3 und 4) Der Satzumfang ist mit jeweils ca 250 Takshy

70

Nbsp 6 Quartett G-Dur 1 Satz

Allegro ~

r I

1 bull 1 bull bullbull I TT

-UI II I I --- - bull

f ~~ ~

h hbull J -1 ~

bull

bull bull bull 1 iilbull bull bull bullbullbullbull bull bullbullbullbull

f - -bull

bull iii - - ---ifiJ bull 1fI bull bull

~~~ -

--~

middot bull

r shy

bull

Ir ~ bull

J~ n--

r

0___- V ______

1amp

~

-

JJlJ J~

I

I bull bull ~

bull

lJ~~r-J

--

1 ~ t bull r t

T -- -

SilJ -- -

71

Fortsetzung Nbsp 6

A

_t

-su - shy

eJ bull IJgt- f~ 11- I

-

t t 1 1

- t I - _

T

bull

~v v 17

-PO bull

bull I

11 bull Ir ~

---shy J ~

bull bull bullL---shyWW~

bull bull ltr~ ~ bullbull ~ ~

t l1li bull a

bullbullbullbull

) bull bull-

-

~ I

~

-

-po

I 1 bull

bull I bull bull

bullbullbullbull

bull bull

-tiTbull

~

-

~ --shy-

--

1 I

J

~ bull bull

72

ten beachtlich der Durchfuumlhrung wird viel Raum gegeben Die Violinstimme ist sparsam ausgesetzt nur verhaumlltnismaumlszligig selten wird ihr thematisches Material uumlbertragen Dennoch bildet sie zusammen nlit dem Klavierpart eine untrennbare klangliche Einshyheit Insgesamt zeichnen sich die drei Sonaten durch einfallsreiche thematische Erfindung aus Besonders zu bezaubern vermag die Sonate in fis-Moll (Op II)

Nbsp 7 Quartett F-Dur 1 Satz Hauptthema

r r r - - r - rr rrrf Dass sich Titz die klassische Schreibweise zu eigen gemacht hat

belegen auch die drei Alexander 1 gewidnleten Streichquartette von 18011802 Am konsequentesten haumllt sich der Komponist an das Schema der Sonatensatzform im Allegro di molto agitato des 3 Quartetts (a-Moll) In der Exposition bringt er das Haupt- und in der parallelen Dur-Tonart das Seitenthema (siehe Nbsp 5) und laumlsst dann eine Durchfuumlhrung und Reprise mit Coda folgen In

73

Nbsp 8 Quartett F-Dur 1 Satz Seitenthema

Ir

I bull bull

lIiiiiiiii

ol LI r4tJ - ~l ~J t J j 11 bull q- tr bullbull bull r I~ t I It-I- It bull It It IJ S

I-

~ - - -shy I I shy - IJ1p - --1J - h~~ Ir I

41-

J J- I wr -

- bull rTJ

f) ~ ~ ~ -iJ--1-- -~t J

~

bullt-1

74

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 6: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

den einer der ersten reisenden Musiker war waumlhrend es als ershywiesen gelten kann dass Anton Titz nachdem er sich 1771 in Russland niedergelassen hatte dieses Land bis zu seinem Tode inl Jahre 1810 nicht wieder verlassen hat 14 Gegen Anton Titz Konzerttaumltigkeit zwischen 1803 und 1809 spricht auch sein in dieser Zeit schon stark beeintraumlchtigter Gesundheitszustand der strapazioumlse Konzertreisen nicht mehr moumlglich machte

Mit der Zeit erweiterte sich offenbar Titz Aufgabenkreis Neshyben dem Dienst im Ersten Hoforchester war er als Violinlehrer an der Theaterschule taumltig und im Auftrag von Katharina 11 hatte er den Groszligfuumlrsten Aleksandr Pavlovic den spaumlteren Zashyren Aleksandr 1 im Violinspiel zu unterweisen Vermutlich seit Beginn der 1780er Jahre wurde Titz mit der Bildung und Leishytung eines Kammermusikensembles betraut Wahrscheinlich ershyhielt er diesen Auftrag von der Zarin selbst Sie schaumltzte den deutschen Musiker und bezahlte ihm das beachtlich hohe Jahresshygehalt von 3000 Rubel Die ihm uumlbertragene neue Aufgabe kam Titz Veranlagung in geradezu idealer Weise entgegen Da er shywie sein Biograph vermerkt wegen seiner Schuumlchternheit nie haumltte Konzertgeiger werden koumlnnen dafuumlr jedoch im Quartett in seinem Element war 15 musste ihm das Ensemblespiel ganz besonders zusagen Auszligerdem bot es ihm Anregung zu manch neuer Komposition

Kammermusikpflege hatte am Zarenhof eine lange Tradition Sie reichte in die 1720er Jahre zuruumlck als - wie Staumlhlin berichtet shyder Herzog Ulrich von Holstein-Gottorp der spaumltere Schwiegershysohn Peters des Groszligen in St Petersburg Zuflucht nehmen musshyste und seine kleine Kammerkapelle dorthin mitbrachte 16 Sie bestand etwa aus einem Dutzend deutscher wohlgeuumlbter Musiker darunter die Vornehmsten zween Bruumlder Huumlbner der eine den Kapellmeister und der andere den Concertmeister vorstellte Dieshyse bisher in Russland unerhoumlrte Musik bestand in Sonaten Soshy

14Vgl Mooser wie Anm 11 Bd II S 179 Anm 8 15V gl N M wie Anm 2 S 13 16 Neuerdings wird die Anwesenheit der holsteinschen Kapelle von A Porshy

fireva angezweifelt (vgl A Porfireva Aus der Geschichte des russischen Hoforchesters in der petrinischen Epoche in Arolser Beitraumlge zur Musikshyforschung 8 Sinzig 2000 S 125ff) Die Beweisfuumlhrung erscheint uns jedoch luumlckenhaft und daher wenig uumlberzeugend

47

li Trii und Concerten von Telemann 17 Kayser 18 Haynichen 19

SchuItz 20 Fuchs 21 und andern damals beruumlhmtesten Deutschen sowohl als von Corelli 22 Tartini 23 Porpora 24 und andern itashylienischen Komponisten Peter der Groszlige wohnte diesem hershyzoglichen Kammerkonzert nicht nur selbst oumlfters bei sondern lieszlig es fast alle Woche einmal auch an seinenl Hofe spielen Daselbst fand es um so mehr allgemeinen Beifall je neuer und angenehshymer es den vornehmen Russen im Vergleich aller ihrer bisherigen Musik vorkommen musste 25

Nach diesen1 ersten Kontakt der russischen Hofgesellschaft mit der Kammermusik Westeuropas der infolge der woumlchentlich reshygelmaumlszligig stattfindenden Konzerte zur Herausbildung einer festen Tradition fuumlhrte erlebte der Zarenhof als er 1733 und dann wieder seit 1735 eine italienische Hofoper einrichtete nicht nur eine Bluumltezeit der opera seria sondern getragen von den im italienischen Opernorchester wirkenden Violinvirtuosen Giovanshyni Verocai 26 Luigi Madonis 27 und Domenico dallOglio 28 auch eine strahlende Epoche der spaumltbarocken Geigenkunst 29 Diese Geiger traten in den Hofkonzerten regelmaumlszligig als Solisten hervor

17 Georg Philipp Telemann (1681-1767) 18Gemeint ist Reinhard Keiser (1674-1739) 19Gemeint ist Johann David Heinichen (1683-1729) 2degGemeint ist vermutlich Heinrich Schultze der 1681 in Stralsund geboren

wurde und seit 1717 Konzertmeister hierauf Direktor der Polnischen Kashypelle Augusts des Starken war

21Es handelt sich wahrscheinlich um Johann Joseph Fux (1660-1741) von dem die Zeitgenossen insbesondere die Trio-Sonaten lobten

22 Arcangelo Corelli (1653-1713) 23Giuseppe Tartini (1692-1770) 24 Nicola Antonio Porpora (1686-1766) 25 Jakob v Staumlhlin Nachrichten von der Musik in Ruszligland in Theater Tanz

und Musik in Ruszligland hrsgv E Stoumlckl Leipzig 1982 S 80r 26G Verocai C um 1700 in Venedig t 1745 in Braunschweig) war seit 1731

im Dienste des russischen Hofs in Moskau seit 1732 in St Petersburg 271 Madonis ( 1700 in Venedig t 1767 in St Petersburg) in Petersburg

1733 bis 1738 und dann wieder 1740 bis zum Tode seit 1761 geistesgestoumlrt 28D dallOglio ( um 1700 in Padua t 1764 in Narva) In St Petersburg

von 1735 bis 1764 29 V gl dazu L Gurevic Der russische Violinb1fock in Arolser Beitraumlge zur

Musikforschung 8 Sinzig 2000 S 29ff

48

middot raumlumten aber dabei auch Kammermusikwerken wie Sonaten und Trios einen gebuumlhrenden Platz ein Damit knuumlpften sie an die in den 1720er Jahren von Musikern des holsteinschen Herzogs geshyschaffene Tradition an und fuumlhrten sie zu einenl glanzvollen neuen Houmlhepunkt Als die Italiener Petersburg verlieszligen Verocai ging schon 1738 nach Braunschweig dall OgHo reiste 1764 aus Petersshyburg ab Madonis war seit 1761 geistesgestoumlrt - riss die Kamshymermusikpflege unvermittelt ab Als Titz 1771 nach Petersburg kam war von den italienischen Violinvirtuosen niemand mehr da Die von ihnen fruumlher gepflegte Kammermusik lebte jedoch in der Erinnerung der einstmaligen Houmlrer fort so dass ihr Verschwinshyden aus dem houmlfischen Musikleben als Luumlcke empfunden werden musste Katharina I1 scheint dies gespuumlrt zu haben so dass sie schlieszliglich den Befehl zur Gruumlndung eines festen Ensembles gab und damit die in den 1760er Jahren verloren gegangene Tradition der Kammermusikpflege nea belebte Mit diesenl Ensemble hatshyte Titz vor allem fuumlr das spezielle musikalische Amuumlsement der Hofgesellschaft in erster Linie der Zarin selbst zu sorgen Wann immer Katharina I1 oder einem Mitglied der Hofgesellschaft der Sinn nach musikalischer Unterhaltung stand wurde Titz gerushyfen und musste mit seinem Ensenlble fuumlr die hohen Herrschaften aufspielen

Die Musiker des Ensembles wechselten doch rekrutierten sie sich stets aus den besten Instrumentalisten die es damals in Peshytersburg gab So spielte - vermutlich zwischen 1783 und 1786 -Ivan Giornovicchi (Jarnowick um 1740-1804) mit der - wie die Allgemeine musikalische Zeitung in ihrem Nachruf konstatiert einer der vorzuumlglichsten Virtuosen auf seinem Instrument war das er besonders mit Genauigkeit Anmuth und Zierlichkeit beshyhandelte ihm den reinsten und einschmeichelndsten Ton zu entshylocken und eine Seele einzuhauchen wusste welcher man sich mit Entzuumlcken hingab Selbst spaumlte Jahre hatten diese seine Vorzuumlge nicht verringert 30

Eine Zeitlang gehoumlrte der in Berlin geborene Ernst Heinrich Raab (1750- ) Sohn eines Hofmusikers des Prinzen Ferdinands von Preuszligen dem von Titz geleiteten Kammermusikensemble an Er war 1781 fuumlr die ersten Geigen des Ersten Hoforchesters anshygestellt worden wurde jedoch schon ein Jahr spaumlter beurlaubt

30 AmZ 1804 241

49

shy

( ~ -

Seitdem gibt es uumlber ihn keine Nachrichten mehr Er kann also nur kurze Zeit in der Kammermusik bei Hofe mitgewirkt haben Anders verhaumllt es sich mit Otto Ernst Tewes (1759-1800) der seit 1775 erster Geiger im Ersten Hoforchester war und bis zu seinem Lebensende in Petersburg blieb Aus seiner Feder stammt die dreiaktige komische Oper Die wuumltende Familie (Besenaja sem ja) auf ein Libretto des bekannten russischen Fabeldichters LA Kryshylov die 1786 - allerdings mit einem nur maumlszligigen Erfolg in Petersburg auch aufgefuumlhrt wurde 31 Tewes spielte in Titz Enshysemble sicher laumlngere Zeit mit Die Bratsche war durch Stockfisch vertreten uumlber den wir allerdings keinerlei naumlhere Informationen besitzen sogar sein Vorname ist unbekannt Vermutlich war er Bratscher im Ersten Hoforchester Am Pult des Violoncellisten saszlig Alessandro Delfino der ehe er 1789 nach Petersburg geganshygen war als erster Violoncellist im Orchester der Mailaumlnder Scashyla gewirkt hatte Nach voruumlliergehendem Dienst im Privatorcheshyster von Feldmarschall Fuumlrst Grigorij Aleksandrovic Potemkin (1739-1791 ) erhielt er 1793 in Petersburg die Stelle des Solovioshyloncellisten im Ersten Hoforchester mit einem Vertrag auf fuumlnf Jahre Vermutlich in dieser Zeit 1793 bis 1798 wirkte er in Titz Ensemble 32 Mit Tewes Stockfisch und Delfino stand Titz eishyne ausgezeichnete Streichquartettbesetzung zur Verfuumlgung die bei Bedarf oder wenn es die Anwesenheit besonders talentiershyter Musiker in Petersburg erforderte erweitert bzw veraumlndert wurde So wirkten bei Titz der aus Boumlhmen stammende Claveshyeinist und Komponist Ernest Wanzura ( um 1750 t 1802) der franzoumlsische Harfenist Jean-Baptiste Cardon ( um 1747 t um 1805) der aus Kassel gebuumlrtige Floumltenvirtuose Franz Ludwig Mishychel (Lebensgrenzen unbekannt) und der deutschboumlhmische Klashyrinettenvirtuose Johann Joseph Beer (1744-1812) mit

Wanzura lebte seit 1783 in Moskau und wechselte 1786 nach Petersburg uumlber Seit dieser Zeit spielte er - wahrscheinlich auch nicht regelmaumlszligig - im Kammermusikensemble von Titz mit Der Harfenist Cardon der Paris vermutlich zu Beginn der Revolution verlassen hatte weilte seit 1790 in Petersburg Sein Vertrag mit der Direktion der Kaiserlichen Theater war auf drei Jahre (1790shy

31 Vgl Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 343 32Zu Delfino vgl RA Mooser Annales de la musique et des musiciens en

Russie au XVIII siede Bd 2 Genf 1951 S 488

50

I r

1793) befristet In dieser Zeit spielte er bei Titz mit Der Floumltist Franz Ludwig Michel war 1775 bis 1791 Mitglied des Privatorcheshysters des Fuumlrsten Grigorij Aleksandrovic Potemkin lebte hierauf bis 1796 in Petersburg um dann nach Deutschland zuruumlckzukehshyren Michels Mitwirkung in Titz Ensemble kann daher fuumlr die Zeit zwischen 1791 und 1796 angenommen werden Der Klarinetshytist Johann Joseph Beer spielte bei Titz vermutlich eher in der Zeit von 1783 bis 1786 mit zu der Zeit also als auch Giornovicchi Titz Ensemble angehoumlrte Ab und zu musizierte bei Titz auch der Groszligfuumlrst Aleksandr Pavlovic der spaumltere Zar Aleksandr 1 mit den Titz zu einem passablen Geiger herangebildet hatte

Die zeitweise Mitwirkung von verschiedenen Instrumentalisten und eine sich daraus ergebende variierende und bisweilen unshygewoumlhnliche Besetzung fuumlr die es originale Literatur nicht oder noch nicht gab hatte natuumlrlich zur Folge dass entsprechende Arshyrangements geschaffen werden mussten Als Autoren von solchen Bearbeitungen kamen Titzmiddot selbst und Wanzura in Frage Titz verfuumlgte als Komponist uumlber die dafuumlr notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten Diese besaszlig in gleicher Weise auch Wanzura Seine Klavierbearbeitungen von Opernnummern erschienen in dem Journal de musique dedie aux dames das der Petersburger Verleger Bernhard Theodor Breitkopf (1749-1820) der Bruder des Leipziger Verlagsinhabers zwischen 1785 und 1794 herausshygab Welches Repertoire einer Bearbeitung unterzogen wurde ist im einzelnen unbekannt Es kann jedoch vermutet werden dass es sich um Ausschnitte aus italienischen Opern handelte die dashymals auf dem Spielplan der Kaiserlichen Theater standen Da die 1791 in Petersburg eroumlffnete Musikalienhandlung von Johann Dashyniel Gerstenberg immer die neuesten Notenausgaben aus Paris Wien und Berlin heranschaffte 33 waren Titz und seine Musiker uumlber den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Westeuropa gut informiert und konnten so fuumlr das Repertoire des Kammerenshysembles immer auch neue Werke auswaumlhlen Gerstenberg brachshyte 17941795 das St Petersburger Musikmagazin fuumlr das Klavishychord oder Pianoforte heraus das neben Klavierkompositionen shy

33Vgl dazu E Stoumlckl Der St Petersburger Musikverlag Gerstenberg und der Beitrag deutscher Tonsetzer zur Schaffung der ersten Klavierkomposishytionen in Russland in Arolser Beitraumlge zur Musikforschung 8 Sinzig 2000 S 148

51

meist Variationen uumlber russische Volkslieder - auch Triosonaten von Ignaz Pleye1 34 enthielt In der Spaumltzeit von Titz Wirken in Petersburg erschienen in der Zarenresidenz die ersten einheimishyschen Ausgaben von Streichquartetten die Titz sicher kannte und moumlglicherweise fuumlr seine Musizierpraxis auch nutzte Zu denken ist an die Trois Grands Quatuors des aus Regensburg gebuumlrtigen Franz Adam Veichtner (1741-1822) seit 1795 Kammermusikus und Konzertmeister der Petersburger Hofkapelle die vermutlich zwischen 1796 und 1799 von Gerstenberg als Stimmen gedruckt wurden 35 sowie die ebenfalls von Gerstenberg herausgebrachten heute jedoch als verschollen anzusehenden Six Quatuors (1797) und Trois Quatuors (op 3 1796) von Johalln Konrad Schlick (1748-1818) Violoncellist in der Hofkapelle von Herzog Ernst 11 in Gotha 36 Es kann weiter vermutet werden dass Titz Sonaten des in den 1770er Jahren in Petersburg weilenden und sich der besonderen Gunst der Zarin erfreuenden italienischen Violinvirshytuosen Antonio Lolli (1730-1802) spielte Titz Kammerrpusikenshysemble musizierte gelegentlich auch im Theater und ersetzte auf diese Weise ein ganzes Orchester Manchmal saszligen waumlhrend der Theatervorstellullg im Orchester nur vier ausgezeichnete Musishyker Titz mit der Geige Delfino mit dem Violoncello Cardon mit der Harfe und Wanzura am Klavier 37 Es gibt Berichte wonach das Titzsche Ensemble in kleiner Besetzung Symphonishy

34 VgL ebd S 180 35 Das einzige erhalten gebliebene Exemplar von Veichtners Streichquartetshy

ten (F D g) befindet sich in der Szechenyi-N ational-Bibliothek in Budashypest Mit der freundlichen Unterstuumltzung von Herrn Dr Robert Muranyi (Szechenyi-Nationalbibliothek Budapest) und des Instituts fuumlr ostdeutsche Musik (Bergisch Gladbach) brachte E Stoumlckl das Zweite Streichquartett bei Edition Gravis (Bad Schwalbach 1988) in einer praktischen Erstausgashybe (Partitur und Stimmen) heraus

36Vgl B Vol man Russkie pecatnye noty XVIII veka Leningad 1957 S 224 und 227 auch Svodnyj katalog rossijskich llotnych izdanij Bd I XVIIlyj vek St Petersburg 1996 S 109 Nr IIL208 u III209 Die Konzertreisen die Schlick zusammen mit seiner Frau Regina Strinasacchi einer vorzuumlglishychen Violinistin unternahm fuumlhrten ihn ua auch nach Petersburg und es ist moumlglich dass seine von Gerstenberg herausgebrachten Kompositionen in der russischen Residenz auch aufgefuumlhrt wurden

37pI Sumarokov in Russkij archiv 1870 Sp 2106

52

en von Haydn und Mozart spielte 38 Neben haumlufigen Soireen in der Eremitage und den Privatgemaumlchern der Zarin trat Titz in den Sommermonaten auch in Carskoe selo auf wo er bevorzugt Streichquartette vortrug 39 auch solche von Haydn und Mozart Titz Kammermusikensemble beteiligte sich aber auch an groumlszligeshyren musikalischen Festivitaumlten des Zarenhofs Ein Ereignis dieshyser Art hat der Kammerfourier in seinem Journal unter dem 20 Juli 1791 in einer kurzen Notiz festgehalten Im Kiosk spielte die Kammermusik des Kapellmeisters Titz auf Geigen und dem Violoncello Auf der rechten Seite des Kiosks im Garten stand die Kammermusik der Blaumlser auf der linken Seite jenseits des Sees erklang Hornmusik und vor dem Kiosk selbst sangen die Hofsaumlnger verschiedene Konzerte und russische Volkslieder 40

Da als sicher anzunehmen ist dass Titz im Besitz seiner eigenen 1781 in Wien von Artaria publizierten Six Quatuors war ist es aumluszligerst wahrscheinlich dass er auch seine eigenen Kompositioshynen vortrug Titz duumlrfte mit seinem Streichquartett die zwischen 1801 und 1802 von Dittmar veroumlffentlichten Trois Quatuors soshywohl die drei Alexander 1 wie auch die drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette ehe sie in den Druck gingen ausprobiert haben Auf den Programmen standen wohl auch Titz Sonaten fuumlr Klavier und obligate Violine op I II und II1 Es ist weiter anzunehmen dass das Streichtrio und die Streichquartette von Wanzura die nicht erhalten geblieben sind von Titz und seinem Ensemble aufgefuumlhrt wurden

Die Zeitgenossen schaumltzten Titz Violinspiel in der Regel als beshy

38S0 schreibt die Graumlfin Varvara Nikolaevna Golovina in ihren Memoiren Jeden Morgen erhielt ich von der Groszligfuumlrstin eine schriftliche Nachricht in der sie mir befahl am Abend bei ihr zu erscheinen Die besten Musiker geleitet von Titz spielten Symphonien von Haydn und Mozart Der Groszligfuumlrst spielte auf der Violine Wir houmlrten diese herrliche Musik aus dem Nachbarzimmer (Zapiski grafini Varvary Nikolaevny Golovinoj (1766-1819) St Petersburg 1900 S 52f)

39Man rief Titz und drei weitere ausgezeichnete Musiker um Quartette zu spielen heiszligt es in den Memoiren der Graumlfin V N Golovina siehe unter Anm 38 zitierte Memoiren S 65

40 Aus dem Kapitel Die Kammerfourier-Journale und die Musik bei Hofe (T Livanova Russkaja muzykalnaja kultura XVIII veka Bd II Moskau 1953 S 423)

53

sonders glanzvoll ein wobei natuumlrlich subjektive Kriterien nicht auszuschlieszligen sind Der Dichter Ivan Ivanovic Dmitriev (1760shy1837) ein Vertreter des Sentimentalismus in Russland besingt den deutschen Geiger im Jahre 1798 in dem Vierzeiler

Wen houmlre ich Titz Der von dir beseelte Bogen singt spricht und bewegt die Herzen aller Oh Sohn der Harmonie dir gebuumlhrt die Krone und die gewoumlhnliche Sprache kannst du verachten 41

Als BN Zinovev ein Zeitgenosse von Titz waumlhrend eines Aufshyenthalts in Neapel Felice de Giardini (1716-1796) einen der beshydeutendsten Violinvirtuosen seiner Zeit Streichquartett spielen houmlrte stufte er die Qualitaumlt seines Spiels niedriger ein als die von Titz und Jarnowick 42

Der Verfasser des biographischen Artikels im Pantheon spricht davon dass Titz wegen sein~r Schuumlchternheit nicht haumltte Konshyzertgeiger werden koumlnnen und er deshalb auch nie als Solist aufshytrat Er fuumlgt aber hinzu Doch dafuumlr war er im Quartett in seinem Element Es gab nichts was man mit seiner angenehmen Bogenfuumlhrung und mit jenen wunderbar zarten Toumlnen haumltte vershygleichen koumlnnen die er den Saiten seiner Geige entlockte Besonshyders vortrefflich war er im Adagio seine Violine weinte im vollen Sinne dieses Wortes und sie ruumlhrte auch andere zu Traumlnen 43

Da Titz nach der Biographie im Pantheon 1797 erkrankte duumlrfte in diesem Jahr auch die Aktivitaumlt des von ihm geleiteshyten Kammermusikensembles nachgelassen haben und da sich der Geiger in der Folgezeit eigentlich nie wieder recht erholt hat ist die Kammermusikpfiege am russischen Hof vermutlich um 1797 ganz zum Erliegen gekommen Zusammenfassend kann festgeshystellt werden Ob als Streichquartett Trio oder als Ensemble mit einer gemischten Besetzung immer zeichnete sich das Spiel von Titz und seinen Musikern durch eine unvergleichlich hohe kuumlnstshylerische Qualitaumlt und Perfektion aus

41 Zitiert nach A Glumov Muzykalnyj mir Puskina Moskau-Leningrad 1950 S 97

42Russkaja starina 1878 Bd XXIII S 412 zitiert auch von T Livanova wie Anm 40 II S 311 Anm 2

43NM wie Anm 2 S 13

54

Die Werke

Anton Titz kompositorisches ffiuvre ist nicht allzu umfangreich Einige seiner Werke gelten als verschollen (zB viele seiner Roshymanzen fuumlr Gesang und Klavier) Es ist daher durchaus moumlglich dass die eine oder andere Komposition noch aufgefunden wird so dass sich das Gesamtwerk von Titz noch erweitern koumlnnte

1 Drucke

11 Streichquartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello

111 Six Quatuors (C A G c d Es) komponiert von Ferdinand Titz Nlusicien de la Chanlbre de Sa Maj Imp de toutes les Russhysies gewidmet Fuumlrst Galitzin (Golicyn) Wien 1781 Artaria Der Pariser Verleger Antoine Bailleux brachte unmittelbar nach der Wiener Ausgabe von ArtarHt einen Nachdruck der Quartettstimshymen mit dem VermerkTitz Schuumller Haydns heraus

1 Quartett Allegro Rondo

2 Quartett Poco Adagio con Variazioni Menuetto Trio Allegro di mol to

3 Quartett Allegro Rondo

4 Quartett Adagio - Allegro Allegretto (Menuetto) - Trio Cantabile Allegro spirito

5 Quartett Allegro Rondo

6 Quartett Adagio-Allegro Menuetto Trio Romance Allegro di molto

55

112 Trois Quatuors (G F a) komponiert von Anton Titz Alexander 1 gewidmet Gedruckt in St Petersburg bei Friedshyrich August Dittmar - Als Johann Daniel Gerstenberg 1799 nach Deutschland zuruumlckgegangen war uumlbernahm sein bisheriger Kompagnon Dittmar die Verlagsleitung und fuumlhrte das U nternehshymen bis 1808 alleine weiter Alexander I dem Titz seine Quarshytette widmete war 1801 russischer Zar geworden Einen mit der Dittmarschen Ausgabe identischen Nachdruck brachte Simrock in Bonn zwischen 1802 und 1803 heraus (vgl OE Deutsch Mushysikverlagsnummern Berlin 1961) Somit lieszlige sich die Publikation der Alexander 1 gewidmeten drei Streichquartette mit ziemlicher Sicherheit in die Zeit zwischen 1801 und 1802 datieren und sie waumlre eine der ersten russischen Streichquartettdrucke Von diesen drei Streichquartetten existiert ein Nachdruck auch von Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig der aumlhnlich wie der von Simrock in die Zeit zwischen 1802 und 1803 zu datieren ist Im Auftrag des Instishytuts fuumlr deutsche Musikkultur im oumlstlichen Europa e V (Bonn) gab E Stoumlckl eine praktische Erstausgabe des 1 Quartetts in G-Dur mit Partitur Vorwort und Stimmen heraus (Bad Schwalshybach 2000 Edition Gravis) Die praktische Erstausgabe auch des 2 und 3 Quartetts ist vorgesehen

1 Quartett Adagio Allegro Adagio Allegretto (Menuetto) - Trio Rondo

2 Quartett Allegro Adagio cantabile Rondo vivace

3 Quartett Siciliano affettuoso Allegro di molto agitato Romance Polonaise

113 Trois Quatuors (C B Es) komponiert von Anton Titz gewidmet dem Senator Aleksej Grigorevic Teplov Gedruckt in St Petersburg bei Friedrich August Dittmar zwischen 1801 und 1802 Das einzige erhalten gebliebene Exemplar das sich in der

56

Bibliothek des Cajkovskij-Konservatoriums in Moskau befindet ist defekt Nach Mitteilung der Bibliotheksdirektorin Frau Dr AF Cerkasova aus dem Jahre 1998 ist die Bratschenstimme verloren gegangen und in der Stimme der 2 Violine fehlen die Takte 5 bis 16 Es war nicht moumlglich von den drei AG Teplov gewidmeten Quartetten eine Kopie zu bekommen 1 Jampolskij fuumlhrt in seinem Buch Russkoe skripicnoe iskusstvo (MoskaushyLeningrad 1951) auf S 304 ff ein Notenbeispiel aus dem C-Dur Quartett dieser Ausgabe an fuumlr die die Violastimme von dem Komponisten G S Gamburg hinzukomponiert wurde

12 Duos fuumlr Streichinstrumente

121 Trois Duos a Deux Violons avec Romance et Rondeaux Composes par Ferdinand Titz Musicien de la Chambre de la Maj Im p de toutes les Russies Dedies a Madame La Baronesse de Fried Chez Christoph Torricella (B G C) Wien 1781

122 Sonate pour le Violon avec 1 accomp de Basse Compose par Mr Titz et dedie aMr Ignace Suchaneck par C G Kaestner A Moscou par Kaestner et Comp Adagio und Rondo beide in d-Moll

123 Sonate fuumlr Violine und Bass B-Dur Cantabile Allegro con espressione - Rondo

124 Sonate fuumlr Violine und Bass f-Moll Adagio - Allegro con espressione - Rondo

125 Sonate fuumlr Violine und Bass d-Moll Breitkopf amp Haumlrtei Nr 108 (Uppsala Universitaumltsbibliothek)

126 Trois sonates pour un violon avec ace d une basse Wien Jean Traeg Nr 121 (Zagreb Hrvatski glazbeni zavod Zbirka Don Nikole Udina Algaratti)

57

13 Sonaten fuumlr Clavecin oder Klavier und obligate Violine

131 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 1 ASt Petersbourg chez J D Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op I steht in f-Moll und unlfasst die Saumltze 1 Adagio con sordino 2 Allegro agitato Adagio

132 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 11 ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op II steht in fis-Moll und umfasst die Saumltze 1 Allegro con Espressione 2 Romance siciliano 3 Finale Presto I

133 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv In ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op III steht in c-Moll und umfasst die Saumltze 1 Adagio 2 Allegro agitato 3 Adagio 4 Allegro vivace

134 Sonate fuumlr Violine und Klavier Gemeinschaftskomposition mit dem in Riga lebenden Komponishysten Julius August Fehre (1745-1812) Vgl B Volman Russkie pecatnye noty XVIII veka Leningrad 1957 S 64 ( verschollen)

14 Lied

141 Stonet sizyj golu bocek (Es klagt die graue Taube) in N Findejzen Ocerki Bd 2 Moskau-Leningrad 1929 S CXXXVIL

58

2 Manuskripte

21 Quartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello

211 Sechs Streichquartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello Identisch mit den 1781 in Wien bei Artaria publizierten Werken Wien Oumlsterreichische Nationalbibliothek

22 Quintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen und Violoncello

221 Vier Streichquintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen u Violoncello (A c-C F Es) Wien Gesellschaft der Musikfreunde Es handelt sich unl Abshyschriften die von Wiener Berufskopisten zwischen 1780 und 1800 angefertigt wurden Daraus ist zu schlieszligen dass Titz die hier aufgefuumlhrten Kompositionen schon in Russland schuf

Quintett in A-Dur Allegro - Andante grazioso - Presto Quintett in c-Moll Adagio - Allegro con spirito - Adagio - Ronshy

do Presto Quintett in F-Dur Allegro Andante Rondo Quintett in Es- Dur Allegro Maestoso - U n poco Adagio Rondo

~22 Sechs Streichquintette Osterreichische Nationalbibliothek Wien

Quintett in F-Dur (Mus Hs 11511) Allegro Andante - Rondo Quintett in Es-Dur (Mus Hs 15512) Allegro Maestoso - Un

poco Adagio Rondo Quintett in B-Dur (Mus Hs 11513) Allegro con espressione

Adagio - Rondo Presto Quintett in A-Dur (Mus Hs 11514) Allegro - Andante grazioso

Presto Quintett in c-Moll (Mus Hs 11515) Adagio - Allegro con spirito

Adagio Presto Quintett in d-Moll (Mus Hs l1516) Adagio - Allegro - Cantashy

bile Allegro assai

Alle sechs Stimmabschriften tragen den Vermerk N H 796 wurshyden also 1 796 angefertigt

59

23 Konzert

231 Concert fuumlr Violine principale 2 Violinen 2 Corni Oboi et Basso in Es-Dur Das Konzert besteht aus den Saumltzen Allegro - Cantabile - Rondo Fundort Wien Gesellschaft der Musikfreunde

24 Symphonie

241 Dreisaumltziges Werk fuumlr 2 Violinen Viola Kontrabass 2 Oboen 2 Waldhoumlrner und Pauken (Im Andantino werden die Oboen durch eine Floumlte ersetzt) Die Symphonie besteht aus den Saumltzen Allegro di molto Andantino und Prestissinlo Die handschriftlichen Orchesterstimmen befinden sich in der Bishybliothek des Schlosses zu Pavlovsk (s Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 402 Anm 42)

25 Vokalkomposition

251 Arie fuumlr Sopran solo mit Instrumentalbegleitung (EitnerQ 408)

Wenn wir auch bis zum gegenwaumlrtigen Zeitpunkt nicht alle von Titz geschaffenen Kompositionen kennen so erlauben es doch die der Forschung zugaumlnglichen Werke durchaus sich zumindest von Titz als Komponisten von instrumentaler Kammermusik ein Bild zu machen Zwar hat er auch eine ganze Reihe von Liedern (Roshymanzen) fuumlr Gesang und Klavier geschrieben doch muumlssen dieshyse Kompositionen wahrscheinlich als verschollen angesehen wershyden und entziehen sich daher einer Einschaumltzung Einzig und alshylein das Lied Es klagt die graue Taube (Stonet sizyj golubocek) dessen Autorschaft Findejzen einenl unbekannten Komponisten Keldys 44 aber Titzzuschreiben zu koumlnnen glaubt scheint der

44 VgI N Findejzen Ocerki po istorii muzyki v Rossii Bd 2 Moskau-Leshyningrad 1929 S 301 das Nbsp dazu befindet sich auf S CXXXVII - Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 220 Anm 59

60

r

auf uns gekommene Rest von Titz Vokalschaffen zu sein Dabei erfreuten sich Titz Lieder und insbesondere Es klagt die graue Taube zu ihrer Zeit groumlszligter Beliebtheit und letzteres wurde noch in den 1830er Jahren viel gesungen

Auch uumlber Titz als Symphoniker lassen sich zur Zeit keine Ausshysagen machen weil diesbezuumlgliche Werke in Deutschland nicht verfuumlgbar sind 45

Der folgende Versuch einer Stilanalyse bezieht sich infolgedesshysen vorwiegend auf die Sonaten fuumlr Klavier und obligate Violine op I 11 und III sowie die der Forschung zugaumlnglichen Streichshyquartette Es zeigt sich dass Titz in dem Zeitraum zwischen etwa 1781 und 1802 den Weg von der Fruumlhklassik zur Klassik durchlaushyfen hat Seine fruumlhen 1781 in Wien bei Artaria veroumlffentlichten Six Quatuors weisen in den ersten Saumltzen noch eine mehr oder minder willkuumlrliche Reihung des thematischen Materials auf N r 1 3 und 5 bestehen nur aus zwei Saumltzen jeweils aus einem Allegro und einem Rondo die drei uumlbrigen Werke zeigen dagegen schon die spaumltere klassische Viersaumltzigkeit mit zwei schnellen Ecksaumltzen einem Menuett mit Trio und einem nach dem Menuett folgenden langsamen Satz Eine Sonatensatzform ist jedoch nicht zu erkenshynen Den Quartetten N r 4 und 6 stellte Titz ein einleitendes Adagio voran im Streichquartett Nr 2 (A-Dur) waumlhlte er als ershysten Satz ein Thema mit Variationen Fuumlr die Vermutung dass Titz diese Quartette erst in Russland geschrieben hat spricht dass er sich auf dem Titelblatt als M usicien de la Chambre de Sa Maj Imp de toutes les Russies bezeichnet und die Kompositioshynen dem Fuumlrsten Galitzin (Golicyn) Ministre Plenipotentiaire de S M 1 de toutes les Russies pres la Cour Imp et Roy gewidshymet hat 46 (Siehe Abbildung 1) In Wien wurden sie gedruckt weil es in Russland zu dieser Zeit einen 1vlusikverlag mit einer funktionierenden Notendruckerei noch nicht gab Bei den sechs von Artaria 1781 herausgebrachten Streichquartetten haben wir es daher mit den ersten in Russland komponierten Werken dieser Gattung zu tun Titz kann infolgedessen mit Recht als der Beshygruumlnder des Streichquartetts in Russland angesehen werden Dass

45Wie unter Die Werke angegeben ist Titz einzige symphonische Komposhysition eine dreisaumltzige Symphonie Manuskript geblieben Dieses Werk hershyauszugeben waumlre eine verdienstvolle Aufgabe fuumlr die russischen Kollegen

46Naumlhere Angaben zu Golicyn waren nicht zu ermitteln

61

Nbsp 1 Op I die zwei Themen des Allegro agitato

Allegro agitato

r I

~ J I

tJ - ~ bull ~ I I

~

l ~

tgt

-

bull ~

bull bull

r

_I ~ 1 bull

_ _I --~ t

-

--

-

~ ~

TI I

I

11

( 4 I

~

(

I Thema I ~

e)

~ I bull

e

bull

~ shy

-J tJ

-T bull

L

1 I i

tJ I

~

h1 I

11

1

4

62

bullbull

Fortsetzung Nbsp 1

2 Thema 1 J I bullbull - - bull

1 J bull 1 I

t I I J - lfIt bullbullt ~I --shy~

~ -4 i

Jr 1 bull ~

1 t l

~ ~j j ttt

- - tmiddot --m shy I l

- I tJ - J I

Ij T

J rt t t t t t ~~ t 1 I~i bull I

- shyI bullftmiddot

63

dann die drei zwischen 1801 und 1802 in Petersburg bei Dittmar gedruckten Alexander I gewidmeten Quartette auch von Simshyrock in Bonn und Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig herausgebracht wurden zeugt von der offenbar groszligen Beliebtheit dieser Komshypositionen zu ihrer Zeit

In den drei Sonaten fuumlr Clavecin oder Pianoforte und obligate Violine op I II und III die bei J D Gerstenberg amp Comp in St ~~tersburg vermutlich 1795 gedruckt wurden vollzieht Titz den Ubergang zum klassischen Stil 47 Op I (f-Moll) besteht nur aus zwei Saumltzen einem con sordino vorzutragenden Adagio und einem Allegro agitato In der formalen Gestaltung verfaumlhrt Titz im Allegro ziemlich eigenwillig Er bringt ein zweites Thema erst im zweiten Teil des Allegro-Satzes und baut es gewissermaszligen in die Durchfuumlhrung ein Zwar kontrastiert es mit dem Hauptthema steht aber - was ungewoumlhnlich ist - in g-Moll (siehe Nbsp 1) Diese formale Anordnung fUumllhrt jedoch in gewisser Weise schon

47 Die drei Sonaten op I II und III blieben von russischen und sowjetischen Musikforschern bisher voumlllig unbeachtet Neben den schon erwaumlhnten Aushytoren sind hier noch zu nennen L Raaben (Instrumentalnyj ansambl v russkoj muzyke Moskau 1961) und L Ginzburg (Istorija violoncelnogo isshykusstva Buch 2 Moskau 1957 S 399) Offenbar waren ihnen diese Komposhysitionen nicht zugaumlnglich denn RISM gibt fuumlr sie einen russischen Standort nicht an Doch ist wohl op II in den letzten Jahren wieder aufgefunden worden Im Katalog der Russischen Nationalbibliothek ist dieser N otenshydruck jedenfalls verzeichnet (vgl Svodnyj katalog rossijskich notnych izshydanij Bd I XVIII vek St Petersburg 1996 S 60 I 206) RISM nennt dagegen als einzige Bibliothek die diese Sonaten heute noch besitzt die Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar der fuumlr die Anfertigung von Kopien an dieser Stelle herzlich gedankt sei

Das Exemplar des op I traumlgt den handschriftlichen Vermerk Maria Pavshylovna (siehe Abbildung 2) gehoumlrte also wahrscheinlich dieser aus der Zashyren familie stammenden russischen Groszligfuumlrstin die es bei ihrer 1804 erfolgshyten Vermaumlhlung mit dem Groszligfuumlrsten Karl Friedrich von Sachsen-Weimar (1783-1853) vermutlich mit nach Weimar gebracht hat Die allseitig geshybildete Maria Pavlovna (t 1859) spielte Klavier sie stand mit Goethe in staumlndigem geistigem Austausch es ist auch uumlberliefert dass sie sich unter der Anleitung des damaligen russischen Hofkapellmeisters Giuseppe Sarti (1729-1802) mit Komposition beschaumlftigt hat (vgl N von Milde Maria Pawlowna Hamburg 1904 S 88) Dass sie Anton Titz persoumlnlich gekannt hat und ihn zusammen mit seinem Ensemble am Petersburger Hof musishyzieren houmlrte ist sehr wahrscheinlich

64

Abb 1 Titelblatt der Six Quattuors Wien 1781 (Artaria)

65

S 0 N A T E~ pour le

CLAYECIN ou PIANOFORTE

et

VIOLON OBLIGE

conposee

par

Mf TITZ

Opl

A St Petersbour8

ehc Gcutenberg et Camp

Prix IR

Abb 2 Titelblatt von op I mit den Schriftzuumlgen von Maria Pavlovna Groszligherzogin von Sachsen-Weimar

66

zur Sonatensatzform hin die der Komponist dann in den Sonaten op II und III in voller Auspraumlgung anwendet

Nbsp 2 Op III Adagio

Adagio _A ~ bull

I

JI I

I

iM eJ tJ f I

11 - -- ~ - I

p ~ ~ ~ ---

y

f ~

f 1 I ti I~~ I -bullbull bull

I )

r r 6

bull -pshy pt If

bullbull 11 bull bull ~

I r-Bei op 11 (fis-Moll) haben wir es mit einer dreisaumltzigen und bei op III (c-Moll) sogar mit einer viersaumltzigen Sonate zu tun Zwishyschen die bei den schnellen Ecksaumltze schiebt sich in op 11 eine im Volkston gehaltene Romance siciliano (A-Dur) in der Titz seine lyrische Veranlagung auslebt In den Ecksaumltzen des op III (cshyMoll) kommen dagegen pathetische Zuumlge zum Tragen die auch in dem der Sonate vorangestellten einleitenden Adagio anklingen Eine zarte Lyrik kennzeichnet dagegen den langsamen Satz ein

67

Nbsp 3 Op II 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro con espressione A

I

t

~ --- ---shy ----shy -shy1 j - ~ ~ ~ bull

- bull r - 11 i 1 shy bull lI__ bull

J 11 I

t) - r

1 I ~ rrI bull 1_ 1__ rtI eJ ~ - 1 1middot

bull d 11shy llI

~ 14 Ci bull

~ f Seitenthema

~

f

) t

4J -shy - ~ -J

A~lmiddot i_I I

-J I I bull I

A f

~ fI i bull f7 bull shy j i

eJ vshy - ~ ~ - bull t I I )r L

J 1 I I 11 L 11 i

t) bull -

68

1

~bull

Nbsp 4 Op III 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro agitato ~ I bull r Umiddot ~ F

bullbull f~ ~ I I - - ~

bull-~ - ~

bull I tI I t

~ jj jjl ~H 6 bull

I IIJshy -shy I --

4) P ttUCo fJ I I )_r ----

~ -- - crvc J1 P

( ~ ~- 1t_~ - ~

I

VIIoi ~

dolc I a -- r ~

dok ~

I

( ~

- r I I bull ~

11

V8=

~ I ~ -Je - _- _I

1I - I I I l J

~ r I I V ~ - - l0t ~ ~ (

69

Nbsp 5 Quartett a-Moll Haupt- und Seitenthema

Allegro di molto agitato - t1I ft

lt shy ~

-~ -

~

ttJ f j J ~ 4 J ~ bull

I - I - r ~fIe

I IJr

I JJ I- bull

- ~ ]11 _t

1- ~~ 1Il 4 ~ ilA JJ r J ~ -shy

bull

4i) I bull 11 ~ bull ~ 1i-Idole ~ ~ -~ -

I -

~~ I I _I f bull eJ 1shy - - - I -

11 J ir (shy 1-( -~

~

I

Adagio in Es-Dur (siehe Nbsp 2) Formal weisen die Ecksaumltze dieser beiden Sonaten die typische Sonatensatzform auf wobei das Seitenthema jeweils in der parallelen Dur-Tonart steht (siehe Nbsp 3 und 4) Der Satzumfang ist mit jeweils ca 250 Takshy

70

Nbsp 6 Quartett G-Dur 1 Satz

Allegro ~

r I

1 bull 1 bull bullbull I TT

-UI II I I --- - bull

f ~~ ~

h hbull J -1 ~

bull

bull bull bull 1 iilbull bull bull bullbullbullbull bull bullbullbullbull

f - -bull

bull iii - - ---ifiJ bull 1fI bull bull

~~~ -

--~

middot bull

r shy

bull

Ir ~ bull

J~ n--

r

0___- V ______

1amp

~

-

JJlJ J~

I

I bull bull ~

bull

lJ~~r-J

--

1 ~ t bull r t

T -- -

SilJ -- -

71

Fortsetzung Nbsp 6

A

_t

-su - shy

eJ bull IJgt- f~ 11- I

-

t t 1 1

- t I - _

T

bull

~v v 17

-PO bull

bull I

11 bull Ir ~

---shy J ~

bull bull bullL---shyWW~

bull bull ltr~ ~ bullbull ~ ~

t l1li bull a

bullbullbullbull

) bull bull-

-

~ I

~

-

-po

I 1 bull

bull I bull bull

bullbullbullbull

bull bull

-tiTbull

~

-

~ --shy-

--

1 I

J

~ bull bull

72

ten beachtlich der Durchfuumlhrung wird viel Raum gegeben Die Violinstimme ist sparsam ausgesetzt nur verhaumlltnismaumlszligig selten wird ihr thematisches Material uumlbertragen Dennoch bildet sie zusammen nlit dem Klavierpart eine untrennbare klangliche Einshyheit Insgesamt zeichnen sich die drei Sonaten durch einfallsreiche thematische Erfindung aus Besonders zu bezaubern vermag die Sonate in fis-Moll (Op II)

Nbsp 7 Quartett F-Dur 1 Satz Hauptthema

r r r - - r - rr rrrf Dass sich Titz die klassische Schreibweise zu eigen gemacht hat

belegen auch die drei Alexander 1 gewidnleten Streichquartette von 18011802 Am konsequentesten haumllt sich der Komponist an das Schema der Sonatensatzform im Allegro di molto agitato des 3 Quartetts (a-Moll) In der Exposition bringt er das Haupt- und in der parallelen Dur-Tonart das Seitenthema (siehe Nbsp 5) und laumlsst dann eine Durchfuumlhrung und Reprise mit Coda folgen In

73

Nbsp 8 Quartett F-Dur 1 Satz Seitenthema

Ir

I bull bull

lIiiiiiiii

ol LI r4tJ - ~l ~J t J j 11 bull q- tr bullbull bull r I~ t I It-I- It bull It It IJ S

I-

~ - - -shy I I shy - IJ1p - --1J - h~~ Ir I

41-

J J- I wr -

- bull rTJ

f) ~ ~ ~ -iJ--1-- -~t J

~

bullt-1

74

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 7: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

li Trii und Concerten von Telemann 17 Kayser 18 Haynichen 19

SchuItz 20 Fuchs 21 und andern damals beruumlhmtesten Deutschen sowohl als von Corelli 22 Tartini 23 Porpora 24 und andern itashylienischen Komponisten Peter der Groszlige wohnte diesem hershyzoglichen Kammerkonzert nicht nur selbst oumlfters bei sondern lieszlig es fast alle Woche einmal auch an seinenl Hofe spielen Daselbst fand es um so mehr allgemeinen Beifall je neuer und angenehshymer es den vornehmen Russen im Vergleich aller ihrer bisherigen Musik vorkommen musste 25

Nach diesen1 ersten Kontakt der russischen Hofgesellschaft mit der Kammermusik Westeuropas der infolge der woumlchentlich reshygelmaumlszligig stattfindenden Konzerte zur Herausbildung einer festen Tradition fuumlhrte erlebte der Zarenhof als er 1733 und dann wieder seit 1735 eine italienische Hofoper einrichtete nicht nur eine Bluumltezeit der opera seria sondern getragen von den im italienischen Opernorchester wirkenden Violinvirtuosen Giovanshyni Verocai 26 Luigi Madonis 27 und Domenico dallOglio 28 auch eine strahlende Epoche der spaumltbarocken Geigenkunst 29 Diese Geiger traten in den Hofkonzerten regelmaumlszligig als Solisten hervor

17 Georg Philipp Telemann (1681-1767) 18Gemeint ist Reinhard Keiser (1674-1739) 19Gemeint ist Johann David Heinichen (1683-1729) 2degGemeint ist vermutlich Heinrich Schultze der 1681 in Stralsund geboren

wurde und seit 1717 Konzertmeister hierauf Direktor der Polnischen Kashypelle Augusts des Starken war

21Es handelt sich wahrscheinlich um Johann Joseph Fux (1660-1741) von dem die Zeitgenossen insbesondere die Trio-Sonaten lobten

22 Arcangelo Corelli (1653-1713) 23Giuseppe Tartini (1692-1770) 24 Nicola Antonio Porpora (1686-1766) 25 Jakob v Staumlhlin Nachrichten von der Musik in Ruszligland in Theater Tanz

und Musik in Ruszligland hrsgv E Stoumlckl Leipzig 1982 S 80r 26G Verocai C um 1700 in Venedig t 1745 in Braunschweig) war seit 1731

im Dienste des russischen Hofs in Moskau seit 1732 in St Petersburg 271 Madonis ( 1700 in Venedig t 1767 in St Petersburg) in Petersburg

1733 bis 1738 und dann wieder 1740 bis zum Tode seit 1761 geistesgestoumlrt 28D dallOglio ( um 1700 in Padua t 1764 in Narva) In St Petersburg

von 1735 bis 1764 29 V gl dazu L Gurevic Der russische Violinb1fock in Arolser Beitraumlge zur

Musikforschung 8 Sinzig 2000 S 29ff

48

middot raumlumten aber dabei auch Kammermusikwerken wie Sonaten und Trios einen gebuumlhrenden Platz ein Damit knuumlpften sie an die in den 1720er Jahren von Musikern des holsteinschen Herzogs geshyschaffene Tradition an und fuumlhrten sie zu einenl glanzvollen neuen Houmlhepunkt Als die Italiener Petersburg verlieszligen Verocai ging schon 1738 nach Braunschweig dall OgHo reiste 1764 aus Petersshyburg ab Madonis war seit 1761 geistesgestoumlrt - riss die Kamshymermusikpflege unvermittelt ab Als Titz 1771 nach Petersburg kam war von den italienischen Violinvirtuosen niemand mehr da Die von ihnen fruumlher gepflegte Kammermusik lebte jedoch in der Erinnerung der einstmaligen Houmlrer fort so dass ihr Verschwinshyden aus dem houmlfischen Musikleben als Luumlcke empfunden werden musste Katharina I1 scheint dies gespuumlrt zu haben so dass sie schlieszliglich den Befehl zur Gruumlndung eines festen Ensembles gab und damit die in den 1760er Jahren verloren gegangene Tradition der Kammermusikpflege nea belebte Mit diesenl Ensemble hatshyte Titz vor allem fuumlr das spezielle musikalische Amuumlsement der Hofgesellschaft in erster Linie der Zarin selbst zu sorgen Wann immer Katharina I1 oder einem Mitglied der Hofgesellschaft der Sinn nach musikalischer Unterhaltung stand wurde Titz gerushyfen und musste mit seinem Ensenlble fuumlr die hohen Herrschaften aufspielen

Die Musiker des Ensembles wechselten doch rekrutierten sie sich stets aus den besten Instrumentalisten die es damals in Peshytersburg gab So spielte - vermutlich zwischen 1783 und 1786 -Ivan Giornovicchi (Jarnowick um 1740-1804) mit der - wie die Allgemeine musikalische Zeitung in ihrem Nachruf konstatiert einer der vorzuumlglichsten Virtuosen auf seinem Instrument war das er besonders mit Genauigkeit Anmuth und Zierlichkeit beshyhandelte ihm den reinsten und einschmeichelndsten Ton zu entshylocken und eine Seele einzuhauchen wusste welcher man sich mit Entzuumlcken hingab Selbst spaumlte Jahre hatten diese seine Vorzuumlge nicht verringert 30

Eine Zeitlang gehoumlrte der in Berlin geborene Ernst Heinrich Raab (1750- ) Sohn eines Hofmusikers des Prinzen Ferdinands von Preuszligen dem von Titz geleiteten Kammermusikensemble an Er war 1781 fuumlr die ersten Geigen des Ersten Hoforchesters anshygestellt worden wurde jedoch schon ein Jahr spaumlter beurlaubt

30 AmZ 1804 241

49

shy

( ~ -

Seitdem gibt es uumlber ihn keine Nachrichten mehr Er kann also nur kurze Zeit in der Kammermusik bei Hofe mitgewirkt haben Anders verhaumllt es sich mit Otto Ernst Tewes (1759-1800) der seit 1775 erster Geiger im Ersten Hoforchester war und bis zu seinem Lebensende in Petersburg blieb Aus seiner Feder stammt die dreiaktige komische Oper Die wuumltende Familie (Besenaja sem ja) auf ein Libretto des bekannten russischen Fabeldichters LA Kryshylov die 1786 - allerdings mit einem nur maumlszligigen Erfolg in Petersburg auch aufgefuumlhrt wurde 31 Tewes spielte in Titz Enshysemble sicher laumlngere Zeit mit Die Bratsche war durch Stockfisch vertreten uumlber den wir allerdings keinerlei naumlhere Informationen besitzen sogar sein Vorname ist unbekannt Vermutlich war er Bratscher im Ersten Hoforchester Am Pult des Violoncellisten saszlig Alessandro Delfino der ehe er 1789 nach Petersburg geganshygen war als erster Violoncellist im Orchester der Mailaumlnder Scashyla gewirkt hatte Nach voruumlliergehendem Dienst im Privatorcheshyster von Feldmarschall Fuumlrst Grigorij Aleksandrovic Potemkin (1739-1791 ) erhielt er 1793 in Petersburg die Stelle des Solovioshyloncellisten im Ersten Hoforchester mit einem Vertrag auf fuumlnf Jahre Vermutlich in dieser Zeit 1793 bis 1798 wirkte er in Titz Ensemble 32 Mit Tewes Stockfisch und Delfino stand Titz eishyne ausgezeichnete Streichquartettbesetzung zur Verfuumlgung die bei Bedarf oder wenn es die Anwesenheit besonders talentiershyter Musiker in Petersburg erforderte erweitert bzw veraumlndert wurde So wirkten bei Titz der aus Boumlhmen stammende Claveshyeinist und Komponist Ernest Wanzura ( um 1750 t 1802) der franzoumlsische Harfenist Jean-Baptiste Cardon ( um 1747 t um 1805) der aus Kassel gebuumlrtige Floumltenvirtuose Franz Ludwig Mishychel (Lebensgrenzen unbekannt) und der deutschboumlhmische Klashyrinettenvirtuose Johann Joseph Beer (1744-1812) mit

Wanzura lebte seit 1783 in Moskau und wechselte 1786 nach Petersburg uumlber Seit dieser Zeit spielte er - wahrscheinlich auch nicht regelmaumlszligig - im Kammermusikensemble von Titz mit Der Harfenist Cardon der Paris vermutlich zu Beginn der Revolution verlassen hatte weilte seit 1790 in Petersburg Sein Vertrag mit der Direktion der Kaiserlichen Theater war auf drei Jahre (1790shy

31 Vgl Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 343 32Zu Delfino vgl RA Mooser Annales de la musique et des musiciens en

Russie au XVIII siede Bd 2 Genf 1951 S 488

50

I r

1793) befristet In dieser Zeit spielte er bei Titz mit Der Floumltist Franz Ludwig Michel war 1775 bis 1791 Mitglied des Privatorcheshysters des Fuumlrsten Grigorij Aleksandrovic Potemkin lebte hierauf bis 1796 in Petersburg um dann nach Deutschland zuruumlckzukehshyren Michels Mitwirkung in Titz Ensemble kann daher fuumlr die Zeit zwischen 1791 und 1796 angenommen werden Der Klarinetshytist Johann Joseph Beer spielte bei Titz vermutlich eher in der Zeit von 1783 bis 1786 mit zu der Zeit also als auch Giornovicchi Titz Ensemble angehoumlrte Ab und zu musizierte bei Titz auch der Groszligfuumlrst Aleksandr Pavlovic der spaumltere Zar Aleksandr 1 mit den Titz zu einem passablen Geiger herangebildet hatte

Die zeitweise Mitwirkung von verschiedenen Instrumentalisten und eine sich daraus ergebende variierende und bisweilen unshygewoumlhnliche Besetzung fuumlr die es originale Literatur nicht oder noch nicht gab hatte natuumlrlich zur Folge dass entsprechende Arshyrangements geschaffen werden mussten Als Autoren von solchen Bearbeitungen kamen Titzmiddot selbst und Wanzura in Frage Titz verfuumlgte als Komponist uumlber die dafuumlr notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten Diese besaszlig in gleicher Weise auch Wanzura Seine Klavierbearbeitungen von Opernnummern erschienen in dem Journal de musique dedie aux dames das der Petersburger Verleger Bernhard Theodor Breitkopf (1749-1820) der Bruder des Leipziger Verlagsinhabers zwischen 1785 und 1794 herausshygab Welches Repertoire einer Bearbeitung unterzogen wurde ist im einzelnen unbekannt Es kann jedoch vermutet werden dass es sich um Ausschnitte aus italienischen Opern handelte die dashymals auf dem Spielplan der Kaiserlichen Theater standen Da die 1791 in Petersburg eroumlffnete Musikalienhandlung von Johann Dashyniel Gerstenberg immer die neuesten Notenausgaben aus Paris Wien und Berlin heranschaffte 33 waren Titz und seine Musiker uumlber den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Westeuropa gut informiert und konnten so fuumlr das Repertoire des Kammerenshysembles immer auch neue Werke auswaumlhlen Gerstenberg brachshyte 17941795 das St Petersburger Musikmagazin fuumlr das Klavishychord oder Pianoforte heraus das neben Klavierkompositionen shy

33Vgl dazu E Stoumlckl Der St Petersburger Musikverlag Gerstenberg und der Beitrag deutscher Tonsetzer zur Schaffung der ersten Klavierkomposishytionen in Russland in Arolser Beitraumlge zur Musikforschung 8 Sinzig 2000 S 148

51

meist Variationen uumlber russische Volkslieder - auch Triosonaten von Ignaz Pleye1 34 enthielt In der Spaumltzeit von Titz Wirken in Petersburg erschienen in der Zarenresidenz die ersten einheimishyschen Ausgaben von Streichquartetten die Titz sicher kannte und moumlglicherweise fuumlr seine Musizierpraxis auch nutzte Zu denken ist an die Trois Grands Quatuors des aus Regensburg gebuumlrtigen Franz Adam Veichtner (1741-1822) seit 1795 Kammermusikus und Konzertmeister der Petersburger Hofkapelle die vermutlich zwischen 1796 und 1799 von Gerstenberg als Stimmen gedruckt wurden 35 sowie die ebenfalls von Gerstenberg herausgebrachten heute jedoch als verschollen anzusehenden Six Quatuors (1797) und Trois Quatuors (op 3 1796) von Johalln Konrad Schlick (1748-1818) Violoncellist in der Hofkapelle von Herzog Ernst 11 in Gotha 36 Es kann weiter vermutet werden dass Titz Sonaten des in den 1770er Jahren in Petersburg weilenden und sich der besonderen Gunst der Zarin erfreuenden italienischen Violinvirshytuosen Antonio Lolli (1730-1802) spielte Titz Kammerrpusikenshysemble musizierte gelegentlich auch im Theater und ersetzte auf diese Weise ein ganzes Orchester Manchmal saszligen waumlhrend der Theatervorstellullg im Orchester nur vier ausgezeichnete Musishyker Titz mit der Geige Delfino mit dem Violoncello Cardon mit der Harfe und Wanzura am Klavier 37 Es gibt Berichte wonach das Titzsche Ensemble in kleiner Besetzung Symphonishy

34 VgL ebd S 180 35 Das einzige erhalten gebliebene Exemplar von Veichtners Streichquartetshy

ten (F D g) befindet sich in der Szechenyi-N ational-Bibliothek in Budashypest Mit der freundlichen Unterstuumltzung von Herrn Dr Robert Muranyi (Szechenyi-Nationalbibliothek Budapest) und des Instituts fuumlr ostdeutsche Musik (Bergisch Gladbach) brachte E Stoumlckl das Zweite Streichquartett bei Edition Gravis (Bad Schwalbach 1988) in einer praktischen Erstausgashybe (Partitur und Stimmen) heraus

