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Erschienen in: Marlene Landsch, Heiko Karnowski und Ivan Bystrina (eds.), Kultur-Evolution: Fallstudien und Synthese. Frankfurt am Main: Peter Lang 1992, S. 1-65. Was ist Kultur? Zur semiotischen Expllkation anthropologischer Grundbegriffe Roland Posner "(... (Sie haben mJr die Aufgabe anvertraut. über Kultur zu sprechen. Doch das Ist sehr schwierig. denn es gtbt ln der Welt nichts FlüchUgeres als Kultur . Sie läßt sich nicht ln BestandteUe zerlegen. denn deren gäbe es un- endllch viele. Sie lä.ßt sich nicht als Ganzes beschreiben. denn thre Gestalt verändert steh proteusartlg. Jeder Versuch. sie zu begreifen, Ist wie ein Griff ln die Luft: Man findet sie Immer an anderm Ort als zwischen den eigenen Flngern.•l Das sagte vor einem halben Jahrhundert der Universitätspräsident von Har· vard. A. Lawrence Lowell. 1n einem Vortrag mit dem Titel " Culture" (I 934. S. 1151. Das Problem. von dem er sprach. Ist jedem geläufig. der sich mit Kul- tur beschäftigt. Es schlägt sich auch ln der Terminologie nieder. Wie Norbert EUas (1939. Bd. L. S. 2- I 0} nachweist. hat die notortsehe Unbestimmtheit der Begriffe "Kultur" und "ZlvUlsatlon" Generationen von Europäern dazu verführt . Ihnen einseitige nationale oder soziale Deutungen aufzuprägen. So bekamen es die französisch sprechenden Adligen, die sich selbst als "les gentllhommes bezeichneten. seit dem 18. Jahrhundert ln Mitteleu- ropa mit dem deutschen Bürgertum zu tun , das sich als "die gebUdete Schicht" verstand: und den "Western ClvUizatlons" der Engländer und Fran- zosen glaubten Deutsche und Russen sich 1m 19. Jahrhundert als die "Kultumatlonen" entgegenstellen zu müssen. I Fremdsprachige Zitate werden hier und Im folgenden ln meiner eigenen Überset- zung wiedergegeben IR.P.). - Der vorHegende Text Ist die Originalfassung der Abhandlung. die leicht verkürzt auf engUsch erschienen Ist unter dem Titel ''What ls Culture? Toward a Semlotlc Expllcatlon of Anthropologlcal Concepts" ln: Koch, W. A. (Hg. ): The Nature of Culture. Bochum 1989. S. 240-295. Eine stark verkürzte und 1n der Einleitung verloderte Verston findet sich ln : Assmann. A. und Harth, 0. (Hgg.l: Kultur als Lebenswelt und Monument. Frankfu rt 1991. S. 37-74.

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Erschienen in: Marlene Landsch, Heiko Karnowski und Ivan Bystrina (eds.), Kultur-Evolution: Fallstudien und Synthese. Frankfurt am Main: Peter Lang 1992, S. 1-65.

Was ist Kultur? Zur semiotischen Expllkation

anthropologischer Grundbegriffe

Roland Posner

"( .. . (Sie haben mJr die Aufgabe anvertraut. über Kultur zu sprechen. Doch das Ist sehr schwierig. denn es gtbt ln der Welt nichts FlüchUgeres als Kultur. Sie läßt sich nicht ln BestandteUe zerlegen. denn deren gäbe es un­endllch viele. Sie lä.ßt sich nicht als Ganzes beschreiben. denn thre Gestalt verändert steh proteusartlg. Jeder Versuch. sie zu begreifen, Ist wie ein Griff ln die Luft: Man findet sie Immer an anderm Ort als zwischen den eigenen Flngern.•l

Das sagte vor einem halben Jahrhundert der Universitätspräsident von Har·

vard. A. Lawrence Lowell. 1n einem Vortrag mit dem Titel "Culture" (I 934. S.

1151. Das Problem. von dem er sprach. Ist jedem geläufig. der sich mit Kul­tur beschäftigt. Es schlägt sich auch ln der Terminologie nieder. Wie Norbert EUas (1939. Bd. L. S . 2- I 0} nachweist. hat die notortsehe Unbestimmtheit der Begriffe "Kultur" und "ZlvUlsatlon" Generationen von Europäern dazu verführt. Ihnen einseitige nationale oder soziale Deutungen aufzuprägen. So bekamen es die französisch sprechenden Adligen, die sich selbst als "les gentllhommes clvUls~s· bezeichneten. seit dem 18. Jahrhundert ln Mitteleu­ropa mit dem deutschen Bürgertum zu tun, das sich als "die gebUdete Schicht" verstand: und den "Western ClvUizatlons" der Engländer und Fran­zosen glaubten Deutsche und Russen sich 1m 19. Jahrhundert als die "Kultumatlonen" entgegenstellen zu müssen.

I Fremdsprachige Zitate werden hier und Im folgenden ln meiner eigenen Überset­zung wiedergegeben IR.P.). - Der vorHegende Text Ist die Originalfassung der Abhandlung. die leicht verkürzt auf engUsch erschienen Ist unter dem Titel ''What ls Culture? Toward a Semlotlc Expllcatlon of Anthropologlcal Concepts" ln: Koch , W. A. (Hg. ): The Nature of Culture. Bochum 1989. S . 240-295. Eine stark verkürzte und 1n der Einleitung verloderte Verston findet sich ln : Assmann. A. und Harth, 0. (Hgg.l: Kultur als Lebenswelt und Monument. Frankfurt 1991. S. 37-74.

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2 Roland Posner

Nicht Immer war der Kulturbegrtff Jedoch nur eine Waffe Im Klas­senkampf und Im Gefecht chauvinistischer Ideologien. Es gab auch elne

Zelt. 1n der er zur Charakterlslerung des gemeinsamen Gegenstands der Geistes- und Sozialwissenschaften benutzt wurde und als zentraler Be­zugspunkt der wissenschaftstheoretischen Reflexton diente (vgl. RJckert

1899). ·Seither haben wtr Jedoch das Auseinanderfallen der kulturbezogenen

Wissenschaften 1n speziallalerte Etnzeldlszlpllnen erlebt und waren Zeugen des Sehesterns von VIelerlei Versuchen, sie nachtragJJch wieder zu "Oelstes-•. "Sozial-". "Human-", "GeseUschafta-" oder "Orlentlerungswissenschaften" zu­

sammenzufassen. Erst 1n den achtziger Jahren unseres Jahrhunderts Ist diese Diskussion wieder 1n eln Stadium eingetreten, 1n dem es slnnvoU er­

scheint. darüber nachzudenken, ob "Kultur• sich als zentraler Begriff der

Wlssenschaftstheor1e eignet und ob dieser Begriff mit den Mitteln der heuti­gen Wissenschaften expliziert werden kann. Der vorJJegende Aufsatz Ist die­ser Frage gewidmet. Er untersucht auf dem Hintergrund der Geschichte des

Wortes "Kultur" zwei grundlegende Alternativen, die heute für eine Explika­tion des Kulturbegriffs zur Verfügung stehen.2

2 Es ~bt VIele Autoren. die die Geschichte der BegrUre Kultur und ZlvtltaatJon nach­zeichnen. Allgemeine Übersichten geben Eucken 1878, S. 187ft .. Barth 1897, S. 597-613, Weber 1920, Tonnelat 193~. Niedermann 1941. Baur 1952. Kroeber und Kluckhohn 1952, Schneider und Bonjean 1973, ~n~ton 1975, Steinbacher 1976, Europäische Schlüsselwörter 1976 und Goudabiom 1980, S. 61-86.

Die Entwicklung 1n Frankreich und Deutacblaod behandeln EUu 1939. Bd. I , S. 1-64 und S. 302-306, Hutztnga 1954 und HeU 1981: apezjeU über England schreibt CoweU 1959. S. 237-348: Ober die Vere1ntgten Staaten Informieren Era:mJUs 1953, Stnger 1968, Harns 1968, Oeertz 1973, Willlama 1976, Umlker­Sebeok 1977 und SchwtnÜner 1986.

Auf die Verwendung der belden BegrUfe 1m Rahmen der phlloeophtachen und philologischen TradltJon geht Begby 1968, S. 72ft'. ein. Andere 1n diesem Zu­sammenhang aufschlußreiche Untersuchungen alnd: Amold 1869, Pawye 1929, Freud 1930, Ortega 1933, Jaeger 1934, Ebot 1948 und Hutzlnga 1954.

Aus matenaltattscher Perspektive Wird der Kulturbegrtfl' behandelt 1n Haug und Maase 1980.

Eine biologische FragesteDung diskutieren Lorenz 1975. Donner 1980 sowte Dawklns 1976 und 1982, Cavalli-Sforza und Feldmann 1981 , Lumsden und Wll­son 1981 und 1983.

Was Ist Kuttur? 3

1. Geachlchte

1.1 Von der Antike zur Aufklärung

Die theoretische Reflexion über Kultur und die Verwendung des Wortes "Kultur" läßt sich bis zu dem römischen PhUosophen Mc>.rcus Tulllus Cicero

zurückverfolgen. Ausgangspunkt für selne Überlegungen war die Tätigkelt

des Bauern ("agr1 cultura"): die KultlvJerung des Landes durch das Anbauen von Pflanzen und das Hegen von Tieren. Auch die Pflege des menschlichen

Körpers ließ sich nach diesem Muster verstehen. Cicero stellte Ihr die Pflege

des Geistes gegenüber und setzte diese mit der Tätigkelt des Philosophen gleich: "Cultura anlmJ phllosophla est" ("POege des Geistes Ist Philosophie"),

sehrleb er 1n selnen Tusculanae Dlsputatfones (2: 5. 13). Die Rede von der

"cultura anlmJ" machte ebenso wie die von· der "agr1 cultura" nur Sinn. wenn man "cultura" als Prozeß verstand, dem ein Naturgegenstand. ein Mensch oder eine Gruppe von Menschen unterzogen wird. Die Nähe dieses Prozesses

zu dem der Erziehung und BUdung (gnechlsch "paldela", vgl. Jaeger I 934)

Ist unverkennbar. Clceros Überlegungen waren bereits seit langem ln das kollektive Ge­

dächtnis der europäischen Völker eingegangen. als 1800 Jahre spä ter ein

ostpreußischer Pfarrernamens Johann Gottfrted Herder (1744-1 803) s ie

wieder aufnahm und 1n seinen Ideen zur Philosophie d er Geschichte d er

Menschheit (1784-1791) welterführte.3 Auch Herder verstand unter "Cultur"

einen Prozeß. doch gab er Ihm einen neuen Slnn. Indem er Ihn mit d em

zentralen Ziel seiner Epoche, der Aufklärung gleichsetzte:

"Wollen wtr diese zweite Genesis des Menschen, die sein ganzes Leben durchgeht. von der Bearbeitung des Ackers Cultur. oder vom Bilde des Uchtes Auflddrung nennen. so steht uns der Name frei. die Kette der Cultur und Aufklärung retclit aber sodann ans Ende der Erde" IHerder 1784-9 1.

Bd. 9, S. 1 "Suphan Bd. 13. S. 348).

Nach Herder werden die menschJJchen Fähigkelten durch Kultur und Auf­

klärung von Generatton zu Generatton weiter entwickelt. Doch kann das nur

3 Zwei Jahre vor Herder hatte Johann Chrlstoph Adelung ( 1782) einen Versuch ei­ner ~schichte der Cultur des menschlichen ~schlechts veröffentlicht: vgl. auch Adelung 1793 .

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4 Roland Poaner

geschehen. wenn die resultierende "Kette der Kultur und Aufklärung" nicht

unterbrochen wird: Kultur beruht auf Tradition.

Der entwicklungsbezogene KulturbegrUf Herders setzte steh 1n allen eu­

ropäischen Sprachen durch. Er wurde Im akademischen Bereich seiner wertenden Aspekte entkleidet und besttmmte 1n dieser Form auch den Fra­

gehorizont einer stetig zunehmenden Zahl von wissenschaftlichen DtszlpU­

nen, die steh die Untersuchung von Kulturerscheinungen zur Aufgabe

machten: PhUosophte. Universalgeschichte, Archäologie, Ethnologie

(Völke'rkunde). Ethnographie (Volkskunde), PhUologle. Anthropologie. Biolo­

gie, Psychologie, Sozialpsychologie, Soziologie und Semiotik. Es Ist unmög­

Uch. t.Jer alle Charaktertsterungen von Kultur anzuführen, die ln diesen Dis­ziplinen vorgeschlagen worden sind, denn jede legt Wert auf andere Aspekte.

Es gibt jedoch zwei WISsenschaften. die beanspruchen, nicht nur besondere

Aspekte von Kultur zu untersuchen, sondern Kultur als elnhettUche Er­scheinung zu Ihrem Gegenstand zu machen: die Anthropologie und die Se­

miotik. Ihr Zugang zu diesem Gegenstand soll 1m folgenden vergleichend analysiert werden. ·

1.2 Aufgaben der Anthropologie

Nach elnc..r langen Reihe von Culturgeschlchten. die 1m Anschluß an Herder

geschrieben wurden. verOffentUchte Qustav E . Klemm ( 1802-1867) 1n den

Jahren 1843 bis 1852 nicht r_tUr eine Allgemeine Culturgeschlchte der

Menschheit ln 10 Bänden, sondern Ueß auch eln zweihändiges Werk mit dem Titel Allgemeine Cultun.vlssenschaft ( 1854-55) folgen. Im ersten Band seiner Culturgeschlchte erläutert Klemm seine Fragestellung wie folgt:

"Der Standpunkt. den Jcb mir ersucht habe, Ist( ... ) weder der polJUsehe der Menschheit tn Ihrem VerhAltnisse zum Staate, noch der llterarlsche. der artlsUsche, der antlquartsche, der gewerbUcbe. - sondern mein Versuch ge­het dahin, die allmällge Entwickelung der Menschheit von den rohesten. an dJe schwächste Ktndhelt. ja an alles thlertsche Wesen grAnzenden Uranfän­gen bis zu deren Gllederung ln organlache Volkskörper nach allen Richtun­gen. also ln Bezug auf Sitten, Kenntnisse und FerUgketten, häusllches und ölfentllches Leben ln Frieden und Krteg. RellgJon. Wissen und Kunst. unter den tn Cllma und Lage von der Vorsehung dargebotenen VerhAltnissen zu erforschen und nachzuweisen.• ( 1854-55, Bd. 1. S. 211

Was Ist Kultur? 5

Diese heterogene Liste verschiedenartigster Erscheinungen benutzt Klemm.

um den BegrUf der "Cultur" zu kennzeichnen. Sie findet steh fast wörtUch

wieder tn einem Buch des engUschen Ethnographen Edward B. Tylor aus

dem Jahre 1871. das zum Ausgangspunkt der angloamerikanischen Anthro­

pologie werden sollte. Dort helßt es auf Seite I :

"Kultur oder Zlvtllsatlon 1n weitestem ethnographischen Sinne Ist jenes komplexe Ganze. welches Wissen. Glauben. Kunst. Moral. Gesetze. Bräuche und alle anderen Fähigkelten und Gewohnheiten umfaßt. dJe der Mensch als Mttglled der GeseUschaft erwirbt."

Aufgrund dieser Charaktertslerung dessen, was das Ganze einer jeden Kul­

tur ausmacht. konnte Tylor steh der vergleichenden Untersuchung be­

stimmter Kulturen widmen. Hunderte von Anthropologen haben seinen An­satz übernommen und versucht. seine Kulturdefinition :w systematisieren.

Ihre Bemühungen bis ln die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts sind über­

sichtlich dokumentiert ln der Crttlcal Review of Concepts and Deflnlt1ons of

"Culture" von Kroeber und Kluckhohn aus dem Jahre 1952.

1.3 Aufgaben der Semiotik

Die Semiotik hat die Kultur als Ganzes erst ein halbes Jahrhundert nach

Tylor zu ihrem Untersuchungsgegenstand gemacht. Ernst Casstrer ( 1874-

1945) war es. der diese Aufgabe 1923 1n der Einleitung zum ersten Band

seiner Philosophie der symbolischen Fonnen ( 1923-29) formuUerte:

"Die PhUosophle Ist sich lm Verlauf Ihrer Geschichte der Aufgabe elner ( .. . 1 Analyse und Kritik der besonderen Kulturformen lmmer mehr oder weniger bewußt geblieben: aber sie hat zumeist nur Telle dieser Aufgabe. und zwar mehr 1n negativer als ln posltlver Absicht. dlrekt ln Angriff genommen. Dtr Bestreben gtng tn dieser Kritik häußg weniger auf dJe Darstellung und Be­gründung der poslUven Leistungen Jeder Elnzelform. als auf die Abwehr falscher Ansprüche.• (1923-29. Bd. 1. S. 121

Eine angemessene Darstellung und Begründung der poslUven Leistungen

jeder symboUschen Form Ist ~ach Casstrer nur mit Hilfe der Wissenschaft zu erreichen. die er "Symbolik" oder "Semiotik" nannte. Indem die Semiotik eine

Darstellung der symboUschen Formen liefert. "ln der alles wahrhaft strenge

I

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6 Roland Poener

und exakte Denken erst seinen Halt ftndet" (Bd. I. S. 18). kann sie auch für jede Kultur nachweisen. daß diese mehr Ist als ein zusammenhangloses Konglomerat von symboUschen Formen. sondern eine einhellliehe Manife­station des menschUchen Oelstes:

"Mehr und mehr zeigt ( . .. J sich (der Oelatl jetzt ln seinen eigenen Schöpfun­gen - ln den Worten der Sprache. ln den Bildern des Mythos oder der Kunst. ln den Intellektuellen Symbolen der Erkenntnis • befangen. dJe sich gleich einem zarten und durchslchUgen, aber nichtsdestoweniger unzerreißbaren Schleier um Ihn legen. Die elgenWche, dJe tiefste Aufgabe ( ... J scheint eben darin zu bestehen. diesen Schleier aufzuheben.( ... ) (Erst damit Ist das Ziel. I gegenüber der VIelheit der Außerungen des Geistes die Einheit seines We­sens zu erweisen. ln einem neuen Sinne erfüllt." (1923-29. Bd. l. S. 50f. )

Nach Casslrer (vgl. auch Casslrer 1944) haben viele andere Semlotlker die Kultur zum zentralen Gegenstand der Semiotik erklärt. unter lhnen Boga­tyrev (1936. 1971), Mukarovsky (1936, 1974. 1977. 1978) und Jakobson (1953. 1968. 1975) vom Prager Kreis, Lotman (1967. 1970-73. 1981. 1985, 1989) und Lotman. Uspensklj . lvanov, Toporov und Platlgorsklj (1975) vom Moskau-Dorpater Kreis sowie ln Westeuropa Barthes (1964), Grelmas ( 1966. 1970), Bense (1967). Rossi-Landl (1968. 1975), Eco (1975. 1976), Segre (1977, 1979. 1980. 1984) und andere.

Um die Konsequenzen des anthropologischen und des semiotischen An­

satzes ln der Kulturanalyse prüfen zu können, empfiehlt es steh. die Grund­begriffe einer auf den heutigen Stand gebrachten semiotischen Theorie mit denen der anthropologischen Theorie zu vergleichen.

2. Sy.tematllt

2 .1 Grundbegr11Je der Semiotik

Gegenstand der Semiotik sind Semlosen, d.h. Prozesse. in denen Zeichen auftreten. Nach allgemeiner Auffassung sind folgende Faktoren an einer Se­mlose beteiUgt:

Ein Sender. der einem Adressaten eine Botschaft übermJtteln w111, sorgt dafür. daß er durch ein Medium mit Ihm verbunden Ist. Er benutzt einen passenden Kode und wählt aus Ihm ein Slgnljlkat (eine Bedeutung). aus dem die Botschaft konstrulerbar Ist. Da das Signifikat durch den Kode mit einem

Was Ist Kultur? 7

entsprechenden Signifikanten verbunden Ist. produziert der Sender schieß­

lieh ein Zeichen. das diesen Signifikanten reallslert.4 Wenn alles verläuft. wie vom Sender beabsichtigt. nimmt der Adressat

durch das Medium das Zeichen wahr und erkennt ln Ihm einen SlgntOkan­ten . der lhm aufgrund des Kodes auf ein Signifikat verweist. Aus dem Stgnt­Okat rekonstruiert er mit Hllfe des Kontextes der betreffenden Situation die

Botschaft.

JI:ONTEXT

Botschaft rtKode

Signifikat Empfänger I Signifikant - • -

Zeichen

Sender

~

Abb. 1: Oie Faktoren der SemJose. Bezeichnungen von Faktoren. deren Betetilgung für das Stattfinden einer Semtose notwendig und hinreichend sind. s ind unterstrichen. Der linke PfeU zeigt dJe Reihenfolge der Entscheidungen des Senders an, der rechte Pfetl die des Empfängers.

Als Belspiele für Semlosen. an denen alle erwähnten Faktoren beteiligt stnd, nehme man die Produktion und Rezeption einer sprachlichen Äußerung (Saussure 1916). die MltteUung einer Botschaft durch emblematische Gesten

4 Anmerkung zur Termtnologle: Die hier und Im weiteren befolgte Unterscheidung zwischen "Semtose" ("Zelchenprozeß". "semJoslscher Prozeß"l und "Semiotik" I"Zelchentheorte", "semJotlsche Theorie") geht auf Morrls (1946. S. 353 f .. bzw. 1973, S. 241 I zurück. der Semiotik als diejenige DlszlpUn definierte. die Semlosen untersucht. - Der Terminus "Zeichen" wtrd hier 1m Sinne von "Zelchenträger" (Morrls 1938) bzw. "Signal" (Prleto 1966 und 1975) gebraucht. Slgntilkant und Slgnlßkat zusammengenommen sind. was Prteto als "Sem" bezeichnet. Der Ter­minus "Sender" wtrd hier nicht. wie ln der Informationstheorie übllch. bloß als "QueUe" des Zeichenprozesses verstanden: um als Sender eines Zeichenprozesses zu. fungteren. muß jemand nicht nur ein Zeichen produzieren. sondern auch eine Absicht haben. nämlich die, einem Adressaten mtt dem Zeichen eine Botschaft

mttzutetlen.

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8 Roland Posner

(Ekman und Friesen 1969) und die Bedienung und Befolgung von Ver­kehrsampeln (Prieto 1966). Zeichenprozesse dieser Art werden von Buyssens (1943) und Mounln (1970) als Kommunlkatlon und von Prieto (1966, 1975) als Semhandlungen ("actes s~mlques") bezeichnet.

Doch Ist auch mit senderlosen Zeichenprozessen zu rechnen, bel denen der Adressat bloß als Empfänger auttntt. etwa wenn jemand einen Sachver­

halt als Symptom für einen anderen Sachverhalt ansieht. Belspiele sind die roten Punkte auf der Haut, die ein Arzt als Zeichen für Masern Interpretiert, oder dlt SUhouette einer Person mit einem Rock. die ein Mitteleuropäer als Zeichen für eine Frau lnterpretlert. In belden Fa.Ilen haben wir es zu tun mit e inem Medium (dem Licht). das ein Zeichen (die Rötung der Haut; die Form der Silhouette) transportiert, welches einen Signifikanten (das Muster der

I . roten Punkte; den Rock) realJslert; es gibt einen Kode. aufgrund dessen der Signifikant mit einem Slgnlßkat ('Masern': 'Frau') korreUert Ist. welches ln dem gegebenen Kontext Grundlage für den Schluß auf eine Botschaft Ist ('der Organismus mit der Rötung der Haut hat die Masern': 'die Silhouette Ist die einer Frau'). Aber es gibt niemand, der diese Zeichen abslchtUch hergestellt hat. es gibt keinen Sender.

Neben senderlosen Semlosen haben wlr auch kodelose Semlosen 1n Be­tracht zu ziehen. Es handelt sich um Zelchenprozesse. ln denen der Emp­fänger sich bei der lnterpretatlon des Zeichens nicht auf eine konvenUoneUe oder angeborene Standardverbindung zwischen einem Slgnlßkanten und ei­nem Slgnlßkat stützen kann. Als Belspiele für senderlose Semlosen, die auch ohne Kode funktionieren, denke man an das kratzende Geräusch Im Konfe­renzsaal, das vom Publikum als Zeichen dafür genommen wird, daß das MI­krophon ln Betrieb Ist, oder an den Fußgänger auf der Mitte der Haupt­straße. der an einer unübersichtlichen Kreuzung von dem Autofahrer ln der Seltenstraße als Zeichen dafür genommen wird, daß auf diesem TeU der Hauptstraße gegenwärtig kein sehneUer Verkehr ßleßt. In diesen belden Fällen haben wtr es Wieder zu tun mit einem Medium (der Luft Im Konfe­renzsaal: dem Licht auf der Straße), mit einem Zeichen (der Tatsache, daß ein Fußgänger auf der Mitte der Hauptstraße geht), mit elner 1Botschaft ('das Mikrophon Ist ln Betrieb': 'auf diesem TeU der Hauptstraße ßleßt gegenwärtlg kein schneller Verkehr'), mit Empfängern (den Leuten Im PubUkum: dem Autofahrer ln der Seitenstraße) und mit einem Kontext (der Konferenz: der unüberslchUlchen Straßenkreuzung): doch fehlt ein Sender, und es gibt auch keinen gültigen Kode, der 1n vorher festgelegter Welse Slgnlßkanten mit Slgnlßkaten korreliert.

Wu lat Kultur? 9

Die Beteiligung eines Senders setzt weder die Beteiligung eines Kodes voraus noch umgekehrt. Es gibt senderlose Zelchenprozesse. die durch einen Kode geregelt sind. wie das Diagnostizieren einer Krankheit aufgrund der vorhandenen Symptome oder das Einordnen eines llegengebUebenen Kleidungsstücks als Rock oder als Jackett. Und es gibt kodelose Zelchenpro­zesse, die etn Sender abstehtlieh herbeiführt, um etne Botschaft mltzutellen. wie das Nachahmen der zumlUgen Körperbewegungen einer Frau durch einen Mann, der welß. daß sle herschaut, und Ihr seine Sympathie zum Ausdruck brtngen möchte.

Für unsere gegenwärtigen Zwecke sind keine weiteren Differenzierungen erforderlich. und so können wir zusammenfassend die folgenden Typen von Semlose definieren:

1. Wenn an einer Semlose ein Sender beteiligt Ist. der ein Zeichen produ­ziert, um damit einem Adressaten eine Botschaft mitzuteilen. so Ist das be­treffende Zeichen etn kommunikatives Zeichen; wenn es dem Adressaten ge­lingt. aufgrund des Zeichen die Botschaft zu rekonstruieren, so nennen wir die Semlose "Kommunikation". Kommunikation kann ohne Slgnlflkanten und Signifikate stattfinden. nicht aber ohne Sender und Adressaten, Zeichen und Botschaften. Medien und Kontexte.

2. Wenn an einer Semlose ein Kode (eine Standardverbindung zwischen Signifikanten und Signifikaten) betelUgt Ist, Ist das betreffende Zeichen ein slgnljlkattves Zeichen: wenn es einem Empfänger gelingt, a ufgrund des Zei­chens eine Botschaft zu rekonstruieren. so handelt es sich bel der Semlose um Slgnljlkatton. Slgnlßkatlon kann ohne Sender und Adressaten stattfin­den. nicht aber ohne Zeichen und Botschaften, Signifikanten und Slgnlß­kate, Empfänger, Medien und Kontexte.

3. Wenn an einer Semlose kein Kode beteUlgt Ist, Ist das betreffende Zei­chen ein Indikatives Zeichen: wenn es einem Empfänger gelingt. aufgrund des Zeichens eine Botschaft zu rekonstruieren, so handelt es sich bel der Semlose um Indikation. Indikation kann ohne Slgntnkanten und Slgntnkate und ohne Sender und Adressaten stattfinden . nicht aber ohne Zeichen und Botschaften, ohne Empfänger. Medien und Kontexte.

lndlkatlve Zeichen werden auch "Anzeichen" genannt. Wie aus Abbildung 2 und den oben skizzierten Belspielen hervorgeht. kann Kommunlkatlon sich sowohl lndlkatlver als auch slgnlßkaUver Zeichen bedienen. Doch Ist Indikation und Slgnlßkatlon auch außerhalb von KommunlkaUon. d.h. ohne Betelllgung eines Senders. möglich. Die lndlkatlon Ist der grundlegende Se­mlosetyp für Menschen und andere Primaten. Sie kann alle in für sich

, ....

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10 Roland Poener

auftreten. wie beim Ziehen von Folgerungen aus Naturereignissen. sie kann aber auch bel jeder Slgnlftkatlon und Kommunikation HUfsfunktionen übernehmen; man denke nur an die Anzeichen, die der Kontext Uefert für die Deutung einer mündUchen Äußerung oder für die Auslegung eines schrlftUchen Textes 1m Llteraturbetrteb oder 1m Rechtswesen. Trotzdem Ist festzuhalten. daß die Indikation der einfachste der drei Semlosetypen Ist. denn sie kommt mit den fünf Faktoren der Semlose aus, deren Bezeichnungen ln AbbUdung l unterstrtchen sind.

lieH· senio!isclle Prozesse

Abb. 2: Die Beziehung zwtac~en Kommunikation, StgntflkaUoo und Indikation.

Welche Zwecke #haben die so deftnierten Zeichenprozesse für die Zelchenbenutzer? Diese Frage wird 1m allgemeinen durch die Unterscheidung der kognitiven von der Interaktiven Funktton der Zeichen beantwortet. Wer etwas als . Anzelche~ (Indikatives Zeichen) für etwas Interpretiert, dem geht es prlmAr um einen kognitiven Zweck, denn er bemüht steh, einen Sachverhalt zu erkennen. Wer ein kommunikatives Zeichen produziert oder Interpretiert. dem geht es prlmAr um einen Interaktiven Zweck, denn er bemüht steh um angemessenes Verhalten

j

I l I

I I I I

We Ist Kultur? 11

gegenüber jemand anderem. Nur slgnlftkatlve Zeichen scheinen für belde

Zwecke gleich gut geeignet. Allerdings kann man eine Semlose mit primär Interaktiver Funktion auch um eines kognitiven Zweckes wtllen vollziehen. wie bel Wissenschaftlern, die sich über die Ergebnisse Ihrer Forschung unterhalten. Und umgekehrt kann man eine Semlose mit kognitiver Funktion zur Verbesserung der Interaktion benutzen. wte bel Handelspartnern. die alles über Ihre gegenseitigen Vorlieben ln Erfahrung bringen. um aufgrund dieses Wissens schließlich zu einem vorteUhaften Handel zu kommen. Diese Beziehungen zwischen der primären und der sekundären Funktton der drei Semtosetypen sind ln AbbUdung 3 dargestellt.

Sekundäie Fuilktion

Primäre Funktion

Semiosetyp

Kognitiox· . ..it ognition durch ndikation ~.w d. ~ s· ' liik · "' 1gru auon

t;#'. Interaktion teraktio durch Kommunikation

Abb. 3: Typen der Semtose und Ihre Funktionen.

Semiose· struktur

(erfordert Kode)

(erfordert Sender)

Abschließend sei darauf hingewiesen. daß der Gegenstand der Semiotik. die Semtose mitsamt den für sie notwendigen und hinreichenden Faktoren. auch die Kriterien für eine EtnteUung der Semiotik tn Telldisziplinen abglbt5:

(a) Dle Pmgmattk untersucht dle Bedingungen. die Jemand erfüllen muß. um 1n einer Semtose etnem Zeichen eine Botschaft zuordnen zu können; Ihr Ge­genstand Ist der Zeichenbenutzer (Sender. Adressat oder Empfi\ngerJ und

dessen Beziehungen zu den anderen Faktoren der Semtose.

5 Genaueres über diese Dreiteilung und Ihre Verhältnis zu anderen Eintellungen findet der Leser ln Posner 1979 und 1986.

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12 Roland Poener

(b) Die Semantik untersucht die Bedingungen, die etwas erfüllen muß, um tn einer Semlose a1s Bedeutung eines Zeichens auftreten zu können: Ihr

Gegenstand Ist das Slgnlßkat und dessen Beziehungen zu den Slgnlftkanten.

(c) Die Syntaktik untersucht die Bedingungen. dle etwas erfüllen muß, um ln

einer Semlose auf ein Slgnlßkat verweisen zu können: Ihr Gegenstand Ist der

Signifikant und seine Beziehungen zu anderen Slgnlßkanten.

2.2 Grundbegriffe der Anthropologie

Gegenstand der Anthropologie sind kulturelle Sachverha1te (vgl. Montassler

1980). Diese werden ~ber gewöhnUch 1n langen Listen mit wechselnder Ter­

minologie aufgezählt, denn die Anthropologen haben sich bis heute nicht

darauf geeinigt. was alles a1s kultureller SachverhaJt anzusehen Ist (vgl.

GodeUer 1977, S. 25). Desha1b Ist es nicht mögUch, hier eine mlnlma1e Be­

schreibung eines kulturellen Sachverha1ts zu geben, die der oben gegebenen

minimalen Beschreibung einer Semlose entspre~hen würde.

Immerhin besteht heute ein genügendes Maß an Einigkelt über die Tell­

dlszlpUnen der Anthropologie, deren Gegenstandsbereiche und deren ele­

mentare Gegenstände. Danach läßt sich die Anthropologie 1n Sozlalanthro­

pologle, Materlaianthropologie und Kulturanthropologie elnteUen.6

6 Diese Elntellung Ist als vollstAndJge Disjunktion gedacht~ Alle anderen Wis­senschaften, die als TelldJszlpllnen der Anthropologie betrachtet worden sind, lassen sich einer oder mehreren der drei hier besprochenen TelldJazlpllnen unter­ordnen. Die Ungulstlk Ist ein Te'll der Kulturanthropologie: dJe Archäologie Ist durch besondere Methoden gekennzeichnet und somit eine SpeztaUsterung der Anthropologie. dJe quer zu den drei ·Telldlsztpllnen Sozial·, Material- und Kul­turanthropologie steht. Weniger leicht lauen alch dJe Beziehungen zwischen die­sen drei Telldisziplinen und der phyalkallschen Anthropologie angeben. die sich mit der anatomischen und physlologtschen Aueetattung 'der Menachen und mit Ihrer RassenzugehortiJcelt beachAftlgt. Ohne dJe phyalschen Etgenachaften der Menschen wäre dJe Entwtcldung von Kultur zWar nicht möglJch geweaen, doch hat dJe Kultur diese Elgenachaften auf vtelerlel Art verAndert.1 Dleae Problematik wtrd heute Im Rahmen der Sozloblologte behandelt (vgl. Dawklna 1976 und 1982 sowte Lumsden und WUson 1981 und 1983), und daher empfiehlt alch auch Ihre Einbeziehung 1n dJe Sozlalanthropologle. Die ökonomische Anthropologie. die steh mit den wtrtschaftllchen Voraussetzungen der Entwicklung von Kultur be­schäftigt, Ist tells der Sozialanthropologie und teUs der Matertalanthropologie zu­zuordnen (vgl. Godeher 1973. S. 150'.). • Zu weiteren SpezlaUslerungen der An­thropologie vgl. Mühlmann 1948, Harrte 1968 und Vlvelo 1978.

Wu Ist Kultur? 13

{a) Gegenstand der Sozla1anthropologle Ist die sozla1e Kultur. d.h. die Gesell·

schaft: und eine Gesellschaft besteht aus Institutionen und den RJtuaJen, die

1n diesen vollzogen werden. Ein Belspiel sind reUglöse Institutionen. wie eine

christliche Kirche und dle RJtuaJe des Gottesdienstes.

{b) Gegenstand der Materla1anthropologte Ist die materta1e Kultur der Ge­

sellschaft. d.h Ihre ZlVlllsatlon: dle Ztvtllsatlon einer Gesellschaft besteht aus

Artefakten und den Fertigkelten Ihrer Herstellung und Verwendung. Bel·

spiele für religiöse Artefakte sind Kreuze. Hostien. Rosenkränze. Kirchenlie-

der, Bibeln.

{c) Gegenstand der Kulturanthropologie Ist die menta1e Kultur der Gesell­

schaft. dle steh ln Ihrer Ztvtllsatlon manifestiert. d.l. Ihre Kultur Im engeren Sinn. Die mentale Kultur einer Gesellschaft besteht aus Mentefakten {d.h.

Systemen von Ideen und Werten) und den Konventionen. die Ihre Verwen­dung und Darstellung besttmmen. Belspiele für religiöse Mente fakte sind die

HeUlgen der katholischen Kirche mJt Ihren Emblemen. die Klassifikation der Sünden mJt der entsprechenden TermJnologle {"Todsünde", "läßliche Sünde"

usw.) sowie die Gestenkodes der Priester.

Die einheitstiftende Perspektive. dle all diese Gegenstände miteinander

verbindet, liegt .ln der Frage, wie die sozla1e Kultur (Institutionen und Rl· tua1e), die materiale Kultur (Artefakte und Fertigkeiten) und die mentale

Kultur {Mentefakte und Konventionen) von einer Generation zur nächsten

wettergegeben werden. Dieser Weitergabemechanismus (vgl. Mead 1912.

Thumwa1d 1936-37 und 1950. Lotman und Uspensklj 1971 sowie Lotman et

a1. 1975) wird gemeinhin a1s "Tradition" bezeichnet. An dieser Darstellung Ist die Systematik der Einteilung wichtiger als die

verwendete Terminologie. So bleibt dle Unterscheidung zwischen

"Zlvlllsatlon" und "Kultur" wetterhin umstritten. Während Altred Weber (1920) und Thumwald (1936-37) 1n der Tradition der Kultursoziologie den

TermJnus "Ztvtllsatlon" auf die materla1e Kultur anwenden und den Terml·

nus "Kultur" für dle mentale Kultur reservieren, setzen dle britischen und französischen Anthropologen. dem Belspiel Tylors (1871. Bd. l. S . 1) folgend.

"Zlvlllsatlon" mit "Kultur" gleich; sie beziehen sich mJt jedem der belden Termini auf die Einheit von sozla1er und menta1er Kultur. und wenn sle dle

I materla1e Kultur thematisieren. sprechen sie von "Technologie" (Bidney

1953, Clarke 1978) oder "Industrie" (Oakley 1961. Leroi-Gourhan 1964-65).

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14 Roland Po1mer

DemgegenOber neigen die amerikanischen Anthropologen (vgl. z.B. Blumenthai 1937, Bemard 1942, Sorokln 1947, Whlte 1949, KJuckhohn 1951) dazu, die mentale mit der materialen Kultur zusammenzufassen und sie gemeinsam als "Kultur• der "Oeseßschaft" gegenüberzustellen. 7 Derartige terminologische Konventionen lassen sich durchaus rechtfertigen. denn sie erlauben es den Wissenschaftlern, lhre bevorzugten Problemstellungen auf einfache Welse auszudrücken, z.B. "Welche Art von Gesellschaft hat welche Art von Kultur (d.h . materiale und mentale Kultur)?" bzw. "Welche Art von Kultur (d.h . soziale und mentale Kultur) hat welche Art von Industrie (d.h. materiale Kultur)?"

Doch hat der TermJnus "Kultur• ln der Anthropologie auf diese Welse vier verschiedene Bedeutungen angenommen, die es sorgfältig auseinanderzu­halten gilt:

- "Kultur1" bezeichnet die mentale Kultur (c) ohne Gesellschaft und Zlvtllsa­tlon:

"Kultur2" bezeichnet die mentale Kultur zusammen mit der materialen Kultur (e+b) ohne Gesellschaft:

- "Kultur3" bezeichnet die mentale Kultur zusammen mit der sozialen Kultur (c+a) ohne die ZlvllJsatlon:

- "Kultur4" bezeichnet die Einheit von sozialer, materialer und mentaler Kultur (a+b+cJ.S

1 Dieser Auffassung netgen auch Dawklns 1976 und 1982 sowte Ball 1984 zu. die Artefakttypen und Mentefakte als "Meme" bezeichnen ("Mem-Pool"), um sie den Genen gegenubersteUen zu können ("Gen-Pool"), die etner Population von lndlvt­duen tn einer Gesellschaft zugrunde 11egen. Lumaden und Wllson 1981 und 1983 vergleichen die genetische Ausstattung einer OeeeUechaft mit Ihrem Verhalten. Ihren Artefakten und thr;n Mentefakten, die tn Ihr durch Nachahmung, Lernen. Lehren und Symbol1slerung wettergegeben werden. Sie fassen Verhalten, Arte­fakte und Mentefakte zusammen und nennen sie "culturgens•. Vergleiche dieser Terminologie mit der anderer Autoren ßnden alch bet Lumsden und Wllson 1981 aufS. 7. 27 und 316.

8 Auch ln den Termini "soziale Kultur", "materiale Kultur" und "mentale Kultur" Ist "Kultur" Im .Sinne von "Kultur4" zu verstehen: die elngeschrAnkte Bedeutung des Gesamtausdrucks kommt jeweils durch den Zusatz der Attribute "sozial". "material" und "mental" zustande.

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Was Ist Kultur? 15

Im folgenden Ist tmrner von "Kultur" Im weitesten Sinn (dem von "Kultur4" die Rede. wenn keine besonderen Einschränkungen gemacht werden.9

Auch die Bezeichnungen für die TeUdlszlpUnen der Anthropologie sind nicht einheitlich: z.B. heißt die DlszlpUn. die die mentale Kultur zum Gegen­stand hat, belmanchen "Symbolanthropologle" (vgl. z.B. Schwtmrner 1973ff. und Schneider 1976). "semantische Anthropologie" (vgl. Crlck 1976) oder "semiotische Anthropologie" (vgl. Stnger 1978 und 1980): andere verwenden den Terminus "Kulturanthropologie" zur Bezeichnung für die Dlszlplln. die nicht nur die mentale Kultur ("Kultuq "), sondern die Einheit von mentaler und materialer Kultur ("Kultur2"l zum Gegenstand hat (vgl. Herskovtts 1948 und 1955). Doch ändern diese Varianten nichts an der Gültigkelt unserer drei ElnteUungsgründe. Sie gehen auf einen Vorschlag von Alfred Weber ( 1920) zurück und wurden von Tessmann ( 1930), Menghln ( 1931 ), Maclver (1931. 1942). Thurnwald (1932. 1936-37. 1950) und Merton (1936) aufge­griffen. von Murdock (1944). MallnowskJ (1944), Whlte (1949) und Kroeber (1952) präzisiert und schUeßUch von Kroeber und KJuckhohn (l952.S . 97f.) ausführllch geprüft und anderen ElnteUungsgründen gegenübergestellt. Auch spätere Veröffentlichungen wie die von Bldney ( 1953), Uvi-Strauss (1953. 1958. 1960). Bagby (1958). Harrls (1968). Clarke (1968. 1978). Goodenough ( 1971 ), Leach (1972. 1976). Geertz ( 1973). Cohen (197 4 ). Schneider (1976 , 1980). Dawklns (1976, 1982). Bemardl (1977). Lumsden und Wllson ( 1981. 1983). Ball ( 1984) und Douglas ( 1986) gehen von dieser

ElnteUung aus. Nach der Einführung von Grundbegriffen der Anthropologie und Semio-

tik stehen wlr nun vor der Frage: Welche theoretische Beziehung besteht zwischen solchen Gegenständen wie Zeichen. Empßmgem. Kodes, Medien und Botschaften auf der einen Seite und solchen Gegenständen wie lnstltU· tlonen. Artefakten, Mentefakten und kultureUen Weitergabemechanismen auf der anderen? Läßt sich Oberhaupt eine Beziehung zwischen Ihnen On·

den? Die These. die hier vertreten werden soll. Ist. daß Semiotik und An­thropologie durch eine ganze Reihe von theoretischen Beziehungen eng mit­

einander verbunden sind (vgl. auch Herzfeld 1985). Für die Aufgabe. sie her­

auszuarbeiten. bieten steh zwei verschiedene Vorgehenswelsen an:

9 Selbs t wo Im folgenden von der Kultur elner Gesellschaft gesprochen wtrd, slnd damit nicht nur Artefakte und Mentefakte. sondern auch Institutionen gemeint.

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16 Roland Poener

(I) Wir können von der Semlose und Ihren Faktoren ausgehen und deren anthropologischen Status prüfen, Indem wtr fragen. welche Rolle Institutio­nen. Artefakte, Mentefakte und kulturelle Weitergabemechanismen 1n Ihr spielen.

(11) Wir können die drei Gegenstandsbereiche der Anthropologie prüfen und nach deren semiotischem Status fragen.

Belde Vorgehenswelsen erscheinen fruchtbar, doch müssen wtr uns aus Raumgründen hier für eine von Ihnen entscheiden. Wir wählen die zweite und versuchen Im folgenden, die Begriffe von lnstitutlon und Gesellschaft, Artefakt und ZlvllJsation sowie Mentefakt und Kultur 1m engsten Sinn auf

I der Grundlage von BegrtfJen der Semiotik zu rekonstruieren. Wenn dies ge-lingt, erhalten wtr eine semiotische Expllkatlon dieser anthropologischen Be­griffe.

3. Bemlotl~~ehe Explikation antbropoloat~~eher Bel&l·Ure

3 .1 Gesellschaft

Eine Ges~llschaft Ist eine Menge von lndlvtduen, Ihre Struktur tst durch die Beziehungen bestimmt. dte zwischen Ihnen herrschen (vgl. u .a. Radcllffe­Brown 1940, Merton 1957, Evans-Prltchard 1962 und Cohen 1971). Jede Gesellschaft hat eine materiale und mentale Kultur. Doch fallen die Grenzen zwischen zwei Gesellschaften nicht notwendig zusammen mit denen zwt­~chen Ihren materialen oder mentalen Kulturen (vgl. Clarke 1978):

- Individuen aus eine! Gesellschaft können 1n den sozialen Zuammenhang einer anderen Gesellschaft aufgenommen werden und einen Tell Ihrer Ar­

tefakte und Symbolsysteme mitbringen; das Ist sowohl !(!er Fall bet kul­turüberschreitenden EheschlJeßungen ala auch bel der Ansiedlung frem­der FunktlonselJten (Handwerker, Händler. Steuereinnehmer).

- Artefakte aus der materialen Kultur einer Gesellschaft können von MttgUe­dern einer anderen Gesellschaft erworben. nachgeahmt und 1n Gebrauch genommen werden, ohne daß sich an den sozlalen Beziehungen etwas An-

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WM Ist Kultur? 17

dert: der Erwerb, die Nachahmung und der Gebrauch des chinesischen Porzellans (auf engUsch: "chlna") durch die Europäer und der europäi­schen Kraftfahrzeugteeholk durch die Japaner sind allgemein bekannte

Beispiele.

- Mentefakte, die das Verhalten der lndlvtduen ln einer Gesellschaft bestim­men. können von MltgUedern einer anderen Gesellschaft übernommen und für deren Verhalten bestJnunend werden: ein solcher Fall Ist die Übernahme der ursprüngUch als "Negergedudel" zurückgewiesenen afro­amerlkanlschen Muslk ln Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg und Ihre selbständige FortbUdung zu einheimischen Musikformen (z.B.

"Krautrock") 1n den darauffolgenden Jahrzehnten.

Doch wer besUmmt die materiale und mentale Kultur einer Gesellschaft?

Wer sind Ihre Kulturträger? Auf diese Frage läßt sich aus der oben zitierten anthropologischen Literatur eine dreifache Antwort entnehmen:

1. Jedes lndlvtduum einer Gesellschaft verfügt über eine charakteristische Menge von Artefakten und Mentefakten und gut daher als Kulturträger.

2. Jede Gesellschaft als ganze verfügt über eine charakteristische Menge von Artefakten und Mentefakten und gUt daher als kollektiver Kulturtra.ger.

3. BestJnunte (mögUcherwelse überlappende) Gruppen von lndlvtduen ln ei­ner Gesellschaft sind durch gewtsse Artefakte und Mentefakte charakteri­siert und gelten daher ebenfalls als kollektive Kulturtra.ger. Belspiele sind lnstitutionen wte die kathollsche Kirche. die evangellsche Kirche und die an-

deren Glaubensgemeinschaften.

Nun trifft es steh, daß sowohl lndlvtduen als auch Gesellschaften und Institutionen als selbständige Zeichenbenutzer auftreten. ln bezug auf Indi­viduen kann man mit Recht fragen. ob sie nicht genau deshalb als Indivi­duen. d.h. als "UnteUbare". bezeichnet werden. weU sie ln der Lage sind. die Rolle eines Senders. Adressaten oder Empflngers von Botschaften zu spielen (zumindest von Botschaften eines bestJnunten Typs. nicht von solchen. die durch Enzyme, Neuronenentladungen und Infrarote Strahlung übertragen werden): Individuen fungieren als Zelchenbenutzer. und sie verUeren diese

Fähigkeit. wenn man sie ln Stücke teUt.

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18 Roland P011ner

Analoges gilt von Institutionen, w1e einer Klrche. etnem Krank~nhaus. einer Gemeinde. einer Behörde oder einem Theater: Jeder kann etne Univer­sität als einheitliche Körperschaft anschreiben. und sie wird als solche ant­

worten ("Der Untversttätsprästdent. Im Auftrag Meter"). Und auch die Gesellschaft als ganze handelt als Zelchenbenutzer: ln der

Form des Staates kann sie Verhandlungen führen. Krieg oder Frieden erklä·

ren. Verträge schließen und brechen. Kulturtäger sind also Zelchenbenutzer. WUI man sie semiotisch rekon­

struieren. so stellt steh die Frage, welche Kriterien die Zeichentheorie zur Differenzierung der verschiedenen Arten von Kulturträgem zur Verfügung stellt. Was unterscheidet die Zeichenprozesse zwischen Individuen von denen zwtschen Instituttonen und zwischen Staaten? Was macht die Zei­chenprozesse Im Gottesdienst einer Klrche. lm Krankenhaus. tm Gemeinde­rat. ln einer Gerichtsverhandlung oder ln eln~r Theaterveranstaltung so ver· schieden voneinander? Woran kann eln Besucher erkennen. ob er ln eine

Parlamentssltzung. eine Sportveranstaltung oder eln Universitätsseminar ge­raten Ist? Solche Fragestellungen sind letder 1n der bisherigen anthropologi­schen Forschung nicht systematisch genug behandelt worden (Ausnahmen

sind Hornans 1950, Blumer 1962, Tenbruck 1963. Gofiman 1963. 198 I. Pike 1967. Gumperz und Hymes 1972, Bourdleu 1982. Douglas 1986): doch Ist das auch ln der semiotischen Forschung noch nicht viel anders tvgt. als erste Ansätze das von Seibert herausgegebene Themenheft der ~ltschrtjtfür Semiotik 2,3 (19801 "Der Kode - Gehelmsprache einer Institution" sowie En­

ntnger und Ratth 1982 und Posner 1987). Eine endgültige BeurteUung der Letstungen und Grenzen einer semioti­

schen Explikation der sozialen Kultur Ist daher noch nicht möglich.

3.2 ZtvUlsatlon

Eine Ztvlltsatton wurde oben als dte Gesamtbett der Artefakte einer CeseU­schaft deßntert, unter Einschluß der Fertigkelten Ihrer Herstellung und Ver­wendung. Jede Zivilisation Ist Ausgangspunkt für Zeichenprozesse vieler Art. WUI man sie genauer beschreiben. so muß man untersuchen. was unter el·

nem Artefakt zu verstehen Ist.

Wu ~t Kultur? 19

3.2. 1 Artefakte

Der Termtnus "Artefakt" dient Anthropologen. Ethnologen und Soziologen

gewöhnlich als Stichwort für alles. was von Menschen gemacht Ist. Im Zu· sammenhang mJt einer Deßnttlon von Kultur heißt es zum Belspiel bet J.

Fo1som ( 1982, S. 15):

"Kultur Ist die Menge alles ArtlfizleUen. Sie Ist die gesamte Ausrüstung mit Werkzeugen ( ... 1. die von Menschen erfunden und dann von einer Genera­tton zur nächsten wettergegeben worden slnd. •

Für Kluckhohn ( 1951. S. 86) gilt:

"Mit Kultur slnd diejenigen Aspekte der gesamten Umwelt der Menschen gemelnt. dte. ob materteil oder tmmatertell, von Menschen geschaffen wor-

den slnd."

Das Problem der tmmaterleUen Artefakte wtrd auch von L.L. Bemard (1942.

S. 6991 angesprochen, wenn er sagt:

"Der Termtnus 'Kultur' wird ln diesem Buch ( ... 1 zur Bezeichnung von allem verwendet. was von Menschen gemacht Ist, gleich ob es steh um elnen ma.­terteUen Gegenstand. offenes. Verhalten. symboUsches Verhalten oder ge· sellschaftUche Organisation handelt."

Solche umfassenden Formunerungen zeigen. daß der BegrtJI des Artefakts einer Präzlslerung bedarf. Um eine Grundlage dafür zu gewinnen. wollen wir annehmen. daß man das Verhalten eines Individuums von seinen Ergebnis­sen trennen und absichtliches Verhalten von unabsichtlichem unterscheiden

kann. Unter diesen Voraussetzungen nennen wlr alles. was Ergebnis ab­sichtlichen Verhaltens Ist (sei dieses Ergebnis nun selbst beabsichtigt oder

nlchtl. ein "Artejakt".10 Artefakte können von kurzer Dauer sein wie die Geräusche. die eine Frau

erzeugt. wenn sie mJt Stöckelschuhen über den Gehsteig trippelt: und sie

10 ln diesem Sinne gehören auch Pnanzen und Tiere (sowie Pflanzenarten und Tier­arten) zu den Artefakten. falls ste das Ergebnis von abslchtllchem Verhalten.

d.h. von Züchtung slnd.

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20 Roland Poener

können bleibend sein wte die Fußabdrücke. die die Frau mit lhren Schuhen 1m Lehm htnterläßt. Wlr unterscheiden entsprechend !"omentane von per­manenten Artefakten.

3.2.2 Instrumente

Wenn man ein Artefakt für einen bestimmten Zweck verwendet. so macht man es damit zum Instrument. Nicht Jedes Instrument Ist aber ein Artefakt. Ein Ast. den wlr Im Unterholz eines Waldes auflesen. Ist kein Artefakt, er wlrd Jedoch zum htstrument. wenn w1r lhn als Spazierstock verwenden (vgl. Rossi-Landl 1968, S . 53 und l975.S. 34).

Einen permanenten Gegenstand. der sowohl Instrument als auch Arte­fakt Ist. bezeichnen wlr als "Werkzeug•. Dte Frage. ob ein gegebener Gegen­stand ein Artefakt Ist. läßt sich objektiv beantworten: Er muß von Menschen hergesteUt worden sein. Ob ein Gegenstand ein Instrument oder gar ein Werkzeug Ist. Ist dagegen nicht so leicht zu entscheiden: Es hängt davon ab, ob er für etn menschllches Wesen eine Verwendung hat. Nun können per­manente Gegenstllnde mehrere verschiedene Verwendungen hintereinander haben. wte wenn etn und derselbe Stein elnmal dazu dient. etnen Pfosten tn den Boden zu rammen, und ein andermal dazu. die auf dem Gras zum Trocknen ausgelegte Wäsche zu beschweren. damit der Wind sie nicht weg­weht. Permanente Gegenstllnde, die ldinstllch hergesteUt wurden, haben al­

lerdings meist einen Standardzwec~. nAmUch die Funktion. für dle sle her­gesteUt wurden. Die Antwort auf dle Frage. ob ein gegebener Gegenstand ein Werkzeug Ist und welche Funktion er hat. ISt also kulturabhängtg. Etwas kann ln der einen Kultur etn Werkzeug sein und ln der anderen ein funkti­onsloses Artefakt. Alle Kulturen klasslftzleren lhre ~erkzeuge nach deren Funktionen; das zeigt attch die Mehrzahl der Bezeichnungen. die w1r 1m

Deutschen ftir unsere Werkzeuge verwenden: Ein "Hammer" Ist ein Instru­ment zum Hämmern. ein "Bohrer- etnes zum Bohren. und Analoges gUt auch

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für "Melßel". "Felle". "Säge•. "Hacke". "Winde". "Pumpe", "Radierer". "Locher". · "Ftlzschrelber" usw.

Wu tat Kultur? 21

3 .2.3 Texte

Wenn etwas etn Artefakt Ist und ln etner Kultur nicht nur eine Funktton (einen Standardzweck). sondern auch eine (kodierte) Bedeutung hat, so nen­nen wlr es "Text dieser Kultur". Ob ein Gegenstand ein Text Ist, hängt also

von drei Bedingungen ab:

( 1 l Er muß ein Artefakt. d.h. Ergebnis absiehtUchen Verhaltens sein.

(2) Er muß ein Instrument sein, d.h. es muß eine Kultur geben. ln der eine Konventton herrscht. die lhm (mindestens) eine Funktion verleiht.

(3) Er muß kodiert sein. d .h. es muß eine Kultur geben. ln der ein Kode gilt, der Ihm ein oder mehrere Signifikate zuordnet.

Dies läßt sich wteder an akustischen und optischen Fußspuren erläu­tern. In westUchen Kulturen betrachtet man eine von Stöckelschuhen verur­sachte Folge von Geräuschen als signifikantes Zeichen für die Anwesenheit einer welbUchen Person und daher als Text: tn anderen Kulturen wlrd das­selbe Ereignis höchstens als ungewöhnllcher Lärm wahrgenommen. Einem Trapper 1m WUden Westen wlrd eine Folge von Fußabdrücken als signifi­kantes Zeichen für Geschlecht, Gewtcht, Bewegungsgeschwindigkeit und Sttmmungslage des Individuums dienen. das sie hinterlassen hat. und damJt als Text, den er entsprechend seinen Regeln lesen kann: andere Personen dagegen sehen tn den gleichen Formen nur Bodenunebenheiten und sind nicht In der Lage. sie als Fußabdrücke zu ldentlßzleren. Diese Belspiele zei­gen, daß Fußabdrücke Anlaß für einen Slgnlftkatlonsprozeß sein können . selbst wenn dies gar nicht beabsichtigt Ist. Umgekehrt kann Jemand Fußab­drücke mit der Absicht hinterlassen, daß sie als signifikante Zeichen gelesen werden, ohne daß es jemand gibt, der sie als solche Interpretiert. Die Fuß­spuren gelten Jedoch tn belden FAUen als Text der Kultur. die Ober einen golttgen Kode zu lhrer Interpretation verftigt.

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22 Roland Poancr

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Abb. 4: Die Bezlehungeh zwtschen Artefakt. Instrument. Werkzeug und Text.

Texte slnd lmmer ein Ergebnis abstehtliehen Verhaltens. auch wenn nicht alle Ihre Eigenschaften beabsichtigt sein müssen. Diese Tatsache er· mögtlebt dem Rezipienten elnes Textes. einen Textproduzenten anzunehmen und Ihm elne Absicht zu unterstellen, ohne daß er gleich annehmen muß. daß diese Absicht unverflUscht verwtrkllcht worden Ist (zur Problematik der damit zusammenhängenden "intentional faUacy" vgl: Beardsley und Wlrnsatt 1946. Hirsch 1967. Grtce 1973 sowte Danneberg und Müller 1983).

Die Produktion elnes Textes kann erfolgen durch ein Individuum aDeln. durch elne Gruppe (ein Team oder eln Kollektiv), durch elne Institution (federführend vertreten durch ein Indtvtduum oder eine Gruppe) oder durch eine Folge von Indlvldueti. Gruppen oder Institutionen, ln der jeder Betelllgte den Text, den seine Vorgänger hinterlassen haben, weiter modlflzlert. Man vergleiche dle Elnzelperson. dle allein für sich wc.ndert, mit einer Gruppe. die gemeinsam marschiert, und einer Folge von Individuen. die eine bestimmte Stelle zu verschiedenen Zelten passieren. In Jedem dieser Fälle kann die re­sultierende KonOguratlon von. Fußabdrücken nach Ihrer Produktton noch weiter verändert werden. Ein anderes, nAherhegendes Belspiel Ist dle Bibel, dle helllge Sehr1ft der Christen: man denke nur an dle Art, wte sle gesehrte-

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Was Ist Kultur? 23

ben wurde. und an die Manipulationen, welche die Institutionen ausgeführt haben. ln deren Obhut sle sich befand.

Texte slnd Artefakte. und Artefakte können nicht nur produziert. son­dern auch reproduziert werden. Auf diese Welse erhält man mehrere Token desselben Artefakttypus. Belspiele slnd Industriewaren wie Plastlkmöbel. Kleider von der Stange und auf dem FUeßband produzierte Autos. Wenn eln Text als solcher reproduziert wtrd, bleiben selne kodierten Eigenschaften (selne Slgnlftkanten und Slgnlftkate) unverändert. Aus diesem Grund kann Ich sagen. daß delne Bibel "derselbe Text" lst wte meine Bibel (wenn sie etwa belde das Ergebnis der ersten Druckauflage der Lutherschen Übersetzung slnd). In diesem Fall unterscheiden wtr Zwischen meinem und deinem Text­

token und stellen sle dem Texttyp 11 dieser Auflage gegenüber. Doch was Ist der Vortell eines so wetten Textbegrtffs. der Fußabdrücke

ebenso urnfaßt wte gesehrtebene sprachUche Äußerungen? - UrsprüngUch wurden nur gesehrtebene sprachUche Äußerungen als Texte bezeichnet. und für manche slnd Artefakte dieser Art noch heute die prototypischen Texte (vgl. Flne 1984). In den letzten Jahrzehnten wurde jedoch das Bedürfnis nach brauchbaren Verallgemeinerungen lmmer größer. und die Auseinan­dersetzung über deren Zuverlässigkelt Ist noch lrn Gange.

