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ERTMS – FÜR EINEN FLÜSSIGEN UND SICHEREN EISENBAHNVERKEHR EUROPÄISCHE KOMMISSION Generaldirektion Energie und Verkehr Ein europäisches wirtschaftliches Großvorhaben T601080CEEDE 23/02/06 14:38 Page a

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ERTMS – FÜR EINEN FLÜSSIGEN UND SICHERENEISENBAHNVERKEHR

EUROPÄISCHE

KOMMISSIONGeneraldirektion

Energie und Verkehr

Ein europäisches wirtschaftliches Großvorhaben

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Kein Binnenmarkt für Lokomotiven?

Digitalisierung der Signalgebung im Eisenbahnverkehr

Der Weg zu einem gemeinsamen System der Geschwindigkeitsregelung

Und die Fahrgäste?

Funktionsweise des ETCS

Der Weg zu einer koordinierten Einführung des ERTMS

Einführung des ETCS im gesamten transeuropäischen Eisenbahnnetz

INHALT1

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Die Generaldirektion für Energie und Verkehr der Europäischen Kommission gestaltet diePolitik der Europäischen Union (EU) in diesen eng miteinander verbundenen Bereichenund setzt diese Politik um. Im Weißbuch von 2001 mit dem Titel „Die europäischeVerkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft“ werden 60 praktischeMaßnahmen beschrieben. Das Ziel dieser Maßnahmen besteht darin, die Qualität unddie Effizienz des Verkehrs in Europa bis 2010 wesentlich zu verbessern und zu verhin-dern, dass die Zunahme des Wirtschaftswachstums zwangsläufig einen Ausbau derVerkehrssysteme erfordert. Durch die Einführung eines gemeinsamen Eisenbahn-verkehrsleitsystems (ERTMS) wird es möglich sein, den grenzüberschreitendenPersonen- und Güterverkehr zu verbessern und die Sicherheit und Zuverlässigkeit desSchienenverkehrs zu erhöhen.

Herausgeber der Broschüre: Europäische Kommission, GD Energie und Verkehr,B-1049 Brüsselhttp://europa.eu.int/comm/dgs/energy_transport/index_de.html

Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 2006.ISBN 92-79-00583-9© Europäische Gemeinschaften, 2006

Nachdruck mit Quellenangabe gestattet.Text abgeschlossen am: 13. Dezember 2005Fotos mit freundlicher Genehmigung von: Bombardier, DB AG/Gärtig/Jazbec/Klee,Europäische Eisenbahnagentur, Europäische Kommission, Roberto Ferravante, SNCF, Thalys

Printed in Belgium

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ereits seit mehreren Jahren befahren Lkw dieeuropäischen Fernstraßen, ohne durch dieBinnengrenzen behindert zu werden, an

denen sie einst zur Abwicklung der Zoll-formalitäten anhalten mussten. Für Lokomotiven

ist dagegen das Überqueren einer Grenze nach wie vorein besonderes Ereignis, ausgenommen bei einigenLokomotiven,die für mehrere Systeme ausgerüstet sind.

Neben den rechtlichen oder verwaltungstechnischenFragen, an denen die Europäische Union mit denMitgliedstaaten und dem Eisenbahnsektor arbeitet, wirddas Überqueren einer europäischen Binnengrenze inder Tat durch mehrere technische Hindernisseerschwert. Das bekannteste Hindernis sind die unter-schiedlichen Spurweiten: In Europa gibt es nämlichnicht weniger als vier verschiedene Spurweiten (1). Auchandere, weniger sichtbare technische „Hindernisse“müssen beseitigt werden: unterschiedliche Stromarten,Bahnsteighöhen für Fahrgäste, maximale Neigungen,das höchstzulässige Gewicht je Achse, usw. DieserMangel an Einheitlichkeit wirkt sich auf den inter-nationalen Verkehr aus und verursacht bedeutendeMehrkosten.

Wie ist dieses Fehlen eines „Binnenmarktes“ fürLokomotiven zu erklären? Im Eisenbahnbereich wurdendie technischen Fragen allzu lange unter der Annahmegelöst, dass Lokomotiven die Grenzen wohl nie über-schreiten würden. Die Probleme der Signalgebung undder Zuggeschwindigkeitsregelung zum Beispiel wur-den im Allgemeinen für jedes spezifische Eisen-bahnnetz durch ein einziges Unternehmen gelöst. Dieserklärt die derzeitige Zersplitterung des europäischenEisenbahnnetzes.

Den europäischen Eisenbahn-sektor optimieren: ein großeswirtschaftliches VorhabenDas Europäische Eisenbahnverkehrsleitsystem, ERTMS(European Rail Traffic Management System), zielt daraufab, diese Zersplitterung zu beenden, die als großes

Hindernis bei der Entwicklung des internationalenEisenbahnverkehrs identifiziert wurde. Die Vereinheit-lichung der zahlreichen, derzeit nebeneinander beste-henden Signalgebungssysteme soll mehrere Vorteilebieten,nämlich die Wettbewerbsfähigkeit und Dynamikdes Eisenbahnsektors zu steigern, die Integration derMärkte des Schienengüter- und Schienenpersonen-verkehrs zu unterstützen, dem europäischen Markt derEisenbahnausrüstungen Impulse zu geben, die Kostenzu senken und die Qualität des Eisenbahnsektors zuverbessern. Das ERTMS steht daher mit der Lissabon-strategie voll im Einklang.

Das ERTMS stellt ebenso wie Galileo im Bereich derSatellitennavigation und SESAR für die Flugverkehrs-kontrolle ein europäisches wirtschaftliches Groß-vorhaben dar. Es ist außerdem ein Exportartikel:Unlängst insbesondere in Südostasien abgeschlosseneVerträge zeigen, dass das ERTMS nunmehr das besteSystem auf dem Markt ist und dass Europa sich in einerguten Position im Bereich der Spitzentechnologienbefindet, wenn die Forschungs- und Entwicklungs-anstrengungen auf Gemeinschaftsebene unternom-men werden.

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ERTMS – FÜR EINEN FLÜSSIGEN UND SICHEREN EISENBAHNVERKEHR

KEIN BINNENMARKT FÜR LOKOMOTIVEN?