36Vgl B Vol man Russkie pecatnye noty XVIII veka Leningad 1957 S 224 und 227 auch Svodnyj katalog rossijskich llotnych izdanij Bd I XVIIlyj vek St Petersburg 1996 S 109 Nr IIL208 u III209 Die Konzertreisen die Schlick zusammen mit seiner Frau Regina Strinasacchi einer vorzuumlglishychen Violinistin unternahm fuumlhrten ihn ua auch nach Petersburg und es ist moumlglich dass seine von Gerstenberg herausgebrachten Kompositionen in der russischen Residenz auch aufgefuumlhrt wurden

37pI Sumarokov in Russkij archiv 1870 Sp 2106

52

en von Haydn und Mozart spielte 38 Neben haumlufigen Soireen in der Eremitage und den Privatgemaumlchern der Zarin trat Titz in den Sommermonaten auch in Carskoe selo auf wo er bevorzugt Streichquartette vortrug 39 auch solche von Haydn und Mozart Titz Kammermusikensemble beteiligte sich aber auch an groumlszligeshyren musikalischen Festivitaumlten des Zarenhofs Ein Ereignis dieshyser Art hat der Kammerfourier in seinem Journal unter dem 20 Juli 1791 in einer kurzen Notiz festgehalten Im Kiosk spielte die Kammermusik des Kapellmeisters Titz auf Geigen und dem Violoncello Auf der rechten Seite des Kiosks im Garten stand die Kammermusik der Blaumlser auf der linken Seite jenseits des Sees erklang Hornmusik und vor dem Kiosk selbst sangen die Hofsaumlnger verschiedene Konzerte und russische Volkslieder 40

Da als sicher anzunehmen ist dass Titz im Besitz seiner eigenen 1781 in Wien von Artaria publizierten Six Quatuors war ist es aumluszligerst wahrscheinlich dass er auch seine eigenen Kompositioshynen vortrug Titz duumlrfte mit seinem Streichquartett die zwischen 1801 und 1802 von Dittmar veroumlffentlichten Trois Quatuors soshywohl die drei Alexander 1 wie auch die drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette ehe sie in den Druck gingen ausprobiert haben Auf den Programmen standen wohl auch Titz Sonaten fuumlr Klavier und obligate Violine op I II und II1 Es ist weiter anzunehmen dass das Streichtrio und die Streichquartette von Wanzura die nicht erhalten geblieben sind von Titz und seinem Ensemble aufgefuumlhrt wurden

Die Zeitgenossen schaumltzten Titz Violinspiel in der Regel als beshy

38S0 schreibt die Graumlfin Varvara Nikolaevna Golovina in ihren Memoiren Jeden Morgen erhielt ich von der Groszligfuumlrstin eine schriftliche Nachricht in der sie mir befahl am Abend bei ihr zu erscheinen Die besten Musiker geleitet von Titz spielten Symphonien von Haydn und Mozart Der Groszligfuumlrst spielte auf der Violine Wir houmlrten diese herrliche Musik aus dem Nachbarzimmer (Zapiski grafini Varvary Nikolaevny Golovinoj (1766-1819) St Petersburg 1900 S 52f)

39Man rief Titz und drei weitere ausgezeichnete Musiker um Quartette zu spielen heiszligt es in den Memoiren der Graumlfin V N Golovina siehe unter Anm 38 zitierte Memoiren S 65

40 Aus dem Kapitel Die Kammerfourier-Journale und die Musik bei Hofe (T Livanova Russkaja muzykalnaja kultura XVIII veka Bd II Moskau 1953 S 423)

53

sonders glanzvoll ein wobei natuumlrlich subjektive Kriterien nicht auszuschlieszligen sind Der Dichter Ivan Ivanovic Dmitriev (1760shy1837) ein Vertreter des Sentimentalismus in Russland besingt den deutschen Geiger im Jahre 1798 in dem Vierzeiler

Wen houmlre ich Titz Der von dir beseelte Bogen singt spricht und bewegt die Herzen aller Oh Sohn der Harmonie dir gebuumlhrt die Krone und die gewoumlhnliche Sprache kannst du verachten 41

Als BN Zinovev ein Zeitgenosse von Titz waumlhrend eines Aufshyenthalts in Neapel Felice de Giardini (1716-1796) einen der beshydeutendsten Violinvirtuosen seiner Zeit Streichquartett spielen houmlrte stufte er die Qualitaumlt seines Spiels niedriger ein als die von Titz und Jarnowick 42

Der Verfasser des biographischen Artikels im Pantheon spricht davon dass Titz wegen sein~r Schuumlchternheit nicht haumltte Konshyzertgeiger werden koumlnnen und er deshalb auch nie als Solist aufshytrat Er fuumlgt aber hinzu Doch dafuumlr war er im Quartett in seinem Element Es gab nichts was man mit seiner angenehmen Bogenfuumlhrung und mit jenen wunderbar zarten Toumlnen haumltte vershygleichen koumlnnen die er den Saiten seiner Geige entlockte Besonshyders vortrefflich war er im Adagio seine Violine weinte im vollen Sinne dieses Wortes und sie ruumlhrte auch andere zu Traumlnen 43

Da Titz nach der Biographie im Pantheon 1797 erkrankte duumlrfte in diesem Jahr auch die Aktivitaumlt des von ihm geleiteshyten Kammermusikensembles nachgelassen haben und da sich der Geiger in der Folgezeit eigentlich nie wieder recht erholt hat ist die Kammermusikpfiege am russischen Hof vermutlich um 1797 ganz zum Erliegen gekommen Zusammenfassend kann festgeshystellt werden Ob als Streichquartett Trio oder als Ensemble mit einer gemischten Besetzung immer zeichnete sich das Spiel von Titz und seinen Musikern durch eine unvergleichlich hohe kuumlnstshylerische Qualitaumlt und Perfektion aus

41 Zitiert nach A Glumov Muzykalnyj mir Puskina Moskau-Leningrad 1950 S 97

42Russkaja starina 1878 Bd XXIII S 412 zitiert auch von T Livanova wie Anm 40 II S 311 Anm 2

43NM wie Anm 2 S 13

54

Die Werke

Anton Titz kompositorisches ffiuvre ist nicht allzu umfangreich Einige seiner Werke gelten als verschollen (zB viele seiner Roshymanzen fuumlr Gesang und Klavier) Es ist daher durchaus moumlglich dass die eine oder andere Komposition noch aufgefunden wird so dass sich das Gesamtwerk von Titz noch erweitern koumlnnte

1 Drucke

11 Streichquartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello

111 Six Quatuors (C A G c d Es) komponiert von Ferdinand Titz Nlusicien de la Chanlbre de Sa Maj Imp de toutes les Russhysies gewidmet Fuumlrst Galitzin (Golicyn) Wien 1781 Artaria Der Pariser Verleger Antoine Bailleux brachte unmittelbar nach der Wiener Ausgabe von ArtarHt einen Nachdruck der Quartettstimshymen mit dem VermerkTitz Schuumller Haydns heraus

1 Quartett Allegro Rondo

2 Quartett Poco Adagio con Variazioni Menuetto Trio Allegro di mol to

3 Quartett Allegro Rondo

4 Quartett Adagio - Allegro Allegretto (Menuetto) - Trio Cantabile Allegro spirito

5 Quartett Allegro Rondo

6 Quartett Adagio-Allegro Menuetto Trio Romance Allegro di molto

55

112 Trois Quatuors (G F a) komponiert von Anton Titz Alexander 1 gewidmet Gedruckt in St Petersburg bei Friedshyrich August Dittmar - Als Johann Daniel Gerstenberg 1799 nach Deutschland zuruumlckgegangen war uumlbernahm sein bisheriger Kompagnon Dittmar die Verlagsleitung und fuumlhrte das U nternehshymen bis 1808 alleine weiter Alexander I dem Titz seine Quarshytette widmete war 1801 russischer Zar geworden Einen mit der Dittmarschen Ausgabe identischen Nachdruck brachte Simrock in Bonn zwischen 1802 und 1803 heraus (vgl OE Deutsch Mushysikverlagsnummern Berlin 1961) Somit lieszlige sich die Publikation der Alexander 1 gewidmeten drei Streichquartette mit ziemlicher Sicherheit in die Zeit zwischen 1801 und 1802 datieren und sie waumlre eine der ersten russischen Streichquartettdrucke Von diesen drei Streichquartetten existiert ein Nachdruck auch von Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig der aumlhnlich wie der von Simrock in die Zeit zwischen 1802 und 1803 zu datieren ist Im Auftrag des Instishytuts fuumlr deutsche Musikkultur im oumlstlichen Europa e V (Bonn) gab E Stoumlckl eine praktische Erstausgabe des 1 Quartetts in G-Dur mit Partitur Vorwort und Stimmen heraus (Bad Schwalshybach 2000 Edition Gravis) Die praktische Erstausgabe auch des 2 und 3 Quartetts ist vorgesehen

1 Quartett Adagio Allegro Adagio Allegretto (Menuetto) - Trio Rondo

2 Quartett Allegro Adagio cantabile Rondo vivace

3 Quartett Siciliano affettuoso Allegro di molto agitato Romance Polonaise

113 Trois Quatuors (C B Es) komponiert von Anton Titz gewidmet dem Senator Aleksej Grigorevic Teplov Gedruckt in St Petersburg bei Friedrich August Dittmar zwischen 1801 und 1802 Das einzige erhalten gebliebene Exemplar das sich in der

56

Bibliothek des Cajkovskij-Konservatoriums in Moskau befindet ist defekt Nach Mitteilung der Bibliotheksdirektorin Frau Dr AF Cerkasova aus dem Jahre 1998 ist die Bratschenstimme verloren gegangen und in der Stimme der 2 Violine fehlen die Takte 5 bis 16 Es war nicht moumlglich von den drei AG Teplov gewidmeten Quartetten eine Kopie zu bekommen 1 Jampolskij fuumlhrt in seinem Buch Russkoe skripicnoe iskusstvo (MoskaushyLeningrad 1951) auf S 304 ff ein Notenbeispiel aus dem C-Dur Quartett dieser Ausgabe an fuumlr die die Violastimme von dem Komponisten G S Gamburg hinzukomponiert wurde

12 Duos fuumlr Streichinstrumente

121 Trois Duos a Deux Violons avec Romance et Rondeaux Composes par Ferdinand Titz Musicien de la Chambre de la Maj Im p de toutes les Russies Dedies a Madame La Baronesse de Fried Chez Christoph Torricella (B G C) Wien 1781

122 Sonate pour le Violon avec 1 accomp de Basse Compose par Mr Titz et dedie aMr Ignace Suchaneck par C G Kaestner A Moscou par Kaestner et Comp Adagio und Rondo beide in d-Moll

123 Sonate fuumlr Violine und Bass B-Dur Cantabile Allegro con espressione - Rondo

124 Sonate fuumlr Violine und Bass f-Moll Adagio - Allegro con espressione - Rondo

125 Sonate fuumlr Violine und Bass d-Moll Breitkopf amp Haumlrtei Nr 108 (Uppsala Universitaumltsbibliothek)

126 Trois sonates pour un violon avec ace d une basse Wien Jean Traeg Nr 121 (Zagreb Hrvatski glazbeni zavod Zbirka Don Nikole Udina Algaratti)

57

13 Sonaten fuumlr Clavecin oder Klavier und obligate Violine

131 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 1 ASt Petersbourg chez J D Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op I steht in f-Moll und unlfasst die Saumltze 1 Adagio con sordino 2 Allegro agitato Adagio

132 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 11 ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op II steht in fis-Moll und umfasst die Saumltze 1 Allegro con Espressione 2 Romance siciliano 3 Finale Presto I

133 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv In ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op III steht in c-Moll und umfasst die Saumltze 1 Adagio 2 Allegro agitato 3 Adagio 4 Allegro vivace

134 Sonate fuumlr Violine und Klavier Gemeinschaftskomposition mit dem in Riga lebenden Komponishysten Julius August Fehre (1745-1812) Vgl B Volman Russkie pecatnye noty XVIII veka Leningrad 1957 S 64 ( verschollen)

14 Lied

141 Stonet sizyj golu bocek (Es klagt die graue Taube) in N Findejzen Ocerki Bd 2 Moskau-Leningrad 1929 S CXXXVIL

58

2 Manuskripte

21 Quartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello

211 Sechs Streichquartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello Identisch mit den 1781 in Wien bei Artaria publizierten Werken Wien Oumlsterreichische Nationalbibliothek

22 Quintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen und Violoncello

221 Vier Streichquintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen u Violoncello (A c-C F Es) Wien Gesellschaft der Musikfreunde Es handelt sich unl Abshyschriften die von Wiener Berufskopisten zwischen 1780 und 1800 angefertigt wurden Daraus ist zu schlieszligen dass Titz die hier aufgefuumlhrten Kompositionen schon in Russland schuf

Quintett in A-Dur Allegro - Andante grazioso - Presto Quintett in c-Moll Adagio - Allegro con spirito - Adagio - Ronshy

do Presto Quintett in F-Dur Allegro Andante Rondo Quintett in Es- Dur Allegro Maestoso - U n poco Adagio Rondo

~22 Sechs Streichquintette Osterreichische Nationalbibliothek Wien

Quintett in F-Dur (Mus Hs 11511) Allegro Andante - Rondo Quintett in Es-Dur (Mus Hs 15512) Allegro Maestoso - Un

poco Adagio Rondo Quintett in B-Dur (Mus Hs 11513) Allegro con espressione

Adagio - Rondo Presto Quintett in A-Dur (Mus Hs 11514) Allegro - Andante grazioso

Presto Quintett in c-Moll (Mus Hs 11515) Adagio - Allegro con spirito

Adagio Presto Quintett in d-Moll (Mus Hs l1516) Adagio - Allegro - Cantashy

bile Allegro assai

Alle sechs Stimmabschriften tragen den Vermerk N H 796 wurshyden also 1 796 angefertigt

59

23 Konzert

231 Concert fuumlr Violine principale 2 Violinen 2 Corni Oboi et Basso in Es-Dur Das Konzert besteht aus den Saumltzen Allegro - Cantabile - Rondo Fundort Wien Gesellschaft der Musikfreunde

24 Symphonie

241 Dreisaumltziges Werk fuumlr 2 Violinen Viola Kontrabass 2 Oboen 2 Waldhoumlrner und Pauken (Im Andantino werden die Oboen durch eine Floumlte ersetzt) Die Symphonie besteht aus den Saumltzen Allegro di molto Andantino und Prestissinlo Die handschriftlichen Orchesterstimmen befinden sich in der Bishybliothek des Schlosses zu Pavlovsk (s Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 402 Anm 42)

25 Vokalkomposition

251 Arie fuumlr Sopran solo mit Instrumentalbegleitung (EitnerQ 408)

Wenn wir auch bis zum gegenwaumlrtigen Zeitpunkt nicht alle von Titz geschaffenen Kompositionen kennen so erlauben es doch die der Forschung zugaumlnglichen Werke durchaus sich zumindest von Titz als Komponisten von instrumentaler Kammermusik ein Bild zu machen Zwar hat er auch eine ganze Reihe von Liedern (Roshymanzen) fuumlr Gesang und Klavier geschrieben doch muumlssen dieshyse Kompositionen wahrscheinlich als verschollen angesehen wershyden und entziehen sich daher einer Einschaumltzung Einzig und alshylein das Lied Es klagt die graue Taube (Stonet sizyj golubocek) dessen Autorschaft Findejzen einenl unbekannten Komponisten Keldys 44 aber Titzzuschreiben zu koumlnnen glaubt scheint der

44 VgI N Findejzen Ocerki po istorii muzyki v Rossii Bd 2 Moskau-Leshyningrad 1929 S 301 das Nbsp dazu befindet sich auf S CXXXVII - Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 220 Anm 59

60

r

auf uns gekommene Rest von Titz Vokalschaffen zu sein Dabei erfreuten sich Titz Lieder und insbesondere Es klagt die graue Taube zu ihrer Zeit groumlszligter Beliebtheit und letzteres wurde noch in den 1830er Jahren viel gesungen

Auch uumlber Titz als Symphoniker lassen sich zur Zeit keine Ausshysagen machen weil diesbezuumlgliche Werke in Deutschland nicht verfuumlgbar sind 45

Der folgende Versuch einer Stilanalyse bezieht sich infolgedesshysen vorwiegend auf die Sonaten fuumlr Klavier und obligate Violine op I 11 und III sowie die der Forschung zugaumlnglichen Streichshyquartette Es zeigt sich dass Titz in dem Zeitraum zwischen etwa 1781 und 1802 den Weg von der Fruumlhklassik zur Klassik durchlaushyfen hat Seine fruumlhen 1781 in Wien bei Artaria veroumlffentlichten Six Quatuors weisen in den ersten Saumltzen noch eine mehr oder minder willkuumlrliche Reihung des thematischen Materials auf N r 1 3 und 5 bestehen nur aus zwei Saumltzen jeweils aus einem Allegro und einem Rondo die drei uumlbrigen Werke zeigen dagegen schon die spaumltere klassische Viersaumltzigkeit mit zwei schnellen Ecksaumltzen einem Menuett mit Trio und einem nach dem Menuett folgenden langsamen Satz Eine Sonatensatzform ist jedoch nicht zu erkenshynen Den Quartetten N r 4 und 6 stellte Titz ein einleitendes Adagio voran im Streichquartett Nr 2 (A-Dur) waumlhlte er als ershysten Satz ein Thema mit Variationen Fuumlr die Vermutung dass Titz diese Quartette erst in Russland geschrieben hat spricht dass er sich auf dem Titelblatt als M usicien de la Chambre de Sa Maj Imp de toutes les Russies bezeichnet und die Kompositioshynen dem Fuumlrsten Galitzin (Golicyn) Ministre Plenipotentiaire de S M 1 de toutes les Russies pres la Cour Imp et Roy gewidshymet hat 46 (Siehe Abbildung 1) In Wien wurden sie gedruckt weil es in Russland zu dieser Zeit einen 1vlusikverlag mit einer funktionierenden Notendruckerei noch nicht gab Bei den sechs von Artaria 1781 herausgebrachten Streichquartetten haben wir es daher mit den ersten in Russland komponierten Werken dieser Gattung zu tun Titz kann infolgedessen mit Recht als der Beshygruumlnder des Streichquartetts in Russland angesehen werden Dass

45Wie unter Die Werke angegeben ist Titz einzige symphonische Komposhysition eine dreisaumltzige Symphonie Manuskript geblieben Dieses Werk hershyauszugeben waumlre eine verdienstvolle Aufgabe fuumlr die russischen Kollegen

46Naumlhere Angaben zu Golicyn waren nicht zu ermitteln

61

Nbsp 1 Op I die zwei Themen des Allegro agitato

Allegro agitato

r I

~ J I

tJ - ~ bull ~ I I

~

l ~

tgt

-

bull ~

bull bull

r

_I ~ 1 bull

_ _I --~ t

-

--

-

~ ~

TI I

I

11

( 4 I

~

(

I Thema I ~

e)

~ I bull

e

bull

~ shy

-J tJ

-T bull

L

1 I i

tJ I

~

h1 I

11

1

4

62

bullbull

Fortsetzung Nbsp 1

2 Thema 1 J I bullbull - - bull

1 J bull 1 I

t I I J - lfIt bullbullt ~I --shy~

~ -4 i

Jr 1 bull ~

1 t l

~ ~j j ttt

- - tmiddot --m shy I l

- I tJ - J I

Ij T

J rt t t t t t ~~ t 1 I~i bull I

- shyI bullftmiddot

63

dann die drei zwischen 1801 und 1802 in Petersburg bei Dittmar gedruckten Alexander I gewidmeten Quartette auch von Simshyrock in Bonn und Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig herausgebracht wurden zeugt von der offenbar groszligen Beliebtheit dieser Komshypositionen zu ihrer Zeit

In den drei Sonaten fuumlr Clavecin oder Pianoforte und obligate Violine op I II und III die bei J D Gerstenberg amp Comp in St ~~tersburg vermutlich 1795 gedruckt wurden vollzieht Titz den Ubergang zum klassischen Stil 47 Op I (f-Moll) besteht nur aus zwei Saumltzen einem con sordino vorzutragenden Adagio und einem Allegro agitato In der formalen Gestaltung verfaumlhrt Titz im Allegro ziemlich eigenwillig Er bringt ein zweites Thema erst im zweiten Teil des Allegro-Satzes und baut es gewissermaszligen in die Durchfuumlhrung ein Zwar kontrastiert es mit dem Hauptthema steht aber - was ungewoumlhnlich ist - in g-Moll (siehe Nbsp 1) Diese formale Anordnung fUumllhrt jedoch in gewisser Weise schon

47 Die drei Sonaten op I II und III blieben von russischen und sowjetischen Musikforschern bisher voumlllig unbeachtet Neben den schon erwaumlhnten Aushytoren sind hier noch zu nennen L Raaben (Instrumentalnyj ansambl v russkoj muzyke Moskau 1961) und L Ginzburg (Istorija violoncelnogo isshykusstva Buch 2 Moskau 1957 S 399) Offenbar waren ihnen diese Komposhysitionen nicht zugaumlnglich denn RISM gibt fuumlr sie einen russischen Standort nicht an Doch ist wohl op II in den letzten Jahren wieder aufgefunden worden Im Katalog der Russischen Nationalbibliothek ist dieser N otenshydruck jedenfalls verzeichnet (vgl Svodnyj katalog rossijskich notnych izshydanij Bd I XVIII vek St Petersburg 1996 S 60 I 206) RISM nennt dagegen als einzige Bibliothek die diese Sonaten heute noch besitzt die Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar der fuumlr die Anfertigung von Kopien an dieser Stelle herzlich gedankt sei

Das Exemplar des op I traumlgt den handschriftlichen Vermerk Maria Pavshylovna (siehe Abbildung 2) gehoumlrte also wahrscheinlich dieser aus der Zashyren familie stammenden russischen Groszligfuumlrstin die es bei ihrer 1804 erfolgshyten Vermaumlhlung mit dem Groszligfuumlrsten Karl Friedrich von Sachsen-Weimar (1783-1853) vermutlich mit nach Weimar gebracht hat Die allseitig geshybildete Maria Pavlovna (t 1859) spielte Klavier sie stand mit Goethe in staumlndigem geistigem Austausch es ist auch uumlberliefert dass sie sich unter der Anleitung des damaligen russischen Hofkapellmeisters Giuseppe Sarti (1729-1802) mit Komposition beschaumlftigt hat (vgl N von Milde Maria Pawlowna Hamburg 1904 S 88) Dass sie Anton Titz persoumlnlich gekannt hat und ihn zusammen mit seinem Ensemble am Petersburger Hof musishyzieren houmlrte ist sehr wahrscheinlich

64

Abb 1 Titelblatt der Six Quattuors Wien 1781 (Artaria)

65

S 0 N A T E~ pour le

CLAYECIN ou PIANOFORTE

et

VIOLON OBLIGE

conposee

par

Mf TITZ

Opl

A St Petersbour8

ehc Gcutenberg et Camp

Prix IR

Abb 2 Titelblatt von op I mit den Schriftzuumlgen von Maria Pavlovna Groszligherzogin von Sachsen-Weimar

66

zur Sonatensatzform hin die der Komponist dann in den Sonaten op II und III in voller Auspraumlgung anwendet

Nbsp 2 Op III Adagio

Adagio _A ~ bull

I

JI I

I

iM eJ tJ f I

11 - -- ~ - I

p ~ ~ ~ ---

y

f ~

f 1 I ti I~~ I -bullbull bull

I )

r r 6

bull -pshy pt If

bullbull 11 bull bull ~

I r-Bei op 11 (fis-Moll) haben wir es mit einer dreisaumltzigen und bei op III (c-Moll) sogar mit einer viersaumltzigen Sonate zu tun Zwishyschen die bei den schnellen Ecksaumltze schiebt sich in op 11 eine im Volkston gehaltene Romance siciliano (A-Dur) in der Titz seine lyrische Veranlagung auslebt In den Ecksaumltzen des op III (cshyMoll) kommen dagegen pathetische Zuumlge zum Tragen die auch in dem der Sonate vorangestellten einleitenden Adagio anklingen Eine zarte Lyrik kennzeichnet dagegen den langsamen Satz ein

67

Nbsp 3 Op II 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro con espressione A

I

t

~ --- ---shy ----shy -shy1 j - ~ ~ ~ bull

- bull r - 11 i 1 shy bull lI__ bull

J 11 I

t) - r

1 I ~ rrI bull 1_ 1__ rtI eJ ~ - 1 1middot

bull d 11shy llI

~ 14 Ci bull

~ f Seitenthema

~

f

) t

4J -shy - ~ -J

A~lmiddot i_I I

-J I I bull I

A f

~ fI i bull f7 bull shy j i

eJ vshy - ~ ~ - bull t I I )r L

J 1 I I 11 L 11 i

t) bull -

68

1

~bull

Nbsp 4 Op III 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro agitato ~ I bull r Umiddot ~ F

bullbull f~ ~ I I - - ~

bull-~ - ~

bull I tI I t

~ jj jjl ~H 6 bull

I IIJshy -shy I --

4) P ttUCo fJ I I )_r ----

~ -- - crvc J1 P

( ~ ~- 1t_~ - ~

I

VIIoi ~

dolc I a -- r ~

dok ~

I

( ~

- r I I bull ~

11

V8=

~ I ~ -Je - _- _I

1I - I I I l J

~ r I I V ~ - - l0t ~ ~ (

69

Nbsp 5 Quartett a-Moll Haupt- und Seitenthema

Allegro di molto agitato - t1I ft

lt shy ~

-~ -

~

ttJ f j J ~ 4 J ~ bull

I - I - r ~fIe

I IJr

I JJ I- bull

- ~ ]11 _t

1- ~~ 1Il 4 ~ ilA JJ r J ~ -shy

bull

4i) I bull 11 ~ bull ~ 1i-Idole ~ ~ -~ -

I -

~~ I I _I f bull eJ 1shy - - - I -

11 J ir (shy 1-( -~

~

I

Adagio in Es-Dur (siehe Nbsp 2) Formal weisen die Ecksaumltze dieser beiden Sonaten die typische Sonatensatzform auf wobei das Seitenthema jeweils in der parallelen Dur-Tonart steht (siehe Nbsp 3 und 4) Der Satzumfang ist mit jeweils ca 250 Takshy

70

Nbsp 6 Quartett G-Dur 1 Satz

Allegro ~

r I

1 bull 1 bull bullbull I TT

-UI II I I --- - bull

f ~~ ~

h hbull J -1 ~

bull

bull bull bull 1 iilbull bull bull bullbullbullbull bull bullbullbullbull

f - -bull

bull iii - - ---ifiJ bull 1fI bull bull

~~~ -

--~

middot bull

r shy

bull

Ir ~ bull

J~ n--

r

0___- V ______

1amp

~

-

JJlJ J~

I

I bull bull ~

bull

lJ~~r-J

--

1 ~ t bull r t

T -- -

SilJ -- -

71

Fortsetzung Nbsp 6

A

_t

-su - shy

eJ bull IJgt- f~ 11- I

-

t t 1 1

- t I - _

T

bull

~v v 17

-PO bull

bull I

11 bull Ir ~

---shy J ~

bull bull bullL---shyWW~

bull bull ltr~ ~ bullbull ~ ~

t l1li bull a

bullbullbullbull

) bull bull-

-

~ I

~

-

-po

I 1 bull

bull I bull bull

bullbullbullbull

bull bull

-tiTbull

~

-

~ --shy-

--

1 I

J

~ bull bull

72

ten beachtlich der Durchfuumlhrung wird viel Raum gegeben Die Violinstimme ist sparsam ausgesetzt nur verhaumlltnismaumlszligig selten wird ihr thematisches Material uumlbertragen Dennoch bildet sie zusammen nlit dem Klavierpart eine untrennbare klangliche Einshyheit Insgesamt zeichnen sich die drei Sonaten durch einfallsreiche thematische Erfindung aus Besonders zu bezaubern vermag die Sonate in fis-Moll (Op II)

Nbsp 7 Quartett F-Dur 1 Satz Hauptthema

r r r - - r - rr rrrf Dass sich Titz die klassische Schreibweise zu eigen gemacht hat

belegen auch die drei Alexander 1 gewidnleten Streichquartette von 18011802 Am konsequentesten haumllt sich der Komponist an das Schema der Sonatensatzform im Allegro di molto agitato des 3 Quartetts (a-Moll) In der Exposition bringt er das Haupt- und in der parallelen Dur-Tonart das Seitenthema (siehe Nbsp 5) und laumlsst dann eine Durchfuumlhrung und Reprise mit Coda folgen In

73

Nbsp 8 Quartett F-Dur 1 Satz Seitenthema

Ir

I bull bull

lIiiiiiiii

ol LI r4tJ - ~l ~J t J j 11 bull q- tr bullbull bull r I~ t I It-I- It bull It It IJ S

I-

~ - - -shy I I shy - IJ1p - --1J - h~~ Ir I

41-

J J- I wr -

- bull rTJ

f) ~ ~ ~ -iJ--1-- -~t J

~

bullt-1

74

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 8: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

middot raumlumten aber dabei auch Kammermusikwerken wie Sonaten und Trios einen gebuumlhrenden Platz ein Damit knuumlpften sie an die in den 1720er Jahren von Musikern des holsteinschen Herzogs geshyschaffene Tradition an und fuumlhrten sie zu einenl glanzvollen neuen Houmlhepunkt Als die Italiener Petersburg verlieszligen Verocai ging schon 1738 nach Braunschweig dall OgHo reiste 1764 aus Petersshyburg ab Madonis war seit 1761 geistesgestoumlrt - riss die Kamshymermusikpflege unvermittelt ab Als Titz 1771 nach Petersburg kam war von den italienischen Violinvirtuosen niemand mehr da Die von ihnen fruumlher gepflegte Kammermusik lebte jedoch in der Erinnerung der einstmaligen Houmlrer fort so dass ihr Verschwinshyden aus dem houmlfischen Musikleben als Luumlcke empfunden werden musste Katharina I1 scheint dies gespuumlrt zu haben so dass sie schlieszliglich den Befehl zur Gruumlndung eines festen Ensembles gab und damit die in den 1760er Jahren verloren gegangene Tradition der Kammermusikpflege nea belebte Mit diesenl Ensemble hatshyte Titz vor allem fuumlr das spezielle musikalische Amuumlsement der Hofgesellschaft in erster Linie der Zarin selbst zu sorgen Wann immer Katharina I1 oder einem Mitglied der Hofgesellschaft der Sinn nach musikalischer Unterhaltung stand wurde Titz gerushyfen und musste mit seinem Ensenlble fuumlr die hohen Herrschaften aufspielen

Die Musiker des Ensembles wechselten doch rekrutierten sie sich stets aus den besten Instrumentalisten die es damals in Peshytersburg gab So spielte - vermutlich zwischen 1783 und 1786 -Ivan Giornovicchi (Jarnowick um 1740-1804) mit der - wie die Allgemeine musikalische Zeitung in ihrem Nachruf konstatiert einer der vorzuumlglichsten Virtuosen auf seinem Instrument war das er besonders mit Genauigkeit Anmuth und Zierlichkeit beshyhandelte ihm den reinsten und einschmeichelndsten Ton zu entshylocken und eine Seele einzuhauchen wusste welcher man sich mit Entzuumlcken hingab Selbst spaumlte Jahre hatten diese seine Vorzuumlge nicht verringert 30

Eine Zeitlang gehoumlrte der in Berlin geborene Ernst Heinrich Raab (1750- ) Sohn eines Hofmusikers des Prinzen Ferdinands von Preuszligen dem von Titz geleiteten Kammermusikensemble an Er war 1781 fuumlr die ersten Geigen des Ersten Hoforchesters anshygestellt worden wurde jedoch schon ein Jahr spaumlter beurlaubt

30 AmZ 1804 241

49

shy

( ~ -

Seitdem gibt es uumlber ihn keine Nachrichten mehr Er kann also nur kurze Zeit in der Kammermusik bei Hofe mitgewirkt haben Anders verhaumllt es sich mit Otto Ernst Tewes (1759-1800) der seit 1775 erster Geiger im Ersten Hoforchester war und bis zu seinem Lebensende in Petersburg blieb Aus seiner Feder stammt die dreiaktige komische Oper Die wuumltende Familie (Besenaja sem ja) auf ein Libretto des bekannten russischen Fabeldichters LA Kryshylov die 1786 - allerdings mit einem nur maumlszligigen Erfolg in Petersburg auch aufgefuumlhrt wurde 31 Tewes spielte in Titz Enshysemble sicher laumlngere Zeit mit Die Bratsche war durch Stockfisch vertreten uumlber den wir allerdings keinerlei naumlhere Informationen besitzen sogar sein Vorname ist unbekannt Vermutlich war er Bratscher im Ersten Hoforchester Am Pult des Violoncellisten saszlig Alessandro Delfino der ehe er 1789 nach Petersburg geganshygen war als erster Violoncellist im Orchester der Mailaumlnder Scashyla gewirkt hatte Nach voruumlliergehendem Dienst im Privatorcheshyster von Feldmarschall Fuumlrst Grigorij Aleksandrovic Potemkin (1739-1791 ) erhielt er 1793 in Petersburg die Stelle des Solovioshyloncellisten im Ersten Hoforchester mit einem Vertrag auf fuumlnf Jahre Vermutlich in dieser Zeit 1793 bis 1798 wirkte er in Titz Ensemble 32 Mit Tewes Stockfisch und Delfino stand Titz eishyne ausgezeichnete Streichquartettbesetzung zur Verfuumlgung die bei Bedarf oder wenn es die Anwesenheit besonders talentiershyter Musiker in Petersburg erforderte erweitert bzw veraumlndert wurde So wirkten bei Titz der aus Boumlhmen stammende Claveshyeinist und Komponist Ernest Wanzura ( um 1750 t 1802) der franzoumlsische Harfenist Jean-Baptiste Cardon ( um 1747 t um 1805) der aus Kassel gebuumlrtige Floumltenvirtuose Franz Ludwig Mishychel (Lebensgrenzen unbekannt) und der deutschboumlhmische Klashyrinettenvirtuose Johann Joseph Beer (1744-1812) mit

Wanzura lebte seit 1783 in Moskau und wechselte 1786 nach Petersburg uumlber Seit dieser Zeit spielte er - wahrscheinlich auch nicht regelmaumlszligig - im Kammermusikensemble von Titz mit Der Harfenist Cardon der Paris vermutlich zu Beginn der Revolution verlassen hatte weilte seit 1790 in Petersburg Sein Vertrag mit der Direktion der Kaiserlichen Theater war auf drei Jahre (1790shy

31 Vgl Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 343 32Zu Delfino vgl RA Mooser Annales de la musique et des musiciens en

Russie au XVIII siede Bd 2 Genf 1951 S 488

50

I r

1793) befristet In dieser Zeit spielte er bei Titz mit Der Floumltist Franz Ludwig Michel war 1775 bis 1791 Mitglied des Privatorcheshysters des Fuumlrsten Grigorij Aleksandrovic Potemkin lebte hierauf bis 1796 in Petersburg um dann nach Deutschland zuruumlckzukehshyren Michels Mitwirkung in Titz Ensemble kann daher fuumlr die Zeit zwischen 1791 und 1796 angenommen werden Der Klarinetshytist Johann Joseph Beer spielte bei Titz vermutlich eher in der Zeit von 1783 bis 1786 mit zu der Zeit also als auch Giornovicchi Titz Ensemble angehoumlrte Ab und zu musizierte bei Titz auch der Groszligfuumlrst Aleksandr Pavlovic der spaumltere Zar Aleksandr 1 mit den Titz zu einem passablen Geiger herangebildet hatte

Die zeitweise Mitwirkung von verschiedenen Instrumentalisten und eine sich daraus ergebende variierende und bisweilen unshygewoumlhnliche Besetzung fuumlr die es originale Literatur nicht oder noch nicht gab hatte natuumlrlich zur Folge dass entsprechende Arshyrangements geschaffen werden mussten Als Autoren von solchen Bearbeitungen kamen Titzmiddot selbst und Wanzura in Frage Titz verfuumlgte als Komponist uumlber die dafuumlr notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten Diese besaszlig in gleicher Weise auch Wanzura Seine Klavierbearbeitungen von Opernnummern erschienen in dem Journal de musique dedie aux dames das der Petersburger Verleger Bernhard Theodor Breitkopf (1749-1820) der Bruder des Leipziger Verlagsinhabers zwischen 1785 und 1794 herausshygab Welches Repertoire einer Bearbeitung unterzogen wurde ist im einzelnen unbekannt Es kann jedoch vermutet werden dass es sich um Ausschnitte aus italienischen Opern handelte die dashymals auf dem Spielplan der Kaiserlichen Theater standen Da die 1791 in Petersburg eroumlffnete Musikalienhandlung von Johann Dashyniel Gerstenberg immer die neuesten Notenausgaben aus Paris Wien und Berlin heranschaffte 33 waren Titz und seine Musiker uumlber den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Westeuropa gut informiert und konnten so fuumlr das Repertoire des Kammerenshysembles immer auch neue Werke auswaumlhlen Gerstenberg brachshyte 17941795 das St Petersburger Musikmagazin fuumlr das Klavishychord oder Pianoforte heraus das neben Klavierkompositionen shy

33Vgl dazu E Stoumlckl Der St Petersburger Musikverlag Gerstenberg und der Beitrag deutscher Tonsetzer zur Schaffung der ersten Klavierkomposishytionen in Russland in Arolser Beitraumlge zur Musikforschung 8 Sinzig 2000 S 148

51

meist Variationen uumlber russische Volkslieder - auch Triosonaten von Ignaz Pleye1 34 enthielt In der Spaumltzeit von Titz Wirken in Petersburg erschienen in der Zarenresidenz die ersten einheimishyschen Ausgaben von Streichquartetten die Titz sicher kannte und moumlglicherweise fuumlr seine Musizierpraxis auch nutzte Zu denken ist an die Trois Grands Quatuors des aus Regensburg gebuumlrtigen Franz Adam Veichtner (1741-1822) seit 1795 Kammermusikus und Konzertmeister der Petersburger Hofkapelle die vermutlich zwischen 1796 und 1799 von Gerstenberg als Stimmen gedruckt wurden 35 sowie die ebenfalls von Gerstenberg herausgebrachten heute jedoch als verschollen anzusehenden Six Quatuors (1797) und Trois Quatuors (op 3 1796) von Johalln Konrad Schlick (1748-1818) Violoncellist in der Hofkapelle von Herzog Ernst 11 in Gotha 36 Es kann weiter vermutet werden dass Titz Sonaten des in den 1770er Jahren in Petersburg weilenden und sich der besonderen Gunst der Zarin erfreuenden italienischen Violinvirshytuosen Antonio Lolli (1730-1802) spielte Titz Kammerrpusikenshysemble musizierte gelegentlich auch im Theater und ersetzte auf diese Weise ein ganzes Orchester Manchmal saszligen waumlhrend der Theatervorstellullg im Orchester nur vier ausgezeichnete Musishyker Titz mit der Geige Delfino mit dem Violoncello Cardon mit der Harfe und Wanzura am Klavier 37 Es gibt Berichte wonach das Titzsche Ensemble in kleiner Besetzung Symphonishy

34 VgL ebd S 180 35 Das einzige erhalten gebliebene Exemplar von Veichtners Streichquartetshy

ten (F D g) befindet sich in der Szechenyi-N ational-Bibliothek in Budashypest Mit der freundlichen Unterstuumltzung von Herrn Dr Robert Muranyi (Szechenyi-Nationalbibliothek Budapest) und des Instituts fuumlr ostdeutsche Musik (Bergisch Gladbach) brachte E Stoumlckl das Zweite Streichquartett bei Edition Gravis (Bad Schwalbach 1988) in einer praktischen Erstausgashybe (Partitur und Stimmen) heraus

36Vgl B Vol man Russkie pecatnye noty XVIII veka Leningad 1957 S 224 und 227 auch Svodnyj katalog rossijskich llotnych izdanij Bd I XVIIlyj vek St Petersburg 1996 S 109 Nr IIL208 u III209 Die Konzertreisen die Schlick zusammen mit seiner Frau Regina Strinasacchi einer vorzuumlglishychen Violinistin unternahm fuumlhrten ihn ua auch nach Petersburg und es ist moumlglich dass seine von Gerstenberg herausgebrachten Kompositionen in der russischen Residenz auch aufgefuumlhrt wurden

37pI Sumarokov in Russkij archiv 1870 Sp 2106

52

en von Haydn und Mozart spielte 38 Neben haumlufigen Soireen in der Eremitage und den Privatgemaumlchern der Zarin trat Titz in den Sommermonaten auch in Carskoe selo auf wo er bevorzugt Streichquartette vortrug 39 auch solche von Haydn und Mozart Titz Kammermusikensemble beteiligte sich aber auch an groumlszligeshyren musikalischen Festivitaumlten des Zarenhofs Ein Ereignis dieshyser Art hat der Kammerfourier in seinem Journal unter dem 20 Juli 1791 in einer kurzen Notiz festgehalten Im Kiosk spielte die Kammermusik des Kapellmeisters Titz auf Geigen und dem Violoncello Auf der rechten Seite des Kiosks im Garten stand die Kammermusik der Blaumlser auf der linken Seite jenseits des Sees erklang Hornmusik und vor dem Kiosk selbst sangen die Hofsaumlnger verschiedene Konzerte und russische Volkslieder 40

Da als sicher anzunehmen ist dass Titz im Besitz seiner eigenen 1781 in Wien von Artaria publizierten Six Quatuors war ist es aumluszligerst wahrscheinlich dass er auch seine eigenen Kompositioshynen vortrug Titz duumlrfte mit seinem Streichquartett die zwischen 1801 und 1802 von Dittmar veroumlffentlichten Trois Quatuors soshywohl die drei Alexander 1 wie auch die drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette ehe sie in den Druck gingen ausprobiert haben Auf den Programmen standen wohl auch Titz Sonaten fuumlr Klavier und obligate Violine op I II und II1 Es ist weiter anzunehmen dass das Streichtrio und die Streichquartette von Wanzura die nicht erhalten geblieben sind von Titz und seinem Ensemble aufgefuumlhrt wurden

Die Zeitgenossen schaumltzten Titz Violinspiel in der Regel als beshy

38S0 schreibt die Graumlfin Varvara Nikolaevna Golovina in ihren Memoiren Jeden Morgen erhielt ich von der Groszligfuumlrstin eine schriftliche Nachricht in der sie mir befahl am Abend bei ihr zu erscheinen Die besten Musiker geleitet von Titz spielten Symphonien von Haydn und Mozart Der Groszligfuumlrst spielte auf der Violine Wir houmlrten diese herrliche Musik aus dem Nachbarzimmer (Zapiski grafini Varvary Nikolaevny Golovinoj (1766-1819) St Petersburg 1900 S 52f)

39Man rief Titz und drei weitere ausgezeichnete Musiker um Quartette zu spielen heiszligt es in den Memoiren der Graumlfin V N Golovina siehe unter Anm 38 zitierte Memoiren S 65

40 Aus dem Kapitel Die Kammerfourier-Journale und die Musik bei Hofe (T Livanova Russkaja muzykalnaja kultura XVIII veka Bd II Moskau 1953 S 423)

53

sonders glanzvoll ein wobei natuumlrlich subjektive Kriterien nicht auszuschlieszligen sind Der Dichter Ivan Ivanovic Dmitriev (1760shy1837) ein Vertreter des Sentimentalismus in Russland besingt den deutschen Geiger im Jahre 1798 in dem Vierzeiler

Wen houmlre ich Titz Der von dir beseelte Bogen singt spricht und bewegt die Herzen aller Oh Sohn der Harmonie dir gebuumlhrt die Krone und die gewoumlhnliche Sprache kannst du verachten 41

Als BN Zinovev ein Zeitgenosse von Titz waumlhrend eines Aufshyenthalts in Neapel Felice de Giardini (1716-1796) einen der beshydeutendsten Violinvirtuosen seiner Zeit Streichquartett spielen houmlrte stufte er die Qualitaumlt seines Spiels niedriger ein als die von Titz und Jarnowick 42

Der Verfasser des biographischen Artikels im Pantheon spricht davon dass Titz wegen sein~r Schuumlchternheit nicht haumltte Konshyzertgeiger werden koumlnnen und er deshalb auch nie als Solist aufshytrat Er fuumlgt aber hinzu Doch dafuumlr war er im Quartett in seinem Element Es gab nichts was man mit seiner angenehmen Bogenfuumlhrung und mit jenen wunderbar zarten Toumlnen haumltte vershygleichen koumlnnen die er den Saiten seiner Geige entlockte Besonshyders vortrefflich war er im Adagio seine Violine weinte im vollen Sinne dieses Wortes und sie ruumlhrte auch andere zu Traumlnen 43

Da Titz nach der Biographie im Pantheon 1797 erkrankte duumlrfte in diesem Jahr auch die Aktivitaumlt des von ihm geleiteshyten Kammermusikensembles nachgelassen haben und da sich der Geiger in der Folgezeit eigentlich nie wieder recht erholt hat ist die Kammermusikpfiege am russischen Hof vermutlich um 1797 ganz zum Erliegen gekommen Zusammenfassend kann festgeshystellt werden Ob als Streichquartett Trio oder als Ensemble mit einer gemischten Besetzung immer zeichnete sich das Spiel von Titz und seinen Musikern durch eine unvergleichlich hohe kuumlnstshylerische Qualitaumlt und Perfektion aus

41 Zitiert nach A Glumov Muzykalnyj mir Puskina Moskau-Leningrad 1950 S 97

42Russkaja starina 1878 Bd XXIII S 412 zitiert auch von T Livanova wie Anm 40 II S 311 Anm 2

43NM wie Anm 2 S 13

54

Die Werke

Anton Titz kompositorisches ffiuvre ist nicht allzu umfangreich Einige seiner Werke gelten als verschollen (zB viele seiner Roshymanzen fuumlr Gesang und Klavier) Es ist daher durchaus moumlglich dass die eine oder andere Komposition noch aufgefunden wird so dass sich das Gesamtwerk von Titz noch erweitern koumlnnte

1 Drucke

11 Streichquartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello

111 Six Quatuors (C A G c d Es) komponiert von Ferdinand Titz Nlusicien de la Chanlbre de Sa Maj Imp de toutes les Russhysies gewidmet Fuumlrst Galitzin (Golicyn) Wien 1781 Artaria Der Pariser Verleger Antoine Bailleux brachte unmittelbar nach der Wiener Ausgabe von ArtarHt einen Nachdruck der Quartettstimshymen mit dem VermerkTitz Schuumller Haydns heraus

1 Quartett Allegro Rondo

2 Quartett Poco Adagio con Variazioni Menuetto Trio Allegro di mol to

3 Quartett Allegro Rondo

4 Quartett Adagio - Allegro Allegretto (Menuetto) - Trio Cantabile Allegro spirito

5 Quartett Allegro Rondo

6 Quartett Adagio-Allegro Menuetto Trio Romance Allegro di molto

55

112 Trois Quatuors (G F a) komponiert von Anton Titz Alexander 1 gewidmet Gedruckt in St Petersburg bei Friedshyrich August Dittmar - Als Johann Daniel Gerstenberg 1799 nach Deutschland zuruumlckgegangen war uumlbernahm sein bisheriger Kompagnon Dittmar die Verlagsleitung und fuumlhrte das U nternehshymen bis 1808 alleine weiter Alexander I dem Titz seine Quarshytette widmete war 1801 russischer Zar geworden Einen mit der Dittmarschen Ausgabe identischen Nachdruck brachte Simrock in Bonn zwischen 1802 und 1803 heraus (vgl OE Deutsch Mushysikverlagsnummern Berlin 1961) Somit lieszlige sich die Publikation der Alexander 1 gewidmeten drei Streichquartette mit ziemlicher Sicherheit in die Zeit zwischen 1801 und 1802 datieren und sie waumlre eine der ersten russischen Streichquartettdrucke Von diesen drei Streichquartetten existiert ein Nachdruck auch von Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig der aumlhnlich wie der von Simrock in die Zeit zwischen 1802 und 1803 zu datieren ist Im Auftrag des Instishytuts fuumlr deutsche Musikkultur im oumlstlichen Europa e V (Bonn) gab E Stoumlckl eine praktische Erstausgabe des 1 Quartetts in G-Dur mit Partitur Vorwort und Stimmen heraus (Bad Schwalshybach 2000 Edition Gravis) Die praktische Erstausgabe auch des 2 und 3 Quartetts ist vorgesehen

1 Quartett Adagio Allegro Adagio Allegretto (Menuetto) - Trio Rondo

2 Quartett Allegro Adagio cantabile Rondo vivace

3 Quartett Siciliano affettuoso Allegro di molto agitato Romance Polonaise

113 Trois Quatuors (C B Es) komponiert von Anton Titz gewidmet dem Senator Aleksej Grigorevic Teplov Gedruckt in St Petersburg bei Friedrich August Dittmar zwischen 1801 und 1802 Das einzige erhalten gebliebene Exemplar das sich in der

56

Bibliothek des Cajkovskij-Konservatoriums in Moskau befindet ist defekt Nach Mitteilung der Bibliotheksdirektorin Frau Dr AF Cerkasova aus dem Jahre 1998 ist die Bratschenstimme verloren gegangen und in der Stimme der 2 Violine fehlen die Takte 5 bis 16 Es war nicht moumlglich von den drei AG Teplov gewidmeten Quartetten eine Kopie zu bekommen 1 Jampolskij fuumlhrt in seinem Buch Russkoe skripicnoe iskusstvo (MoskaushyLeningrad 1951) auf S 304 ff ein Notenbeispiel aus dem C-Dur Quartett dieser Ausgabe an fuumlr die die Violastimme von dem Komponisten G S Gamburg hinzukomponiert wurde

12 Duos fuumlr Streichinstrumente

121 Trois Duos a Deux Violons avec Romance et Rondeaux Composes par Ferdinand Titz Musicien de la Chambre de la Maj Im p de toutes les Russies Dedies a Madame La Baronesse de Fried Chez Christoph Torricella (B G C) Wien 1781

122 Sonate pour le Violon avec 1 accomp de Basse Compose par Mr Titz et dedie aMr Ignace Suchaneck par C G Kaestner A Moscou par Kaestner et Comp Adagio und Rondo beide in d-Moll

123 Sonate fuumlr Violine und Bass B-Dur Cantabile Allegro con espressione - Rondo

124 Sonate fuumlr Violine und Bass f-Moll Adagio - Allegro con espressione - Rondo

125 Sonate fuumlr Violine und Bass d-Moll Breitkopf amp Haumlrtei Nr 108 (Uppsala Universitaumltsbibliothek)

126 Trois sonates pour un violon avec ace d une basse Wien Jean Traeg Nr 121 (Zagreb Hrvatski glazbeni zavod Zbirka Don Nikole Udina Algaratti)

57

13 Sonaten fuumlr Clavecin oder Klavier und obligate Violine

131 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 1 ASt Petersbourg chez J D Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op I steht in f-Moll und unlfasst die Saumltze 1 Adagio con sordino 2 Allegro agitato Adagio

132 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 11 ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op II steht in fis-Moll und umfasst die Saumltze 1 Allegro con Espressione 2 Romance siciliano 3 Finale Presto I

133 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv In ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op III steht in c-Moll und umfasst die Saumltze 1 Adagio 2 Allegro agitato 3 Adagio 4 Allegro vivace

134 Sonate fuumlr Violine und Klavier Gemeinschaftskomposition mit dem in Riga lebenden Komponishysten Julius August Fehre (1745-1812) Vgl B Volman Russkie pecatnye noty XVIII veka Leningrad 1957 S 64 ( verschollen)

14 Lied

141 Stonet sizyj golu bocek (Es klagt die graue Taube) in N Findejzen Ocerki Bd 2 Moskau-Leningrad 1929 S CXXXVIL

58

2 Manuskripte

21 Quartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello

211 Sechs Streichquartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello Identisch mit den 1781 in Wien bei Artaria publizierten Werken Wien Oumlsterreichische Nationalbibliothek

22 Quintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen und Violoncello

221 Vier Streichquintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen u Violoncello (A c-C F Es) Wien Gesellschaft der Musikfreunde Es handelt sich unl Abshyschriften die von Wiener Berufskopisten zwischen 1780 und 1800 angefertigt wurden Daraus ist zu schlieszligen dass Titz die hier aufgefuumlhrten Kompositionen schon in Russland schuf

Quintett in A-Dur Allegro - Andante grazioso - Presto Quintett in c-Moll Adagio - Allegro con spirito - Adagio - Ronshy

do Presto Quintett in F-Dur Allegro Andante Rondo Quintett in Es- Dur Allegro Maestoso - U n poco Adagio Rondo

~22 Sechs Streichquintette Osterreichische Nationalbibliothek Wien

Quintett in F-Dur (Mus Hs 11511) Allegro Andante - Rondo Quintett in Es-Dur (Mus Hs 15512) Allegro Maestoso - Un

poco Adagio Rondo Quintett in B-Dur (Mus Hs 11513) Allegro con espressione

Adagio - Rondo Presto Quintett in A-Dur (Mus Hs 11514) Allegro - Andante grazioso

Presto Quintett in c-Moll (Mus Hs 11515) Adagio - Allegro con spirito

Adagio Presto Quintett in d-Moll (Mus Hs l1516) Adagio - Allegro - Cantashy

bile Allegro assai

Alle sechs Stimmabschriften tragen den Vermerk N H 796 wurshyden also 1 796 angefertigt

59

23 Konzert

231 Concert fuumlr Violine principale 2 Violinen 2 Corni Oboi et Basso in Es-Dur Das Konzert besteht aus den Saumltzen Allegro - Cantabile - Rondo Fundort Wien Gesellschaft der Musikfreunde

24 Symphonie

241 Dreisaumltziges Werk fuumlr 2 Violinen Viola Kontrabass 2 Oboen 2 Waldhoumlrner und Pauken (Im Andantino werden die Oboen durch eine Floumlte ersetzt) Die Symphonie besteht aus den Saumltzen Allegro di molto Andantino und Prestissinlo Die handschriftlichen Orchesterstimmen befinden sich in der Bishybliothek des Schlosses zu Pavlovsk (s Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 402 Anm 42)

25 Vokalkomposition

251 Arie fuumlr Sopran solo mit Instrumentalbegleitung (EitnerQ 408)

Wenn wir auch bis zum gegenwaumlrtigen Zeitpunkt nicht alle von Titz geschaffenen Kompositionen kennen so erlauben es doch die der Forschung zugaumlnglichen Werke durchaus sich zumindest von Titz als Komponisten von instrumentaler Kammermusik ein Bild zu machen Zwar hat er auch eine ganze Reihe von Liedern (Roshymanzen) fuumlr Gesang und Klavier geschrieben doch muumlssen dieshyse Kompositionen wahrscheinlich als verschollen angesehen wershyden und entziehen sich daher einer Einschaumltzung Einzig und alshylein das Lied Es klagt die graue Taube (Stonet sizyj golubocek) dessen Autorschaft Findejzen einenl unbekannten Komponisten Keldys 44 aber Titzzuschreiben zu koumlnnen glaubt scheint der

44 VgI N Findejzen Ocerki po istorii muzyki v Rossii Bd 2 Moskau-Leshyningrad 1929 S 301 das Nbsp dazu befindet sich auf S CXXXVII - Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 220 Anm 59

60

r

auf uns gekommene Rest von Titz Vokalschaffen zu sein Dabei erfreuten sich Titz Lieder und insbesondere Es klagt die graue Taube zu ihrer Zeit groumlszligter Beliebtheit und letzteres wurde noch in den 1830er Jahren viel gesungen

Auch uumlber Titz als Symphoniker lassen sich zur Zeit keine Ausshysagen machen weil diesbezuumlgliche Werke in Deutschland nicht verfuumlgbar sind 45

Der folgende Versuch einer Stilanalyse bezieht sich infolgedesshysen vorwiegend auf die Sonaten fuumlr Klavier und obligate Violine op I 11 und III sowie die der Forschung zugaumlnglichen Streichshyquartette Es zeigt sich dass Titz in dem Zeitraum zwischen etwa 1781 und 1802 den Weg von der Fruumlhklassik zur Klassik durchlaushyfen hat Seine fruumlhen 1781 in Wien bei Artaria veroumlffentlichten Six Quatuors weisen in den ersten Saumltzen noch eine mehr oder minder willkuumlrliche Reihung des thematischen Materials auf N r 1 3 und 5 bestehen nur aus zwei Saumltzen jeweils aus einem Allegro und einem Rondo die drei uumlbrigen Werke zeigen dagegen schon die spaumltere klassische Viersaumltzigkeit mit zwei schnellen Ecksaumltzen einem Menuett mit Trio und einem nach dem Menuett folgenden langsamen Satz Eine Sonatensatzform ist jedoch nicht zu erkenshynen Den Quartetten N r 4 und 6 stellte Titz ein einleitendes Adagio voran im Streichquartett Nr 2 (A-Dur) waumlhlte er als ershysten Satz ein Thema mit Variationen Fuumlr die Vermutung dass Titz diese Quartette erst in Russland geschrieben hat spricht dass er sich auf dem Titelblatt als M usicien de la Chambre de Sa Maj Imp de toutes les Russies bezeichnet und die Kompositioshynen dem Fuumlrsten Galitzin (Golicyn) Ministre Plenipotentiaire de S M 1 de toutes les Russies pres la Cour Imp et Roy gewidshymet hat 46 (Siehe Abbildung 1) In Wien wurden sie gedruckt weil es in Russland zu dieser Zeit einen 1vlusikverlag mit einer funktionierenden Notendruckerei noch nicht gab Bei den sechs von Artaria 1781 herausgebrachten Streichquartetten haben wir es daher mit den ersten in Russland komponierten Werken dieser Gattung zu tun Titz kann infolgedessen mit Recht als der Beshygruumlnder des Streichquartetts in Russland angesehen werden Dass

45Wie unter Die Werke angegeben ist Titz einzige symphonische Komposhysition eine dreisaumltzige Symphonie Manuskript geblieben Dieses Werk hershyauszugeben waumlre eine verdienstvolle Aufgabe fuumlr die russischen Kollegen

46Naumlhere Angaben zu Golicyn waren nicht zu ermitteln

61

Nbsp 1 Op I die zwei Themen des Allegro agitato

Allegro agitato

r I

~ J I

tJ - ~ bull ~ I I

~

l ~

tgt

-

bull ~

bull bull

r

_I ~ 1 bull

_ _I --~ t

-

--

-

~ ~

TI I

I

11

( 4 I

~

(

I Thema I ~

e)

~ I bull

e

bull

~ shy

-J tJ

-T bull

L

1 I i

tJ I

~

h1 I

11

1

4

62

bullbull

Fortsetzung Nbsp 1

2 Thema 1 J I bullbull - - bull

1 J bull 1 I

t I I J - lfIt bullbullt ~I --shy~

~ -4 i

Jr 1 bull ~

1 t l

~ ~j j ttt

- - tmiddot --m shy I l

- I tJ - J I

Ij T

J rt t t t t t ~~ t 1 I~i bull I

- shyI bullftmiddot

63

dann die drei zwischen 1801 und 1802 in Petersburg bei Dittmar gedruckten Alexander I gewidmeten Quartette auch von Simshyrock in Bonn und Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig herausgebracht wurden zeugt von der offenbar groszligen Beliebtheit dieser Komshypositionen zu ihrer Zeit

In den drei Sonaten fuumlr Clavecin oder Pianoforte und obligate Violine op I II und III die bei J D Gerstenberg amp Comp in St ~~tersburg vermutlich 1795 gedruckt wurden vollzieht Titz den Ubergang zum klassischen Stil 47 Op I (f-Moll) besteht nur aus zwei Saumltzen einem con sordino vorzutragenden Adagio und einem Allegro agitato In der formalen Gestaltung verfaumlhrt Titz im Allegro ziemlich eigenwillig Er bringt ein zweites Thema erst im zweiten Teil des Allegro-Satzes und baut es gewissermaszligen in die Durchfuumlhrung ein Zwar kontrastiert es mit dem Hauptthema steht aber - was ungewoumlhnlich ist - in g-Moll (siehe Nbsp 1) Diese formale Anordnung fUumllhrt jedoch in gewisser Weise schon

47 Die drei Sonaten op I II und III blieben von russischen und sowjetischen Musikforschern bisher voumlllig unbeachtet Neben den schon erwaumlhnten Aushytoren sind hier noch zu nennen L Raaben (Instrumentalnyj ansambl v russkoj muzyke Moskau 1961) und L Ginzburg (Istorija violoncelnogo isshykusstva Buch 2 Moskau 1957 S 399) Offenbar waren ihnen diese Komposhysitionen nicht zugaumlnglich denn RISM gibt fuumlr sie einen russischen Standort nicht an Doch ist wohl op II in den letzten Jahren wieder aufgefunden worden Im Katalog der Russischen Nationalbibliothek ist dieser N otenshydruck jedenfalls verzeichnet (vgl Svodnyj katalog rossijskich notnych izshydanij Bd I XVIII vek St Petersburg 1996 S 60 I 206) RISM nennt dagegen als einzige Bibliothek die diese Sonaten heute noch besitzt die Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar der fuumlr die Anfertigung von Kopien an dieser Stelle herzlich gedankt sei

Das Exemplar des op I traumlgt den handschriftlichen Vermerk Maria Pavshylovna (siehe Abbildung 2) gehoumlrte also wahrscheinlich dieser aus der Zashyren familie stammenden russischen Groszligfuumlrstin die es bei ihrer 1804 erfolgshyten Vermaumlhlung mit dem Groszligfuumlrsten Karl Friedrich von Sachsen-Weimar (1783-1853) vermutlich mit nach Weimar gebracht hat Die allseitig geshybildete Maria Pavlovna (t 1859) spielte Klavier sie stand mit Goethe in staumlndigem geistigem Austausch es ist auch uumlberliefert dass sie sich unter der Anleitung des damaligen russischen Hofkapellmeisters Giuseppe Sarti (1729-1802) mit Komposition beschaumlftigt hat (vgl N von Milde Maria Pawlowna Hamburg 1904 S 88) Dass sie Anton Titz persoumlnlich gekannt hat und ihn zusammen mit seinem Ensemble am Petersburger Hof musishyzieren houmlrte ist sehr wahrscheinlich

64

Abb 1 Titelblatt der Six Quattuors Wien 1781 (Artaria)

65

S 0 N A T E~ pour le

CLAYECIN ou PIANOFORTE

et

VIOLON OBLIGE

conposee

par

Mf TITZ

Opl

A St Petersbour8

ehc Gcutenberg et Camp

Prix IR

Abb 2 Titelblatt von op I mit den Schriftzuumlgen von Maria Pavlovna Groszligherzogin von Sachsen-Weimar

66

zur Sonatensatzform hin die der Komponist dann in den Sonaten op II und III in voller Auspraumlgung anwendet

Nbsp 2 Op III Adagio

Adagio _A ~ bull

I

JI I

I

iM eJ tJ f I

11 - -- ~ - I

p ~ ~ ~ ---

y

f ~

f 1 I ti I~~ I -bullbull bull

I )

r r 6

bull -pshy pt If

bullbull 11 bull bull ~

I r-Bei op 11 (fis-Moll) haben wir es mit einer dreisaumltzigen und bei op III (c-Moll) sogar mit einer viersaumltzigen Sonate zu tun Zwishyschen die bei den schnellen Ecksaumltze schiebt sich in op 11 eine im Volkston gehaltene Romance siciliano (A-Dur) in der Titz seine lyrische Veranlagung auslebt In den Ecksaumltzen des op III (cshyMoll) kommen dagegen pathetische Zuumlge zum Tragen die auch in dem der Sonate vorangestellten einleitenden Adagio anklingen Eine zarte Lyrik kennzeichnet dagegen den langsamen Satz ein

67

Nbsp 3 Op II 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro con espressione A

I

t

~ --- ---shy ----shy -shy1 j - ~ ~ ~ bull

- bull r - 11 i 1 shy bull lI__ bull

J 11 I

t) - r

1 I ~ rrI bull 1_ 1__ rtI eJ ~ - 1 1middot

bull d 11shy llI

~ 14 Ci bull

~ f Seitenthema

~

f

) t

4J -shy - ~ -J

A~lmiddot i_I I

-J I I bull I

A f

~ fI i bull f7 bull shy j i

eJ vshy - ~ ~ - bull t I I )r L

J 1 I I 11 L 11 i

t) bull -

68

1

~bull

Nbsp 4 Op III 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro agitato ~ I bull r Umiddot ~ F

bullbull f~ ~ I I - - ~

bull-~ - ~

bull I tI I t

~ jj jjl ~H 6 bull

I IIJshy -shy I --

4) P ttUCo fJ I I )_r ----

~ -- - crvc J1 P

( ~ ~- 1t_~ - ~

I

VIIoi ~

dolc I a -- r ~

dok ~

I

( ~

- r I I bull ~

11

V8=

~ I ~ -Je - _- _I

1I - I I I l J

~ r I I V ~ - - l0t ~ ~ (

69

Nbsp 5 Quartett a-Moll Haupt- und Seitenthema

Allegro di molto agitato - t1I ft

lt shy ~

-~ -

~

ttJ f j J ~ 4 J ~ bull

I - I - r ~fIe

I IJr

I JJ I- bull

- ~ ]11 _t

1- ~~ 1Il 4 ~ ilA JJ r J ~ -shy

bull

4i) I bull 11 ~ bull ~ 1i-Idole ~ ~ -~ -

I -

~~ I I _I f bull eJ 1shy - - - I -

11 J ir (shy 1-( -~

~

I

Adagio in Es-Dur (siehe Nbsp 2) Formal weisen die Ecksaumltze dieser beiden Sonaten die typische Sonatensatzform auf wobei das Seitenthema jeweils in der parallelen Dur-Tonart steht (siehe Nbsp 3 und 4) Der Satzumfang ist mit jeweils ca 250 Takshy

70

Nbsp 6 Quartett G-Dur 1 Satz

Allegro ~

r I

1 bull 1 bull bullbull I TT

-UI II I I --- - bull

f ~~ ~

h hbull J -1 ~

bull

bull bull bull 1 iilbull bull bull bullbullbullbull bull bullbullbullbull

f - -bull

bull iii - - ---ifiJ bull 1fI bull bull