In elner ersten Verallgemeinerung. dle heute welthin akzeptiert wlrd. ab­strahierte man von der seilrtftUchen Form und bezeichnete auch mündliche sprachUche Äußerungen (d.h. Ergebnisse des Vorgangs der Äußerung von Wörtern) als Texte. In der oben eingeführten Terminologie handelt es sich um momentane Artefakte, die elne Bedeutung haben, welche durch einen Kode bestlrnint Ist. Wlrd elne solche Äußerung transkribiert oder auf Ton ­band aufgenommen. so erhält man wteder eln permanentes Artefakt. Wie schon betont, unterscheidet slch eln permanentes von einem momentanen Artefakt ln elnem wichtigen Punkt: Eln permanentes Artefakt kann ln ver­schiedenen Situationen von Nutzen seln und ln Ihnen ganz verschiedene Verwendungen erhalten: entsprechend kann eln gesehrtebener oder münd-

11 Der Terminus "Texttyp" Ist nicht zu verwechseln mit dem der Textsorte (vgl. Gü­lJch und Ralb1e 19721 oder der Textgattung (vgl. Hempfer 19731 bzw. des Text­genres (vgl. Segre 1980 und 19851: er wird hier 1m Sinne des Textformulars lvgl. Schmldt 1976, 5 . 126) verwendet. Eln Texttyp läßt sich als Menge von Texttoken rekonstruieren (vgl. Pelrce 1931-35. Bd. 4. I 4.537). Die Pelrcesche Unter­.acheldung von "Typ" und "Token" Ist verwandt. aber nicht Identisch mJt der Unterscheidung von "emJschen" und "etlschen" Artefakten ln der amerikani­schen Ethno1ogte (vgl. Poaner 1986, S. 1 048f. 1.

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24 Roland Poener

ltch reproduzierter Text vtele Lesarten haben. die je nach Kontext wechseln. Um die Zahl dieser Verwendungswelsen einzuschränken. kodieren die Her­steller gewöhnUch die Funktion. ftlr die sie ein Artefakt produzieren; Das ge­schieht bel Handwerkzeugen durch funktionseinengende Detalls 1n der Fonngestaltung und bel sprachUchen Texten mittels Genreindikatoren (vgl. Fokkema 1985 und 1986).

Nun abstrahierte die erste Verallgemeinerung des traditionellen Textbe­grttrs zwar von der Schrtftllchkelt. Ueß aber den sprachlichen Charakter von Texten unangetastet. Das Ergebnis waren llneare Abfolgen von Wörtern 1n

Raum oder Zelt. Doch Uegt eine zweite Verallgemeinerung nahe. die auch vom sprachUchen Charakter der Texte absieht und jede llneare Folge ko­dierter Zeichen zum Text macht. Man denke an einen Autofahrer auf einer

I Schnellstraße. der nacheinander folgende Verkehrszeichen wahrnimmt (vgl. Abb. 5):

I . eln Verbot. schneller als 80 Stundenldlometer zu fahren, 2. ein Verbot. schneller als 60 Stundenldlometer zu fahren, 3. eine Warnung vor einer Straßenbaustelle. 4. eine MltteUung. daß die bis dahin zweispurige Fahrbahn sich nach 400 "'

auf eine Spur verengt.

Aufgrund der zweiten Verallgemeinerung ls.t auch dlese Folge von nlcht­sprachUchen Zeichen als Text zu betrachten.

Abb. 5: Ein Text, bestehend aus einer Sequenz voo Verkehrszeichen mit Intrinsi­scher Reihenfolge.

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I

Wu Ist Kultur? 25

In dem gerade besprochenen Fall läuft die Reihenfolge. ln der die Zeichen wahrgenommen werden, zelllieh parallel mit der Reihenfolge. 1n der sie Ins Handeln umgesetzt werden müssen. Doch Ist selbst dies nicht notwendig. Man vergleiche die Sequenz der Verkehrszeichen. die über die Richtungen der Ausfahrten aus einer vorausHegenden Kreuzung mit Kreisverkehr Infor­miert (vgl.Abb. 6): da Ist I . ein Zeichen. das deri Kreisverkehr ankündigt. 2. ein Zeichen, das die Richtung der Ausfahrt angibt, die unmJttelbar gegen­

über der Einfahrt Uegt. 3 . ein Zeichen. das die Richtungen der Ausfahrten angibt. die unmJttelbar

rechts und llnks der Einfahrt Uegen, 4 . ein Zeichen, das die Richtung der Ausfahrt angibt. die drei VIertel des

Kreises von der Einfahrt entfernt Hegt. In diesem Fall Ist die Reihenfolge der Verkehrszeichen 2 bis 4 vöiUg arbiträr. und Ihre Vertauschung würde an der Botschaft des Textes nichts ändern.

Abb. 6 : Ein Text, bestehend aus einer Sequenz von Verkehrszeichen mit extrinsi­scher Reihenfolge.

Wie man sieht. können Sequenzen kodierter Zeichen Intrinsisch oder extrin­sisch geordnet sein.

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26 Roland Posner

Eine Botschaft. die nicht Intrinsisch geordnet Ist. erfordert auch keine entsprechende Anordnung der betreffenden Tellzelchen. ja sie braucht über­

haupt nicht ln Tellzeichen zerlegt zu ~erden. Die Ankündigung des Kreisver­

kehrs ln der beschriebenen Form Ist nur sinnvoll auf Schnellstraßen, wo die komplexe Gesamtinformation ln Anbetracht der kurzen Zelt, ln der ein Ver­

kehrsschUd dem Autofahrer sichtbar bleibt, nicht rezlplerbar wäre, wenn sie

auf einem einzigen SchUd dargeboten würde. Fußgänger ln einem Park ha­ben dieses Problem nicht: für sie werden Informationen von vergleichbarer

Komplexität auf einem einzigen SchUd zusammengeraßt (vgl. Abb. 7). Diese

Belspiele lassen , es angemessen erscheinen, auch Sequentlalltät und Dls­

krethelt der Tellzeichen als notwendige Bedingungen für das Vorliegen eines

Textes fallenzulassen. Folgt man dieser dntten Vemllgemelnerung, so Ist Je·

des kodierte Zelchentoken eln Text, gleich ob es ein einzelnes

Verkehrszeichen. eine Sequenz von Verkehrszeichen. eln Gemälde, eine Plastik, ein Musikstück oder ein Tanz tst. l2

12 Die komplexen Strukturbedlngungen, unter denen man von einem Text als ln· haltllch und formal abgeschlossen~r Einheit sprechen kann, stehen hier nicht zur Debatte. Vgl. dazu etwa Beaugrande 1980 und Bal 1980.

Um die dritte Verallgemeinerung des Textbegriffs zu vermelden, schlägt Kowzan ( 1988) vor. den BegrUf "Textur" einzuführen und damJt beliebige Konfi­gurationen von momentanen und permanenten nichtsprachlichen Artefakten ln Theater, Oper. Ballett, Pantomime oder anderen darstellenden Künsten zu be­zeichnen. Dieser Begriff mag für die Analyae der darstellenden Künste slnnvoU sein, doch soUte er nicht mit dem verallgemeinerten Textbegriff verwechselt werden. Denn als Textur wtrd eine KonllguraUon von GegenstAnden selbst dann bezeichnet. wenn diese keine Artefakte sind oder wenn sie keine kodierte Be­deutung haben, d.h. nicht Texte ln unserem.Sinne sind.

Ein Begriff. der ln der Analyse von Zlvtl1saUon jedoch unumgänglich scheint. Ist der des "Werkes" (der Uteratur, Musik, bUdenden Kunst). Da ein Werk vielerlei Varianten haben kann, die lhreraelta Textypen sind, Ist es als Menge von Texttypen zu rekonstruieren. die gewtsee Eigenschaften gemeinsam haben (z.B. die. verschiedene Versionen deuelben Ortginals zu sein): vgl. dazu Lieb 1982.

..

Was Ist Kultur? 27

Bitte beKhten

®®@@@ Abb. 7: Verbotsschtld ln einem Berliner Park.

Da kodierte Zelchentoken Im allgemeinen reproduzierbar sind. Ist auch

jede Reproduktion eines Gemäldes und einer Plastik sowie jede Aufführung

eines Musikstücks ein Text. Sie kann sogar als "derselbe Text• bezeichnet

werden wte das Original, denn die Reproduktion macht sie zu e inem Token

desselben Texttyps. Auch lassen sich Texte über Texttypen produzieren, und

deshalb Ist auch eine Musikpartitur ein Text. und wenn man sie vervlelßU­tlgt. erhält man viele Token eines Texttyps, der seinerseits einen Typ einer

musikalischen Aufführung bestimmt (vgl. Goodman 1968).

Doch wozu diskutieren wir all diese Einzelheiten der Texttheorie ln die­sem Rahmen? - Der. Grund Ist. daß eine Anzahl von Semiotikern und An­

thropologen behauptet. eine Kultur sei nichts anderes als eine Menge von

Texten (vgl. z.B. Uvl-Strauss 1958, Barthes 1964, Lotman und Platlgorsklj

1968, Galaty 1981). Dies Ist eine überaus Interessa nte These, und wenn sie

sich halten ließe. so wäre sie eln MeUensteln auf dem Weg zu einer semioti­

schen Expllkatlon von Kultur. Es Ist klar. daß diese These nur die Kultur Im

Sinne von Zlvlllsatlon betrlß't. Doch kann sie der Kultur selbst ln diesem ein­

gesehrAnkten Sinne gerecht werden? Das Hauptproblem für die Vertreter dieser These sind Artefakte. die

ke ine Texte sind. Wie verhält es sich denn mlt ·Werkzeuge n wie Hammern.

Bohrern, Sägen. Pumpen, Radierern. Lochern, Schreibmaschinen , Fahrrä­

dern und Autos? Fallen sie nicht selbst aus der allgemeinsten Textdefinition

heraus? Das wäre zweifellos ein zu teurer Preis für den mit der These ver­

bundenen Gewinn an Systematislerung. Denn Werkzeuge werden seit Je ln

der Anthropologie als Hinwelse auf den Entwicklungsstand einer Kultur be­

trachtet . und für dle Archäologie und Vorgeschichtsforschung sin d Werk­

zeuge die zentralen Daten. Doch Ist die These von Kultur als Textmenge wirklich so zu Interpretie­

ren, daß Werkzeuge aus Ihr ausgeschlossen sind? - Wie bereits ausgeführt.

werden permanente Instrumente gewöhnlich vom Hersteller gegen Ad-hoc­

Verwendungen geschützt. Indem er Ihre beabsichtigte Funktion ln sie hin-

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elnkodlert. Betrachten wlr zunächst einen FaustkeU aus der frühesten Stein­zelt. d.h. einen Stein, der ln eine geöffnete Hand paßt und durch genau einen Abschlag mit einer scharfen Kante versehen wurde, die lhn zum Schneiden und Kratzen geeignet macht (vgl. lsaac 1976, S. 40). Hat der Stein keine scharfe Kante, so läßt er steh nicht zum Sehnetden und Kratzen gebrauchen: und das läuft ln diesem FaU darauf hinaus zu sagen: er Ist kein Faustkeil. Ein schlechter FaustkeU Ist überhaupt kein FaustkeU, er läßt steh nicht einmal als FaustkeU erkennen. - Betrachten wtr nun ein Messer aus der Bronzezeit. d.h. ein Instrument mit einem Grtff und einer Schneide aus Metall. die es zum Schneiden und Kratzen geeignet macht. Wie Oakley ( 1961, S. 22) nachweist, wurden Bronzemesser aus dem Orient von skandinavischen Steinzeltkulturen um 1000 v. Chr. 1n Stein nachgeahmt. Ein solches Steinmesser eignete steh jedoch nicht zum Schneiden. denn es war zu klein und für seine Größe zu schwer sowie nicht scharf genug. Es war also ein schlechtes Messer. Trotzdem wurde es als Messer ldentlftzlert. Selbst wenn es aus Gummi gewesen wäre. wäre es als Messer zu erkennen gewesen. Auch ein heutiges Gummlmesser Ist ja für die Funktion eines Messers nicht verwendbar: trotzdem nennen wlr es "Messer". Der Grund dafür Ist. daß es die Form von Gegenständen hat. die in unserer Kultur

gewöhnlich als Messer verwendet werden. Es Ist als Messer kodiert. Seine Form Ist ein Stgnlßkant. dem 8Js Stgnlftkat die Messerfunktton zugeordnet Ist. · Zusammenfassend können wtr sagen: der frühsteinzeitliche FaustkeU hatte die Funktion eines Faustkeils, ohne zusätzliche Formeigenschaften zu haben, die diese Funktton bezeichnen: das bronzezeltliehe Messer hatte die Funktton eines Messers und auch eine Form. die diese Funktion für die Menschen der betreffenden Kultur der Bronzezelt bezeichnete: der spätsteinzeitliehen Nachahmung des Bronzemessers 1n Stein fehlte die normale Funktion eines Messers, doch hatte sie eine Form, die diese Funktion für die Menschen der betreffenden Kultur bezeichnete. Kurz: das Bronzemesser und selno-Nachahmung sind beldes Texte, der FaustkeU Ist es nicht.

Die Entstehung von gebrauchsunfähigen Nachahmungen in einer Zivili­sation Ist der steherste Hinwels darauf, daß sie einen Kode für das Nach­geahmte besaß, einen Kode, welcher dJe Werkzeugform zum Signifikanten machte, der auf die Werkzeugfunktton als Signifikat verwies. AbbUdung 8 zeigt die Entwicklung der Äxte bis zu einem nachahmungsfähigen Stadium. Abbildung 9 zeigt. daß während der Bronzezelt sowohl in China als auch 1n

Europa Äxte mit nicht gebrauchsßlhtgen Klingen hergestellt wurden. Es Ist

. -

Was Ist Kultur? 29

zu vermuten. daß sie 1n Zeremonien eine RoUe spielten. ln denen der Gebrauch der Axt. zum Hacken nicht vollzogen. sondern nur simuliert wer­den sollte. Das geschah etwa bel der symbolischen Unterwerfung von Kriegsgefangenen, bel der Initiation junger Krieger oder bel der Übergabe eines politischen Amtes. Interessant Ist nun. daß die 1n AbbUdung 9 gezeig­ten Äxte 1n der Kodierung von Funkttonen welt über die skandinavischen Steinmesser hinausgehen. Sie slgnlflzleren wie diese eine Prtmärfunktlon ("Hackwerkzeuge") und Indizieren durch lhre Bauweise. daß sie diese nicht ausüben können. ZusätzUch haben sie jedoch Ornamente auf der Klinge und stilisierte Tierkörper auf der Halterung. die nichts zur slgnLOzlerten Primär­funktion beitragen. aber für die Zeremonien nützlich sind. Die Dekorationen sind für jedermann sichtbare Signifikanten der Sekundärfunktion ("Zeremonlalwerkzeuge"). Zeremonlaläxte sind also doppelt kodiert. Sie ver­halten sich in bezug auf dle Zeremonlalfunktlon zu den Stelnmessern. wie die Steinmesser sich ln bezug auf die Prtmärfunktlon zu' den Faustkellen verhalten. Steinmesser sind Messer-Flktlonen. Zeremonlaläxte sind Axt-Fik­tionen, aber während Steinmesser den Fiktions-Charakter nur ohne visuelle Kodierung Indizieren. wird er bel den Zeremonlaläxten slgnlflzlert.

Q b c

Abb. 8 : Die Entwicklung der Axte: a. Axt aus der Altsteinzeit. b. Axt aus der Jungsteinzelt mit StelnkiJnge und Holzstlel. c. Axt aus der Bronzezelt mit Bronzeklinge und Holzstlel. d. Axt aus der Elsenzelt mit EtsenkiJnge und Holzstiel

(nach Oakley 1961. S . 181 .

d

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Abb. 9: Zeremonlaläxte mit nicht gebrauchsfähiger Klinge. Ltnks drei chtneslsche Beispiele. rechts drei aus der Hallstatt-Kultur (nach Janse I 930. S. I 77).

Diese Belspiele zeigen. wie der Übergang von der Indikation zur Slgnlfl­katlon neue Indikationen höheret Stufe ermöglicht. deren Botschafen schließlich Ihrerseits slgniOzlert werden können. was erneute Indikationen höherer Stufe e-:mögUcht usw. Wir haben hier eine Entwicklung vor uns. die auch bel schriftlichen verbalen Texten beobachtbar Ist und sich in der heute

allen Buchhändlern gelä}Jftgen. Unterscheidung zwischen Gebrauchstexten (z.B. S achbüchern) und ·fiktionalen Texten niederschlAgt. Die in dieser Ent-

. wiekJung deutlich werdende Zunahme konventioneller ~odes Ist eine wesentliche Voraussetzung der kulturellen Entwicklung.

Wesentlich für . unseren Gedankengang Ist jedoch. daß auch. künstlich hergestellte Instrumente, die ln einer Kultur nichts anderes als Ihre Stan­dardfunktion slgnlflzleren, nach unserer obigen Deflnltlon als Texte dieser Kultur aufzufassen sind. Und mit Ausnahme der undlfferenzlerten lnstru-

WM Ist Kultur? 31

mente der allerfrühesten Steinzelt sind die Werkzeuge aller Zlvlllsatlonen Texte ln dem Sinne, daß Ihre Form ln Ihrer Kultur als Signifikant für Ihre

Funktion wahrgenommen wird. Instrumente. die Ihre Funktion nicht ln die­ser Welse anzeigen, sind nur von privatem Interesse und spielen daher ke ine

Rolle ln der materialen Kultur der betreffenden Gesellschaft. Als Ergebnis unserer Überlegungen Ist also festzuhalten, daß die These. nach der eine

ZtviUsatlon eine Menge von Texten Ist. nicht nur schriftliche und mündliche

sprachliche Texte. sondern auch Uneare und nlchtllneare. diskrete und nichtdiskrete nichtsprachlich kodierte Texte urnfaßt. zu denen als einfach­

ster Fall diejenigen Artefakte gehören , die nichts als Ihre eigene Funktion bezeichnen. Damit sind alle Aspekte der materialen Kultur. die für Anthro­

pologen, Archäologen und Vorgeschichtsforscher relevant sind. unter dem Textbegrtff zusammengefaßt.

Unberücksichtigt bleiben ln diesem Ansatz frelllc:h Artefakte. die ke ine Instrumente sind: d .h. entweder Artefakte. die überhaupt keinen Zweck ha­

ben, weil sie nur ln absichtslosem menschlichen Verhalten eine Rolle spie­len. oder Artefakte. die keinen Standardzweck haben . wie z.B. Geriimpel. Schutt. Lärm. Gestank, Abfall, Essensreste (vgl. dazu Enzensberger 1968 und Thompson 1979).

3 .3 Kultur Im engeren Sinn

Es gibt SemloUker und Anthropologen, die es für unangemessen halten. zwecklose Artefakte ln der Erforschung von Kulturen außer acht zu lassen:

zu Ihnen gehören Davld Schneider ( 1968, S . 7f.) und Umberto Eco ( 1976. S. 21-28). Sie schlagen vor. daß alles zu elner Kultur gerechnet wird. wofür diese einen Begrtff hat, was also ln Ihr konzeptuallslert worden Ist.

Konzeptuallslerung ln diesem Sinne setzt nicht verbale Formulierung voraus und erst recht nicht die ExJstenz eines lexJkallschen Ausdrucks ln der Spra­che der betreffenden Gesellschaft (vgl. Sperber und Wllson 1986. S . 86ff.).

Notwendig Ist nur, daß der betreffende Gegenstand Element einer Gegen ­standskategorle Ist. ·auf die sich eine Konvention der betreffenden Gesell­

schaft bezieht. Sowohl Werkzeuge mit Standardzwecken als auch andere Typen von Artefakten. die kefnen speziellen Zweck ode r Standardzweck ha­

ben. werden gewöhnlich ln solcher Welse konzeptuallslert.

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Dieser Vorschlag trägt jenen Bereichen einer materialen Kultur Rech­nung. die aus der textsemiotischen Analyse herausfallen. Doch er Ist außer· ordentlich umfassend. denn er erklärt · aUes. wovon steh eine GeseUschaft einen Begriff macht. zu einem Tell Ihrer Kultur. Auf diese Welse werden nicht nur Spazierstöcke und Autos. sondern auch Vögel und Einhörner (die nicht zu den Artefakten 1m oben definierten Sinne gehören) und gar Gegen­stände wie das Nirwana oder die schwarzen Löcher Im Universum Tell unse­rer westlichen Kultur, well wir uns einen Begriff von Ihnen machen. sogar einen. den wir lexikalisiert haben. Genaugenommen Oberschreitet dieser Vorschlag die Aufgaben einer semiotischen ExpUkatlon von Zivilisation und Ist bereits ein Ansatz zur Rekonstruktion von mentaler Kultur (Kultuq ). Be­griffe sind nämlich Mentefakte, und wenn eine Kultur durch eine Menge von konventionsabhängigen Mentefakten bestimmt Ist, dann Ist die Zugehörig­kelt von Artefakten zu Ihr kein Problem. solange diese durch Mentefakte die­ser Kultur erfaßt werden. Und dies scheint in jeder menschUchen Kultur für alle Artefakte zu gelten. die in Ihr produziert werden.

Doch wie lassen sich Mentefakte semiotisch charakterisieren? Diese Frage Ist in unserem theoretischen Rahmen leicht zu beantworten . Ein Mentefakt kann ln einer Gesellschaft nur dann eine RoUe spielen, wenn

diese über ein Substrat verfügt. das eine Mitteilbarkelt gewährleistet. d .h . wenn es einen Slgnlßkanten gibt. dessen Slgnl.flkat das Mentefakt Ist. Au­ßerdem treten Paare von Signifikanten und Slgnlßkaten Lmmer nur 1m

SystemzusamiJ!enhang auf. Da Systeme von Slgnl.flkant-Signl.flkat-Paaren · als Kodes bezeichnet werden. führt diese Überlegung zu dem Resultat. daß

steh jede mentale Kultur als Meng~ von Kodes auffassen läßt. Damit Ist zugleich auch gezeigt. wie der Gegenstandsbereich der dritten anthropologi­schen Telldlszlplln, der Kulturanthropologie, auf der Basis semiotischer Be­griffe rekonstruiert werden kann.

Einer der Vorzüge des semiotischen Ansatzes Ist es. daß er die drei Ge­genstandsberelche der /mthropologte. deren gegenseitiges Verha.ltnls so lange ungeklärt war, ln einen theoretisch fundierten systematischen Zu­sammenhang stellt: Wenn eine GeseUschaft als Menge von Zetchenbenut­zem, eine ZtviUsatlon als Menge von Texten und eine mentale Kultur als Meng~ von Kodes definiert werden kann, so slnd diese drei Bereiche notwen­dig miteinander verbunden, und keiner kann ohne Bezug auf den anderen untersucht werden.

Was Ist Kultur? 33

Die Semiotik kann also die Einheit der anthropologischen Untersu­chungsgegenstände nachwelsen.l3 Sie tut dies ausgehend von der An­nahme. daß kulturelles Verhalten Im wesentlichen auf Konventionen beru­hende Semlose Ist. d .h . slgntflkatlve Zetchenprozesse. ln denen Zetchenbe­nutzer. Texte und Kodes miteinander verbunden sind.

(UIIfeßto) ( untenucht o ) enthro~l29leche eelllotbche

Telldbzlplin Ceqenetendebereleh Ceqenetlinde ~enetlinde

Sozial- eozlele Ceeellechaft Ieichen-anthropoloqie ll.ultur (Inetltutlonen) benutzer

Mater ial- Matertele UviU .. tion Texte anthropoloqie ll.ultur (Artefakte)

J(ultur- .entale ltultur l.e . s • ll:od.,e anthropoloqie ll.ultur (Mentefaltte )

Abb. I 0: Tabelle zur semiotischen ExpUkatlon anthropologischer Begriffe.

Gegen diese Bestimmung des Gegenstandes der Anthropologie könnte jedoch noch ein letzter Einwand geltend gemacht werden: Was Ist denn das Verhältnis von Kultur und Kommunikation? Ist Kultur nur Slgnlßkatlon? Sind die ln einer GeseUschaft ablaufenden Kommunikationsprozesse denn nicht Tell Ihrer Kultur? Die Antwort auf diese Frage erfordert eine Distink­tion. dte bereits tn ß 2 .1 getroffen wurde: Ein Kommunlkatlonsprozeß stützt steh entweder auf Kodes und bedient s teh somit slgntnkatlver Zeichen: ln diesem Fall Ist er selbstverständUch zur Kultur der Gesellschaft zu rechnen. in der die betreffenden Kodes gelten. Oder er bedient sich lndlkatlver Zei­chen: diese sind Ad-hoc-lnstrumente der Kommunikation. sie gehören per deftnltlonem keinem in der betreffenden OeseUschaft geltenden Kode an und sind daher auch nicht zu deren mentaler Kultur zu rechnen. Allerdings kann die Produktion von Indikativen Zeichen eines bestlmmten Typs für einen

13 Dies Ist ein erster Schritt auf dem Weg zur VerwtrkUchung dessen. was Koch (1986. S. 66m für eine der schwierigsten Aufgaben der künftigen Semiotik hält . nämlJch dte Aufstellung einer empirisch begründeten Hierarchie von Organisa­tionsformen der Natur. in der auf einer Ihrer Stufen Kulturen auftreten.

.,

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Sender allmählich zu einer Gewohnheit werden, die sich schließlich auch bel seinen Adressaten ausbreitet. Dadurch verUeren die betreffenden Zeichen Ih­ren Ad-hoc-Charakter. und es bildet sich eine neue Konvention heraus. dte steh dann ln Immer größeren Teilen der Gesellschaft durchsetzen kann. So­

lange dies Jedoch nicht geschehen Ist. kann Kommunikation mJt Hilfe dieser Zeichen noch nicht als Tell der Kultur dieser Gesellschaft angesehen wer­den. ~4

Mit d!esen Bemerkungen sei die Diskussion über den semJotlschen Sta­tus der Gegenstände der Anthropologie abgeschlossen. Die Untersuchung hat gezeigt. daß zwischen der sozialen. materialen und mentalen Kultur ei­ner Gesellschaft ein enger zeichentheoretisch formullerbarer Zusammenhang

besteht. Daraus folgt auf der Metaebene. daß die Sozial-. Material- und Kulturanthropologie nicht. wie oft behauptet. als einander ausschließende konkurrierende Richtungen der Anthropologie zu betrachten sind. sondern als sich gegenseitig ergänzende Zweige einer einheltUchen Disziplin.

4. Der Kulturmechanlemue

Die Explikation von Begriffen Ist kein Selbstzweck. Ihr Erfolg Ist daran zu messen, wie fruchtbar die Begrtffsexpllkate für die wettere Forschung ln den zentralen Fragestellungen einer Wissenschaft sind (vgl. Stegmüller 1969. S . 373-376 und Pawlowskl 1975).

Bel der Einteilung der Anthropologie in drei Telldisziplinen 1n II 2 .2 Ist bereits auf das übergeordnete erkenntnisleitende Interesse der Anthropologie hingewiesen worden. Es bezieht steh auf die Frage. wte eine gegebene so­ziale. materiale und mentale Kultur von einer Generatton zur nächsten wet­

tergegeben wird . ln Herdcrs Worten: Was sind die verbindenden GUeder in der "Kette der Kultur und Aufklärung. (dlel ( ... ) ans Ende der Erde" reicht?

( 1784-91. Bd. 9. S . 1 = Suphan Bd. 13. S. 348). All die verschiedenen Ge­genstände. die steh ln den frühen BegrlffsbesUmmungen der,Anthropologle

14 Wer diese Unterscheidungen nicht sorgfllttg beachtet, wird leicht zum Opfer von Konfusionen. Ein Belspielist die Rede von "Kultur als Kommunikation". So hält . steh Leach 119761 für verpflichtet. 1n der Einleitung zu seinem Buch die Be· hauptung aufzustellen, daß "Kultur kommuniziert", ohne daß er angeben könnte. welche Art von Sender an der Kommuntkation betetilgt Ist. was seine Kommunikationsabsteht Ist und wer die Adressaten sein sollen .

. ·

Was Ist Kultur? 35

aufgelistet ßnden. sind nur dadurch legitimiert. daß sie eine Rolle ln dem zu s pielen scheinen, was man "Tradition" oder "kulturelles Erbe" nennt. Kluck­hohn und Kelly (1945. S . 96) brtngen diesen Gesichtspunkt klar zum Aus­

druck:

"1 ... 1 Kultur Im allgemeinen. als deskriptiver Begriff verstanden, meint den angehäuften Schatz der Resultate menschlicher Schöpferkraft: lbl Bücher. Gemälde. Gebäude und dergleichen: (al die Kenntnis von Verfahren zur· An­passung an unsere Umgebung. die menschliche und die physische: Iei Sprache. Bräuche und Regeln der Etikette. Ethik. Religion und Moral, die über die Zelten hinweg aufgebaut worden slnd.· l5

Neben der Frage. was denn alles zu "diesem Schatz der Resultate menschlicher Schöpferkraft" gerechnet werden soll. geht es der anthropolo­

gischen Forschung um das Problem. auf welche Art dieser Schatz die Le­

bensweise der Organismen beelnßußt. die über Ihn verfügen . . So behauptet

Kroeber ( 1948. S . 8f.):

"Kultur ( ... I Ist die Gesamtheit der Erzeugnisse einer menschlichen Gesell· schart und zugleich eine enorme Kraft. die auf alle menschlichen Wesen ln· dtvtduell und sozial etnwtrkt."

Zu fragen Ist also nicht nur: "Wie wtrd das Verha lten der Mitglieder e iner Gesellschaft durch Ihre Kultur bestimmt?". sondern auch: "Wie bestimmt eine Gesellschaft Ihre Kultur?" oder ln den Worten von Thurnwa ld I 1936-37 und 1950): Wortn besteht der "Kulturmechanlsmus"?

Wenn es gelingt. diese komplexe Frage mit Hilfe der Bcgrlffe zu beant­worten. die bel der Explikation des Kulturbegriffs eingeführt wurden. so läßt steh diese Antwort auch als Bestätigung für die Fruchtbarkelt dieser Begriffe

bewerten. Am meisten zur Beantwortung dieser Frage hat ln den letzten Jahrzehn­

ten Jurtj Lotman (vgl. Lotman 1981) mit seinen Kollegen Im Moskau-Dorpa­ter Kreis beigetragen. Ihre Annahmen finden sich am prägnantesten zusam·

mengefaßt ln den "Theses on the SemJotlc Study of Cultures". die Lotman. Uspensk1J. lvanov. Toporov und Platlgorsk1J auf dem Moskauer Slavlsten-

15 Die Buchstaben tn Klammetn kennzeichnen die Parallele zwischen der Im Zitat gegebenen Einteilung und der Dreiteilung des Gegenstandsbereichs der An· thropologte. die ln II 3 eingeführt und besprochen wurde.

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kongreß von 1973 vortrugen (vgl. Shukman 1977, 1982 und 1986 sowie Rosner 1984). Nach Lotman und seinen Kollegen (1975, S. 73) gUt:

"Kultur läßt sich auffassen (cl als eble Hierarchie von Zelchensystemen. (bl als Gesamtheit der Texte und Ihrer Funktionen, oder (al als ebl bestimmter Mechanismus, der diese Texte hervorbrblgt.•l5

Jede Kultur Um weitesten Sinne des Begriffs, s .o. I 2.2) Ist in einem kon­zentrischen System semloslscher Sphären organisiert. das in mehreren Schichten von nlchtsemlostschen Sphären umgeben Ist (vgl. Lotman 1985 und 1990). Eine jede Sphäre entspricht einem besUmmten Wlrkllchkeltsaus­schnltt. Die semloslschen Sphären gUedern Ihr Wirklichkeltssegment mJt Hilfe der Kodes der Kultur: die ntchtsemJostschen Sphären lassen Ihre Wlrk­Uchkeltssegmente ungeglledert. Die Sphären zerfallen in vter verschiedene Bereiche:

(I l das Außerkulturelle: es Ist den MltgUedern der betreffenden Gesellschaft völlig unbekannt:

(2) das Nlchtkulturelle: es Ist den MltgUedern der betreffenden Gesellschaft bekannt. erscheint Ihnen aber als der eigenen Kultur entgegengesetzt:

(3) das kulturell Periphere: es wlrd von den MltgUedem der betreffenden Ge­sellschaft als Tellihrer Kultur anerkannt, aber nicht für zentral gehalten:

(4) das kulturell Zentrale: es wlrd von den MltgUedern der betreffenden Ge­seUschaft als TeU Ihrer Kultur .anerkannt und als wesentUch für deren Identität betrachtet.

Während die nlchtsemtoslschen Sphären in den ersten Bereich fallen, verteilen sich die semJoslschen Sphären auf die anderen drei Bereiche. Unter Ihnen sind die nichtkulturellen semJoslschen Sphären~ die in den zweiten Bereich fallen. von den kulturellen Sphären zu unterscheiden, die sich auf den dritten und vterten B'erelch verteUen.

Diese EinteDung der Sphären erlaubt es, wesentUche Stadien des Kul­

tunvandels zu beschreiben. Er trttt auf als Verschiebung der Grenze zwi­schen den Sphären bzw. den Sphärenberelchen. Verschieben kann sich

a. die für die Gesellschaft charakteristische Grenze zwischen dem Außer-kultureUen (I) und dem Nichtkulturellen (2),

1

b. die ln einer Gesellschaft gezogene Grenze zwischen dem NichtkultureDen (2) und dem Kulturellen (3 und 4),

. -

Was bt Kultur? 37

c. die ln einer Gesellschaft gezogene Grenze zwischen dem kulturell Periphe­ren (3) und dem kulturell Zentralen (4).

Wie Jassen steh diese Grenzen und Ihre Verschiebung semJotlsch rekon­struieren? Für den Übergang vom Außerkulturellen zum Nichtkulturellen Ist diese Frage leicht zu beantworten, denn er ßlllt mJt dem Übergang von den nlchtsemJostschen zu den semtostsehen Sphären zusammen. Entdeckt eine Gesellschaft ein neues Wlrkllchkeltssegment (z.B. einen neuen Kontinent. eine neue Art von Strahlung. ein neues Herstellungsverfahren für Kunst­stoffe), so führt sie einen rudimentären Kode ein. denn die betreffende Wirk­lichkeit muß ldentlftzlert, etikettiert und in bezug gesetzt werden zu den schon bekannten Wlrkllchkeltssegmenten. Verliert eine Gesellschaft den Zu­gang zu einem früher bekannt gewesenen Wlrkllchkeltssegment. so kommen auch die dafür zuständigen Kodes außer Gebrauch. Realltätsgewlnn und Reallta.tsverlust sind also verbunden mJt Einführung und Außergebrauch­kommen von Kodes. Diese belden komplexen Vorgange sollen Im folgenden als Semlotfslerung und Entsemlotlsterung eines Wirklichkeltssegments be­zeichnet werden.

Um zu zeigen, wie steh die belden anderen Arten des Kulturwandels se­mJotJsch rekonstruieren lassen. sind etwas weltergehende Überlegungen notwendig.

4 . I Kultur versus Nichtkultur

Die Kodes , die einer Gesellschaft zur Verfügung stehen. gliedern d ie betref­fenden Wlrkllchkeltssegmente auf verschiedene Art. Tellwelse pragen s ie Ihnen differenzierte Strukturen auf. teUwelse beschränken sie sich auf ober­Oächbches Etikettieren. Kodes der ersten Art ermöglichen eine genaue Orientierung und lassen das Erfaßte reichhaltig und wohlstrukturiert erscheinen, wodurch es vom Rest der bekannten Wlrkllchkelt unterscheid­bar wtrd. Jede historisch gegebene Kultur trennt die kulturell geprägte Wlrkllchkelt vom Rest der bekannten Wirklichkelt und setzt Ihn der eigenen Kultur als "kulturlos", "unzlvtllslert", als "Unkultur" gegenüber. Dieser nichtkulturelle Bereich erscheint dem 1n die Kultur Integrierten Beobachter als ungeordnet und chaotisch. während ein Außenstehender Ihn allenfalls für anders geordnet hält .

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Alle historisch belegten Belspiele für Nichtkultur sind deutUch auf die Perspektive einer bestimmten Kultur zugeschnitten. So befanden sich

I I I die klassische Kultur Griechenlands Im Gegensatz zu den "Barbaren". (2) die religiöse Kultur des Mittelalters Im Gegensatz zum "Heldentum", (31 die orthodoxen religiösen Kulturen der Refonnatlonszelt 1m Gegensatz

zur "Häresie",

(4) die, europäischen Kulturen des ZeltaJters der Entdeckungen Im Gegen­satz zur "Exotik".

(5) die Kulturen der Aufklärung 1m Gegensatz zum "Unwlssen". (6) die französische Kultur des 19. Jahrhunderts (die sich selbst als "Ia cl­

vlllsatlon francalsc" 1bezelchnete) Im Gegensatz zur "UnzlvWslerthelt".

(7) die russische und die deutsche Kultur an der Schwelle des 20. Jahr­hunderts Im Gegensatz zu "westlJcher Zlvtllsatlon und Dekadenz",

(8) die rassisch und sprachlich heterogene Kultur der Vereinigten Staaten Im Gegensatz zum "Ausländischen" ("alJenness"),

(9) die ErwachRenenkultur der Kolonialmächte Im 16. und 17. Jahrhundert Im Gegensatz zum "Kindischen" ("lnfantiUty").

( 10) die bürgerlichen Kulturen des 19. und 20. Jahrhunderts Im Gegensatz zum "Unbewußten".

( II) die faschistischen Kulturen des 20. Jahrhunderts Im Gegensatz zum "Krankhaften".

( 12) die ~aachrevolutlonären Arbeiterkulturen der Sowjetunion und Chinas Im Gegensatz zur "Reaktion".

( 13) die Kulturen der neueren Industriegesellschaften 1m Gegensatz zur "unberührten Natur•.

Wie diese Belspiele zeigen. dient das Etikett. mit dem eine Kultur die mit ihr korrelierte Nichtkultur versieht. nicht nur dazu. diese 1n einen lnhaJtJI.

chen Bezug zu den für -diese Kultur maßgebUchen Ideen und Werten zu set­zen. Das betreffende Wirklichkeltssegment wird ausgegrenzt. weU die für die Kultur verbindlichen Mentefakte ln ihm nicht zu gelten scheinen. Durch die Ausgrenzung wird eine mOgUche Bedrohung für die kulturspezifischen Men­tefakte abgewendet und damit zugleich die Identität der betreffenden Kultur gefestigt. Das Verhältnis zwischen Kultur und Nichtkultur Ist dementspre­chend ambivalent. Einerseits wendet man sich von der Nichtkultur ab und

bewertet sie negativ. andererseits versucht man. sie 1n Kultur umzuwandeln:

Was Ist Kultur? 39

Jede Kultur hat die Tendenz. die Ihr entgegengesetzte Nichtkultur entweder zu eliminieren oder zu Integrieren. Letzteres bedeutet ln den genannten Fäl­

len:

- die Barbaren zu kultivieren. - die Helden zu taufen.

- die Häretiker zu begnadigen. -die Exoten zu Integrieren. - die Unwissenden zu belehren. - die UnzlvUislerten zu zivilisieren.

-die UngebUdeten zu bUden. -die Fremden helmisch zu machen,

- die Kinder zu erziehen, - das Unbewußte Ins Bewußtsein zu heben. - das Krankhafte einer Heilung zuzuführen. - die Reaktionäre umzuerziehen.

- die Natur ln Parks zu verwandeln.

Kommt es zur Integration. so werden kulturspezlflsche Kodes a uf das

vorher ausgegrenzte Wirklichkeltssegment übertragen. Dies führt nicht nur zur Veränderung des Wlrkllchkeltssegments. sondern auch zu einer zuneh­menden Elaborierung der betreffenden Kodes. An die Stelle pauschaJer Etl­

kettlerung treten lrnmer differenziertere Beschreibungen. Hatte die erste Stufe des Semlotlslerungsprozesses darin bestanden. daß

ein WlrkUchkeltssegment entdeckt. durch einen rudimentären Kode erlaßt und als nicht zur betreffenden Kultur gehOrtg eingestuft wurde. so s chlie ßt steh nun eine zweite Stufe an. ln welcher der Kode durch andere ergänzt und verfeinert sowie das Wirklichkeltssegment der Kultur einverleibt und als zu

Ihr gehörtg akzeptiert wird. Diese Art von Semlotlslerung brtngt jedoch auch Probleme mit sich:

Wenn jede Kultur die Tendenz hat. ihre Identität zu wahren. und wenn diese Identität auf der Entgegensetzung zu einer Nichtkultur beruht. wenn Jede Kultur ferner die Tendenz hat. ihre Nichtkultur fortlaufend zu eliminieren oder sich einzuverleiben. so entsteht ein ständiger Bedarf an neuem Chaos. das die Kultur sich gegenüberstellen und dann entweder eliminieren oder steh einverleiben kann. Belspiele für diese molochartige Funktionswelse von

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40 Roland Posner

Kultur bieten sowohl die frühen Hochkulturen Ägyptens und des Zwel­stromlands als auch die klassischen Imperien Orteehenlands und Roms so­wie die Kolonlaimächte der vergangeneo Jahrhunderte.

ln den heutigen westlichen Industriekulturen zeigen sich die negativen Folgen des Kulturmechanismus 1n der sogenannten Umweltverschmutzung. Diese erfaßt schon lange nicht mehr nur dle Umwelt. d .h. den Bereich der

Nlchtkultur. sondern verAndert zunehmend dle kultureUen Sphären selbst. Es kommt zur Kulturverschmutzung ("cultural poUutJon"), zum Belspiel wenn ln einem früher wohlstrukturierten kultureUen WlrkUchkeltssegment die alten Kodes durch prestlgerelchere. aber nur unzureichend beherrschte neue Kodes überlagert werden: Weder dle alten · noch dle neuen Zeichen können zur Gliederung des Bereiches eingesetzt werden. Es entsteht elne Situation, ln der die Stgnlßkate der alten Kodes nicht mehr ernstgenommen und die der neuen Kodes noch nicht verstanden werden. Von den Slgnlß­kanten der alten Kodes bleibt nur die unlnterpretlerte Zelchenmaterte, und diese trägt zur Desorientierung bel. Die Folge Ist Kulturschutt,_ verbunden mit einem scharfen Rückgang des Vermögens der GeseUschaft, sich 1n dem betreffenden Bereich zurechtzuOnden. Ein ehemals hochgradig semlotlslerter Bereich Ist entsemlotlslert. Die GeseUschaft sieht steh mit elnem kulturto­

tem entstandenen Chaos konfrontJert, das nun erneut 1n den Strudel der Dialektik von ·Kultur und Nichtkultur gerät.

Finden diese Vorgänge ln einer für die Kultur peripheren kulturellen Sphäre statt. so wird das betroffene Wirklichkeltssegment entweder aufgege­ben und als der Kultur nicht mehr zugehörig betrachtet, oder es wird einer Semlotlslerung nach dem Muster dctr zentralen Kodes der Kultur unterzogen.

Trttt der Kulturschutt aber ln etner zentralen kultureUen Sphäre auf und kommen die neuen Kodes. deren Einführung thn verursacht. aus elner anderen Kultur, so führt das schUeßUch zur völUgen Übernahme der ande­

ren Kultur und zur Aufgabe der alten Kultur durch die betreffende GeseU-schaft. :

4.2 Zentrum versus Pertpherte

Die Tendenz einer Kultur zur SemJotJslerung der Wirklichkelt endet nicht

mit der Kodierung eines WlrkUchkeltssegments und seiner Einbeziehung 1n

den Bereich der kulturellen Spharen. Jeder Kode hat namt.lch seinerseits die

:

Was Iai Kultur? 41

Tendenz. Jn der betreffenden Kultur eine zentrale Stelle einzunehmen . Doch diese Zentrallslerung bewirkt regelmäßig Veränderungen an dem Kode, die schließlich dazu führen. daß er wieder an die Pertpherte gedrängt wird (vgl. Even-Zohar 1979 und 1986). Im folgenden sei kurz skizziert. wie das Im ein­

zelnen vor sich geht. Der Zentralltätsgrad eines Kodes ln einer Kultur Ist vor allem a n drei

Merkmalen zu erkennen:

(I) wette Distribution: dieser Kode wird von mehr Mitgliedern der betref­fenden Gesellschaft beherrscht als andere Kodes;

(II) große Frequenz: dieser Kode wird ln der betreffenden Gesellschaft ln mehr Situationen verwendet als andere Kodes;

(111) hohes Prestige: die Verwendung des Kodes ln einer gegebenen Situation wird 1n der betreffenden Gesellschaft höher bewertet als die Verwendung konkurrierender Kodes.

Welchen Kodes zu einem bestimmten Zeltpunkt ln einer Kultur Zentra­Utät zukommt, läßt sich entsprechend diesen Krtterten durch empirische Untersuchungen ermitteln. Zentral können etwa sein:

- der auditive (d.h. mündliche) Kode der natürlichen Sprache und der Gat­tungskode des epischen Gesangs. wie ln der frühgriechischen Kultur.

. der visuelle (d.h. schrtftUche) Kode der natürlichen Sprache und theoreti­sche Abhandlungen, wte ln den europä.lschen Kulturen der Aufklärungs­zelt,

- der visuelle nlchtsprachUche Kode der "beweglichen Bilder" (ln Film. Fern­sehen, VIdeo und Comlc Strtp), wie ln den westlichen Kulturen der Ge­

genwart, - der auditive nlchtsprachUche Kode der Hausmusik. wie ln der Epoche des

Biedermeier, - der plastische Kode der steinernen Architektur. wie sie ln den ägyptischen

Pyramiden und tlen Kathedralen des Hochmittelalte rs verwirklicht wurde.

Wenn ein Kode für eine Kultur zentral geworden Ist. so hat dies auch

Folgen für dle anderen Kodes dieser Kultur.

(a) Die entsprech~nd einem zentralen Kode hergestellten Artefakte erhalten

eine Model!funktfcn für andere Artefakttypen:

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42 Roland Poener

- so Ist der Stoff ln den mündlichen griechischen Epen zum ModeU geworden für den Stoff der klassischen griechischen Dramen:

die Argumentations muster ln deri theoretischen Abhandlungen der euro­päischen Aufklärungszelt sind ln fast alle anderen Gattungen der Aufklä­rungs literatur eingedrungen:

- die Montagestruktur des FIJms wurde ln den späten 20er Jahren des 20. Jahrhunderts auch ln der Literatur und ln der Musik ausprobiert:

- die Gattungen und Stile der Kammermusik des Biedermeier machen sich auch ln den literarischen Werken dieser Zelt bemerkbar:

- die architektonische Struktur der hochmittelalterlichen Kathedrale findet

sich ln den Rathäusern und Krankenhäusern der Zelt wieder und be­sUmmt sogar die Form mancher zeltgenOsstsehen wissenschaftlichen Ab­handlungen .

(b) Wenn ein Kode für eine Kultur zentral geworden Ist. so wächst der Elabo­

rlerthettsgrad der durch Ihn bestimmten Artefakte. Dies läßt sich gut nach ­weisen. wenn man die frühchristlichen Gebetshäuser ln Westeuropa mit den gothlschen Kathedralen vergleicht, bel denen nicht nur das Gebäude Insge­

samt als Stgntßkant für selne Funktion dient. sondern auch die Gebäude­teile zu sagnißkanten geworden slnd: Das Hauptportal verweist auf den Übergang von der Erde (durch das Fegefeuer) ln den Himmel: die Apsis Ist um den Tabernakel herumgebaut der durch selne äußere Form die Anwe­senheit Gottes slgnlßzlert: der Grundriß hat die Form eines Kreuzes. das nach Osten weist. und charakterisiert damit die ganze Kathedrale als Heils­Instrument. Durch diese Konßguratlon. signifikativer Zeichen erhielt die Kathedrale für die Kultur des Mittelalters den Status elnes komplexen Tex­tes. der mit großer Aufmerksamkelt gelesen und ständig weiter ausge­schmückt wurde. Jede Zusammenkunft der Gemeinde zur Feier des Gottes­

dienstes war der Lektüre dieses Textes gewidmet. - Vergleichbare Entwick­lungen würden steh auch darstellen lassen an der klassischen europa.tschen Konzertmuslk. am Unterhaltungsfllm des 20. Jahrhunderts. an den mathe­matischen Abhandlungen des 18. Jahrhunderts und am klassischen grte­chlschen Drama.

(c) Die größere Elabor1erthelt der Artefakte erfordert elne stärkere Standardi­

sierung des zugrunde Hegenden Zelchensystems. Die Verwendung der mei­sten Zeichensysteme wird durch Nachahmung von Belspielen gelernt. Dabei Ist es nicht notwendig, eigens einen Text zu produzieren. der den betreffen-

Was Ist Kultur? 43

den Kodt: bezeichnet. Je komplexer ein Kode Jedoch wird. umso größer wird das Bedürfnis. über Ihn zu kommuntzieren und Richtlinien. Regeln und Anweisungen für seine Verwendung zu formulieren . Geschieht dies. so

benutzt man dazu meist einen anderen Kode. zum Belspiel wenn man die syntaktische Struktur von Sätzen einer Sprache In Phrasenstrukturbäumen d a rstellt oder bestimmte Regeln der musikalischen Komposition ln Partitu­ren notiert oder die Bedeutung bestimmter Verkehrszeichen ln sprachlichen

Beschreibungen fixiert. Die voUständlge Standardisierung e ines Kodes wird möglich . wenn es einen Metatext gibt. de r alle Regeln des Kodes lückenlos a ufze ichnet. wie elne Grammatik e iner natürlichen Sprache. ein Handbuc h

de r mus ikalischen Kompositionslehre oder eine Straßenverkehrsordnung. Schon allein die Tatsache der Fixierung wirkt sich auf die Verwendung des Kodes aus. War der Metatext ln den meisten Fällen zunächst nur als Beschreibung der zur Zelt seiner Entstehung gebräuchlichen Regeln gedacht. so wird er alsbald als Vorsehr1ft dafür verstanden. welche Hegeln befolgt werden sollen. Die Funktion des Metatextes schlägt um von der

Deskription ln die Präskription. er wird ein Instrument der Standardlslc· rung. und damit meist ein Hindernis für die Weiterentwicklung des Kodes.

denn bei der Befolgung elnes präskriptiven Metatexts muß Jede e inzelne

Anweisung erst geändert werden, bevor steh die durch s ie bestimmte Praxis

ändern kann.

(d) Modellfunktlon. Elabor1erthelt und Standardisierung führen nun auch zu einem größeren Maß an Automatisierung ln der Verwendung des Kodes. We· nlger gebräuchliche Varianten werden entweder unterdrückt oder semantl­s lert, und die Verwendung des Kodes wird zunehmend auf Standardsitua­tionen und Standardthemen beschränkt. Durch die Automatisierung wird die Ökonomie In der Verwendung des Kodes erhöht. doch geschieht dies auf Kosten der Flexlbllltät. Die Probleme, die mit HUfe des Kodes gelöst werden

können. werden stereotyp. und wenn der Gesamtkontext sich ändert. gerät der Kode außer Anwendung (vgl. Posner 1982. S . 118ffi.

Je länger ein Kode ln einer GeseUschaft zentral war, um so größer Ist die Gefahr. daß er versteinert und daher die Anziehungskraft verlie rt . der er seine Zentralltät verdankte. Andere, flexiblere Kodes beginnen. Ihn an Pre­stige zu übertreffen . Ihre Frequenz und Distribution nimmt zu. und sie drängen Ihn an die Per1pherte Im System der kulturellen Sphären.

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44 Roland Poeoner

Die soeben skizzierten Prozesse des Wandels Innerhalb der kulturellen Sphären passen zu den vorher beschriebenen Prozessen des Übergangs vom Außerkulturellen zum Nichtkulturellen und vom Nichtkulturellen zum Kul­tureJJen. Es handelt sich nur um die dritte Stufe des Semlotlslerungsprozes­ses und seine Fortsetzung bis zum bitteren Ende.

Zu betonen Ist jedoch, daß die Überstandardisierung und Überautomati­sierung eines zentralen Kodes, die zu seiner Außerkraftsetzung führen, ver­mieden werden können, wenn es zur Interferenz mit anderen ähnllch zen­tralen Kodes kommt. Interferenz findet statt, wenn zwei Kodes gleiche oder ähnliche Wirklichkeltsausschnitte strukturieren und wenn sie häufig ln der­selben Situation gebraucht werden.

Ein Belspiel Ist das Übersetzen. Zlrkullert eln Text 1m Rahmen einer Kultur nicht nur ln einer einzigen, sondern ln mehreren Sprachen. so wie die Bibel seit Jahrhunderten, dann entautomatlslert_jede Version die Sprache der anderen. Abweichungen Im TexUnhalt und Übersetzungsschwierigkelten machen die Leser auf die besonderen Voraussetzungen der jeweUJgen Spra­che aufmerksam und zwingen sie dazu, diese weiterzuentwickeln. damit sie den entsprechenden Zweck besser erfüllt.

Ein anderes Belspiel Ist die komplementäre Verwendung mehrerer ver­schiedener Kodes, w1e ln den Emblemen des Barock, 1n denen eln Bild. ein sprichwortartiger Satz und eine philosophische Abhandlung nebeneinander­stehen und sich gegenseltlg erläutern. Aufgrund der Tatsache, daß Bllder kontlnulerUch und nicht llnear. verbale Texte. aber nichtkontinuierlich und Unear aufgebaut sind, Ist die KomblnaUon belder miteinander sehr lei­stungsfähig. Sie regt den Leser z~glelch dazu an, einen gesehrtebenen Text als Blld zu .betrachten oder eln Bild so zu lesen, als wäre es ein geschriebe­ner Text. Dies führt zu verstärkter Aufmerksamkelt auf etwaige blldarttge Eigenschaften von gesehrtebener Sprache (z.B. bel der Wahl der Lettern und Ihrer VertelJung auf einer Buchseitel und auf etwaige sprachllche Eigen­schaften von Malerei (s.B. bel der Aufteilung eines Bildes 1n Teile und bel der Prüfung Ihrer syntaktischen Beziehungen). In dieser Welse wirkt Interferenz der Automatisierungstendenz entgegen (vgl. Bai 1989 über betrachtendes Lesen und lesendes Betrachten).

Auf die reichen emplrlschen Belege für die besprochenen Arten des Kul­turwandels kann Im Rahmen dieses Aufsatzes nur am Rande verwiesen wer­den. Doch mag das Gesagte genügen, um die Hauptthese dieses Kapitels zu untermauern, daß der Kulturmechanismus die zunehmende Semlotlslerung der Welt bewirkt. Die Bildung eines Kodes (zur Erfassung neuentdeckter

;

Was Ist Kultur? 45

Wirklichkeit), seine Elaborterung (bel deren Einbeziehung ln die kulturellen Sphären), seine ZentraUslerung und seine schUeßllche Ersetzung durch an­dere Kodes (die weniger semlotlslert und daher flexibler sind) · das Is t ein zyk.Uscher Prozeß, der erst dann endet, wenn eine Kultur zu existieren auf­hört. Diesen Prozeß zu beschreiben, wäre kaum möglich gewesen ohne Ver­wendung des Kodebegriffs und ohne Expllkatlon des Begriffs der Kultur als Menge von Kodes. Wer die gelleferte Skizze der Prozesse des Kulturwandels für aufschlußreich hält. der kommt nicht umhin. auch die Ihr zugrunde Uegende Explikation des Kulturbegriffs als fruchtbar anzusehen.

außer· halb II

außer· halb II

außer· halb I

außer· halb I

Abb. 11 : Die Segmentierung der Wl.rkllchkelt durch zwei verschiedene Kulturen.

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46 Roland Poener

4 .3 Kultur als kollektives Gedächtnis

Was würde d en Mitgliedern einer Gesellschaft fehlen, wenn sie nicht Tell e i­ner Kultur wären. mitsamt des komplexen Systems semloslscher Sphären und zyklischer Semlotlslerungsprozesse? Was wäre. wenn es den Mechanis­mus der Kultur nicht gäbe? Die Antwort wtrd klar. wenn man Tiere ln die Untersuchung einbezieht. die keine Kultur haben. El.ne Kultur hält jedem Mitglied der betreffenden Gesellschaft Erfahrungen sel.ner Vorfahren verfüg­

ba r. so daß es sie wiederholen und verfeinern kann. wenn sie positiv waren. und daß es Ihnen aus dem Weg gehen kann, wenn sie negativ waren. Die Kultur Ist also für die Gesellschaft. was das Gedächtnis für das Individuum Ist (vgl. Assmann und Hölscher 1988). Sie Ist ein kollektiver Mechanismus

für die lnformallonsspelcherung. Kollektive Informalionsspeicherung erfordert Kodes ebenso wie Kommu­

nikation. Signifikatton und Indikation. Sie wäre nicht möglich ohne Kommu­

nikation . denn die ursprüngliche Erfahrung kann nur weitergegeben werden. wenn derjenige. der sLe gemacht hat. die Rolle eines Senders übernimmt. Sie wäre nicht möglich ohne Slgnlfikatton, denn wenn alle Kommuntkation sich

ausschließlich l.ndlkatlver Zeichen bedienen würde, könnte die ursprüngli­che Erfahrung vom Sender jeweils nur sel.nen Adressaten und von diesen nur Ihren Adressaten weitergegeben werden: für Individuen. die nicht l.nner­halb einer solchen Kommunikationskette als Adressaten Intendiert sind. bliebe die betreffende Erfahrung unzugänglich. Und sie wäre nicht möglich ohne Indikation. denn wenn alle Kommuntkation sich ausschließlich signifi­kativer Zeichen bedienen würde. w~en die Sender nicht 1n der Lage. kode­überschreitende Mittellungen zu machen, und die Empfänger nicht. die ko­dierten Mitte llungen auf Ihre wechselnde eigene Lage zu beziehen.

Kollektive Informationsspeicherung beruht also auf der Herstellung von Texten mit Hilfe kultureller Kodes und auf Ihrer Rezeption mit HUfe von Jn­dlkallonsprozessen. Dle5e Kombination Ist es. die gewährleistet, daß eine einmal gemachte Erfahrung das Verhalten der MltglJeder el.ner Gesellschaft noch Hunderte von Jahren nach dem Tode dessen. der sie geptacht hat, be­einflussen kann (vgl. Posner 1984).

Doch wird Informalion nicht nur l.n einzelnen Texten gespeichert. Im Ge­

genteil. diese Art der Informationsspeicherung Ist höchst verletzllch. denn wenn der Text zerstört wlrd. geht auch die Information verloren.

Ein Weg zur Überwindung dieser Beschränkung Ist die Multlpllkatlon der Texttoken durch Anfertigung von Repllkas und die Erhöhung der Frequenz

Was Ist Kultur? 47

der Textrezeptton durch Einbeziehung des Textes ln ein Rth~al. Auch die sprichwortartige Verwendung von Fragmenten des Textes garantiert deren

Fortexlstenz. Große Frequenz der Rezeption Ist erreichbar. wenn eine Informalton zum

obligatorischen Tell einer KJasse von Text(typ)en wird. Gattungsspez!flsche

Formeln. wie das "Es war einmal" der Märchen oder das "Quod erat demon­strandum" der Beweisargumentation gehören hierher. Schematische Infor­

mation wird auch ln Satzverknüpfern verfügbar gehalten. zum Belspiel Im stereotypen "und dann" des Erzählers und Im "weil" und "deshalb" des Ar­

gumentlerers. Die Chancen für die Fortexistenz einer Information sind am größten.

wenn es einen Kode gibt. der ln jeder seiner Anwendungen Ihre Mitformulie­

rung verlangt. Das Ist der Fall ln den grammatikalisierten Informationen d e r natürlichen Sprachen: die Notwendigkeit. ln jedem Satz e in finites Verb zu verwenden . hat ln den Indoeuropäischen Sprachen die uralten Kategorien der Zell und der Modalität von Handlungen lebendig gehalten.

Mit Hilfe dieser Verfahren speichert jede Kultur bestimmte Handlungs­muster. die sich Im Laufe Ihrer Evolution als wichtig erwiesen haben. S ie

sind es. die die Identität der Kultur aufrechterhalten und die strukturelle

Informa lion enthalten. die deren weitere Entwicklung bestimmt. Vergleicht man diese strukturelle Information allerdings mit dem Reich­

tum und der VIelfalt der Informationen. die jedes Individuum direkt zu kommunizieren ln der Lage Ist. solange es lebt. so erscheint sie extrem redu­ziert. Die Verfahren der TextformulJerung. Ritualisierung. Gattungsbildung und Grammatlkallslerung sind also auch ein starker lnformatlonsflltcr.

Kultur als kollektives Gedächtnis Ist somit nicht nur ein Spelcherme­chanlsmus. sondern auch ein Sclektlonsapparat: philologisch gesprochen ein dlcllonnalre ralsonn~. biologisch el.ne Überlebensmaschlnc.

Es sei daher erlaubt, die Frage zu stellen. um wessen Überleben es letzt­

lich dabei geht: - das Überleben der Mentefakte, semiotisch gesprochen der Kodes. also der

menta len Kultur. - das Überleben der Artefakte. semiotisch gesprochen der Texte. a lso der

Zivilisation. - das Überleben der Institutionen. semiotisch gesprochen der Zelchenbenut­

zer. also d er Gesellschaft? Oder geht es nur : •m die Fortexistenz der Gene? Diese Frage soll hier offen

bleiben.

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