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(1) Irland, die Iberische Halbinsel, die baltischen Staaten und

Finnland haben eigene Spurweiten, die sich vom übrigen

europäischen Netz unterscheiden.

Unausgewogenes Verhältnis zwischen den Verkehrsträgern behindert ein nachhaltiges Wachstum

Der Anteil der Straße am Landverkehr entspricht 72 % beimGüterverkehr und 92 % beim Personenverkehr. Nur 17 % derGüter werden auf der Schiene transportiert. Dieses Ungleich-gewicht stellt eine reale Gefahr für die WettbewerbsfähigkeitEuropas dar. Es wird nämlich davon ausgegangen, dass dieKosten der Verkehrsüberlastung ungefähr 1 % des BIP derEuropäischen Union (100 Mrd. EUR) entsprechen. Ebenfallsnegative Auswirkungen gibt es hinsichtlich der Sicherheit (2004starben mehr als 43 000 Menschen auf den europäischenStraßen), der Energieversorgungssicherheit (der Verkehrssektor istin erheblichem Maße vom Erdöl abhängig) und der Umwelt-qualität (auf den Straßenverkehr entfallen 84,2 % der durch denLandverkehr verursachten CO2-Emissionen).

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Was sind die derzeitigenGrundprinzipien der Signalgebungim Eisenbahnverkehr?Die Sicherheit des Eisenbahnverkehrs zu gewährleis-ten, ist das oberste Ziel der Signalgebung im Eisenbahn-verkehr. Dieses Ziel stellt eine echte technische Heraus-forderung dar, denn die Bremswege der Züge sind imVergleich zu denen der Autos deutlich länger. Bei einerGeschwindigkeit von 100 oder 160 km/h beträgt dieserBremsweg einige hundert Meter. Aber bei sehr hoherGeschwindigkeit sind es mehrere Kilometer! Sowohl aufden konventionellen Strecken als auch auf denHochgeschwindigkeitsstrecken ist es daher notwendig,dass der Zugführer lange Zeit im Voraus die für dieZugsteuerung notwendigen Daten erhält.

Bei nicht allzu hoher Geschwindigkeit – im Allgemeinenbis zu 160 km/h – kann der Zugführer die Außensignaleentlang der Strecke beobachten. Obiges Schema stellt aufvereinfachte Weise den Prozess dar, der in Gang gesetztwird, um zu verhindern, dass ein Zug auf den anderen auf-schließt.

Das Gleis ist in Streckenabschnitte, so genannte „Blöcke“,unterteilt. Ein System ermittelt die Präsenz der Züge injedem Block. Jeder Block ist durch ein Lichtsignalgeschützt. Ein rotes Lichtsignal zeigt dem Zugführer an,dass sich in dem folgenden Block ein Zug befindet. Eingelbes Lichtsignal zeigt an, dass das nächste Signal rot ist.Der Zugführer muss daher seine Geschwindigkeit über-prüfen, um vor dem nächsten Signal anhalten zu können,falls dieses noch immer rot ist.

Und auf den Hochgeschwindig-keitsstrecken?Auf einer Hochgeschwindigkeitsstrecke gilt das gleichePrinzip, aber auf Grund der längeren Bremswege ist dieAnzahl der Blöcke zwischen zwei Zügen größer. Bei hoherGeschwindigkeit – insbesondere bei Regen oder Nebel –hat der Zugführer jedoch nicht immer genügend Zeit fürdie Wahrnehmung des Streckensignals. Deshalb wird einSignal vom Gleis gesendet, das vom Triebwagen oderdem Zug empfangen wird. Dadurch kann für denZugführer die zulässige Höchstgeschwindigkeit an dieserStelle angezeigt werden. Dieses System wird „Führer-standsignalisierung“ genannt.

Die Verantwortung für die Sicherheit liegt daher zumgroßen Teil beim Zugführer, der die Anzeigen derSignalgebung beachten muss. Während sich aber dieersten Systeme darauf beschränkten, die Daten derStreckensignale zu „wiederholen“, ist es nunmehr dankder technischen Fortschritte möglich, diese Daten miteinem automatischen System der Geschwindigkeits-regelung zu kombinieren. Außerdem ist es möglich, dieseDaten zu ergänzen, indem zum Beispiel Angaben überNeigungen, Geschwindigkeitsbegrenzungen usw. hinzu-gefügt werden. Darüber hinaus wurden Funkkommuni-kationssysteme zwischen Strecke und Fahrzeugentwickelt, um insbesondere dem Zugführer die Kontakt-aufnahme mit den Verkehrsleitzentren zu ermöglichen.Die Systeme der Geschwindigkeitsregelung werden alsozunehmend leistungsfähig und komplex.

Die Inkompatibilität derSignalgebungssystemeAber diese Systeme wurden im Allgemeinen auf nationa-ler Ebene, von einem Unternehmen für einen bestimm-ten Kunden entwickelt und unterscheiden sich dahervon Land zu Land, insbesondere was die Häufigkeit derSignalemission und die Art der übermittelten Datenanbelangt. In Europa gibt es derzeit über zwanzigSysteme für Signalgebung und Geschwindigkeits-regelung. Untereinander sind sie völlig inkompatibel. DerThalys, der insbesondere Paris, Brüssel, Köln undAmsterdam verbindet, ist daher mit nicht weniger als sie-ben verschiedenen Systemen auszustatten, was unteranderem spezielle Sensoren und Monitore erforderlichmacht.Dies verursacht Mehrkosten und erhöht das Risikovon Störungen. Außerdem erschwert es die Aufgabe derZugführer.

DIGITALISIERUNG DER SIGNALGEBUNG IM EISENBAHNVERKEHR

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or dem Hintergrund einer solchen Zersplitte-rung des Sektors wurde immer deutlicher, dasses notwendig ist, gemeinsame Anstrengungen

auf europäischer Ebene zu unternehmen. Esgalt zu vermeiden, dass in jedem Mitgliedstaat

umfangreiche Mittel in die Entwicklung, Erprobung undValidierung von Systemen investiert werden, dieinkompatibel sind, aber ähnlichen Bedürfnissen ent-sprechen.

