Erweiterung eines Systems vorbestimmter Zeiten zur ... · mechanical exposure is beneficial to...

202
TECHNISCHE UNIVERSITÄT MÜNCHEN Fakultät für Maschinenwesen Lehrstuhl für Fördertechnik Materialfluss Logistik Erweiterung eines Systems vorbestimmter Zeiten zur Bewertung der körperlichen Belastung in der Produktionslogistik David Michael Florian Kelterborn Vollständiger Abdruck der von der Fakultät für Maschinenwesen der Technischen Universität München zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktor-Ingenieurs (Dr.-Ing.) genehmigten Dissertation. Vorsitzender: Prof. Dr.-Ing. Gunther Reinhart Prüfer der Dissertation: 1. Prof. Dr.-Ing. Willibald A. Günthner 2. Prof. Dr. phil. Klaus Bengler Die Dissertation wurde am 08.11.2016 bei der Technischen Universität München eingereicht und durch die Fakultät für Maschinenwesen am 03.04.2017 angenom- men.

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TECHNISCHE UNIVERSITÄT MÜNCHEN

Fakultät für Maschinenwesen

Lehrstuhl für Fördertechnik Materialfluss Logistik

Erweiterung eines Systems vorbestimmter Zeiten

zur Bewertung der körperlichen Belastung

in der Produktionslogistik

David Michael Florian Kelterborn

Vollständiger Abdruck der von der Fakultät für Maschinenwesen

der Technischen Universität München

zur Erlangung des akademischen Grades eines

Doktor-Ingenieurs (Dr.-Ing.)

genehmigten Dissertation.

Vorsitzender: Prof. Dr.-Ing. Gunther Reinhart

Prüfer der Dissertation:

1. Prof. Dr.-Ing. Willibald A. Günthner

2. Prof. Dr. phil. Klaus Bengler

Die Dissertation wurde am 08.11.2016 bei der Technischen Universität München

eingereicht und durch die Fakultät für Maschinenwesen am 03.04.2017 angenom-

men.

Herausgegeben von:

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Willibald A. Günthner

fml – Lehrstuhl für Fördertechnik Materialfluss Logistik

Technische Universität München

Zugleich: Dissertation, München, Technische Universität München, 2017

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbe-

sondere die der Übersetzung, des Nachdruck, der Entnahme von Abbildungen, der

Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in

Datenverarbeitungsanlagen bleiben – auch bei nur auszugsweiser Verwendung –

dem Autor vorbehalten

Layout und Satz: Michael Kelterborn

Copyright © Michael Kelterborn, 2017

ISBN: 978-3-941702-81-3

Printed in Germany, 2017

I

Vorwort

Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mit-

arbeiter am Lehrstuhl für Fördertechnik Materialfluss Logistik (fml) der Technischen

Universität München. Den Rahmen für meine Dissertation bildete eine Forschungs-

kooperation mit der MAN Truck & Bus AG. In einem motivierenden Umfeld erhielt ich

hier die Gelegenheit an der Schnittstelle von Wissenschaft und industrieller Anwen-

dung zu arbeiten und zu forschen.

Mein erster Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr.-Ing. Willibald A. Günthner

für seine Unterstützung und sein Vertrauen. Weiterhin danke ich Herrn Prof. Dr. phil.

Klaus Bengler für die Übernahme des Koreferats, sowie Herrn Prof. Dr.-Ing. Gunther

Reinhart für die Übernahme des Vorsitzes der Prüfungskommission.

Für die Ermöglichung der Arbeit bei der MAN Truck & Bus AG und die persönliche

Förderung möchte ich Prof. Dr.-Ing. Sebastian Meißner und Dr. Martin Meyer meinen

Dank aussprechen.

Besonders bedanken möchte ich bei meinen ehemaligen Kollegen Eva Klenk, Chris-

topher Keuntje und Dr. Markus Klevers, die mit ihren wertvollen Anregungen zum

Gelingen dieser Arbeit entscheidend beigetragen haben.

Auf die Unterstützung meiner Familie konnte ich mich immer verlassen. Besonders

danke ich meiner lieben Frau Katharina Kelterborn für ihren bedingungslosen Rück-

halt und meiner Tante Dr. Maya Kelterborn für das lektorieren der Arbeit.

München, im Juli 2017

Michael Kelterborn

III

Kurzfassung

Die ergonomische Gestaltung industrieller Arbeitsplätze stellt für produzierende Un-

ternehmen in Deutschland eine hohe Priorität dar. Insbesondere in der Automobilin-

dustrie wurde die Arbeitsplatzergonomie mit hohem Aufwand verbessert. Gleichzeitig

hat jedoch die Einführung von Lean-Production-Konzepten in der Automobilindustrie

zu einer zunehmenden Arbeitsteilung und Arbeitsverdichtung geführt. Dies stellt sich

als ergonomisch ungünstig dar. Problematisch ist dies insbesondere, da Verfahren

zur Bewertung der Arbeitsbelastung (z. B. European Assembly Worksheet, Leit-

merkmalmethoden) die zeitliche Abfolge von Tätigkeiten und daraus resultierende

einseitige Belastungen nicht erfassen.

Systeme vorbestimmter Zeiten (z. B. MTM) werden im betrieblichen Umfeld zur Ar-

beitsvorbereitung eingesetzt und beschreiben die zeitliche Abfolge von Tätigkeiten.

Bisherige Erweiterungen zur Belastungsbewertung von Systemen vorbestimmter Zei-

ten sind für die Produktionslogistik nur bedingt geeignet und berücksichtigen nicht

den Aspekt von Abwechslung und Einseitigkeit. In der vorliegenden Arbeit wurde

dieser Ansatz aufgegriffen, ein System vorbestimmter Zeiten zur Bewertung der kör-

perlichen Belastung in der Produktionslogistik entwickelt und im betrieblichen Umfeld

eines Nutzfahrzeugherstellers umgesetzt. Hierfür wurden im Rahmen einer Feldstu-

die Tätigkeiten und auftretende körperliche Belastungen in der Produktionslogistik

untersucht und das System vorbestimmter Zeiten in zwei Stufen erweitert.

In der ersten Stufe wurde eine Methodik zur integrierten Bewertung von Zeit und Be-

lastung entwickelt. Die Methodik erlaubt, mittels Parametrisierung wiederkehrender

Abläufe aus der Produktionslogistik, eine zeiteffiziente Bewertung von Zeit und Be-

lastung in der betrieblichen Arbeitsvorbereitung. In der vorliegenden Arbeit wurde die

Methodik für einen betrieblichen GLT-Routenzugprozesses umgesetzt.

In der zweiten Erweiterungsstufe wurde untersucht, wie der zeitliche Ablauf, welcher

in Systemen vorbestimmter Zeiten hinterlegt ist, zur ergonomischen Bewertung ver-

wendet werden kann. Die entwickelte Methodik ermöglicht die Identifikation einseiti-

ger Belastungssituationen anhand qualitativer und quantitativer Merkmale und wurde

zur Untersuchung dreier betrieblicher Fallbeispiele eingesetzt. Als Ergebnis wurde

festgestellt, dass die Umsetzung von Lean-Production-Konzepten zu Arbeitsabläufen

mit einseitiger Belastung führen kann.

Den Abschluss der Arbeit stellen betriebliche Handlungsempfehlungen zur Vermei-

dung einseitiger Belastungen in der Produktionslogistik dar.

V

Abstract

The ergonomic design of industrial workplaces represents a high priority for manufac-

turing companies in Germany. Particularly in the automotive industry workplace er-

gonomics have been improved with great effort in recent years. But at the same time,

the industry-wide implementation of Lean-Production concepts has led to an increas-

ing division of labor and work intensification. This is problematic, as variation in bio-

mechanical exposure is beneficial to musculoskeletal health and well-being, but

commonly used workload-assessing-techniques, for instance the European Assem-

bly Worksheet or the key indicator method, do not consider the temporal order of

tasks and exposure variation.

Predetermined motion time systems (e. g. MTM) comprise the temporal order of

tasks and are being used for work preparation in the industrial practice. These sys-

tems can be extended to evaluate physical workload of workers. However, existing

approaches are not suitable for production logistics and do not consider the temporal

order of tasks and exposure variation. This aspect is addressed in the presented

work. A predetermined motion time system is extended by ergonomic factors and

tested in an industrial setting at a commercial vehicle manufacturer. The extension

covers two stages.

In the first stage a method for the combined evaluation of time and physical workload

in production logistics is developed. By parameterizing recurring production logistics

processes the method allows a time-efficient evaluation of workers’ temporal utiliza-

tion and physical workload. The presented method was implemented for an in-plant

tow train process at a commercial vehicle manufacturer.

In the second stage it is examined how the temporal order of tasks, which predeter-

mined motion time system comprise, can be used for an ergonomic evaluation. A

method is developed, which allows the identification of one-sided workload situations.

Three case studies, which cover various aspects of Lean-Production, were used to

apply the method. It was found, that the implementation of Lean-Production concepts

significantly affects workers’ physical workload and can intensify one-sided workload

situations.

As conclusion operational recommendations to avoid one-sided workload situation in

production logistics are presented.

VII

Inhaltsverzeichnis

Kurzfassung III

Abstract V

Inhaltsverzeichnis VII

Abkürzungsverzeichnis X

1 Einführung 1

1.1 Problemstellung 3

1.2 Zielsetzung 4

1.3 Vorgehensweise 6

2 Beschreibung und Bewertung von körperlicher Arbeit 9

2.1 Vorstellung der Produktionslogistik als Anwendungsdomäne 9

2.2 Systeme vorbestimmter Zeiten 13

2.2.1 MTM-Prozessbausteinsysteme 14

2.2.2 MTM-1 16

2.2.3 Universelles Analysiersystem und Standardvorgänge Logistik 17

2.3 Grundlagen zur Beurteilung arbeitsbezogener körperlicher Belastungen 18

2.3.1 Belastungs-Beanspruchungs-Konzept 19

2.3.2 Stufenmodell der Gefährdungsbeurteilung 19

2.3.3 Biomechanik der Belastungen 20

2.3.4 Die NIOSH-Gleichung als Grundlage zur Bewertung der körperlichen Belastung aufgrund Lasthandhabung 23

2.3.5 Fazit 25

2.4 Verfahren zur kombinierten Analyse von Zeit und Belastung 27

2.5 Stand der Forschung zu einseitiger und wechselnder Belastung 30

2.5.1 Biomechanische Grundlagen 31

2.5.2 Empirische Untersuchungen 32

2.5.3 Ansätze zur Definition und Bewertung einseitiger und wechselnder Belastung 35

2.5.4 Fazit 38

2.6 Zusammenfassung und Ableitung Forschungsbedarf 39

VIII

3 Untersuchung auftretender Belastungen in der Produktionslogistik und Anforderungsdefinition 43

3.1 Feldstudie: Körperliche Belastungen in der Produktionslogistik 43

3.1.1 Vorgehensweise 43

3.1.2 Identifizierte Belastungsschwerpunkte nach Tätigkeitsgruppen 46

3.1.3 Auswahl geeigneter Verfahren zur Bewertung der identifizierten Belastungsschwerpunkte 49

3.1.4 Zusammenfassung 57

3.2 Anforderungsdefinition 58

4 Konzeptelement 1: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Lasthandhabung 61

4.1 Konzeptentwicklung zur Bewertung wiederkehrender Tätigkeitsfolgen in der Produktionslogistik 61

4.1.1 Anforderungen 61

4.1.2 Anwendungsdomäne und Aggregationsebene 63

4.1.3 Modellaufbau 65

4.1.4 Auswahl der Einflussparameter 74

4.1.5 Vorgehensweise zur Umsetzung von Konzeptelement 1 78

4.2 Umsetzung von Konzeptelement 1 am Beispiel eines industriellen GLT-Routenzugprozesses 80

4.2.1 Referenzprozess 80

4.2.2 Modellerstellung 81

4.2.3 Sensitivitätsanalyse 86

4.2.4 Modellvereinfachung 87

4.2.5 Ergebnisabsicherung 88

4.2.6 Diskussion der Ergebnisse 88

4.2.7 Fallbeispiel zur betrieblichen Anwendung 90

4.3 Zusammenfassung 92

5 Konzeptelement 2: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Körperhaltung 95

5.1 Konzeptentwicklung zur Untersuchung einseitiger und wechselnder Belastung 95

5.1.1 Anforderungen 95

5.1.2 Anwendungsdomäne 97

5.1.3 Modellaufbau 99

IX

5.1.4 Qualitative Merkmale zur Identifikation einseitiger Belastungssituationen 111

5.1.5 Quantitative Merkmale zur Identifikation einseitiger Belastungssituationen 114

5.2 Anwendung von Konzeptelement 2 anhand von Fallbeispielen 119

5.2.1 Fallbeispiel 1: Integration einfacher Vormontagetätigkeiten in die Kommissionierung 119

5.2.2 Fallbeispiel 2: Untersuchung unterschiedlicher Layoutvarianten in der Mann-zu-Ware Kommissionierung 126

5.2.3 Fallbeispiel 3: Eliminierung nicht-wertschöpfender Tätigkeiten in der Mann-zu-Ware Kommissionierung 131

5.2.4 Diskussion der Ergebnisse 136

5.3 Zusammenfassung 137

6 Ableitung von Handlungsempfehlungen 139

6.1 Handlungsempfehlungen zur Vermeidung einseitiger Belastungen in der Produktionslogistik 139

6.1.1 Kombination unterschiedlicher Tätigkeiten 139

6.1.2 Flexible Leistungserbringung 140

6.1.3 Entlastungsmöglichkeit für Steharbeitsplätze 141

6.1.4 Vermeidung einseitiger Arbeitsrichtung 141

6.2 Gestaltungsbeispiel Routenzug 142

6.3 Gestaltungsbeispiel Mann-zu-Ware Kommissionierung 143

7 Zusammenfassung und Ausblick 147

Literaturverzeichnis 151

Abbildungsverzeichnis 167

Tabellenverzeichnis 171

Anhang A Zeitabhängige Risikofaktoren für Muskel-Skelett Beschwerden A-1

Anhang B Leitmerkmalmethoden B-3

Anhang C Experteninterview zu Abwechslung und Belastung C-5

Anhang D KE 1: Umsetzungsbeispiel GLT-Routenzug D-9

Anhang E KE 2: Tätigkeitsbeschreibung zu Fallbeispiel 1 (MTM-1, OWAS) E-11

Anhang F KE 2: Tätigkeitsbeschreibung zu Fallbeispiel 3 (MTM-1, OWAS) F-18

X

Abkürzungsverzeichnis

Abkürzung Bedeutung

BAuA Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

EAWS European Assembly Worksheet

eLMM erweiterte Leitmerkmalmethode

GLT Großladungsträger

HAL TLVs Hand Activity Level Threshold Limit Values

HVK Haltungsverteilungskoeffizient

KLT Kleinladungsträger

LMM Leitmerkmalmethode

LMM HHT Leitmerkmalmethode Heben, Halten, Tragen

LMM ZS Leitmerkmalmethode Ziehen, Schieben

MEK Methods-Time Measurement für die Einzel- und Kleinseri-

enfertigung

MLT Multiple-Lasten-Tool

MOST Maynard Operation Sequence Technique

MTA Motion Time Analysis

MTM Methods-Time Measurement

MzW-Kommissionierung Mann-zu-Ware Kommissionierung

NIOSH National Institute for Occupational Safety and Health (US)

OCRA Occupational Risk Assessment of Repetitive Movements

and Exertions of the Upper Limb

OWAS Ovako Working Posture Analysing

RULA Rapid Upper Limb Assessment

SAM Sequential Activity and Methods Analysis

TMU Time Measurement Units

TRLV Technische Regeln zur Lärm- und Vibrations-

Arbeitsschutzverordnung

UAS Universelles Analysiersystem

WF Work-Factor

WR Wechselrate

WRULD Work-related upper limb disorders

WzM-Kommissionierung Ware-zu-Mann Kommissionierung

1

1 Einführung

In Deutschland produzierende Unternehmen sind aus verschiedenen Gründen be-

strebt, Arbeitsplätze in Produktion und Logistik ergonomisch zu gestalten. Zum einen

ist es erforderlich, die Arbeitsplätze an die Bedürfnisse älterer Menschen anzupas-

sen. So führt der demografische Wandel sowie die damit verbundene Erhöhung des

Renteneintrittsalters in der Bundesrepublik Deutschland zu einem höheren Anteil äl-

terer Erwerbspersonen. Bis zum Jahre 2020 ist zu erwarten, dass die 50- bis 63-

Jährigen die 35- bis 49-Jährigen als stärkste Gruppe der Erwerbsbevölkerung ablö-

sen werden [Bad-2010, S.21]. Zum anderen liegt es im Interesse der Unternehmen,

gesundheitliche Schädigungen aufgrund der Arbeitstätigkeit zu vermeiden. Andern-

falls drohen steigende Kosten für Fehlzeiten sowie Schadensersatzansprüche. Ein

weiterer Grund, sich in diesem Bereich zu engagieren, kann eine positive Darstellung

des Unternehmens in der Öffentlichkeit sein (z. B. [Loc-2010]).

Vor diesem Hintergrund wurden in vielen Unternehmen die Arbeitsbedingungen kon-

tinuierlich verbessert. Eine Vorreiterrolle nimmt innerhalb Deutschlands die Automo-

bilindustrie ein. Zusätzlich zur beschriebenen allgemeinen Motivation hat in der Au-

tomobilindustrie die Kombination aus starken Arbeitnehmervertretungen und wirt-

schaftlichen Möglichkeiten mutmaßlich dazu geführt, dass die Arbeitsplatzergonomie

mittlerweile auf einem sehr hohen Niveau angelangt ist. Die nachfolgenden Beispiele

illustrieren den hohen Aufwand, mit welchem die körperlichen Belastungen reduziert

worden sind.

- Manuelle Lasthandhabung: In diesem Bereich wurde die körperliche Belas-

tung durch technische Maßnahmen wie den Einsatz von Manipulatoren und

Kränen für schwere Bauteile reduziert. Ein Beispiel hierfür ist die in Abbildung

1-1 dargestellte Achssequenzierung mit moderner Krananlage bei einem Nutz-

fahrzeughersteller.

Abbildung 1-1: Krananlage bei der MAN Truck&Bus AG [Kel-2014a]

1 Einführung

2

- Erzwungene Körperhaltungen: Hoch belastende Körperhaltungen wie Über-

kopfarbeit oder tiefes Bücken sind größtenteils eliminiert worden. Abbildung

1-2 zeigt als Beispiel den Einsatz von Hub-Kippgeräten in der Automobilin-

dustrie. Diese ermöglichen eine ergonomische Körperhaltung bei der Bautei-

lentnahme aus Großladungsträgern in Logistik und Produktion.

Abbildung 1-2: Hub-Kippgeräte für die Bauteileentnahme aus Großladungsträgern bei der Volks-wagen AG [Kro-2012]

- Mithilfe von Grenzwerten wird für weitere Belastungsarten sichergestellt, dass

keine gesundheitliche Gefährdung der Mitarbeiter vorliegt. Dies umfasst Be-

lastungsarten wie Aktionskräfte (z. B. Setzen von Montage-Clips), Belastung

der oberen Extremitäten bei repetitiven Tätigkeiten (Finger/Hand/Arm Be-

reich), Hand-Arm- und Ganzkörpervibrationen. Hierzu wurden Verfahren

entwickelt, die aus den auftretenden körperlichen Belastungen eine ergonomi-

sche Risikoeinstufung ableiten.1

Parallel zu dieser Entwicklung ist die Logistik und Produktion in der Automobilbran-

che allerdings von einer zunehmenden Arbeitsteilung und Arbeitsverdichtung ge-

kennzeichnet. Mathiassen sieht in den folgenden Managementkonzepten die wesent-

liche Ursache hierfür [Mat-2006]:

- Outsourcing von Nebentätigkeiten. Durch die Fokussierung auf Kerntätigkei-

ten in der Produktion und das Auslagern von Nebentätigkeiten wie der Logistik

werden die fixen Lohnkosten reduziert. Daraus resultieren allerdings standar-

disierte Arbeitsaufgaben mit hohem Wiederholungscharakter.

- Eliminierung nicht-wertschöpfender Tätigkeiten nach dem Vorbild des

Toyota Produktionssystems [Ōno-1988, S.18ff]. Mit der Eliminierung nicht-

wertschöpfender Tätigkeiten entfallen auch potenzielle Phasen mit wechseln-

der Belastung, da sich das Belastungsprofil von wertschöpfenden und nicht-

wertschöpfenden Tätigkeiten in der Regel unterscheidet (vgl. [Pal-2012; Kel-

2015b]). Durch Standardisierung und Verkürzung der Taktzeiten werden zu-

1 Vgl. Ergonomic Assembly Worksheet (EAWS) [Sch-2013], Leitmerkmalmethode (LMM) [Ste-2012].

1.1 Problemstellung

3

sätzlich die Möglichkeit für den Mitarbeiter begrenzt, den Bewegungsablauf zu

variieren und kurze informelle Erholungspausen zu machen.

- Personelle Trennung von Produktions- und Logistikaufgaben. Dies ermög-

licht den Einsatz von Mitarbeitern mit geringem Lohnniveau für Aufgaben mit

niedrigen Anforderungen in der Logistik. Für den Mitarbeiter führt dies aller-

dings zu einseitigeren Tätigkeiten.

- Leiharbeit und Werkverträge. Dies erfordert einen hohen Grad an Aufga-

benstandardisierung. Die hohe Standardisierung ist erforderlich, um Mitarbei-

ter schnell einweisen und diese Tätigkeiten von denen der Stammbelegschaft

abgrenzen zu können. Damit werden Möglichkeiten eingeschränkt, im Arbeits-

ablauf zu variieren und kurze informelle Erholungspausen einzulegen.

1.1 Problemstellung

In der Arbeitswissenschaft wird eine abwechselnde Belastung als grundsätzlich ge-

sundheitsförderlich angesehen [Wel-2007]. Insbesondere Arbeitsplätze für ältere Ar-

beitnehmer sollten Variationsmöglichkeiten beinhalten und einseitige Belastungen

vermeiden [Pra-2010, S.44]. Außerdem kann sich Abwechslung positiv auf die Ar-

beitszufriedenheit auswirken [Mat-2006].

Verfahren zur Bewertung der körperlichen Belastung berücksichtigen allerdings nicht,

in welcher zeitlichen Abfolge die Tätigkeiten ausgeführt werden und inwieweit einsei-

tige Belastungen entstehen. Aus diesem Grund besteht die Gefahr, dass durch Um-

setzung obiger Managementkonzepte eine Erhöhung der körperlichen Belastung

entsteht, welche von den eingesetzten Verfahren zur Belastungsbewertung nicht er-

fasst wird.

Systeme vorbestimmter Zeiten werden in der betrieblichen Arbeitsvorbereitung zur

Beschreibung manueller Arbeitsvorgänge und zur Ermittlung von Planzeiten einge-

setzt. Die zeitliche Abfolge von Tätigkeiten wird hierbei in hoher Detaillierung be-

schrieben. Somit liegen im betrieblichen Umfeld bereits Informationen zur zeitlichen

Abfolge von Tätigkeiten vor. Diese werden jedoch bisher nicht zur Untersuchung der

körperlichen Belastung genutzt.

Im Umfeld der Produktion werden Systeme vorbestimmter Zeiten bereits mit einer

Bewertung der körperlichen Belastung kombiniert2. Hierdurch wird Doppelarbeit für

2 Ein Beispiel ist das Zusatzmodul „MTMergonomics“ der Software „TiCon“, welche von der deutschen MTM-Vereinigung

e.V. angeboten wird [Sch-2013].

1 Einführung

4

die Analyse des Arbeitsablaufes vermieden und eine konsistente Datengrundlage

sichergestellt. Zudem wird bereits in der Arbeitsvorbereitung die körperliche Belas-

tung transparent, so dass Maßnahmen zur Reduktion der körperlichen Belastung

frühzeitig ergriffen werden können.

Für die Produktionslogistik sind bestehende Ansätze zur Integration der körperlichen

Belastung in Systeme vorbestimmter Zeiten allerdings nur bedingt geeignet3. Ent-

sprechend der Anwendungsdomäne basieren sie auf Methoden, welche zur Bewer-

tung typischer Belastungen in der Montage entwickelt wurden4. Zur Bewertung logis-

tischer Arbeitsabläufe sind diese weniger gut geeignet. Zum einen unterscheidet sich

das Belastungsprofil in der Produktionslogistik wesentlich von dem Belastungsprofil

in der Montage [Wal-20111, S.75ff]. Aus diesem Grund ist nicht sichergestellt, dass

die spezifischen Belastungen in der Produktionslogistik korrekt erfasst werden. Zum

anderen können die Wiederholzyklen in der Produktionslogistik deutlich länger sein

als in der Montage, woraus ein höherer Bewertungsaufwand resultiert.

Die zeitliche Abfolge wird in bestehenden Ansätzen zur Erweiterung eines Systems

vorbestimmter Zeiten bisher nicht zur Untersuchung einseitiger und wechselnder Be-

lastung verwendet. Dies ist bemerkenswert, da die Grundlagen hierfür grundsätzlich

vorliegen. Zum einen ist die Gesundheitsgefährdung aufgrund einseitiger Belastun-

gen bekannt und findet auch in der industriellen Praxis zunehmende Beachtung (u. a.

[Fre-2001; IGM-2010, S.2ff; Mor-2003; Neu-2006; Óla-1998; Pal-2012]). Zum ande-

ren identifizieren bereits Wells et al. Systeme vorbestimmter Zeiten als geeignete

Datenbasis zur Untersuchung einseitiger und wechselnder Belastung im betriebli-

chen Umfeld [Wel-2007].

1.2 Zielsetzung

Vorliegende Arbeit greift diese Problemstellung auf. Die Arbeit entstand im Rahmen

einer Kooperation der Technischen Universität München mit einem Nutzfahrzeugher-

steller in den Jahren 2012 bis 2016. Als Untersuchungsbereich standen die Arbeits-

plätze und Abläufe in der operativen Werkslogistik des Nutzfahrzeugherstellers zur

Verfügung. Wesentliche Ergebnisse des Forschungsprojektes wurden in [Kel-2013;

Kel-2014a; Kel-2014b; Kel-2015a; Kel-2015b] veröffentlicht und bilden die Basis der

vorliegenden Arbeit.

3 Einen detaillierten Überblick verfügbarer Ansätze zur Integration der körperlichen Belastung in Systeme vorbestimmter

Zeiten bietet Kapitel 2.4. 4 Ein Beispiel ist das European Assembly Worksheet (EAWS) [Sch-2013]. Es wird sowohl in der Software MTMErgonomics

als auch auch in verschiedenen firmenspezifischen Softwarelösungen, wie Ergo-UAS bei FIAT-Gruppe [Vit-2012] oder AP-Ergo bei der Volkswagen AG [Kan-2013] verwendet.

1.2 Zielsetzung

5

Zielsetzung der Arbeit ist die Erweiterung eines Systems vorbestimmter Zeiten zur

Bewertung der körperlichen Belastung in der Produktionslogistik. Zentral sind zwei

Aspekte:

- Integrierte Bewertung von Zeit und Belastung in der Produktionslogistik:

Entwicklung eines Konzeptes zur integrierten Bewertung von Zeit und Belas-

tung, welches Anwendungsbeschränkungen bestehender Ansätze aufgreift

und den Einsatz in der Produktionslogistik ermöglicht. Dies soll zum einen

durch die Wahl geeigneter Bewertungsverfahren erreicht werden. Zum ande-

ren soll der Bewertungsaufwand für wiederkehrende Tätigkeitsabläufe mithilfe

von vordefinierten Prozessbausteinen reduziert werden. Vordefinierte Pro-

zessbausteine beschreiben einen Prozess zeitlich und belastungsseitig mithil-

fe von Parametern5. In diesem Fall muss für eine Bewertung nicht der gesam-

te Ablauf aus Grundbewegungen neu aufgebaut werden.

- Untersuchung Einseitigkeit und Abwechslung: Systeme vorbestimmter

Zeiten beschreiben in hoher Detaillierung die Körperbewegungen des Mitar-

beiters. Diese Information wird bisher allerdings nicht zur Untersuchung hin-

sichtlich Einseitigkeit und Abwechslung genutzt. Basierend auf einem System

vorbestimmter Zeiten soll daher ein Konzept zur Untersuchung der zeitlichen

Abfolge von Tätigkeiten hinsichtlich Einseitigkeit und Abwechslung entwickelt

werden.

Die Zielsetzung der Arbeit erfordert die Untersuchung nachfolgender Fragestellun-

gen6, welche sich im Aufbau der Arbeit widerspiegeln:

Welche körperlichen Belastungen treten in der Produktionslogistik auf und welche

Verfahren eignen sich zu deren Bewertung? (Kapitel 3)

Welche wiederkehrenden Tätigkeitsfolgen lassen sich in der Produktionslogistik

definieren, und auf welcher Aggregationsebene können Parametermodelle zur in-

tegrierten Bewertung von Zeit und Belastung aufgebaut werden? Wie werden Ein-

flussgrößen (Parameter und Konstanten) bestimmt? (Kapitel 4)

Welche Zeit- und Belastungsmodelle eignen sich zur Untersuchung einseitiger

und wechselnder Belastung, und anhand welcher Merkmale können einseitige

Belastungssituationen identifiziert werden? (Kapitel 5)

Wie können in der industriellen Praxis einseitige Belastungen in der Produktions-

logistik vermieden werden? (Kapitel 6)

5 Beispiel Kommissionierung: Artikelgewicht, Anzahl Positionen je Auftrag, Anzahl Aufträge, Wegelänge pro Auftrag.

6 Die detaillierte Herausarbeitung der untersuchten Fragestellungen erfolgt in Kapitel 2.

1 Einführung

6

Die gewonnenen Erkenntnisse sollen eine Bewertung der körperlichen Belastung mit

geringem Aufwand und eine Identifikation einseitiger Belastungssituationen ermögli-

chen. Daneben sollen Handlungsempfehlungen zur Reduktion einseitiger Belas-

tungssituationen dem betrieblichen Praktiker Hilfestellung und Anregung geben.

1.3 Vorgehensweise

Als Untersuchungsobjekt steht die operative Werkslogistik eines Nutzfahrzeugher-

stellers zur Verfügung. Der Untersuchungsbereich umfasst über 500 Mitarbeiter und

deckt alle charakteristischen Funktionen der Produktionslogistik ab.

Die Arbeit umfasst sieben Kapitel. Abbildung 1-3 zeigt Vorgehensweise und Aufbau

der Arbeit.

Die Ausgangssituation und die Zielsetzung der Arbeit werden in Kapitel 1 dargestellt.

Hierauf folgen in Kapitel 2 die Grundlagen zur Beschreibung körperlicher Arbeit und

die Abgrenzung der Forschungsfrage.

In Kapitel 3 werden im Rahmen einer Feldstudie Tätigkeiten und auftretende körper-

liche Belastungen in der Produktionslogistik untersucht und geeignete Verfahren zur

Bewertung identifiziert. Basierend hierauf werden die Anforderungen an das erweiter-

te System vorbestimmter Zeiten definiert. Die Erweiterung umfasst zwei Stufen.

Kapitel 4 umfasst die erste Erweiterungsstufe (Konzeptelement 1) des Systems vor-

bestimmter Zeiten. Dabei wird das System vorbestimmter Zeiten um Lasthandha-

bung erweitert und ein Konzept zur integrierten Bewertung von Zeit und Belastung

für wiederkehrende Tätigkeitsfolgen in der Produktionslogistik entwickelt. Hierzu

werden geeignete Zeit- und Belastungsmodelle ausgewählt und eine Vorgehenswei-

se zur Bestimmung der Einflussgrößen vorgestellt. Das entwickelte Konzept wird in

der vorliegenden Arbeit am Beispiel eines industriellen Großladungsträger-

Routenzugprozess angewendet.

Die zweite Erweiterungsstufe (Konzeptelement 2) in Kapitel 5 umfasst die Erweite-

rung des Systems vorbestimmter Zeiten um die Körperhaltung zur Untersuchung ein-

seitiger und wechselnder Belastungen. Hierzu werden geeignete Zeit- und Belas-

tungsmodelle ausgewählt und Merkmale einseitiger Belastungssituationen identifi-

ziert. Das entwickelte Konzept wird zur Untersuchung dreier Fallbeispiele eingesetzt.

In den Fallbeispielen wird untersucht, wie sich Lean-Production-Gestaltungsansätze

1.3 Vorgehensweise

7

– nach dem Vorbild des Toyota Produktionssystems – auf die körperliche Belastung

auswirken können.

Aus den gewonnen Erkenntnissen werden in Kapitel 6 Gestaltungsempfehlungen zur

Vermeidung einseitiger Belastungen in der Produktionslogistik abgeleitet. Die Arbeit

schließt mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse und einem Ausblick auf den

weiteren Forschungsbedarf in Kapitel 7 ab.

Abbildung 1-3: Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit

Kap 3 Körperliche Belastungen in der Produktionslogistik

Feldstudie: Körperliche Belastungen in der

Produktionslogistik

Zusammenfassung und Anforderungsdefinition

Kap 2 Grundlagen zur Beschreibung und Bewertung von körperlicher

Arbeit

Kap 1 Ausgangssituation und Zielsetzung

Kap 6 Ableitung von Gestaltungsempfehlungen

Kap 7 Zusammenfassung und Ausblick

Abgrenzung der

Forschungsfrage

Schlussfolgerung

Kap 4 Konzeptelement 1: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten

um Lasthandhabung zur Bewertung wiederkehrender

Tätigkeitsfolgen in der Produktionslogistik

Konzeptentwicklung

Anwendung

Kap 5 Konzeptelement 2: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten

um Körperhaltung zur Untersuchung einseitiger und

wechselnder Belastung

Konzeptentwicklung

Anwendung

System-

entwicklung und

Evaluierung

Feldstudie

9

2 Beschreibung und Bewertung von körperlicher Arbeit

Im nachfolgenden Kapitel werden die relevanten Grundlagen zur Beschreibung und

Bewertung körperlicher Arbeit in der Produktionslogistik vorgestellt. Zunächst wird die

Produktionslogistik als Anwendungsdomäne abgegrenzt (2.1). Anschließend werden

die Grundlagen zu Systemen vorbestimmter Zeiten (2.2) sowie arbeitsbezogener

körperlicher Belastungen (2.3) vorgestellt. Entsprechend dem Fokus der Arbeit wird

anschließend der Stand der Forschung zu einseitiger und wechselnder Belastung

(2.4) sowie der kombinierten Bewertung von Zeit und Belastung (2.5) recherchiert.

Abschluss des Kapitels bildet eine Zusammenfassung und Ableitung des For-

schungsbedarfes (2.6).

2.1 Vorstellung der Produktionslogistik als Anwendungsdomäne

Die Arbeit ist im Bereich der Logistik und damit der anwendungsorientierten For-

schung angesiedelt. Aufgabe der Logistik ist die Planung, Steuerung, Realisierung

und Kontrolle des Güter- und Informationsflusses im und zwischen Unternehmen

[Gün-2014a, Kap.1, S.4]. Abbildung 2-1 zeigt eine schematische Einordnung der Be-

griffe Beschaffungslogistik, Produktionslogistik, Distributionslogistik und Entsor-

gungslogistik sowie Transport- und Lagerlogistik nach Günthner.

Abbildung 2-1: Abgrenzung Produktionslogistik nach [Gün-2014a, Kap.1, S.6]

Beschaffungslogistik Distributionslogistik

Entsorgungslogistik

Lagerlogistik

Transportlogistik

Lagerlogistik

Produktionslogistik

Transportlogistik

Lagerlogistik

2 Beschreibung und Bewertung von körperlicher Arbeit

10

Die Versorgung des Unternehmens mit betriebsfremden Gütern wird von der Be-

schaffungslogistik durchgeführt. Die Produktionslogistik umfasst den Material- und

Informationsfluss innerhalb der Produktion vom Wareneingang über die unterschied-

lichen Stufen des Produktionsprozesses bis zum Warenausgang. Neben dem physi-

schen Materialfluss (operative Logistik) beinhaltet dies die Steuerung von Aufträgen,

Kapazitäten und Material sowie die Planung von Strukturen und Prozessen. Die Ver-

sorgung des Kunden mit dem Fertigprodukt wird als Distributionslogistik bezeichnet.

Wesentliche Aufgabe ist die Überbrückung räumlicher und zeitlicher Unterschiede

zwischen Güterproduktion und -verbrauch. Die Entsorgungslogistik beinhaltet die

Rückführung der Produkte zur Verwertung oder Entsorgung. Transport- und Lagerlo-

gistik bezeichnen logistische Kernfunktionen, welche entlang der gesamten Wert-

schöpfungskette eingesetzt werden. [Gün-2014a, Kap.1, S.6ff; Wil-2009, S.33-59]

Anwendungsdomäne der vorliegenden Arbeit ist die Produktionslogistik. Betrachtet

werden Arbeitsplätze und Prozesse innerhalb der operativen Logistik. Funktionen der

Steuerung und Planung werden nicht betrachtet. Aufgabe der operativen Logistik ist

die Durchführung des Materialflusses vom Wareneingang über die unterschiedlichen

Stufen des Produktionsprozesses bis zum Warenausgang. Dabei treten folgende

logistischen Grundfunktionen auf:

- Wareneingang

- Lager

- Kommissionierung

- Innerbetrieblicher Transport

- Warenausgang

Im Wareneingang werden die betriebsfremden Güter angeliefert und vereinnahmt

[Gün-2014a, Kap.2, S.22]. Neben der Entladung werden folgende Teilprozesse

durchgeführt: Prüfung der Frachtpapiere, Identifikation der Waren, Prüfung der Liefe-

rung, Bestätigung über Erhalt der Lieferung und Wareneingangsbuchung. Das Um-

packen von Ware stellt eine Sondertätigkeit dar, welche ebenfalls im Wareneingang

auftreten kann. Entsprechend der durchgeführten Prozesse treten im Wareneingang

vornehmlich folgende Arbeitstätigkeiten auf:

- Administrative Tätigkeiten

- Fahrtätigkeiten (Gegengewicht und Schubmaststapler)

- Manuelles Umsetzen (z. B. Umpacken)

2.1 Vorstellung der Produktionslogistik als Anwendungsdomäne

11

- Manuelles Ziehen und Schieben (z. B. Handgabelhubwagen)

Materiallager dienen der Bevorratung des angelieferten Materials und dem Ausgleich

von Liefer- und Bedarfsmengen7 Zur Versorgung der Produktion sind Lager- und

Kommissionierbereiche häufig in einem Bereich konsolidiert. In Lagerbereichen tre-

ten vornehmlich folgende Tätigkeiten auf:

- Administrative Tätigkeiten

- Fahr- und Einlagertätigkeiten (Gegengewicht-, Schubmast- und Hochregal-

stapler)

- Manuelles Umsetzen (z. B. manuelle Einlagerung von Kleinladungsträgern)

- Manuelles Ziehen und Schieben (z. B. Handgabelhubwagen)

Die Kommissionierung bezeichnet nach VDI-Richtlinie 3590-1 das „Zusammenstellen

von Teilmengen aufgrund von Anforderungen (Auftrag) aus einer Gesamtmenge

(Sortiment)“ [VDI 3590-1]. In der automobilen Produktionslogistik finden Kommissio-

niervorgänge zur Zusammenstellung fahrzeugbezogener Warenkörbe, zur Sequen-

zierung8 und zur Gebindevereinzelung statt. Je nach dem, ob sich der Mitarbeiter zur

Ware bewegt oder nicht, unterscheidet man folgende Kommissioniersysteme:

- Mann-zu-Ware Kommissionierung (MzW-Kommissionierung),

- Ware-zu-Mann Kommissionierung (WzM-Kommissionierung)

Der innerbetriebliche Transport umfasst den Transport von Material und Leergut in-

nerhalb des Unternehmens. Transportaufgaben treten vom Wareneingang über die

unterschiedlichen Stufen des Produktionsprozesses bis zum Warenausgang auf. Die

Durchführung der Transportaufgaben erfolgt in der Regel durch:

- Gegengewichtsstapler

- Schubmaststapler

- Kleinladungsträger-Routenzug (KLT-Routenzug)

- Großladungsträger-Routenzug (GLT-Routenzug)

7 Fertigwarenlager bilden die Schnittstelle zur Distributionslogistik und werden daher in der vorliegenden Arbeit nicht be-

trachtet. 8 Zusammenstellen unterschiedlicher Bauteilvarianten in der Verbaureihenfolge.

2 Beschreibung und Bewertung von körperlicher Arbeit

12

Im Warenausgang werden die Fertigprodukte bereitgestellt und versandt. Typische

Prozesse im Warenausgang sind das Bereitstellen der Waren zur Verladung, Prü-

fung auf Vollständigkeit der Lieferung, Erstellung der Lieferpapiere und die Verladung

[Gün-2010, S. 2-23]. Tätigkeiten im Warenausgang umfassen:

- Administrative Tätigkeiten

- Fahrtätigkeiten (Gegengewicht und Schubmaststapler)

- Manuelles Umsetzen (z. B. Verpacken)

- Manuelles Ziehen und Schieben (z. B. Handgabelhubwagen)

Die Versorgung der Produktion mit dem erforderlichen Material stellt eine Kernaufga-

be der Produktionslogistik dar. In der Automobil- und Nutzfahrzeugendmontage wer-

den je nach Erfordernis der Bauteilfamilie unterschiedliche Versorgungskonzepte

eingesetzt. Abbildung 2-2 zeigt beispielhafte Versorgungskonzepte der Nutzfahrzeu-

gendmontage, welche im Folgenden kurz vorgestellt werden.

Abbildung 2-2: Beispielhafte Versorgungskonzepte in der Nutzfahrzeugendmontage

Die Versorgung der Produktion aus einem Lagerbereich stellt das erste Versor-

gungskonzept dar. Das Versorgungskonzept umfasst die Prozessstufen Warenein-

gang, Lager und Bereitstellung am Montageband. Vor der Bereitstellung wird das

Material gegebenenfalls kommissioniert. Dabei werden beispielsweise fahrzeugbe-

zogene Warenkörbe oder unterschiedlicher Bauteilvarianten in der Verbaureihenfol-

ge zusammengestellt. Kommissioniert wird entweder im Lager oder produktionsnah

Montageband

Lager

Wareneingang

Kommissionierung

Belieferung mit Lagerstufe

Wareneingang

Direktbelieferung Just-in-time /

Just-in-sequence

Wareneingang

Kommissionierung

Direktbelieferung in die

Kommissionierung

2.2 Systeme vorbestimmter Zeiten

13

in sogenannten Supermärkten. Dieses Versorgungskonzept erlaubt die Optimierung

der Transportkosten und die Integration von Lieferanten mit langen Lieferzeiten. Al-

lerdings kann dieses Versorgungskonzept zu hohen Beständen führen und ist daher

für Teile und Baugruppen mit hohem Wert oder hoher Variantenanzahl weniger ge-

eignet. [Gün-2014a, Kap.2, S.18]

In diesem Fall können lagerlose Versorgungskonzepte eine Alternative darstellen.

Das Material wird bei diesen Konzepten ohne Zwischenstufe direkt zum Montage-

band transportiert. Im Vergleich zur lagerhaltigen Belieferung ermöglichen diese als

Just-in-time und Just-in-sequence bezeichneten Versorgungskonzepte eine signifi-

kante Bestandsreduktion, erfordern allerdings einen höheren Steuerungs- und

Transportaufwand. Just-in-time bezeichnet die lagerlose Anlieferung sortenreiner

Behälter und ist geeignet für hochwertige Teile mit geringer Variantenanzahl. Just-in-

sequence bezeichnet die lagerlose Anlieferung in der richtigen Reihenfolge (Ver-

bausequenz) und ist für variantenreiche oder kundenspezifische Teile mit hohem

Wert geeignet. [Gün-2014a, Kap.2, S.19]

Eine Zwischenstufe stellt die Direktbelieferung in die Kommissionierung dar. Hierbei

werden sortenreine Behälter direkt in produktionsnahe Kommissionierbereiche ange-

liefert. Dort werden die Bauteile fahrzeugbezogen kommissioniert und anschließend

an den Anlieferort transportiert.

Die vorgestellten beispielhaften Versorgungskonzepte lassen sich beliebig erweitern

und kombinieren. Die Planung und Auswahl geeigneter Versorgungsprozesse ist

dementsprechend eine komplexe Aufgabenstellung. Eine umfassende Darstellung zu

Auswahl und Gestaltung von Versorgungskonzepten findet sich unter anderem in der

Dissertation von Boppert [Bop-2008, S.77ff]

Nach Festlegung des Versorgungskonzeptes werden in der betrieblichen Arbeitsvor-

bereitung die operativen Logistikprozesse geplant und die erforderlichen Kapazitäten

bestimmt. Für manuelle Arbeitsvorgänge werden dabei Systeme vorbestimmter Zei-

ten eingesetzt, welche nachfolgend vorgestellt werden.

2.2 Systeme vorbestimmter Zeiten

Systeme vorbestimmter Zeiten dienen der Beschreibung manueller Arbeitsvorgänge

und ermöglichen die rechnerische Ermittlung von Planzeiten. Neben der Ermittlung

von Planzeiten kann die Arbeitsvorgangsbeschreibung auch zur Identifikation von

Schwachstellen und Ableitung von Optimierungsmaßnahmen eingesetzt werden.

2 Beschreibung und Bewertung von körperlicher Arbeit

14

Das Grundprinzip von Systemen vorbestimmter Zeiten ist das Unterteilen von Bewe-

gungsabläufen in Bewegungselemente. Den Bewegungselementen sind vorbestimm-

te Zeiten zugeordnet und deren Summe ergibt eine Planzeit für den gesamten Be-

wegungsablauf. Im Gegensatz zu Zeitaufnahmeverfahren wie dem REFA-Verfahren9

[Sch-2010, S.672-675], welche auf Messung beruhen, kann so bereits in der Pla-

nungsphase die Zeitdauer manueller Arbeitsschritte bestimmt werden. Die Entwick-

lung dieser Systeme geht auf Gilbreth und Taylor Anfang des 20. Jahrhunderts zu-

rück. Ausgehend von der Annahme, dass es für eine Tätigkeit eine beste Art der Be-

wegungsausführung gibt, führten sie Bewegungsanalysen durch [May-2001, Kap.1,

S.6]. Mithilfe von Filmaufnahmen identifizierte Gilbreth 17 Vorgangselemente, aus

welchen sich die meisten menschlichen Bewegungen zusammensetzen lassen [Sch-

2010, S.696]. Aufbauend hierauf wurde von Segur 1926 unter der Bezeichnung „Mo-

tion Time Analysis“ (MTA) das erste System vorbestimmter Zeiten veröffentlicht

[MTM-2011, S.10]. Hieraus wurden die heute praktisch relevanten Verfahren, das

„Methods-Time Measurement“ (MTM), das „Work-Factor“ (WF) und das „Maynard

Operation Sequence Technique“ (MOST) entwickelt [Sch-2010, S.696-697]. Das

MTM-Verfahren berücksichtigt im Gegensatz zum WF-Verfahren auch qualitative

Einflussgrößen wie den Kontrollaufwand, welche einer Beurteilung des Analysieren-

den unterliegen [Sch-2010, S.697]. Das MOST-Verfahren basiert auf dem MTM-

Grundsystem und beinhaltet zur Reduktion des Analyseaufwandes standardisierte

Bewegungssequenzmodelle [May-2001, Kap.5, S. 18-19]. Das MTM-System ist das

Verfahren mit der weltweit größten Verbreitung [Bok-2012, S.98]. Die deutsche MTM-

Vereinigung gibt an, dass heutzutage 80 Prozent aller Systeme vorbestimmter Zeiten

auf dem MTM-System beruhen [MTM-2011, S.10]. Aufgrund der hohen Verbreitung

wird in der vorliegenden Arbeit als System vorbestimmter Zeiten das MTM-System

verwendet. Dies erleichtert eine Übertragung und Weiterverwendung der Ergebnisse.

Das MTM-System wird im Folgenden näher beschrieben.

2.2.1 MTM-Prozessbausteinsysteme

Das MTM-System wurde in den 50er Jahren von Maynard, Schwab und Stegemerten

basierend auf Filmaufnahmen und dem MTA-System entwickelt. Das System wird

heute als MTM-1-Grundsystem bezeichnet. Um die Dauer von Grundbewegungen

(wie z. B. Greifen, Hinlangen oder Gehen) zu bestimmen, wurden industrielle Ar-

beitsabläufe gefilmt. Die Filmgeschwindigkeit betrug 16 Bilder pro Sekunde. Durch

Auszählen der Bilder je Bewegung wurden die Zeiten errechnet. Aus der individuel-

len Ausführungszeit wurde mit einem Faktor zur Leistungsgradbeurteilung eine

Normzeit errechnet. Der Faktor zur Leistungsgradbeurteilung umfasst die vier Bewer-

9 Verband für Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und Unternehmensentwicklung (Abk. REFA von Reichsausschuß für

Arbeitszeitermittlung).

2.2 Systeme vorbestimmter Zeiten

15

tungsmerkmale Geschicklichkeit, Anstrengung, Gleichmäßigkeit der Ausführungszeit

und Arbeitsbedingungen. [MTM-2011, S.12 ff]

Die Zeitwerte werden in „Time Measurement Unit“ (TMU) angegeben. Für die Um-

rechnung in das SI-System gilt:

1 𝑇𝑀𝑈 =1

1000ℎ = 0,036𝑠

Aufgrund einer hohen Detaillierung eignet sich das MTM-1-Grundsystem zur Be-

schreibung kurzzyklischer Arbeitsabläufe mit hohem Wiederholcharakter. Für länger-

zyklische Arbeitsabläufe mit niedrigerem Wiederholcharakter wurden weitere MTM-

Systeme entwickelt. Je nach Wiederholcharakter und Länge der Zykluszeit werden

drei Prozesstypen unterschieden [MTM-2011, S.21]:

- Kurzzyklische Mengenfertigung wird als Prozesstyp 1 bezeichnet. Die Zyk-

luszeit liegt zumeist unter 60 Sekunden. Der Bewegungsablauf wiederholt sich

ohne Abweichungen ständig und variiert nur in geringem Maße zwischen ver-

schiedenen Mitarbeitern. Ein Beispiel stellt die Massenfertigung von Elektro-

nikkomponenten dar. Zur Beschreibung von Tätigkeiten des Prozesstyps 1

wird das MTM-1-Grundsystem verwendet.

- Längerzyklische Fertigung mit Wiederholcharakter wird als Prozesstyp 2 be-

zeichnet. Die Zykluszeit liegt im Bereich von einigen Minuten. Arbeitsinhalte

und -ausführungszeiten können variieren und die Arbeitsausführung kann sich

zwischen Mitarbeitern unterscheiden. Typische Anwendungsbeispiele sind in

der Automobilindustrie oder der Logistik zu finden. Zur Beschreibung von Tä-

tigkeiten des Prozesstyps 2 können die Systeme MTM-2, „Universelles Analy-

siersystem“ (UAS), „Sequential Activity and Methods Analysis“ (SAM) oder

„Standardvorgänge Logistik“ (SVL) verwendet werden.

- Fertigung ohne zyklische Wiederholung wird als Prozesstyp 3 bezeichnet.

Hier wird in Kleinserien oder Einzelfertigung zumeist auftragsbezogen produ-

ziert. Die Mitarbeiter haben einen geringen Routinegrad und die Arbeitsaus-

führung unterscheidet sich wesentlich zwischen den Mitarbeitern. Beispiele

liegen im Bereich des kundenspezifischen Maschinen-, Stahl- und Anlagen-

baus. Zur Beschreibung von Tätigkeiten des Prozesstyps 3 kann „MTM für die

Einzel- und Kleinserienfertigung“ (MEK) verwendet werden.

Die in der Arbeit betrachteten Logistikarbeitsplätze umfassen sich wiederholende

Tätigkeiten mit längerem Zyklus und einer gewissen Streuung in der Arbeitsausfüh-

rung. Sie werden daher dem Prozesstyp 2 zugeordnet. Hierfür sind das UAS-System

2 Beschreibung und Bewertung von körperlicher Arbeit

16

sowie das SVL-System geeignet. Diese werden neben dem MTM-1-Grundsystem

nachfolgend vorgestellt.

2.2.2 MTM-1

Grundlage des MTM-1-System bildet ein Grundzyklus, welcher folgende Bewegun-

gen umfasst [MTM-2011, S. 33ff]:

- Hinlangen: Bewegen der Hand zu einem Gegenstand

- Greifen: Einen Gegenstand unter Kontrolle nehmen

- Bringen: Bewegen eines Gegenstandes mit der Hand

- Fügen: In- oder Aneinanderfügen von Gegenständen

- Loslassen: Aufheben der Kontrolle über einen Gegenstand

Ergänzt wird dieser Grundzyklus durch

- Drei Grundbewegungen: Drehen, Drücken, Trennen,

- Zwei Blickfunktionen: Blickverschieben, Prüfen,

- Elf Körperbewegungen: Fußbewegung, Beinbewegung, Seitenschritt, Kör-

perdrehung, Gehen, Beugen und Aufrichten, Knien und Aufrichten, Setzen

und Aufstehen.

In Datenkarten sind Normzeiten für diese Bewegungen hinterlegt. Die Normzeiten

werden in Abhängigkeit der relevanten Einflussgrößen in tabellarischer Form ange-

geben. Abbildung 2-3 zeigt für das Beispiel „Bringen“ den Aufbau der MTM-1-

Datenkarte mit Normzeitwerten und Einflussfaktoren.

Abbildung 2-3: Aufbau MTM-1-Datenkarte [MTM-2011]

Bewegungs-

länge [cm]

Kontrollaufwand Korrektur-

Konstante für

vorangehende

/ folgende

Bewegung

Faktoren Kraftaufwand

Gewicht

/ Kraft

[daN/kg]

Statische

Konstante

Dynamischer

FaktorA B C

bis 2 1

4 2

6 4

8 6

2.2 Systeme vorbestimmter Zeiten

17

Die Normzeiten der Bewegung „Bringen“ berücksichtigen als Einflussfaktoren die

Bewegungslänge, den Kontrollaufwand, vorangehende oder folgende Bewegungen

sowie die aufzubringende Kraft. Die wichtigste Einflussgröße dieser Bewegung ist die

Bewegungslänge in Zentimetern. Unter Kontrollaufwand wird der Schwierigkeitsgrad

der Koordination von Motorik und Sensorik verstanden. Für das Beispiel „Bringen“

werden drei Fälle unterschieden:

- Fall A: Einen Gegenstand zur anderen Hand oder Anschlag bringen

- Fall B: Einen Gegenstand in eine ungefähre oder unbestimmte Lage bringen

(Spiel: >25mm)

- Fall C: Einen Gegenstand in eine genau bestimmte Lage bringen (Spiel: >12

bis ≤24 mm)

Falls der Bewegung „Bringen“ unmittelbar eine Bewegung vorangeht (oder folgt), ent-

fällt die Beschleunigung am Anfang (oder das Abbremsen am Ende) der Bewegung.

Hierfür werden Korrektur-Konstanten verwendet. Ein erhöhter Kraftaufwand verlang-

samt die Bewegungsausführung. Das MTM-1-System bildet dies über eine statische

Konstante und einen dynamischen Faktor ab. Die statische Konstante wird zu der

Grundzeit der Bewegung addiert und bildet die reduzierte Beschleunigung am An-

fang und Ende der Bewegung ab. Der dynamische Faktor wird mit der Grundzeit der

Bewegung multipliziert und bildet die reduzierte Bewegungsgeschwindigkeit ab.

2.2.3 Universelles Analysiersystem und Standardvorgänge Logistik

Das UAS-System fasst den Grundzyklus der fünf MTM-1-Grundbewegungen zu ei-

nem Vorgang „Aufnehmen und Platzieren“ zusammen. Die Einflussfaktoren Bewe-

gungslänge, aufzubringende Kraft und Kontrollaufwand bleiben bestehen, allerdings

sind die Abstufungen weniger detailliert. Durch Zusammenfassung zu einer Bewe-

gungsfolge werden die Einflussfaktoren außerdem für die gesamte Bewegungsfolge

nur einmal analysiert und nicht mehr für jede Grundbewegung getrennt (Abbildung

2-4). Die geringere Genauigkeit ist aufgrund unterschiedlicher Möglichkeiten der Ar-

beitsausführung sinnvoll und reduziert den Analyseaufwand im Vergleich zum MTM-

1-System erheblich. Neben dem Grundzyklus „Aufnehmen und Platzieren“ umfasst

das UAS-System folgende Bewegungen: 1 Platziervorgang, 1 Vorgang „Hilfsmittel

handhaben“, 2 Betätigen-Vorgänge, 4 Bewegungszyklen, 3 Körperbewegungen und

1 Vorgang „visuelle Kontrolle“. [Bok-2012, S. 479-494]

Ein wesentlicher Unterschied des UAS-Systems zu MTM-1 ist, dass die Tätigkeitsab-

folge in der Analyse aufgrund der Aggregation von der tatsächlichen Reihenfolge

2 Beschreibung und Bewertung von körperlicher Arbeit

18

abweichen kann. Beispielsweise kann es vorkommen, dass während des Aufneh-

mens und Platzierens eines Gegenstandes weitere Bewegungen ausgeführt werden.

Diese werden im UAS-System dann nach dem Baustein „Aufnehmen und Platzieren“

analysiert.

Abbildung 2-4: Bausteinaggregation der Systeme MTM-1, MTM-2 und UAS / MEK, nach [MTM-2012, S.17]

Speziell für Logistiktätigkeiten wurde das SVL-System entwickelt. Dieses stellt auf

Basis von UAS-Bausteinen eine weitere Aggregation für wiederholende Logistiktätig-

keiten dar. Das SVL-System umfasst Vorgangsfolgen für [Bok-2012, S.466]:

- Stapler

- Kräne

- Elektroschlepper

- Handgabelhubwagen

- Transportwagen

- Ergänzungswerte für die Handhabung

Die vorgestellten Bausteinsysteme MTM-1, UAS sowie SVL bauen auf dem gleichen

Grundsystem auf und können daher in Kombination angewendet werden.

2.3 Grundlagen zur Beurteilung arbeitsbezogener körperlicher Belastungen

Im Folgenden werden Grundlagen zu arbeitsbezogen körperlichen Belastungen vor-

gestellt. Hierfür wird zunächst die personenunabhängige Belastung von der individu-

ellen Beanspruchung abgegrenzt (2.3.1). Verfahren zur Bewertung der körperlichen

Belastung unterscheiden sich hinsichtlich Detaillierungsgrad und Anwendungsfokus

MTM-1 MTM-2 UAS / MEK

Hinlangen

Greifen

Bringen

Fügen

Loslassen

Aufnehmen

Platzieren

Aufnehmen

und Platzieren

2.3 Grundlagen zur Beurteilung arbeitsbezogener körperlicher Belastungen

19

voneinander. Zur Einteilung und Auswahl der Verfahren kann das sogenannte Stu-

fenmodell verwendet werden (2.3.2). Unterschiedlichen Belastungsarten und deren

biomechanische Grundlagen werden ebenso dargelegt (2.3.3). Das NIOSH-

Verfahren, welches bereits vor 20 Jahren entwickelt wurde, stellt für aktuelle Verfah-

ren und Normen eine wesentliche wissenschaftliche Grundlage zur Bewertung ma-

nueller Lasthandhabung dar. Daher werden Aufbau, Entwicklungsansatz und metho-

dische Einschränkungen des NIOSH-Verfahrens vorgestellt (2.3.4).

2.3.1 Belastungs-Beanspruchungs-Konzept

Das Belastungs-Beanspruchungs-Konzept grenzt die personenunabhängige Belas-

tung und die individuelle Beanspruchung einer Person voneinander ab [Roh-1983,

S.9ff]. Belastungen sind aus Arbeitsaufgabe und Umgebung einwirkende Einflüsse

auf eine Person. Körperliche Belastungen sind in der Regel physikalisch messbare

Größen (z. B. Kraft, Temperatur oder Lärm). Die Beanspruchung ergibt sich aus der

Belastung sowie den individuellen Eigenschaften und Fähigkeiten der betrachteten

Person (siehe Abbildung 2-5).

Abbildung 2-5: Belastungs-Beanspruchungs-Konzept nach Rohmert [Sch-2010, S.39]

2.3.2 Stufenmodell der Gefährdungsbeurteilung

Zur Bewertung der körperlichen Belastung wurden von staatlichen Institutionen, For-

schungsinstituten, Unternehmen sowie Unfallversicherungen Richtlinien und Bewer-

tungsverfahren entwickelt10. Diese analysieren arbeitsbezogene körperliche Belas-

tungen und bewerten mögliche gesundheitliche Risiken. Je nach Detaillierungsgrad

der Analyse sowie Umfang der erforderlichen Schulung werden die Verfahren unter-

teilt in [Har-2013, S.111]:

- Grob-Screening-Verfahren

10

In Deutschland u. a. maßgebliche Institutionen: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) Institut für Arbeitswissenschaften, Technische Universität Darmstatt

Arbeitender Mensch

mit individuellen

Eigenschaften,

Fähigkeiten,

Fertigkeiten und

Bedürfnissen

Belastungen

Einflüsse, die im

Arbeitssystem auf

den Menschen

einwirken

Beanspruchungen

individuelle

Auswirkung der

Belastung im

Menschen

2 Beschreibung und Bewertung von körperlicher Arbeit

20

- Screeningverfahren

- Detail-/Expertenverfahren

- Messverfahren

Im ersten Schritt kann mit einem Grob-Screening-Verfahren eine orientierte Erfas-

sung und Bewertung durchgeführt werden. Grob-Screening-Verfahren identifizieren

Belastungsschwerpunkte und schließen nicht relevante Belastungen von der weite-

ren Betrachtung aus [Har-2013, S.111].

Beispiel für ein in Deutschland verbreitetes Grob-Screening-Verfahren ist die nach

den berufsgenossenschaftlichen Grundsätzen für arbeitsmedizinische Vorsorgeun-

tersuchungen G46 empfohlene Checkliste der Deutschen Gesetzlichen Unfallversi-

cherung [DGU-2009].

Basierend auf den erkannten erhöhten Belastungen sind für die Bewertung der Ar-

beitsplätze geeignete detailliertere Verfahren auszuwählen. Hierfür können Scree-

ning-Verfahren eingesetzt werden. Diese erlauben eine genauere Bewertung für

spezifische Belastungsarten. Beispiele sind die Leitmerkmalmethoden (LMM) für

Lasthandhabung [Jür-2001, S.17ff] oder das European Assembly Worksheet

(EAWS) für repetitive Montage-Tätigkeiten [Sch-2013].

Die Detail-/Expertenverfahren erlauben eine vertiefte Beurteilung spezifischer Belas-

tungen. Messverfahren erfassen kontinuierlich bestimmte Belastungsgrößen (z. B.

Körperhaltungen und -bewegungen).

Jedes Verfahren deckt bestimmte Belastungsarten ab. Daher sind immer für den

spezifischen Anwendungsfall geeignete Verfahren auszuwählen. Nachfolgend wer-

den die unterschiedlichen körperlichen Belastungen vorgestellt.

2.3.3 Biomechanik der Belastungen

Die berufsgenossenschaftlichen Grundsätzen für arbeitsmedizinische Vorsorgeun-

tersuchungen G46 unterscheiden im Bereich körperlicher Belastungen folgende Be-

lastungsarten [DGU-2009]:

- Manuelle Lasthandhabung

- Arbeit mit erhöhter Kraftanstrengung und/oder Krafteinwirkung

- Erzwungene Körperhaltungen

2.3 Grundlagen zur Beurteilung arbeitsbezogener körperlicher Belastungen

21

- Repetitive Tätigkeiten mit hoher Wiederholungsfrequenzen

- Ganzkörper-Vibrationen

- Hand-Arm-Vibrationen

Manuelle Lasthandhabung führt neben einer Belastung des gesamten Muskel-

Skelett-Systems primär zu einer Belastung der Wirbelsäule [DGU-2009]. Manuelle

Lasthandhabung tritt beim Heben, Halten und Tragen sowie beim Ziehen und Schie-

ben von größerer Lasten auf. Am höchsten ist die Belastung der Wirbelsäule an den

unteren Wirbelkörpern [Jür-2001, S.8]. Die zwischen den Wirbelkörpern liegenden

Bandscheiben ermöglichen durch ihre Elastizität die Beweglichkeit der Wirbelsäule

[Nie-2009, S. 375]. Lasthandhabung führt zu einer Kompression der Bandscheiben.

Eine Überlastung kann zu einer Deformation der Bandscheiben führen [Die-1997].

Die Bandscheiben werden durch Diffusion versorgt, welche durch Kompression ver-

langsamt wird. Dies führt zu einer Druckreduktion in den Bandscheiben, weshalb die

Anfälligkeit für eine Schädigung unter wiederholter Kompression über einen längeren

Zeitraum (z. B. einer Arbeitsschicht) steigt [Die-1997]. Abbildung 2-6 zeigt schema-

tisch den Zusammenhang zwischen einer zu tragenden Last und der resultierenden

Druckkraft auf die Bandscheiben. Die resultierende Belastung hängt im Wesentlichen

von Lastgewicht, der Ausführungshäufigkeit und der dabei eingenommen Körperhal-

tung ab [Jür-2001, S.10-11].

Abbildung 2-6: Vereinfachtes Prinzip der biomechanischen Wirkung von Lasten auf die Lendenre-gion nach dem Hebelgesetz [Har-2013, S.28]

2 Beschreibung und Bewertung von körperlicher Arbeit

22

Arbeiten mit erhöhter Kraftanstrengung und/oder Krafteinwirkung werden nach

den berufsgenossenschaftlichen Grundsätzen für arbeitsmedizinische Vorsorgeun-

tersuchungen G46 in drei Gruppen eingeteilt [DGU-2009]. Die erste Gruppe umfasst

die Arbeit an schwer zugänglichen Arbeitsstellen, welche Steigen oder Klettern erfor-

dert. Hier wird das gesamte Muskel-Skelett-System belastet. Der Einsatz des Hand-

Arm-Systems als Werkzeug stellt die zweite Gruppe dar, bei welcher überwiegend

der Schulter-Arm-Bereich belastet wird. Beispiele sind Klopfen, Schlagen, Drehen

und Drücken. Kraft- oder Druckeinwirkung bei der Bedienung von Arbeitsmitteln stellt

die dritte Gruppe dar. Arbeiten mit erhöhter Kraftanstrengung und/oder Krafteinwir-

kung belasten das Muskel-Skelett-System sowie die Nerven der betroffenen Körper-

region.

Erzwungene Körperhaltungen sind nach Kusserow Körperhaltungen mit einge-

schränkter Bewegungsmöglichkeit, die aufgrund der Tätigkeit, des Arbeitsmittels

oder der Arbeitsplatzgestaltung über eine längere Zeit eingenommen werden müs-

sen [Kus-2005, S.89ff]. Neben ungünstigen Körperhaltungen (z. B. Knien oder Arme

über Schulterniveau) können hierzu auch das Sitzen und Stehen zählen. Bei stati-

scher Haltearbeit kommt es bereits ab einem Einsatz von 15 % der Maximalkraft sehr

schnell zu einer Ermüdung [Roh-1960, S.160]. Erzwungene Körperhaltungen belas-

ten das Muskel-Skelett-System sowie im Fall ungünstiger Haltungen die Gelenke. Als

Folge können Muskelschmerzen, Verspannungen und Verkrampfungen entstehen.

Daneben können erzwungene Körperhaltungen langfristig zu degenerativen Mus-

kelerkrankungen führen [Kus-2005, S.89ff].

Repetitive Tätigkeiten mit hoher Wiederholungsfrequenz bezeichnen Tätigkeiten,

bei welchen ähnliche Arbeitszyklen wieder und wieder durchgeführt werden. Hier-

durch werden insbesondere Gelenke, Muskeln, Sehnen und Nerven belastet. In der

Automobil- und Nutzfahrzeugbranche treten repetitive Tätigkeiten mit hoher Wieder-

holungsfrequenz insbesondere in der Montage auf. Die Beschwerdebilder werden

unter dem Begriff „Work-related upper limb disorders“ (WRULD) zusammengefasst.

Als häufige Erkrankungen nennt Hoehne-Hückstädt unter anderem Beschwerden im

Bereich der Halswirbelsäule, Epicondylitis radialis (Tennisellenbogen), Sehnenschei-

denentzündungen sowie das Karpaltunnelsyndrom. [Hoe-2005, S.39ff]

Demzufolge ist weder eine statische Haltung (z. B. erzwungenes Stehen oder Sitzen)

noch eine Bewegung mit hoher Wiederholungsfrequenz anzustreben, da beides mit

einem erhöhten Gesundheitsrisiko verbunden ist. Abbildung 2-7 visualisiert diesen

Zusammenhang schematisch.

2.3 Grundlagen zur Beurteilung arbeitsbezogener körperlicher Belastungen

23

Abbildung 2-7: Zusammenhang zwischen Bewegungsfrequenz und Gesundheitsrisiko, schemati-sche Darstellung nach DIN EN 1005-4 [Kus-2005, S.91]

Vibrationen werden unterteilt in Hand-Arm-Vibrationen und Ganzkörpervibrationen

[Chr-2006]. Hand-Arm-Vibrationen entstehen bei der Benutzung von vibrierenden

Geräten, beispielsweise einer Bohrmaschine. Hand-Arm-Vibrationen können Durch-

blutungsstörungen, Knochen- und Gelenkschäden sowie neurologische Schäden

hervorrufen [BMA-2015]. Mitarbeitern in Fahrzeugen und mobilen Arbeitsmaschinen

sind Ganzkörpervibrationen ausgesetzt. Ganzkörpervibrationen können unmittelbar

zu Befindlichkeitsstörungen (z. B. Schwindel) und langfristig zu Rückenschmerzen

und einer Schädigung der Wirbelsäule führen [BMA-2015].

2.3.4 Die NIOSH-Gleichung als Grundlage zur Bewertung der körperlichen Belastung aufgrund Lasthandhabung

Die „Revised NIOSH equation“ des National Institute of Occupational Safety and

Health in den USA stellt die wesentliche wissenschaftliche Grundlage zur Bewertung

der körperlichen Belastung aufgrund von Lasthandhabung dar. Direkt auf dieser

Gleichung beruhen die Normen zur Sicherheit von Maschinen DIN EN 1005-2 und

ISO 11228-1 [Ell-05, S.27], sowie abgeleitete Screeningverfahren wie die

Leitmerkmalmethoden [Jür-2001, S.17]. Auf den Leitmerkmalmethoden wiederum

beruhen eine Reihe weiterer Verfahren, u. a. das Multiple-Lasten-Tool11, welches in

Konzeptelement 1 zur Bewertung der körperlichen Belastung verwendet wird.

Aus diesen Gründen werden im Folgenden Aufbau, Entwicklungsansatz und

methodische Einschränkungen näher beschrieben. Die „Revised NIOSH equation“

wurde von einer Expertenkommission entwickelt und 1993 von Waters et al.

11

Siehe Kapitel 3.1.3 und Kapitel 5.1.3.

2 Beschreibung und Bewertung von körperlicher Arbeit

24

veröffentlicht [Wat-1993]. Die Gleichung wurde basierend auf folgenden Prämissen

erarbeitet:

- Biomechanisches Schadensmodell: Es wird eine maximal zulässige Kom-

pressionskraft von 3,4 kN auf ein Bandscheibensegment definiert. Berücksich-

tigt wird nur die Maximalkraft.

- Energieumsatz: Die Begrenzung des Arbeitsenergieumsatzes soll Ermüdung,

welche zu einem erhöhten Verletzungsrisiko führt, vermeiden. In Abhängigkeit

der Ausführungsdauer werden Grenzwerte für den Arbeitsenergieumsatz defi-

niert.

- Probandenversuche: Mithilfe von Probandenversuchen werden in Abhängig-

keit von Haltung und Häufigkeit maximal akzeptable Gewichte für das Heben

ermittelt.

Die NIOSH-Gleichung stellt sicher, dass immer das strengste Kriterium eingehalten

wird. Bestimmt wird die empfohlene Grenzlast (Recommended load weight limit,

RWL) aus der maximal zulässigen Last (𝐿𝐶 = 25𝑘𝑔) sowie sechs Reduktionsfakto-

ren:

𝑅𝑊𝐿 = 𝐿𝐶 × 𝐻𝑀 × 𝑉𝑀 × 𝐷𝑀 × 𝐴𝑀 × 𝐹𝑀 × 𝐶𝑀 (2-1)

mit:

𝐻𝑀 Horizontaler Multiplikator (25 ⁄ 𝐻𝑜𝑟𝑖𝑧𝑜𝑛𝑡𝑎𝑙𝑒𝑟 𝐴𝑏𝑠𝑡𝑎𝑛𝑑[𝑐𝑚])

𝑉𝑀 Vertikaler Multiplikator (1 − (0,003 × |𝑉𝑒𝑟𝑡𝑖𝑘𝑎𝑙𝑒𝑟 𝐴𝑏𝑠𝑡𝑎𝑛𝑑 [𝑐𝑚] − 75|))

𝐷𝑀 Distanz Multiplikator (0,82 + (4,5 ⁄ 𝑉𝑒𝑟𝑡𝑖𝑘𝑎𝑙𝑒𝑟 𝐻𝑒𝑏𝑒𝑤𝑒𝑔 [𝑐𝑚]))

𝐴𝑀 Asymmetrie Multiplikator (1 − (0,0032 × 𝐴𝑠𝑦𝑚𝑒𝑡𝑟𝑖𝑒𝑤𝑖𝑛𝑘𝑒𝑙))

𝐹𝑀 Frequenzmultiplikator (Tabelle, siehe Anhang 1)

𝐶𝑀 Faktor Griffbedingungen (Tabelle, siehe Anhang 1)

Die Risikoabschätzung erfolgt über den Lifting Index 𝐿𝐼:

𝐿𝐼 =𝐿𝑜𝑎𝑑 𝑙𝑖𝑓𝑡𝑒𝑑

𝑅𝑒𝑐𝑜𝑚𝑚𝑒𝑛𝑑𝑒𝑑 𝑙𝑜𝑎𝑑 𝑤𝑒𝑖𝑔ℎ𝑡 𝑙𝑖𝑚𝑖𝑡 (𝑅𝑊𝐿) (2-2)

2.3 Grundlagen zur Beurteilung arbeitsbezogener körperlicher Belastungen

25

wobei drei Risikoklassen unterschieden werden:

𝐿𝐼 < 1 unbedenklich

1 < 𝐿𝐼 < 3 Potenzielle Gefährdung liegt vor

𝐿𝐼 > 3 Gefährdung ist wahrscheinlich

Die NIOSH-Gleichung erlaubt somit, das Risiko von Lasthandhabungsvorgängen

unter Berücksichtigung folgender sieben Einflussfaktoren zu bewerten:

- Gewicht

- Horizontale Position

- