Ersatzbrennstoffpellets hergestellt aus Restabfällen. …...dort die Kohleverstromung, braucht es...

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UmweltMagazin Oktober - November 2019 32 Zukunft der Ersatzbrennstoffe I n den Kohlekraftwerken Deutsch- lands werden derzeit 1,5 Mio. Tonnen Abfälle mitverbrannt. Dies sind 200.000 Tonnen Klärschlamm (Tro- ckensubstanz), 500.000 Tonnen Faser- abfälle und Schlämme aus dem Papier- recycling, 100.000 Tonnen sonstiger Abfälle sowie 700.000 Tonnen Ersatz- brennstoffe (EBS). Große Abnehmer von EBS sind die Braunkohlekraftwerke Jänschwalde und Schwarze Pumpe in der Lausitz. Dies sind kohlenstoffhalti- ge Abfälle aus der Aufbereitung von Siedlungs- und Gewerbeabfällen aus modernen Aufbereitungsanlagen etwa der mechanisch-biologische Abfallbe- handlung (MBA) oder der mechanisch- physikalische Abfallbehandlung (MPA), die durch Rückgewinnung von Metallen und anderen Wertstoffen ei- nen großen Beitrag zur Kreislaufwirt- schaft leisten. Die MBA- und MPA-Anla- gen entstanden im Ergebnis des Verbots der Mülldeponierung unbehandelter Siedlungsabfälle ab 2005. Für den beschlossenen Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2038 braucht es für diese EBS neue Verwertungswege. Ansonsten können der Betrieb der be- stehenden Anlagen und die notwendi- ge Entsorgungssicherheit der Siedlungs- und Gewerbeabfälle nicht gewährleistet werden. In der deutschen Abfallwirt- schaft steht die „thermische Verwer- tung“ in 66 Müllverbrennungsanlagen (MVA) und mehr als 20 EBS-Kraftwer- ken an zentraler Stelle. Die Müllver- brennungsanlagen sind aber voll ausge- lastet, so dass für die derzeit mitver- brannten Abfälle neue Anlagen gebaut werden müssen. Aktuell werden neue MVA vorbereitet oder geplant, so etwa vom Kohlekraftwerksbetreiber LEAG in Jänschwalde für zirka 480.000 Tonnen EBS und 40.000 Tonnen Klärschlamm pro Jahr oder vom Energieversorger EINS in Chemnitz für 120.000 Tonnen pro Jahr. Das ist nur die Spitze des Eis- bergs. Chinas Exportstopp für Abfälle hat den Entsorgungsnotstand auf die Spitze getrieben. Landauf- und landab werden EBS-Kraftwerke wie Pilze aus dem Boden schießen. Die Planungen sind in vollem Gange. Der politische Rahmen unterstützt die Renaissance der Müllverbrennung: Vor dem Hintergrund, dass der biogene An- teil rechnerisch zu 50 Prozent angesetzt wird, sind die Verbrennungsanlagen bis 2030 vom CO 2 -Emissionshandel be- freit. Ein weiterer Vorteil. Der Strom hat Vorrang bei der Einspeisung ins Strom- netz, das heißt, seine Abnahme ist ga- rantiert. Noch schöner. Die von den Verbrennern aufgerufen Entsorgungs- preise schießen durch die Decke – min- destens 50 € pro Tonne mit stark stei- gender Tendenz. Ein sicheres und at- traktives Geschäft. Eine große Menge an Ersatz- brennstoffen wird in Kohlekraft- werken verfeuert - vor allem in den Braunkohleöfen Jänschwal- de und Schwarze Pumpe. Endet dort die Kohleverstromung, braucht es neue Verwertungswe- ge für diese Brennstoffe. Eine Möglichkeit ist die Vergasung, also das chemische Recycling. Ersatzbrennstoffpellets hergestellt aus Restabfällen. Diese Pellets sind für die Verfeuerung in Braunkohlekraftwerken vorgesehen. Abfall

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UmweltMagazin Oktober - November 201932

Zukunft der Ersatzbrennstoffe

In den Kohlekraftwerken Deutsch-lands werden derzeit 1,5 Mio. Tonnen

Abfälle mitverbrannt. Dies sind 200.000 Tonnen Klärschlamm (Tro-ckensubstanz), 500.000 Tonnen Faser-abfälle und Schlämme aus dem Papier-recycling, 100.000 Tonnen sonstiger Abfälle sowie 700.000 Tonnen Ersatz-brennstoffe (EBS). Große Abnehmer von EBS sind die Braunkohlekraftwerke Jänschwalde und Schwarze Pumpe in der Lausitz. Dies sind kohlenstoffhalti-ge Abfälle aus der Aufbereitung von

Siedlungs- und Gewerbeabfällen aus modernen Aufbereitungsanlagen etwa der mechanisch-biologische Abfallbe-handlung (MBA) oder der mechanisch-physikalische Abfallbehandlung (MPA), die durch Rückgewinnung von Metallen und anderen Wertstoffen ei-nen großen Beitrag zur Kreislaufwirt-schaft leisten. Die MBA- und MPA-Anla-gen entstanden im Ergebnis des Verbots der Mülldeponierung unbehandelter Siedlungsabfälle ab 2005.

Für den beschlossenen Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2038 braucht es für diese EBS neue Verwertungswege. Ansonsten können der Betrieb der be-stehenden Anlagen und die notwendi-ge Entsorgungssicherheit der Siedlungs- und Gewerbeabfälle nicht gewährleistet werden. In der deutschen Abfallwirt-schaft steht die „thermische Verwer-tung“ in 66 Müllverbrennungsanlagen (MVA) und mehr als 20 EBS-Kraftwer-ken an zentraler Stelle. Die Müllver-brennungsanlagen sind aber voll ausge-lastet, so dass für die derzeit mitver-brannten Abfälle neue Anlagen gebaut werden müssen. Aktuell werden neue

MVA vorbereitet oder geplant, so etwa vom Kohlekraftwerksbetreiber LEAG in Jänschwalde für zirka 480.000 Tonnen EBS und 40.000 Tonnen Klärschlamm pro Jahr oder vom Energieversorger EINS in Chemnitz für 120.000 Tonnen pro Jahr. Das ist nur die Spitze des Eis-bergs. Chinas Exportstopp für Abfälle hat den Entsorgungsnotstand auf die Spitze getrieben. Landauf- und landab werden EBS-Kraftwerke wie Pilze aus dem Boden schießen. Die Planungen sind in vollem Gange.

Der politische Rahmen unterstützt die Renaissance der Müllverbrennung: Vor dem Hintergrund, dass der biogene An-teil rechnerisch zu 50 Prozent angesetzt wird, sind die Verbrennungsanlagen bis 2030 vom CO2-Emissionshandel be-freit. Ein weiterer Vorteil. Der Strom hat Vorrang bei der Einspeisung ins Strom-netz, das heißt, seine Abnahme ist ga-rantiert. Noch schöner. Die von den Verbrennern aufgerufen Entsorgungs-preise schießen durch die Decke – min-destens 50 € pro Tonne mit stark stei-gender Tendenz. Ein sicheres und at-traktives Geschäft.

Eine große Menge an Ersatz-brennstoffen wird in Kohlekraft-werken verfeuert - vor allem in den Braunkohleöfen Jänschwal-de und Schwarze Pumpe. Endet dort die Kohleverstromung, braucht es neue Verwertungswe-ge für diese Brennstoffe. Eine Möglichkeit ist die Vergasung, also das chemische Recycling.

Ersatzbrennstoffpellets hergestellt aus Restabfällen. Diese Pellets sind für die Verfeuerung in Braunkohlekraftwerken vorgesehen.

Abfall

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Was bedeutet der MVA-Neubau für das Klima? Die Verbrennung der Abfälle in beiden genannten Anlagen in Sachsen würde zu CO2-Emissionen von etwa 1,4 Mio. Tonnen jährlich führen. Eine Iro-nie der Geschichte, denn die CO2-Emis-sionen pro erzeugter kWh Strom sind zwei- bis dreifach höher im Vergleich zu denen in den deutlich effizienteren, zu-künftig jedoch abgeschalteten Braun-kohlekraftwerken. Hinzu kommen un-vermeidbare Restemissionen der Abgase und toxische Filterstäube. Wenig be-achtet wird, dass MVA im Zuge der Ener-giewende und Industrie 4.0 zu Sonder-müllverbrennungsanlagen „mutieren“, da neue Verbundmaterialien und che-mische Elemente in die Abfallströme kommen, die Gift für MVA sind. Nur um einige zu nennen: Carbon- und Glasfasern-Verbünde, Kunststoff-Me-

tall-Verbünde, Seltene Erden-Metalle, Schwermetalle - also fast das ganze Peri-odensystem. Es ist eine fatale Folge des Kohleausstiegs, dass ein Teil der Kohle-kraftwerkskapazität als Müllverbren-nung ein zweites Leben erhält.

Das chemische Abfallrecycling kann hier die Entsorgungsaufgabe überneh-men und gleichzeitig einen Beitrag zu Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft leisten. Moderne Vergasungs- und Pyro-lyseverfahren ermöglichen ein hoch-wertiges chemisches Recycling zu Roh-stoffen für die chemische Industrie (et-wa Methanol und Olefine als Grundla-ge für neue Kunststoffe) oder für Syn-thesekraftstoffe für die CO2-arme Mobi-lität. Durch Vermeidung der Müllver-brennung und den Ersatz fossiler Roh-stoffe, insbesondere Erdöl, werden die CO2-Emissionen deutlich gesenkt. Das

ist nicht alles. Das Einkoppeln von er-neuerbarem „grünem“ Wasserstoff er-möglicht dreifach höhere CO2-Minde-rungseffekte im Vergleich zur chemi-schen „Wiederbelebung“ von CO2 aus der Müllverbrennung durch Power-to-X (PtX). Auch entstehen beim chemi-schen Recycling im Gegensatz zur Müll-verbrennung keine hochgiftigen Filter-stäube, die als Sonderabfall untertage verbracht werden müssten.

Was ist zu tun, um den aktuellen Hype um MVA zu vermeiden? Abfall darf künftig nicht mehr als Brennstoff „ver-raucht“ werden, sondern muss als se-kundärer Rohstoff zur chemischen Wertschöpfung beitragen. Um chemi-sches Recycling als nachhaltigsten Ver-wertungsweg für die Rückführung von Abfällen in den Kohlenstoffkreislauf zu etablieren, ist die Politik gefragt, die dringend notwendigen Rahmenbedin-gungen in Novellierungen des Kreis-laufwirtschaftsgesetzes und des Verpa-ckungsgesetzes zu setzen. Je schneller die Weichenstellung erfolgt, um so frü-her stehen Alternativen für neue MVA bereit. Denn sie blockieren für die nächsten Jahrzehnte technische Inno-vationen und den Markteintritt des chemischen Recyclings zu Lasten unse-rer Umwelt.

Roh Pin Lee, Bernd Meyer, Ludwig Seidl, TU Bergakade-mie Freiberg, Institut für Energieverfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen, [email protected]

Eine Matrizenpresse zur Herstellung von Er-satzbrennstoff-Pellets. Zu sehen ist die Ma-trize mit entstehenden Pellets.

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Ersatzbrennstoffe lassen sich auf dem Weg der Vergasung chemisch recyceln. Es entsteht Synthesegas, aus dem sich wieder etwa Kunststoffe herstellen lassen. Im Bild: Die FlexiSlag-Vergasungsanlage für Kunststoffabfälle der TU Bergakademie Freiberg.