Anfang der 1990er Jahre wurden nämlich in verschiede-nen Mitgliedstaaten Forschungsprojekte begonnen. IhrZiel war es, eine neue Generation von leistungsfähige-ren und kostengünstigeren Systemen der Signalgebungund Geschwindigkeitsregelung zu entwickeln undgleichzeitig die enormen Fortschritte des Tele-kommunikationssektors zu nutzen. Auf Betreiben derEuropäischen Kommission wurden diese verschiedenenForschungsprojekte gebündelt, um ein europäischeswirtschaftliches Großvorhaben, ERTMS, zu entwickeln.Das ERTMS umfasst heute zwei Basiskomponenten:

• GSM-R: Ein Funksystem für den Informations-austausch zwischen Strecke und Fahrzeug. Es basiertauf dem Mobilfunkstandard, nutzt aber spezielle, demSchienenverkehr vorbehaltene Frequenzen undbestimmte fortgeschrittene Funktionen. Dadurchkann der Zugführer mit den Leitstellen kommunizie-ren und dem Zug kann die zulässige Höchst-geschwindigkeit mitgeteilt werden.

• ETCS (European Train Control System): Es handelt sichum das Europäische Zugsicherungs-/Zugsteuerungs-system, das nicht nur ermöglicht, dem ZugführerInformationen über die zulässige Höchstgeschwindig-keit zu übermitteln, sondern auch, diese Vorgabenkontinuierlich zu überwachen. Ein Rechner an Borddes Fahrzeugs vergleicht nämlich die Zugge-schwindigkeit mit der zulässigen Höchstgeschwindig-keit. Bei Überschreiten der Geschwindigkeit bremstder Zug automatisch.

Es sei auf eine dritte „Komponente“ der Verkehrs-steuerung hingewiesen, die zum GSM-R und ETCS hinzu-kommt. Diese Komponente befindet sich derzeit in derErprobungsphase auf der Verbindung Rotterdam-Mailand im Rahmen des Europtirail-Pilotprojekts.

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Der Beitrag der Satellitennavigation und von Galileo zum ERTMS

Die Satellitennavigation ist dazu bestimmt, den

Eisenbahnsektor zu revolutionieren. Das ETCS wird die

genaue Bestimmung der Position jedes Zuges in Echtzeit

ermöglichen. Heute wird diese Funktion von sehr teuren

Streckenausrüstungen ausgeübt. Vor allem in der –

aussichtsreichsten – Anwendungsstufe 3 des ETCS muss

auf der Strecke die Position des Zuges so genau wie

möglich bekannt sein. Diese technische Herausforderung

könnte durch Satellitentechniken angenommen werden.

Mittels Galileo werden mehrere Projekte in diesem Bereich

voran gebracht.

DER WEG ZU EINEMGEMEINSAMEN SYSTEM DER GESCHWINDIGKEITS-REGELUNG

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ür die Fahrgäste des Hochgeschwindigkeits-zuges Thalys zwischen Paris und Brüssel ist esnicht erkennbar, dass sieben Signal-

gebungssysteme installiert werden mussten.Für jeden Wagen oder jede Lokomotive birgt dieVervielfachung der Systeme Probleme im Hinblick aufdie Fahrergonomie, die elektromagnetische Verträg-lichkeit, den für zusätzliche Installierungen verfügbarenRaum, den Übergang von einem System zu einemanderen – ganz zu schweigen von den zusätzlichenKosten und einem erhöhten Pannenrisiko. Die derzei-tige Situation stellt mit Blick auf die Zunahme des inter-nationalen Eisenbahngüterverkehrs und der Zahl derbeförderten Fahrgäste somit ein Hindernis dar.

Aber auch wenn das für die Fahrgäste nicht unmittelbarerkennbar ist, ist das ERTMS für die Entwicklung desinternationalen Eisenbahnverkehrs von Vorteil.Außerdem lässt sich das Mobilfunkkommunikations-netz GSM-R bei Anwendungen einsetzen, die unmittel-bar die Fahrgäste betreffen, vor allem im Bereich derInformation.

Was die Sicherheit anbelangt, deutet alles darauf hin,dass die Kosten des europäischen Zugbeeinflussungs-systems ausreichend sinken werden, um allmählicheine große Zahl an Strecken, die nicht mit den nationa-len Systemen ausgestattet werden konnten, mit demETCS ausrüsten zu können. Es sei daran erinnert, dasssich auf Strecken, die nicht mit einem System zurGeschwindigkeitsregelung ausgerüstet sind, leiderimmer noch zu häufig Unfälle ereignen, die inZusammenhang mit der Signalgebung stehen.

UND DIE FAHRGÄSTE?

F

Durch das ERTMS wird es möglich sein, den

Marktanteil der Eisenbahn am europäischen

Verkehrssektor zu vergrößern, was zur Entstehung

eines Wettberwerbsmarktes der Zulieferer beitragen

und letztendlich die Kosten der Eisenbahn reduzieren

dürfte. Die italienische Eisenbahngesellschaft

beschloss überdies die Annahme dieses Systems auf

allen neuen Hochgeschwindigkeitsstrecken. Auf der

ungefähr 204 km langen Strecke Rom-Neapel hat

am 12. September 2005 die präoperative Phase im

Hinblick auf einen Regelbetrieb vor Weihnachten

2005 begonnen. Bezüglich der Strecke Turin-Novara

begann die präoperative Phase im November 2005.

Die RFI plant außerdem die Anwendung dieses

Systems auf einem Teil ihres konventionellen Netzes,

indem sie mit drei Korridoren beginnt: Rotterdam-

Genua, Stockholm-Neapel, Spanien-Slowenien.

Diese Korridore, die insbesondere für den

interoperablen Verkehr bestimmt sind, werden daher

die erste Etappe der Migration zum ERTMS

darstellen, der weitere Etappen auf bedeutenden

konventionellen Strecken folgen werden.

Mauro Moretti

Generalbevollmächtigter der italienischen

Eisenbahngesellschaft

(Rete Ferroviaria Italiana – RFI)

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Die InteroperabilitätgewährleistenUm sicherzustellen, dass mit einem ETCS-Modul undMobilfunkkommunikationsnetz eines Herstellers aus-gerüstete Züge auf einem durch einen anderenHersteller ausgerüsteten Netz verkehren können,arbeiten die Unternehmen auf der Grundlagegemeinsamer gemeinschaftsweit angenommenerSpezifikationen. Diese Spezifikationen müssennatürlich angeglichen werden, um insbesondere dieEntwicklung der Technologien oder des Bedarfs zuberücksichtigen.

Vor ihrer Inbetriebnahme ist es überdies erforderlich,die Prototypen zu testen, um ihre Vereinbarkeit mitden Spezifikationen für die Interoperabilität zu über-prüfen. Zu diesem Zweck erscheint der Einsatz vonUmgebungssimulatoren, die vom gesamten Sektoranerkannt werden, unverzichtbar.

Der Standpunkt desspanischen Infrastruktur-betreibers (ADIF)Bereits 1986 entschied sich Spanien für die Inter-operabilität, indem es den Bau seiner ersten Hoch-geschwindigkeitsstrecke – 471 km zwischen Madrid undSevilla – mit einer Spurweite gemäß UIC (2)-Standardbeschloss. Auf dieser Neubaustrecke wurde das Signal-system LZB (3) bei Zügen, die mit einer Geschwindigkeitvon bis zu 300 km/h verkehren, zur vollen Zufriedenheiteingesetzt. Dennoch ist Spanien ein entschiedenerVerfechter des ETCS auf allen Neubaustrecken, die aufhohe Geschwindigkeiten ausgelegt sind. Die Aufnahmedes Regelbetriebs des ETCS-Systems auf einem Strecken-abschnitt von 443 Kilometern zwischen Madrid und Léridabei einer Geschwindigkeit von 250 km/h geht ihremerfolgreichen Abschluss entgegen. Die Einbindung vonfünf verschiedenen Unternehmen stellte eine große Her-ausforderung dar und setzte die strikte Befolgung derSpezifikationen für die Interoperabilität voraus, damit dieZüge eines Unternehmens auf den von einem anderenUnternehmen ausgerüsteten Verbindungen verkehrenkönnen. Diese Einhaltung der Spezifikationen sowie dieKompatibilität der nachfolgenden ETCS-Versionen wirdein Schlüssel für den Erfolg des ETCS im Allgemeinen unddie Verbindung nach Frankreich über Perpignan imBesonderen sein. Auf dieser Strecke werden bis 2009Hochgeschwindigkeitszüge verkehren, die eine Spitzen-geschwindigkeit von 350 km/h erreichen können, sowieGüterzüge. Daher setzen wir auf das ETCS.

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Jetzt, da die Testphase beendet ist, stellt die

Einführung des ERTMS auf verschiedenen

Verbindungen in Europa einen großen Fortschritt in

der Geschichte des internationalen Eisenbahnverkehrs

dar. Das ERTMS erleichtert den Zugang zum trans-

europäischen Netz und wird eine Leistungsverbes-

serung und eine Kostensenkung ermöglichen. Aus

diesen Gründen begrüßen wir ausdrücklich die

Einführung des ERTMS.

Heute steht der Eisenbahnsektor vor der

Herausforderung der Migration: Die Vorteile des

ERTMS werden sich erst wirklich bemerkbar machen,

wenn alle Hauptachsen und die darauf verkehrenden

Züge ausgerüstet sein werden, aber für eine schnelle

Migration sind umfangreiche finanzielle Mittel

notwendig. Deshalb müssen die Europäische

Kommission, die Eisenbahnunternehmen und die

Infrastrukturbetreiber eng zusammenarbeiten. Daher

stehen wir voll und ganz hinter der Initiative der

Kommission, für jeden Korridor Studien in Auftrag zu

geben, in denen in enger Abstimmung mit den

Infrastrukturbetreibern alle Aspekte der Einführung

des ERTMS untersucht werden. Die erfolgreiche

Einführung des ERTMS setzt eine intensive

Zusammenarbeit aller Akteure voraus.

Bert Klerk, Vorsitzender von Prorail

(2) Internationaler Eisenbahnverband.

(3) Es handelt sich um ein Signalsystem, das hauptsächlich auf den

deutschen Hochgeschwindigkeitsstrecken eingesetzt wird.

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Die verschiedenenAnwendungsstufen des ETCSDurch das Europäische System für Zugsicherung undZugsteuerung ETCS werden Daten vom Boden an denZug übermittelt, die eine kontinuierliche Berechnungseiner zulässigen Höchstgeschwindigkeit ermög-lichen. Diese Daten werden durch entlang der Streckeinstallierte Baken (vom Typ Eurobalise) übermittelt undan das bestehende Signalsystem (die Außensignale)angeschlossen. Dies ist die so genannte „ETCS-Anwen-dungsstufe 1“ (ETCS-1). Diese Technologie ist nunmehrgenehmigt. Die Baken können von jedem Ausrüstergekauft werden.

• Auf der Anwendungsstufe 1 (siehe A) wird grundsätz-lich auf Höhe jedes Außensignals eine „umwandel-bare“ ETCS-Bake installiert. Die Situation entsprichtdaher derjenigen in der schematischen Darstellung.Sobald der Zug 2 die Bake A auf Höhe des „grünen“Signals erreicht, erhält er die Genehmigung, bis zumEnde des Streckenabschnitts 2 zu fahren. Auf Grunddieser Genehmigung kann er im Prinzip mit derHöchstgeschwindigkeit der Strecke (in unseremBeispiel 160 km/h) bis zur Bake B, die sich am darauffolgenden Signal befindet, fahren. Nachdem der Zugdie Bake B erreicht hat,müsste er daher mangels neuerDaten bremsen, um vor dem Signal, an dem sich dieBake C befindet, anzuhalten.

• Wenn der Zug 2 in einer „normalen“ Situation (siehe B)die Bake B passiert, hat der Zug 1 bereits Strecken-abschnitt 3 verlassen. Wie in dem folgenden Schemagezeigt wird, erhält der Zug 2 daher eine neueGenehmigung zur Weiterfahrt, dieses Mal bis zu demder Bake D entsprechenden Signal. Der Zug kanndaher mit der Höchstgeschwindigkeit der Strecke, inunserem Fall 160 km/h, weiterfahren.

• Falls jedoch der Zug 1 aus irgendeinem Grund (siehe C)Streckenabschnitt 3 nicht verlassen hat,wird die Bake Bnur das Verbot für das Passieren des Signals, das sichauf Höhe der Bake C befindet, bestätigen können, wasbedeutet, dass der Zug mit einer stetig geringerenGeschwindigkeit fahren muss, bis er vor der Bake C

zum Halt kommt. Diese Situation ist in dem darunterbefindlichen Schema dargestellt. Der Zugführer pas-siert die Bake C erst, wenn das Signal von gelb auf grünumgeschaltet hat, wodurch das Zugsystem durch dasPassieren der Bake eine neue Genehmigung erhält.

All diese Daten können auch über das Funksystem (GSM-R) übermittelt werden. In diesem Fall handelt es sich umdie „ETCS-Anwendungsstufe 2“ (ETCS-2). Die Verwen-dung von Außensignalen ist dabei nicht mehr erforder-lich, was beträchtliche Einsparungen bei den Investi-tionen und der Wartung ermöglicht. Die Zugortungerfolgt weiterhin am Boden. Ein mit dem FunksystemGSM-R ausgerüsteter ETCS-Zug kann sowohl aufStrecken der Anwendungsstufe 1 als auch auf solchender Anwendungsstufe 2 fahren.

• In der Anwendungsstufe 2 (siehe D) kann der ETCS-Zug zu jedem Zeitpunkt per Funk eine neue„Genehmigung zur Weiterfahrt“ erhalten. Wie in dervorangegangenen Konfiguration kann die Funk-streckenzentrale (Radio Block Centre) diese Daten vonSystemen an der Strecke (Achszähler, Gleisstrom-kreise...) empfangen und den Zügen unverzüglich eineneue Genehmigung für die Weiterfahrt bis zum Endedes Streckenabschnitts 3 erteilen. Während dieseneuen Daten in der Anwendungsstufe 1 nur bis zumEnde des Streckenabschnitts 2 empfangbar wären,wodurch der Zug verpflichtet wäre, auf dem gesamtenoder einen Teil des Streckenabschnitts 2 mit niedrigerGeschwindigkeit zu fahren, sind diese Daten in derAnwendungsstufe 2 sofort verfügbar, was zurFlüssigkeit des Verkehrs beiträgt.

• In der Anwendungsstufe 3 (siehe E) übermitteln dieZüge schließlich selbst ihren exakten Standort, waseine Optimierung der Streckenkapazität und einenochmalige Reduzierung des Materials entlang derStrecke ermöglicht. Die ETCS-Anwendungsstufe 3befindet sich noch im Versuchsstadium,aber sie dürftemittelfristig bedeutende Einsparungen bei Wartungund Kapazitäten ermöglichen.

FUNKTIONSWEISE DES ETCS

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160 km/h

160 km/h

160 km/h

160 km/h

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Zug 2

Zug 2

Zug 2

Zug 2 Zug 1

Zug 2 Zug 1

Zug 1

Zug 1

Streckenabschnitt 1 Streckenabschnitt 2 Streckenabschnitt 3

Streckenabschnitt 1 Streckenabschnitt 2 Streckenabschnitt 3

Funkstreckenzentrale (Radio Block Centre)

Funkstreckenzentrale (Radio Block Centre)

Streckenabschnitt 1 Streckenabschnitt 2 Streckenabschnitt 3

Streckenabschnitt 1

Bake A

Streckenabschnitt 2 Streckenabschnitt 3

Bake B Bake C Bake D

Bake A Bake B Bake C Bake D

Bake A Bake B Bake C Bake D

A

B

C

D

E

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Die EuropäischeEisenbahnagentur und dieInteroperabilitätDie in Valenciennes/Lille (Frankreich) niedergelasseneEuropäische Eisenbahnagentur hat insbesondere dieAufgabe, die technischen Spezifikationen für dieInteroperabilität im Eisenbahnsektor auszuarbeiten,zu überarbeiten oder zu vervollständigen. Sie über-nimmt daher die Rolle der „Systemautorität für dasERTMS“. Diese Spezifikationen umfassen zum Beispieldas exakte Format der zwischen dem Fahrzeug undder Strecke ausgetauschten Daten. Es handelt sich umeine schwierige Aufgabe, denn es ist wichtig, dafürSorge zu tragen, dass die von einem Akteur einge-reichten Änderungsanträge nicht die von anderengetätigten Investitionen gefährden. Jeder Antrag zurÄnderung der Spezifikationen muss insbesonderedurch eine Kosten-Nutzen-Analyse dieser Änderunggestützt werden.

Neben der Rolle als „Systemautorität für das ERTMS“verfügt die Agentur zudem über ein Mandat für dieArbeit an den Spezifikationen für die Interoperabilität(beispielsweise in den Bereichen der Infrastruktur, desrollenden Materials oder der Elektrifizierungsarten).Die Europäische Kommission kann die Agentur fernerum Unterstützung bei der Bewertung der von derGemeinschaft finanziell unterstützten Projekte unterdem Gesichtspunkt der Interoperabilität ersuchen.Die Agentur wird alle zwei Jahre über die im Bereichder Interoperabilität erzielten Fortschritte einenBericht vorlegen. Dieser Bericht wird zum Beispiel zurÜberarbeitung der Einführungspläne oder derFinanzierungsmodalitäten dienen.

Bezüglich der Sicherheit wird eine der Aufgaben derAgentur darin liegen, Untersuchungsberichte zuEisenbahnunfällen zu sammeln, um einen entspre-chenden Erfahrungsaustausch zu fördern. Sie wirdselbst einen Bericht über das Sicherheitsniveau derNetze abfassen, der, falls notwendig, Maßnahmen-vorschläge umfassen wird.

„Die Zersplitterung beenden“

Die Entscheidung, eine Europäische Eisenbahnagentur zu gründen, ist ein Schlüsselelement für die Neubelebung

des Sektors. Sie spiegelt die Entschlossenheit der Kommission wider, die Zersplitterung des Sektors zu beenden, die

der Wettbewerbsfähigkeit schadet und ganze Bereiche seiner Aktivität bedroht.

Die Agentur besitzt Rechtspersönlichkeit. Es ist die erste Agentur, die nach den neuen Gemeinschaftsbestim-

mungen in dem Bereich gegründet wurde. Sie ist nun in vollem Umfang operativ. Ihre Personalstärke wird fast

100 Mitarbeiter unterschiedlicher Nationalitäten erreichen; davon werden mehr als drei Viertel als

Sachverständige in den verschiedenen Zuständigkeitsbereichen der Agentur tätig sein. Außerdem werden wir ein

Netzwerk für die Zusammenarbeit mit den europäischen Verbänden des Sektors und den Sicherheitsbehörden

einrichten. Die Transparenz unserer Arbeitsmethoden und die Unterstützung der verschiedenen beteiligten

Parteien werden von grundlegender Bedeutung sein, um unseren Auftrag erfolgreich auszuführen.

Marcel Verslype, Exekutivdirektor der Europäischen Eisenbahnagentur

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Ein Erfolg zeichnet sich ab:das Mobilfunknetz GSM-RDie Einführung des Mobilfunknetzes GSM-R in Europaist bereits gut angelaufen. Die Netze in Deutschland,Schweden und den Niederlanden sind nahezu vollstän-dig ausgerüstet. Fast alle Mitgliedstaaten tauschen der-zeit ihre Funksysteme aus, die durch die Einführung derdigitalen Technologien und des GSM-R-Systems über-holt sind. Dieses auf den öffentlichen GSM-Standardsberuhende System bietet nämlich eine gegenüber denim Allgemeinen auf nationaler Ebene entwickelten frü-heren Systemen ungleich höhere Qualität und einungleich besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis. In denfolgenden Karten wird die sehr schnelle Entwicklungdes GSM-R-Standards in den meisten „alten“ Mitglied-staaten bestätigt. Die Kommission unterstützt fernerzahlreiche Projekte zur Einführung dieses Systems inden „neuen“ Mitgliedstaaten: Bereits 2010, ja sogarschon davor, werden die Hauptachsen des Eisenbahn-verkehrs mit GSM-R ausgerüstet sein.

Das Problem bei derEinführung des ETCSDie Einführung des ETCS erfolgt dagegen wenigerschnell. Wie ist dies zu erklären? Auf einer bestimmtenStrecke verkehren zahlreiche Züge. Die Beschränkungdes Streckenzugangs auf die mit dem ETCS-Systemausgerüsteten Züge gilt im Allgemeinen als zu been-gend, ja sogar wirtschaftlich nicht vertretbar, da bishernur eine geringe Zahl von Zügen mit ETCS ausgerüstetist. Um den neuen oder erneuerten Streckenabschnittzu erreichen, müssen die Triebfahrzeuge zunächst aufjeden Fall mit dem alten System ausgerüstet sein.

Im Falle des Ausbaus einer bestehenden Strecke läuftdaher eine Einzelanalyse, die die Vorteile derInteroperabilität und die Auswirkungen auf dasgesamte Netz nicht berücksichtigt, Gefahr, dieNutzung des ETCS-Systems nicht zu befürworten, dawährend einer mehr oder weniger langen Übergangs-phase das alte System am Boden auf jeden Fall beizu-behalten sein wird.

Solange nicht ein wesentlicher Teil des Netzes mit demETCS ausgerüstet ist, droht dieses System von denEisenbahnunternehmen als ein zusätzliches, nichtunmittelbar notwendiges System betrachtet zu wer-den, da der größte Teil der Strecken während einesÜbergangszeitraums nach wie vor mit einem odermehreren traditionellen Systemen auszustatten seinwird.

Deshalb ist ein großer Unterschied feststellbar zwi-schen dem Allgemeininteresse des Sektors an einerraschen Migration,um alle Vorteile des Systems nutzenzu können, und dem besonderen Interesse derUnternehmen, darauf zu warten, dass die anderenBeteiligten die Migration durchführen.

Der Eisenbahnsektor verpflichtete sich jedoch, denMigrationszeitraum zu verkürzen, um ein ETCS-Netzeinzurichten und in einem Zeitraum von zehn biszwölf Jahren genügend Triebfahrzeuge auszurüsten.Das wird parallel zur Realisierung großer internationa-ler Korridore geschehen. Dies soll zu einer deutlichenSenkung der Kosten in Verbindung mit der Koexistenzverschiedener Systeme und einer schnelleren Nutzungder Vorteile des neuen Systems beitragen. Eine solcheStrategie der „schnellen“ und koordinierten Migrationwird von allen Akteuren des Eisenbahnsektorsgewünscht, die einem Vereinbarungsprotokoll zurFestlegung der Grundsätze für eine solche Strategiebeigetreten sind. Dieses Protokoll wurde am 17. März2005 von Vizepräsident Jacques Barrot im Namen derEuropäischen Kommission unterzeichnet.

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ERTMS – FÜR EINEN FLÜSSIGEN UND SICHEREN EISENBAHNVERKEHR

EU-25: Prozentanteil der bis Mitte 2005

mit GSM-R ausgerüsteten

Hauptstrecken.

EU-25: Prozentanteil der bis Ende 2008

mit GSM-R ausgerüsteten

Hauptstrecken.

Unterzeichnung des Vereinbarungsprotokolls vom 17. März 2005

zwischen der Kommission, vertreten durch Vizepräsident Jacques

Barrot, und den Vertretern des Eisenbahnsektors.

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ür einen Infrastrukturbetreiber hängt dieEntscheidung, das ETCS auf einer Streckeoder einem Teil seines Netzes zu installie-

ren, oft von der Strategie seines (seiner)Nachbarn ab. Deshalb kann das ERTMS nicht

von einem einzigen Beteiligten des Systems alleineingeführt werden. Außerdem wird sich ein Eisen-bahnunternehmen nicht auf eine Migrationsstrategieeinlassen, ohne bestimmte Zusicherungen bezüglichder Strategie der Betreiber der Netze, die es benutzt,zu erhalten. Umgekehrt wird die Migrationsstrategieder Eisenbahnunternehmen einen bedeutendenEinfluss auf die Strategie der Infrastrukturbetreiberhaben. Die Notwendigkeit einer Koordinierung liegtdaher auf der Hand.

Aus diesem Grund ernannte die Kommission im Juli2005 einen europäischen Koordinator, Karel Vinck(der namentlich die Belgischen Staatsbahnen leitete).Seine Aufgaben: die vorrangig zusammen mit denverschiedenen Akteuren mit dem ERTMS auszurüs-tenden Strecken oder Korridore zu definieren unddarüber zu wachen, dass die Wirtschaftsverträg-lichkeit dieser Korridore gewährleistet wird. Er mussdafür Sorge tragen, dass die Einführung des Systemsmit möglichst geringem Kostenaufwand vonstattengeht. Seine Arbeit wird in enger Zusammenarbeit mitden anderen Akteuren durchgeführt, die mit derKoordinierung der vorrangigen Eisenbahnprojekteder Union beauftragt sind.

DER WEG ZU EINERKOORDINIERTENEINFÜHRUNG DES ERTMS

F

Karel Vinck: „Das gemeinsame Ziel eines hochwertigen Eisenbahnservices erreichen“

Zwischen wirtschaftlichem Wachstum und zunehmendem

Verkehrsbedarf besteht ein sehr enger Zusammenhang. Ein auf

europäischer Ebene effizientes Eisenbahnnetz ist ein Schlüssel-

faktor in der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der

Europäischen Union. Deshalb ist das ERTMS-Projekt im Rahmen

eines umfassenderen Auftrags für den Eisenbahnsektor zu sehen.

Dieser Auftrag lässt sich in folgende Worte fassen: Einen hoch-

wertigen Eisenbahnservice in ganz Europa gewährleisten durch:

• eine gegenüber den anderen Verkehrsträgern anerkannte

Wettbewerbsfähigkeit,

• ein ausgezeichnetes Niveau an Sicherheit, Pünktlichkeit und

Zuverlässigkeit dank:

– eines Programms für Investitionen in Infrastruktur und

rollendes Material, das auf die koordinierte Einführung des

ERTMS auf den berücksichtigten Korridoren ausgerichtet ist,

– eines systematischen Strebens nach der besten Leistung für

optimale Kosten,

– eines mehrjährigen Investitionsfinanzierungsplans, der

zwischen Mitgliedstaaten, Infrastrukturbetreibern,

Eisenbahnunternehmen und Europäischer Union gerecht

verteilt ist.

Dieses umfangreiche Programm stellt eine einmalige Gelegenheit

und eine enorme Herausforderung dar. Es kann nur durch eine

wirksame grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den

verschiedenen bereits genannten Akteuren angenommen werden,

einschließlich der Hersteller von Eisenbahnprodukten. Die

Eisenbahnindustrie wird die besten einzelstaatlichen Initiativen in

dauerhafte europäische Verkehrsnetze integrieren müssen. Die

Hindernisse für die Interoperabilität – nicht zuletzt die Präsenz von

über zwanzig Systemen der Signalgebung und Geschwindigkeits-

regelung in Europa – sind zu überwinden. Um das mittelfristig

gesteckte Ziel eines hochwertigen Eisenbahnservices zu erreichen,

ist eine Abstimmung dieses komplizierten Unterfangens

unerlässlich.

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Allgemeines mit individuellemInteresse in Einklang bringenDie Europäische Kommission ist entschlossen, alles zuunternehmen, damit die individuellen Entschei-dungen dem Allgemeininteresse entgegenkom-men, das in der Einführung des ERTMS besteht. Dieswird insbesondere erfolgen durch:

• eine strikte Überwachung der Umsetzung desERTMS in Fällen, in denen diese Umsetzung kraft dereuropäischen Rechtsvorschriften vorgeschrieben ist(wie auf den neuen Hochgeschwindigkeitsverbin-dungen und für die neuen Hochgeschwindigkeits-züge);

• eine bedeutende finanzielle Unterstützung für dieProjekte, um das ERTMS-System sowohl für dieInfrastrukturen als auch für das rollende Material zuunterstützen. Die Kommission schlug außerdemdem Rat und dem Europäischen Parlament vor, dassdiese Unterstützung bis zu 50 % der Kosten inVerbindung mit der Systemeinführung betragenkann. Diese Bestimmungen könnten daher ab 2007wirksam werden und sich im Wesentlichen auf einigeJahre konzentrieren;

• eine zunehmend strenge Konditionalität bei derVergabe von Gemeinschaftsfinanzierungen fürEisenbahninfrastrukturvorhaben. Die EuropäischeUnion muss in der Tat ihren Haushalt auf Maß-nahmen oder Projekte mit bedeutendem europäi-schem Mehrwert konzentrieren. Bei der Bewertungder verschiedenen Projekte, die im Hinblick auf eineGemeinschaftsfinanzierung eingereicht werden,wird die Nichtberücksichtigung des ERTMS alsNegativfaktor gewertet. Ein Projekt, in dem dasERTMS nicht umgesetzt wird, stellt während dergesamten Nutzungsdauer der Signaleinrichtungen– das heißt 30 Jahre und mehr – einen Kern anNichtinteroperabilität dar.

Und die Kosten?Das ETCS-System besteht gemäß der oben gegebenenBeschreibung aus zwei „Modulen“: einem strecken-seitigen am Boden und einem an Bord des Zuges(Rechner). Das streckenseitige Modul übermittelt demBordrechner Daten, aufgrund derer er zu jedemZeitpunkt die zulässige Höchstgeschwindigkeiterrechnen kann. Dieser Rechner bremst den Zug auto-matisch, sobald die Geschwindigkeit überschrittenwird.

Die Kosten für das Bordmodul hängen von der Artder Triebwagen oder Züge ab. Die Eisenbahnindustrieschätzt die Kosten auf ungefähr 100 000 Euro für neueLokomotiven, um eine Größenvorstellung zu vermit-teln. Im Hinblick auf die Anpassung des bestehendenMaterials sind jedoch Schätzungen von Fall zu Fallnotwendig. Für Hochgeschwindigkeitszüge sind dieKosten erheblicher: Sie entsprechen ungefähr demDoppelten, denn es sind zwei ETCS-Module zu instal-lieren, eines an jedem Ende. Aber diese Kosten verrin-gern sich natürlich mit der Anzahl der auszurüsten-den Lokomotiven oder Züge gleicher Bauart. Bei dembestehenden rollenden Material liegt das wesentlicheProblem darin, genügend Platz zu schaffen, um insbe-sondere neue Antennen in den Zügen oder einenneuen Monitor in der Zugführerkabine einzubauen.Um überdies zu verhindern, dass sich elektromagneti-sche Systeme gegenseitig stören, sind umfangreicheStudien über die Kompatibilität mit den bestehendenSystemen notwendig.

Die Kosten für das streckenseitige Modul hängenvon der Verkehrsdichte und der Art der Anrechnungbestimmter Ausgaben ab. Jüngste Ausschreibungenzeigen, dass diese Kosten auf einer neuen Hoch-geschwindigkeitsstrecke der Anwendungsstufe 2weniger als 40 000 Euro pro Kilometer Doppelgleis(ausgenommen GSM-R) betragen können. Vorsicht istjedoch geboten, denn wenn es darum geht, die beste-henden Strecken auszurüsten, muss das ETCS-Systemmit den bestehenden Ausrüstungen verbunden wer-den – zum Beispiel den Weichenstellwerken, die nichtvereinheitlicht sind. Dies erschwert die Installationund treibt die Kosten deutlich in die Höhe. DieBeobachtung der jüngsten Ausschreibungen zeigtjedoch, dass die Kosten sehr rückläufig sind, vor allemwenn zwischen den Unternehmen ein lebhafterWettbewerb besteht. Die nunmehr erreichte Stabili-sierung der technischen Spezifikationen dürfte zueiner weiteren Kostensenkung beitragen.

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ERTMS – FÜR EINEN FLÜSSIGEN UND SICHEREN EISENBAHNVERKEHR

Bis Ende 2008 mit ETCS ausgerüstete kommerzielle Strecken.

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ie Veralterung der derzeitigen Signal-gebungssysteme wird nach und nach alleEisenbahnnetze zur Umstellung auf die

neue Generation veranlassen. Bei manchenNetzen besteht dringender Bedarf. Bei anderen

könnten die Strecken noch weitere 20 bis 25 Jahre mitden Systemen der Vergangenheit betrieben werden.Aber früher oder später werden alle Netze mit derMigration von einem System zu einem anderen kon-frontiert sein. Und zwar unabhängig von Maß-nahmen auf europäischer Ebene.

Die Wartungskosten für die bestehenden Systemesind natürlich vom Alter und der Natur des Systems,aber auch von Faktoren in Verbindung mit der Größedes Netzes abhängig. Je kleiner das Netz ist, destoschwieriger ist es nämlich, die Kosten in Verbindungmit der Wartung der für „kleine Serien“ entwickeltenAusrüstungen allein zu tragen. Deshalb haben bereitszahlreiche kleine oder mittelgroße Netze – inLuxemburg, Belgien, Österreich – Pläne für dieEinführung des ETCS im gesamten Hauptnetz ausge-arbeitet. Die nordischen Länder haben bereits Überle-gungen in dieser Richtung begonnen.

Die Frage, die sich jetzt stellt, betrifft dieVerringerung der Kosten dieser Migration für dengesamten Eisenbahnsektor. Ausführliche Studiennach Korridoren sollen das bestmögliche Szenario fürdie Migration ermitteln. Derzeit bewegen sich die

ersten Schätzungen in einer völlig unverbindlichenGrößenordnung von etwa 400 bis 500 Mio. EUR proJahr für die Einführung des ETCS. Die Ausrüstungeines erheblichen Teilbereichs des transeuropäischenNetzes würde daher in den kommenden zehn biszwölf Jahren ungefähr 5 Mrd. EUR kosten. Der größteTeil dieser Kosten könnte auf den Zeitraum 2007-2013 (4) konzentriert werden.

Dennoch ist zu beachten, dass die Stückkosten umsogeringer sind, je weiträumiger das System eingeführtwird. Außerdem wird es umso früher möglich sein, vonden Einsparungen bei den Wartungskosten, denKosten in Verbindung mit der Vervielfältigung derSysteme usw. zu profitieren, je schneller die Züge mitdem ETCS-System ausgerüstet werden,mit dem sie aufgroßen interoperablen Korridoren verkehren können.

Daher gilt es, ein optimales Gleichgewicht zwischenden Kosten und dem Nutzen anzustreben. Eines derZiele des Vereinbarungsprotokolls vom 17. März 2005besteht genau darin, mithilfe des europäischenKoordinators diese optimale Strategie zu definieren.Die Aufgabe lautet, die Situation Korridor für Korridorzu analysieren und die bestmögliche Art derMigration und den geeignetsten Zeitpunkt zu bestim-men. Die unter der Leitung des Koordinators durchzu-führenden Studien werden die Kosten und denNutzen für die einzelnen Akteure präzisieren müssen.

EINFÜHRUNG DES ETCS IM GESAMTENTRANSEUROPÄISCHEN EISENBAHNNETZ

D

(4) Die genauen Kosten werden natürlich von der Migrations-

geschwindigkeit und den getroffenen technologischen

Entscheidungen abhängen. Eine der Aufgaben des europäischen

Koordinators wird darin bestehen, diese Vorausschätzungen zu

verfeinern.

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Während Lkw ungehindert die Binnengrenzen der Europäischen Union überqueren, ist es noch etwasBesonderes, wenn eine Lokomotive weiter als bis zum ersten Bahnhof hinter der Grenze fährt. Nebenrechtlichen und administrativen Fragen stellen unterschiedliche technische Normen echte Hindernisse dar,die einer Zunahme des internationalen Eisenbahnverkehrs im Weg stehen. Vor diesem Hintergrund wurde dieKoexistenz von mehr als zwanzig unterschiedlichen Signalgebungssystemen als erhebliches Hindernisermittelt. Lediglich die Einführung eines gemeinsamen Systems, des ERTMS (European Rail Traffic ManagementSystem), wird dieses Hindernis beseitigen und die Wettbewerbsfähigkeit des Eisenbahnverkehrs stärkenkönnen. Derzeit wird das ERTMS eingeführt. In den kommenden Jahren sind fünf Mrd. EUR Investitionskostenvorgesehen. Diese Investitionen werden die Sicherheit des Eisenbahnnetzes weiter erhöhen und seineWettbewerbsfähigkeit verbessern. Die Europäische Kommission wird daher in enger Zusammenarbeit mitdem Eisenbahnsektor und den Mitgliedstaaten darüber wachen, dass dieses System auf schnelle undkoordinierte Weise eingeführt wird.

http://europa.eu.int/comm/transport/rail/interoperability/ertms_de.htm

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