~~~ -

--~

middot bull

r shy

bull

Ir ~ bull

J~ n--

r

0___- V ______

1amp

~

-

JJlJ J~

I

I bull bull ~

bull

lJ~~r-J

--

1 ~ t bull r t

T -- -

SilJ -- -

71

Fortsetzung Nbsp 6

A

_t

-su - shy

eJ bull IJgt- f~ 11- I

-

t t 1 1

- t I - _

T

bull

~v v 17

-PO bull

bull I

11 bull Ir ~

---shy J ~

bull bull bullL---shyWW~

bull bull ltr~ ~ bullbull ~ ~

t l1li bull a

bullbullbullbull

) bull bull-

-

~ I

~

-

-po

I 1 bull

bull I bull bull

bullbullbullbull

bull bull

-tiTbull

~

-

~ --shy-

--

1 I

J

~ bull bull

72

ten beachtlich der Durchfuumlhrung wird viel Raum gegeben Die Violinstimme ist sparsam ausgesetzt nur verhaumlltnismaumlszligig selten wird ihr thematisches Material uumlbertragen Dennoch bildet sie zusammen nlit dem Klavierpart eine untrennbare klangliche Einshyheit Insgesamt zeichnen sich die drei Sonaten durch einfallsreiche thematische Erfindung aus Besonders zu bezaubern vermag die Sonate in fis-Moll (Op II)

Nbsp 7 Quartett F-Dur 1 Satz Hauptthema

r r r - - r - rr rrrf Dass sich Titz die klassische Schreibweise zu eigen gemacht hat

belegen auch die drei Alexander 1 gewidnleten Streichquartette von 18011802 Am konsequentesten haumllt sich der Komponist an das Schema der Sonatensatzform im Allegro di molto agitato des 3 Quartetts (a-Moll) In der Exposition bringt er das Haupt- und in der parallelen Dur-Tonart das Seitenthema (siehe Nbsp 5) und laumlsst dann eine Durchfuumlhrung und Reprise mit Coda folgen In

73

Nbsp 8 Quartett F-Dur 1 Satz Seitenthema

Ir

I bull bull

lIiiiiiiii

ol LI r4tJ - ~l ~J t J j 11 bull q- tr bullbull bull r I~ t I It-I- It bull It It IJ S

I-

~ - - -shy I I shy - IJ1p - --1J - h~~ Ir I

41-

J J- I wr -

- bull rTJ

f) ~ ~ ~ -iJ--1-- -~t J

~

bullt-1

74

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 9: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

shy

( ~ -

Seitdem gibt es uumlber ihn keine Nachrichten mehr Er kann also nur kurze Zeit in der Kammermusik bei Hofe mitgewirkt haben Anders verhaumllt es sich mit Otto Ernst Tewes (1759-1800) der seit 1775 erster Geiger im Ersten Hoforchester war und bis zu seinem Lebensende in Petersburg blieb Aus seiner Feder stammt die dreiaktige komische Oper Die wuumltende Familie (Besenaja sem ja) auf ein Libretto des bekannten russischen Fabeldichters LA Kryshylov die 1786 - allerdings mit einem nur maumlszligigen Erfolg in Petersburg auch aufgefuumlhrt wurde 31 Tewes spielte in Titz Enshysemble sicher laumlngere Zeit mit Die Bratsche war durch Stockfisch vertreten uumlber den wir allerdings keinerlei naumlhere Informationen besitzen sogar sein Vorname ist unbekannt Vermutlich war er Bratscher im Ersten Hoforchester Am Pult des Violoncellisten saszlig Alessandro Delfino der ehe er 1789 nach Petersburg geganshygen war als erster Violoncellist im Orchester der Mailaumlnder Scashyla gewirkt hatte Nach voruumlliergehendem Dienst im Privatorcheshyster von Feldmarschall Fuumlrst Grigorij Aleksandrovic Potemkin (1739-1791 ) erhielt er 1793 in Petersburg die Stelle des Solovioshyloncellisten im Ersten Hoforchester mit einem Vertrag auf fuumlnf Jahre Vermutlich in dieser Zeit 1793 bis 1798 wirkte er in Titz Ensemble 32 Mit Tewes Stockfisch und Delfino stand Titz eishyne ausgezeichnete Streichquartettbesetzung zur Verfuumlgung die bei Bedarf oder wenn es die Anwesenheit besonders talentiershyter Musiker in Petersburg erforderte erweitert bzw veraumlndert wurde So wirkten bei Titz der aus Boumlhmen stammende Claveshyeinist und Komponist Ernest Wanzura ( um 1750 t 1802) der franzoumlsische Harfenist Jean-Baptiste Cardon ( um 1747 t um 1805) der aus Kassel gebuumlrtige Floumltenvirtuose Franz Ludwig Mishychel (Lebensgrenzen unbekannt) und der deutschboumlhmische Klashyrinettenvirtuose Johann Joseph Beer (1744-1812) mit

Wanzura lebte seit 1783 in Moskau und wechselte 1786 nach Petersburg uumlber Seit dieser Zeit spielte er - wahrscheinlich auch nicht regelmaumlszligig - im Kammermusikensemble von Titz mit Der Harfenist Cardon der Paris vermutlich zu Beginn der Revolution verlassen hatte weilte seit 1790 in Petersburg Sein Vertrag mit der Direktion der Kaiserlichen Theater war auf drei Jahre (1790shy

31 Vgl Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 343 32Zu Delfino vgl RA Mooser Annales de la musique et des musiciens en

Russie au XVIII siede Bd 2 Genf 1951 S 488

50

I r

1793) befristet In dieser Zeit spielte er bei Titz mit Der Floumltist Franz Ludwig Michel war 1775 bis 1791 Mitglied des Privatorcheshysters des Fuumlrsten Grigorij Aleksandrovic Potemkin lebte hierauf bis 1796 in Petersburg um dann nach Deutschland zuruumlckzukehshyren Michels Mitwirkung in Titz Ensemble kann daher fuumlr die Zeit zwischen 1791 und 1796 angenommen werden Der Klarinetshytist Johann Joseph Beer spielte bei Titz vermutlich eher in der Zeit von 1783 bis 1786 mit zu der Zeit also als auch Giornovicchi Titz Ensemble angehoumlrte Ab und zu musizierte bei Titz auch der Groszligfuumlrst Aleksandr Pavlovic der spaumltere Zar Aleksandr 1 mit den Titz zu einem passablen Geiger herangebildet hatte

Die zeitweise Mitwirkung von verschiedenen Instrumentalisten und eine sich daraus ergebende variierende und bisweilen unshygewoumlhnliche Besetzung fuumlr die es originale Literatur nicht oder noch nicht gab hatte natuumlrlich zur Folge dass entsprechende Arshyrangements geschaffen werden mussten Als Autoren von solchen Bearbeitungen kamen Titzmiddot selbst und Wanzura in Frage Titz verfuumlgte als Komponist uumlber die dafuumlr notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten Diese besaszlig in gleicher Weise auch Wanzura Seine Klavierbearbeitungen von Opernnummern erschienen in dem Journal de musique dedie aux dames das der Petersburger Verleger Bernhard Theodor Breitkopf (1749-1820) der Bruder des Leipziger Verlagsinhabers zwischen 1785 und 1794 herausshygab Welches Repertoire einer Bearbeitung unterzogen wurde ist im einzelnen unbekannt Es kann jedoch vermutet werden dass es sich um Ausschnitte aus italienischen Opern handelte die dashymals auf dem Spielplan der Kaiserlichen Theater standen Da die 1791 in Petersburg eroumlffnete Musikalienhandlung von Johann Dashyniel Gerstenberg immer die neuesten Notenausgaben aus Paris Wien und Berlin heranschaffte 33 waren Titz und seine Musiker uumlber den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Westeuropa gut informiert und konnten so fuumlr das Repertoire des Kammerenshysembles immer auch neue Werke auswaumlhlen Gerstenberg brachshyte 17941795 das St Petersburger Musikmagazin fuumlr das Klavishychord oder Pianoforte heraus das neben Klavierkompositionen shy

33Vgl dazu E Stoumlckl Der St Petersburger Musikverlag Gerstenberg und der Beitrag deutscher Tonsetzer zur Schaffung der ersten Klavierkomposishytionen in Russland in Arolser Beitraumlge zur Musikforschung 8 Sinzig 2000 S 148

51

meist Variationen uumlber russische Volkslieder - auch Triosonaten von Ignaz Pleye1 34 enthielt In der Spaumltzeit von Titz Wirken in Petersburg erschienen in der Zarenresidenz die ersten einheimishyschen Ausgaben von Streichquartetten die Titz sicher kannte und moumlglicherweise fuumlr seine Musizierpraxis auch nutzte Zu denken ist an die Trois Grands Quatuors des aus Regensburg gebuumlrtigen Franz Adam Veichtner (1741-1822) seit 1795 Kammermusikus und Konzertmeister der Petersburger Hofkapelle die vermutlich zwischen 1796 und 1799 von Gerstenberg als Stimmen gedruckt wurden 35 sowie die ebenfalls von Gerstenberg herausgebrachten heute jedoch als verschollen anzusehenden Six Quatuors (1797) und Trois Quatuors (op 3 1796) von Johalln Konrad Schlick (1748-1818) Violoncellist in der Hofkapelle von Herzog Ernst 11 in Gotha 36 Es kann weiter vermutet werden dass Titz Sonaten des in den 1770er Jahren in Petersburg weilenden und sich der besonderen Gunst der Zarin erfreuenden italienischen Violinvirshytuosen Antonio Lolli (1730-1802) spielte Titz Kammerrpusikenshysemble musizierte gelegentlich auch im Theater und ersetzte auf diese Weise ein ganzes Orchester Manchmal saszligen waumlhrend der Theatervorstellullg im Orchester nur vier ausgezeichnete Musishyker Titz mit der Geige Delfino mit dem Violoncello Cardon mit der Harfe und Wanzura am Klavier 37 Es gibt Berichte wonach das Titzsche Ensemble in kleiner Besetzung Symphonishy

34 VgL ebd S 180 35 Das einzige erhalten gebliebene Exemplar von Veichtners Streichquartetshy

ten (F D g) befindet sich in der Szechenyi-N ational-Bibliothek in Budashypest Mit der freundlichen Unterstuumltzung von Herrn Dr Robert Muranyi (Szechenyi-Nationalbibliothek Budapest) und des Instituts fuumlr ostdeutsche Musik (Bergisch Gladbach) brachte E Stoumlckl das Zweite Streichquartett bei Edition Gravis (Bad Schwalbach 1988) in einer praktischen Erstausgashybe (Partitur und Stimmen) heraus

36Vgl B Vol man Russkie pecatnye noty XVIII veka Leningad 1957 S 224 und 227 auch Svodnyj katalog rossijskich llotnych izdanij Bd I XVIIlyj vek St Petersburg 1996 S 109 Nr IIL208 u III209 Die Konzertreisen die Schlick zusammen mit seiner Frau Regina Strinasacchi einer vorzuumlglishychen Violinistin unternahm fuumlhrten ihn ua auch nach Petersburg und es ist moumlglich dass seine von Gerstenberg herausgebrachten Kompositionen in der russischen Residenz auch aufgefuumlhrt wurden

37pI Sumarokov in Russkij archiv 1870 Sp 2106

52

en von Haydn und Mozart spielte 38 Neben haumlufigen Soireen in der Eremitage und den Privatgemaumlchern der Zarin trat Titz in den Sommermonaten auch in Carskoe selo auf wo er bevorzugt Streichquartette vortrug 39 auch solche von Haydn und Mozart Titz Kammermusikensemble beteiligte sich aber auch an groumlszligeshyren musikalischen Festivitaumlten des Zarenhofs Ein Ereignis dieshyser Art hat der Kammerfourier in seinem Journal unter dem 20 Juli 1791 in einer kurzen Notiz festgehalten Im Kiosk spielte die Kammermusik des Kapellmeisters Titz auf Geigen und dem Violoncello Auf der rechten Seite des Kiosks im Garten stand die Kammermusik der Blaumlser auf der linken Seite jenseits des Sees erklang Hornmusik und vor dem Kiosk selbst sangen die Hofsaumlnger verschiedene Konzerte und russische Volkslieder 40

Da als sicher anzunehmen ist dass Titz im Besitz seiner eigenen 1781 in Wien von Artaria publizierten Six Quatuors war ist es aumluszligerst wahrscheinlich dass er auch seine eigenen Kompositioshynen vortrug Titz duumlrfte mit seinem Streichquartett die zwischen 1801 und 1802 von Dittmar veroumlffentlichten Trois Quatuors soshywohl die drei Alexander 1 wie auch die drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette ehe sie in den Druck gingen ausprobiert haben Auf den Programmen standen wohl auch Titz Sonaten fuumlr Klavier und obligate Violine op I II und II1 Es ist weiter anzunehmen dass das Streichtrio und die Streichquartette von Wanzura die nicht erhalten geblieben sind von Titz und seinem Ensemble aufgefuumlhrt wurden

Die Zeitgenossen schaumltzten Titz Violinspiel in der Regel als beshy

38S0 schreibt die Graumlfin Varvara Nikolaevna Golovina in ihren Memoiren Jeden Morgen erhielt ich von der Groszligfuumlrstin eine schriftliche Nachricht in der sie mir befahl am Abend bei ihr zu erscheinen Die besten Musiker geleitet von Titz spielten Symphonien von Haydn und Mozart Der Groszligfuumlrst spielte auf der Violine Wir houmlrten diese herrliche Musik aus dem Nachbarzimmer (Zapiski grafini Varvary Nikolaevny Golovinoj (1766-1819) St Petersburg 1900 S 52f)

39Man rief Titz und drei weitere ausgezeichnete Musiker um Quartette zu spielen heiszligt es in den Memoiren der Graumlfin V N Golovina siehe unter Anm 38 zitierte Memoiren S 65

40 Aus dem Kapitel Die Kammerfourier-Journale und die Musik bei Hofe (T Livanova Russkaja muzykalnaja kultura XVIII veka Bd II Moskau 1953 S 423)

53

sonders glanzvoll ein wobei natuumlrlich subjektive Kriterien nicht auszuschlieszligen sind Der Dichter Ivan Ivanovic Dmitriev (1760shy1837) ein Vertreter des Sentimentalismus in Russland besingt den deutschen Geiger im Jahre 1798 in dem Vierzeiler

Wen houmlre ich Titz Der von dir beseelte Bogen singt spricht und bewegt die Herzen aller Oh Sohn der Harmonie dir gebuumlhrt die Krone und die gewoumlhnliche Sprache kannst du verachten 41

Als BN Zinovev ein Zeitgenosse von Titz waumlhrend eines Aufshyenthalts in Neapel Felice de Giardini (1716-1796) einen der beshydeutendsten Violinvirtuosen seiner Zeit Streichquartett spielen houmlrte stufte er die Qualitaumlt seines Spiels niedriger ein als die von Titz und Jarnowick 42

Der Verfasser des biographischen Artikels im Pantheon spricht davon dass Titz wegen sein~r Schuumlchternheit nicht haumltte Konshyzertgeiger werden koumlnnen und er deshalb auch nie als Solist aufshytrat Er fuumlgt aber hinzu Doch dafuumlr war er im Quartett in seinem Element Es gab nichts was man mit seiner angenehmen Bogenfuumlhrung und mit jenen wunderbar zarten Toumlnen haumltte vershygleichen koumlnnen die er den Saiten seiner Geige entlockte Besonshyders vortrefflich war er im Adagio seine Violine weinte im vollen Sinne dieses Wortes und sie ruumlhrte auch andere zu Traumlnen 43

Da Titz nach der Biographie im Pantheon 1797 erkrankte duumlrfte in diesem Jahr auch die Aktivitaumlt des von ihm geleiteshyten Kammermusikensembles nachgelassen haben und da sich der Geiger in der Folgezeit eigentlich nie wieder recht erholt hat ist die Kammermusikpfiege am russischen Hof vermutlich um 1797 ganz zum Erliegen gekommen Zusammenfassend kann festgeshystellt werden Ob als Streichquartett Trio oder als Ensemble mit einer gemischten Besetzung immer zeichnete sich das Spiel von Titz und seinen Musikern durch eine unvergleichlich hohe kuumlnstshylerische Qualitaumlt und Perfektion aus

41 Zitiert nach A Glumov Muzykalnyj mir Puskina Moskau-Leningrad 1950 S 97

42Russkaja starina 1878 Bd XXIII S 412 zitiert auch von T Livanova wie Anm 40 II S 311 Anm 2

43NM wie Anm 2 S 13

54

Die Werke

Anton Titz kompositorisches ffiuvre ist nicht allzu umfangreich Einige seiner Werke gelten als verschollen (zB viele seiner Roshymanzen fuumlr Gesang und Klavier) Es ist daher durchaus moumlglich dass die eine oder andere Komposition noch aufgefunden wird so dass sich das Gesamtwerk von Titz noch erweitern koumlnnte

1 Drucke

11 Streichquartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello

111 Six Quatuors (C A G c d Es) komponiert von Ferdinand Titz Nlusicien de la Chanlbre de Sa Maj Imp de toutes les Russhysies gewidmet Fuumlrst Galitzin (Golicyn) Wien 1781 Artaria Der Pariser Verleger Antoine Bailleux brachte unmittelbar nach der Wiener Ausgabe von ArtarHt einen Nachdruck der Quartettstimshymen mit dem VermerkTitz Schuumller Haydns heraus

1 Quartett Allegro Rondo

2 Quartett Poco Adagio con Variazioni Menuetto Trio Allegro di mol to

3 Quartett Allegro Rondo

4 Quartett Adagio - Allegro Allegretto (Menuetto) - Trio Cantabile Allegro spirito

5 Quartett Allegro Rondo

6 Quartett Adagio-Allegro Menuetto Trio Romance Allegro di molto

55

112 Trois Quatuors (G F a) komponiert von Anton Titz Alexander 1 gewidmet Gedruckt in St Petersburg bei Friedshyrich August Dittmar - Als Johann Daniel Gerstenberg 1799 nach Deutschland zuruumlckgegangen war uumlbernahm sein bisheriger Kompagnon Dittmar die Verlagsleitung und fuumlhrte das U nternehshymen bis 1808 alleine weiter Alexander I dem Titz seine Quarshytette widmete war 1801 russischer Zar geworden Einen mit der Dittmarschen Ausgabe identischen Nachdruck brachte Simrock in Bonn zwischen 1802 und 1803 heraus (vgl OE Deutsch Mushysikverlagsnummern Berlin 1961) Somit lieszlige sich die Publikation der Alexander 1 gewidmeten drei Streichquartette mit ziemlicher Sicherheit in die Zeit zwischen 1801 und 1802 datieren und sie waumlre eine der ersten russischen Streichquartettdrucke Von diesen drei Streichquartetten existiert ein Nachdruck auch von Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig der aumlhnlich wie der von Simrock in die Zeit zwischen 1802 und 1803 zu datieren ist Im Auftrag des Instishytuts fuumlr deutsche Musikkultur im oumlstlichen Europa e V (Bonn) gab E Stoumlckl eine praktische Erstausgabe des 1 Quartetts in G-Dur mit Partitur Vorwort und Stimmen heraus (Bad Schwalshybach 2000 Edition Gravis) Die praktische Erstausgabe auch des 2 und 3 Quartetts ist vorgesehen

1 Quartett Adagio Allegro Adagio Allegretto (Menuetto) - Trio Rondo

2 Quartett Allegro Adagio cantabile Rondo vivace

3 Quartett Siciliano affettuoso Allegro di molto agitato Romance Polonaise

113 Trois Quatuors (C B Es) komponiert von Anton Titz gewidmet dem Senator Aleksej Grigorevic Teplov Gedruckt in St Petersburg bei Friedrich August Dittmar zwischen 1801 und 1802 Das einzige erhalten gebliebene Exemplar das sich in der

56

Bibliothek des Cajkovskij-Konservatoriums in Moskau befindet ist defekt Nach Mitteilung der Bibliotheksdirektorin Frau Dr AF Cerkasova aus dem Jahre 1998 ist die Bratschenstimme verloren gegangen und in der Stimme der 2 Violine fehlen die Takte 5 bis 16 Es war nicht moumlglich von den drei AG Teplov gewidmeten Quartetten eine Kopie zu bekommen 1 Jampolskij fuumlhrt in seinem Buch Russkoe skripicnoe iskusstvo (MoskaushyLeningrad 1951) auf S 304 ff ein Notenbeispiel aus dem C-Dur Quartett dieser Ausgabe an fuumlr die die Violastimme von dem Komponisten G S Gamburg hinzukomponiert wurde

12 Duos fuumlr Streichinstrumente

121 Trois Duos a Deux Violons avec Romance et Rondeaux Composes par Ferdinand Titz Musicien de la Chambre de la Maj Im p de toutes les Russies Dedies a Madame La Baronesse de Fried Chez Christoph Torricella (B G C) Wien 1781

122 Sonate pour le Violon avec 1 accomp de Basse Compose par Mr Titz et dedie aMr Ignace Suchaneck par C G Kaestner A Moscou par Kaestner et Comp Adagio und Rondo beide in d-Moll

123 Sonate fuumlr Violine und Bass B-Dur Cantabile Allegro con espressione - Rondo

124 Sonate fuumlr Violine und Bass f-Moll Adagio - Allegro con espressione - Rondo

125 Sonate fuumlr Violine und Bass d-Moll Breitkopf amp Haumlrtei Nr 108 (Uppsala Universitaumltsbibliothek)

126 Trois sonates pour un violon avec ace d une basse Wien Jean Traeg Nr 121 (Zagreb Hrvatski glazbeni zavod Zbirka Don Nikole Udina Algaratti)

57

13 Sonaten fuumlr Clavecin oder Klavier und obligate Violine

131 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 1 ASt Petersbourg chez J D Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op I steht in f-Moll und unlfasst die Saumltze 1 Adagio con sordino 2 Allegro agitato Adagio

132 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 11 ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op II steht in fis-Moll und umfasst die Saumltze 1 Allegro con Espressione 2 Romance siciliano 3 Finale Presto I

133 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv In ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op III steht in c-Moll und umfasst die Saumltze 1 Adagio 2 Allegro agitato 3 Adagio 4 Allegro vivace

134 Sonate fuumlr Violine und Klavier Gemeinschaftskomposition mit dem in Riga lebenden Komponishysten Julius August Fehre (1745-1812) Vgl B Volman Russkie pecatnye noty XVIII veka Leningrad 1957 S 64 ( verschollen)

14 Lied

141 Stonet sizyj golu bocek (Es klagt die graue Taube) in N Findejzen Ocerki Bd 2 Moskau-Leningrad 1929 S CXXXVIL

58

2 Manuskripte

21 Quartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello

211 Sechs Streichquartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello Identisch mit den 1781 in Wien bei Artaria publizierten Werken Wien Oumlsterreichische Nationalbibliothek

22 Quintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen und Violoncello

221 Vier Streichquintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen u Violoncello (A c-C F Es) Wien Gesellschaft der Musikfreunde Es handelt sich unl Abshyschriften die von Wiener Berufskopisten zwischen 1780 und 1800 angefertigt wurden Daraus ist zu schlieszligen dass Titz die hier aufgefuumlhrten Kompositionen schon in Russland schuf

Quintett in A-Dur Allegro - Andante grazioso - Presto Quintett in c-Moll Adagio - Allegro con spirito - Adagio - Ronshy

do Presto Quintett in F-Dur Allegro Andante Rondo Quintett in Es- Dur Allegro Maestoso - U n poco Adagio Rondo

~22 Sechs Streichquintette Osterreichische Nationalbibliothek Wien

Quintett in F-Dur (Mus Hs 11511) Allegro Andante - Rondo Quintett in Es-Dur (Mus Hs 15512) Allegro Maestoso - Un

poco Adagio Rondo Quintett in B-Dur (Mus Hs 11513) Allegro con espressione

Adagio - Rondo Presto Quintett in A-Dur (Mus Hs 11514) Allegro - Andante grazioso

Presto Quintett in c-Moll (Mus Hs 11515) Adagio - Allegro con spirito

Adagio Presto Quintett in d-Moll (Mus Hs l1516) Adagio - Allegro - Cantashy

bile Allegro assai

Alle sechs Stimmabschriften tragen den Vermerk N H 796 wurshyden also 1 796 angefertigt

59

23 Konzert

231 Concert fuumlr Violine principale 2 Violinen 2 Corni Oboi et Basso in Es-Dur Das Konzert besteht aus den Saumltzen Allegro - Cantabile - Rondo Fundort Wien Gesellschaft der Musikfreunde

24 Symphonie

241 Dreisaumltziges Werk fuumlr 2 Violinen Viola Kontrabass 2 Oboen 2 Waldhoumlrner und Pauken (Im Andantino werden die Oboen durch eine Floumlte ersetzt) Die Symphonie besteht aus den Saumltzen Allegro di molto Andantino und Prestissinlo Die handschriftlichen Orchesterstimmen befinden sich in der Bishybliothek des Schlosses zu Pavlovsk (s Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 402 Anm 42)

25 Vokalkomposition

251 Arie fuumlr Sopran solo mit Instrumentalbegleitung (EitnerQ 408)

Wenn wir auch bis zum gegenwaumlrtigen Zeitpunkt nicht alle von Titz geschaffenen Kompositionen kennen so erlauben es doch die der Forschung zugaumlnglichen Werke durchaus sich zumindest von Titz als Komponisten von instrumentaler Kammermusik ein Bild zu machen Zwar hat er auch eine ganze Reihe von Liedern (Roshymanzen) fuumlr Gesang und Klavier geschrieben doch muumlssen dieshyse Kompositionen wahrscheinlich als verschollen angesehen wershyden und entziehen sich daher einer Einschaumltzung Einzig und alshylein das Lied Es klagt die graue Taube (Stonet sizyj golubocek) dessen Autorschaft Findejzen einenl unbekannten Komponisten Keldys 44 aber Titzzuschreiben zu koumlnnen glaubt scheint der

44 VgI N Findejzen Ocerki po istorii muzyki v Rossii Bd 2 Moskau-Leshyningrad 1929 S 301 das Nbsp dazu befindet sich auf S CXXXVII - Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 220 Anm 59

60

r

auf uns gekommene Rest von Titz Vokalschaffen zu sein Dabei erfreuten sich Titz Lieder und insbesondere Es klagt die graue Taube zu ihrer Zeit groumlszligter Beliebtheit und letzteres wurde noch in den 1830er Jahren viel gesungen

Auch uumlber Titz als Symphoniker lassen sich zur Zeit keine Ausshysagen machen weil diesbezuumlgliche Werke in Deutschland nicht verfuumlgbar sind 45

Der folgende Versuch einer Stilanalyse bezieht sich infolgedesshysen vorwiegend auf die Sonaten fuumlr Klavier und obligate Violine op I 11 und III sowie die der Forschung zugaumlnglichen Streichshyquartette Es zeigt sich dass Titz in dem Zeitraum zwischen etwa 1781 und 1802 den Weg von der Fruumlhklassik zur Klassik durchlaushyfen hat Seine fruumlhen 1781 in Wien bei Artaria veroumlffentlichten Six Quatuors weisen in den ersten Saumltzen noch eine mehr oder minder willkuumlrliche Reihung des thematischen Materials auf N r 1 3 und 5 bestehen nur aus zwei Saumltzen jeweils aus einem Allegro und einem Rondo die drei uumlbrigen Werke zeigen dagegen schon die spaumltere klassische Viersaumltzigkeit mit zwei schnellen Ecksaumltzen einem Menuett mit Trio und einem nach dem Menuett folgenden langsamen Satz Eine Sonatensatzform ist jedoch nicht zu erkenshynen Den Quartetten N r 4 und 6 stellte Titz ein einleitendes Adagio voran im Streichquartett Nr 2 (A-Dur) waumlhlte er als ershysten Satz ein Thema mit Variationen Fuumlr die Vermutung dass Titz diese Quartette erst in Russland geschrieben hat spricht dass er sich auf dem Titelblatt als M usicien de la Chambre de Sa Maj Imp de toutes les Russies bezeichnet und die Kompositioshynen dem Fuumlrsten Galitzin (Golicyn) Ministre Plenipotentiaire de S M 1 de toutes les Russies pres la Cour Imp et Roy gewidshymet hat 46 (Siehe Abbildung 1) In Wien wurden sie gedruckt weil es in Russland zu dieser Zeit einen 1vlusikverlag mit einer funktionierenden Notendruckerei noch nicht gab Bei den sechs von Artaria 1781 herausgebrachten Streichquartetten haben wir es daher mit den ersten in Russland komponierten Werken dieser Gattung zu tun Titz kann infolgedessen mit Recht als der Beshygruumlnder des Streichquartetts in Russland angesehen werden Dass

45Wie unter Die Werke angegeben ist Titz einzige symphonische Komposhysition eine dreisaumltzige Symphonie Manuskript geblieben Dieses Werk hershyauszugeben waumlre eine verdienstvolle Aufgabe fuumlr die russischen Kollegen

46Naumlhere Angaben zu Golicyn waren nicht zu ermitteln

61

Nbsp 1 Op I die zwei Themen des Allegro agitato

Allegro agitato

r I

~ J I

tJ - ~ bull ~ I I

~

l ~

tgt

-

bull ~

bull bull

r

_I ~ 1 bull

_ _I --~ t

-

--

-

~ ~

TI I

I

11

( 4 I

~

(

I Thema I ~

e)

~ I bull

e

bull

~ shy

-J tJ

-T bull

L

1 I i

tJ I

~

h1 I

11

1

4

62

bullbull

Fortsetzung Nbsp 1

2 Thema 1 J I bullbull - - bull

1 J bull 1 I

t I I J - lfIt bullbullt ~I --shy~

~ -4 i

Jr 1 bull ~

1 t l

~ ~j j ttt

- - tmiddot --m shy I l

- I tJ - J I

Ij T

J rt t t t t t ~~ t 1 I~i bull I

- shyI bullftmiddot

63

dann die drei zwischen 1801 und 1802 in Petersburg bei Dittmar gedruckten Alexander I gewidmeten Quartette auch von Simshyrock in Bonn und Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig herausgebracht wurden zeugt von der offenbar groszligen Beliebtheit dieser Komshypositionen zu ihrer Zeit

In den drei Sonaten fuumlr Clavecin oder Pianoforte und obligate Violine op I II und III die bei J D Gerstenberg amp Comp in St ~~tersburg vermutlich 1795 gedruckt wurden vollzieht Titz den Ubergang zum klassischen Stil 47 Op I (f-Moll) besteht nur aus zwei Saumltzen einem con sordino vorzutragenden Adagio und einem Allegro agitato In der formalen Gestaltung verfaumlhrt Titz im Allegro ziemlich eigenwillig Er bringt ein zweites Thema erst im zweiten Teil des Allegro-Satzes und baut es gewissermaszligen in die Durchfuumlhrung ein Zwar kontrastiert es mit dem Hauptthema steht aber - was ungewoumlhnlich ist - in g-Moll (siehe Nbsp 1) Diese formale Anordnung fUumllhrt jedoch in gewisser Weise schon

47 Die drei Sonaten op I II und III blieben von russischen und sowjetischen Musikforschern bisher voumlllig unbeachtet Neben den schon erwaumlhnten Aushytoren sind hier noch zu nennen L Raaben (Instrumentalnyj ansambl v russkoj muzyke Moskau 1961) und L Ginzburg (Istorija violoncelnogo isshykusstva Buch 2 Moskau 1957 S 399) Offenbar waren ihnen diese Komposhysitionen nicht zugaumlnglich denn RISM gibt fuumlr sie einen russischen Standort nicht an Doch ist wohl op II in den letzten Jahren wieder aufgefunden worden Im Katalog der Russischen Nationalbibliothek ist dieser N otenshydruck jedenfalls verzeichnet (vgl Svodnyj katalog rossijskich notnych izshydanij Bd I XVIII vek St Petersburg 1996 S 60 I 206) RISM nennt dagegen als einzige Bibliothek die diese Sonaten heute noch besitzt die Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar der fuumlr die Anfertigung von Kopien an dieser Stelle herzlich gedankt sei

Das Exemplar des op I traumlgt den handschriftlichen Vermerk Maria Pavshylovna (siehe Abbildung 2) gehoumlrte also wahrscheinlich dieser aus der Zashyren familie stammenden russischen Groszligfuumlrstin die es bei ihrer 1804 erfolgshyten Vermaumlhlung mit dem Groszligfuumlrsten Karl Friedrich von Sachsen-Weimar (1783-1853) vermutlich mit nach Weimar gebracht hat Die allseitig geshybildete Maria Pavlovna (t 1859) spielte Klavier sie stand mit Goethe in staumlndigem geistigem Austausch es ist auch uumlberliefert dass sie sich unter der Anleitung des damaligen russischen Hofkapellmeisters Giuseppe Sarti (1729-1802) mit Komposition beschaumlftigt hat (vgl N von Milde Maria Pawlowna Hamburg 1904 S 88) Dass sie Anton Titz persoumlnlich gekannt hat und ihn zusammen mit seinem Ensemble am Petersburger Hof musishyzieren houmlrte ist sehr wahrscheinlich

64

Abb 1 Titelblatt der Six Quattuors Wien 1781 (Artaria)

65

S 0 N A T E~ pour le

CLAYECIN ou PIANOFORTE

et

VIOLON OBLIGE

conposee

par

Mf TITZ

Opl

A St Petersbour8

ehc Gcutenberg et Camp

Prix IR

Abb 2 Titelblatt von op I mit den Schriftzuumlgen von Maria Pavlovna Groszligherzogin von Sachsen-Weimar

66

zur Sonatensatzform hin die der Komponist dann in den Sonaten op II und III in voller Auspraumlgung anwendet

Nbsp 2 Op III Adagio

Adagio _A ~ bull

I

JI I

I

iM eJ tJ f I

11 - -- ~ - I

p ~ ~ ~ ---

y

f ~

f 1 I ti I~~ I -bullbull bull

I )

r r 6

bull -pshy pt If

bullbull 11 bull bull ~

I r-Bei op 11 (fis-Moll) haben wir es mit einer dreisaumltzigen und bei op III (c-Moll) sogar mit einer viersaumltzigen Sonate zu tun Zwishyschen die bei den schnellen Ecksaumltze schiebt sich in op 11 eine im Volkston gehaltene Romance siciliano (A-Dur) in der Titz seine lyrische Veranlagung auslebt In den Ecksaumltzen des op III (cshyMoll) kommen dagegen pathetische Zuumlge zum Tragen die auch in dem der Sonate vorangestellten einleitenden Adagio anklingen Eine zarte Lyrik kennzeichnet dagegen den langsamen Satz ein

67

Nbsp 3 Op II 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro con espressione A

I

t

~ --- ---shy ----shy -shy1 j - ~ ~ ~ bull

- bull r - 11 i 1 shy bull lI__ bull

J 11 I

t) - r

1 I ~ rrI bull 1_ 1__ rtI eJ ~ - 1 1middot

bull d 11shy llI

~ 14 Ci bull

~ f Seitenthema

~

f

) t

4J -shy - ~ -J

A~lmiddot i_I I

-J I I bull I

A f

~ fI i bull f7 bull shy j i

eJ vshy - ~ ~ - bull t I I )r L

J 1 I I 11 L 11 i

t) bull -

68

1

~bull

Nbsp 4 Op III 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro agitato ~ I bull r Umiddot ~ F

bullbull f~ ~ I I - - ~

bull-~ - ~

bull I tI I t

~ jj jjl ~H 6 bull

I IIJshy -shy I --

4) P ttUCo fJ I I )_r ----

~ -- - crvc J1 P

( ~ ~- 1t_~ - ~

I

VIIoi ~

dolc I a -- r ~

dok ~

I

( ~

- r I I bull ~

11

V8=

~ I ~ -Je - _- _I

1I - I I I l J

~ r I I V ~ - - l0t ~ ~ (

69

Nbsp 5 Quartett a-Moll Haupt- und Seitenthema

Allegro di molto agitato - t1I ft

lt shy ~

-~ -

~

ttJ f j J ~ 4 J ~ bull

I - I - r ~fIe

I IJr

I JJ I- bull

- ~ ]11 _t

1- ~~ 1Il 4 ~ ilA JJ r J ~ -shy

bull

4i) I bull 11 ~ bull ~ 1i-Idole ~ ~ -~ -

I -

~~ I I _I f bull eJ 1shy - - - I -

11 J ir (shy 1-( -~

~

I

Adagio in Es-Dur (siehe Nbsp 2) Formal weisen die Ecksaumltze dieser beiden Sonaten die typische Sonatensatzform auf wobei das Seitenthema jeweils in der parallelen Dur-Tonart steht (siehe Nbsp 3 und 4) Der Satzumfang ist mit jeweils ca 250 Takshy

70

Nbsp 6 Quartett G-Dur 1 Satz

Allegro ~

r I

1 bull 1 bull bullbull I TT

-UI II I I --- - bull

f ~~ ~

h hbull J -1 ~

bull

bull bull bull 1 iilbull bull bull bullbullbullbull bull bullbullbullbull

f - -bull

bull iii - - ---ifiJ bull 1fI bull bull

~~~ -

--~

middot bull

r shy

bull

Ir ~ bull

J~ n--

r

0___- V ______

1amp

~

-

JJlJ J~

I

I bull bull ~

bull

lJ~~r-J

--

1 ~ t bull r t

T -- -

SilJ -- -

71

Fortsetzung Nbsp 6

A

_t

-su - shy

eJ bull IJgt- f~ 11- I

-

t t 1 1

- t I - _

T

bull

~v v 17

-PO bull

bull I

11 bull Ir ~

---shy J ~

bull bull bullL---shyWW~

bull bull ltr~ ~ bullbull ~ ~

t l1li bull a

bullbullbullbull

) bull bull-

-

~ I

~

-

-po

I 1 bull

bull I bull bull

bullbullbullbull

bull bull

-tiTbull

~

-

~ --shy-

--

1 I

J

~ bull bull

72

ten beachtlich der Durchfuumlhrung wird viel Raum gegeben Die Violinstimme ist sparsam ausgesetzt nur verhaumlltnismaumlszligig selten wird ihr thematisches Material uumlbertragen Dennoch bildet sie zusammen nlit dem Klavierpart eine untrennbare klangliche Einshyheit Insgesamt zeichnen sich die drei Sonaten durch einfallsreiche thematische Erfindung aus Besonders zu bezaubern vermag die Sonate in fis-Moll (Op II)

Nbsp 7 Quartett F-Dur 1 Satz Hauptthema

r r r - - r - rr rrrf Dass sich Titz die klassische Schreibweise zu eigen gemacht hat

belegen auch die drei Alexander 1 gewidnleten Streichquartette von 18011802 Am konsequentesten haumllt sich der Komponist an das Schema der Sonatensatzform im Allegro di molto agitato des 3 Quartetts (a-Moll) In der Exposition bringt er das Haupt- und in der parallelen Dur-Tonart das Seitenthema (siehe Nbsp 5) und laumlsst dann eine Durchfuumlhrung und Reprise mit Coda folgen In

73

Nbsp 8 Quartett F-Dur 1 Satz Seitenthema

Ir

I bull bull

lIiiiiiiii

ol LI r4tJ - ~l ~J t J j 11 bull q- tr bullbull bull r I~ t I It-I- It bull It It IJ S

I-

~ - - -shy I I shy - IJ1p - --1J - h~~ Ir I

41-

J J- I wr -

- bull rTJ

f) ~ ~ ~ -iJ--1-- -~t J

~

bullt-1

74

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 10: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

I r

1793) befristet In dieser Zeit spielte er bei Titz mit Der Floumltist Franz Ludwig Michel war 1775 bis 1791 Mitglied des Privatorcheshysters des Fuumlrsten Grigorij Aleksandrovic Potemkin lebte hierauf bis 1796 in Petersburg um dann nach Deutschland zuruumlckzukehshyren Michels Mitwirkung in Titz Ensemble kann daher fuumlr die Zeit zwischen 1791 und 1796 angenommen werden Der Klarinetshytist Johann Joseph Beer spielte bei Titz vermutlich eher in der Zeit von 1783 bis 1786 mit zu der Zeit also als auch Giornovicchi Titz Ensemble angehoumlrte Ab und zu musizierte bei Titz auch der Groszligfuumlrst Aleksandr Pavlovic der spaumltere Zar Aleksandr 1 mit den Titz zu einem passablen Geiger herangebildet hatte

Die zeitweise Mitwirkung von verschiedenen Instrumentalisten und eine sich daraus ergebende variierende und bisweilen unshygewoumlhnliche Besetzung fuumlr die es originale Literatur nicht oder noch nicht gab hatte natuumlrlich zur Folge dass entsprechende Arshyrangements geschaffen werden mussten Als Autoren von solchen Bearbeitungen kamen Titzmiddot selbst und Wanzura in Frage Titz verfuumlgte als Komponist uumlber die dafuumlr notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten Diese besaszlig in gleicher Weise auch Wanzura Seine Klavierbearbeitungen von Opernnummern erschienen in dem Journal de musique dedie aux dames das der Petersburger Verleger Bernhard Theodor Breitkopf (1749-1820) der Bruder des Leipziger Verlagsinhabers zwischen 1785 und 1794 herausshygab Welches Repertoire einer Bearbeitung unterzogen wurde ist im einzelnen unbekannt Es kann jedoch vermutet werden dass es sich um Ausschnitte aus italienischen Opern handelte die dashymals auf dem Spielplan der Kaiserlichen Theater standen Da die 1791 in Petersburg eroumlffnete Musikalienhandlung von Johann Dashyniel Gerstenberg immer die neuesten Notenausgaben aus Paris Wien und Berlin heranschaffte 33 waren Titz und seine Musiker uumlber den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Westeuropa gut informiert und konnten so fuumlr das Repertoire des Kammerenshysembles immer auch neue Werke auswaumlhlen Gerstenberg brachshyte 17941795 das St Petersburger Musikmagazin fuumlr das Klavishychord oder Pianoforte heraus das neben Klavierkompositionen shy

33Vgl dazu E Stoumlckl Der St Petersburger Musikverlag Gerstenberg und der Beitrag deutscher Tonsetzer zur Schaffung der ersten Klavierkomposishytionen in Russland in Arolser Beitraumlge zur Musikforschung 8 Sinzig 2000 S 148

51

meist Variationen uumlber russische Volkslieder - auch Triosonaten von Ignaz Pleye1 34 enthielt In der Spaumltzeit von Titz Wirken in Petersburg erschienen in der Zarenresidenz die ersten einheimishyschen Ausgaben von Streichquartetten die Titz sicher kannte und moumlglicherweise fuumlr seine Musizierpraxis auch nutzte Zu denken ist an die Trois Grands Quatuors des aus Regensburg gebuumlrtigen Franz Adam Veichtner (1741-1822) seit 1795 Kammermusikus und Konzertmeister der Petersburger Hofkapelle die vermutlich zwischen 1796 und 1799 von Gerstenberg als Stimmen gedruckt wurden 35 sowie die ebenfalls von Gerstenberg herausgebrachten heute jedoch als verschollen anzusehenden Six Quatuors (1797) und Trois Quatuors (op 3 1796) von Johalln Konrad Schlick (1748-1818) Violoncellist in der Hofkapelle von Herzog Ernst 11 in Gotha 36 Es kann weiter vermutet werden dass Titz Sonaten des in den 1770er Jahren in Petersburg weilenden und sich der besonderen Gunst der Zarin erfreuenden italienischen Violinvirshytuosen Antonio Lolli (1730-1802) spielte Titz Kammerrpusikenshysemble musizierte gelegentlich auch im Theater und ersetzte auf diese Weise ein ganzes Orchester Manchmal saszligen waumlhrend der Theatervorstellullg im Orchester nur vier ausgezeichnete Musishyker Titz mit der Geige Delfino mit dem Violoncello Cardon mit der Harfe und Wanzura am Klavier 37 Es gibt Berichte wonach das Titzsche Ensemble in kleiner Besetzung Symphonishy

34 VgL ebd S 180 35 Das einzige erhalten gebliebene Exemplar von Veichtners Streichquartetshy

ten (F D g) befindet sich in der Szechenyi-N ational-Bibliothek in Budashypest Mit der freundlichen Unterstuumltzung von Herrn Dr Robert Muranyi (Szechenyi-Nationalbibliothek Budapest) und des Instituts fuumlr ostdeutsche Musik (Bergisch Gladbach) brachte E Stoumlckl das Zweite Streichquartett bei Edition Gravis (Bad Schwalbach 1988) in einer praktischen Erstausgashybe (Partitur und Stimmen) heraus

36Vgl B Vol man Russkie pecatnye noty XVIII veka Leningad 1957 S 224 und 227 auch Svodnyj katalog rossijskich llotnych izdanij Bd I XVIIlyj vek St Petersburg 1996 S 109 Nr IIL208 u III209 Die Konzertreisen die Schlick zusammen mit seiner Frau Regina Strinasacchi einer vorzuumlglishychen Violinistin unternahm fuumlhrten ihn ua auch nach Petersburg und es ist moumlglich dass seine von Gerstenberg herausgebrachten Kompositionen in der russischen Residenz auch aufgefuumlhrt wurden

37pI Sumarokov in Russkij archiv 1870 Sp 2106

52

en von Haydn und Mozart spielte 38 Neben haumlufigen Soireen in der Eremitage und den Privatgemaumlchern der Zarin trat Titz in den Sommermonaten auch in Carskoe selo auf wo er bevorzugt Streichquartette vortrug 39 auch solche von Haydn und Mozart Titz Kammermusikensemble beteiligte sich aber auch an groumlszligeshyren musikalischen Festivitaumlten des Zarenhofs Ein Ereignis dieshyser Art hat der Kammerfourier in seinem Journal unter dem 20 Juli 1791 in einer kurzen Notiz festgehalten Im Kiosk spielte die Kammermusik des Kapellmeisters Titz auf Geigen und dem Violoncello Auf der rechten Seite des Kiosks im Garten stand die Kammermusik der Blaumlser auf der linken Seite jenseits des Sees erklang Hornmusik und vor dem Kiosk selbst sangen die Hofsaumlnger verschiedene Konzerte und russische Volkslieder 40

Da als sicher anzunehmen ist dass Titz im Besitz seiner eigenen 1781 in Wien von Artaria publizierten Six Quatuors war ist es aumluszligerst wahrscheinlich dass er auch seine eigenen Kompositioshynen vortrug Titz duumlrfte mit seinem Streichquartett die zwischen 1801 und 1802 von Dittmar veroumlffentlichten Trois Quatuors soshywohl die drei Alexander 1 wie auch die drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette ehe sie in den Druck gingen ausprobiert haben Auf den Programmen standen wohl auch Titz Sonaten fuumlr Klavier und obligate Violine op I II und II1 Es ist weiter anzunehmen dass das Streichtrio und die Streichquartette von Wanzura die nicht erhalten geblieben sind von Titz und seinem Ensemble aufgefuumlhrt wurden

Die Zeitgenossen schaumltzten Titz Violinspiel in der Regel als beshy

38S0 schreibt die Graumlfin Varvara Nikolaevna Golovina in ihren Memoiren Jeden Morgen erhielt ich von der Groszligfuumlrstin eine schriftliche Nachricht in der sie mir befahl am Abend bei ihr zu erscheinen Die besten Musiker geleitet von Titz spielten Symphonien von Haydn und Mozart Der Groszligfuumlrst spielte auf der Violine Wir houmlrten diese herrliche Musik aus dem Nachbarzimmer (Zapiski grafini Varvary Nikolaevny Golovinoj (1766-1819) St Petersburg 1900 S 52f)

39Man rief Titz und drei weitere ausgezeichnete Musiker um Quartette zu spielen heiszligt es in den Memoiren der Graumlfin V N Golovina siehe unter Anm 38 zitierte Memoiren S 65

40 Aus dem Kapitel Die Kammerfourier-Journale und die Musik bei Hofe (T Livanova Russkaja muzykalnaja kultura XVIII veka Bd II Moskau 1953 S 423)

53

sonders glanzvoll ein wobei natuumlrlich subjektive Kriterien nicht auszuschlieszligen sind Der Dichter Ivan Ivanovic Dmitriev (1760shy1837) ein Vertreter des Sentimentalismus in Russland besingt den deutschen Geiger im Jahre 1798 in dem Vierzeiler

Wen houmlre ich Titz Der von dir beseelte Bogen singt spricht und bewegt die Herzen aller Oh Sohn der Harmonie dir gebuumlhrt die Krone und die gewoumlhnliche Sprache kannst du verachten 41

Als BN Zinovev ein Zeitgenosse von Titz waumlhrend eines Aufshyenthalts in Neapel Felice de Giardini (1716-1796) einen der beshydeutendsten Violinvirtuosen seiner Zeit Streichquartett spielen houmlrte stufte er die Qualitaumlt seines Spiels niedriger ein als die von Titz und Jarnowick 42

Der Verfasser des biographischen Artikels im Pantheon spricht davon dass Titz wegen sein~r Schuumlchternheit nicht haumltte Konshyzertgeiger werden koumlnnen und er deshalb auch nie als Solist aufshytrat Er fuumlgt aber hinzu Doch dafuumlr war er im Quartett in seinem Element Es gab nichts was man mit seiner angenehmen Bogenfuumlhrung und mit jenen wunderbar zarten Toumlnen haumltte vershygleichen koumlnnen die er den Saiten seiner Geige entlockte Besonshyders vortrefflich war er im Adagio seine Violine weinte im vollen Sinne dieses Wortes und sie ruumlhrte auch andere zu Traumlnen 43

Da Titz nach der Biographie im Pantheon 1797 erkrankte duumlrfte in diesem Jahr auch die Aktivitaumlt des von ihm geleiteshyten Kammermusikensembles nachgelassen haben und da sich der Geiger in der Folgezeit eigentlich nie wieder recht erholt hat ist die Kammermusikpfiege am russischen Hof vermutlich um 1797 ganz zum Erliegen gekommen Zusammenfassend kann festgeshystellt werden Ob als Streichquartett Trio oder als Ensemble mit einer gemischten Besetzung immer zeichnete sich das Spiel von Titz und seinen Musikern durch eine unvergleichlich hohe kuumlnstshylerische Qualitaumlt und Perfektion aus

41 Zitiert nach A Glumov Muzykalnyj mir Puskina Moskau-Leningrad 1950 S 97

42Russkaja starina 1878 Bd XXIII S 412 zitiert auch von T Livanova wie Anm 40 II S 311 Anm 2

43NM wie Anm 2 S 13

54

Die Werke

Anton Titz kompositorisches ffiuvre ist nicht allzu umfangreich Einige seiner Werke gelten als verschollen (zB viele seiner Roshymanzen fuumlr Gesang und Klavier) Es ist daher durchaus moumlglich dass die eine oder andere Komposition noch aufgefunden wird so dass sich das Gesamtwerk von Titz noch erweitern koumlnnte

1 Drucke

11 Streichquartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello

111 Six Quatuors (C A G c d Es) komponiert von Ferdinand Titz Nlusicien de la Chanlbre de Sa Maj Imp de toutes les Russhysies gewidmet Fuumlrst Galitzin (Golicyn) Wien 1781 Artaria Der Pariser Verleger Antoine Bailleux brachte unmittelbar nach der Wiener Ausgabe von ArtarHt einen Nachdruck der Quartettstimshymen mit dem VermerkTitz Schuumller Haydns heraus

1 Quartett Allegro Rondo

2 Quartett Poco Adagio con Variazioni Menuetto Trio Allegro di mol to

3 Quartett Allegro Rondo

4 Quartett Adagio - Allegro Allegretto (Menuetto) - Trio Cantabile Allegro spirito

5 Quartett Allegro Rondo

6 Quartett Adagio-Allegro Menuetto Trio Romance Allegro di molto

55

112 Trois Quatuors (G F a) komponiert von Anton Titz Alexander 1 gewidmet Gedruckt in St Petersburg bei Friedshyrich August Dittmar - Als Johann Daniel Gerstenberg 1799 nach Deutschland zuruumlckgegangen war uumlbernahm sein bisheriger Kompagnon Dittmar die Verlagsleitung und fuumlhrte das U nternehshymen bis 1808 alleine weiter Alexander I dem Titz seine Quarshytette widmete war 1801 russischer Zar geworden Einen mit der Dittmarschen Ausgabe identischen Nachdruck brachte Simrock in Bonn zwischen 1802 und 1803 heraus (vgl OE Deutsch Mushysikverlagsnummern Berlin 1961) Somit lieszlige sich die Publikation der Alexander 1 gewidmeten drei Streichquartette mit ziemlicher Sicherheit in die Zeit zwischen 1801 und 1802 datieren und sie waumlre eine der ersten russischen Streichquartettdrucke Von diesen drei Streichquartetten existiert ein Nachdruck auch von Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig der aumlhnlich wie der von Simrock in die Zeit zwischen 1802 und 1803 zu datieren ist Im Auftrag des Instishytuts fuumlr deutsche Musikkultur im oumlstlichen Europa e V (Bonn) gab E Stoumlckl eine praktische Erstausgabe des 1 Quartetts in G-Dur mit Partitur Vorwort und Stimmen heraus (Bad Schwalshybach 2000 Edition Gravis) Die praktische Erstausgabe auch des 2 und 3 Quartetts ist vorgesehen

1 Quartett Adagio Allegro Adagio Allegretto (Menuetto) - Trio Rondo

2 Quartett Allegro Adagio cantabile Rondo vivace

3 Quartett Siciliano affettuoso Allegro di molto agitato Romance Polonaise

113 Trois Quatuors (C B Es) komponiert von Anton Titz gewidmet dem Senator Aleksej Grigorevic Teplov Gedruckt in St Petersburg bei Friedrich August Dittmar zwischen 1801 und 1802 Das einzige erhalten gebliebene Exemplar das sich in der

56

Bibliothek des Cajkovskij-Konservatoriums in Moskau befindet ist defekt Nach Mitteilung der Bibliotheksdirektorin Frau Dr AF Cerkasova aus dem Jahre 1998 ist die Bratschenstimme verloren gegangen und in der Stimme der 2 Violine fehlen die Takte 5 bis 16 Es war nicht moumlglich von den drei AG Teplov gewidmeten Quartetten eine Kopie zu bekommen 1 Jampolskij fuumlhrt in seinem Buch Russkoe skripicnoe iskusstvo (MoskaushyLeningrad 1951) auf S 304 ff ein Notenbeispiel aus dem C-Dur Quartett dieser Ausgabe an fuumlr die die Violastimme von dem Komponisten G S Gamburg hinzukomponiert wurde

12 Duos fuumlr Streichinstrumente

121 Trois Duos a Deux Violons avec Romance et Rondeaux Composes par Ferdinand Titz Musicien de la Chambre de la Maj Im p de toutes les Russies Dedies a Madame La Baronesse de Fried Chez Christoph Torricella (B G C) Wien 1781

122 Sonate pour le Violon avec 1 accomp de Basse Compose par Mr Titz et dedie aMr Ignace Suchaneck par C G Kaestner A Moscou par Kaestner et Comp Adagio und Rondo beide in d-Moll

123 Sonate fuumlr Violine und Bass B-Dur Cantabile Allegro con espressione - Rondo

124 Sonate fuumlr Violine und Bass f-Moll Adagio - Allegro con espressione - Rondo

125 Sonate fuumlr Violine und Bass d-Moll Breitkopf amp Haumlrtei Nr 108 (Uppsala Universitaumltsbibliothek)

126 Trois sonates pour un violon avec ace d une basse Wien Jean Traeg Nr 121 (Zagreb Hrvatski glazbeni zavod Zbirka Don Nikole Udina Algaratti)

57

13 Sonaten fuumlr Clavecin oder Klavier und obligate Violine

131 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 1 ASt Petersbourg chez J D Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op I steht in f-Moll und unlfasst die Saumltze 1 Adagio con sordino 2 Allegro agitato Adagio

132 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 11 ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op II steht in fis-Moll und umfasst die Saumltze 1 Allegro con Espressione 2 Romance siciliano 3 Finale Presto I

133 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv In ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op III steht in c-Moll und umfasst die Saumltze 1 Adagio 2 Allegro agitato 3 Adagio 4 Allegro vivace

134 Sonate fuumlr Violine und Klavier Gemeinschaftskomposition mit dem in Riga lebenden Komponishysten Julius August Fehre (1745-1812) Vgl B Volman Russkie pecatnye noty XVIII veka Leningrad 1957 S 64 ( verschollen)

14 Lied

141 Stonet sizyj golu bocek (Es klagt die graue Taube) in N Findejzen Ocerki Bd 2 Moskau-Leningrad 1929 S CXXXVIL

58

2 Manuskripte

21 Quartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello

211 Sechs Streichquartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello Identisch mit den 1781 in Wien bei Artaria publizierten Werken Wien Oumlsterreichische Nationalbibliothek

22 Quintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen und Violoncello

221 Vier Streichquintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen u Violoncello (A c-C F Es) Wien Gesellschaft der Musikfreunde Es handelt sich unl Abshyschriften die von Wiener Berufskopisten zwischen 1780 und 1800 angefertigt wurden Daraus ist zu schlieszligen dass Titz die hier aufgefuumlhrten Kompositionen schon in Russland schuf

Quintett in A-Dur Allegro - Andante grazioso - Presto Quintett in c-Moll Adagio - Allegro con spirito - Adagio - Ronshy

do Presto Quintett in F-Dur Allegro Andante Rondo Quintett in Es- Dur Allegro Maestoso - U n poco Adagio Rondo

~22 Sechs Streichquintette Osterreichische Nationalbibliothek Wien

Quintett in F-Dur (Mus Hs 11511) Allegro Andante - Rondo Quintett in Es-Dur (Mus Hs 15512) Allegro Maestoso - Un

poco Adagio Rondo Quintett in B-Dur (Mus Hs 11513) Allegro con espressione

Adagio - Rondo Presto Quintett in A-Dur (Mus Hs 11514) Allegro - Andante grazioso

Presto Quintett in c-Moll (Mus Hs 11515) Adagio - Allegro con spirito

Adagio Presto Quintett in d-Moll (Mus Hs l1516) Adagio - Allegro - Cantashy

bile Allegro assai

Alle sechs Stimmabschriften tragen den Vermerk N H 796 wurshyden also 1 796 angefertigt

59

23 Konzert

231 Concert fuumlr Violine principale 2 Violinen 2 Corni Oboi et Basso in Es-Dur Das Konzert besteht aus den Saumltzen Allegro - Cantabile - Rondo Fundort Wien Gesellschaft der Musikfreunde

24 Symphonie

241 Dreisaumltziges Werk fuumlr 2 Violinen Viola Kontrabass 2 Oboen 2 Waldhoumlrner und Pauken (Im Andantino werden die Oboen durch eine Floumlte ersetzt) Die Symphonie besteht aus den Saumltzen Allegro di molto Andantino und Prestissinlo Die handschriftlichen Orchesterstimmen befinden sich in der Bishybliothek des Schlosses zu Pavlovsk (s Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 402 Anm 42)

25 Vokalkomposition

251 Arie fuumlr Sopran solo mit Instrumentalbegleitung (EitnerQ 408)

Wenn wir auch bis zum gegenwaumlrtigen Zeitpunkt nicht alle von Titz geschaffenen Kompositionen kennen so erlauben es doch die der Forschung zugaumlnglichen Werke durchaus sich zumindest von Titz als Komponisten von instrumentaler Kammermusik ein Bild zu machen Zwar hat er auch eine ganze Reihe von Liedern (Roshymanzen) fuumlr Gesang und Klavier geschrieben doch muumlssen dieshyse Kompositionen wahrscheinlich als verschollen angesehen wershyden und entziehen sich daher einer Einschaumltzung Einzig und alshylein das Lied Es klagt die graue Taube (Stonet sizyj golubocek) dessen Autorschaft Findejzen einenl unbekannten Komponisten Keldys 44 aber Titzzuschreiben zu koumlnnen glaubt scheint der

44 VgI N Findejzen Ocerki po istorii muzyki v Rossii Bd 2 Moskau-Leshyningrad 1929 S 301 das Nbsp dazu befindet sich auf S CXXXVII - Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 220 Anm 59

60

r

auf uns gekommene Rest von Titz Vokalschaffen zu sein Dabei erfreuten sich Titz Lieder und insbesondere Es klagt die graue Taube zu ihrer Zeit groumlszligter Beliebtheit und letzteres wurde noch in den 1830er Jahren viel gesungen

Auch uumlber Titz als Symphoniker lassen sich zur Zeit keine Ausshysagen machen weil diesbezuumlgliche Werke in Deutschland nicht verfuumlgbar sind 45

Der folgende Versuch einer Stilanalyse bezieht sich infolgedesshysen vorwiegend auf die Sonaten fuumlr Klavier und obligate Violine op I 11 und III sowie die der Forschung zugaumlnglichen Streichshyquartette Es zeigt sich dass Titz in dem Zeitraum zwischen etwa 1781 und 1802 den Weg von der Fruumlhklassik zur Klassik durchlaushyfen hat Seine fruumlhen 1781 in Wien bei Artaria veroumlffentlichten Six Quatuors weisen in den ersten Saumltzen noch eine mehr oder minder willkuumlrliche Reihung des thematischen Materials auf N r 1 3 und 5 bestehen nur aus zwei Saumltzen jeweils aus einem Allegro und einem Rondo die drei uumlbrigen Werke zeigen dagegen schon die spaumltere klassische Viersaumltzigkeit mit zwei schnellen Ecksaumltzen einem Menuett mit Trio und einem nach dem Menuett folgenden langsamen Satz Eine Sonatensatzform ist jedoch nicht zu erkenshynen Den Quartetten N r 4 und 6 stellte Titz ein einleitendes Adagio voran im Streichquartett Nr 2 (A-Dur) waumlhlte er als ershysten Satz ein Thema mit Variationen Fuumlr die Vermutung dass Titz diese Quartette erst in Russland geschrieben hat spricht dass er sich auf dem Titelblatt als M usicien de la Chambre de Sa Maj Imp de toutes les Russies bezeichnet und die Kompositioshynen dem Fuumlrsten Galitzin (Golicyn) Ministre Plenipotentiaire de S M 1 de toutes les Russies pres la Cour Imp et Roy gewidshymet hat 46 (Siehe Abbildung 1) In Wien wurden sie gedruckt weil es in Russland zu dieser Zeit einen 1vlusikverlag mit einer funktionierenden Notendruckerei noch nicht gab Bei den sechs von Artaria 1781 herausgebrachten Streichquartetten haben wir es daher mit den ersten in Russland komponierten Werken dieser Gattung zu tun Titz kann infolgedessen mit Recht als der Beshygruumlnder des Streichquartetts in Russland angesehen werden Dass

45Wie unter Die Werke angegeben ist Titz einzige symphonische Komposhysition eine dreisaumltzige Symphonie Manuskript geblieben Dieses Werk hershyauszugeben waumlre eine verdienstvolle Aufgabe fuumlr die russischen Kollegen

46Naumlhere Angaben zu Golicyn waren nicht zu ermitteln

61

Nbsp 1 Op I die zwei Themen des Allegro agitato

Allegro agitato

r I

~ J I

tJ - ~ bull ~ I I

~

l ~

tgt

-

bull ~

bull bull

r

_I ~ 1 bull

_ _I --~ t

-

--

-

~ ~

TI I

I

11

( 4 I

~

(

I Thema I ~

e)

~ I bull

e

bull

~ shy

-J tJ

-T bull

L

1 I i

tJ I

~

h1 I

11

1

4

62

bullbull

Fortsetzung Nbsp 1

2 Thema 1 J I bullbull - - bull

1 J bull 1 I

t I I J - lfIt bullbullt ~I --shy~

~ -4 i

Jr 1 bull ~

1 t l

~ ~j j ttt

- - tmiddot --m shy I l

- I tJ - J I

Ij T

J rt t t t t t ~~ t 1 I~i bull I

- shyI bullftmiddot

63

dann die drei zwischen 1801 und 1802 in Petersburg bei Dittmar gedruckten Alexander I gewidmeten Quartette auch von Simshyrock in Bonn und Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig herausgebracht wurden zeugt von der offenbar groszligen Beliebtheit dieser Komshypositionen zu ihrer Zeit

In den drei Sonaten fuumlr Clavecin oder Pianoforte und obligate Violine op I II und III die bei J D Gerstenberg amp Comp in St ~~tersburg vermutlich 1795 gedruckt wurden vollzieht Titz den Ubergang zum klassischen Stil 47 Op I (f-Moll) besteht nur aus zwei Saumltzen einem con sordino vorzutragenden Adagio und einem Allegro agitato In der formalen Gestaltung verfaumlhrt Titz im Allegro ziemlich eigenwillig Er bringt ein zweites Thema erst im zweiten Teil des Allegro-Satzes und baut es gewissermaszligen in die Durchfuumlhrung ein Zwar kontrastiert es mit dem Hauptthema steht aber - was ungewoumlhnlich ist - in g-Moll (siehe Nbsp 1) Diese formale Anordnung fUumllhrt jedoch in gewisser Weise schon

47 Die drei Sonaten op I II und III blieben von russischen und sowjetischen Musikforschern bisher voumlllig unbeachtet Neben den schon erwaumlhnten Aushytoren sind hier noch zu nennen L Raaben (Instrumentalnyj ansambl v russkoj muzyke Moskau 1961) und L Ginzburg (Istorija violoncelnogo isshykusstva Buch 2 Moskau 1957 S 399) Offenbar waren ihnen diese Komposhysitionen nicht zugaumlnglich denn RISM gibt fuumlr sie einen russischen Standort nicht an Doch ist wohl op II in den letzten Jahren wieder aufgefunden worden Im Katalog der Russischen Nationalbibliothek ist dieser N otenshydruck jedenfalls verzeichnet (vgl Svodnyj katalog rossijskich notnych izshydanij Bd I XVIII vek St Petersburg 1996 S 60 I 206) RISM nennt dagegen als einzige Bibliothek die diese Sonaten heute noch besitzt die Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar der fuumlr die Anfertigung von Kopien an dieser Stelle herzlich gedankt sei

Das Exemplar des op I traumlgt den handschriftlichen Vermerk Maria Pavshylovna (siehe Abbildung 2) gehoumlrte also wahrscheinlich dieser aus der Zashyren familie stammenden russischen Groszligfuumlrstin die es bei ihrer 1804 erfolgshyten Vermaumlhlung mit dem Groszligfuumlrsten Karl Friedrich von Sachsen-Weimar (1783-1853) vermutlich mit nach Weimar gebracht hat Die allseitig geshybildete Maria Pavlovna (t 1859) spielte Klavier sie stand mit Goethe in staumlndigem geistigem Austausch es ist auch uumlberliefert dass sie sich unter der Anleitung des damaligen russischen Hofkapellmeisters Giuseppe Sarti (1729-1802) mit Komposition beschaumlftigt hat (vgl N von Milde Maria Pawlowna Hamburg 1904 S 88) Dass sie Anton Titz persoumlnlich gekannt hat und ihn zusammen mit seinem Ensemble am Petersburger Hof musishyzieren houmlrte ist sehr wahrscheinlich

64

Abb 1 Titelblatt der Six Quattuors Wien 1781 (Artaria)

65

S 0 N A T E~ pour le

CLAYECIN ou PIANOFORTE

et

VIOLON OBLIGE

conposee

par

Mf TITZ

Opl

A St Petersbour8

ehc Gcutenberg et Camp

Prix IR

Abb 2 Titelblatt von op I mit den Schriftzuumlgen von Maria Pavlovna Groszligherzogin von Sachsen-Weimar

66

zur Sonatensatzform hin die der Komponist dann in den Sonaten op II und III in voller Auspraumlgung anwendet

Nbsp 2 Op III Adagio

Adagio _A ~ bull

I

JI I

I

iM eJ tJ f I

11 - -- ~ - I

p ~ ~ ~ ---

y

f ~

f 1 I ti I~~ I -bullbull bull

I )

r r 6

bull -pshy pt If

bullbull 11 bull bull ~

I r-Bei op 11 (fis-Moll) haben wir es mit einer dreisaumltzigen und bei op III (c-Moll) sogar mit einer viersaumltzigen Sonate zu tun Zwishyschen die bei den schnellen Ecksaumltze schiebt sich in op 11 eine im Volkston gehaltene Romance siciliano (A-Dur) in der Titz seine lyrische Veranlagung auslebt In den Ecksaumltzen des op III (cshyMoll) kommen dagegen pathetische Zuumlge zum Tragen die auch in dem der Sonate vorangestellten einleitenden Adagio anklingen Eine zarte Lyrik kennzeichnet dagegen den langsamen Satz ein

67

Nbsp 3 Op II 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro con espressione A

I

t

~ --- ---shy ----shy -shy1 j - ~ ~ ~ bull

- bull r - 11 i 1 shy bull lI__ bull

J 11 I

t) - r

1 I ~ rrI bull 1_ 1__ rtI eJ ~ - 1 1middot

bull d 11shy llI

~ 14 Ci bull

~ f Seitenthema

~

f

) t

4J -shy - ~ -J

A~lmiddot i_I I

-J I I bull I

A f

~ fI i bull f7 bull shy j i

eJ vshy - ~ ~ - bull t I I )r L

J 1 I I 11 L 11 i

t) bull -

68

1

~bull

Nbsp 4 Op III 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro agitato ~ I bull r Umiddot ~ F

bullbull f~ ~ I I - - ~

bull-~ - ~

bull I tI I t

~ jj jjl ~H 6 bull

I IIJshy -shy I --

4) P ttUCo fJ I I )_r ----

~ -- - crvc J1 P

( ~ ~- 1t_~ - ~

I

VIIoi ~

dolc I a -- r ~

dok ~

I

( ~

- r I I bull ~

11

V8=

~ I ~ -Je - _- _I

1I - I I I l J

~ r I I V ~ - - l0t ~ ~ (

69

Nbsp 5 Quartett a-Moll Haupt- und Seitenthema

Allegro di molto agitato - t1I ft

lt shy ~

-~ -

~

ttJ f j J ~ 4 J ~ bull

I - I - r ~fIe

I IJr

I JJ I- bull

- ~ ]11 _t

1- ~~ 1Il 4 ~ ilA JJ r J ~ -shy

bull

4i) I bull 11 ~ bull ~ 1i-Idole ~ ~ -~ -

I -

~~ I I _I f bull eJ 1shy - - - I -

11 J ir (shy 1-( -~

~

I

Adagio in Es-Dur (siehe Nbsp 2) Formal weisen die Ecksaumltze dieser beiden Sonaten die typische Sonatensatzform auf wobei das Seitenthema jeweils in der parallelen Dur-Tonart steht (siehe Nbsp 3 und 4) Der Satzumfang ist mit jeweils ca 250 Takshy

70

Nbsp 6 Quartett G-Dur 1 Satz

Allegro ~

r I

1 bull 1 bull bullbull I TT

-UI II I I --- - bull

f ~~ ~

h hbull J -1 ~

bull

bull bull bull 1 iilbull bull bull bullbullbullbull bull bullbullbullbull

f - -bull

bull iii - - ---ifiJ bull 1fI bull bull

~~~ -

--~

middot bull

r shy

bull

Ir ~ bull

J~ n--

r

0___- V ______

1amp

~

-

JJlJ J~

I

I bull bull ~

bull

lJ~~r-J

--

1 ~ t bull r t

T -- -

SilJ -- -

71

Fortsetzung Nbsp 6

A

_t

-su - shy

eJ bull IJgt- f~ 11- I

-

t t 1 1

- t I - _

T

bull

~v v 17

-PO bull

bull I

11 bull Ir ~

---shy J ~

bull bull bullL---shyWW~

bull bull ltr~ ~ bullbull ~ ~

t l1li bull a

bullbullbullbull

) bull bull-

-

~ I

~

-

-po

I 1 bull

bull I bull bull

bullbullbullbull

bull bull

-tiTbull

~

-

~ --shy-

--

1 I

J

~ bull bull

72

ten beachtlich der Durchfuumlhrung wird viel Raum gegeben Die Violinstimme ist sparsam ausgesetzt nur verhaumlltnismaumlszligig selten wird ihr thematisches Material uumlbertragen Dennoch bildet sie zusammen nlit dem Klavierpart eine untrennbare klangliche Einshyheit Insgesamt zeichnen sich die drei Sonaten durch einfallsreiche thematische Erfindung aus Besonders zu bezaubern vermag die Sonate in fis-Moll (Op II)

Nbsp 7 Quartett F-Dur 1 Satz Hauptthema

r r r - - r - rr rrrf Dass sich Titz die klassische Schreibweise zu eigen gemacht hat

belegen auch die drei Alexander 1 gewidnleten Streichquartette von 18011802 Am konsequentesten haumllt sich der Komponist an das Schema der Sonatensatzform im Allegro di molto agitato des 3 Quartetts (a-Moll) In der Exposition bringt er das Haupt- und in der parallelen Dur-Tonart das Seitenthema (siehe Nbsp 5) und laumlsst dann eine Durchfuumlhrung und Reprise mit Coda folgen In

73

Nbsp 8 Quartett F-Dur 1 Satz Seitenthema

Ir

I bull bull

lIiiiiiiii

ol LI r4tJ - ~l ~J t J j 11 bull q- tr bullbull bull r I~ t I It-I- It bull It It IJ S

I-

~ - - -shy I I shy - IJ1p - --1J - h~~ Ir I

41-

J J- I wr -

- bull rTJ

f) ~ ~ ~ -iJ--1-- -~t J

~

bullt-1

74

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 11: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

meist Variationen uumlber russische Volkslieder - auch Triosonaten von Ignaz Pleye1 34 enthielt In der Spaumltzeit von Titz Wirken in Petersburg erschienen in der Zarenresidenz die ersten einheimishyschen Ausgaben von Streichquartetten die Titz sicher kannte und moumlglicherweise fuumlr seine Musizierpraxis auch nutzte Zu denken ist an die Trois Grands Quatuors des aus Regensburg gebuumlrtigen Franz Adam Veichtner (1741-1822) seit 1795 Kammermusikus und Konzertmeister der Petersburger Hofkapelle die vermutlich zwischen 1796 und 1799 von Gerstenberg als Stimmen gedruckt wurden 35 sowie die ebenfalls von Gerstenberg herausgebrachten heute jedoch als verschollen anzusehenden Six Quatuors (1797) und Trois Quatuors (op 3 1796) von Johalln Konrad Schlick (1748-1818) Violoncellist in der Hofkapelle von Herzog Ernst 11 in Gotha 36 Es kann weiter vermutet werden dass Titz Sonaten des in den 1770er Jahren in Petersburg weilenden und sich der besonderen Gunst der Zarin erfreuenden italienischen Violinvirshytuosen Antonio Lolli (1730-1802) spielte Titz Kammerrpusikenshysemble musizierte gelegentlich auch im Theater und ersetzte auf diese Weise ein ganzes Orchester Manchmal saszligen waumlhrend der Theatervorstellullg im Orchester nur vier ausgezeichnete Musishyker Titz mit der Geige Delfino mit dem Violoncello Cardon mit der Harfe und Wanzura am Klavier 37 Es gibt Berichte wonach das Titzsche Ensemble in kleiner Besetzung Symphonishy

34 VgL ebd S 180 35 Das einzige erhalten gebliebene Exemplar von Veichtners Streichquartetshy

ten (F D g) befindet sich in der Szechenyi-N ational-Bibliothek in Budashypest Mit der freundlichen Unterstuumltzung von Herrn Dr Robert Muranyi (Szechenyi-Nationalbibliothek Budapest) und des Instituts fuumlr ostdeutsche Musik (Bergisch Gladbach) brachte E Stoumlckl das Zweite Streichquartett bei Edition Gravis (Bad Schwalbach 1988) in einer praktischen Erstausgashybe (Partitur und Stimmen) heraus

36Vgl B Vol man Russkie pecatnye noty XVIII veka Leningad 1957 S 224 und 227 auch Svodnyj katalog rossijskich llotnych izdanij Bd I XVIIlyj vek St Petersburg 1996 S 109 Nr IIL208 u III209 Die Konzertreisen die Schlick zusammen mit seiner Frau Regina Strinasacchi einer vorzuumlglishychen Violinistin unternahm fuumlhrten ihn ua auch nach Petersburg und es ist moumlglich dass seine von Gerstenberg herausgebrachten Kompositionen in der russischen Residenz auch aufgefuumlhrt wurden

37pI Sumarokov in Russkij archiv 1870 Sp 2106

52

en von Haydn und Mozart spielte 38 Neben haumlufigen Soireen in der Eremitage und den Privatgemaumlchern der Zarin trat Titz in den Sommermonaten auch in Carskoe selo auf wo er bevorzugt Streichquartette vortrug 39 auch solche von Haydn und Mozart Titz Kammermusikensemble beteiligte sich aber auch an groumlszligeshyren musikalischen Festivitaumlten des Zarenhofs Ein Ereignis dieshyser Art hat der Kammerfourier in seinem Journal unter dem 20 Juli 1791 in einer kurzen Notiz festgehalten Im Kiosk spielte die Kammermusik des Kapellmeisters Titz auf Geigen und dem Violoncello Auf der rechten Seite des Kiosks im Garten stand die Kammermusik der Blaumlser auf der linken Seite jenseits des Sees erklang Hornmusik und vor dem Kiosk selbst sangen die Hofsaumlnger verschiedene Konzerte und russische Volkslieder 40

Da als sicher anzunehmen ist dass Titz im Besitz seiner eigenen 1781 in Wien von Artaria publizierten Six Quatuors war ist es aumluszligerst wahrscheinlich dass er auch seine eigenen Kompositioshynen vortrug Titz duumlrfte mit seinem Streichquartett die zwischen 1801 und 1802 von Dittmar veroumlffentlichten Trois Quatuors soshywohl die drei Alexander 1 wie auch die drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette ehe sie in den Druck gingen ausprobiert haben Auf den Programmen standen wohl auch Titz Sonaten fuumlr Klavier und obligate Violine op I II und II1 Es ist weiter anzunehmen dass das Streichtrio und die Streichquartette von Wanzura die nicht erhalten geblieben sind von Titz und seinem Ensemble aufgefuumlhrt wurden

Die Zeitgenossen schaumltzten Titz Violinspiel in der Regel als beshy

38S0 schreibt die Graumlfin Varvara Nikolaevna Golovina in ihren Memoiren Jeden Morgen erhielt ich von der Groszligfuumlrstin eine schriftliche Nachricht in der sie mir befahl am Abend bei ihr zu erscheinen Die besten Musiker geleitet von Titz spielten Symphonien von Haydn und Mozart Der Groszligfuumlrst spielte auf der Violine Wir houmlrten diese herrliche Musik aus dem Nachbarzimmer (Zapiski grafini Varvary Nikolaevny Golovinoj (1766-1819) St Petersburg 1900 S 52f)

39Man rief Titz und drei weitere ausgezeichnete Musiker um Quartette zu spielen heiszligt es in den Memoiren der Graumlfin V N Golovina siehe unter Anm 38 zitierte Memoiren S 65

40 Aus dem Kapitel Die Kammerfourier-Journale und die Musik bei Hofe (T Livanova Russkaja muzykalnaja kultura XVIII veka Bd II Moskau 1953 S 423)

53

sonders glanzvoll ein wobei natuumlrlich subjektive Kriterien nicht auszuschlieszligen sind Der Dichter Ivan Ivanovic Dmitriev (1760shy1837) ein Vertreter des Sentimentalismus in Russland besingt den deutschen Geiger im Jahre 1798 in dem Vierzeiler

Wen houmlre ich Titz Der von dir beseelte Bogen singt spricht und bewegt die Herzen aller Oh Sohn der Harmonie dir gebuumlhrt die Krone und die gewoumlhnliche Sprache kannst du verachten 41

Als BN Zinovev ein Zeitgenosse von Titz waumlhrend eines Aufshyenthalts in Neapel Felice de Giardini (1716-1796) einen der beshydeutendsten Violinvirtuosen seiner Zeit Streichquartett spielen houmlrte stufte er die Qualitaumlt seines Spiels niedriger ein als die von Titz und Jarnowick 42

Der Verfasser des biographischen Artikels im Pantheon spricht davon dass Titz wegen sein~r Schuumlchternheit nicht haumltte Konshyzertgeiger werden koumlnnen und er deshalb auch nie als Solist aufshytrat Er fuumlgt aber hinzu Doch dafuumlr war er im Quartett in seinem Element Es gab nichts was man mit seiner angenehmen Bogenfuumlhrung und mit jenen wunderbar zarten Toumlnen haumltte vershygleichen koumlnnen die er den Saiten seiner Geige entlockte Besonshyders vortrefflich war er im Adagio seine Violine weinte im vollen Sinne dieses Wortes und sie ruumlhrte auch andere zu Traumlnen 43

Da Titz nach der Biographie im Pantheon 1797 erkrankte duumlrfte in diesem Jahr auch die Aktivitaumlt des von ihm geleiteshyten Kammermusikensembles nachgelassen haben und da sich der Geiger in der Folgezeit eigentlich nie wieder recht erholt hat ist die Kammermusikpfiege am russischen Hof vermutlich um 1797 ganz zum Erliegen gekommen Zusammenfassend kann festgeshystellt werden Ob als Streichquartett Trio oder als Ensemble mit einer gemischten Besetzung immer zeichnete sich das Spiel von Titz und seinen Musikern durch eine unvergleichlich hohe kuumlnstshylerische Qualitaumlt und Perfektion aus

41 Zitiert nach A Glumov Muzykalnyj mir Puskina Moskau-Leningrad 1950 S 97

42Russkaja starina 1878 Bd XXIII S 412 zitiert auch von T Livanova wie Anm 40 II S 311 Anm 2

43NM wie Anm 2 S 13

54

Die Werke

Anton Titz kompositorisches ffiuvre ist nicht allzu umfangreich Einige seiner Werke gelten als verschollen (zB viele seiner Roshymanzen fuumlr Gesang und Klavier) Es ist daher durchaus moumlglich dass die eine oder andere Komposition noch aufgefunden wird so dass sich das Gesamtwerk von Titz noch erweitern koumlnnte

1 Drucke

11 Streichquartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello

111 Six Quatuors (C A G c d Es) komponiert von Ferdinand Titz Nlusicien de la Chanlbre de Sa Maj Imp de toutes les Russhysies gewidmet Fuumlrst Galitzin (Golicyn) Wien 1781 Artaria Der Pariser Verleger Antoine Bailleux brachte unmittelbar nach der Wiener Ausgabe von ArtarHt einen Nachdruck der Quartettstimshymen mit dem VermerkTitz Schuumller Haydns heraus

1 Quartett Allegro Rondo

2 Quartett Poco Adagio con Variazioni Menuetto Trio Allegro di mol to

3 Quartett Allegro Rondo

4 Quartett Adagio - Allegro Allegretto (Menuetto) - Trio Cantabile Allegro spirito

5 Quartett Allegro Rondo

6 Quartett Adagio-Allegro Menuetto Trio Romance Allegro di molto

55

112 Trois Quatuors (G F a) komponiert von Anton Titz Alexander 1 gewidmet Gedruckt in St Petersburg bei Friedshyrich August Dittmar - Als Johann Daniel Gerstenberg 1799 nach Deutschland zuruumlckgegangen war uumlbernahm sein bisheriger Kompagnon Dittmar die Verlagsleitung und fuumlhrte das U nternehshymen bis 1808 alleine weiter Alexander I dem Titz seine Quarshytette widmete war 1801 russischer Zar geworden Einen mit der Dittmarschen Ausgabe identischen Nachdruck brachte Simrock in Bonn zwischen 1802 und 1803 heraus (vgl OE Deutsch Mushysikverlagsnummern Berlin 1961) Somit lieszlige sich die Publikation der Alexander 1 gewidmeten drei Streichquartette mit ziemlicher Sicherheit in die Zeit zwischen 1801 und 1802 datieren und sie waumlre eine der ersten russischen Streichquartettdrucke Von diesen drei Streichquartetten existiert ein Nachdruck auch von Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig der aumlhnlich wie der von Simrock in die Zeit zwischen 1802 und 1803 zu datieren ist Im Auftrag des Instishytuts fuumlr deutsche Musikkultur im oumlstlichen Europa e V (Bonn) gab E Stoumlckl eine praktische Erstausgabe des 1 Quartetts in G-Dur mit Partitur Vorwort und Stimmen heraus (Bad Schwalshybach 2000 Edition Gravis) Die praktische Erstausgabe auch des 2 und 3 Quartetts ist vorgesehen

1 Quartett Adagio Allegro Adagio Allegretto (Menuetto) - Trio Rondo

2 Quartett Allegro Adagio cantabile Rondo vivace

3 Quartett Siciliano affettuoso Allegro di molto agitato Romance Polonaise

113 Trois Quatuors (C B Es) komponiert von Anton Titz gewidmet dem Senator Aleksej Grigorevic Teplov Gedruckt in St Petersburg bei Friedrich August Dittmar zwischen 1801 und 1802 Das einzige erhalten gebliebene Exemplar das sich in der

56

Bibliothek des Cajkovskij-Konservatoriums in Moskau befindet ist defekt Nach Mitteilung der Bibliotheksdirektorin Frau Dr AF Cerkasova aus dem Jahre 1998 ist die Bratschenstimme verloren gegangen und in der Stimme der 2 Violine fehlen die Takte 5 bis 16 Es war nicht moumlglich von den drei AG Teplov gewidmeten Quartetten eine Kopie zu bekommen 1 Jampolskij fuumlhrt in seinem Buch Russkoe skripicnoe iskusstvo (MoskaushyLeningrad 1951) auf S 304 ff ein Notenbeispiel aus dem C-Dur Quartett dieser Ausgabe an fuumlr die die Violastimme von dem Komponisten G S Gamburg hinzukomponiert wurde

12 Duos fuumlr Streichinstrumente

121 Trois Duos a Deux Violons avec Romance et Rondeaux Composes par Ferdinand Titz Musicien de la Chambre de la Maj Im p de toutes les Russies Dedies a Madame La Baronesse de Fried Chez Christoph Torricella (B G C) Wien 1781

122 Sonate pour le Violon avec 1 accomp de Basse Compose par Mr Titz et dedie aMr Ignace Suchaneck par C G Kaestner A Moscou par Kaestner et Comp Adagio und Rondo beide in d-Moll

123 Sonate fuumlr Violine und Bass B-Dur Cantabile Allegro con espressione - Rondo

124 Sonate fuumlr Violine und Bass f-Moll Adagio - Allegro con espressione - Rondo

125 Sonate fuumlr Violine und Bass d-Moll Breitkopf amp Haumlrtei Nr 108 (Uppsala Universitaumltsbibliothek)

126 Trois sonates pour un violon avec ace d une basse Wien Jean Traeg Nr 121 (Zagreb Hrvatski glazbeni zavod Zbirka Don Nikole Udina Algaratti)

57

13 Sonaten fuumlr Clavecin oder Klavier und obligate Violine

131 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 1 ASt Petersbourg chez J D Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op I steht in f-Moll und unlfasst die Saumltze 1 Adagio con sordino 2 Allegro agitato Adagio

132 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 11 ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op II steht in fis-Moll und umfasst die Saumltze 1 Allegro con Espressione 2 Romance siciliano 3 Finale Presto I

133 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv In ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op III steht in c-Moll und umfasst die Saumltze 1 Adagio 2 Allegro agitato 3 Adagio 4 Allegro vivace

134 Sonate fuumlr Violine und Klavier Gemeinschaftskomposition mit dem in Riga lebenden Komponishysten Julius August Fehre (1745-1812) Vgl B Volman Russkie pecatnye noty XVIII veka Leningrad 1957 S 64 ( verschollen)

14 Lied

141 Stonet sizyj golu bocek (Es klagt die graue Taube) in N Findejzen Ocerki Bd 2 Moskau-Leningrad 1929 S CXXXVIL

58

2 Manuskripte

21 Quartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello

211 Sechs Streichquartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello Identisch mit den 1781 in Wien bei Artaria publizierten Werken Wien Oumlsterreichische Nationalbibliothek

22 Quintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen und Violoncello

221 Vier Streichquintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen u Violoncello (A c-C F Es) Wien Gesellschaft der Musikfreunde Es handelt sich unl Abshyschriften die von Wiener Berufskopisten zwischen 1780 und 1800 angefertigt wurden Daraus ist zu schlieszligen dass Titz die hier aufgefuumlhrten Kompositionen schon in Russland schuf

Quintett in A-Dur Allegro - Andante grazioso - Presto Quintett in c-Moll Adagio - Allegro con spirito - Adagio - Ronshy

do Presto Quintett in F-Dur Allegro Andante Rondo Quintett in Es- Dur Allegro Maestoso - U n poco Adagio Rondo

~22 Sechs Streichquintette Osterreichische Nationalbibliothek Wien

Quintett in F-Dur (Mus Hs 11511) Allegro Andante - Rondo Quintett in Es-Dur (Mus Hs 15512) Allegro Maestoso - Un

poco Adagio Rondo Quintett in B-Dur (Mus Hs 11513) Allegro con espressione

Adagio - Rondo Presto Quintett in A-Dur (Mus Hs 11514) Allegro - Andante grazioso

Presto Quintett in c-Moll (Mus Hs 11515) Adagio - Allegro con spirito

Adagio Presto Quintett in d-Moll (Mus Hs l1516) Adagio - Allegro - Cantashy

bile Allegro assai

Alle sechs Stimmabschriften tragen den Vermerk N H 796 wurshyden also 1 796 angefertigt

59

23 Konzert

231 Concert fuumlr Violine principale 2 Violinen 2 Corni Oboi et Basso in Es-Dur Das Konzert besteht aus den Saumltzen Allegro - Cantabile - Rondo Fundort Wien Gesellschaft der Musikfreunde

24 Symphonie

241 Dreisaumltziges Werk fuumlr 2 Violinen Viola Kontrabass 2 Oboen 2 Waldhoumlrner und Pauken (Im Andantino werden die Oboen durch eine Floumlte ersetzt) Die Symphonie besteht aus den Saumltzen Allegro di molto Andantino und Prestissinlo Die handschriftlichen Orchesterstimmen befinden sich in der Bishybliothek des Schlosses zu Pavlovsk (s Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 402 Anm 42)

25 Vokalkomposition

251 Arie fuumlr Sopran solo mit Instrumentalbegleitung (EitnerQ 408)

Wenn wir auch bis zum gegenwaumlrtigen Zeitpunkt nicht alle von Titz geschaffenen Kompositionen kennen so erlauben es doch die der Forschung zugaumlnglichen Werke durchaus sich zumindest von Titz als Komponisten von instrumentaler Kammermusik ein Bild zu machen Zwar hat er auch eine ganze Reihe von Liedern (Roshymanzen) fuumlr Gesang und Klavier geschrieben doch muumlssen dieshyse Kompositionen wahrscheinlich als verschollen angesehen wershyden und entziehen sich daher einer Einschaumltzung Einzig und alshylein das Lied Es klagt die graue Taube (Stonet sizyj golubocek) dessen Autorschaft Findejzen einenl unbekannten Komponisten Keldys 44 aber Titzzuschreiben zu koumlnnen glaubt scheint der

44 VgI N Findejzen Ocerki po istorii muzyki v Rossii Bd 2 Moskau-Leshyningrad 1929 S 301 das Nbsp dazu befindet sich auf S CXXXVII - Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 220 Anm 59

60

r

auf uns gekommene Rest von Titz Vokalschaffen zu sein Dabei erfreuten sich Titz Lieder und insbesondere Es klagt die graue Taube zu ihrer Zeit groumlszligter Beliebtheit und letzteres wurde noch in den 1830er Jahren viel gesungen

Auch uumlber Titz als Symphoniker lassen sich zur Zeit keine Ausshysagen machen weil diesbezuumlgliche Werke in Deutschland nicht verfuumlgbar sind 45

Der folgende Versuch einer Stilanalyse bezieht sich infolgedesshysen vorwiegend auf die Sonaten fuumlr Klavier und obligate Violine op I 11 und III sowie die der Forschung zugaumlnglichen Streichshyquartette Es zeigt sich dass Titz in dem Zeitraum zwischen etwa 1781 und 1802 den Weg von der Fruumlhklassik zur Klassik durchlaushyfen hat Seine fruumlhen 1781 in Wien bei Artaria veroumlffentlichten Six Quatuors weisen in den ersten Saumltzen noch eine mehr oder minder willkuumlrliche Reihung des thematischen Materials auf N r 1 3 und 5 bestehen nur aus zwei Saumltzen jeweils aus einem Allegro und einem Rondo die drei uumlbrigen Werke zeigen dagegen schon die spaumltere klassische Viersaumltzigkeit mit zwei schnellen Ecksaumltzen einem Menuett mit Trio und einem nach dem Menuett folgenden langsamen Satz Eine Sonatensatzform ist jedoch nicht zu erkenshynen Den Quartetten N r 4 und 6 stellte Titz ein einleitendes Adagio voran im Streichquartett Nr 2 (A-Dur) waumlhlte er als ershysten Satz ein Thema mit Variationen Fuumlr die Vermutung dass Titz diese Quartette erst in Russland geschrieben hat spricht dass er sich auf dem Titelblatt als M usicien de la Chambre de Sa Maj Imp de toutes les Russies bezeichnet und die Kompositioshynen dem Fuumlrsten Galitzin (Golicyn) Ministre Plenipotentiaire de S M 1 de toutes les Russies pres la Cour Imp et Roy gewidshymet hat 46 (Siehe Abbildung 1) In Wien wurden sie gedruckt weil es in Russland zu dieser Zeit einen 1vlusikverlag mit einer funktionierenden Notendruckerei noch nicht gab Bei den sechs von Artaria 1781 herausgebrachten Streichquartetten haben wir es daher mit den ersten in Russland komponierten Werken dieser Gattung zu tun Titz kann infolgedessen mit Recht als der Beshygruumlnder des Streichquartetts in Russland angesehen werden Dass

45Wie unter Die Werke angegeben ist Titz einzige symphonische Komposhysition eine dreisaumltzige Symphonie Manuskript geblieben Dieses Werk hershyauszugeben waumlre eine verdienstvolle Aufgabe fuumlr die russischen Kollegen

46Naumlhere Angaben zu Golicyn waren nicht zu ermitteln

61

Nbsp 1 Op I die zwei Themen des Allegro agitato

Allegro agitato

r I

~ J I

tJ - ~ bull ~ I I

~

l ~

tgt

-

bull ~

bull bull

r

_I ~ 1 bull

_ _I --~ t

-

--

-

~ ~

TI I

I

11

( 4 I

~

(

I Thema I ~

e)

~ I bull

e

bull

~ shy

-J tJ

-T bull

L

1 I i

tJ I

~

h1 I

11

1

4

62

bullbull

Fortsetzung Nbsp 1

2 Thema 1 J I bullbull - - bull

1 J bull 1 I

t I I J - lfIt bullbullt ~I --shy~

~ -4 i

Jr 1 bull ~

1 t l

~ ~j j ttt

- - tmiddot --m shy I l

- I tJ - J I

Ij T

J rt t t t t t ~~ t 1 I~i bull I

- shyI bullftmiddot

63

dann die drei zwischen 1801 und 1802 in Petersburg bei Dittmar gedruckten Alexander I gewidmeten Quartette auch von Simshyrock in Bonn und Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig herausgebracht wurden zeugt von der offenbar groszligen Beliebtheit dieser Komshypositionen zu ihrer Zeit

In den drei Sonaten fuumlr Clavecin oder Pianoforte und obligate Violine op I II und III die bei J D Gerstenberg amp Comp in St ~~tersburg vermutlich 1795 gedruckt wurden vollzieht Titz den Ubergang zum klassischen Stil 47 Op I (f-Moll) besteht nur aus zwei Saumltzen einem con sordino vorzutragenden Adagio und einem Allegro agitato In der formalen Gestaltung verfaumlhrt Titz im Allegro ziemlich eigenwillig Er bringt ein zweites Thema erst im zweiten Teil des Allegro-Satzes und baut es gewissermaszligen in die Durchfuumlhrung ein Zwar kontrastiert es mit dem Hauptthema steht aber - was ungewoumlhnlich ist - in g-Moll (siehe Nbsp 1) Diese formale Anordnung fUumllhrt jedoch in gewisser Weise schon

47 Die drei Sonaten op I II und III blieben von russischen und sowjetischen Musikforschern bisher voumlllig unbeachtet Neben den schon erwaumlhnten Aushytoren sind hier noch zu nennen L Raaben (Instrumentalnyj ansambl v russkoj muzyke Moskau 1961) und L Ginzburg (Istorija violoncelnogo isshykusstva Buch 2 Moskau 1957 S 399) Offenbar waren ihnen diese Komposhysitionen nicht zugaumlnglich denn RISM gibt fuumlr sie einen russischen Standort nicht an Doch ist wohl op II in den letzten Jahren wieder aufgefunden worden Im Katalog der Russischen Nationalbibliothek ist dieser N otenshydruck jedenfalls verzeichnet (vgl Svodnyj katalog rossijskich notnych izshydanij Bd I XVIII vek St Petersburg 1996 S 60 I 206) RISM nennt dagegen als einzige Bibliothek die diese Sonaten heute noch besitzt die Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar der fuumlr die Anfertigung von Kopien an dieser Stelle herzlich gedankt sei

Das Exemplar des op I traumlgt den handschriftlichen Vermerk Maria Pavshylovna (siehe Abbildung 2) gehoumlrte also wahrscheinlich dieser aus der Zashyren familie stammenden russischen Groszligfuumlrstin die es bei ihrer 1804 erfolgshyten Vermaumlhlung mit dem Groszligfuumlrsten Karl Friedrich von Sachsen-Weimar (1783-1853) vermutlich mit nach Weimar gebracht hat Die allseitig geshybildete Maria Pavlovna (t 1859) spielte Klavier sie stand mit Goethe in staumlndigem geistigem Austausch es ist auch uumlberliefert dass sie sich unter der Anleitung des damaligen russischen Hofkapellmeisters Giuseppe Sarti (1729-1802) mit Komposition beschaumlftigt hat (vgl N von Milde Maria Pawlowna Hamburg 1904 S 88) Dass sie Anton Titz persoumlnlich gekannt hat und ihn zusammen mit seinem Ensemble am Petersburger Hof musishyzieren houmlrte ist sehr wahrscheinlich

64

Abb 1 Titelblatt der Six Quattuors Wien 1781 (Artaria)

65

S 0 N A T E~ pour le

CLAYECIN ou PIANOFORTE

et

VIOLON OBLIGE

conposee

par

Mf TITZ

Opl

A St Petersbour8

ehc Gcutenberg et Camp

Prix IR

Abb 2 Titelblatt von op I mit den Schriftzuumlgen von Maria Pavlovna Groszligherzogin von Sachsen-Weimar

66

zur Sonatensatzform hin die der Komponist dann in den Sonaten op II und III in voller Auspraumlgung anwendet

Nbsp 2 Op III Adagio

Adagio _A ~ bull

I

JI I

I

iM eJ tJ f I

11 - -- ~ - I

p ~ ~ ~ ---

y

f ~

f 1 I ti I~~ I -bullbull bull

I )

r r 6

bull -pshy pt If

bullbull 11 bull bull ~

I r-Bei op 11 (fis-Moll) haben wir es mit einer dreisaumltzigen und bei op III (c-Moll) sogar mit einer viersaumltzigen Sonate zu tun Zwishyschen die bei den schnellen Ecksaumltze schiebt sich in op 11 eine im Volkston gehaltene Romance siciliano (A-Dur) in der Titz seine lyrische Veranlagung auslebt In den Ecksaumltzen des op III (cshyMoll) kommen dagegen pathetische Zuumlge zum Tragen die auch in dem der Sonate vorangestellten einleitenden Adagio anklingen Eine zarte Lyrik kennzeichnet dagegen den langsamen Satz ein

67

Nbsp 3 Op II 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro con espressione A

I

t

~ --- ---shy ----shy -shy1 j - ~ ~ ~ bull

- bull r - 11 i 1 shy bull lI__ bull

J 11 I

t) - r

1 I ~ rrI bull 1_ 1__ rtI eJ ~ - 1 1middot

bull d 11shy llI

~ 14 Ci bull

~ f Seitenthema

~

f

) t

4J -shy - ~ -J

A~lmiddot i_I I

-J I I bull I

A f

~ fI i bull f7 bull shy j i

eJ vshy - ~ ~ - bull t I I )r L

J 1 I I 11 L 11 i

t) bull -

68

1

~bull

Nbsp 4 Op III 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro agitato ~ I bull r Umiddot ~ F

bullbull f~ ~ I I - - ~

bull-~ - ~

bull I tI I t

~ jj jjl ~H 6 bull

I IIJshy -shy I --

4) P ttUCo fJ I I )_r ----

~ -- - crvc J1 P

( ~ ~- 1t_~ - ~

I

VIIoi ~

dolc I a -- r ~

dok ~

I

( ~

- r I I bull ~

11

V8=

~ I ~ -Je - _- _I

1I - I I I l J

~ r I I V ~ - - l0t ~ ~ (

69

Nbsp 5 Quartett a-Moll Haupt- und Seitenthema

Allegro di molto agitato - t1I ft

lt shy ~

-~ -

~

ttJ f j J ~ 4 J ~ bull

I - I - r ~fIe

I IJr

I JJ I- bull

- ~ ]11 _t

1- ~~ 1Il 4 ~ ilA JJ r J ~ -shy

bull

4i) I bull 11 ~ bull ~ 1i-Idole ~ ~ -~ -

I -

~~ I I _I f bull eJ 1shy - - - I -

11 J ir (shy 1-( -~

~

I

Adagio in Es-Dur (siehe Nbsp 2) Formal weisen die Ecksaumltze dieser beiden Sonaten die typische Sonatensatzform auf wobei das Seitenthema jeweils in der parallelen Dur-Tonart steht (siehe Nbsp 3 und 4) Der Satzumfang ist mit jeweils ca 250 Takshy

70

Nbsp 6 Quartett G-Dur 1 Satz

Allegro ~

r I

1 bull 1 bull bullbull I TT

-UI II I I --- - bull

f ~~ ~

h hbull J -1 ~

bull

bull bull bull 1 iilbull bull bull bullbullbullbull bull bullbullbullbull

f - -bull

bull iii - - ---ifiJ bull 1fI bull bull

~~~ -

--~

middot bull

r shy

bull

Ir ~ bull

J~ n--

r

0___- V ______

1amp

~

-

JJlJ J~

I

I bull bull ~

bull

lJ~~r-J

--

1 ~ t bull r t

T -- -

SilJ -- -

71

Fortsetzung Nbsp 6

A

_t

-su - shy

eJ bull IJgt- f~ 11- I

-

t t 1 1

- t I - _

T

bull

~v v 17

-PO bull

bull I

11 bull Ir ~

---shy J ~

bull bull bullL---shyWW~

bull bull ltr~ ~ bullbull ~ ~

t l1li bull a

bullbullbullbull

) bull bull-

-

~ I

~

-

-po

I 1 bull

bull I bull bull

bullbullbullbull

bull bull

-tiTbull

~

-

~ --shy-

--

1 I

J

~ bull bull

72

ten beachtlich der Durchfuumlhrung wird viel Raum gegeben Die Violinstimme ist sparsam ausgesetzt nur verhaumlltnismaumlszligig selten wird ihr thematisches Material uumlbertragen Dennoch bildet sie zusammen nlit dem Klavierpart eine untrennbare klangliche Einshyheit Insgesamt zeichnen sich die drei Sonaten durch einfallsreiche thematische Erfindung aus Besonders zu bezaubern vermag die Sonate in fis-Moll (Op II)

Nbsp 7 Quartett F-Dur 1 Satz Hauptthema

r r r - - r - rr rrrf Dass sich Titz die klassische Schreibweise zu eigen gemacht hat

belegen auch die drei Alexander 1 gewidnleten Streichquartette von 18011802 Am konsequentesten haumllt sich der Komponist an das Schema der Sonatensatzform im Allegro di molto agitato des 3 Quartetts (a-Moll) In der Exposition bringt er das Haupt- und in der parallelen Dur-Tonart das Seitenthema (siehe Nbsp 5) und laumlsst dann eine Durchfuumlhrung und Reprise mit Coda folgen In

73

Nbsp 8 Quartett F-Dur 1 Satz Seitenthema

Ir

I bull bull

lIiiiiiiii

ol LI r4tJ - ~l ~J t J j 11 bull q- tr bullbull bull r I~ t I It-I- It bull It It IJ S

I-

~ - - -shy I I shy - IJ1p - --1J - h~~ Ir I

41-

J J- I wr -

- bull rTJ

f) ~ ~ ~ -iJ--1-- -~t J

~

bullt-1

74

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 12: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

en von Haydn und Mozart spielte 38 Neben haumlufigen Soireen in der Eremitage und den Privatgemaumlchern der Zarin trat Titz in den Sommermonaten auch in Carskoe selo auf wo er bevorzugt Streichquartette vortrug 39 auch solche von Haydn und Mozart Titz Kammermusikensemble beteiligte sich aber auch an groumlszligeshyren musikalischen Festivitaumlten des Zarenhofs Ein Ereignis dieshyser Art hat der Kammerfourier in seinem Journal unter dem 20 Juli 1791 in einer kurzen Notiz festgehalten Im Kiosk spielte die Kammermusik des Kapellmeisters Titz auf Geigen und dem Violoncello Auf der rechten Seite des Kiosks im Garten stand die Kammermusik der Blaumlser auf der linken Seite jenseits des Sees erklang Hornmusik und vor dem Kiosk selbst sangen die Hofsaumlnger verschiedene Konzerte und russische Volkslieder 40

Da als sicher anzunehmen ist dass Titz im Besitz seiner eigenen 1781 in Wien von Artaria publizierten Six Quatuors war ist es aumluszligerst wahrscheinlich dass er auch seine eigenen Kompositioshynen vortrug Titz duumlrfte mit seinem Streichquartett die zwischen 1801 und 1802 von Dittmar veroumlffentlichten Trois Quatuors soshywohl die drei Alexander 1 wie auch die drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette ehe sie in den Druck gingen ausprobiert haben Auf den Programmen standen wohl auch Titz Sonaten fuumlr Klavier und obligate Violine op I II und II1 Es ist weiter anzunehmen dass das Streichtrio und die Streichquartette von Wanzura die nicht erhalten geblieben sind von Titz und seinem Ensemble aufgefuumlhrt wurden

Die Zeitgenossen schaumltzten Titz Violinspiel in der Regel als beshy

38S0 schreibt die Graumlfin Varvara Nikolaevna Golovina in ihren Memoiren Jeden Morgen erhielt ich von der Groszligfuumlrstin eine schriftliche Nachricht in der sie mir befahl am Abend bei ihr zu erscheinen Die besten Musiker geleitet von Titz spielten Symphonien von Haydn und Mozart Der Groszligfuumlrst spielte auf der Violine Wir houmlrten diese herrliche Musik aus dem Nachbarzimmer (Zapiski grafini Varvary Nikolaevny Golovinoj (1766-1819) St Petersburg 1900 S 52f)

39Man rief Titz und drei weitere ausgezeichnete Musiker um Quartette zu spielen heiszligt es in den Memoiren der Graumlfin V N Golovina siehe unter Anm 38 zitierte Memoiren S 65

40 Aus dem Kapitel Die Kammerfourier-Journale und die Musik bei Hofe (T Livanova Russkaja muzykalnaja kultura XVIII veka Bd II Moskau 1953 S 423)

53

sonders glanzvoll ein wobei natuumlrlich subjektive Kriterien nicht auszuschlieszligen sind Der Dichter Ivan Ivanovic Dmitriev (1760shy1837) ein Vertreter des Sentimentalismus in Russland besingt den deutschen Geiger im Jahre 1798 in dem Vierzeiler

Wen houmlre ich Titz Der von dir beseelte Bogen singt spricht und bewegt die Herzen aller Oh Sohn der Harmonie dir gebuumlhrt die Krone und die gewoumlhnliche Sprache kannst du verachten 41

Als BN Zinovev ein Zeitgenosse von Titz waumlhrend eines Aufshyenthalts in Neapel Felice de Giardini (1716-1796) einen der beshydeutendsten Violinvirtuosen seiner Zeit Streichquartett spielen houmlrte stufte er die Qualitaumlt seines Spiels niedriger ein als die von Titz und Jarnowick 42

Der Verfasser des biographischen Artikels im Pantheon spricht davon dass Titz wegen sein~r Schuumlchternheit nicht haumltte Konshyzertgeiger werden koumlnnen und er deshalb auch nie als Solist aufshytrat Er fuumlgt aber hinzu Doch dafuumlr war er im Quartett in seinem Element Es gab nichts was man mit seiner angenehmen Bogenfuumlhrung und mit jenen wunderbar zarten Toumlnen haumltte vershygleichen koumlnnen die er den Saiten seiner Geige entlockte Besonshyders vortrefflich war er im Adagio seine Violine weinte im vollen Sinne dieses Wortes und sie ruumlhrte auch andere zu Traumlnen 43

Da Titz nach der Biographie im Pantheon 1797 erkrankte duumlrfte in diesem Jahr auch die Aktivitaumlt des von ihm geleiteshyten Kammermusikensembles nachgelassen haben und da sich der Geiger in der Folgezeit eigentlich nie wieder recht erholt hat ist die Kammermusikpfiege am russischen Hof vermutlich um 1797 ganz zum Erliegen gekommen Zusammenfassend kann festgeshystellt werden Ob als Streichquartett Trio oder als Ensemble mit einer gemischten Besetzung immer zeichnete sich das Spiel von Titz und seinen Musikern durch eine unvergleichlich hohe kuumlnstshylerische Qualitaumlt und Perfektion aus

41 Zitiert nach A Glumov Muzykalnyj mir Puskina Moskau-Leningrad 1950 S 97

42Russkaja starina 1878 Bd XXIII S 412 zitiert auch von T Livanova wie Anm 40 II S 311 Anm 2

43NM wie Anm 2 S 13

54

Die Werke

Anton Titz kompositorisches ffiuvre ist nicht allzu umfangreich Einige seiner Werke gelten als verschollen (zB viele seiner Roshymanzen fuumlr Gesang und Klavier) Es ist daher durchaus moumlglich dass die eine oder andere Komposition noch aufgefunden wird so dass sich das Gesamtwerk von Titz noch erweitern koumlnnte

1 Drucke

11 Streichquartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello

111 Six Quatuors (C A G c d Es) komponiert von Ferdinand Titz Nlusicien de la Chanlbre de Sa Maj Imp de toutes les Russhysies gewidmet Fuumlrst Galitzin (Golicyn) Wien 1781 Artaria Der Pariser Verleger Antoine Bailleux brachte unmittelbar nach der Wiener Ausgabe von ArtarHt einen Nachdruck der Quartettstimshymen mit dem VermerkTitz Schuumller Haydns heraus

1 Quartett Allegro Rondo

2 Quartett Poco Adagio con Variazioni Menuetto Trio Allegro di mol to

3 Quartett Allegro Rondo

4 Quartett Adagio - Allegro Allegretto (Menuetto) - Trio Cantabile Allegro spirito

5 Quartett Allegro Rondo

6 Quartett Adagio-Allegro Menuetto Trio Romance Allegro di molto

55

112 Trois Quatuors (G F a) komponiert von Anton Titz Alexander 1 gewidmet Gedruckt in St Petersburg bei Friedshyrich August Dittmar - Als Johann Daniel Gerstenberg 1799 nach Deutschland zuruumlckgegangen war uumlbernahm sein bisheriger Kompagnon Dittmar die Verlagsleitung und fuumlhrte das U nternehshymen bis 1808 alleine weiter Alexander I dem Titz seine Quarshytette widmete war 1801 russischer Zar geworden Einen mit der Dittmarschen Ausgabe identischen Nachdruck brachte Simrock in Bonn zwischen 1802 und 1803 heraus (vgl OE Deutsch Mushysikverlagsnummern Berlin 1961) Somit lieszlige sich die Publikation der Alexander 1 gewidmeten drei Streichquartette mit ziemlicher Sicherheit in die Zeit zwischen 1801 und 1802 datieren und sie waumlre eine der ersten russischen Streichquartettdrucke Von diesen drei Streichquartetten existiert ein Nachdruck auch von Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig der aumlhnlich wie der von Simrock in die Zeit zwischen 1802 und 1803 zu datieren ist Im Auftrag des Instishytuts fuumlr deutsche Musikkultur im oumlstlichen Europa e V (Bonn) gab E Stoumlckl eine praktische Erstausgabe des 1 Quartetts in G-Dur mit Partitur Vorwort und Stimmen heraus (Bad Schwalshybach 2000 Edition Gravis) Die praktische Erstausgabe auch des 2 und 3 Quartetts ist vorgesehen

1 Quartett Adagio Allegro Adagio Allegretto (Menuetto) - Trio Rondo

2 Quartett Allegro Adagio cantabile Rondo vivace

3 Quartett Siciliano affettuoso Allegro di molto agitato Romance Polonaise

113 Trois Quatuors (C B Es) komponiert von Anton Titz gewidmet dem Senator Aleksej Grigorevic Teplov Gedruckt in St Petersburg bei Friedrich August Dittmar zwischen 1801 und 1802 Das einzige erhalten gebliebene Exemplar das sich in der

56

Bibliothek des Cajkovskij-Konservatoriums in Moskau befindet ist defekt Nach Mitteilung der Bibliotheksdirektorin Frau Dr AF Cerkasova aus dem Jahre 1998 ist die Bratschenstimme verloren gegangen und in der Stimme der 2 Violine fehlen die Takte 5 bis 16 Es war nicht moumlglich von den drei AG Teplov gewidmeten Quartetten eine Kopie zu bekommen 1 Jampolskij fuumlhrt in seinem Buch Russkoe skripicnoe iskusstvo (MoskaushyLeningrad 1951) auf S 304 ff ein Notenbeispiel aus dem C-Dur Quartett dieser Ausgabe an fuumlr die die Violastimme von dem Komponisten G S Gamburg hinzukomponiert wurde

12 Duos fuumlr Streichinstrumente

121 Trois Duos a Deux Violons avec Romance et Rondeaux Composes par Ferdinand Titz Musicien de la Chambre de la Maj Im p de toutes les Russies Dedies a Madame La Baronesse de Fried Chez Christoph Torricella (B G C) Wien 1781

122 Sonate pour le Violon avec 1 accomp de Basse Compose par Mr Titz et dedie aMr Ignace Suchaneck par C G Kaestner A Moscou par Kaestner et Comp Adagio und Rondo beide in d-Moll

123 Sonate fuumlr Violine und Bass B-Dur Cantabile Allegro con espressione - Rondo

124 Sonate fuumlr Violine und Bass f-Moll Adagio - Allegro con espressione - Rondo

125 Sonate fuumlr Violine und Bass d-Moll Breitkopf amp Haumlrtei Nr 108 (Uppsala Universitaumltsbibliothek)

126 Trois sonates pour un violon avec ace d une basse Wien Jean Traeg Nr 121 (Zagreb Hrvatski glazbeni zavod Zbirka Don Nikole Udina Algaratti)

57

13 Sonaten fuumlr Clavecin oder Klavier und obligate Violine

131 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 1 ASt Petersbourg chez J D Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op I steht in f-Moll und unlfasst die Saumltze 1 Adagio con sordino 2 Allegro agitato Adagio

132 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 11 ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op II steht in fis-Moll und umfasst die Saumltze 1 Allegro con Espressione 2 Romance siciliano 3 Finale Presto I

133 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv In ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op III steht in c-Moll und umfasst die Saumltze 1 Adagio 2 Allegro agitato 3 Adagio 4 Allegro vivace

134 Sonate fuumlr Violine und Klavier Gemeinschaftskomposition mit dem in Riga lebenden Komponishysten Julius August Fehre (1745-1812) Vgl B Volman Russkie pecatnye noty XVIII veka Leningrad 1957 S 64 ( verschollen)

14 Lied

141 Stonet sizyj golu bocek (Es klagt die graue Taube) in N Findejzen Ocerki Bd 2 Moskau-Leningrad 1929 S CXXXVIL

58

2 Manuskripte

21 Quartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello

211 Sechs Streichquartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello Identisch mit den 1781 in Wien bei Artaria publizierten Werken Wien Oumlsterreichische Nationalbibliothek

22 Quintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen und Violoncello

221 Vier Streichquintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen u Violoncello (A c-C F Es) Wien Gesellschaft der Musikfreunde Es handelt sich unl Abshyschriften die von Wiener Berufskopisten zwischen 1780 und 1800 angefertigt wurden Daraus ist zu schlieszligen dass Titz die hier aufgefuumlhrten Kompositionen schon in Russland schuf

Quintett in A-Dur Allegro - Andante grazioso - Presto Quintett in c-Moll Adagio - Allegro con spirito - Adagio - Ronshy

do Presto Quintett in F-Dur Allegro Andante Rondo Quintett in Es- Dur Allegro Maestoso - U n poco Adagio Rondo

~22 Sechs Streichquintette Osterreichische Nationalbibliothek Wien

Quintett in F-Dur (Mus Hs 11511) Allegro Andante - Rondo Quintett in Es-Dur (Mus Hs 15512) Allegro Maestoso - Un

poco Adagio Rondo Quintett in B-Dur (Mus Hs 11513) Allegro con espressione

Adagio - Rondo Presto Quintett in A-Dur (Mus Hs 11514) Allegro - Andante grazioso

Presto Quintett in c-Moll (Mus Hs 11515) Adagio - Allegro con spirito

Adagio Presto Quintett in d-Moll (Mus Hs l1516) Adagio - Allegro - Cantashy

bile Allegro assai

Alle sechs Stimmabschriften tragen den Vermerk N H 796 wurshyden also 1 796 angefertigt

59

23 Konzert

231 Concert fuumlr Violine principale 2 Violinen 2 Corni Oboi et Basso in Es-Dur Das Konzert besteht aus den Saumltzen Allegro - Cantabile - Rondo Fundort Wien Gesellschaft der Musikfreunde

24 Symphonie

241 Dreisaumltziges Werk fuumlr 2 Violinen Viola Kontrabass 2 Oboen 2 Waldhoumlrner und Pauken (Im Andantino werden die Oboen durch eine Floumlte ersetzt) Die Symphonie besteht aus den Saumltzen Allegro di molto Andantino und Prestissinlo Die handschriftlichen Orchesterstimmen befinden sich in der Bishybliothek des Schlosses zu Pavlovsk (s Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 402 Anm 42)

25 Vokalkomposition

251 Arie fuumlr Sopran solo mit Instrumentalbegleitung (EitnerQ 408)

Wenn wir auch bis zum gegenwaumlrtigen Zeitpunkt nicht alle von Titz geschaffenen Kompositionen kennen so erlauben es doch die der Forschung zugaumlnglichen Werke durchaus sich zumindest von Titz als Komponisten von instrumentaler Kammermusik ein Bild zu machen Zwar hat er auch eine ganze Reihe von Liedern (Roshymanzen) fuumlr Gesang und Klavier geschrieben doch muumlssen dieshyse Kompositionen wahrscheinlich als verschollen angesehen wershyden und entziehen sich daher einer Einschaumltzung Einzig und alshylein das Lied Es klagt die graue Taube (Stonet sizyj golubocek) dessen Autorschaft Findejzen einenl unbekannten Komponisten Keldys 44 aber Titzzuschreiben zu koumlnnen glaubt scheint der

44 VgI N Findejzen Ocerki po istorii muzyki v Rossii Bd 2 Moskau-Leshyningrad 1929 S 301 das Nbsp dazu befindet sich auf S CXXXVII - Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 220 Anm 59

60

r

auf uns gekommene Rest von Titz Vokalschaffen zu sein Dabei erfreuten sich Titz Lieder und insbesondere Es klagt die graue Taube zu ihrer Zeit groumlszligter Beliebtheit und letzteres wurde noch in den 1830er Jahren viel gesungen

Auch uumlber Titz als Symphoniker lassen sich zur Zeit keine Ausshysagen machen weil diesbezuumlgliche Werke in Deutschland nicht verfuumlgbar sind 45

Der folgende Versuch einer Stilanalyse bezieht sich infolgedesshysen vorwiegend auf die Sonaten fuumlr Klavier und obligate Violine op I 11 und III sowie die der Forschung zugaumlnglichen Streichshyquartette Es zeigt sich dass Titz in dem Zeitraum zwischen etwa 1781 und 1802 den Weg von der Fruumlhklassik zur Klassik durchlaushyfen hat Seine fruumlhen 1781 in Wien bei Artaria veroumlffentlichten Six Quatuors weisen in den ersten Saumltzen noch eine mehr oder minder willkuumlrliche Reihung des thematischen Materials auf N r 1 3 und 5 bestehen nur aus zwei Saumltzen jeweils aus einem Allegro und einem Rondo die drei uumlbrigen Werke zeigen dagegen schon die spaumltere klassische Viersaumltzigkeit mit zwei schnellen Ecksaumltzen einem Menuett mit Trio und einem nach dem Menuett folgenden langsamen Satz Eine Sonatensatzform ist jedoch nicht zu erkenshynen Den Quartetten N r 4 und 6 stellte Titz ein einleitendes Adagio voran im Streichquartett Nr 2 (A-Dur) waumlhlte er als ershysten Satz ein Thema mit Variationen Fuumlr die Vermutung dass Titz diese Quartette erst in Russland geschrieben hat spricht dass er sich auf dem Titelblatt als M usicien de la Chambre de Sa Maj Imp de toutes les Russies bezeichnet und die Kompositioshynen dem Fuumlrsten Galitzin (Golicyn) Ministre Plenipotentiaire de S M 1 de toutes les Russies pres la Cour Imp et Roy gewidshymet hat 46 (Siehe Abbildung 1) In Wien wurden sie gedruckt weil es in Russland zu dieser Zeit einen 1vlusikverlag mit einer funktionierenden Notendruckerei noch nicht gab Bei den sechs von Artaria 1781 herausgebrachten Streichquartetten haben wir es daher mit den ersten in Russland komponierten Werken dieser Gattung zu tun Titz kann infolgedessen mit Recht als der Beshygruumlnder des Streichquartetts in Russland angesehen werden Dass

45Wie unter Die Werke angegeben ist Titz einzige symphonische Komposhysition eine dreisaumltzige Symphonie Manuskript geblieben Dieses Werk hershyauszugeben waumlre eine verdienstvolle Aufgabe fuumlr die russischen Kollegen

46Naumlhere Angaben zu Golicyn waren nicht zu ermitteln

61

Nbsp 1 Op I die zwei Themen des Allegro agitato

Allegro agitato

r I

~ J I

tJ - ~ bull ~ I I

~

l ~

tgt

-

bull ~

bull bull

r

_I ~ 1 bull

_ _I --~ t

-

--

-

~ ~

TI I

I

11

( 4 I

~

(

I Thema I ~

e)

~ I bull

e

bull

~ shy

-J tJ

-T bull

L

1 I i

tJ I

~

h1 I

11

1

4

62

bullbull

Fortsetzung Nbsp 1

2 Thema 1 J I bullbull - - bull

1 J bull 1 I

t I I J - lfIt bullbullt ~I --shy~

~ -4 i

Jr 1 bull ~

1 t l

~ ~j j ttt

- - tmiddot --m shy I l

- I tJ - J I

Ij T

J rt t t t t t ~~ t 1 I~i bull I

- shyI bullftmiddot

63

dann die drei zwischen 1801 und 1802 in Petersburg bei Dittmar gedruckten Alexander I gewidmeten Quartette auch von Simshyrock in Bonn und Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig herausgebracht wurden zeugt von der offenbar groszligen Beliebtheit dieser Komshypositionen zu ihrer Zeit

In den drei Sonaten fuumlr Clavecin oder Pianoforte und obligate Violine op I II und III die bei J D Gerstenberg amp Comp in St ~~tersburg vermutlich 1795 gedruckt wurden vollzieht Titz den Ubergang zum klassischen Stil 47 Op I (f-Moll) besteht nur aus zwei Saumltzen einem con sordino vorzutragenden Adagio und einem Allegro agitato In der formalen Gestaltung verfaumlhrt Titz im Allegro ziemlich eigenwillig Er bringt ein zweites Thema erst im zweiten Teil des Allegro-Satzes und baut es gewissermaszligen in die Durchfuumlhrung ein Zwar kontrastiert es mit dem Hauptthema steht aber - was ungewoumlhnlich ist - in g-Moll (siehe Nbsp 1) Diese formale Anordnung fUumllhrt jedoch in gewisser Weise schon

47 Die drei Sonaten op I II und III blieben von russischen und sowjetischen Musikforschern bisher voumlllig unbeachtet Neben den schon erwaumlhnten Aushytoren sind hier noch zu nennen L Raaben (Instrumentalnyj ansambl v russkoj muzyke Moskau 1961) und L Ginzburg (Istorija violoncelnogo isshykusstva Buch 2 Moskau 1957 S 399) Offenbar waren ihnen diese Komposhysitionen nicht zugaumlnglich denn RISM gibt fuumlr sie einen russischen Standort nicht an Doch ist wohl op II in den letzten Jahren wieder aufgefunden worden Im Katalog der Russischen Nationalbibliothek ist dieser N otenshydruck jedenfalls verzeichnet (vgl Svodnyj katalog rossijskich notnych izshydanij Bd I XVIII vek St Petersburg 1996 S 60 I 206) RISM nennt dagegen als einzige Bibliothek die diese Sonaten heute noch besitzt die Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar der fuumlr die Anfertigung von Kopien an dieser Stelle herzlich gedankt sei

Das Exemplar des op I traumlgt den handschriftlichen Vermerk Maria Pavshylovna (siehe Abbildung 2) gehoumlrte also wahrscheinlich dieser aus der Zashyren familie stammenden russischen Groszligfuumlrstin die es bei ihrer 1804 erfolgshyten Vermaumlhlung mit dem Groszligfuumlrsten Karl Friedrich von Sachsen-Weimar (1783-1853) vermutlich mit nach Weimar gebracht hat Die allseitig geshybildete Maria Pavlovna (t 1859) spielte Klavier sie stand mit Goethe in staumlndigem geistigem Austausch es ist auch uumlberliefert dass sie sich unter der Anleitung des damaligen russischen Hofkapellmeisters Giuseppe Sarti (1729-1802) mit Komposition beschaumlftigt hat (vgl N von Milde Maria Pawlowna Hamburg 1904 S 88) Dass sie Anton Titz persoumlnlich gekannt hat und ihn zusammen mit seinem Ensemble am Petersburger Hof musishyzieren houmlrte ist sehr wahrscheinlich

64

Abb 1 Titelblatt der Six Quattuors Wien 1781 (Artaria)

65

S 0 N A T E~ pour le

CLAYECIN ou PIANOFORTE

et

VIOLON OBLIGE

conposee

par

Mf TITZ

Opl

A St Petersbour8

ehc Gcutenberg et Camp

Prix IR

Abb 2 Titelblatt von op I mit den Schriftzuumlgen von Maria Pavlovna Groszligherzogin von Sachsen-Weimar

66

zur Sonatensatzform hin die der Komponist dann in den Sonaten op II und III in voller Auspraumlgung anwendet

Nbsp 2 Op III Adagio

Adagio _A ~ bull

I

JI I

I

iM eJ tJ f I

11 - -- ~ - I

p ~ ~ ~ ---

y

f ~

f 1 I ti I~~ I -bullbull bull

I )

r r 6

bull -pshy pt If

bullbull 11 bull bull ~

I r-Bei op 11 (fis-Moll) haben wir es mit einer dreisaumltzigen und bei op III (c-Moll) sogar mit einer viersaumltzigen Sonate zu tun Zwishyschen die bei den schnellen Ecksaumltze schiebt sich in op 11 eine im Volkston gehaltene Romance siciliano (A-Dur) in der Titz seine lyrische Veranlagung auslebt In den Ecksaumltzen des op III (cshyMoll) kommen dagegen pathetische Zuumlge zum Tragen die auch in dem der Sonate vorangestellten einleitenden Adagio anklingen Eine zarte Lyrik kennzeichnet dagegen den langsamen Satz ein

67

Nbsp 3 Op II 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro con espressione A

I

t

~ --- ---shy ----shy -shy1 j - ~ ~ ~ bull

- bull r - 11 i 1 shy bull lI__ bull

J 11 I

t) - r

1 I ~ rrI bull 1_ 1__ rtI eJ ~ - 1 1middot

bull d 11shy llI

~ 14 Ci bull

~ f Seitenthema

~

f

) t

4J -shy - ~ -J

A~lmiddot i_I I

-J I I bull I

A f

~ fI i bull f7 bull shy j i

eJ vshy - ~ ~ - bull t I I )r L

J 1 I I 11 L 11 i

t) bull -

68

1

~bull

Nbsp 4 Op III 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro agitato ~ I bull r Umiddot ~ F

bullbull f~ ~ I I - - ~

bull-~ - ~

bull I tI I t

~ jj jjl ~H 6 bull

I IIJshy -shy I --

4) P ttUCo fJ I I )_r ----

~ -- - crvc J1 P

( ~ ~- 1t_~ - ~

I

VIIoi ~

dolc I a -- r ~

dok ~

I

( ~

- r I I bull ~

11

V8=

~ I ~ -Je - _- _I

1I - I I I l J

~ r I I V ~ - - l0t ~ ~ (

69

Nbsp 5 Quartett a-Moll Haupt- und Seitenthema

Allegro di molto agitato - t1I ft

lt shy ~

-~ -

~

ttJ f j J ~ 4 J ~ bull

I - I - r ~fIe

I IJr

I JJ I- bull

- ~ ]11 _t

1- ~~ 1Il 4 ~ ilA JJ r J ~ -shy

bull

4i) I bull 11 ~ bull ~ 1i-Idole ~ ~ -~ -

I -

~~ I I _I f bull eJ 1shy - - - I -

11 J ir (shy 1-( -~

~

I

Adagio in Es-Dur (siehe Nbsp 2) Formal weisen die Ecksaumltze dieser beiden Sonaten die typische Sonatensatzform auf wobei das Seitenthema jeweils in der parallelen Dur-Tonart steht (siehe Nbsp 3 und 4) Der Satzumfang ist mit jeweils ca 250 Takshy

70

Nbsp 6 Quartett G-Dur 1 Satz

Allegro ~

r I

1 bull 1 bull bullbull I TT

-UI II I I --- - bull

f ~~ ~

h hbull J -1 ~

bull

bull bull bull 1 iilbull bull bull bullbullbullbull bull bullbullbullbull

f - -bull

bull iii - - ---ifiJ bull 1fI bull bull

~~~ -

--~

middot bull

r shy

bull

Ir ~ bull

J~ n--

r

0___- V ______

1amp

~

-

JJlJ J~

I

I bull bull ~

bull

lJ~~r-J

--

1 ~ t bull r t

T -- -

SilJ -- -

71

Fortsetzung Nbsp 6

A

_t

-su - shy

eJ bull IJgt- f~ 11- I

-

t t 1 1

- t I - _

T

bull

~v v 17

-PO bull

bull I

11 bull Ir ~

---shy J ~

bull bull bullL---shyWW~

bull bull ltr~ ~ bullbull ~ ~

t l1li bull a

bullbullbullbull

) bull bull-

-

~ I

~

-

-po

I 1 bull

bull I bull bull

bullbullbullbull

bull bull

-tiTbull

~

-

~ --shy-

--

1 I

J

~ bull bull

72

ten beachtlich der Durchfuumlhrung wird viel Raum gegeben Die Violinstimme ist sparsam ausgesetzt nur verhaumlltnismaumlszligig selten wird ihr thematisches Material uumlbertragen Dennoch bildet sie zusammen nlit dem Klavierpart eine untrennbare klangliche Einshyheit Insgesamt zeichnen sich die drei Sonaten durch einfallsreiche thematische Erfindung aus Besonders zu bezaubern vermag die Sonate in fis-Moll (Op II)

Nbsp 7 Quartett F-Dur 1 Satz Hauptthema

r r r - - r - rr rrrf Dass sich Titz die klassische Schreibweise zu eigen gemacht hat

belegen auch die drei Alexander 1 gewidnleten Streichquartette von 18011802 Am konsequentesten haumllt sich der Komponist an das Schema der Sonatensatzform im Allegro di molto agitato des 3 Quartetts (a-Moll) In der Exposition bringt er das Haupt- und in der parallelen Dur-Tonart das Seitenthema (siehe Nbsp 5) und laumlsst dann eine Durchfuumlhrung und Reprise mit Coda folgen In

73

Nbsp 8 Quartett F-Dur 1 Satz Seitenthema

Ir

I bull bull

lIiiiiiiii

ol LI r4tJ - ~l ~J t J j 11 bull q- tr bullbull bull r I~ t I It-I- It bull It It IJ S

I-

~ - - -shy I I shy - IJ1p - --1J - h~~ Ir I

41-

J J- I wr -

- bull rTJ

f) ~ ~ ~ -iJ--1-- -~t J

~

bullt-1

74

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 13: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

sonders glanzvoll ein wobei natuumlrlich subjektive Kriterien nicht auszuschlieszligen sind Der Dichter Ivan Ivanovic Dmitriev (1760shy1837) ein Vertreter des Sentimentalismus in Russland besingt den deutschen Geiger im Jahre 1798 in dem Vierzeiler

Wen houmlre ich Titz Der von dir beseelte Bogen singt spricht und bewegt die Herzen aller Oh Sohn der Harmonie dir gebuumlhrt die Krone und die gewoumlhnliche Sprache kannst du verachten 41

Als BN Zinovev ein Zeitgenosse von Titz waumlhrend eines Aufshyenthalts in Neapel Felice de Giardini (1716-1796) einen der beshydeutendsten Violinvirtuosen seiner Zeit Streichquartett spielen houmlrte stufte er die Qualitaumlt seines Spiels niedriger ein als die von Titz und Jarnowick 42

Der Verfasser des biographischen Artikels im Pantheon spricht davon dass Titz wegen sein~r Schuumlchternheit nicht haumltte Konshyzertgeiger werden koumlnnen und er deshalb auch nie als Solist aufshytrat Er fuumlgt aber hinzu Doch dafuumlr war er im Quartett in seinem Element Es gab nichts was man mit seiner angenehmen Bogenfuumlhrung und mit jenen wunderbar zarten Toumlnen haumltte vershygleichen koumlnnen die er den Saiten seiner Geige entlockte Besonshyders vortrefflich war er im Adagio seine Violine weinte im vollen Sinne dieses Wortes und sie ruumlhrte auch andere zu Traumlnen 43

Da Titz nach der Biographie im Pantheon 1797 erkrankte duumlrfte in diesem Jahr auch die Aktivitaumlt des von ihm geleiteshyten Kammermusikensembles nachgelassen haben und da sich der Geiger in der Folgezeit eigentlich nie wieder recht erholt hat ist die Kammermusikpfiege am russischen Hof vermutlich um 1797 ganz zum Erliegen gekommen Zusammenfassend kann festgeshystellt werden Ob als Streichquartett Trio oder als Ensemble mit einer gemischten Besetzung immer zeichnete sich das Spiel von Titz und seinen Musikern durch eine unvergleichlich hohe kuumlnstshylerische Qualitaumlt und Perfektion aus

41 Zitiert nach A Glumov Muzykalnyj mir Puskina Moskau-Leningrad 1950 S 97

42Russkaja starina 1878 Bd XXIII S 412 zitiert auch von T Livanova wie Anm 40 II S 311 Anm 2

43NM wie Anm 2 S 13

54

Die Werke

Anton Titz kompositorisches ffiuvre ist nicht allzu umfangreich Einige seiner Werke gelten als verschollen (zB viele seiner Roshymanzen fuumlr Gesang und Klavier) Es ist daher durchaus moumlglich dass die eine oder andere Komposition noch aufgefunden wird so dass sich das Gesamtwerk von Titz noch erweitern koumlnnte

1 Drucke

11 Streichquartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello

111 Six Quatuors (C A G c d Es) komponiert von Ferdinand Titz Nlusicien de la Chanlbre de Sa Maj Imp de toutes les Russhysies gewidmet Fuumlrst Galitzin (Golicyn) Wien 1781 Artaria Der Pariser Verleger Antoine Bailleux brachte unmittelbar nach der Wiener Ausgabe von ArtarHt einen Nachdruck der Quartettstimshymen mit dem VermerkTitz Schuumller Haydns heraus

1 Quartett Allegro Rondo

2 Quartett Poco Adagio con Variazioni Menuetto Trio Allegro di mol to

3 Quartett Allegro Rondo

4 Quartett Adagio - Allegro Allegretto (Menuetto) - Trio Cantabile Allegro spirito

5 Quartett Allegro Rondo

6 Quartett Adagio-Allegro Menuetto Trio Romance Allegro di molto

55

112 Trois Quatuors (G F a) komponiert von Anton Titz Alexander 1 gewidmet Gedruckt in St Petersburg bei Friedshyrich August Dittmar - Als Johann Daniel Gerstenberg 1799 nach Deutschland zuruumlckgegangen war uumlbernahm sein bisheriger Kompagnon Dittmar die Verlagsleitung und fuumlhrte das U nternehshymen bis 1808 alleine weiter Alexander I dem Titz seine Quarshytette widmete war 1801 russischer Zar geworden Einen mit der Dittmarschen Ausgabe identischen Nachdruck brachte Simrock in Bonn zwischen 1802 und 1803 heraus (vgl OE Deutsch Mushysikverlagsnummern Berlin 1961) Somit lieszlige sich die Publikation der Alexander 1 gewidmeten drei Streichquartette mit ziemlicher Sicherheit in die Zeit zwischen 1801 und 1802 datieren und sie waumlre eine der ersten russischen Streichquartettdrucke Von diesen drei Streichquartetten existiert ein Nachdruck auch von Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig der aumlhnlich wie der von Simrock in die Zeit zwischen 1802 und 1803 zu datieren ist Im Auftrag des Instishytuts fuumlr deutsche Musikkultur im oumlstlichen Europa e V (Bonn) gab E Stoumlckl eine praktische Erstausgabe des 1 Quartetts in G-Dur mit Partitur Vorwort und Stimmen heraus (Bad Schwalshybach 2000 Edition Gravis) Die praktische Erstausgabe auch des 2 und 3 Quartetts ist vorgesehen

1 Quartett Adagio Allegro Adagio Allegretto (Menuetto) - Trio Rondo

2 Quartett Allegro Adagio cantabile Rondo vivace

3 Quartett Siciliano affettuoso Allegro di molto agitato Romance Polonaise

113 Trois Quatuors (C B Es) komponiert von Anton Titz gewidmet dem Senator Aleksej Grigorevic Teplov Gedruckt in St Petersburg bei Friedrich August Dittmar zwischen 1801 und 1802 Das einzige erhalten gebliebene Exemplar das sich in der

56

Bibliothek des Cajkovskij-Konservatoriums in Moskau befindet ist defekt Nach Mitteilung der Bibliotheksdirektorin Frau Dr AF Cerkasova aus dem Jahre 1998 ist die Bratschenstimme verloren gegangen und in der Stimme der 2 Violine fehlen die Takte 5 bis 16 Es war nicht moumlglich von den drei AG Teplov gewidmeten Quartetten eine Kopie zu bekommen 1 Jampolskij fuumlhrt in seinem Buch Russkoe skripicnoe iskusstvo (MoskaushyLeningrad 1951) auf S 304 ff ein Notenbeispiel aus dem C-Dur Quartett dieser Ausgabe an fuumlr die die Violastimme von dem Komponisten G S Gamburg hinzukomponiert wurde

12 Duos fuumlr Streichinstrumente

121 Trois Duos a Deux Violons avec Romance et Rondeaux Composes par Ferdinand Titz Musicien de la Chambre de la Maj Im p de toutes les Russies Dedies a Madame La Baronesse de Fried Chez Christoph Torricella (B G C) Wien 1781

122 Sonate pour le Violon avec 1 accomp de Basse Compose par Mr Titz et dedie aMr Ignace Suchaneck par C G Kaestner A Moscou par Kaestner et Comp Adagio und Rondo beide in d-Moll

123 Sonate fuumlr Violine und Bass B-Dur Cantabile Allegro con espressione - Rondo

124 Sonate fuumlr Violine und Bass f-Moll Adagio - Allegro con espressione - Rondo

125 Sonate fuumlr Violine und Bass d-Moll Breitkopf amp Haumlrtei Nr 108 (Uppsala Universitaumltsbibliothek)

126 Trois sonates pour un violon avec ace d une basse Wien Jean Traeg Nr 121 (Zagreb Hrvatski glazbeni zavod Zbirka Don Nikole Udina Algaratti)

57

13 Sonaten fuumlr Clavecin oder Klavier und obligate Violine

131 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 1 ASt Petersbourg chez J D Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op I steht in f-Moll und unlfasst die Saumltze 1 Adagio con sordino 2 Allegro agitato Adagio

132 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 11 ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op II steht in fis-Moll und umfasst die Saumltze 1 Allegro con Espressione 2 Romance siciliano 3 Finale Presto I

133 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv In ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op III steht in c-Moll und umfasst die Saumltze 1 Adagio 2 Allegro agitato 3 Adagio 4 Allegro vivace

134 Sonate fuumlr Violine und Klavier Gemeinschaftskomposition mit dem in Riga lebenden Komponishysten Julius August Fehre (1745-1812) Vgl B Volman Russkie pecatnye noty XVIII veka Leningrad 1957 S 64 ( verschollen)

14 Lied

141 Stonet sizyj golu bocek (Es klagt die graue Taube) in N Findejzen Ocerki Bd 2 Moskau-Leningrad 1929 S CXXXVIL

58

2 Manuskripte

21 Quartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello

211 Sechs Streichquartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello Identisch mit den 1781 in Wien bei Artaria publizierten Werken Wien Oumlsterreichische Nationalbibliothek

22 Quintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen und Violoncello

221 Vier Streichquintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen u Violoncello (A c-C F Es) Wien Gesellschaft der Musikfreunde Es handelt sich unl Abshyschriften die von Wiener Berufskopisten zwischen 1780 und 1800 angefertigt wurden Daraus ist zu schlieszligen dass Titz die hier aufgefuumlhrten Kompositionen schon in Russland schuf

Quintett in A-Dur Allegro - Andante grazioso - Presto Quintett in c-Moll Adagio - Allegro con spirito - Adagio - Ronshy

do Presto Quintett in F-Dur Allegro Andante Rondo Quintett in Es- Dur Allegro Maestoso - U n poco Adagio Rondo

~22 Sechs Streichquintette Osterreichische Nationalbibliothek Wien

Quintett in F-Dur (Mus Hs 11511) Allegro Andante - Rondo Quintett in Es-Dur (Mus Hs 15512) Allegro Maestoso - Un

poco Adagio Rondo Quintett in B-Dur (Mus Hs 11513) Allegro con espressione

Adagio - Rondo Presto Quintett in A-Dur (Mus Hs 11514) Allegro - Andante grazioso

Presto Quintett in c-Moll (Mus Hs 11515) Adagio - Allegro con spirito

Adagio Presto Quintett in d-Moll (Mus Hs l1516) Adagio - Allegro - Cantashy

bile Allegro assai

Alle sechs Stimmabschriften tragen den Vermerk N H 796 wurshyden also 1 796 angefertigt

59

23 Konzert

231 Concert fuumlr Violine principale 2 Violinen 2 Corni Oboi et Basso in Es-Dur Das Konzert besteht aus den Saumltzen Allegro - Cantabile - Rondo Fundort Wien Gesellschaft der Musikfreunde

24 Symphonie

241 Dreisaumltziges Werk fuumlr 2 Violinen Viola Kontrabass 2 Oboen 2 Waldhoumlrner und Pauken (Im Andantino werden die Oboen durch eine Floumlte ersetzt) Die Symphonie besteht aus den Saumltzen Allegro di molto Andantino und Prestissinlo Die handschriftlichen Orchesterstimmen befinden sich in der Bishybliothek des Schlosses zu Pavlovsk (s Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 402 Anm 42)

25 Vokalkomposition

251 Arie fuumlr Sopran solo mit Instrumentalbegleitung (EitnerQ 408)

Wenn wir auch bis zum gegenwaumlrtigen Zeitpunkt nicht alle von Titz geschaffenen Kompositionen kennen so erlauben es doch die der Forschung zugaumlnglichen Werke durchaus sich zumindest von Titz als Komponisten von instrumentaler Kammermusik ein Bild zu machen Zwar hat er auch eine ganze Reihe von Liedern (Roshymanzen) fuumlr Gesang und Klavier geschrieben doch muumlssen dieshyse Kompositionen wahrscheinlich als verschollen angesehen wershyden und entziehen sich daher einer Einschaumltzung Einzig und alshylein das Lied Es klagt die graue Taube (Stonet sizyj golubocek) dessen Autorschaft Findejzen einenl unbekannten Komponisten Keldys 44 aber Titzzuschreiben zu koumlnnen glaubt scheint der

44 VgI N Findejzen Ocerki po istorii muzyki v Rossii Bd 2 Moskau-Leshyningrad 1929 S 301 das Nbsp dazu befindet sich auf S CXXXVII - Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 220 Anm 59

60

r

auf uns gekommene Rest von Titz Vokalschaffen zu sein Dabei erfreuten sich Titz Lieder und insbesondere Es klagt die graue Taube zu ihrer Zeit groumlszligter Beliebtheit und letzteres wurde noch in den 1830er Jahren viel gesungen

Auch uumlber Titz als Symphoniker lassen sich zur Zeit keine Ausshysagen machen weil diesbezuumlgliche Werke in Deutschland nicht verfuumlgbar sind 45

Der folgende Versuch einer Stilanalyse bezieht sich infolgedesshysen vorwiegend auf die Sonaten fuumlr Klavier und obligate Violine op I 11 und III sowie die der Forschung zugaumlnglichen Streichshyquartette Es zeigt sich dass Titz in dem Zeitraum zwischen etwa 1781 und 1802 den Weg von der Fruumlhklassik zur Klassik durchlaushyfen hat Seine fruumlhen 1781 in Wien bei Artaria veroumlffentlichten Six Quatuors weisen in den ersten Saumltzen noch eine mehr oder minder willkuumlrliche Reihung des thematischen Materials auf N r 1 3 und 5 bestehen nur aus zwei Saumltzen jeweils aus einem Allegro und einem Rondo die drei uumlbrigen Werke zeigen dagegen schon die spaumltere klassische Viersaumltzigkeit mit zwei schnellen Ecksaumltzen einem Menuett mit Trio und einem nach dem Menuett folgenden langsamen Satz Eine Sonatensatzform ist jedoch nicht zu erkenshynen Den Quartetten N r 4 und 6 stellte Titz ein einleitendes Adagio voran im Streichquartett Nr 2 (A-Dur) waumlhlte er als ershysten Satz ein Thema mit Variationen Fuumlr die Vermutung dass Titz diese Quartette erst in Russland geschrieben hat spricht dass er sich auf dem Titelblatt als M usicien de la Chambre de Sa Maj Imp de toutes les Russies bezeichnet und die Kompositioshynen dem Fuumlrsten Galitzin (Golicyn) Ministre Plenipotentiaire de S M 1 de toutes les Russies pres la Cour Imp et Roy gewidshymet hat 46 (Siehe Abbildung 1) In Wien wurden sie gedruckt weil es in Russland zu dieser Zeit einen 1vlusikverlag mit einer funktionierenden Notendruckerei noch nicht gab Bei den sechs von Artaria 1781 herausgebrachten Streichquartetten haben wir es daher mit den ersten in Russland komponierten Werken dieser Gattung zu tun Titz kann infolgedessen mit Recht als der Beshygruumlnder des Streichquartetts in Russland angesehen werden Dass

45Wie unter Die Werke angegeben ist Titz einzige symphonische Komposhysition eine dreisaumltzige Symphonie Manuskript geblieben Dieses Werk hershyauszugeben waumlre eine verdienstvolle Aufgabe fuumlr die russischen Kollegen

46Naumlhere Angaben zu Golicyn waren nicht zu ermitteln

61

Nbsp 1 Op I die zwei Themen des Allegro agitato

Allegro agitato

r I

~ J I

tJ - ~ bull ~ I I

~

l ~

tgt

-

bull ~

bull bull

r

_I ~ 1 bull

_ _I --~ t

-

--

-

~ ~

TI I

I

11

( 4 I

~

(

I Thema I ~

e)

~ I bull

e

bull

~ shy

-J tJ

-T bull

L

1 I i

tJ I

~

h1 I

11

1

4

62

bullbull

Fortsetzung Nbsp 1

2 Thema 1 J I bullbull - - bull

1 J bull 1 I

t I I J - lfIt bullbullt ~I --shy~

~ -4 i

Jr 1 bull ~

1 t l

~ ~j j ttt

- - tmiddot --m shy I l

- I tJ - J I

Ij T

J rt t t t t t ~~ t 1 I~i bull I

- shyI bullftmiddot

63

dann die drei zwischen 1801 und 1802 in Petersburg bei Dittmar gedruckten Alexander I gewidmeten Quartette auch von Simshyrock in Bonn und Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig herausgebracht wurden zeugt von der offenbar groszligen Beliebtheit dieser Komshypositionen zu ihrer Zeit

In den drei Sonaten fuumlr Clavecin oder Pianoforte und obligate Violine op I II und III die bei J D Gerstenberg amp Comp in St ~~tersburg vermutlich 1795 gedruckt wurden vollzieht Titz den Ubergang zum klassischen Stil 47 Op I (f-Moll) besteht nur aus zwei Saumltzen einem con sordino vorzutragenden Adagio und einem Allegro agitato In der formalen Gestaltung verfaumlhrt Titz im Allegro ziemlich eigenwillig Er bringt ein zweites Thema erst im zweiten Teil des Allegro-Satzes und baut es gewissermaszligen in die Durchfuumlhrung ein Zwar kontrastiert es mit dem Hauptthema steht aber - was ungewoumlhnlich ist - in g-Moll (siehe Nbsp 1) Diese formale Anordnung fUumllhrt jedoch in gewisser Weise schon

47 Die drei Sonaten op I II und III blieben von russischen und sowjetischen Musikforschern bisher voumlllig unbeachtet Neben den schon erwaumlhnten Aushytoren sind hier noch zu nennen L Raaben (Instrumentalnyj ansambl v russkoj muzyke Moskau 1961) und L Ginzburg (Istorija violoncelnogo isshykusstva Buch 2 Moskau 1957 S 399) Offenbar waren ihnen diese Komposhysitionen nicht zugaumlnglich denn RISM gibt fuumlr sie einen russischen Standort nicht an Doch ist wohl op II in den letzten Jahren wieder aufgefunden worden Im Katalog der Russischen Nationalbibliothek ist dieser N otenshydruck jedenfalls verzeichnet (vgl Svodnyj katalog rossijskich notnych izshydanij Bd I XVIII vek St Petersburg 1996 S 60 I 206) RISM nennt dagegen als einzige Bibliothek die diese Sonaten heute noch besitzt die Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar der fuumlr die Anfertigung von Kopien an dieser Stelle herzlich gedankt sei

Das Exemplar des op I traumlgt den handschriftlichen Vermerk Maria Pavshylovna (siehe Abbildung 2) gehoumlrte also wahrscheinlich dieser aus der Zashyren familie stammenden russischen Groszligfuumlrstin die es bei ihrer 1804 erfolgshyten Vermaumlhlung mit dem Groszligfuumlrsten Karl Friedrich von Sachsen-Weimar (1783-1853) vermutlich mit nach Weimar gebracht hat Die allseitig geshybildete Maria Pavlovna (t 1859) spielte Klavier sie stand mit Goethe in staumlndigem geistigem Austausch es ist auch uumlberliefert dass sie sich unter der Anleitung des damaligen russischen Hofkapellmeisters Giuseppe Sarti (1729-1802) mit Komposition beschaumlftigt hat (vgl N von Milde Maria Pawlowna Hamburg 1904 S 88) Dass sie Anton Titz persoumlnlich gekannt hat und ihn zusammen mit seinem Ensemble am Petersburger Hof musishyzieren houmlrte ist sehr wahrscheinlich

64

Abb 1 Titelblatt der Six Quattuors Wien 1781 (Artaria)

65

S 0 N A T E~ pour le

CLAYECIN ou PIANOFORTE

et

VIOLON OBLIGE

conposee

par

Mf TITZ

Opl

A St Petersbour8

ehc Gcutenberg et Camp

Prix IR

Abb 2 Titelblatt von op I mit den Schriftzuumlgen von Maria Pavlovna Groszligherzogin von Sachsen-Weimar

66

zur Sonatensatzform hin die der Komponist dann in den Sonaten op II und III in voller Auspraumlgung anwendet

Nbsp 2 Op III Adagio

Adagio _A ~ bull

I

JI I

I

iM eJ tJ f I

11 - -- ~ - I

p ~ ~ ~ ---

y

f ~

f 1 I ti I~~ I -bullbull bull

I )

r r 6

bull -pshy pt If

bullbull 11 bull bull ~

I r-Bei op 11 (fis-Moll) haben wir es mit einer dreisaumltzigen und bei op III (c-Moll) sogar mit einer viersaumltzigen Sonate zu tun Zwishyschen die bei den schnellen Ecksaumltze schiebt sich in op 11 eine im Volkston gehaltene Romance siciliano (A-Dur) in der Titz seine lyrische Veranlagung auslebt In den Ecksaumltzen des op III (cshyMoll) kommen dagegen pathetische Zuumlge zum Tragen die auch in dem der Sonate vorangestellten einleitenden Adagio anklingen Eine zarte Lyrik kennzeichnet dagegen den langsamen Satz ein

67

Nbsp 3 Op II 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro con espressione A

I

t

~ --- ---shy ----shy -shy1 j - ~ ~ ~ bull

- bull r - 11 i 1 shy bull lI__ bull

J 11 I

t) - r

1 I ~ rrI bull 1_ 1__ rtI eJ ~ - 1 1middot

bull d 11shy llI

~ 14 Ci bull

~ f Seitenthema

~

f

) t

4J -shy - ~ -J

A~lmiddot i_I I

-J I I bull I

A f

~ fI i bull f7 bull shy j i

eJ vshy - ~ ~ - bull t I I )r L

J 1 I I 11 L 11 i

t) bull -

68

1

~bull

Nbsp 4 Op III 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro agitato ~ I bull r Umiddot ~ F

bullbull f~ ~ I I - - ~

bull-~ - ~

bull I tI I t

~ jj jjl ~H 6 bull

I IIJshy -shy I --

4) P ttUCo fJ I I )_r ----

~ -- - crvc J1 P

( ~ ~- 1t_~ - ~

I

VIIoi ~

dolc I a -- r ~

dok ~

I

( ~

- r I I bull ~

11

V8=

~ I ~ -Je - _- _I

1I - I I I l J

~ r I I V ~ - - l0t ~ ~ (

69

Nbsp 5 Quartett a-Moll Haupt- und Seitenthema

Allegro di molto agitato - t1I ft

lt shy ~

-~ -

~

ttJ f j J ~ 4 J ~ bull

I - I - r ~fIe

I IJr

I JJ I- bull

- ~ ]11 _t

1- ~~ 1Il 4 ~ ilA JJ r J ~ -shy

bull

4i) I bull 11 ~ bull ~ 1i-Idole ~ ~ -~ -

I -

~~ I I _I f bull eJ 1shy - - - I -

11 J ir (shy 1-( -~

~

I

Adagio in Es-Dur (siehe Nbsp 2) Formal weisen die Ecksaumltze dieser beiden Sonaten die typische Sonatensatzform auf wobei das Seitenthema jeweils in der parallelen Dur-Tonart steht (siehe Nbsp 3 und 4) Der Satzumfang ist mit jeweils ca 250 Takshy

70

Nbsp 6 Quartett G-Dur 1 Satz

Allegro ~

r I

1 bull 1 bull bullbull I TT

-UI II I I --- - bull

f ~~ ~

h hbull J -1 ~

bull

bull bull bull 1 iilbull bull bull bullbullbullbull bull bullbullbullbull

f - -bull

bull iii - - ---ifiJ bull 1fI bull bull

~~~ -

--~

middot bull

r shy

bull

Ir ~ bull

J~ n--

r

0___- V ______

1amp

~

-

JJlJ J~

I

I bull bull ~

bull

lJ~~r-J

--

1 ~ t bull r t

T -- -

SilJ -- -

71

Fortsetzung Nbsp 6

A

_t

-su - shy

eJ bull IJgt- f~ 11- I

-

t t 1 1

- t I - _

T

bull

~v v 17

-PO bull

bull I

11 bull Ir ~

---shy J ~

bull bull bullL---shyWW~

bull bull ltr~ ~ bullbull ~ ~

t l1li bull a

bullbullbullbull

) bull bull-

-

~ I

~

-

-po

I 1 bull

bull I bull bull

bullbullbullbull

bull bull

-tiTbull

~

-

~ --shy-

--

1 I

J

~ bull bull

72

ten beachtlich der Durchfuumlhrung wird viel Raum gegeben Die Violinstimme ist sparsam ausgesetzt nur verhaumlltnismaumlszligig selten wird ihr thematisches Material uumlbertragen Dennoch bildet sie zusammen nlit dem Klavierpart eine untrennbare klangliche Einshyheit Insgesamt zeichnen sich die drei Sonaten durch einfallsreiche thematische Erfindung aus Besonders zu bezaubern vermag die Sonate in fis-Moll (Op II)

Nbsp 7 Quartett F-Dur 1 Satz Hauptthema

r r r - - r - rr rrrf Dass sich Titz die klassische Schreibweise zu eigen gemacht hat

belegen auch die drei Alexander 1 gewidnleten Streichquartette von 18011802 Am konsequentesten haumllt sich der Komponist an das Schema der Sonatensatzform im Allegro di molto agitato des 3 Quartetts (a-Moll) In der Exposition bringt er das Haupt- und in der parallelen Dur-Tonart das Seitenthema (siehe Nbsp 5) und laumlsst dann eine Durchfuumlhrung und Reprise mit Coda folgen In

73

Nbsp 8 Quartett F-Dur 1 Satz Seitenthema

Ir

I bull bull

lIiiiiiiii

ol LI r4tJ - ~l ~J t J j 11 bull q- tr bullbull bull r I~ t I It-I- It bull It It IJ S

I-

~ - - -shy I I shy - IJ1p - --1J - h~~ Ir I

41-

J J- I wr -

- bull rTJ

f) ~ ~ ~ -iJ--1-- -~t J

~

bullt-1

74

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 14: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

Die Werke

Anton Titz kompositorisches ffiuvre ist nicht allzu umfangreich Einige seiner Werke gelten als verschollen (zB viele seiner Roshymanzen fuumlr Gesang und Klavier) Es ist daher durchaus moumlglich dass die eine oder andere Komposition noch aufgefunden wird so dass sich das Gesamtwerk von Titz noch erweitern koumlnnte

1 Drucke

11 Streichquartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello

111 Six Quatuors (C A G c d Es) komponiert von Ferdinand Titz Nlusicien de la Chanlbre de Sa Maj Imp de toutes les Russhysies gewidmet Fuumlrst Galitzin (Golicyn) Wien 1781 Artaria Der Pariser Verleger Antoine Bailleux brachte unmittelbar nach der Wiener Ausgabe von ArtarHt einen Nachdruck der Quartettstimshymen mit dem VermerkTitz Schuumller Haydns heraus

1 Quartett Allegro Rondo

2 Quartett Poco Adagio con Variazioni Menuetto Trio Allegro di mol to

3 Quartett Allegro Rondo

4 Quartett Adagio - Allegro Allegretto (Menuetto) - Trio Cantabile Allegro spirito

5 Quartett Allegro Rondo

6 Quartett Adagio-Allegro Menuetto Trio Romance Allegro di molto

55

112 Trois Quatuors (G F a) komponiert von Anton Titz Alexander 1 gewidmet Gedruckt in St Petersburg bei Friedshyrich August Dittmar - Als Johann Daniel Gerstenberg 1799 nach Deutschland zuruumlckgegangen war uumlbernahm sein bisheriger Kompagnon Dittmar die Verlagsleitung und fuumlhrte das U nternehshymen bis 1808 alleine weiter Alexander I dem Titz seine Quarshytette widmete war 1801 russischer Zar geworden Einen mit der Dittmarschen Ausgabe identischen Nachdruck brachte Simrock in Bonn zwischen 1802 und 1803 heraus (vgl OE Deutsch Mushysikverlagsnummern Berlin 1961) Somit lieszlige sich die Publikation der Alexander 1 gewidmeten drei Streichquartette mit ziemlicher Sicherheit in die Zeit zwischen 1801 und 1802 datieren und sie waumlre eine der ersten russischen Streichquartettdrucke Von diesen drei Streichquartetten existiert ein Nachdruck auch von Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig der aumlhnlich wie der von Simrock in die Zeit zwischen 1802 und 1803 zu datieren ist Im Auftrag des Instishytuts fuumlr deutsche Musikkultur im oumlstlichen Europa e V (Bonn) gab E Stoumlckl eine praktische Erstausgabe des 1 Quartetts in G-Dur mit Partitur Vorwort und Stimmen heraus (Bad Schwalshybach 2000 Edition Gravis) Die praktische Erstausgabe auch des 2 und 3 Quartetts ist vorgesehen

1 Quartett Adagio Allegro Adagio Allegretto (Menuetto) - Trio Rondo

2 Quartett Allegro Adagio cantabile Rondo vivace

3 Quartett Siciliano affettuoso Allegro di molto agitato Romance Polonaise

113 Trois Quatuors (C B Es) komponiert von Anton Titz gewidmet dem Senator Aleksej Grigorevic Teplov Gedruckt in St Petersburg bei Friedrich August Dittmar zwischen 1801 und 1802 Das einzige erhalten gebliebene Exemplar das sich in der

56

Bibliothek des Cajkovskij-Konservatoriums in Moskau befindet ist defekt Nach Mitteilung der Bibliotheksdirektorin Frau Dr AF Cerkasova aus dem Jahre 1998 ist die Bratschenstimme verloren gegangen und in der Stimme der 2 Violine fehlen die Takte 5 bis 16 Es war nicht moumlglich von den drei AG Teplov gewidmeten Quartetten eine Kopie zu bekommen 1 Jampolskij fuumlhrt in seinem Buch Russkoe skripicnoe iskusstvo (MoskaushyLeningrad 1951) auf S 304 ff ein Notenbeispiel aus dem C-Dur Quartett dieser Ausgabe an fuumlr die die Violastimme von dem Komponisten G S Gamburg hinzukomponiert wurde

12 Duos fuumlr Streichinstrumente

121 Trois Duos a Deux Violons avec Romance et Rondeaux Composes par Ferdinand Titz Musicien de la Chambre de la Maj Im p de toutes les Russies Dedies a Madame La Baronesse de Fried Chez Christoph Torricella (B G C) Wien 1781

122 Sonate pour le Violon avec 1 accomp de Basse Compose par Mr Titz et dedie aMr Ignace Suchaneck par C G Kaestner A Moscou par Kaestner et Comp Adagio und Rondo beide in d-Moll

123 Sonate fuumlr Violine und Bass B-Dur Cantabile Allegro con espressione - Rondo

124 Sonate fuumlr Violine und Bass f-Moll Adagio - Allegro con espressione - Rondo

125 Sonate fuumlr Violine und Bass d-Moll Breitkopf amp Haumlrtei Nr 108 (Uppsala Universitaumltsbibliothek)

126 Trois sonates pour un violon avec ace d une basse Wien Jean Traeg Nr 121 (Zagreb Hrvatski glazbeni zavod Zbirka Don Nikole Udina Algaratti)

57

13 Sonaten fuumlr Clavecin oder Klavier und obligate Violine

131 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 1 ASt Petersbourg chez J D Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op I steht in f-Moll und unlfasst die Saumltze 1 Adagio con sordino 2 Allegro agitato Adagio

132 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 11 ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op II steht in fis-Moll und umfasst die Saumltze 1 Allegro con Espressione 2 Romance siciliano 3 Finale Presto I

133 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv In ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op III steht in c-Moll und umfasst die Saumltze 1 Adagio 2 Allegro agitato 3 Adagio 4 Allegro vivace

134 Sonate fuumlr Violine und Klavier Gemeinschaftskomposition mit dem in Riga lebenden Komponishysten Julius August Fehre (1745-1812) Vgl B Volman Russkie pecatnye noty XVIII veka Leningrad 1957 S 64 ( verschollen)

14 Lied

141 Stonet sizyj golu bocek (Es klagt die graue Taube) in N Findejzen Ocerki Bd 2 Moskau-Leningrad 1929 S CXXXVIL

58

2 Manuskripte

21 Quartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello

211 Sechs Streichquartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello Identisch mit den 1781 in Wien bei Artaria publizierten Werken Wien Oumlsterreichische Nationalbibliothek

22 Quintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen und Violoncello

221 Vier Streichquintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen u Violoncello (A c-C F Es) Wien Gesellschaft der Musikfreunde Es handelt sich unl Abshyschriften die von Wiener Berufskopisten zwischen 1780 und 1800 angefertigt wurden Daraus ist zu schlieszligen dass Titz die hier aufgefuumlhrten Kompositionen schon in Russland schuf

Quintett in A-Dur Allegro - Andante grazioso - Presto Quintett in c-Moll Adagio - Allegro con spirito - Adagio - Ronshy

do Presto Quintett in F-Dur Allegro Andante Rondo Quintett in Es- Dur Allegro Maestoso - U n poco Adagio Rondo

~22 Sechs Streichquintette Osterreichische Nationalbibliothek Wien

Quintett in F-Dur (Mus Hs 11511) Allegro Andante - Rondo Quintett in Es-Dur (Mus Hs 15512) Allegro Maestoso - Un

poco Adagio Rondo Quintett in B-Dur (Mus Hs 11513) Allegro con espressione

Adagio - Rondo Presto Quintett in A-Dur (Mus Hs 11514) Allegro - Andante grazioso

Presto Quintett in c-Moll (Mus Hs 11515) Adagio - Allegro con spirito

Adagio Presto Quintett in d-Moll (Mus Hs l1516) Adagio - Allegro - Cantashy

bile Allegro assai

Alle sechs Stimmabschriften tragen den Vermerk N H 796 wurshyden also 1 796 angefertigt

59

23 Konzert

231 Concert fuumlr Violine principale 2 Violinen 2 Corni Oboi et Basso in Es-Dur Das Konzert besteht aus den Saumltzen Allegro - Cantabile - Rondo Fundort Wien Gesellschaft der Musikfreunde

24 Symphonie

241 Dreisaumltziges Werk fuumlr 2 Violinen Viola Kontrabass 2 Oboen 2 Waldhoumlrner und Pauken (Im Andantino werden die Oboen durch eine Floumlte ersetzt) Die Symphonie besteht aus den Saumltzen Allegro di molto Andantino und Prestissinlo Die handschriftlichen Orchesterstimmen befinden sich in der Bishybliothek des Schlosses zu Pavlovsk (s Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 402 Anm 42)

25 Vokalkomposition

251 Arie fuumlr Sopran solo mit Instrumentalbegleitung (EitnerQ 408)

Wenn wir auch bis zum gegenwaumlrtigen Zeitpunkt nicht alle von Titz geschaffenen Kompositionen kennen so erlauben es doch die der Forschung zugaumlnglichen Werke durchaus sich zumindest von Titz als Komponisten von instrumentaler Kammermusik ein Bild zu machen Zwar hat er auch eine ganze Reihe von Liedern (Roshymanzen) fuumlr Gesang und Klavier geschrieben doch muumlssen dieshyse Kompositionen wahrscheinlich als verschollen angesehen wershyden und entziehen sich daher einer Einschaumltzung Einzig und alshylein das Lied Es klagt die graue Taube (Stonet sizyj golubocek) dessen Autorschaft Findejzen einenl unbekannten Komponisten Keldys 44 aber Titzzuschreiben zu koumlnnen glaubt scheint der

44 VgI N Findejzen Ocerki po istorii muzyki v Rossii Bd 2 Moskau-Leshyningrad 1929 S 301 das Nbsp dazu befindet sich auf S CXXXVII - Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 220 Anm 59

60

r

auf uns gekommene Rest von Titz Vokalschaffen zu sein Dabei erfreuten sich Titz Lieder und insbesondere Es klagt die graue Taube zu ihrer Zeit groumlszligter Beliebtheit und letzteres wurde noch in den 1830er Jahren viel gesungen

Auch uumlber Titz als Symphoniker lassen sich zur Zeit keine Ausshysagen machen weil diesbezuumlgliche Werke in Deutschland nicht verfuumlgbar sind 45

Der folgende Versuch einer Stilanalyse bezieht sich infolgedesshysen vorwiegend auf die Sonaten fuumlr Klavier und obligate Violine op I 11 und III sowie die der Forschung zugaumlnglichen Streichshyquartette Es zeigt sich dass Titz in dem Zeitraum zwischen etwa 1781 und 1802 den Weg von der Fruumlhklassik zur Klassik durchlaushyfen hat Seine fruumlhen 1781 in Wien bei Artaria veroumlffentlichten Six Quatuors weisen in den ersten Saumltzen noch eine mehr oder minder willkuumlrliche Reihung des thematischen Materials auf N r 1 3 und 5 bestehen nur aus zwei Saumltzen jeweils aus einem Allegro und einem Rondo die drei uumlbrigen Werke zeigen dagegen schon die spaumltere klassische Viersaumltzigkeit mit zwei schnellen Ecksaumltzen einem Menuett mit Trio und einem nach dem Menuett folgenden langsamen Satz Eine Sonatensatzform ist jedoch nicht zu erkenshynen Den Quartetten N r 4 und 6 stellte Titz ein einleitendes Adagio voran im Streichquartett Nr 2 (A-Dur) waumlhlte er als ershysten Satz ein Thema mit Variationen Fuumlr die Vermutung dass Titz diese Quartette erst in Russland geschrieben hat spricht dass er sich auf dem Titelblatt als M usicien de la Chambre de Sa Maj Imp de toutes les Russies bezeichnet und die Kompositioshynen dem Fuumlrsten Galitzin (Golicyn) Ministre Plenipotentiaire de S M 1 de toutes les Russies pres la Cour Imp et Roy gewidshymet hat 46 (Siehe Abbildung 1) In Wien wurden sie gedruckt weil es in Russland zu dieser Zeit einen 1vlusikverlag mit einer funktionierenden Notendruckerei noch nicht gab Bei den sechs von Artaria 1781 herausgebrachten Streichquartetten haben wir es daher mit den ersten in Russland komponierten Werken dieser Gattung zu tun Titz kann infolgedessen mit Recht als der Beshygruumlnder des Streichquartetts in Russland angesehen werden Dass

45Wie unter Die Werke angegeben ist Titz einzige symphonische Komposhysition eine dreisaumltzige Symphonie Manuskript geblieben Dieses Werk hershyauszugeben waumlre eine verdienstvolle Aufgabe fuumlr die russischen Kollegen

46Naumlhere Angaben zu Golicyn waren nicht zu ermitteln

61

Nbsp 1 Op I die zwei Themen des Allegro agitato

Allegro agitato

r I

~ J I

tJ - ~ bull ~ I I

~

l ~

tgt

-

bull ~

bull bull

r

_I ~ 1 bull

_ _I --~ t

-

--

-

~ ~

TI I

I

11

( 4 I

~

(

I Thema I ~

e)

~ I bull

e

bull

~ shy

-J tJ

-T bull

L

1 I i

tJ I

~

h1 I

11

1

4

62

bullbull

Fortsetzung Nbsp 1

2 Thema 1 J I bullbull - - bull

1 J bull 1 I

t I I J - lfIt bullbullt ~I --shy~

~ -4 i

Jr 1 bull ~

1 t l

~ ~j j ttt

- - tmiddot --m shy I l

- I tJ - J I

Ij T

J rt t t t t t ~~ t 1 I~i bull I

- shyI bullftmiddot

63

dann die drei zwischen 1801 und 1802 in Petersburg bei Dittmar gedruckten Alexander I gewidmeten Quartette auch von Simshyrock in Bonn und Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig herausgebracht wurden zeugt von der offenbar groszligen Beliebtheit dieser Komshypositionen zu ihrer Zeit

In den drei Sonaten fuumlr Clavecin oder Pianoforte und obligate Violine op I II und III die bei J D Gerstenberg amp Comp in St ~~tersburg vermutlich 1795 gedruckt wurden vollzieht Titz den Ubergang zum klassischen Stil 47 Op I (f-Moll) besteht nur aus zwei Saumltzen einem con sordino vorzutragenden Adagio und einem Allegro agitato In der formalen Gestaltung verfaumlhrt Titz im Allegro ziemlich eigenwillig Er bringt ein zweites Thema erst im zweiten Teil des Allegro-Satzes und baut es gewissermaszligen in die Durchfuumlhrung ein Zwar kontrastiert es mit dem Hauptthema steht aber - was ungewoumlhnlich ist - in g-Moll (siehe Nbsp 1) Diese formale Anordnung fUumllhrt jedoch in gewisser Weise schon

47 Die drei Sonaten op I II und III blieben von russischen und sowjetischen Musikforschern bisher voumlllig unbeachtet Neben den schon erwaumlhnten Aushytoren sind hier noch zu nennen L Raaben (Instrumentalnyj ansambl v russkoj muzyke Moskau 1961) und L Ginzburg (Istorija violoncelnogo isshykusstva Buch 2 Moskau 1957 S 399) Offenbar waren ihnen diese Komposhysitionen nicht zugaumlnglich denn RISM gibt fuumlr sie einen russischen Standort nicht an Doch ist wohl op II in den letzten Jahren wieder aufgefunden worden Im Katalog der Russischen Nationalbibliothek ist dieser N otenshydruck jedenfalls verzeichnet (vgl Svodnyj katalog rossijskich notnych izshydanij Bd I XVIII vek St Petersburg 1996 S 60 I 206) RISM nennt dagegen als einzige Bibliothek die diese Sonaten heute noch besitzt die Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar der fuumlr die Anfertigung von Kopien an dieser Stelle herzlich gedankt sei

Das Exemplar des op I traumlgt den handschriftlichen Vermerk Maria Pavshylovna (siehe Abbildung 2) gehoumlrte also wahrscheinlich dieser aus der Zashyren familie stammenden russischen Groszligfuumlrstin die es bei ihrer 1804 erfolgshyten Vermaumlhlung mit dem Groszligfuumlrsten Karl Friedrich von Sachsen-Weimar (1783-1853) vermutlich mit nach Weimar gebracht hat Die allseitig geshybildete Maria Pavlovna (t 1859) spielte Klavier sie stand mit Goethe in staumlndigem geistigem Austausch es ist auch uumlberliefert dass sie sich unter der Anleitung des damaligen russischen Hofkapellmeisters Giuseppe Sarti (1729-1802) mit Komposition beschaumlftigt hat (vgl N von Milde Maria Pawlowna Hamburg 1904 S 88) Dass sie Anton Titz persoumlnlich gekannt hat und ihn zusammen mit seinem Ensemble am Petersburger Hof musishyzieren houmlrte ist sehr wahrscheinlich

64

Abb 1 Titelblatt der Six Quattuors Wien 1781 (Artaria)

65

S 0 N A T E~ pour le

CLAYECIN ou PIANOFORTE

et

VIOLON OBLIGE

conposee

par

Mf TITZ

Opl

A St Petersbour8

ehc Gcutenberg et Camp

Prix IR

Abb 2 Titelblatt von op I mit den Schriftzuumlgen von Maria Pavlovna Groszligherzogin von Sachsen-Weimar

66

zur Sonatensatzform hin die der Komponist dann in den Sonaten op II und III in voller Auspraumlgung anwendet

Nbsp 2 Op III Adagio

Adagio _A ~ bull

I

JI I

I

iM eJ tJ f I

11 - -- ~ - I

p ~ ~ ~ ---

y

f ~

f 1 I ti I~~ I -bullbull bull

I )

r r 6

bull -pshy pt If

bullbull 11 bull bull ~

I r-Bei op 11 (fis-Moll) haben wir es mit einer dreisaumltzigen und bei op III (c-Moll) sogar mit einer viersaumltzigen Sonate zu tun Zwishyschen die bei den schnellen Ecksaumltze schiebt sich in op 11 eine im Volkston gehaltene Romance siciliano (A-Dur) in der Titz seine lyrische Veranlagung auslebt In den Ecksaumltzen des op III (cshyMoll) kommen dagegen pathetische Zuumlge zum Tragen die auch in dem der Sonate vorangestellten einleitenden Adagio anklingen Eine zarte Lyrik kennzeichnet dagegen den langsamen Satz ein

67

Nbsp 3 Op II 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro con espressione A

I

t

~ --- ---shy ----shy -shy1 j - ~ ~ ~ bull

- bull r - 11 i 1 shy bull lI__ bull

J 11 I

t) - r

1 I ~ rrI bull 1_ 1__ rtI eJ ~ - 1 1middot

bull d 11shy llI

~ 14 Ci bull

~ f Seitenthema

~

f

) t

4J -shy - ~ -J

A~lmiddot i_I I

-J I I bull I

A f

~ fI i bull f7 bull shy j i

eJ vshy - ~ ~ - bull t I I )r L

J 1 I I 11 L 11 i

t) bull -

68

1

~bull

Nbsp 4 Op III 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro agitato ~ I bull r Umiddot ~ F

bullbull f~ ~ I I - - ~

bull-~ - ~

bull I tI I t

~ jj jjl ~H 6 bull

I IIJshy -shy I --

4) P ttUCo fJ I I )_r ----

~ -- - crvc J1 P

( ~ ~- 1t_~ - ~

I

VIIoi ~

dolc I a -- r ~

dok ~

I

( ~

- r I I bull ~

11

V8=

~ I ~ -Je - _- _I

1I - I I I l J

~ r I I V ~ - - l0t ~ ~ (

69

Nbsp 5 Quartett a-Moll Haupt- und Seitenthema

Allegro di molto agitato - t1I ft

lt shy ~

-~ -

~

ttJ f j J ~ 4 J ~ bull

I - I - r ~fIe

I IJr

I JJ I- bull

- ~ ]11 _t

1- ~~ 1Il 4 ~ ilA JJ r J ~ -shy

bull

4i) I bull 11 ~ bull ~ 1i-Idole ~ ~ -~ -

I -

~~ I I _I f bull eJ 1shy - - - I -

11 J ir (shy 1-( -~

~

I

Adagio in Es-Dur (siehe Nbsp 2) Formal weisen die Ecksaumltze dieser beiden Sonaten die typische Sonatensatzform auf wobei das Seitenthema jeweils in der parallelen Dur-Tonart steht (siehe Nbsp 3 und 4) Der Satzumfang ist mit jeweils ca 250 Takshy

70

Nbsp 6 Quartett G-Dur 1 Satz

Allegro ~

r I

1 bull 1 bull bullbull I TT

-UI II I I --- - bull

f ~~ ~

h hbull J -1 ~

bull

bull bull bull 1 iilbull bull bull bullbullbullbull bull bullbullbullbull

f - -bull

bull iii - - ---ifiJ bull 1fI bull bull

~~~ -

--~

middot bull

r shy

bull

Ir ~ bull

J~ n--

r

0___- V ______

1amp

~

-

JJlJ J~

I

I bull bull ~

bull

lJ~~r-J

--

1 ~ t bull r t

T -- -

SilJ -- -

71

Fortsetzung Nbsp 6

A

_t

-su - shy

eJ bull IJgt- f~ 11- I

-

t t 1 1

- t I - _

T

bull

~v v 17

-PO bull

bull I

11 bull Ir ~

---shy J ~

bull bull bullL---shyWW~

bull bull ltr~ ~ bullbull ~ ~

t l1li bull a

bullbullbullbull

) bull bull-

-

~ I

~

-

-po

I 1 bull

bull I bull bull

bullbullbullbull

bull bull

-tiTbull

~

-

~ --shy-

--

1 I

J

~ bull bull

72

ten beachtlich der Durchfuumlhrung wird viel Raum gegeben Die Violinstimme ist sparsam ausgesetzt nur verhaumlltnismaumlszligig selten wird ihr thematisches Material uumlbertragen Dennoch bildet sie zusammen nlit dem Klavierpart eine untrennbare klangliche Einshyheit Insgesamt zeichnen sich die drei Sonaten durch einfallsreiche thematische Erfindung aus Besonders zu bezaubern vermag die Sonate in fis-Moll (Op II)

Nbsp 7 Quartett F-Dur 1 Satz Hauptthema

r r r - - r - rr rrrf Dass sich Titz die klassische Schreibweise zu eigen gemacht hat

belegen auch die drei Alexander 1 gewidnleten Streichquartette von 18011802 Am konsequentesten haumllt sich der Komponist an das Schema der Sonatensatzform im Allegro di molto agitato des 3 Quartetts (a-Moll) In der Exposition bringt er das Haupt- und in der parallelen Dur-Tonart das Seitenthema (siehe Nbsp 5) und laumlsst dann eine Durchfuumlhrung und Reprise mit Coda folgen In

73

Nbsp 8 Quartett F-Dur 1 Satz Seitenthema

Ir

I bull bull

lIiiiiiiii

ol LI r4tJ - ~l ~J t J j 11 bull q- tr bullbull bull r I~ t I It-I- It bull It It IJ S

I-

~ - - -shy I I shy - IJ1p - --1J - h~~ Ir I

41-

J J- I wr -

- bull rTJ

f) ~ ~ ~ -iJ--1-- -~t J

~

bullt-1

74

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 15: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

112 Trois Quatuors (G F a) komponiert von Anton Titz Alexander 1 gewidmet Gedruckt in St Petersburg bei Friedshyrich August Dittmar - Als Johann Daniel Gerstenberg 1799 nach Deutschland zuruumlckgegangen war uumlbernahm sein bisheriger Kompagnon Dittmar die Verlagsleitung und fuumlhrte das U nternehshymen bis 1808 alleine weiter Alexander I dem Titz seine Quarshytette widmete war 1801 russischer Zar geworden Einen mit der Dittmarschen Ausgabe identischen Nachdruck brachte Simrock in Bonn zwischen 1802 und 1803 heraus (vgl OE Deutsch Mushysikverlagsnummern Berlin 1961) Somit lieszlige sich die Publikation der Alexander 1 gewidmeten drei Streichquartette mit ziemlicher Sicherheit in die Zeit zwischen 1801 und 1802 datieren und sie waumlre eine der ersten russischen Streichquartettdrucke Von diesen drei Streichquartetten existiert ein Nachdruck auch von Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig der aumlhnlich wie der von Simrock in die Zeit zwischen 1802 und 1803 zu datieren ist Im Auftrag des Instishytuts fuumlr deutsche Musikkultur im oumlstlichen Europa e V (Bonn) gab E Stoumlckl eine praktische Erstausgabe des 1 Quartetts in G-Dur mit Partitur Vorwort und Stimmen heraus (Bad Schwalshybach 2000 Edition Gravis) Die praktische Erstausgabe auch des 2 und 3 Quartetts ist vorgesehen

1 Quartett Adagio Allegro Adagio Allegretto (Menuetto) - Trio Rondo

2 Quartett Allegro Adagio cantabile Rondo vivace

3 Quartett Siciliano affettuoso Allegro di molto agitato Romance Polonaise

113 Trois Quatuors (C B Es) komponiert von Anton Titz gewidmet dem Senator Aleksej Grigorevic Teplov Gedruckt in St Petersburg bei Friedrich August Dittmar zwischen 1801 und 1802 Das einzige erhalten gebliebene Exemplar das sich in der

56

Bibliothek des Cajkovskij-Konservatoriums in Moskau befindet ist defekt Nach Mitteilung der Bibliotheksdirektorin Frau Dr AF Cerkasova aus dem Jahre 1998 ist die Bratschenstimme verloren gegangen und in der Stimme der 2 Violine fehlen die Takte 5 bis 16 Es war nicht moumlglich von den drei AG Teplov gewidmeten Quartetten eine Kopie zu bekommen 1 Jampolskij fuumlhrt in seinem Buch Russkoe skripicnoe iskusstvo (MoskaushyLeningrad 1951) auf S 304 ff ein Notenbeispiel aus dem C-Dur Quartett dieser Ausgabe an fuumlr die die Violastimme von dem Komponisten G S Gamburg hinzukomponiert wurde

12 Duos fuumlr Streichinstrumente

121 Trois Duos a Deux Violons avec Romance et Rondeaux Composes par Ferdinand Titz Musicien de la Chambre de la Maj Im p de toutes les Russies Dedies a Madame La Baronesse de Fried Chez Christoph Torricella (B G C) Wien 1781

122 Sonate pour le Violon avec 1 accomp de Basse Compose par Mr Titz et dedie aMr Ignace Suchaneck par C G Kaestner A Moscou par Kaestner et Comp Adagio und Rondo beide in d-Moll

123 Sonate fuumlr Violine und Bass B-Dur Cantabile Allegro con espressione - Rondo

124 Sonate fuumlr Violine und Bass f-Moll Adagio - Allegro con espressione - Rondo

125 Sonate fuumlr Violine und Bass d-Moll Breitkopf amp Haumlrtei Nr 108 (Uppsala Universitaumltsbibliothek)

126 Trois sonates pour un violon avec ace d une basse Wien Jean Traeg Nr 121 (Zagreb Hrvatski glazbeni zavod Zbirka Don Nikole Udina Algaratti)

57

13 Sonaten fuumlr Clavecin oder Klavier und obligate Violine

131 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 1 ASt Petersbourg chez J D Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op I steht in f-Moll und unlfasst die Saumltze 1 Adagio con sordino 2 Allegro agitato Adagio

132 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 11 ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op II steht in fis-Moll und umfasst die Saumltze 1 Allegro con Espressione 2 Romance siciliano 3 Finale Presto I

133 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv In ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op III steht in c-Moll und umfasst die Saumltze 1 Adagio 2 Allegro agitato 3 Adagio 4 Allegro vivace

134 Sonate fuumlr Violine und Klavier Gemeinschaftskomposition mit dem in Riga lebenden Komponishysten Julius August Fehre (1745-1812) Vgl B Volman Russkie pecatnye noty XVIII veka Leningrad 1957 S 64 ( verschollen)

14 Lied

141 Stonet sizyj golu bocek (Es klagt die graue Taube) in N Findejzen Ocerki Bd 2 Moskau-Leningrad 1929 S CXXXVIL

58

2 Manuskripte

21 Quartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello

211 Sechs Streichquartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello Identisch mit den 1781 in Wien bei Artaria publizierten Werken Wien Oumlsterreichische Nationalbibliothek

22 Quintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen und Violoncello

221 Vier Streichquintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen u Violoncello (A c-C F Es) Wien Gesellschaft der Musikfreunde Es handelt sich unl Abshyschriften die von Wiener Berufskopisten zwischen 1780 und 1800 angefertigt wurden Daraus ist zu schlieszligen dass Titz die hier aufgefuumlhrten Kompositionen schon in Russland schuf

Quintett in A-Dur Allegro - Andante grazioso - Presto Quintett in c-Moll Adagio - Allegro con spirito - Adagio - Ronshy

do Presto Quintett in F-Dur Allegro Andante Rondo Quintett in Es- Dur Allegro Maestoso - U n poco Adagio Rondo

~22 Sechs Streichquintette Osterreichische Nationalbibliothek Wien

Quintett in F-Dur (Mus Hs 11511) Allegro Andante - Rondo Quintett in Es-Dur (Mus Hs 15512) Allegro Maestoso - Un

poco Adagio Rondo Quintett in B-Dur (Mus Hs 11513) Allegro con espressione

Adagio - Rondo Presto Quintett in A-Dur (Mus Hs 11514) Allegro - Andante grazioso

Presto Quintett in c-Moll (Mus Hs 11515) Adagio - Allegro con spirito

Adagio Presto Quintett in d-Moll (Mus Hs l1516) Adagio - Allegro - Cantashy

bile Allegro assai

Alle sechs Stimmabschriften tragen den Vermerk N H 796 wurshyden also 1 796 angefertigt

59

23 Konzert

231 Concert fuumlr Violine principale 2 Violinen 2 Corni Oboi et Basso in Es-Dur Das Konzert besteht aus den Saumltzen Allegro - Cantabile - Rondo Fundort Wien Gesellschaft der Musikfreunde

24 Symphonie

241 Dreisaumltziges Werk fuumlr 2 Violinen Viola Kontrabass 2 Oboen 2 Waldhoumlrner und Pauken (Im Andantino werden die Oboen durch eine Floumlte ersetzt) Die Symphonie besteht aus den Saumltzen Allegro di molto Andantino und Prestissinlo Die handschriftlichen Orchesterstimmen befinden sich in der Bishybliothek des Schlosses zu Pavlovsk (s Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 402 Anm 42)

25 Vokalkomposition

251 Arie fuumlr Sopran solo mit Instrumentalbegleitung (EitnerQ 408)

Wenn wir auch bis zum gegenwaumlrtigen Zeitpunkt nicht alle von Titz geschaffenen Kompositionen kennen so erlauben es doch die der Forschung zugaumlnglichen Werke durchaus sich zumindest von Titz als Komponisten von instrumentaler Kammermusik ein Bild zu machen Zwar hat er auch eine ganze Reihe von Liedern (Roshymanzen) fuumlr Gesang und Klavier geschrieben doch muumlssen dieshyse Kompositionen wahrscheinlich als verschollen angesehen wershyden und entziehen sich daher einer Einschaumltzung Einzig und alshylein das Lied Es klagt die graue Taube (Stonet sizyj golubocek) dessen Autorschaft Findejzen einenl unbekannten Komponisten Keldys 44 aber Titzzuschreiben zu koumlnnen glaubt scheint der

44 VgI N Findejzen Ocerki po istorii muzyki v Rossii Bd 2 Moskau-Leshyningrad 1929 S 301 das Nbsp dazu befindet sich auf S CXXXVII - Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 220 Anm 59

60

r

auf uns gekommene Rest von Titz Vokalschaffen zu sein Dabei erfreuten sich Titz Lieder und insbesondere Es klagt die graue Taube zu ihrer Zeit groumlszligter Beliebtheit und letzteres wurde noch in den 1830er Jahren viel gesungen

Auch uumlber Titz als Symphoniker lassen sich zur Zeit keine Ausshysagen machen weil diesbezuumlgliche Werke in Deutschland nicht verfuumlgbar sind 45

Der folgende Versuch einer Stilanalyse bezieht sich infolgedesshysen vorwiegend auf die Sonaten fuumlr Klavier und obligate Violine op I 11 und III sowie die der Forschung zugaumlnglichen Streichshyquartette Es zeigt sich dass Titz in dem Zeitraum zwischen etwa 1781 und 1802 den Weg von der Fruumlhklassik zur Klassik durchlaushyfen hat Seine fruumlhen 1781 in Wien bei Artaria veroumlffentlichten Six Quatuors weisen in den ersten Saumltzen noch eine mehr oder minder willkuumlrliche Reihung des thematischen Materials auf N r 1 3 und 5 bestehen nur aus zwei Saumltzen jeweils aus einem Allegro und einem Rondo die drei uumlbrigen Werke zeigen dagegen schon die spaumltere klassische Viersaumltzigkeit mit zwei schnellen Ecksaumltzen einem Menuett mit Trio und einem nach dem Menuett folgenden langsamen Satz Eine Sonatensatzform ist jedoch nicht zu erkenshynen Den Quartetten N r 4 und 6 stellte Titz ein einleitendes Adagio voran im Streichquartett Nr 2 (A-Dur) waumlhlte er als ershysten Satz ein Thema mit Variationen Fuumlr die Vermutung dass Titz diese Quartette erst in Russland geschrieben hat spricht dass er sich auf dem Titelblatt als M usicien de la Chambre de Sa Maj Imp de toutes les Russies bezeichnet und die Kompositioshynen dem Fuumlrsten Galitzin (Golicyn) Ministre Plenipotentiaire de S M 1 de toutes les Russies pres la Cour Imp et Roy gewidshymet hat 46 (Siehe Abbildung 1) In Wien wurden sie gedruckt weil es in Russland zu dieser Zeit einen 1vlusikverlag mit einer funktionierenden Notendruckerei noch nicht gab Bei den sechs von Artaria 1781 herausgebrachten Streichquartetten haben wir es daher mit den ersten in Russland komponierten Werken dieser Gattung zu tun Titz kann infolgedessen mit Recht als der Beshygruumlnder des Streichquartetts in Russland angesehen werden Dass

45Wie unter Die Werke angegeben ist Titz einzige symphonische Komposhysition eine dreisaumltzige Symphonie Manuskript geblieben Dieses Werk hershyauszugeben waumlre eine verdienstvolle Aufgabe fuumlr die russischen Kollegen

46Naumlhere Angaben zu Golicyn waren nicht zu ermitteln

61

Nbsp 1 Op I die zwei Themen des Allegro agitato

Allegro agitato

r I

~ J I

tJ - ~ bull ~ I I

~

l ~

tgt

-

bull ~

bull bull

r

_I ~ 1 bull

_ _I --~ t

-

--

-

~ ~

TI I

I

11

( 4 I

~

(

I Thema I ~

e)

~ I bull

e

bull

~ shy

-J tJ

-T bull

L

1 I i

tJ I

~

h1 I

11

1

4

62

bullbull

Fortsetzung Nbsp 1

2 Thema 1 J I bullbull - - bull

1 J bull 1 I

t I I J - lfIt bullbullt ~I --shy~

~ -4 i

Jr 1 bull ~

1 t l

~ ~j j ttt

- - tmiddot --m shy I l

- I tJ - J I

Ij T

J rt t t t t t ~~ t 1 I~i bull I

- shyI bullftmiddot

63

dann die drei zwischen 1801 und 1802 in Petersburg bei Dittmar gedruckten Alexander I gewidmeten Quartette auch von Simshyrock in Bonn und Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig herausgebracht wurden zeugt von der offenbar groszligen Beliebtheit dieser Komshypositionen zu ihrer Zeit

In den drei Sonaten fuumlr Clavecin oder Pianoforte und obligate Violine op I II und III die bei J D Gerstenberg amp Comp in St ~~tersburg vermutlich 1795 gedruckt wurden vollzieht Titz den Ubergang zum klassischen Stil 47 Op I (f-Moll) besteht nur aus zwei Saumltzen einem con sordino vorzutragenden Adagio und einem Allegro agitato In der formalen Gestaltung verfaumlhrt Titz im Allegro ziemlich eigenwillig Er bringt ein zweites Thema erst im zweiten Teil des Allegro-Satzes und baut es gewissermaszligen in die Durchfuumlhrung ein Zwar kontrastiert es mit dem Hauptthema steht aber - was ungewoumlhnlich ist - in g-Moll (siehe Nbsp 1) Diese formale Anordnung fUumllhrt jedoch in gewisser Weise schon

47 Die drei Sonaten op I II und III blieben von russischen und sowjetischen Musikforschern bisher voumlllig unbeachtet Neben den schon erwaumlhnten Aushytoren sind hier noch zu nennen L Raaben (Instrumentalnyj ansambl v russkoj muzyke Moskau 1961) und L Ginzburg (Istorija violoncelnogo isshykusstva Buch 2 Moskau 1957 S 399) Offenbar waren ihnen diese Komposhysitionen nicht zugaumlnglich denn RISM gibt fuumlr sie einen russischen Standort nicht an Doch ist wohl op II in den letzten Jahren wieder aufgefunden worden Im Katalog der Russischen Nationalbibliothek ist dieser N otenshydruck jedenfalls verzeichnet (vgl Svodnyj katalog rossijskich notnych izshydanij Bd I XVIII vek St Petersburg 1996 S 60 I 206) RISM nennt dagegen als einzige Bibliothek die diese Sonaten heute noch besitzt die Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar der fuumlr die Anfertigung von Kopien an dieser Stelle herzlich gedankt sei

Das Exemplar des op I traumlgt den handschriftlichen Vermerk Maria Pavshylovna (siehe Abbildung 2) gehoumlrte also wahrscheinlich dieser aus der Zashyren familie stammenden russischen Groszligfuumlrstin die es bei ihrer 1804 erfolgshyten Vermaumlhlung mit dem Groszligfuumlrsten Karl Friedrich von Sachsen-Weimar (1783-1853) vermutlich mit nach Weimar gebracht hat Die allseitig geshybildete Maria Pavlovna (t 1859) spielte Klavier sie stand mit Goethe in staumlndigem geistigem Austausch es ist auch uumlberliefert dass sie sich unter der Anleitung des damaligen russischen Hofkapellmeisters Giuseppe Sarti (1729-1802) mit Komposition beschaumlftigt hat (vgl N von Milde Maria Pawlowna Hamburg 1904 S 88) Dass sie Anton Titz persoumlnlich gekannt hat und ihn zusammen mit seinem Ensemble am Petersburger Hof musishyzieren houmlrte ist sehr wahrscheinlich

64

Abb 1 Titelblatt der Six Quattuors Wien 1781 (Artaria)

65

S 0 N A T E~ pour le

CLAYECIN ou PIANOFORTE

et

VIOLON OBLIGE

conposee

par

Mf TITZ

Opl

A St Petersbour8

ehc Gcutenberg et Camp

Prix IR

Abb 2 Titelblatt von op I mit den Schriftzuumlgen von Maria Pavlovna Groszligherzogin von Sachsen-Weimar

66

zur Sonatensatzform hin die der Komponist dann in den Sonaten op II und III in voller Auspraumlgung anwendet

Nbsp 2 Op III Adagio

Adagio _A ~ bull

I

JI I

I

iM eJ tJ f I

11 - -- ~ - I

p ~ ~ ~ ---

y

f ~

f 1 I ti I~~ I -bullbull bull

I )

r r 6

bull -pshy pt If

bullbull 11 bull bull ~

I r-Bei op 11 (fis-Moll) haben wir es mit einer dreisaumltzigen und bei op III (c-Moll) sogar mit einer viersaumltzigen Sonate zu tun Zwishyschen die bei den schnellen Ecksaumltze schiebt sich in op 11 eine im Volkston gehaltene Romance siciliano (A-Dur) in der Titz seine lyrische Veranlagung auslebt In den Ecksaumltzen des op III (cshyMoll) kommen dagegen pathetische Zuumlge zum Tragen die auch in dem der Sonate vorangestellten einleitenden Adagio anklingen Eine zarte Lyrik kennzeichnet dagegen den langsamen Satz ein

67

Nbsp 3 Op II 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro con espressione A

I

t

~ --- ---shy ----shy -shy1 j - ~ ~ ~ bull

- bull r - 11 i 1 shy bull lI__ bull

J 11 I

t) - r

1 I ~ rrI bull 1_ 1__ rtI eJ ~ - 1 1middot

bull d 11shy llI

~ 14 Ci bull

~ f Seitenthema

~

f

) t

4J -shy - ~ -J

A~lmiddot i_I I

-J I I bull I

A f

~ fI i bull f7 bull shy j i

eJ vshy - ~ ~ - bull t I I )r L

J 1 I I 11 L 11 i

t) bull -

68

1

~bull

Nbsp 4 Op III 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro agitato ~ I bull r Umiddot ~ F

bullbull f~ ~ I I - - ~

bull-~ - ~

bull I tI I t

~ jj jjl ~H 6 bull

I IIJshy -shy I --

4) P ttUCo fJ I I )_r ----

~ -- - crvc J1 P

( ~ ~- 1t_~ - ~

I

VIIoi ~

dolc I a -- r ~

dok ~

I

( ~

- r I I bull ~

11

V8=

~ I ~ -Je - _- _I

1I - I I I l J

~ r I I V ~ - - l0t ~ ~ (

69

Nbsp 5 Quartett a-Moll Haupt- und Seitenthema

Allegro di molto agitato - t1I ft

lt shy ~

-~ -

~

ttJ f j J ~ 4 J ~ bull

I - I - r ~fIe

I IJr

I JJ I- bull

- ~ ]11 _t

1- ~~ 1Il 4 ~ ilA JJ r J ~ -shy

bull

4i) I bull 11 ~ bull ~ 1i-Idole ~ ~ -~ -

I -

~~ I I _I f bull eJ 1shy - - - I -

11 J ir (shy 1-( -~

~

I

Adagio in Es-Dur (siehe Nbsp 2) Formal weisen die Ecksaumltze dieser beiden Sonaten die typische Sonatensatzform auf wobei das Seitenthema jeweils in der parallelen Dur-Tonart steht (siehe Nbsp 3 und 4) Der Satzumfang ist mit jeweils ca 250 Takshy

70

Nbsp 6 Quartett G-Dur 1 Satz

Allegro ~

r I

1 bull 1 bull bullbull I TT

-UI II I I --- - bull

f ~~ ~

h hbull J -1 ~

bull

bull bull bull 1 iilbull bull bull bullbullbullbull bull bullbullbullbull

f - -bull

bull iii - - ---ifiJ bull 1fI bull bull

~~~ -

--~

middot bull

r shy

bull

Ir ~ bull

J~ n--

r

0___- V ______

1amp

~

-

JJlJ J~

I

I bull bull ~

bull

lJ~~r-J

--

1 ~ t bull r t

T -- -

SilJ -- -

71

Fortsetzung Nbsp 6

A

_t

-su - shy

eJ bull IJgt- f~ 11- I

-

t t 1 1

- t I - _

T

bull

~v v 17

-PO bull

bull I

11 bull Ir ~

---shy J ~

bull bull bullL---shyWW~

bull bull ltr~ ~ bullbull ~ ~

t l1li bull a

bullbullbullbull

) bull bull-

-

~ I

~

-

-po

I 1 bull

bull I bull bull

bullbullbullbull

bull bull

-tiTbull

~

-

~ --shy-

--

1 I

J

~ bull bull

72

ten beachtlich der Durchfuumlhrung wird viel Raum gegeben Die Violinstimme ist sparsam ausgesetzt nur verhaumlltnismaumlszligig selten wird ihr thematisches Material uumlbertragen Dennoch bildet sie zusammen nlit dem Klavierpart eine untrennbare klangliche Einshyheit Insgesamt zeichnen sich die drei Sonaten durch einfallsreiche thematische Erfindung aus Besonders zu bezaubern vermag die Sonate in fis-Moll (Op II)

Nbsp 7 Quartett F-Dur 1 Satz Hauptthema

r r r - - r - rr rrrf Dass sich Titz die klassische Schreibweise zu eigen gemacht hat

belegen auch die drei Alexander 1 gewidnleten Streichquartette von 18011802 Am konsequentesten haumllt sich der Komponist an das Schema der Sonatensatzform im Allegro di molto agitato des 3 Quartetts (a-Moll) In der Exposition bringt er das Haupt- und in der parallelen Dur-Tonart das Seitenthema (siehe Nbsp 5) und laumlsst dann eine Durchfuumlhrung und Reprise mit Coda folgen In

73

Nbsp 8 Quartett F-Dur 1 Satz Seitenthema

Ir

I bull bull

lIiiiiiiii

ol LI r4tJ - ~l ~J t J j 11 bull q- tr bullbull bull r I~ t I It-I- It bull It It IJ S

I-

~ - - -shy I I shy - IJ1p - --1J - h~~ Ir I

41-

J J- I wr -

- bull rTJ

f) ~ ~ ~ -iJ--1-- -~t J

~

bullt-1

74

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 16: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

Bibliothek des Cajkovskij-Konservatoriums in Moskau befindet ist defekt Nach Mitteilung der Bibliotheksdirektorin Frau Dr AF Cerkasova aus dem Jahre 1998 ist die Bratschenstimme verloren gegangen und in der Stimme der 2 Violine fehlen die Takte 5 bis 16 Es war nicht moumlglich von den drei AG Teplov gewidmeten Quartetten eine Kopie zu bekommen 1 Jampolskij fuumlhrt in seinem Buch Russkoe skripicnoe iskusstvo (MoskaushyLeningrad 1951) auf S 304 ff ein Notenbeispiel aus dem C-Dur Quartett dieser Ausgabe an fuumlr die die Violastimme von dem Komponisten G S Gamburg hinzukomponiert wurde

12 Duos fuumlr Streichinstrumente

121 Trois Duos a Deux Violons avec Romance et Rondeaux Composes par Ferdinand Titz Musicien de la Chambre de la Maj Im p de toutes les Russies Dedies a Madame La Baronesse de Fried Chez Christoph Torricella (B G C) Wien 1781

122 Sonate pour le Violon avec 1 accomp de Basse Compose par Mr Titz et dedie aMr Ignace Suchaneck par C G Kaestner A Moscou par Kaestner et Comp Adagio und Rondo beide in d-Moll

123 Sonate fuumlr Violine und Bass B-Dur Cantabile Allegro con espressione - Rondo

124 Sonate fuumlr Violine und Bass f-Moll Adagio - Allegro con espressione - Rondo

125 Sonate fuumlr Violine und Bass d-Moll Breitkopf amp Haumlrtei Nr 108 (Uppsala Universitaumltsbibliothek)

126 Trois sonates pour un violon avec ace d une basse Wien Jean Traeg Nr 121 (Zagreb Hrvatski glazbeni zavod Zbirka Don Nikole Udina Algaratti)

57

13 Sonaten fuumlr Clavecin oder Klavier und obligate Violine

131 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 1 ASt Petersbourg chez J D Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op I steht in f-Moll und unlfasst die Saumltze 1 Adagio con sordino 2 Allegro agitato Adagio

132 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 11 ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op II steht in fis-Moll und umfasst die Saumltze 1 Allegro con Espressione 2 Romance siciliano 3 Finale Presto I

133 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv In ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op III steht in c-Moll und umfasst die Saumltze 1 Adagio 2 Allegro agitato 3 Adagio 4 Allegro vivace

134 Sonate fuumlr Violine und Klavier Gemeinschaftskomposition mit dem in Riga lebenden Komponishysten Julius August Fehre (1745-1812) Vgl B Volman Russkie pecatnye noty XVIII veka Leningrad 1957 S 64 ( verschollen)

14 Lied

141 Stonet sizyj golu bocek (Es klagt die graue Taube) in N Findejzen Ocerki Bd 2 Moskau-Leningrad 1929 S CXXXVIL

58

2 Manuskripte

21 Quartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello

211 Sechs Streichquartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello Identisch mit den 1781 in Wien bei Artaria publizierten Werken Wien Oumlsterreichische Nationalbibliothek

22 Quintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen und Violoncello

221 Vier Streichquintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen u Violoncello (A c-C F Es) Wien Gesellschaft der Musikfreunde Es handelt sich unl Abshyschriften die von Wiener Berufskopisten zwischen 1780 und 1800 angefertigt wurden Daraus ist zu schlieszligen dass Titz die hier aufgefuumlhrten Kompositionen schon in Russland schuf

Quintett in A-Dur Allegro - Andante grazioso - Presto Quintett in c-Moll Adagio - Allegro con spirito - Adagio - Ronshy

do Presto Quintett in F-Dur Allegro Andante Rondo Quintett in Es- Dur Allegro Maestoso - U n poco Adagio Rondo

~22 Sechs Streichquintette Osterreichische Nationalbibliothek Wien

Quintett in F-Dur (Mus Hs 11511) Allegro Andante - Rondo Quintett in Es-Dur (Mus Hs 15512) Allegro Maestoso - Un

poco Adagio Rondo Quintett in B-Dur (Mus Hs 11513) Allegro con espressione

Adagio - Rondo Presto Quintett in A-Dur (Mus Hs 11514) Allegro - Andante grazioso

Presto Quintett in c-Moll (Mus Hs 11515) Adagio - Allegro con spirito

Adagio Presto Quintett in d-Moll (Mus Hs l1516) Adagio - Allegro - Cantashy

bile Allegro assai

Alle sechs Stimmabschriften tragen den Vermerk N H 796 wurshyden also 1 796 angefertigt

59

23 Konzert

231 Concert fuumlr Violine principale 2 Violinen 2 Corni Oboi et Basso in Es-Dur Das Konzert besteht aus den Saumltzen Allegro - Cantabile - Rondo Fundort Wien Gesellschaft der Musikfreunde

24 Symphonie

241 Dreisaumltziges Werk fuumlr 2 Violinen Viola Kontrabass 2 Oboen 2 Waldhoumlrner und Pauken (Im Andantino werden die Oboen durch eine Floumlte ersetzt) Die Symphonie besteht aus den Saumltzen Allegro di molto Andantino und Prestissinlo Die handschriftlichen Orchesterstimmen befinden sich in der Bishybliothek des Schlosses zu Pavlovsk (s Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 402 Anm 42)

25 Vokalkomposition

251 Arie fuumlr Sopran solo mit Instrumentalbegleitung (EitnerQ 408)

Wenn wir auch bis zum gegenwaumlrtigen Zeitpunkt nicht alle von Titz geschaffenen Kompositionen kennen so erlauben es doch die der Forschung zugaumlnglichen Werke durchaus sich zumindest von Titz als Komponisten von instrumentaler Kammermusik ein Bild zu machen Zwar hat er auch eine ganze Reihe von Liedern (Roshymanzen) fuumlr Gesang und Klavier geschrieben doch muumlssen dieshyse Kompositionen wahrscheinlich als verschollen angesehen wershyden und entziehen sich daher einer Einschaumltzung Einzig und alshylein das Lied Es klagt die graue Taube (Stonet sizyj golubocek) dessen Autorschaft Findejzen einenl unbekannten Komponisten Keldys 44 aber Titzzuschreiben zu koumlnnen glaubt scheint der

44 VgI N Findejzen Ocerki po istorii muzyki v Rossii Bd 2 Moskau-Leshyningrad 1929 S 301 das Nbsp dazu befindet sich auf S CXXXVII - Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 220 Anm 59

60

r

auf uns gekommene Rest von Titz Vokalschaffen zu sein Dabei erfreuten sich Titz Lieder und insbesondere Es klagt die graue Taube zu ihrer Zeit groumlszligter Beliebtheit und letzteres wurde noch in den 1830er Jahren viel gesungen

Auch uumlber Titz als Symphoniker lassen sich zur Zeit keine Ausshysagen machen weil diesbezuumlgliche Werke in Deutschland nicht verfuumlgbar sind 45

Der folgende Versuch einer Stilanalyse bezieht sich infolgedesshysen vorwiegend auf die Sonaten fuumlr Klavier und obligate Violine op I 11 und III sowie die der Forschung zugaumlnglichen Streichshyquartette Es zeigt sich dass Titz in dem Zeitraum zwischen etwa 1781 und 1802 den Weg von der Fruumlhklassik zur Klassik durchlaushyfen hat Seine fruumlhen 1781 in Wien bei Artaria veroumlffentlichten Six Quatuors weisen in den ersten Saumltzen noch eine mehr oder minder willkuumlrliche Reihung des thematischen Materials auf N r 1 3 und 5 bestehen nur aus zwei Saumltzen jeweils aus einem Allegro und einem Rondo die drei uumlbrigen Werke zeigen dagegen schon die spaumltere klassische Viersaumltzigkeit mit zwei schnellen Ecksaumltzen einem Menuett mit Trio und einem nach dem Menuett folgenden langsamen Satz Eine Sonatensatzform ist jedoch nicht zu erkenshynen Den Quartetten N r 4 und 6 stellte Titz ein einleitendes Adagio voran im Streichquartett Nr 2 (A-Dur) waumlhlte er als ershysten Satz ein Thema mit Variationen Fuumlr die Vermutung dass Titz diese Quartette erst in Russland geschrieben hat spricht dass er sich auf dem Titelblatt als M usicien de la Chambre de Sa Maj Imp de toutes les Russies bezeichnet und die Kompositioshynen dem Fuumlrsten Galitzin (Golicyn) Ministre Plenipotentiaire de S M 1 de toutes les Russies pres la Cour Imp et Roy gewidshymet hat 46 (Siehe Abbildung 1) In Wien wurden sie gedruckt weil es in Russland zu dieser Zeit einen 1vlusikverlag mit einer funktionierenden Notendruckerei noch nicht gab Bei den sechs von Artaria 1781 herausgebrachten Streichquartetten haben wir es daher mit den ersten in Russland komponierten Werken dieser Gattung zu tun Titz kann infolgedessen mit Recht als der Beshygruumlnder des Streichquartetts in Russland angesehen werden Dass

45Wie unter Die Werke angegeben ist Titz einzige symphonische Komposhysition eine dreisaumltzige Symphonie Manuskript geblieben Dieses Werk hershyauszugeben waumlre eine verdienstvolle Aufgabe fuumlr die russischen Kollegen

46Naumlhere Angaben zu Golicyn waren nicht zu ermitteln

61

Nbsp 1 Op I die zwei Themen des Allegro agitato

Allegro agitato

r I

~ J I

tJ - ~ bull ~ I I

~

l ~

tgt

-

bull ~

bull bull

r

_I ~ 1 bull

_ _I --~ t

-

--

-

~ ~

TI I

I

11

( 4 I

~

(

I Thema I ~

e)

~ I bull

e

bull

~ shy

-J tJ

-T bull

L

1 I i

tJ I

~

h1 I

11

1

4

62

bullbull

Fortsetzung Nbsp 1

2 Thema 1 J I bullbull - - bull

1 J bull 1 I

t I I J - lfIt bullbullt ~I --shy~

~ -4 i

Jr 1 bull ~

1 t l

~ ~j j ttt

- - tmiddot --m shy I l

- I tJ - J I

Ij T

J rt t t t t t ~~ t 1 I~i bull I

- shyI bullftmiddot

63

dann die drei zwischen 1801 und 1802 in Petersburg bei Dittmar gedruckten Alexander I gewidmeten Quartette auch von Simshyrock in Bonn und Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig herausgebracht wurden zeugt von der offenbar groszligen Beliebtheit dieser Komshypositionen zu ihrer Zeit

In den drei Sonaten fuumlr Clavecin oder Pianoforte und obligate Violine op I II und III die bei J D Gerstenberg amp Comp in St ~~tersburg vermutlich 1795 gedruckt wurden vollzieht Titz den Ubergang zum klassischen Stil 47 Op I (f-Moll) besteht nur aus zwei Saumltzen einem con sordino vorzutragenden Adagio und einem Allegro agitato In der formalen Gestaltung verfaumlhrt Titz im Allegro ziemlich eigenwillig Er bringt ein zweites Thema erst im zweiten Teil des Allegro-Satzes und baut es gewissermaszligen in die Durchfuumlhrung ein Zwar kontrastiert es mit dem Hauptthema steht aber - was ungewoumlhnlich ist - in g-Moll (siehe Nbsp 1) Diese formale Anordnung fUumllhrt jedoch in gewisser Weise schon

47 Die drei Sonaten op I II und III blieben von russischen und sowjetischen Musikforschern bisher voumlllig unbeachtet Neben den schon erwaumlhnten Aushytoren sind hier noch zu nennen L Raaben (Instrumentalnyj ansambl v russkoj muzyke Moskau 1961) und L Ginzburg (Istorija violoncelnogo isshykusstva Buch 2 Moskau 1957 S 399) Offenbar waren ihnen diese Komposhysitionen nicht zugaumlnglich denn RISM gibt fuumlr sie einen russischen Standort nicht an Doch ist wohl op II in den letzten Jahren wieder aufgefunden worden Im Katalog der Russischen Nationalbibliothek ist dieser N otenshydruck jedenfalls verzeichnet (vgl Svodnyj katalog rossijskich notnych izshydanij Bd I XVIII vek St Petersburg 1996 S 60 I 206) RISM nennt dagegen als einzige Bibliothek die diese Sonaten heute noch besitzt die Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar der fuumlr die Anfertigung von Kopien an dieser Stelle herzlich gedankt sei

Das Exemplar des op I traumlgt den handschriftlichen Vermerk Maria Pavshylovna (siehe Abbildung 2) gehoumlrte also wahrscheinlich dieser aus der Zashyren familie stammenden russischen Groszligfuumlrstin die es bei ihrer 1804 erfolgshyten Vermaumlhlung mit dem Groszligfuumlrsten Karl Friedrich von Sachsen-Weimar (1783-1853) vermutlich mit nach Weimar gebracht hat Die allseitig geshybildete Maria Pavlovna (t 1859) spielte Klavier sie stand mit Goethe in staumlndigem geistigem Austausch es ist auch uumlberliefert dass sie sich unter der Anleitung des damaligen russischen Hofkapellmeisters Giuseppe Sarti (1729-1802) mit Komposition beschaumlftigt hat (vgl N von Milde Maria Pawlowna Hamburg 1904 S 88) Dass sie Anton Titz persoumlnlich gekannt hat und ihn zusammen mit seinem Ensemble am Petersburger Hof musishyzieren houmlrte ist sehr wahrscheinlich

64

Abb 1 Titelblatt der Six Quattuors Wien 1781 (Artaria)

65

S 0 N A T E~ pour le

CLAYECIN ou PIANOFORTE

et

VIOLON OBLIGE

conposee

par

Mf TITZ

Opl

A St Petersbour8

ehc Gcutenberg et Camp

Prix IR

Abb 2 Titelblatt von op I mit den Schriftzuumlgen von Maria Pavlovna Groszligherzogin von Sachsen-Weimar

66

zur Sonatensatzform hin die der Komponist dann in den Sonaten op II und III in voller Auspraumlgung anwendet

Nbsp 2 Op III Adagio

Adagio _A ~ bull

I

JI I

I

iM eJ tJ f I

11 - -- ~ - I

p ~ ~ ~ ---

y

f ~

f 1 I ti I~~ I -bullbull bull

I )

r r 6

bull -pshy pt If

bullbull 11 bull bull ~

I r-Bei op 11 (fis-Moll) haben wir es mit einer dreisaumltzigen und bei op III (c-Moll) sogar mit einer viersaumltzigen Sonate zu tun Zwishyschen die bei den schnellen Ecksaumltze schiebt sich in op 11 eine im Volkston gehaltene Romance siciliano (A-Dur) in der Titz seine lyrische Veranlagung auslebt In den Ecksaumltzen des op III (cshyMoll) kommen dagegen pathetische Zuumlge zum Tragen die auch in dem der Sonate vorangestellten einleitenden Adagio anklingen Eine zarte Lyrik kennzeichnet dagegen den langsamen Satz ein

67

Nbsp 3 Op II 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro con espressione A

I

t

~ --- ---shy ----shy -shy1 j - ~ ~ ~ bull

- bull r - 11 i 1 shy bull lI__ bull

J 11 I

t) - r

1 I ~ rrI bull 1_ 1__ rtI eJ ~ - 1 1middot

bull d 11shy llI

~ 14 Ci bull

~ f Seitenthema

~

f

) t

4J -shy - ~ -J

A~lmiddot i_I I

-J I I bull I

A f

~ fI i bull f7 bull shy j i

eJ vshy - ~ ~ - bull t I I )r L

J 1 I I 11 L 11 i

t) bull -

68

1

~bull

Nbsp 4 Op III 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro agitato ~ I bull r Umiddot ~ F

bullbull f~ ~ I I - - ~

bull-~ - ~

bull I tI I t

~ jj jjl ~H 6 bull

I IIJshy -shy I --

4) P ttUCo fJ I I )_r ----

~ -- - crvc J1 P

( ~ ~- 1t_~ - ~

I

VIIoi ~

dolc I a -- r ~

dok ~

I

( ~

- r I I bull ~

11

V8=

~ I ~ -Je - _- _I

1I - I I I l J

~ r I I V ~ - - l0t ~ ~ (

69

Nbsp 5 Quartett a-Moll Haupt- und Seitenthema

Allegro di molto agitato - t1I ft

lt shy ~

-~ -

~

ttJ f j J ~ 4 J ~ bull

I - I - r ~fIe

I IJr

I JJ I- bull

- ~ ]11 _t

1- ~~ 1Il 4 ~ ilA JJ r J ~ -shy

bull

4i) I bull 11 ~ bull ~ 1i-Idole ~ ~ -~ -

I -

~~ I I _I f bull eJ 1shy - - - I -

11 J ir (shy 1-( -~

~

I

Adagio in Es-Dur (siehe Nbsp 2) Formal weisen die Ecksaumltze dieser beiden Sonaten die typische Sonatensatzform auf wobei das Seitenthema jeweils in der parallelen Dur-Tonart steht (siehe Nbsp 3 und 4) Der Satzumfang ist mit jeweils ca 250 Takshy

70

Nbsp 6 Quartett G-Dur 1 Satz

Allegro ~

r I

1 bull 1 bull bullbull I TT

-UI II I I --- - bull

f ~~ ~

h hbull J -1 ~

bull

bull bull bull 1 iilbull bull bull bullbullbullbull bull bullbullbullbull

f - -bull

bull iii - - ---ifiJ bull 1fI bull bull

~~~ -

--~

middot bull

r shy

bull

Ir ~ bull

J~ n--

r

0___- V ______

1amp

~

-

JJlJ J~

I

I bull bull ~

bull

lJ~~r-J

--

1 ~ t bull r t

T -- -

SilJ -- -

71

Fortsetzung Nbsp 6

A

_t

-su - shy

eJ bull IJgt- f~ 11- I

-

t t 1 1

- t I - _

T

bull

~v v 17

-PO bull

bull I

11 bull Ir ~

---shy J ~

bull bull bullL---shyWW~

bull bull ltr~ ~ bullbull ~ ~

t l1li bull a

bullbullbullbull

) bull bull-

-

~ I

~

-

-po

I 1 bull

bull I bull bull

bullbullbullbull

bull bull

-tiTbull

~

-

~ --shy-

--

1 I

J

~ bull bull

72

ten beachtlich der Durchfuumlhrung wird viel Raum gegeben Die Violinstimme ist sparsam ausgesetzt nur verhaumlltnismaumlszligig selten wird ihr thematisches Material uumlbertragen Dennoch bildet sie zusammen nlit dem Klavierpart eine untrennbare klangliche Einshyheit Insgesamt zeichnen sich die drei Sonaten durch einfallsreiche thematische Erfindung aus Besonders zu bezaubern vermag die Sonate in fis-Moll (Op II)

Nbsp 7 Quartett F-Dur 1 Satz Hauptthema

r r r - - r - rr rrrf Dass sich Titz die klassische Schreibweise zu eigen gemacht hat

belegen auch die drei Alexander 1 gewidnleten Streichquartette von 18011802 Am konsequentesten haumllt sich der Komponist an das Schema der Sonatensatzform im Allegro di molto agitato des 3 Quartetts (a-Moll) In der Exposition bringt er das Haupt- und in der parallelen Dur-Tonart das Seitenthema (siehe Nbsp 5) und laumlsst dann eine Durchfuumlhrung und Reprise mit Coda folgen In

73

Nbsp 8 Quartett F-Dur 1 Satz Seitenthema

Ir

I bull bull

lIiiiiiiii

ol LI r4tJ - ~l ~J t J j 11 bull q- tr bullbull bull r I~ t I It-I- It bull It It IJ S

I-

~ - - -shy I I shy - IJ1p - --1J - h~~ Ir I

41-

J J- I wr -

- bull rTJ

f) ~ ~ ~ -iJ--1-- -~t J

~

bullt-1

74

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 17: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

13 Sonaten fuumlr Clavecin oder Klavier und obligate Violine

131 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 1 ASt Petersbourg chez J D Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op I steht in f-Moll und unlfasst die Saumltze 1 Adagio con sordino 2 Allegro agitato Adagio

132 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv 11 ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op II steht in fis-Moll und umfasst die Saumltze 1 Allegro con Espressione 2 Romance siciliano 3 Finale Presto I

133 Sonate pour le Clavecin ou Pianoforte et Violon oblige Composee par AF Titz Oeuv In ASt Petersbourg chez JD Gerstenberg et Comp (vermutlich 1795) Op III steht in c-Moll und umfasst die Saumltze 1 Adagio 2 Allegro agitato 3 Adagio 4 Allegro vivace

134 Sonate fuumlr Violine und Klavier Gemeinschaftskomposition mit dem in Riga lebenden Komponishysten Julius August Fehre (1745-1812) Vgl B Volman Russkie pecatnye noty XVIII veka Leningrad 1957 S 64 ( verschollen)

14 Lied

141 Stonet sizyj golu bocek (Es klagt die graue Taube) in N Findejzen Ocerki Bd 2 Moskau-Leningrad 1929 S CXXXVIL

58

2 Manuskripte

21 Quartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello

211 Sechs Streichquartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello Identisch mit den 1781 in Wien bei Artaria publizierten Werken Wien Oumlsterreichische Nationalbibliothek

22 Quintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen und Violoncello

221 Vier Streichquintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen u Violoncello (A c-C F Es) Wien Gesellschaft der Musikfreunde Es handelt sich unl Abshyschriften die von Wiener Berufskopisten zwischen 1780 und 1800 angefertigt wurden Daraus ist zu schlieszligen dass Titz die hier aufgefuumlhrten Kompositionen schon in Russland schuf

Quintett in A-Dur Allegro - Andante grazioso - Presto Quintett in c-Moll Adagio - Allegro con spirito - Adagio - Ronshy

do Presto Quintett in F-Dur Allegro Andante Rondo Quintett in Es- Dur Allegro Maestoso - U n poco Adagio Rondo

~22 Sechs Streichquintette Osterreichische Nationalbibliothek Wien

Quintett in F-Dur (Mus Hs 11511) Allegro Andante - Rondo Quintett in Es-Dur (Mus Hs 15512) Allegro Maestoso - Un

poco Adagio Rondo Quintett in B-Dur (Mus Hs 11513) Allegro con espressione

Adagio - Rondo Presto Quintett in A-Dur (Mus Hs 11514) Allegro - Andante grazioso

Presto Quintett in c-Moll (Mus Hs 11515) Adagio - Allegro con spirito

Adagio Presto Quintett in d-Moll (Mus Hs l1516) Adagio - Allegro - Cantashy

bile Allegro assai

Alle sechs Stimmabschriften tragen den Vermerk N H 796 wurshyden also 1 796 angefertigt

59

23 Konzert

231 Concert fuumlr Violine principale 2 Violinen 2 Corni Oboi et Basso in Es-Dur Das Konzert besteht aus den Saumltzen Allegro - Cantabile - Rondo Fundort Wien Gesellschaft der Musikfreunde

24 Symphonie

241 Dreisaumltziges Werk fuumlr 2 Violinen Viola Kontrabass 2 Oboen 2 Waldhoumlrner und Pauken (Im Andantino werden die Oboen durch eine Floumlte ersetzt) Die Symphonie besteht aus den Saumltzen Allegro di molto Andantino und Prestissinlo Die handschriftlichen Orchesterstimmen befinden sich in der Bishybliothek des Schlosses zu Pavlovsk (s Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 402 Anm 42)

25 Vokalkomposition

251 Arie fuumlr Sopran solo mit Instrumentalbegleitung (EitnerQ 408)

Wenn wir auch bis zum gegenwaumlrtigen Zeitpunkt nicht alle von Titz geschaffenen Kompositionen kennen so erlauben es doch die der Forschung zugaumlnglichen Werke durchaus sich zumindest von Titz als Komponisten von instrumentaler Kammermusik ein Bild zu machen Zwar hat er auch eine ganze Reihe von Liedern (Roshymanzen) fuumlr Gesang und Klavier geschrieben doch muumlssen dieshyse Kompositionen wahrscheinlich als verschollen angesehen wershyden und entziehen sich daher einer Einschaumltzung Einzig und alshylein das Lied Es klagt die graue Taube (Stonet sizyj golubocek) dessen Autorschaft Findejzen einenl unbekannten Komponisten Keldys 44 aber Titzzuschreiben zu koumlnnen glaubt scheint der

44 VgI N Findejzen Ocerki po istorii muzyki v Rossii Bd 2 Moskau-Leshyningrad 1929 S 301 das Nbsp dazu befindet sich auf S CXXXVII - Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 220 Anm 59

60

r

auf uns gekommene Rest von Titz Vokalschaffen zu sein Dabei erfreuten sich Titz Lieder und insbesondere Es klagt die graue Taube zu ihrer Zeit groumlszligter Beliebtheit und letzteres wurde noch in den 1830er Jahren viel gesungen

Auch uumlber Titz als Symphoniker lassen sich zur Zeit keine Ausshysagen machen weil diesbezuumlgliche Werke in Deutschland nicht verfuumlgbar sind 45

Der folgende Versuch einer Stilanalyse bezieht sich infolgedesshysen vorwiegend auf die Sonaten fuumlr Klavier und obligate Violine op I 11 und III sowie die der Forschung zugaumlnglichen Streichshyquartette Es zeigt sich dass Titz in dem Zeitraum zwischen etwa 1781 und 1802 den Weg von der Fruumlhklassik zur Klassik durchlaushyfen hat Seine fruumlhen 1781 in Wien bei Artaria veroumlffentlichten Six Quatuors weisen in den ersten Saumltzen noch eine mehr oder minder willkuumlrliche Reihung des thematischen Materials auf N r 1 3 und 5 bestehen nur aus zwei Saumltzen jeweils aus einem Allegro und einem Rondo die drei uumlbrigen Werke zeigen dagegen schon die spaumltere klassische Viersaumltzigkeit mit zwei schnellen Ecksaumltzen einem Menuett mit Trio und einem nach dem Menuett folgenden langsamen Satz Eine Sonatensatzform ist jedoch nicht zu erkenshynen Den Quartetten N r 4 und 6 stellte Titz ein einleitendes Adagio voran im Streichquartett Nr 2 (A-Dur) waumlhlte er als ershysten Satz ein Thema mit Variationen Fuumlr die Vermutung dass Titz diese Quartette erst in Russland geschrieben hat spricht dass er sich auf dem Titelblatt als M usicien de la Chambre de Sa Maj Imp de toutes les Russies bezeichnet und die Kompositioshynen dem Fuumlrsten Galitzin (Golicyn) Ministre Plenipotentiaire de S M 1 de toutes les Russies pres la Cour Imp et Roy gewidshymet hat 46 (Siehe Abbildung 1) In Wien wurden sie gedruckt weil es in Russland zu dieser Zeit einen 1vlusikverlag mit einer funktionierenden Notendruckerei noch nicht gab Bei den sechs von Artaria 1781 herausgebrachten Streichquartetten haben wir es daher mit den ersten in Russland komponierten Werken dieser Gattung zu tun Titz kann infolgedessen mit Recht als der Beshygruumlnder des Streichquartetts in Russland angesehen werden Dass

45Wie unter Die Werke angegeben ist Titz einzige symphonische Komposhysition eine dreisaumltzige Symphonie Manuskript geblieben Dieses Werk hershyauszugeben waumlre eine verdienstvolle Aufgabe fuumlr die russischen Kollegen

46Naumlhere Angaben zu Golicyn waren nicht zu ermitteln

61

Nbsp 1 Op I die zwei Themen des Allegro agitato

Allegro agitato

r I

~ J I

tJ - ~ bull ~ I I

~

l ~

tgt

-

bull ~

bull bull

r

_I ~ 1 bull

_ _I --~ t

-

--

-

~ ~

TI I

I

11

( 4 I

~

(

I Thema I ~

e)

~ I bull

e

bull

~ shy

-J tJ

-T bull

L

1 I i

tJ I

~

h1 I

11

1

4

62

bullbull

Fortsetzung Nbsp 1

2 Thema 1 J I bullbull - - bull

1 J bull 1 I

t I I J - lfIt bullbullt ~I --shy~

~ -4 i

Jr 1 bull ~

1 t l

~ ~j j ttt

- - tmiddot --m shy I l

- I tJ - J I

Ij T

J rt t t t t t ~~ t 1 I~i bull I

- shyI bullftmiddot

63

dann die drei zwischen 1801 und 1802 in Petersburg bei Dittmar gedruckten Alexander I gewidmeten Quartette auch von Simshyrock in Bonn und Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig herausgebracht wurden zeugt von der offenbar groszligen Beliebtheit dieser Komshypositionen zu ihrer Zeit

In den drei Sonaten fuumlr Clavecin oder Pianoforte und obligate Violine op I II und III die bei J D Gerstenberg amp Comp in St ~~tersburg vermutlich 1795 gedruckt wurden vollzieht Titz den Ubergang zum klassischen Stil 47 Op I (f-Moll) besteht nur aus zwei Saumltzen einem con sordino vorzutragenden Adagio und einem Allegro agitato In der formalen Gestaltung verfaumlhrt Titz im Allegro ziemlich eigenwillig Er bringt ein zweites Thema erst im zweiten Teil des Allegro-Satzes und baut es gewissermaszligen in die Durchfuumlhrung ein Zwar kontrastiert es mit dem Hauptthema steht aber - was ungewoumlhnlich ist - in g-Moll (siehe Nbsp 1) Diese formale Anordnung fUumllhrt jedoch in gewisser Weise schon

47 Die drei Sonaten op I II und III blieben von russischen und sowjetischen Musikforschern bisher voumlllig unbeachtet Neben den schon erwaumlhnten Aushytoren sind hier noch zu nennen L Raaben (Instrumentalnyj ansambl v russkoj muzyke Moskau 1961) und L Ginzburg (Istorija violoncelnogo isshykusstva Buch 2 Moskau 1957 S 399) Offenbar waren ihnen diese Komposhysitionen nicht zugaumlnglich denn RISM gibt fuumlr sie einen russischen Standort nicht an Doch ist wohl op II in den letzten Jahren wieder aufgefunden worden Im Katalog der Russischen Nationalbibliothek ist dieser N otenshydruck jedenfalls verzeichnet (vgl Svodnyj katalog rossijskich notnych izshydanij Bd I XVIII vek St Petersburg 1996 S 60 I 206) RISM nennt dagegen als einzige Bibliothek die diese Sonaten heute noch besitzt die Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar der fuumlr die Anfertigung von Kopien an dieser Stelle herzlich gedankt sei

Das Exemplar des op I traumlgt den handschriftlichen Vermerk Maria Pavshylovna (siehe Abbildung 2) gehoumlrte also wahrscheinlich dieser aus der Zashyren familie stammenden russischen Groszligfuumlrstin die es bei ihrer 1804 erfolgshyten Vermaumlhlung mit dem Groszligfuumlrsten Karl Friedrich von Sachsen-Weimar (1783-1853) vermutlich mit nach Weimar gebracht hat Die allseitig geshybildete Maria Pavlovna (t 1859) spielte Klavier sie stand mit Goethe in staumlndigem geistigem Austausch es ist auch uumlberliefert dass sie sich unter der Anleitung des damaligen russischen Hofkapellmeisters Giuseppe Sarti (1729-1802) mit Komposition beschaumlftigt hat (vgl N von Milde Maria Pawlowna Hamburg 1904 S 88) Dass sie Anton Titz persoumlnlich gekannt hat und ihn zusammen mit seinem Ensemble am Petersburger Hof musishyzieren houmlrte ist sehr wahrscheinlich

64

Abb 1 Titelblatt der Six Quattuors Wien 1781 (Artaria)

65

S 0 N A T E~ pour le

CLAYECIN ou PIANOFORTE

et

VIOLON OBLIGE

conposee

par

Mf TITZ

Opl

A St Petersbour8

ehc Gcutenberg et Camp

Prix IR

Abb 2 Titelblatt von op I mit den Schriftzuumlgen von Maria Pavlovna Groszligherzogin von Sachsen-Weimar

66

zur Sonatensatzform hin die der Komponist dann in den Sonaten op II und III in voller Auspraumlgung anwendet

Nbsp 2 Op III Adagio

Adagio _A ~ bull

I

JI I

I

iM eJ tJ f I

11 - -- ~ - I

p ~ ~ ~ ---

y

f ~

f 1 I ti I~~ I -bullbull bull

I )

r r 6

bull -pshy pt If

bullbull 11 bull bull ~

I r-Bei op 11 (fis-Moll) haben wir es mit einer dreisaumltzigen und bei op III (c-Moll) sogar mit einer viersaumltzigen Sonate zu tun Zwishyschen die bei den schnellen Ecksaumltze schiebt sich in op 11 eine im Volkston gehaltene Romance siciliano (A-Dur) in der Titz seine lyrische Veranlagung auslebt In den Ecksaumltzen des op III (cshyMoll) kommen dagegen pathetische Zuumlge zum Tragen die auch in dem der Sonate vorangestellten einleitenden Adagio anklingen Eine zarte Lyrik kennzeichnet dagegen den langsamen Satz ein

67

Nbsp 3 Op II 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro con espressione A

I

t

~ --- ---shy ----shy -shy1 j - ~ ~ ~ bull

- bull r - 11 i 1 shy bull lI__ bull

J 11 I

t) - r

1 I ~ rrI bull 1_ 1__ rtI eJ ~ - 1 1middot

bull d 11shy llI

~ 14 Ci bull

~ f Seitenthema

~

f

) t

4J -shy - ~ -J

A~lmiddot i_I I

-J I I bull I

A f

~ fI i bull f7 bull shy j i

eJ vshy - ~ ~ - bull t I I )r L

J 1 I I 11 L 11 i

t) bull -

68

1

~bull

Nbsp 4 Op III 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro agitato ~ I bull r Umiddot ~ F

bullbull f~ ~ I I - - ~

bull-~ - ~

bull I tI I t

~ jj jjl ~H 6 bull

I IIJshy -shy I --

4) P ttUCo fJ I I )_r ----

~ -- - crvc J1 P

( ~ ~- 1t_~ - ~

I

VIIoi ~

dolc I a -- r ~

dok ~

I

( ~

- r I I bull ~

11

V8=

~ I ~ -Je - _- _I

1I - I I I l J

~ r I I V ~ - - l0t ~ ~ (

69

Nbsp 5 Quartett a-Moll Haupt- und Seitenthema

Allegro di molto agitato - t1I ft

lt shy ~

-~ -

~

ttJ f j J ~ 4 J ~ bull

I - I - r ~fIe

I IJr

I JJ I- bull

- ~ ]11 _t

1- ~~ 1Il 4 ~ ilA JJ r J ~ -shy

bull

4i) I bull 11 ~ bull ~ 1i-Idole ~ ~ -~ -

I -

~~ I I _I f bull eJ 1shy - - - I -

11 J ir (shy 1-( -~

~

I

Adagio in Es-Dur (siehe Nbsp 2) Formal weisen die Ecksaumltze dieser beiden Sonaten die typische Sonatensatzform auf wobei das Seitenthema jeweils in der parallelen Dur-Tonart steht (siehe Nbsp 3 und 4) Der Satzumfang ist mit jeweils ca 250 Takshy

70

Nbsp 6 Quartett G-Dur 1 Satz

Allegro ~

r I

1 bull 1 bull bullbull I TT

-UI II I I --- - bull

f ~~ ~

h hbull J -1 ~

bull

bull bull bull 1 iilbull bull bull bullbullbullbull bull bullbullbullbull

f - -bull

bull iii - - ---ifiJ bull 1fI bull bull

~~~ -

--~

middot bull

r shy

bull

Ir ~ bull

J~ n--

r

0___- V ______

1amp

~

-

JJlJ J~

I

I bull bull ~

bull

lJ~~r-J

--

1 ~ t bull r t

T -- -

SilJ -- -

71

Fortsetzung Nbsp 6

A

_t

-su - shy

eJ bull IJgt- f~ 11- I

-

t t 1 1

- t I - _

T

bull

~v v 17

-PO bull

bull I

11 bull Ir ~

---shy J ~

bull bull bullL---shyWW~

bull bull ltr~ ~ bullbull ~ ~

t l1li bull a

bullbullbullbull

) bull bull-

-

~ I

~

-

-po

I 1 bull

bull I bull bull

bullbullbullbull

bull bull

-tiTbull

~

-

~ --shy-

--

1 I

J

~ bull bull

72

ten beachtlich der Durchfuumlhrung wird viel Raum gegeben Die Violinstimme ist sparsam ausgesetzt nur verhaumlltnismaumlszligig selten wird ihr thematisches Material uumlbertragen Dennoch bildet sie zusammen nlit dem Klavierpart eine untrennbare klangliche Einshyheit Insgesamt zeichnen sich die drei Sonaten durch einfallsreiche thematische Erfindung aus Besonders zu bezaubern vermag die Sonate in fis-Moll (Op II)

Nbsp 7 Quartett F-Dur 1 Satz Hauptthema

r r r - - r - rr rrrf Dass sich Titz die klassische Schreibweise zu eigen gemacht hat

belegen auch die drei Alexander 1 gewidnleten Streichquartette von 18011802 Am konsequentesten haumllt sich der Komponist an das Schema der Sonatensatzform im Allegro di molto agitato des 3 Quartetts (a-Moll) In der Exposition bringt er das Haupt- und in der parallelen Dur-Tonart das Seitenthema (siehe Nbsp 5) und laumlsst dann eine Durchfuumlhrung und Reprise mit Coda folgen In

73

Nbsp 8 Quartett F-Dur 1 Satz Seitenthema

Ir

I bull bull

lIiiiiiiii

ol LI r4tJ - ~l ~J t J j 11 bull q- tr bullbull bull r I~ t I It-I- It bull It It IJ S

I-

~ - - -shy I I shy - IJ1p - --1J - h~~ Ir I

41-

J J- I wr -

- bull rTJ

f) ~ ~ ~ -iJ--1-- -~t J

~

bullt-1

74

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 18: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

2 Manuskripte

21 Quartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello

211 Sechs Streichquartette fuumlr 2 Violinen Viola und Violoncello Identisch mit den 1781 in Wien bei Artaria publizierten Werken Wien Oumlsterreichische Nationalbibliothek

22 Quintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen und Violoncello

221 Vier Streichquintette fuumlr 2 Violinen 2 Violen u Violoncello (A c-C F Es) Wien Gesellschaft der Musikfreunde Es handelt sich unl Abshyschriften die von Wiener Berufskopisten zwischen 1780 und 1800 angefertigt wurden Daraus ist zu schlieszligen dass Titz die hier aufgefuumlhrten Kompositionen schon in Russland schuf

Quintett in A-Dur Allegro - Andante grazioso - Presto Quintett in c-Moll Adagio - Allegro con spirito - Adagio - Ronshy

do Presto Quintett in F-Dur Allegro Andante Rondo Quintett in Es- Dur Allegro Maestoso - U n poco Adagio Rondo

~22 Sechs Streichquintette Osterreichische Nationalbibliothek Wien

Quintett in F-Dur (Mus Hs 11511) Allegro Andante - Rondo Quintett in Es-Dur (Mus Hs 15512) Allegro Maestoso - Un

poco Adagio Rondo Quintett in B-Dur (Mus Hs 11513) Allegro con espressione

Adagio - Rondo Presto Quintett in A-Dur (Mus Hs 11514) Allegro - Andante grazioso

Presto Quintett in c-Moll (Mus Hs 11515) Adagio - Allegro con spirito

Adagio Presto Quintett in d-Moll (Mus Hs l1516) Adagio - Allegro - Cantashy

bile Allegro assai

Alle sechs Stimmabschriften tragen den Vermerk N H 796 wurshyden also 1 796 angefertigt

59

23 Konzert

231 Concert fuumlr Violine principale 2 Violinen 2 Corni Oboi et Basso in Es-Dur Das Konzert besteht aus den Saumltzen Allegro - Cantabile - Rondo Fundort Wien Gesellschaft der Musikfreunde

24 Symphonie

241 Dreisaumltziges Werk fuumlr 2 Violinen Viola Kontrabass 2 Oboen 2 Waldhoumlrner und Pauken (Im Andantino werden die Oboen durch eine Floumlte ersetzt) Die Symphonie besteht aus den Saumltzen Allegro di molto Andantino und Prestissinlo Die handschriftlichen Orchesterstimmen befinden sich in der Bishybliothek des Schlosses zu Pavlovsk (s Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 402 Anm 42)

25 Vokalkomposition

251 Arie fuumlr Sopran solo mit Instrumentalbegleitung (EitnerQ 408)

Wenn wir auch bis zum gegenwaumlrtigen Zeitpunkt nicht alle von Titz geschaffenen Kompositionen kennen so erlauben es doch die der Forschung zugaumlnglichen Werke durchaus sich zumindest von Titz als Komponisten von instrumentaler Kammermusik ein Bild zu machen Zwar hat er auch eine ganze Reihe von Liedern (Roshymanzen) fuumlr Gesang und Klavier geschrieben doch muumlssen dieshyse Kompositionen wahrscheinlich als verschollen angesehen wershyden und entziehen sich daher einer Einschaumltzung Einzig und alshylein das Lied Es klagt die graue Taube (Stonet sizyj golubocek) dessen Autorschaft Findejzen einenl unbekannten Komponisten Keldys 44 aber Titzzuschreiben zu koumlnnen glaubt scheint der

44 VgI N Findejzen Ocerki po istorii muzyki v Rossii Bd 2 Moskau-Leshyningrad 1929 S 301 das Nbsp dazu befindet sich auf S CXXXVII - Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 220 Anm 59

60

r

auf uns gekommene Rest von Titz Vokalschaffen zu sein Dabei erfreuten sich Titz Lieder und insbesondere Es klagt die graue Taube zu ihrer Zeit groumlszligter Beliebtheit und letzteres wurde noch in den 1830er Jahren viel gesungen

Auch uumlber Titz als Symphoniker lassen sich zur Zeit keine Ausshysagen machen weil diesbezuumlgliche Werke in Deutschland nicht verfuumlgbar sind 45

Der folgende Versuch einer Stilanalyse bezieht sich infolgedesshysen vorwiegend auf die Sonaten fuumlr Klavier und obligate Violine op I 11 und III sowie die der Forschung zugaumlnglichen Streichshyquartette Es zeigt sich dass Titz in dem Zeitraum zwischen etwa 1781 und 1802 den Weg von der Fruumlhklassik zur Klassik durchlaushyfen hat Seine fruumlhen 1781 in Wien bei Artaria veroumlffentlichten Six Quatuors weisen in den ersten Saumltzen noch eine mehr oder minder willkuumlrliche Reihung des thematischen Materials auf N r 1 3 und 5 bestehen nur aus zwei Saumltzen jeweils aus einem Allegro und einem Rondo die drei uumlbrigen Werke zeigen dagegen schon die spaumltere klassische Viersaumltzigkeit mit zwei schnellen Ecksaumltzen einem Menuett mit Trio und einem nach dem Menuett folgenden langsamen Satz Eine Sonatensatzform ist jedoch nicht zu erkenshynen Den Quartetten N r 4 und 6 stellte Titz ein einleitendes Adagio voran im Streichquartett Nr 2 (A-Dur) waumlhlte er als ershysten Satz ein Thema mit Variationen Fuumlr die Vermutung dass Titz diese Quartette erst in Russland geschrieben hat spricht dass er sich auf dem Titelblatt als M usicien de la Chambre de Sa Maj Imp de toutes les Russies bezeichnet und die Kompositioshynen dem Fuumlrsten Galitzin (Golicyn) Ministre Plenipotentiaire de S M 1 de toutes les Russies pres la Cour Imp et Roy gewidshymet hat 46 (Siehe Abbildung 1) In Wien wurden sie gedruckt weil es in Russland zu dieser Zeit einen 1vlusikverlag mit einer funktionierenden Notendruckerei noch nicht gab Bei den sechs von Artaria 1781 herausgebrachten Streichquartetten haben wir es daher mit den ersten in Russland komponierten Werken dieser Gattung zu tun Titz kann infolgedessen mit Recht als der Beshygruumlnder des Streichquartetts in Russland angesehen werden Dass

45Wie unter Die Werke angegeben ist Titz einzige symphonische Komposhysition eine dreisaumltzige Symphonie Manuskript geblieben Dieses Werk hershyauszugeben waumlre eine verdienstvolle Aufgabe fuumlr die russischen Kollegen

46Naumlhere Angaben zu Golicyn waren nicht zu ermitteln

61

Nbsp 1 Op I die zwei Themen des Allegro agitato

Allegro agitato

r I

~ J I

tJ - ~ bull ~ I I

~

l ~

tgt

-

bull ~

bull bull

r

_I ~ 1 bull

_ _I --~ t

-

--

-

~ ~

TI I

I

11

( 4 I

~

(

I Thema I ~

e)

~ I bull

e

bull

~ shy

-J tJ

-T bull

L

1 I i

tJ I

~

h1 I

11

1

4

62

bullbull

Fortsetzung Nbsp 1

2 Thema 1 J I bullbull - - bull

1 J bull 1 I

t I I J - lfIt bullbullt ~I --shy~

~ -4 i

Jr 1 bull ~

1 t l

~ ~j j ttt

- - tmiddot --m shy I l

- I tJ - J I

Ij T

J rt t t t t t ~~ t 1 I~i bull I

- shyI bullftmiddot

63

dann die drei zwischen 1801 und 1802 in Petersburg bei Dittmar gedruckten Alexander I gewidmeten Quartette auch von Simshyrock in Bonn und Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig herausgebracht wurden zeugt von der offenbar groszligen Beliebtheit dieser Komshypositionen zu ihrer Zeit

In den drei Sonaten fuumlr Clavecin oder Pianoforte und obligate Violine op I II und III die bei J D Gerstenberg amp Comp in St ~~tersburg vermutlich 1795 gedruckt wurden vollzieht Titz den Ubergang zum klassischen Stil 47 Op I (f-Moll) besteht nur aus zwei Saumltzen einem con sordino vorzutragenden Adagio und einem Allegro agitato In der formalen Gestaltung verfaumlhrt Titz im Allegro ziemlich eigenwillig Er bringt ein zweites Thema erst im zweiten Teil des Allegro-Satzes und baut es gewissermaszligen in die Durchfuumlhrung ein Zwar kontrastiert es mit dem Hauptthema steht aber - was ungewoumlhnlich ist - in g-Moll (siehe Nbsp 1) Diese formale Anordnung fUumllhrt jedoch in gewisser Weise schon

47 Die drei Sonaten op I II und III blieben von russischen und sowjetischen Musikforschern bisher voumlllig unbeachtet Neben den schon erwaumlhnten Aushytoren sind hier noch zu nennen L Raaben (Instrumentalnyj ansambl v russkoj muzyke Moskau 1961) und L Ginzburg (Istorija violoncelnogo isshykusstva Buch 2 Moskau 1957 S 399) Offenbar waren ihnen diese Komposhysitionen nicht zugaumlnglich denn RISM gibt fuumlr sie einen russischen Standort nicht an Doch ist wohl op II in den letzten Jahren wieder aufgefunden worden Im Katalog der Russischen Nationalbibliothek ist dieser N otenshydruck jedenfalls verzeichnet (vgl Svodnyj katalog rossijskich notnych izshydanij Bd I XVIII vek St Petersburg 1996 S 60 I 206) RISM nennt dagegen als einzige Bibliothek die diese Sonaten heute noch besitzt die Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar der fuumlr die Anfertigung von Kopien an dieser Stelle herzlich gedankt sei

Das Exemplar des op I traumlgt den handschriftlichen Vermerk Maria Pavshylovna (siehe Abbildung 2) gehoumlrte also wahrscheinlich dieser aus der Zashyren familie stammenden russischen Groszligfuumlrstin die es bei ihrer 1804 erfolgshyten Vermaumlhlung mit dem Groszligfuumlrsten Karl Friedrich von Sachsen-Weimar (1783-1853) vermutlich mit nach Weimar gebracht hat Die allseitig geshybildete Maria Pavlovna (t 1859) spielte Klavier sie stand mit Goethe in staumlndigem geistigem Austausch es ist auch uumlberliefert dass sie sich unter der Anleitung des damaligen russischen Hofkapellmeisters Giuseppe Sarti (1729-1802) mit Komposition beschaumlftigt hat (vgl N von Milde Maria Pawlowna Hamburg 1904 S 88) Dass sie Anton Titz persoumlnlich gekannt hat und ihn zusammen mit seinem Ensemble am Petersburger Hof musishyzieren houmlrte ist sehr wahrscheinlich

64

Abb 1 Titelblatt der Six Quattuors Wien 1781 (Artaria)

65

S 0 N A T E~ pour le

CLAYECIN ou PIANOFORTE

et

VIOLON OBLIGE

conposee

par

Mf TITZ

Opl

A St Petersbour8

ehc Gcutenberg et Camp

Prix IR

Abb 2 Titelblatt von op I mit den Schriftzuumlgen von Maria Pavlovna Groszligherzogin von Sachsen-Weimar

66

zur Sonatensatzform hin die der Komponist dann in den Sonaten op II und III in voller Auspraumlgung anwendet

Nbsp 2 Op III Adagio

Adagio _A ~ bull

I

JI I

I

iM eJ tJ f I

11 - -- ~ - I

p ~ ~ ~ ---

y

f ~

f 1 I ti I~~ I -bullbull bull

I )

r r 6

bull -pshy pt If

bullbull 11 bull bull ~

I r-Bei op 11 (fis-Moll) haben wir es mit einer dreisaumltzigen und bei op III (c-Moll) sogar mit einer viersaumltzigen Sonate zu tun Zwishyschen die bei den schnellen Ecksaumltze schiebt sich in op 11 eine im Volkston gehaltene Romance siciliano (A-Dur) in der Titz seine lyrische Veranlagung auslebt In den Ecksaumltzen des op III (cshyMoll) kommen dagegen pathetische Zuumlge zum Tragen die auch in dem der Sonate vorangestellten einleitenden Adagio anklingen Eine zarte Lyrik kennzeichnet dagegen den langsamen Satz ein

67

Nbsp 3 Op II 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro con espressione A

I

t

~ --- ---shy ----shy -shy1 j - ~ ~ ~ bull

- bull r - 11 i 1 shy bull lI__ bull

J 11 I

t) - r

1 I ~ rrI bull 1_ 1__ rtI eJ ~ - 1 1middot

bull d 11shy llI

~ 14 Ci bull

~ f Seitenthema

~

f

) t

4J -shy - ~ -J

A~lmiddot i_I I

-J I I bull I

A f

~ fI i bull f7 bull shy j i

eJ vshy - ~ ~ - bull t I I )r L

J 1 I I 11 L 11 i

t) bull -

68

1

~bull

Nbsp 4 Op III 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro agitato ~ I bull r Umiddot ~ F

bullbull f~ ~ I I - - ~

bull-~ - ~

bull I tI I t

~ jj jjl ~H 6 bull

I IIJshy -shy I --

4) P ttUCo fJ I I )_r ----

~ -- - crvc J1 P

( ~ ~- 1t_~ - ~

I

VIIoi ~

dolc I a -- r ~

dok ~

I

( ~

- r I I bull ~

11

V8=

~ I ~ -Je - _- _I

1I - I I I l J

~ r I I V ~ - - l0t ~ ~ (

69

Nbsp 5 Quartett a-Moll Haupt- und Seitenthema

Allegro di molto agitato - t1I ft

lt shy ~

-~ -

~

ttJ f j J ~ 4 J ~ bull

I - I - r ~fIe

I IJr

I JJ I- bull

- ~ ]11 _t

1- ~~ 1Il 4 ~ ilA JJ r J ~ -shy

bull

4i) I bull 11 ~ bull ~ 1i-Idole ~ ~ -~ -

I -

~~ I I _I f bull eJ 1shy - - - I -

11 J ir (shy 1-( -~

~

I

Adagio in Es-Dur (siehe Nbsp 2) Formal weisen die Ecksaumltze dieser beiden Sonaten die typische Sonatensatzform auf wobei das Seitenthema jeweils in der parallelen Dur-Tonart steht (siehe Nbsp 3 und 4) Der Satzumfang ist mit jeweils ca 250 Takshy

70

Nbsp 6 Quartett G-Dur 1 Satz

Allegro ~

r I

1 bull 1 bull bullbull I TT

-UI II I I --- - bull

f ~~ ~

h hbull J -1 ~

bull

bull bull bull 1 iilbull bull bull bullbullbullbull bull bullbullbullbull

f - -bull

bull iii - - ---ifiJ bull 1fI bull bull

~~~ -

--~

middot bull

r shy

bull

Ir ~ bull

J~ n--

r

0___- V ______

1amp

~

-

JJlJ J~

I

I bull bull ~

bull

lJ~~r-J

--

1 ~ t bull r t

T -- -

SilJ -- -

71

Fortsetzung Nbsp 6

A

_t

-su - shy

eJ bull IJgt- f~ 11- I

-

t t 1 1

- t I - _

T

bull

~v v 17

-PO bull

bull I

11 bull Ir ~

---shy J ~

bull bull bullL---shyWW~

bull bull ltr~ ~ bullbull ~ ~

t l1li bull a

bullbullbullbull

) bull bull-

-

~ I

~

-

-po

I 1 bull

bull I bull bull

bullbullbullbull

bull bull

-tiTbull

~

-

~ --shy-

--

1 I

J

~ bull bull

72

ten beachtlich der Durchfuumlhrung wird viel Raum gegeben Die Violinstimme ist sparsam ausgesetzt nur verhaumlltnismaumlszligig selten wird ihr thematisches Material uumlbertragen Dennoch bildet sie zusammen nlit dem Klavierpart eine untrennbare klangliche Einshyheit Insgesamt zeichnen sich die drei Sonaten durch einfallsreiche thematische Erfindung aus Besonders zu bezaubern vermag die Sonate in fis-Moll (Op II)

Nbsp 7 Quartett F-Dur 1 Satz Hauptthema

r r r - - r - rr rrrf Dass sich Titz die klassische Schreibweise zu eigen gemacht hat

belegen auch die drei Alexander 1 gewidnleten Streichquartette von 18011802 Am konsequentesten haumllt sich der Komponist an das Schema der Sonatensatzform im Allegro di molto agitato des 3 Quartetts (a-Moll) In der Exposition bringt er das Haupt- und in der parallelen Dur-Tonart das Seitenthema (siehe Nbsp 5) und laumlsst dann eine Durchfuumlhrung und Reprise mit Coda folgen In

73

Nbsp 8 Quartett F-Dur 1 Satz Seitenthema

Ir

I bull bull

lIiiiiiiii

ol LI r4tJ - ~l ~J t J j 11 bull q- tr bullbull bull r I~ t I It-I- It bull It It IJ S

I-

~ - - -shy I I shy - IJ1p - --1J - h~~ Ir I

41-

J J- I wr -

- bull rTJ

f) ~ ~ ~ -iJ--1-- -~t J

~

bullt-1

74

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 19: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

23 Konzert

231 Concert fuumlr Violine principale 2 Violinen 2 Corni Oboi et Basso in Es-Dur Das Konzert besteht aus den Saumltzen Allegro - Cantabile - Rondo Fundort Wien Gesellschaft der Musikfreunde

24 Symphonie

241 Dreisaumltziges Werk fuumlr 2 Violinen Viola Kontrabass 2 Oboen 2 Waldhoumlrner und Pauken (Im Andantino werden die Oboen durch eine Floumlte ersetzt) Die Symphonie besteht aus den Saumltzen Allegro di molto Andantino und Prestissinlo Die handschriftlichen Orchesterstimmen befinden sich in der Bishybliothek des Schlosses zu Pavlovsk (s Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 402 Anm 42)

25 Vokalkomposition

251 Arie fuumlr Sopran solo mit Instrumentalbegleitung (EitnerQ 408)

Wenn wir auch bis zum gegenwaumlrtigen Zeitpunkt nicht alle von Titz geschaffenen Kompositionen kennen so erlauben es doch die der Forschung zugaumlnglichen Werke durchaus sich zumindest von Titz als Komponisten von instrumentaler Kammermusik ein Bild zu machen Zwar hat er auch eine ganze Reihe von Liedern (Roshymanzen) fuumlr Gesang und Klavier geschrieben doch muumlssen dieshyse Kompositionen wahrscheinlich als verschollen angesehen wershyden und entziehen sich daher einer Einschaumltzung Einzig und alshylein das Lied Es klagt die graue Taube (Stonet sizyj golubocek) dessen Autorschaft Findejzen einenl unbekannten Komponisten Keldys 44 aber Titzzuschreiben zu koumlnnen glaubt scheint der

44 VgI N Findejzen Ocerki po istorii muzyki v Rossii Bd 2 Moskau-Leshyningrad 1929 S 301 das Nbsp dazu befindet sich auf S CXXXVII - Ju V Keldys Russkaja muzyka XVIII veka Moskau 1965 S 220 Anm 59

60

r

auf uns gekommene Rest von Titz Vokalschaffen zu sein Dabei erfreuten sich Titz Lieder und insbesondere Es klagt die graue Taube zu ihrer Zeit groumlszligter Beliebtheit und letzteres wurde noch in den 1830er Jahren viel gesungen

Auch uumlber Titz als Symphoniker lassen sich zur Zeit keine Ausshysagen machen weil diesbezuumlgliche Werke in Deutschland nicht verfuumlgbar sind 45

Der folgende Versuch einer Stilanalyse bezieht sich infolgedesshysen vorwiegend auf die Sonaten fuumlr Klavier und obligate Violine op I 11 und III sowie die der Forschung zugaumlnglichen Streichshyquartette Es zeigt sich dass Titz in dem Zeitraum zwischen etwa 1781 und 1802 den Weg von der Fruumlhklassik zur Klassik durchlaushyfen hat Seine fruumlhen 1781 in Wien bei Artaria veroumlffentlichten Six Quatuors weisen in den ersten Saumltzen noch eine mehr oder minder willkuumlrliche Reihung des thematischen Materials auf N r 1 3 und 5 bestehen nur aus zwei Saumltzen jeweils aus einem Allegro und einem Rondo die drei uumlbrigen Werke zeigen dagegen schon die spaumltere klassische Viersaumltzigkeit mit zwei schnellen Ecksaumltzen einem Menuett mit Trio und einem nach dem Menuett folgenden langsamen Satz Eine Sonatensatzform ist jedoch nicht zu erkenshynen Den Quartetten N r 4 und 6 stellte Titz ein einleitendes Adagio voran im Streichquartett Nr 2 (A-Dur) waumlhlte er als ershysten Satz ein Thema mit Variationen Fuumlr die Vermutung dass Titz diese Quartette erst in Russland geschrieben hat spricht dass er sich auf dem Titelblatt als M usicien de la Chambre de Sa Maj Imp de toutes les Russies bezeichnet und die Kompositioshynen dem Fuumlrsten Galitzin (Golicyn) Ministre Plenipotentiaire de S M 1 de toutes les Russies pres la Cour Imp et Roy gewidshymet hat 46 (Siehe Abbildung 1) In Wien wurden sie gedruckt weil es in Russland zu dieser Zeit einen 1vlusikverlag mit einer funktionierenden Notendruckerei noch nicht gab Bei den sechs von Artaria 1781 herausgebrachten Streichquartetten haben wir es daher mit den ersten in Russland komponierten Werken dieser Gattung zu tun Titz kann infolgedessen mit Recht als der Beshygruumlnder des Streichquartetts in Russland angesehen werden Dass

45Wie unter Die Werke angegeben ist Titz einzige symphonische Komposhysition eine dreisaumltzige Symphonie Manuskript geblieben Dieses Werk hershyauszugeben waumlre eine verdienstvolle Aufgabe fuumlr die russischen Kollegen

46Naumlhere Angaben zu Golicyn waren nicht zu ermitteln

61

Nbsp 1 Op I die zwei Themen des Allegro agitato

Allegro agitato

r I

~ J I

tJ - ~ bull ~ I I

~

l ~

tgt

-

bull ~

bull bull

r

_I ~ 1 bull

_ _I --~ t

-

--

-

~ ~

TI I

I

11

( 4 I

~

(

I Thema I ~

e)

~ I bull

e

bull

~ shy

-J tJ

-T bull

L

1 I i

tJ I

~

h1 I

11

1

4

62

bullbull

Fortsetzung Nbsp 1

2 Thema 1 J I bullbull - - bull

1 J bull 1 I

t I I J - lfIt bullbullt ~I --shy~

~ -4 i

Jr 1 bull ~

1 t l

~ ~j j ttt

- - tmiddot --m shy I l

- I tJ - J I

Ij T

J rt t t t t t ~~ t 1 I~i bull I

- shyI bullftmiddot

63

dann die drei zwischen 1801 und 1802 in Petersburg bei Dittmar gedruckten Alexander I gewidmeten Quartette auch von Simshyrock in Bonn und Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig herausgebracht wurden zeugt von der offenbar groszligen Beliebtheit dieser Komshypositionen zu ihrer Zeit

In den drei Sonaten fuumlr Clavecin oder Pianoforte und obligate Violine op I II und III die bei J D Gerstenberg amp Comp in St ~~tersburg vermutlich 1795 gedruckt wurden vollzieht Titz den Ubergang zum klassischen Stil 47 Op I (f-Moll) besteht nur aus zwei Saumltzen einem con sordino vorzutragenden Adagio und einem Allegro agitato In der formalen Gestaltung verfaumlhrt Titz im Allegro ziemlich eigenwillig Er bringt ein zweites Thema erst im zweiten Teil des Allegro-Satzes und baut es gewissermaszligen in die Durchfuumlhrung ein Zwar kontrastiert es mit dem Hauptthema steht aber - was ungewoumlhnlich ist - in g-Moll (siehe Nbsp 1) Diese formale Anordnung fUumllhrt jedoch in gewisser Weise schon

47 Die drei Sonaten op I II und III blieben von russischen und sowjetischen Musikforschern bisher voumlllig unbeachtet Neben den schon erwaumlhnten Aushytoren sind hier noch zu nennen L Raaben (Instrumentalnyj ansambl v russkoj muzyke Moskau 1961) und L Ginzburg (Istorija violoncelnogo isshykusstva Buch 2 Moskau 1957 S 399) Offenbar waren ihnen diese Komposhysitionen nicht zugaumlnglich denn RISM gibt fuumlr sie einen russischen Standort nicht an Doch ist wohl op II in den letzten Jahren wieder aufgefunden worden Im Katalog der Russischen Nationalbibliothek ist dieser N otenshydruck jedenfalls verzeichnet (vgl Svodnyj katalog rossijskich notnych izshydanij Bd I XVIII vek St Petersburg 1996 S 60 I 206) RISM nennt dagegen als einzige Bibliothek die diese Sonaten heute noch besitzt die Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar der fuumlr die Anfertigung von Kopien an dieser Stelle herzlich gedankt sei

Das Exemplar des op I traumlgt den handschriftlichen Vermerk Maria Pavshylovna (siehe Abbildung 2) gehoumlrte also wahrscheinlich dieser aus der Zashyren familie stammenden russischen Groszligfuumlrstin die es bei ihrer 1804 erfolgshyten Vermaumlhlung mit dem Groszligfuumlrsten Karl Friedrich von Sachsen-Weimar (1783-1853) vermutlich mit nach Weimar gebracht hat Die allseitig geshybildete Maria Pavlovna (t 1859) spielte Klavier sie stand mit Goethe in staumlndigem geistigem Austausch es ist auch uumlberliefert dass sie sich unter der Anleitung des damaligen russischen Hofkapellmeisters Giuseppe Sarti (1729-1802) mit Komposition beschaumlftigt hat (vgl N von Milde Maria Pawlowna Hamburg 1904 S 88) Dass sie Anton Titz persoumlnlich gekannt hat und ihn zusammen mit seinem Ensemble am Petersburger Hof musishyzieren houmlrte ist sehr wahrscheinlich

64

Abb 1 Titelblatt der Six Quattuors Wien 1781 (Artaria)

65

S 0 N A T E~ pour le

CLAYECIN ou PIANOFORTE

et

VIOLON OBLIGE

conposee

par

Mf TITZ

Opl

A St Petersbour8

ehc Gcutenberg et Camp

Prix IR

Abb 2 Titelblatt von op I mit den Schriftzuumlgen von Maria Pavlovna Groszligherzogin von Sachsen-Weimar

66

zur Sonatensatzform hin die der Komponist dann in den Sonaten op II und III in voller Auspraumlgung anwendet

Nbsp 2 Op III Adagio

Adagio _A ~ bull

I

JI I

I

iM eJ tJ f I

11 - -- ~ - I

p ~ ~ ~ ---

y

f ~

f 1 I ti I~~ I -bullbull bull

I )

r r 6

bull -pshy pt If

bullbull 11 bull bull ~

I r-Bei op 11 (fis-Moll) haben wir es mit einer dreisaumltzigen und bei op III (c-Moll) sogar mit einer viersaumltzigen Sonate zu tun Zwishyschen die bei den schnellen Ecksaumltze schiebt sich in op 11 eine im Volkston gehaltene Romance siciliano (A-Dur) in der Titz seine lyrische Veranlagung auslebt In den Ecksaumltzen des op III (cshyMoll) kommen dagegen pathetische Zuumlge zum Tragen die auch in dem der Sonate vorangestellten einleitenden Adagio anklingen Eine zarte Lyrik kennzeichnet dagegen den langsamen Satz ein

67

Nbsp 3 Op II 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro con espressione A

I

t

~ --- ---shy ----shy -shy1 j - ~ ~ ~ bull

- bull r - 11 i 1 shy bull lI__ bull

J 11 I

t) - r

1 I ~ rrI bull 1_ 1__ rtI eJ ~ - 1 1middot

bull d 11shy llI

~ 14 Ci bull

~ f Seitenthema

~

f

) t

4J -shy - ~ -J

A~lmiddot i_I I

-J I I bull I

A f

~ fI i bull f7 bull shy j i

eJ vshy - ~ ~ - bull t I I )r L

J 1 I I 11 L 11 i

t) bull -

68

1

~bull

Nbsp 4 Op III 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro agitato ~ I bull r Umiddot ~ F

bullbull f~ ~ I I - - ~

bull-~ - ~

bull I tI I t

~ jj jjl ~H 6 bull

I IIJshy -shy I --

4) P ttUCo fJ I I )_r ----

~ -- - crvc J1 P

( ~ ~- 1t_~ - ~

I

VIIoi ~

dolc I a -- r ~

dok ~

I

( ~

- r I I bull ~

11

V8=

~ I ~ -Je - _- _I

1I - I I I l J

~ r I I V ~ - - l0t ~ ~ (

69

Nbsp 5 Quartett a-Moll Haupt- und Seitenthema

Allegro di molto agitato - t1I ft

lt shy ~

-~ -

~

ttJ f j J ~ 4 J ~ bull

I - I - r ~fIe

I IJr

I JJ I- bull

- ~ ]11 _t

1- ~~ 1Il 4 ~ ilA JJ r J ~ -shy

bull

4i) I bull 11 ~ bull ~ 1i-Idole ~ ~ -~ -

I -

~~ I I _I f bull eJ 1shy - - - I -

11 J ir (shy 1-( -~

~

I

Adagio in Es-Dur (siehe Nbsp 2) Formal weisen die Ecksaumltze dieser beiden Sonaten die typische Sonatensatzform auf wobei das Seitenthema jeweils in der parallelen Dur-Tonart steht (siehe Nbsp 3 und 4) Der Satzumfang ist mit jeweils ca 250 Takshy

70

Nbsp 6 Quartett G-Dur 1 Satz

Allegro ~

r I

1 bull 1 bull bullbull I TT

-UI II I I --- - bull

f ~~ ~

h hbull J -1 ~

bull

bull bull bull 1 iilbull bull bull bullbullbullbull bull bullbullbullbull

f - -bull

bull iii - - ---ifiJ bull 1fI bull bull

~~~ -

--~

middot bull

r shy

bull

Ir ~ bull

J~ n--

r

0___- V ______

1amp

~

-

JJlJ J~

I

I bull bull ~

bull

lJ~~r-J

--

1 ~ t bull r t

T -- -

SilJ -- -

71

Fortsetzung Nbsp 6

A

_t

-su - shy

eJ bull IJgt- f~ 11- I

-

t t 1 1

- t I - _

T

bull

~v v 17

-PO bull

bull I

11 bull Ir ~

---shy J ~

bull bull bullL---shyWW~

bull bull ltr~ ~ bullbull ~ ~

t l1li bull a

bullbullbullbull

) bull bull-

-

~ I

~

-

-po

I 1 bull

bull I bull bull

bullbullbullbull

bull bull

-tiTbull

~

-

~ --shy-

--

1 I

J

~ bull bull

72

ten beachtlich der Durchfuumlhrung wird viel Raum gegeben Die Violinstimme ist sparsam ausgesetzt nur verhaumlltnismaumlszligig selten wird ihr thematisches Material uumlbertragen Dennoch bildet sie zusammen nlit dem Klavierpart eine untrennbare klangliche Einshyheit Insgesamt zeichnen sich die drei Sonaten durch einfallsreiche thematische Erfindung aus Besonders zu bezaubern vermag die Sonate in fis-Moll (Op II)

Nbsp 7 Quartett F-Dur 1 Satz Hauptthema

r r r - - r - rr rrrf Dass sich Titz die klassische Schreibweise zu eigen gemacht hat

belegen auch die drei Alexander 1 gewidnleten Streichquartette von 18011802 Am konsequentesten haumllt sich der Komponist an das Schema der Sonatensatzform im Allegro di molto agitato des 3 Quartetts (a-Moll) In der Exposition bringt er das Haupt- und in der parallelen Dur-Tonart das Seitenthema (siehe Nbsp 5) und laumlsst dann eine Durchfuumlhrung und Reprise mit Coda folgen In

73

Nbsp 8 Quartett F-Dur 1 Satz Seitenthema

Ir

I bull bull

lIiiiiiiii

ol LI r4tJ - ~l ~J t J j 11 bull q- tr bullbull bull r I~ t I It-I- It bull It It IJ S

I-

~ - - -shy I I shy - IJ1p - --1J - h~~ Ir I

41-

J J- I wr -

- bull rTJ

f) ~ ~ ~ -iJ--1-- -~t J

~

bullt-1

74

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 20: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

r

auf uns gekommene Rest von Titz Vokalschaffen zu sein Dabei erfreuten sich Titz Lieder und insbesondere Es klagt die graue Taube zu ihrer Zeit groumlszligter Beliebtheit und letzteres wurde noch in den 1830er Jahren viel gesungen

Auch uumlber Titz als Symphoniker lassen sich zur Zeit keine Ausshysagen machen weil diesbezuumlgliche Werke in Deutschland nicht verfuumlgbar sind 45

Der folgende Versuch einer Stilanalyse bezieht sich infolgedesshysen vorwiegend auf die Sonaten fuumlr Klavier und obligate Violine op I 11 und III sowie die der Forschung zugaumlnglichen Streichshyquartette Es zeigt sich dass Titz in dem Zeitraum zwischen etwa 1781 und 1802 den Weg von der Fruumlhklassik zur Klassik durchlaushyfen hat Seine fruumlhen 1781 in Wien bei Artaria veroumlffentlichten Six Quatuors weisen in den ersten Saumltzen noch eine mehr oder minder willkuumlrliche Reihung des thematischen Materials auf N r 1 3 und 5 bestehen nur aus zwei Saumltzen jeweils aus einem Allegro und einem Rondo die drei uumlbrigen Werke zeigen dagegen schon die spaumltere klassische Viersaumltzigkeit mit zwei schnellen Ecksaumltzen einem Menuett mit Trio und einem nach dem Menuett folgenden langsamen Satz Eine Sonatensatzform ist jedoch nicht zu erkenshynen Den Quartetten N r 4 und 6 stellte Titz ein einleitendes Adagio voran im Streichquartett Nr 2 (A-Dur) waumlhlte er als ershysten Satz ein Thema mit Variationen Fuumlr die Vermutung dass Titz diese Quartette erst in Russland geschrieben hat spricht dass er sich auf dem Titelblatt als M usicien de la Chambre de Sa Maj Imp de toutes les Russies bezeichnet und die Kompositioshynen dem Fuumlrsten Galitzin (Golicyn) Ministre Plenipotentiaire de S M 1 de toutes les Russies pres la Cour Imp et Roy gewidshymet hat 46 (Siehe Abbildung 1) In Wien wurden sie gedruckt weil es in Russland zu dieser Zeit einen 1vlusikverlag mit einer funktionierenden Notendruckerei noch nicht gab Bei den sechs von Artaria 1781 herausgebrachten Streichquartetten haben wir es daher mit den ersten in Russland komponierten Werken dieser Gattung zu tun Titz kann infolgedessen mit Recht als der Beshygruumlnder des Streichquartetts in Russland angesehen werden Dass

45Wie unter Die Werke angegeben ist Titz einzige symphonische Komposhysition eine dreisaumltzige Symphonie Manuskript geblieben Dieses Werk hershyauszugeben waumlre eine verdienstvolle Aufgabe fuumlr die russischen Kollegen

46Naumlhere Angaben zu Golicyn waren nicht zu ermitteln

61

Nbsp 1 Op I die zwei Themen des Allegro agitato

Allegro agitato

r I

~ J I

tJ - ~ bull ~ I I

~

l ~

tgt

-

bull ~

bull bull

r

_I ~ 1 bull

_ _I --~ t

-

--

-

~ ~

TI I

I

11

( 4 I

~

(

I Thema I ~

e)

~ I bull

e

bull

~ shy

-J tJ

-T bull

L

1 I i

tJ I

~

h1 I

11

1

4

62

bullbull

Fortsetzung Nbsp 1

2 Thema 1 J I bullbull - - bull

1 J bull 1 I

t I I J - lfIt bullbullt ~I --shy~

~ -4 i

Jr 1 bull ~

1 t l

~ ~j j ttt

- - tmiddot --m shy I l

- I tJ - J I

Ij T

J rt t t t t t ~~ t 1 I~i bull I

- shyI bullftmiddot

63

dann die drei zwischen 1801 und 1802 in Petersburg bei Dittmar gedruckten Alexander I gewidmeten Quartette auch von Simshyrock in Bonn und Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig herausgebracht wurden zeugt von der offenbar groszligen Beliebtheit dieser Komshypositionen zu ihrer Zeit

In den drei Sonaten fuumlr Clavecin oder Pianoforte und obligate Violine op I II und III die bei J D Gerstenberg amp Comp in St ~~tersburg vermutlich 1795 gedruckt wurden vollzieht Titz den Ubergang zum klassischen Stil 47 Op I (f-Moll) besteht nur aus zwei Saumltzen einem con sordino vorzutragenden Adagio und einem Allegro agitato In der formalen Gestaltung verfaumlhrt Titz im Allegro ziemlich eigenwillig Er bringt ein zweites Thema erst im zweiten Teil des Allegro-Satzes und baut es gewissermaszligen in die Durchfuumlhrung ein Zwar kontrastiert es mit dem Hauptthema steht aber - was ungewoumlhnlich ist - in g-Moll (siehe Nbsp 1) Diese formale Anordnung fUumllhrt jedoch in gewisser Weise schon

47 Die drei Sonaten op I II und III blieben von russischen und sowjetischen Musikforschern bisher voumlllig unbeachtet Neben den schon erwaumlhnten Aushytoren sind hier noch zu nennen L Raaben (Instrumentalnyj ansambl v russkoj muzyke Moskau 1961) und L Ginzburg (Istorija violoncelnogo isshykusstva Buch 2 Moskau 1957 S 399) Offenbar waren ihnen diese Komposhysitionen nicht zugaumlnglich denn RISM gibt fuumlr sie einen russischen Standort nicht an Doch ist wohl op II in den letzten Jahren wieder aufgefunden worden Im Katalog der Russischen Nationalbibliothek ist dieser N otenshydruck jedenfalls verzeichnet (vgl Svodnyj katalog rossijskich notnych izshydanij Bd I XVIII vek St Petersburg 1996 S 60 I 206) RISM nennt dagegen als einzige Bibliothek die diese Sonaten heute noch besitzt die Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar der fuumlr die Anfertigung von Kopien an dieser Stelle herzlich gedankt sei

Das Exemplar des op I traumlgt den handschriftlichen Vermerk Maria Pavshylovna (siehe Abbildung 2) gehoumlrte also wahrscheinlich dieser aus der Zashyren familie stammenden russischen Groszligfuumlrstin die es bei ihrer 1804 erfolgshyten Vermaumlhlung mit dem Groszligfuumlrsten Karl Friedrich von Sachsen-Weimar (1783-1853) vermutlich mit nach Weimar gebracht hat Die allseitig geshybildete Maria Pavlovna (t 1859) spielte Klavier sie stand mit Goethe in staumlndigem geistigem Austausch es ist auch uumlberliefert dass sie sich unter der Anleitung des damaligen russischen Hofkapellmeisters Giuseppe Sarti (1729-1802) mit Komposition beschaumlftigt hat (vgl N von Milde Maria Pawlowna Hamburg 1904 S 88) Dass sie Anton Titz persoumlnlich gekannt hat und ihn zusammen mit seinem Ensemble am Petersburger Hof musishyzieren houmlrte ist sehr wahrscheinlich

64

Abb 1 Titelblatt der Six Quattuors Wien 1781 (Artaria)

65

S 0 N A T E~ pour le

CLAYECIN ou PIANOFORTE

et

VIOLON OBLIGE

conposee

par

Mf TITZ

Opl

A St Petersbour8

ehc Gcutenberg et Camp

Prix IR

Abb 2 Titelblatt von op I mit den Schriftzuumlgen von Maria Pavlovna Groszligherzogin von Sachsen-Weimar

66

zur Sonatensatzform hin die der Komponist dann in den Sonaten op II und III in voller Auspraumlgung anwendet

Nbsp 2 Op III Adagio

Adagio _A ~ bull

I

JI I

I

iM eJ tJ f I

11 - -- ~ - I

p ~ ~ ~ ---

y

f ~

f 1 I ti I~~ I -bullbull bull

I )

r r 6

bull -pshy pt If

bullbull 11 bull bull ~

I r-Bei op 11 (fis-Moll) haben wir es mit einer dreisaumltzigen und bei op III (c-Moll) sogar mit einer viersaumltzigen Sonate zu tun Zwishyschen die bei den schnellen Ecksaumltze schiebt sich in op 11 eine im Volkston gehaltene Romance siciliano (A-Dur) in der Titz seine lyrische Veranlagung auslebt In den Ecksaumltzen des op III (cshyMoll) kommen dagegen pathetische Zuumlge zum Tragen die auch in dem der Sonate vorangestellten einleitenden Adagio anklingen Eine zarte Lyrik kennzeichnet dagegen den langsamen Satz ein

67

Nbsp 3 Op II 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro con espressione A

I

t

~ --- ---shy ----shy -shy1 j - ~ ~ ~ bull

- bull r - 11 i 1 shy bull lI__ bull

J 11 I

t) - r

1 I ~ rrI bull 1_ 1__ rtI eJ ~ - 1 1middot

bull d 11shy llI

~ 14 Ci bull

~ f Seitenthema

~

f

) t

4J -shy - ~ -J

A~lmiddot i_I I

-J I I bull I

A f

~ fI i bull f7 bull shy j i

eJ vshy - ~ ~ - bull t I I )r L

J 1 I I 11 L 11 i

t) bull -

68

1

~bull

Nbsp 4 Op III 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro agitato ~ I bull r Umiddot ~ F

bullbull f~ ~ I I - - ~

bull-~ - ~

bull I tI I t

~ jj jjl ~H 6 bull

I IIJshy -shy I --

4) P ttUCo fJ I I )_r ----

~ -- - crvc J1 P

( ~ ~- 1t_~ - ~

I

VIIoi ~

dolc I a -- r ~

dok ~

I

( ~

- r I I bull ~

11

V8=

~ I ~ -Je - _- _I

1I - I I I l J

~ r I I V ~ - - l0t ~ ~ (

69

Nbsp 5 Quartett a-Moll Haupt- und Seitenthema

Allegro di molto agitato - t1I ft

lt shy ~

-~ -

~

ttJ f j J ~ 4 J ~ bull

I - I - r ~fIe

I IJr

I JJ I- bull

- ~ ]11 _t

1- ~~ 1Il 4 ~ ilA JJ r J ~ -shy

bull

4i) I bull 11 ~ bull ~ 1i-Idole ~ ~ -~ -

I -

~~ I I _I f bull eJ 1shy - - - I -

11 J ir (shy 1-( -~

~

I

Adagio in Es-Dur (siehe Nbsp 2) Formal weisen die Ecksaumltze dieser beiden Sonaten die typische Sonatensatzform auf wobei das Seitenthema jeweils in der parallelen Dur-Tonart steht (siehe Nbsp 3 und 4) Der Satzumfang ist mit jeweils ca 250 Takshy

70

Nbsp 6 Quartett G-Dur 1 Satz

Allegro ~

r I

1 bull 1 bull bullbull I TT

-UI II I I --- - bull

f ~~ ~

h hbull J -1 ~

bull

bull bull bull 1 iilbull bull bull bullbullbullbull bull bullbullbullbull

f - -bull

bull iii - - ---ifiJ bull 1fI bull bull

~~~ -

--~

middot bull

r shy

bull

Ir ~ bull

J~ n--

r

0___- V ______

1amp

~

-

JJlJ J~

I

I bull bull ~

bull

lJ~~r-J

--

1 ~ t bull r t

T -- -

SilJ -- -

71

Fortsetzung Nbsp 6

A

_t

-su - shy

eJ bull IJgt- f~ 11- I

-

t t 1 1

- t I - _

T

bull

~v v 17

-PO bull

bull I

11 bull Ir ~

---shy J ~

bull bull bullL---shyWW~

bull bull ltr~ ~ bullbull ~ ~

t l1li bull a

bullbullbullbull

) bull bull-

-

~ I

~

-

-po

I 1 bull

bull I bull bull

bullbullbullbull

bull bull

-tiTbull

~

-

~ --shy-

--

1 I

J

~ bull bull

72

ten beachtlich der Durchfuumlhrung wird viel Raum gegeben Die Violinstimme ist sparsam ausgesetzt nur verhaumlltnismaumlszligig selten wird ihr thematisches Material uumlbertragen Dennoch bildet sie zusammen nlit dem Klavierpart eine untrennbare klangliche Einshyheit Insgesamt zeichnen sich die drei Sonaten durch einfallsreiche thematische Erfindung aus Besonders zu bezaubern vermag die Sonate in fis-Moll (Op II)

Nbsp 7 Quartett F-Dur 1 Satz Hauptthema

r r r - - r - rr rrrf Dass sich Titz die klassische Schreibweise zu eigen gemacht hat

belegen auch die drei Alexander 1 gewidnleten Streichquartette von 18011802 Am konsequentesten haumllt sich der Komponist an das Schema der Sonatensatzform im Allegro di molto agitato des 3 Quartetts (a-Moll) In der Exposition bringt er das Haupt- und in der parallelen Dur-Tonart das Seitenthema (siehe Nbsp 5) und laumlsst dann eine Durchfuumlhrung und Reprise mit Coda folgen In

73

Nbsp 8 Quartett F-Dur 1 Satz Seitenthema

Ir

I bull bull

lIiiiiiiii

ol LI r4tJ - ~l ~J t J j 11 bull q- tr bullbull bull r I~ t I It-I- It bull It It IJ S

I-

~ - - -shy I I shy - IJ1p - --1J - h~~ Ir I

41-

J J- I wr -

- bull rTJ

f) ~ ~ ~ -iJ--1-- -~t J

~

bullt-1

74

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 21: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

Nbsp 1 Op I die zwei Themen des Allegro agitato

Allegro agitato

r I

~ J I

tJ - ~ bull ~ I I

~

l ~

tgt

-

bull ~

bull bull

r

_I ~ 1 bull

_ _I --~ t

-

--

-

~ ~

TI I

I

11

( 4 I

~

(

I Thema I ~

e)

~ I bull

e

bull

~ shy

-J tJ

-T bull

L

1 I i

tJ I

~

h1 I

11

1

4

62

bullbull

Fortsetzung Nbsp 1

2 Thema 1 J I bullbull - - bull

1 J bull 1 I

t I I J - lfIt bullbullt ~I --shy~

~ -4 i

Jr 1 bull ~

1 t l

~ ~j j ttt

- - tmiddot --m shy I l

- I tJ - J I

Ij T

J rt t t t t t ~~ t 1 I~i bull I

- shyI bullftmiddot

63

dann die drei zwischen 1801 und 1802 in Petersburg bei Dittmar gedruckten Alexander I gewidmeten Quartette auch von Simshyrock in Bonn und Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig herausgebracht wurden zeugt von der offenbar groszligen Beliebtheit dieser Komshypositionen zu ihrer Zeit

In den drei Sonaten fuumlr Clavecin oder Pianoforte und obligate Violine op I II und III die bei J D Gerstenberg amp Comp in St ~~tersburg vermutlich 1795 gedruckt wurden vollzieht Titz den Ubergang zum klassischen Stil 47 Op I (f-Moll) besteht nur aus zwei Saumltzen einem con sordino vorzutragenden Adagio und einem Allegro agitato In der formalen Gestaltung verfaumlhrt Titz im Allegro ziemlich eigenwillig Er bringt ein zweites Thema erst im zweiten Teil des Allegro-Satzes und baut es gewissermaszligen in die Durchfuumlhrung ein Zwar kontrastiert es mit dem Hauptthema steht aber - was ungewoumlhnlich ist - in g-Moll (siehe Nbsp 1) Diese formale Anordnung fUumllhrt jedoch in gewisser Weise schon

47 Die drei Sonaten op I II und III blieben von russischen und sowjetischen Musikforschern bisher voumlllig unbeachtet Neben den schon erwaumlhnten Aushytoren sind hier noch zu nennen L Raaben (Instrumentalnyj ansambl v russkoj muzyke Moskau 1961) und L Ginzburg (Istorija violoncelnogo isshykusstva Buch 2 Moskau 1957 S 399) Offenbar waren ihnen diese Komposhysitionen nicht zugaumlnglich denn RISM gibt fuumlr sie einen russischen Standort nicht an Doch ist wohl op II in den letzten Jahren wieder aufgefunden worden Im Katalog der Russischen Nationalbibliothek ist dieser N otenshydruck jedenfalls verzeichnet (vgl Svodnyj katalog rossijskich notnych izshydanij Bd I XVIII vek St Petersburg 1996 S 60 I 206) RISM nennt dagegen als einzige Bibliothek die diese Sonaten heute noch besitzt die Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar der fuumlr die Anfertigung von Kopien an dieser Stelle herzlich gedankt sei

Das Exemplar des op I traumlgt den handschriftlichen Vermerk Maria Pavshylovna (siehe Abbildung 2) gehoumlrte also wahrscheinlich dieser aus der Zashyren familie stammenden russischen Groszligfuumlrstin die es bei ihrer 1804 erfolgshyten Vermaumlhlung mit dem Groszligfuumlrsten Karl Friedrich von Sachsen-Weimar (1783-1853) vermutlich mit nach Weimar gebracht hat Die allseitig geshybildete Maria Pavlovna (t 1859) spielte Klavier sie stand mit Goethe in staumlndigem geistigem Austausch es ist auch uumlberliefert dass sie sich unter der Anleitung des damaligen russischen Hofkapellmeisters Giuseppe Sarti (1729-1802) mit Komposition beschaumlftigt hat (vgl N von Milde Maria Pawlowna Hamburg 1904 S 88) Dass sie Anton Titz persoumlnlich gekannt hat und ihn zusammen mit seinem Ensemble am Petersburger Hof musishyzieren houmlrte ist sehr wahrscheinlich

64

Abb 1 Titelblatt der Six Quattuors Wien 1781 (Artaria)

65

S 0 N A T E~ pour le

CLAYECIN ou PIANOFORTE

et

VIOLON OBLIGE

conposee

par

Mf TITZ

Opl

A St Petersbour8

ehc Gcutenberg et Camp

Prix IR

Abb 2 Titelblatt von op I mit den Schriftzuumlgen von Maria Pavlovna Groszligherzogin von Sachsen-Weimar

66

zur Sonatensatzform hin die der Komponist dann in den Sonaten op II und III in voller Auspraumlgung anwendet

Nbsp 2 Op III Adagio

Adagio _A ~ bull

I

JI I

I

iM eJ tJ f I

11 - -- ~ - I

p ~ ~ ~ ---

y

f ~

f 1 I ti I~~ I -bullbull bull

I )

r r 6

bull -pshy pt If

bullbull 11 bull bull ~

I r-Bei op 11 (fis-Moll) haben wir es mit einer dreisaumltzigen und bei op III (c-Moll) sogar mit einer viersaumltzigen Sonate zu tun Zwishyschen die bei den schnellen Ecksaumltze schiebt sich in op 11 eine im Volkston gehaltene Romance siciliano (A-Dur) in der Titz seine lyrische Veranlagung auslebt In den Ecksaumltzen des op III (cshyMoll) kommen dagegen pathetische Zuumlge zum Tragen die auch in dem der Sonate vorangestellten einleitenden Adagio anklingen Eine zarte Lyrik kennzeichnet dagegen den langsamen Satz ein

67

Nbsp 3 Op II 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro con espressione A

I

t

~ --- ---shy ----shy -shy1 j - ~ ~ ~ bull

- bull r - 11 i 1 shy bull lI__ bull

J 11 I

t) - r

1 I ~ rrI bull 1_ 1__ rtI eJ ~ - 1 1middot

bull d 11shy llI

~ 14 Ci bull

~ f Seitenthema

~

f

) t

4J -shy - ~ -J

A~lmiddot i_I I

-J I I bull I

A f

~ fI i bull f7 bull shy j i

eJ vshy - ~ ~ - bull t I I )r L

J 1 I I 11 L 11 i

t) bull -

68

1

~bull

Nbsp 4 Op III 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro agitato ~ I bull r Umiddot ~ F

bullbull f~ ~ I I - - ~

bull-~ - ~

bull I tI I t

~ jj jjl ~H 6 bull

I IIJshy -shy I --

4) P ttUCo fJ I I )_r ----

~ -- - crvc J1 P

( ~ ~- 1t_~ - ~

I

VIIoi ~

dolc I a -- r ~

dok ~

I

( ~

- r I I bull ~

11

V8=

~ I ~ -Je - _- _I

1I - I I I l J

~ r I I V ~ - - l0t ~ ~ (

69

Nbsp 5 Quartett a-Moll Haupt- und Seitenthema

Allegro di molto agitato - t1I ft

lt shy ~

-~ -

~

ttJ f j J ~ 4 J ~ bull

I - I - r ~fIe

I IJr

I JJ I- bull

- ~ ]11 _t

1- ~~ 1Il 4 ~ ilA JJ r J ~ -shy

bull

4i) I bull 11 ~ bull ~ 1i-Idole ~ ~ -~ -

I -

~~ I I _I f bull eJ 1shy - - - I -

11 J ir (shy 1-( -~

~

I

Adagio in Es-Dur (siehe Nbsp 2) Formal weisen die Ecksaumltze dieser beiden Sonaten die typische Sonatensatzform auf wobei das Seitenthema jeweils in der parallelen Dur-Tonart steht (siehe Nbsp 3 und 4) Der Satzumfang ist mit jeweils ca 250 Takshy

70

Nbsp 6 Quartett G-Dur 1 Satz

Allegro ~

r I

1 bull 1 bull bullbull I TT

-UI II I I --- - bull

f ~~ ~

h hbull J -1 ~

bull

bull bull bull 1 iilbull bull bull bullbullbullbull bull bullbullbullbull

f - -bull

bull iii - - ---ifiJ bull 1fI bull bull

~~~ -

--~

middot bull

r shy

bull

Ir ~ bull

J~ n--

r

0___- V ______

1amp

~

-

JJlJ J~

I

I bull bull ~

bull

lJ~~r-J

--

1 ~ t bull r t

T -- -

SilJ -- -

71

Fortsetzung Nbsp 6

A

_t

-su - shy

eJ bull IJgt- f~ 11- I

-

t t 1 1

- t I - _

T

bull

~v v 17

-PO bull

bull I

11 bull Ir ~

---shy J ~

bull bull bullL---shyWW~

bull bull ltr~ ~ bullbull ~ ~

t l1li bull a

bullbullbullbull

) bull bull-

-

~ I

~

-

-po

I 1 bull

bull I bull bull

bullbullbullbull

bull bull

-tiTbull

~

-

~ --shy-

--

1 I

J

~ bull bull

72

ten beachtlich der Durchfuumlhrung wird viel Raum gegeben Die Violinstimme ist sparsam ausgesetzt nur verhaumlltnismaumlszligig selten wird ihr thematisches Material uumlbertragen Dennoch bildet sie zusammen nlit dem Klavierpart eine untrennbare klangliche Einshyheit Insgesamt zeichnen sich die drei Sonaten durch einfallsreiche thematische Erfindung aus Besonders zu bezaubern vermag die Sonate in fis-Moll (Op II)

Nbsp 7 Quartett F-Dur 1 Satz Hauptthema

r r r - - r - rr rrrf Dass sich Titz die klassische Schreibweise zu eigen gemacht hat

belegen auch die drei Alexander 1 gewidnleten Streichquartette von 18011802 Am konsequentesten haumllt sich der Komponist an das Schema der Sonatensatzform im Allegro di molto agitato des 3 Quartetts (a-Moll) In der Exposition bringt er das Haupt- und in der parallelen Dur-Tonart das Seitenthema (siehe Nbsp 5) und laumlsst dann eine Durchfuumlhrung und Reprise mit Coda folgen In

73

Nbsp 8 Quartett F-Dur 1 Satz Seitenthema

Ir

I bull bull

lIiiiiiiii

ol LI r4tJ - ~l ~J t J j 11 bull q- tr bullbull bull r I~ t I It-I- It bull It It IJ S

I-

~ - - -shy I I shy - IJ1p - --1J - h~~ Ir I

41-

J J- I wr -

- bull rTJ

f) ~ ~ ~ -iJ--1-- -~t J

~

bullt-1

74

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 22: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

bullbull

Fortsetzung Nbsp 1

2 Thema 1 J I bullbull - - bull

1 J bull 1 I

t I I J - lfIt bullbullt ~I --shy~

~ -4 i

Jr 1 bull ~

1 t l

~ ~j j ttt

- - tmiddot --m shy I l

- I tJ - J I

Ij T

J rt t t t t t ~~ t 1 I~i bull I

- shyI bullftmiddot

63

dann die drei zwischen 1801 und 1802 in Petersburg bei Dittmar gedruckten Alexander I gewidmeten Quartette auch von Simshyrock in Bonn und Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig herausgebracht wurden zeugt von der offenbar groszligen Beliebtheit dieser Komshypositionen zu ihrer Zeit

In den drei Sonaten fuumlr Clavecin oder Pianoforte und obligate Violine op I II und III die bei J D Gerstenberg amp Comp in St ~~tersburg vermutlich 1795 gedruckt wurden vollzieht Titz den Ubergang zum klassischen Stil 47 Op I (f-Moll) besteht nur aus zwei Saumltzen einem con sordino vorzutragenden Adagio und einem Allegro agitato In der formalen Gestaltung verfaumlhrt Titz im Allegro ziemlich eigenwillig Er bringt ein zweites Thema erst im zweiten Teil des Allegro-Satzes und baut es gewissermaszligen in die Durchfuumlhrung ein Zwar kontrastiert es mit dem Hauptthema steht aber - was ungewoumlhnlich ist - in g-Moll (siehe Nbsp 1) Diese formale Anordnung fUumllhrt jedoch in gewisser Weise schon

47 Die drei Sonaten op I II und III blieben von russischen und sowjetischen Musikforschern bisher voumlllig unbeachtet Neben den schon erwaumlhnten Aushytoren sind hier noch zu nennen L Raaben (Instrumentalnyj ansambl v russkoj muzyke Moskau 1961) und L Ginzburg (Istorija violoncelnogo isshykusstva Buch 2 Moskau 1957 S 399) Offenbar waren ihnen diese Komposhysitionen nicht zugaumlnglich denn RISM gibt fuumlr sie einen russischen Standort nicht an Doch ist wohl op II in den letzten Jahren wieder aufgefunden worden Im Katalog der Russischen Nationalbibliothek ist dieser N otenshydruck jedenfalls verzeichnet (vgl Svodnyj katalog rossijskich notnych izshydanij Bd I XVIII vek St Petersburg 1996 S 60 I 206) RISM nennt dagegen als einzige Bibliothek die diese Sonaten heute noch besitzt die Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar der fuumlr die Anfertigung von Kopien an dieser Stelle herzlich gedankt sei

Das Exemplar des op I traumlgt den handschriftlichen Vermerk Maria Pavshylovna (siehe Abbildung 2) gehoumlrte also wahrscheinlich dieser aus der Zashyren familie stammenden russischen Groszligfuumlrstin die es bei ihrer 1804 erfolgshyten Vermaumlhlung mit dem Groszligfuumlrsten Karl Friedrich von Sachsen-Weimar (1783-1853) vermutlich mit nach Weimar gebracht hat Die allseitig geshybildete Maria Pavlovna (t 1859) spielte Klavier sie stand mit Goethe in staumlndigem geistigem Austausch es ist auch uumlberliefert dass sie sich unter der Anleitung des damaligen russischen Hofkapellmeisters Giuseppe Sarti (1729-1802) mit Komposition beschaumlftigt hat (vgl N von Milde Maria Pawlowna Hamburg 1904 S 88) Dass sie Anton Titz persoumlnlich gekannt hat und ihn zusammen mit seinem Ensemble am Petersburger Hof musishyzieren houmlrte ist sehr wahrscheinlich

64

Abb 1 Titelblatt der Six Quattuors Wien 1781 (Artaria)

65

S 0 N A T E~ pour le

CLAYECIN ou PIANOFORTE

et

VIOLON OBLIGE

conposee

par

Mf TITZ

Opl

A St Petersbour8

ehc Gcutenberg et Camp

Prix IR

Abb 2 Titelblatt von op I mit den Schriftzuumlgen von Maria Pavlovna Groszligherzogin von Sachsen-Weimar

66

zur Sonatensatzform hin die der Komponist dann in den Sonaten op II und III in voller Auspraumlgung anwendet

Nbsp 2 Op III Adagio

Adagio _A ~ bull

I

JI I

I

iM eJ tJ f I

11 - -- ~ - I

p ~ ~ ~ ---

y

f ~

f 1 I ti I~~ I -bullbull bull

I )

r r 6

bull -pshy pt If

bullbull 11 bull bull ~

I r-Bei op 11 (fis-Moll) haben wir es mit einer dreisaumltzigen und bei op III (c-Moll) sogar mit einer viersaumltzigen Sonate zu tun Zwishyschen die bei den schnellen Ecksaumltze schiebt sich in op 11 eine im Volkston gehaltene Romance siciliano (A-Dur) in der Titz seine lyrische Veranlagung auslebt In den Ecksaumltzen des op III (cshyMoll) kommen dagegen pathetische Zuumlge zum Tragen die auch in dem der Sonate vorangestellten einleitenden Adagio anklingen Eine zarte Lyrik kennzeichnet dagegen den langsamen Satz ein

67

Nbsp 3 Op II 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro con espressione A

I

t

~ --- ---shy ----shy -shy1 j - ~ ~ ~ bull

- bull r - 11 i 1 shy bull lI__ bull

J 11 I

t) - r

1 I ~ rrI bull 1_ 1__ rtI eJ ~ - 1 1middot

bull d 11shy llI

~ 14 Ci bull

~ f Seitenthema

~

f

) t

4J -shy - ~ -J

A~lmiddot i_I I

-J I I bull I

A f

~ fI i bull f7 bull shy j i

eJ vshy - ~ ~ - bull t I I )r L

J 1 I I 11 L 11 i

t) bull -

68

1

~bull

Nbsp 4 Op III 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro agitato ~ I bull r Umiddot ~ F

bullbull f~ ~ I I - - ~

bull-~ - ~

bull I tI I t

~ jj jjl ~H 6 bull

I IIJshy -shy I --

4) P ttUCo fJ I I )_r ----

~ -- - crvc J1 P

( ~ ~- 1t_~ - ~

I

VIIoi ~

dolc I a -- r ~

dok ~

I

( ~

- r I I bull ~

11

V8=

~ I ~ -Je - _- _I

1I - I I I l J

~ r I I V ~ - - l0t ~ ~ (

69

Nbsp 5 Quartett a-Moll Haupt- und Seitenthema

Allegro di molto agitato - t1I ft

lt shy ~

-~ -

~

ttJ f j J ~ 4 J ~ bull

I - I - r ~fIe

I IJr

I JJ I- bull

- ~ ]11 _t

1- ~~ 1Il 4 ~ ilA JJ r J ~ -shy

bull

4i) I bull 11 ~ bull ~ 1i-Idole ~ ~ -~ -

I -

~~ I I _I f bull eJ 1shy - - - I -

11 J ir (shy 1-( -~

~

I

Adagio in Es-Dur (siehe Nbsp 2) Formal weisen die Ecksaumltze dieser beiden Sonaten die typische Sonatensatzform auf wobei das Seitenthema jeweils in der parallelen Dur-Tonart steht (siehe Nbsp 3 und 4) Der Satzumfang ist mit jeweils ca 250 Takshy

70

Nbsp 6 Quartett G-Dur 1 Satz

Allegro ~

r I

1 bull 1 bull bullbull I TT

-UI II I I --- - bull

f ~~ ~

h hbull J -1 ~

bull

bull bull bull 1 iilbull bull bull bullbullbullbull bull bullbullbullbull

f - -bull

bull iii - - ---ifiJ bull 1fI bull bull

~~~ -

--~

middot bull

r shy

bull

Ir ~ bull

J~ n--

r

0___- V ______

1amp

~

-

JJlJ J~

I

I bull bull ~

bull

lJ~~r-J

--

1 ~ t bull r t

T -- -

SilJ -- -

71

Fortsetzung Nbsp 6

A

_t

-su - shy

eJ bull IJgt- f~ 11- I

-

t t 1 1

- t I - _

T

bull

~v v 17

-PO bull

bull I

11 bull Ir ~

---shy J ~

bull bull bullL---shyWW~

bull bull ltr~ ~ bullbull ~ ~

t l1li bull a

bullbullbullbull

) bull bull-

-

~ I

~

-

-po

I 1 bull

bull I bull bull

bullbullbullbull

bull bull

-tiTbull

~

-

~ --shy-

--

1 I

J

~ bull bull

72

ten beachtlich der Durchfuumlhrung wird viel Raum gegeben Die Violinstimme ist sparsam ausgesetzt nur verhaumlltnismaumlszligig selten wird ihr thematisches Material uumlbertragen Dennoch bildet sie zusammen nlit dem Klavierpart eine untrennbare klangliche Einshyheit Insgesamt zeichnen sich die drei Sonaten durch einfallsreiche thematische Erfindung aus Besonders zu bezaubern vermag die Sonate in fis-Moll (Op II)

Nbsp 7 Quartett F-Dur 1 Satz Hauptthema

r r r - - r - rr rrrf Dass sich Titz die klassische Schreibweise zu eigen gemacht hat

belegen auch die drei Alexander 1 gewidnleten Streichquartette von 18011802 Am konsequentesten haumllt sich der Komponist an das Schema der Sonatensatzform im Allegro di molto agitato des 3 Quartetts (a-Moll) In der Exposition bringt er das Haupt- und in der parallelen Dur-Tonart das Seitenthema (siehe Nbsp 5) und laumlsst dann eine Durchfuumlhrung und Reprise mit Coda folgen In

73

Nbsp 8 Quartett F-Dur 1 Satz Seitenthema

Ir

I bull bull

lIiiiiiiii

ol LI r4tJ - ~l ~J t J j 11 bull q- tr bullbull bull r I~ t I It-I- It bull It It IJ S

I-

~ - - -shy I I shy - IJ1p - --1J - h~~ Ir I

41-

J J- I wr -

- bull rTJ

f) ~ ~ ~ -iJ--1-- -~t J

~

bullt-1

74

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 23: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

dann die drei zwischen 1801 und 1802 in Petersburg bei Dittmar gedruckten Alexander I gewidmeten Quartette auch von Simshyrock in Bonn und Breitkopf amp Haumlrtel in Leipzig herausgebracht wurden zeugt von der offenbar groszligen Beliebtheit dieser Komshypositionen zu ihrer Zeit

In den drei Sonaten fuumlr Clavecin oder Pianoforte und obligate Violine op I II und III die bei J D Gerstenberg amp Comp in St ~~tersburg vermutlich 1795 gedruckt wurden vollzieht Titz den Ubergang zum klassischen Stil 47 Op I (f-Moll) besteht nur aus zwei Saumltzen einem con sordino vorzutragenden Adagio und einem Allegro agitato In der formalen Gestaltung verfaumlhrt Titz im Allegro ziemlich eigenwillig Er bringt ein zweites Thema erst im zweiten Teil des Allegro-Satzes und baut es gewissermaszligen in die Durchfuumlhrung ein Zwar kontrastiert es mit dem Hauptthema steht aber - was ungewoumlhnlich ist - in g-Moll (siehe Nbsp 1) Diese formale Anordnung fUumllhrt jedoch in gewisser Weise schon

47 Die drei Sonaten op I II und III blieben von russischen und sowjetischen Musikforschern bisher voumlllig unbeachtet Neben den schon erwaumlhnten Aushytoren sind hier noch zu nennen L Raaben (Instrumentalnyj ansambl v russkoj muzyke Moskau 1961) und L Ginzburg (Istorija violoncelnogo isshykusstva Buch 2 Moskau 1957 S 399) Offenbar waren ihnen diese Komposhysitionen nicht zugaumlnglich denn RISM gibt fuumlr sie einen russischen Standort nicht an Doch ist wohl op II in den letzten Jahren wieder aufgefunden worden Im Katalog der Russischen Nationalbibliothek ist dieser N otenshydruck jedenfalls verzeichnet (vgl Svodnyj katalog rossijskich notnych izshydanij Bd I XVIII vek St Petersburg 1996 S 60 I 206) RISM nennt dagegen als einzige Bibliothek die diese Sonaten heute noch besitzt die Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar der fuumlr die Anfertigung von Kopien an dieser Stelle herzlich gedankt sei

Das Exemplar des op I traumlgt den handschriftlichen Vermerk Maria Pavshylovna (siehe Abbildung 2) gehoumlrte also wahrscheinlich dieser aus der Zashyren familie stammenden russischen Groszligfuumlrstin die es bei ihrer 1804 erfolgshyten Vermaumlhlung mit dem Groszligfuumlrsten Karl Friedrich von Sachsen-Weimar (1783-1853) vermutlich mit nach Weimar gebracht hat Die allseitig geshybildete Maria Pavlovna (t 1859) spielte Klavier sie stand mit Goethe in staumlndigem geistigem Austausch es ist auch uumlberliefert dass sie sich unter der Anleitung des damaligen russischen Hofkapellmeisters Giuseppe Sarti (1729-1802) mit Komposition beschaumlftigt hat (vgl N von Milde Maria Pawlowna Hamburg 1904 S 88) Dass sie Anton Titz persoumlnlich gekannt hat und ihn zusammen mit seinem Ensemble am Petersburger Hof musishyzieren houmlrte ist sehr wahrscheinlich

64

Abb 1 Titelblatt der Six Quattuors Wien 1781 (Artaria)

65

S 0 N A T E~ pour le

CLAYECIN ou PIANOFORTE

et

VIOLON OBLIGE

conposee

par

Mf TITZ

Opl

A St Petersbour8

ehc Gcutenberg et Camp

Prix IR

Abb 2 Titelblatt von op I mit den Schriftzuumlgen von Maria Pavlovna Groszligherzogin von Sachsen-Weimar

66

zur Sonatensatzform hin die der Komponist dann in den Sonaten op II und III in voller Auspraumlgung anwendet

Nbsp 2 Op III Adagio

Adagio _A ~ bull

I

JI I

I

iM eJ tJ f I

11 - -- ~ - I

p ~ ~ ~ ---

y

f ~

f 1 I ti I~~ I -bullbull bull

I )

r r 6

bull -pshy pt If

bullbull 11 bull bull ~

I r-Bei op 11 (fis-Moll) haben wir es mit einer dreisaumltzigen und bei op III (c-Moll) sogar mit einer viersaumltzigen Sonate zu tun Zwishyschen die bei den schnellen Ecksaumltze schiebt sich in op 11 eine im Volkston gehaltene Romance siciliano (A-Dur) in der Titz seine lyrische Veranlagung auslebt In den Ecksaumltzen des op III (cshyMoll) kommen dagegen pathetische Zuumlge zum Tragen die auch in dem der Sonate vorangestellten einleitenden Adagio anklingen Eine zarte Lyrik kennzeichnet dagegen den langsamen Satz ein

67

Nbsp 3 Op II 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro con espressione A

I

t

~ --- ---shy ----shy -shy1 j - ~ ~ ~ bull

- bull r - 11 i 1 shy bull lI__ bull

J 11 I

t) - r

1 I ~ rrI bull 1_ 1__ rtI eJ ~ - 1 1middot

bull d 11shy llI

~ 14 Ci bull

~ f Seitenthema

~

f

) t

4J -shy - ~ -J

A~lmiddot i_I I

-J I I bull I

A f

~ fI i bull f7 bull shy j i

eJ vshy - ~ ~ - bull t I I )r L

J 1 I I 11 L 11 i

t) bull -

68

1

~bull

Nbsp 4 Op III 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro agitato ~ I bull r Umiddot ~ F

bullbull f~ ~ I I - - ~

bull-~ - ~

bull I tI I t

~ jj jjl ~H 6 bull

I IIJshy -shy I --

4) P ttUCo fJ I I )_r ----

~ -- - crvc J1 P

( ~ ~- 1t_~ - ~

I

VIIoi ~

dolc I a -- r ~

dok ~

I

( ~

- r I I bull ~

11

V8=

~ I ~ -Je - _- _I

1I - I I I l J

~ r I I V ~ - - l0t ~ ~ (

69

Nbsp 5 Quartett a-Moll Haupt- und Seitenthema

Allegro di molto agitato - t1I ft

lt shy ~

-~ -

~

ttJ f j J ~ 4 J ~ bull

I - I - r ~fIe

I IJr

I JJ I- bull

- ~ ]11 _t

1- ~~ 1Il 4 ~ ilA JJ r J ~ -shy

bull

4i) I bull 11 ~ bull ~ 1i-Idole ~ ~ -~ -

I -

~~ I I _I f bull eJ 1shy - - - I -

11 J ir (shy 1-( -~

~

I

Adagio in Es-Dur (siehe Nbsp 2) Formal weisen die Ecksaumltze dieser beiden Sonaten die typische Sonatensatzform auf wobei das Seitenthema jeweils in der parallelen Dur-Tonart steht (siehe Nbsp 3 und 4) Der Satzumfang ist mit jeweils ca 250 Takshy

70

Nbsp 6 Quartett G-Dur 1 Satz

Allegro ~

r I

1 bull 1 bull bullbull I TT

-UI II I I --- - bull

f ~~ ~

h hbull J -1 ~

bull

bull bull bull 1 iilbull bull bull bullbullbullbull bull bullbullbullbull

f - -bull

bull iii - - ---ifiJ bull 1fI bull bull

~~~ -

--~

middot bull

r shy

bull

Ir ~ bull

J~ n--

r

0___- V ______

1amp

~

-

JJlJ J~

I

I bull bull ~

bull

lJ~~r-J

--

1 ~ t bull r t

T -- -

SilJ -- -

71

Fortsetzung Nbsp 6

A

_t

-su - shy

eJ bull IJgt- f~ 11- I

-

t t 1 1

- t I - _

T

bull

~v v 17

-PO bull

bull I

11 bull Ir ~

---shy J ~

bull bull bullL---shyWW~

bull bull ltr~ ~ bullbull ~ ~

t l1li bull a

bullbullbullbull

) bull bull-

-

~ I

~

-

-po

I 1 bull

bull I bull bull

bullbullbullbull

bull bull

-tiTbull

~

-

~ --shy-

--

1 I

J

~ bull bull

72

ten beachtlich der Durchfuumlhrung wird viel Raum gegeben Die Violinstimme ist sparsam ausgesetzt nur verhaumlltnismaumlszligig selten wird ihr thematisches Material uumlbertragen Dennoch bildet sie zusammen nlit dem Klavierpart eine untrennbare klangliche Einshyheit Insgesamt zeichnen sich die drei Sonaten durch einfallsreiche thematische Erfindung aus Besonders zu bezaubern vermag die Sonate in fis-Moll (Op II)

Nbsp 7 Quartett F-Dur 1 Satz Hauptthema

r r r - - r - rr rrrf Dass sich Titz die klassische Schreibweise zu eigen gemacht hat

belegen auch die drei Alexander 1 gewidnleten Streichquartette von 18011802 Am konsequentesten haumllt sich der Komponist an das Schema der Sonatensatzform im Allegro di molto agitato des 3 Quartetts (a-Moll) In der Exposition bringt er das Haupt- und in der parallelen Dur-Tonart das Seitenthema (siehe Nbsp 5) und laumlsst dann eine Durchfuumlhrung und Reprise mit Coda folgen In

73

Nbsp 8 Quartett F-Dur 1 Satz Seitenthema

Ir

I bull bull

lIiiiiiiii

ol LI r4tJ - ~l ~J t J j 11 bull q- tr bullbull bull r I~ t I It-I- It bull It It IJ S

I-

~ - - -shy I I shy - IJ1p - --1J - h~~ Ir I

41-

J J- I wr -

- bull rTJ

f) ~ ~ ~ -iJ--1-- -~t J

~

bullt-1

74

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 24: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

Abb 1 Titelblatt der Six Quattuors Wien 1781 (Artaria)

65

S 0 N A T E~ pour le

CLAYECIN ou PIANOFORTE

et

VIOLON OBLIGE

conposee

par

Mf TITZ

Opl

A St Petersbour8

ehc Gcutenberg et Camp

Prix IR

Abb 2 Titelblatt von op I mit den Schriftzuumlgen von Maria Pavlovna Groszligherzogin von Sachsen-Weimar

66

zur Sonatensatzform hin die der Komponist dann in den Sonaten op II und III in voller Auspraumlgung anwendet

Nbsp 2 Op III Adagio

Adagio _A ~ bull

I

JI I

I

iM eJ tJ f I

11 - -- ~ - I

p ~ ~ ~ ---

y

f ~

f 1 I ti I~~ I -bullbull bull

I )

r r 6

bull -pshy pt If

bullbull 11 bull bull ~

I r-Bei op 11 (fis-Moll) haben wir es mit einer dreisaumltzigen und bei op III (c-Moll) sogar mit einer viersaumltzigen Sonate zu tun Zwishyschen die bei den schnellen Ecksaumltze schiebt sich in op 11 eine im Volkston gehaltene Romance siciliano (A-Dur) in der Titz seine lyrische Veranlagung auslebt In den Ecksaumltzen des op III (cshyMoll) kommen dagegen pathetische Zuumlge zum Tragen die auch in dem der Sonate vorangestellten einleitenden Adagio anklingen Eine zarte Lyrik kennzeichnet dagegen den langsamen Satz ein

67

Nbsp 3 Op II 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro con espressione A

I

t

~ --- ---shy ----shy -shy1 j - ~ ~ ~ bull

- bull r - 11 i 1 shy bull lI__ bull

J 11 I

t) - r

1 I ~ rrI bull 1_ 1__ rtI eJ ~ - 1 1middot

bull d 11shy llI

~ 14 Ci bull

~ f Seitenthema

~

f

) t

4J -shy - ~ -J

A~lmiddot i_I I

-J I I bull I

A f

~ fI i bull f7 bull shy j i

eJ vshy - ~ ~ - bull t I I )r L

J 1 I I 11 L 11 i

t) bull -

68

1

~bull

Nbsp 4 Op III 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro agitato ~ I bull r Umiddot ~ F

bullbull f~ ~ I I - - ~

bull-~ - ~

bull I tI I t

~ jj jjl ~H 6 bull

I IIJshy -shy I --

4) P ttUCo fJ I I )_r ----

~ -- - crvc J1 P

( ~ ~- 1t_~ - ~

I

VIIoi ~

dolc I a -- r ~

dok ~

I

( ~

- r I I bull ~

11

V8=

~ I ~ -Je - _- _I

1I - I I I l J

~ r I I V ~ - - l0t ~ ~ (

69

Nbsp 5 Quartett a-Moll Haupt- und Seitenthema

Allegro di molto agitato - t1I ft

lt shy ~

-~ -

~

ttJ f j J ~ 4 J ~ bull

I - I - r ~fIe

I IJr

I JJ I- bull

- ~ ]11 _t

1- ~~ 1Il 4 ~ ilA JJ r J ~ -shy

bull

4i) I bull 11 ~ bull ~ 1i-Idole ~ ~ -~ -

I -

~~ I I _I f bull eJ 1shy - - - I -

11 J ir (shy 1-( -~

~

I

Adagio in Es-Dur (siehe Nbsp 2) Formal weisen die Ecksaumltze dieser beiden Sonaten die typische Sonatensatzform auf wobei das Seitenthema jeweils in der parallelen Dur-Tonart steht (siehe Nbsp 3 und 4) Der Satzumfang ist mit jeweils ca 250 Takshy

70

Nbsp 6 Quartett G-Dur 1 Satz

Allegro ~

r I

1 bull 1 bull bullbull I TT

-UI II I I --- - bull

f ~~ ~

h hbull J -1 ~

bull

bull bull bull 1 iilbull bull bull bullbullbullbull bull bullbullbullbull

f - -bull

bull iii - - ---ifiJ bull 1fI bull bull

~~~ -

--~

middot bull

r shy

bull

Ir ~ bull

J~ n--

r

0___- V ______

1amp

~

-

JJlJ J~

I

I bull bull ~

bull

lJ~~r-J

--

1 ~ t bull r t

T -- -

SilJ -- -

71

Fortsetzung Nbsp 6

A

_t

-su - shy

eJ bull IJgt- f~ 11- I

-

t t 1 1

- t I - _

T

bull

~v v 17

-PO bull

bull I

11 bull Ir ~

---shy J ~

bull bull bullL---shyWW~

bull bull ltr~ ~ bullbull ~ ~

t l1li bull a

bullbullbullbull

) bull bull-

-

~ I

~

-

-po

I 1 bull

bull I bull bull

bullbullbullbull

bull bull

-tiTbull

~

-

~ --shy-

--

1 I

J

~ bull bull

72

ten beachtlich der Durchfuumlhrung wird viel Raum gegeben Die Violinstimme ist sparsam ausgesetzt nur verhaumlltnismaumlszligig selten wird ihr thematisches Material uumlbertragen Dennoch bildet sie zusammen nlit dem Klavierpart eine untrennbare klangliche Einshyheit Insgesamt zeichnen sich die drei Sonaten durch einfallsreiche thematische Erfindung aus Besonders zu bezaubern vermag die Sonate in fis-Moll (Op II)

Nbsp 7 Quartett F-Dur 1 Satz Hauptthema

r r r - - r - rr rrrf Dass sich Titz die klassische Schreibweise zu eigen gemacht hat

belegen auch die drei Alexander 1 gewidnleten Streichquartette von 18011802 Am konsequentesten haumllt sich der Komponist an das Schema der Sonatensatzform im Allegro di molto agitato des 3 Quartetts (a-Moll) In der Exposition bringt er das Haupt- und in der parallelen Dur-Tonart das Seitenthema (siehe Nbsp 5) und laumlsst dann eine Durchfuumlhrung und Reprise mit Coda folgen In

73

Nbsp 8 Quartett F-Dur 1 Satz Seitenthema

Ir

I bull bull

lIiiiiiiii

ol LI r4tJ - ~l ~J t J j 11 bull q- tr bullbull bull r I~ t I It-I- It bull It It IJ S

I-

~ - - -shy I I shy - IJ1p - --1J - h~~ Ir I

41-

J J- I wr -

- bull rTJ

f) ~ ~ ~ -iJ--1-- -~t J

~

bullt-1

74

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 25: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

S 0 N A T E~ pour le

CLAYECIN ou PIANOFORTE

et

VIOLON OBLIGE

conposee

par

Mf TITZ

Opl

A St Petersbour8

ehc Gcutenberg et Camp

Prix IR

Abb 2 Titelblatt von op I mit den Schriftzuumlgen von Maria Pavlovna Groszligherzogin von Sachsen-Weimar

66

zur Sonatensatzform hin die der Komponist dann in den Sonaten op II und III in voller Auspraumlgung anwendet

Nbsp 2 Op III Adagio

Adagio _A ~ bull

I

JI I

I

iM eJ tJ f I

11 - -- ~ - I

p ~ ~ ~ ---

y

f ~

f 1 I ti I~~ I -bullbull bull

I )

r r 6

bull -pshy pt If

bullbull 11 bull bull ~

I r-Bei op 11 (fis-Moll) haben wir es mit einer dreisaumltzigen und bei op III (c-Moll) sogar mit einer viersaumltzigen Sonate zu tun Zwishyschen die bei den schnellen Ecksaumltze schiebt sich in op 11 eine im Volkston gehaltene Romance siciliano (A-Dur) in der Titz seine lyrische Veranlagung auslebt In den Ecksaumltzen des op III (cshyMoll) kommen dagegen pathetische Zuumlge zum Tragen die auch in dem der Sonate vorangestellten einleitenden Adagio anklingen Eine zarte Lyrik kennzeichnet dagegen den langsamen Satz ein

67

Nbsp 3 Op II 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro con espressione A

I

t

~ --- ---shy ----shy -shy1 j - ~ ~ ~ bull

- bull r - 11 i 1 shy bull lI__ bull

J 11 I

t) - r

1 I ~ rrI bull 1_ 1__ rtI eJ ~ - 1 1middot

bull d 11shy llI

~ 14 Ci bull

~ f Seitenthema

~

f

) t

4J -shy - ~ -J

A~lmiddot i_I I

-J I I bull I

A f

~ fI i bull f7 bull shy j i

eJ vshy - ~ ~ - bull t I I )r L

J 1 I I 11 L 11 i

t) bull -

68

1

~bull

Nbsp 4 Op III 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro agitato ~ I bull r Umiddot ~ F

bullbull f~ ~ I I - - ~

bull-~ - ~

bull I tI I t

~ jj jjl ~H 6 bull

I IIJshy -shy I --

4) P ttUCo fJ I I )_r ----

~ -- - crvc J1 P

( ~ ~- 1t_~ - ~

I

VIIoi ~

dolc I a -- r ~

dok ~

I

( ~

- r I I bull ~

11

V8=

~ I ~ -Je - _- _I

1I - I I I l J

~ r I I V ~ - - l0t ~ ~ (

69

Nbsp 5 Quartett a-Moll Haupt- und Seitenthema

Allegro di molto agitato - t1I ft

lt shy ~

-~ -

~

ttJ f j J ~ 4 J ~ bull

I - I - r ~fIe

I IJr

I JJ I- bull

- ~ ]11 _t

1- ~~ 1Il 4 ~ ilA JJ r J ~ -shy

bull

4i) I bull 11 ~ bull ~ 1i-Idole ~ ~ -~ -

I -

~~ I I _I f bull eJ 1shy - - - I -

11 J ir (shy 1-( -~

~

I

Adagio in Es-Dur (siehe Nbsp 2) Formal weisen die Ecksaumltze dieser beiden Sonaten die typische Sonatensatzform auf wobei das Seitenthema jeweils in der parallelen Dur-Tonart steht (siehe Nbsp 3 und 4) Der Satzumfang ist mit jeweils ca 250 Takshy

70

Nbsp 6 Quartett G-Dur 1 Satz

Allegro ~

r I

1 bull 1 bull bullbull I TT

-UI II I I --- - bull

f ~~ ~

h hbull J -1 ~

bull

bull bull bull 1 iilbull bull bull bullbullbullbull bull bullbullbullbull

f - -bull

bull iii - - ---ifiJ bull 1fI bull bull

~~~ -

--~

middot bull

r shy

bull

Ir ~ bull

J~ n--

r

0___- V ______

1amp

~

-

JJlJ J~

I

I bull bull ~

bull

lJ~~r-J

--

1 ~ t bull r t

T -- -

SilJ -- -

71

Fortsetzung Nbsp 6

A

_t

-su - shy

eJ bull IJgt- f~ 11- I

-

t t 1 1

- t I - _

T

bull

~v v 17

-PO bull

bull I

11 bull Ir ~

---shy J ~

bull bull bullL---shyWW~

bull bull ltr~ ~ bullbull ~ ~

t l1li bull a

bullbullbullbull

) bull bull-

-

~ I

~

-

-po

I 1 bull

bull I bull bull

bullbullbullbull

bull bull

-tiTbull

~

-

~ --shy-

--

1 I

J

~ bull bull

72

ten beachtlich der Durchfuumlhrung wird viel Raum gegeben Die Violinstimme ist sparsam ausgesetzt nur verhaumlltnismaumlszligig selten wird ihr thematisches Material uumlbertragen Dennoch bildet sie zusammen nlit dem Klavierpart eine untrennbare klangliche Einshyheit Insgesamt zeichnen sich die drei Sonaten durch einfallsreiche thematische Erfindung aus Besonders zu bezaubern vermag die Sonate in fis-Moll (Op II)

Nbsp 7 Quartett F-Dur 1 Satz Hauptthema

r r r - - r - rr rrrf Dass sich Titz die klassische Schreibweise zu eigen gemacht hat

belegen auch die drei Alexander 1 gewidnleten Streichquartette von 18011802 Am konsequentesten haumllt sich der Komponist an das Schema der Sonatensatzform im Allegro di molto agitato des 3 Quartetts (a-Moll) In der Exposition bringt er das Haupt- und in der parallelen Dur-Tonart das Seitenthema (siehe Nbsp 5) und laumlsst dann eine Durchfuumlhrung und Reprise mit Coda folgen In

73

Nbsp 8 Quartett F-Dur 1 Satz Seitenthema

Ir

I bull bull

lIiiiiiiii

ol LI r4tJ - ~l ~J t J j 11 bull q- tr bullbull bull r I~ t I It-I- It bull It It IJ S

I-

~ - - -shy I I shy - IJ1p - --1J - h~~ Ir I

41-

J J- I wr -

- bull rTJ

f) ~ ~ ~ -iJ--1-- -~t J

~

bullt-1

74

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 26: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

zur Sonatensatzform hin die der Komponist dann in den Sonaten op II und III in voller Auspraumlgung anwendet

Nbsp 2 Op III Adagio

Adagio _A ~ bull

I

JI I

I

iM eJ tJ f I

11 - -- ~ - I

p ~ ~ ~ ---

y

f ~

f 1 I ti I~~ I -bullbull bull

I )

r r 6

bull -pshy pt If

bullbull 11 bull bull ~

I r-Bei op 11 (fis-Moll) haben wir es mit einer dreisaumltzigen und bei op III (c-Moll) sogar mit einer viersaumltzigen Sonate zu tun Zwishyschen die bei den schnellen Ecksaumltze schiebt sich in op 11 eine im Volkston gehaltene Romance siciliano (A-Dur) in der Titz seine lyrische Veranlagung auslebt In den Ecksaumltzen des op III (cshyMoll) kommen dagegen pathetische Zuumlge zum Tragen die auch in dem der Sonate vorangestellten einleitenden Adagio anklingen Eine zarte Lyrik kennzeichnet dagegen den langsamen Satz ein

67

Nbsp 3 Op II 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro con espressione A

I

t

~ --- ---shy ----shy -shy1 j - ~ ~ ~ bull

- bull r - 11 i 1 shy bull lI__ bull

J 11 I

t) - r

1 I ~ rrI bull 1_ 1__ rtI eJ ~ - 1 1middot

bull d 11shy llI

~ 14 Ci bull

~ f Seitenthema

~

f

) t

4J -shy - ~ -J

A~lmiddot i_I I

-J I I bull I

A f

~ fI i bull f7 bull shy j i

eJ vshy - ~ ~ - bull t I I )r L

J 1 I I 11 L 11 i

t) bull -

68

1

~bull

Nbsp 4 Op III 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro agitato ~ I bull r Umiddot ~ F

bullbull f~ ~ I I - - ~

bull-~ - ~

bull I tI I t

~ jj jjl ~H 6 bull

I IIJshy -shy I --

4) P ttUCo fJ I I )_r ----

~ -- - crvc J1 P

( ~ ~- 1t_~ - ~

I

VIIoi ~

dolc I a -- r ~

dok ~

I

( ~

- r I I bull ~

11

V8=

~ I ~ -Je - _- _I

1I - I I I l J

~ r I I V ~ - - l0t ~ ~ (

69

Nbsp 5 Quartett a-Moll Haupt- und Seitenthema

Allegro di molto agitato - t1I ft

lt shy ~

-~ -

~

ttJ f j J ~ 4 J ~ bull

I - I - r ~fIe

I IJr

I JJ I- bull

- ~ ]11 _t

1- ~~ 1Il 4 ~ ilA JJ r J ~ -shy

bull

4i) I bull 11 ~ bull ~ 1i-Idole ~ ~ -~ -

I -

~~ I I _I f bull eJ 1shy - - - I -

11 J ir (shy 1-( -~

~

I

Adagio in Es-Dur (siehe Nbsp 2) Formal weisen die Ecksaumltze dieser beiden Sonaten die typische Sonatensatzform auf wobei das Seitenthema jeweils in der parallelen Dur-Tonart steht (siehe Nbsp 3 und 4) Der Satzumfang ist mit jeweils ca 250 Takshy

70

Nbsp 6 Quartett G-Dur 1 Satz

Allegro ~

r I

1 bull 1 bull bullbull I TT

-UI II I I --- - bull

f ~~ ~

h hbull J -1 ~

bull

bull bull bull 1 iilbull bull bull bullbullbullbull bull bullbullbullbull

f - -bull

bull iii - - ---ifiJ bull 1fI bull bull

~~~ -

--~

middot bull

r shy

bull

Ir ~ bull

J~ n--

r

0___- V ______

1amp

~

-

JJlJ J~

I

I bull bull ~

bull

lJ~~r-J

--

1 ~ t bull r t

T -- -

SilJ -- -

71

Fortsetzung Nbsp 6

A

_t

-su - shy

eJ bull IJgt- f~ 11- I

-

t t 1 1

- t I - _

T

bull

~v v 17

-PO bull

bull I

11 bull Ir ~

---shy J ~

bull bull bullL---shyWW~

bull bull ltr~ ~ bullbull ~ ~

t l1li bull a

bullbullbullbull

) bull bull-

-

~ I

~

-

-po

I 1 bull

bull I bull bull

bullbullbullbull

bull bull

-tiTbull

~

-

~ --shy-

--

1 I

J

~ bull bull

72

ten beachtlich der Durchfuumlhrung wird viel Raum gegeben Die Violinstimme ist sparsam ausgesetzt nur verhaumlltnismaumlszligig selten wird ihr thematisches Material uumlbertragen Dennoch bildet sie zusammen nlit dem Klavierpart eine untrennbare klangliche Einshyheit Insgesamt zeichnen sich die drei Sonaten durch einfallsreiche thematische Erfindung aus Besonders zu bezaubern vermag die Sonate in fis-Moll (Op II)

Nbsp 7 Quartett F-Dur 1 Satz Hauptthema

r r r - - r - rr rrrf Dass sich Titz die klassische Schreibweise zu eigen gemacht hat

belegen auch die drei Alexander 1 gewidnleten Streichquartette von 18011802 Am konsequentesten haumllt sich der Komponist an das Schema der Sonatensatzform im Allegro di molto agitato des 3 Quartetts (a-Moll) In der Exposition bringt er das Haupt- und in der parallelen Dur-Tonart das Seitenthema (siehe Nbsp 5) und laumlsst dann eine Durchfuumlhrung und Reprise mit Coda folgen In

73

Nbsp 8 Quartett F-Dur 1 Satz Seitenthema

Ir

I bull bull

lIiiiiiiii

ol LI r4tJ - ~l ~J t J j 11 bull q- tr bullbull bull r I~ t I It-I- It bull It It IJ S

I-

~ - - -shy I I shy - IJ1p - --1J - h~~ Ir I

41-

J J- I wr -

- bull rTJ

f) ~ ~ ~ -iJ--1-- -~t J

~

bullt-1

74

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 27: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

Nbsp 3 Op II 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro con espressione A

I

t

~ --- ---shy ----shy -shy1 j - ~ ~ ~ bull

- bull r - 11 i 1 shy bull lI__ bull

J 11 I

t) - r

1 I ~ rrI bull 1_ 1__ rtI eJ ~ - 1 1middot

bull d 11shy llI

~ 14 Ci bull

~ f Seitenthema

~

f

) t

4J -shy - ~ -J

A~lmiddot i_I I

-J I I bull I

A f

~ fI i bull f7 bull shy j i

eJ vshy - ~ ~ - bull t I I )r L

J 1 I I 11 L 11 i

t) bull -

68

1

~bull

Nbsp 4 Op III 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro agitato ~ I bull r Umiddot ~ F

bullbull f~ ~ I I - - ~

bull-~ - ~

bull I tI I t

~ jj jjl ~H 6 bull

I IIJshy -shy I --

4) P ttUCo fJ I I )_r ----

~ -- - crvc J1 P

( ~ ~- 1t_~ - ~

I

VIIoi ~

dolc I a -- r ~

dok ~

I

( ~

- r I I bull ~

11

V8=

~ I ~ -Je - _- _I

1I - I I I l J

~ r I I V ~ - - l0t ~ ~ (

69

Nbsp 5 Quartett a-Moll Haupt- und Seitenthema

Allegro di molto agitato - t1I ft

lt shy ~

-~ -

~

ttJ f j J ~ 4 J ~ bull

I - I - r ~fIe

I IJr

I JJ I- bull

- ~ ]11 _t

1- ~~ 1Il 4 ~ ilA JJ r J ~ -shy

bull

4i) I bull 11 ~ bull ~ 1i-Idole ~ ~ -~ -

I -

~~ I I _I f bull eJ 1shy - - - I -

11 J ir (shy 1-( -~

~

I

Adagio in Es-Dur (siehe Nbsp 2) Formal weisen die Ecksaumltze dieser beiden Sonaten die typische Sonatensatzform auf wobei das Seitenthema jeweils in der parallelen Dur-Tonart steht (siehe Nbsp 3 und 4) Der Satzumfang ist mit jeweils ca 250 Takshy

70

Nbsp 6 Quartett G-Dur 1 Satz

Allegro ~

r I

1 bull 1 bull bullbull I TT

-UI II I I --- - bull

f ~~ ~

h hbull J -1 ~

bull

bull bull bull 1 iilbull bull bull bullbullbullbull bull bullbullbullbull

f - -bull

bull iii - - ---ifiJ bull 1fI bull bull

~~~ -

--~

middot bull

r shy

bull

Ir ~ bull

J~ n--

r

0___- V ______

1amp

~

-

JJlJ J~

I

I bull bull ~

bull

lJ~~r-J

--

1 ~ t bull r t

T -- -

SilJ -- -

71

Fortsetzung Nbsp 6

A

_t

-su - shy

eJ bull IJgt- f~ 11- I

-

t t 1 1

- t I - _

T

bull

~v v 17

-PO bull

bull I

11 bull Ir ~

---shy J ~

bull bull bullL---shyWW~

bull bull ltr~ ~ bullbull ~ ~

t l1li bull a

bullbullbullbull

) bull bull-

-

~ I

~

-

-po

I 1 bull

bull I bull bull

bullbullbullbull

bull bull

-tiTbull

~

-

~ --shy-

--

1 I

J

~ bull bull

72

ten beachtlich der Durchfuumlhrung wird viel Raum gegeben Die Violinstimme ist sparsam ausgesetzt nur verhaumlltnismaumlszligig selten wird ihr thematisches Material uumlbertragen Dennoch bildet sie zusammen nlit dem Klavierpart eine untrennbare klangliche Einshyheit Insgesamt zeichnen sich die drei Sonaten durch einfallsreiche thematische Erfindung aus Besonders zu bezaubern vermag die Sonate in fis-Moll (Op II)

Nbsp 7 Quartett F-Dur 1 Satz Hauptthema

r r r - - r - rr rrrf Dass sich Titz die klassische Schreibweise zu eigen gemacht hat

belegen auch die drei Alexander 1 gewidnleten Streichquartette von 18011802 Am konsequentesten haumllt sich der Komponist an das Schema der Sonatensatzform im Allegro di molto agitato des 3 Quartetts (a-Moll) In der Exposition bringt er das Haupt- und in der parallelen Dur-Tonart das Seitenthema (siehe Nbsp 5) und laumlsst dann eine Durchfuumlhrung und Reprise mit Coda folgen In

73

Nbsp 8 Quartett F-Dur 1 Satz Seitenthema

Ir

I bull bull

lIiiiiiiii

ol LI r4tJ - ~l ~J t J j 11 bull q- tr bullbull bull r I~ t I It-I- It bull It It IJ S

I-

~ - - -shy I I shy - IJ1p - --1J - h~~ Ir I

41-

J J- I wr -

- bull rTJ

f) ~ ~ ~ -iJ--1-- -~t J

~

bullt-1

74

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 28: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

1

~bull

Nbsp 4 Op III 1 Satz Haupt- und Seitenthema

Allegro agitato ~ I bull r Umiddot ~ F

bullbull f~ ~ I I - - ~

bull-~ - ~

bull I tI I t

~ jj jjl ~H 6 bull

I IIJshy -shy I --

4) P ttUCo fJ I I )_r ----

~ -- - crvc J1 P

( ~ ~- 1t_~ - ~

I

VIIoi ~

dolc I a -- r ~

dok ~

I

( ~

- r I I bull ~

11

V8=

~ I ~ -Je - _- _I

1I - I I I l J

~ r I I V ~ - - l0t ~ ~ (

69

Nbsp 5 Quartett a-Moll Haupt- und Seitenthema

Allegro di molto agitato - t1I ft

lt shy ~

-~ -

~

ttJ f j J ~ 4 J ~ bull

I - I - r ~fIe

I IJr

I JJ I- bull

- ~ ]11 _t

1- ~~ 1Il 4 ~ ilA JJ r J ~ -shy

bull

4i) I bull 11 ~ bull ~ 1i-Idole ~ ~ -~ -

I -

~~ I I _I f bull eJ 1shy - - - I -

11 J ir (shy 1-( -~

~

I

Adagio in Es-Dur (siehe Nbsp 2) Formal weisen die Ecksaumltze dieser beiden Sonaten die typische Sonatensatzform auf wobei das Seitenthema jeweils in der parallelen Dur-Tonart steht (siehe Nbsp 3 und 4) Der Satzumfang ist mit jeweils ca 250 Takshy

70

Nbsp 6 Quartett G-Dur 1 Satz

Allegro ~

r I

1 bull 1 bull bullbull I TT

-UI II I I --- - bull

f ~~ ~

h hbull J -1 ~

bull

bull bull bull 1 iilbull bull bull bullbullbullbull bull bullbullbullbull

f - -bull

bull iii - - ---ifiJ bull 1fI bull bull

~~~ -

--~

middot bull

r shy

bull

Ir ~ bull

J~ n--

r

0___- V ______

1amp

~

-

JJlJ J~

I

I bull bull ~

bull

lJ~~r-J

--

1 ~ t bull r t

T -- -

SilJ -- -

71

Fortsetzung Nbsp 6

A

_t

-su - shy

eJ bull IJgt- f~ 11- I

-

t t 1 1

- t I - _

T

bull

~v v 17

-PO bull

bull I

11 bull Ir ~

---shy J ~

bull bull bullL---shyWW~

bull bull ltr~ ~ bullbull ~ ~

t l1li bull a

bullbullbullbull

) bull bull-

-

~ I

~

-

-po

I 1 bull

bull I bull bull

bullbullbullbull

bull bull

-tiTbull

~

-

~ --shy-

--

1 I

J

~ bull bull

72

ten beachtlich der Durchfuumlhrung wird viel Raum gegeben Die Violinstimme ist sparsam ausgesetzt nur verhaumlltnismaumlszligig selten wird ihr thematisches Material uumlbertragen Dennoch bildet sie zusammen nlit dem Klavierpart eine untrennbare klangliche Einshyheit Insgesamt zeichnen sich die drei Sonaten durch einfallsreiche thematische Erfindung aus Besonders zu bezaubern vermag die Sonate in fis-Moll (Op II)

Nbsp 7 Quartett F-Dur 1 Satz Hauptthema

r r r - - r - rr rrrf Dass sich Titz die klassische Schreibweise zu eigen gemacht hat

belegen auch die drei Alexander 1 gewidnleten Streichquartette von 18011802 Am konsequentesten haumllt sich der Komponist an das Schema der Sonatensatzform im Allegro di molto agitato des 3 Quartetts (a-Moll) In der Exposition bringt er das Haupt- und in der parallelen Dur-Tonart das Seitenthema (siehe Nbsp 5) und laumlsst dann eine Durchfuumlhrung und Reprise mit Coda folgen In

73

Nbsp 8 Quartett F-Dur 1 Satz Seitenthema

Ir

I bull bull

lIiiiiiiii

ol LI r4tJ - ~l ~J t J j 11 bull q- tr bullbull bull r I~ t I It-I- It bull It It IJ S

I-

~ - - -shy I I shy - IJ1p - --1J - h~~ Ir I

41-

J J- I wr -

- bull rTJ

f) ~ ~ ~ -iJ--1-- -~t J

~

bullt-1

74

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 29: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

Nbsp 5 Quartett a-Moll Haupt- und Seitenthema

Allegro di molto agitato - t1I ft

lt shy ~

-~ -

~

ttJ f j J ~ 4 J ~ bull

I - I - r ~fIe

I IJr

I JJ I- bull

- ~ ]11 _t

1- ~~ 1Il 4 ~ ilA JJ r J ~ -shy

bull

4i) I bull 11 ~ bull ~ 1i-Idole ~ ~ -~ -

I -

~~ I I _I f bull eJ 1shy - - - I -

11 J ir (shy 1-( -~

~

I

Adagio in Es-Dur (siehe Nbsp 2) Formal weisen die Ecksaumltze dieser beiden Sonaten die typische Sonatensatzform auf wobei das Seitenthema jeweils in der parallelen Dur-Tonart steht (siehe Nbsp 3 und 4) Der Satzumfang ist mit jeweils ca 250 Takshy

70

Nbsp 6 Quartett G-Dur 1 Satz

Allegro ~

r I

1 bull 1 bull bullbull I TT

-UI II I I --- - bull

f ~~ ~

h hbull J -1 ~

bull

bull bull bull 1 iilbull bull bull bullbullbullbull bull bullbullbullbull

f - -bull

bull iii - - ---ifiJ bull 1fI bull bull

~~~ -

--~

middot bull

r shy

bull

Ir ~ bull

J~ n--

r

0___- V ______

1amp

~

-

JJlJ J~

I

I bull bull ~

bull

lJ~~r-J

--

1 ~ t bull r t

T -- -

SilJ -- -

71

Fortsetzung Nbsp 6

A

_t

-su - shy

eJ bull IJgt- f~ 11- I

-

t t 1 1

- t I - _

T

bull

~v v 17

-PO bull

bull I

11 bull Ir ~

---shy J ~

bull bull bullL---shyWW~

bull bull ltr~ ~ bullbull ~ ~

t l1li bull a

bullbullbullbull

) bull bull-

-

~ I

~

-

-po

I 1 bull

bull I bull bull

bullbullbullbull

bull bull

-tiTbull

~

-

~ --shy-

--

1 I

J

~ bull bull

72

ten beachtlich der Durchfuumlhrung wird viel Raum gegeben Die Violinstimme ist sparsam ausgesetzt nur verhaumlltnismaumlszligig selten wird ihr thematisches Material uumlbertragen Dennoch bildet sie zusammen nlit dem Klavierpart eine untrennbare klangliche Einshyheit Insgesamt zeichnen sich die drei Sonaten durch einfallsreiche thematische Erfindung aus Besonders zu bezaubern vermag die Sonate in fis-Moll (Op II)

Nbsp 7 Quartett F-Dur 1 Satz Hauptthema

r r r - - r - rr rrrf Dass sich Titz die klassische Schreibweise zu eigen gemacht hat

belegen auch die drei Alexander 1 gewidnleten Streichquartette von 18011802 Am konsequentesten haumllt sich der Komponist an das Schema der Sonatensatzform im Allegro di molto agitato des 3 Quartetts (a-Moll) In der Exposition bringt er das Haupt- und in der parallelen Dur-Tonart das Seitenthema (siehe Nbsp 5) und laumlsst dann eine Durchfuumlhrung und Reprise mit Coda folgen In

73

Nbsp 8 Quartett F-Dur 1 Satz Seitenthema

Ir

I bull bull

lIiiiiiiii

ol LI r4tJ - ~l ~J t J j 11 bull q- tr bullbull bull r I~ t I It-I- It bull It It IJ S

I-

~ - - -shy I I shy - IJ1p - --1J - h~~ Ir I

41-

J J- I wr -

- bull rTJ

f) ~ ~ ~ -iJ--1-- -~t J

~

bullt-1

74

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 30: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

Nbsp 6 Quartett G-Dur 1 Satz

Allegro ~

r I

1 bull 1 bull bullbull I TT

-UI II I I --- - bull

f ~~ ~

h hbull J -1 ~

bull

bull bull bull 1 iilbull bull bull bullbullbullbull bull bullbullbullbull

f - -bull

bull iii - - ---ifiJ bull 1fI bull bull

~~~ -

--~

middot bull

r shy

bull

Ir ~ bull

J~ n--

r

0___- V ______

1amp

~

-

JJlJ J~

I

I bull bull ~

bull

lJ~~r-J

--

1 ~ t bull r t

T -- -

SilJ -- -

71

Fortsetzung Nbsp 6

A

_t

-su - shy

eJ bull IJgt- f~ 11- I

-

t t 1 1

- t I - _

T

bull

~v v 17

-PO bull

bull I

11 bull Ir ~

---shy J ~

bull bull bullL---shyWW~

bull bull ltr~ ~ bullbull ~ ~

t l1li bull a

bullbullbullbull

) bull bull-

-

~ I

~

-

-po

I 1 bull

bull I bull bull

bullbullbullbull

bull bull

-tiTbull

~

-

~ --shy-

--

1 I

J

~ bull bull

72

ten beachtlich der Durchfuumlhrung wird viel Raum gegeben Die Violinstimme ist sparsam ausgesetzt nur verhaumlltnismaumlszligig selten wird ihr thematisches Material uumlbertragen Dennoch bildet sie zusammen nlit dem Klavierpart eine untrennbare klangliche Einshyheit Insgesamt zeichnen sich die drei Sonaten durch einfallsreiche thematische Erfindung aus Besonders zu bezaubern vermag die Sonate in fis-Moll (Op II)

Nbsp 7 Quartett F-Dur 1 Satz Hauptthema

r r r - - r - rr rrrf Dass sich Titz die klassische Schreibweise zu eigen gemacht hat

belegen auch die drei Alexander 1 gewidnleten Streichquartette von 18011802 Am konsequentesten haumllt sich der Komponist an das Schema der Sonatensatzform im Allegro di molto agitato des 3 Quartetts (a-Moll) In der Exposition bringt er das Haupt- und in der parallelen Dur-Tonart das Seitenthema (siehe Nbsp 5) und laumlsst dann eine Durchfuumlhrung und Reprise mit Coda folgen In

73

Nbsp 8 Quartett F-Dur 1 Satz Seitenthema

Ir

I bull bull

lIiiiiiiii

ol LI r4tJ - ~l ~J t J j 11 bull q- tr bullbull bull r I~ t I It-I- It bull It It IJ S

I-

~ - - -shy I I shy - IJ1p - --1J - h~~ Ir I

41-

J J- I wr -

- bull rTJ

f) ~ ~ ~ -iJ--1-- -~t J

~

bullt-1

74

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 31: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

Fortsetzung Nbsp 6

A

_t

-su - shy

eJ bull IJgt- f~ 11- I

-

t t 1 1

- t I - _

T

bull

~v v 17

-PO bull

bull I

11 bull Ir ~

---shy J ~

bull bull bullL---shyWW~

bull bull ltr~ ~ bullbull ~ ~

t l1li bull a

bullbullbullbull

) bull bull-

-

~ I

~

-

-po

I 1 bull

bull I bull bull

bullbullbullbull

bull bull

-tiTbull

~

-

~ --shy-

--

1 I

J

~ bull bull

72

ten beachtlich der Durchfuumlhrung wird viel Raum gegeben Die Violinstimme ist sparsam ausgesetzt nur verhaumlltnismaumlszligig selten wird ihr thematisches Material uumlbertragen Dennoch bildet sie zusammen nlit dem Klavierpart eine untrennbare klangliche Einshyheit Insgesamt zeichnen sich die drei Sonaten durch einfallsreiche thematische Erfindung aus Besonders zu bezaubern vermag die Sonate in fis-Moll (Op II)

Nbsp 7 Quartett F-Dur 1 Satz Hauptthema

r r r - - r - rr rrrf Dass sich Titz die klassische Schreibweise zu eigen gemacht hat

belegen auch die drei Alexander 1 gewidnleten Streichquartette von 18011802 Am konsequentesten haumllt sich der Komponist an das Schema der Sonatensatzform im Allegro di molto agitato des 3 Quartetts (a-Moll) In der Exposition bringt er das Haupt- und in der parallelen Dur-Tonart das Seitenthema (siehe Nbsp 5) und laumlsst dann eine Durchfuumlhrung und Reprise mit Coda folgen In

73

Nbsp 8 Quartett F-Dur 1 Satz Seitenthema

Ir

I bull bull

lIiiiiiiii

ol LI r4tJ - ~l ~J t J j 11 bull q- tr bullbull bull r I~ t I It-I- It bull It It IJ S

I-

~ - - -shy I I shy - IJ1p - --1J - h~~ Ir I

41-

J J- I wr -

- bull rTJ

f) ~ ~ ~ -iJ--1-- -~t J

~

bullt-1

74

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 32: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

ten beachtlich der Durchfuumlhrung wird viel Raum gegeben Die Violinstimme ist sparsam ausgesetzt nur verhaumlltnismaumlszligig selten wird ihr thematisches Material uumlbertragen Dennoch bildet sie zusammen nlit dem Klavierpart eine untrennbare klangliche Einshyheit Insgesamt zeichnen sich die drei Sonaten durch einfallsreiche thematische Erfindung aus Besonders zu bezaubern vermag die Sonate in fis-Moll (Op II)

Nbsp 7 Quartett F-Dur 1 Satz Hauptthema

r r r - - r - rr rrrf Dass sich Titz die klassische Schreibweise zu eigen gemacht hat

belegen auch die drei Alexander 1 gewidnleten Streichquartette von 18011802 Am konsequentesten haumllt sich der Komponist an das Schema der Sonatensatzform im Allegro di molto agitato des 3 Quartetts (a-Moll) In der Exposition bringt er das Haupt- und in der parallelen Dur-Tonart das Seitenthema (siehe Nbsp 5) und laumlsst dann eine Durchfuumlhrung und Reprise mit Coda folgen In

73

Nbsp 8 Quartett F-Dur 1 Satz Seitenthema

Ir

I bull bull

lIiiiiiiii

ol LI r4tJ - ~l ~J t J j 11 bull q- tr bullbull bull r I~ t I It-I- It bull It It IJ S

I-

~ - - -shy I I shy - IJ1p - --1J - h~~ Ir I

41-

J J- I wr -

- bull rTJ

f) ~ ~ ~ -iJ--1-- -~t J

~

bullt-1

74

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 33: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

Nbsp 8 Quartett F-Dur 1 Satz Seitenthema

Ir

I bull bull

lIiiiiiiii

ol LI r4tJ - ~l ~J t J j 11 bull q- tr bullbull bull r I~ t I It-I- It bull It It IJ S

I-

~ - - -shy I I shy - IJ1p - --1J - h~~ Ir I

41-

J J- I wr -

- bull rTJ

f) ~ ~ ~ -iJ--1-- -~t J

~

bullt-1

74

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 34: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

~ I

den Quartetten N r 1 und 2 verfaumlhrt Titz mit der Sonatensatz- form groszligzuumlgiger und verleiht diesen Werken dadurch individuelshyle Zuumlge Im ersten Satz (Allegro) des 1 Quartetts (G-Dur) wird das Hauptthema zunaumlchst VOln Violoncello dann - geringfuumlgig veraumlndert - von der 1 Violine und schlieszliglich - ebenfalls etwas modifiziert von der Viola vorgetragen An das Thema schlieszligen sich Sechzehntelpassagen an die das jeweilige Instrument solishystisch wirkungsvoll hervortreten lassen (siehe Notenbeispiel 6) Erst spaumlt (Takt 79) erklingt in der 2 Violine das verhaumlltnisnlaumlszligig kurze und eines Kontrastes entbehrende Seitenthema Es geht in eine zweitaktige Passage uumlber die sogleich vom Violoncello aufshygegriffen und stark veraumlndert fortgefuumlhrt wird Mit arpeggierten Triolen muumlndet sie schlieszliglich in eine kurze Coda ein

Aumlhnlich verfaumlhrt Titz auch im ersten Satz des 2 Quartetts (FshyDur) Das Hauptthema wird von der 1 Violine das in C-Dur stehende Seitenthema volt Violoncello ausgefuumlhrt An das Seishytenthema schlieszligen auch hier Passagen an die diesmal aus Triolen und Sechzehnteln bestehen und der solistischen Verwendung des Instruments virtuosen Charakter verleihen (siehe Notenbeispiele 7 und 8) Solostellen in der 2 Violine und Viola unterstreichen diesen Eindruck und lassen eine Atmosphaumlre ausgepraumlgter Spielshyund Musizierfreude entstehen Die vier NIusiker erhalten die Geleshygenheit ihr Koumlnnen unter Beweis zu stellen nicht nur hinsichtlich der technischen Perfektion sondern auch hinsichtlich der musikashylischen Gestaltung Bei der Komposition dieser Streichquartette hatte Titz ganz offensichtlich das hohe kuumlnstlerisch-musikalische Niveau seiner Streichquartettkollegen im Auge und es scheint als habe er die Alexander 1 und dem Senator Teplov gewidmeshyten sechs Streichquartette eigens fuumlr sein Ensemble komponiert das er von der 1 Violine aus souveraumln leitete

Die Schlusssaumltze des 1 und 2 Quartetts vermitteln den Einshydruck der Komponist habe einen russischen Volkstanz zu Pashypier gebracht auch wenn entsprechende Volkstanzthemen nicht nachweisbar sind 48 (siehe Notenbeispiele 9 und 10) Die Faumlhigshykeit des deutschen Musikers iIn Stile des russischen Volkslieds und -tanzes zu schreiben und sich dabei melodischer und harshymonischer Ausdrucksmittel zu bedienen wie sie fuumlr die russische

48 Auf dieses Phaumlnomen macht JuV Keldys aufmerksam (vgl Russkaja mushyzyka XVIII veka Moskau 1965 S 399)

75

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 35: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

Nbsp 9 Quartett G-Dur Schlusssatz

bull

musikalische Folklore kennzeichnend sind beweist dass er die Musik seiner Ulngebung in sich aufnahm und befaumlhigt war sie schoumlpferisch zu verarbeiten Mit einem Tanzsatz naumlmlich einer Polonaise (siehe Notenbeispiel 11) schlieszligt auch das 3 Quartett ( a-Moll)

Wenn Titz hinsichtlich der Satzfolge in den einzelnen Quarshytetten auch verschieden verfaumlhrt so bewegt er sich doch immer im Rahmen des klassischen Formschemas Mit einem Adagio (GshyDur) als Einleitung einem Allegro in G-Dur einem Adagio in D-Dur mit Nlittelteil in d-Moll einem Menuett (Allegretto) in

76

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 36: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

F

Nbsp 10 Quartett F-Dur Schlusssatz

Vivace ~ bull

11

bull

Nbsp 11 Quartett a-Moll Schlusssatz (Polonaise)

bull bull bull bull bull bull -

77

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 37: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

--

bull bull

Nbsp 12 Quartett F-Dur Adagio cantabile

Adagio cantabile

Itamp I hshy at ~ ~ ~ 1 -shy l

AI - W ~ ~ bull ~ bull I - t - ~

J - 0 -bullbullbull I

-shy

~

I I - J~ 111

I - I

P r tJ 1~ rmiddot ~ ~

~ bull -bullbull T U

I JJ ~ -shy - shy

h_ rr I1 -r

bull

~ I -shy J -shy I shy Ir IU 11 0 bull 11 I TI T T bull bull I bull bull bull shy r r P W bull tr-~ rfl I f

L_

11) - amp ~ J ~ I

I

78

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 38: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

I F

Nbsp 13 Das von Titz verwendete russische Tanzlied Vy razdajtes rasshystupites dobrye ljudi (aus der Sammlung von V Trutovskij)

Allegro moderato P i -

I

I I

-~ -bull ~~1 - -- r I ~ - - I I

BIIJ~ bull 0middot bullbull Il middot -

u

bullbull H t

bull I

bull -T I I

A Ift Y_

-)

Iro lIetmiddotmiddot

11 L- -

- -----

I- 11( 0- L

I bull I I I

- - CJO - IW pe- n

middot

--1

n G-Dur mit Trio in g-Moll und einem Rondo in G-Dur entspricht das 1 Quartett vollkommen dem klassischen Formschema Im 2 Quartett (F-Dur) fehlt das Menuett Dieses Werk besteht aus eishynem Allegro (F-Dur) einem ausgedehnten langsamen Satz (Adashygio cantabile) in B-Dur (s Nbsp 12) und einem Rondo vivace (F-Dur) Im 3 Quartett (a-Moll) stellt Titz dem ersten Allegroshysatz quasi als Einleitung - ein Siciliano affettuoso voran und bringt als langsamen Satz eine Romance in A-Dur in denen seine lyrischen Ambitionen zum Ausdruck kommen

Im rekonstruierten 1 Quartett (C-Dur) der drei dem Senator Teplov gewidmeten Quartette 49 verwendet der Komponist als Hauptthema das russische Tanzlied Vy razdajtes rasstupites dobrye ljudi (Tretet auseinander macht Platz liebe Leute 50)

49Die Notenbeispiele sind entnommen aus L Jampolskij Russkoe skripicnoe iskusstvo Moskau-Leningrad 1951 S 303ft Die uumlbrigen Notenbeispiele wurden aus den vorliegenden Notendrucken spartiert einige stammen aus dem Buch von Keldys wie Anm 48

sODas Tanzlied ist zu finden in V Trutovskij Sobranie russkich prostych

79

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 39: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

--- -

Nbsp 14 Zitat des Tanzlieds im Quartett C-Dur (Teplov)

--

1 r-1 - I J Jbull shyr I bull bull IeJ

ltj J J lJ J J J - - shy -

- - -I J r j r --shybull 1

- -shy ~ ~ ~ -shy -hr I I h n J

~ l- r I bull I

I

1~

J ~

Nbsp 15 Anklaumlnge an die russische Bauernpolyphonie im C-Dur-Quartett

80

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 40: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

(siehe Notenbeispiel 13) Titz beschraumlnkt sich hier nicht nur auf das Zitieren der Liedmelodie (siehe Notenbeispiel 14) sondern benuumltzt - wie Jampolskij konstatiert 51 - im Seitenthema des ersten Satzes auch Entwicklungs- und Harmonisierungsverfahshyren wie sie fuumlr die sogenannte Bauern- oder Variantenpolyphonie (podgolosocnaja polifonija) typisch sind (s Nbsp 15) Titz beshysondere Befaumlhigung das Wesen der russischen Volksmusik richtig zu erfassen und fuumlr einige seiner Kompositionen nutzbar zu mashychen wurde vom russischen Publikunl begruumlszligt und gewuumlrdigt Dabei geht Fedor Petrovic Lvov (1766-1836) der Direktor der Hofsaumlngerkapelle des Zaren so weit dass er Titz mit Beethoven vergleicht Der geniale Beethoven verwendete in einem seiner Quartette eine russische Nlelodie 52 verdarb sie aber durch seine Gelehrtheit waumlhrend der selige Titz der als Kuumlnstler weit unter Beethoven rangierte seine Musik durch die Verwendung russishyscher Themen verschoumlnt h9-t Das konnte er weil er Russe war [sic] und dem nationalen tussisehen Charakter in seiner Musik treu blieb 53

Stilistisch steht Titz Haydn naumlher als Mozart obwohl er die Quartette des letzteren kannte und einige davon auch spielte Dass aber Titz Schuumller Haydns gewesen sein soll wie es der Pariser Verleger Antoine Bailleux auf den von ihm nachgedruckshyten Stimmen der bei Artaria in Wien erschienenen Six Quatuors vermerkte duumlrfte einer realen Grundlage entbehren und lediglich zu Werbezwecken geschehen sein Haydn hielt sich waumlhrend der fuumlr ein Treffen mit Titz in Frage kommenden Zeit - etwa 1762 bis 1771 - als Kapellmeister der Fuumlrsten Esterhazy vornehmshylich in Eisenstadt und Esterhaz auf und kam nur selten nach Wien Dennoch kann nicht uumlberhoumlrt werden dass Titz in Harshymonik Stimmfuumlhrung und thematischer Erfindung gelegentlich an Haydn erinnert Beim Houmlrer draumlngt sich dann unwillkuumlrlich der Eindruck auf Das haumltte auch Haydn so geschrieben haben koumlnnen Dies betrifft beispielsweise das einleitende Adagio des 1 Quartetts (G-Dur) und den ersten Satz des 3 Quartetts (a-Moll)

pesen s notami hrsg von V Beljaev Moskau 1953 S 47 51 Jampolskij wie Anm 49 S 305 52Bei Beethoven handelt es sich bekanntlich um zwei russische Themen Er

verwendete sie in den Streichquartetten op 59 N r 1 u 2 53FP Lvov 0 penii v Rossii St Petersburg 1834 S 66f

81

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82

Page 41: Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener ... · Ernst Stöckl Anton Titz (1742-1810), ein vergessener deutscher Violinist und Komponist am Hofe der russischen Zarin Katharina

~ bull

aus der Serie der Alexander I gewidmeten Quartette Einen geshywissen Einfluss duumlrfte wohl auch Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831) auf Titz ausgeuumlbt haben dessen Quartette (es gab davon etwa sechzig) Titz kannte und mit seinem Ensemble auch spielte Dieshyse bisweilen zu bemerkende Affinitaumlt zur Kanlmermusik Haydns und Pleyels schmaumllert jedoch Titz Bedeutung als eigengepraumlgte Komponistenpersoumlnlichkeit in keiner Weise

Es unterliegt keinem Zweifel dass es Titz war der sich von allen russischen und den damals in Russland wirkenden auslaumlndishyschen Tonsetzern als erster die klassische Sonatensatzform angeshyeignet und sie in seinen drei Sonaten fuumlr Clavecin und obligate Violine in den drei Alexander I gewidmeten Streichquartetten von 18011802 und moumlglicherweise auch in der dreisaumltzigen Symshyphonie erfolgreich angewandt hat Es spricht weiter nichts gegen die Vermutung dass er sich der Sonatensatzform auch in den drei dem Senator Teplov gewjdmeten zur Zeit leider aber nicht einsehbaren Quartetten bedi~nte Damit fuumlhrte er die russische instrumentale Kammermusik aus der Epoche des Barock und der Friihklassik heraus und naumlherte sie der klassischen Periode an Als Leiter des Kammermusikensembles am Zarenhof auf den sich bis Ende des 18 Jahrhundert die Darbietung neuer lvlusikwerke im wesentlichen beschraumlnkte und der auf diese Weise den Fortgang der musikalischen Entwicklung in Russland getreu widerspiegelshy~~ gebuumlhrt Titz auch das Verdienst die neue vorwiegend aus Osterreich importierte klassische NI usik einem erlesenen Houmlrershykreis vorgefuumlhrt und mit der Zeit am russischen Hofe heimisch gemacht zu haben Das Titzsche Ensemble markiert zudeln den Beginn des professionellen Streichquartettspiels in Russland

82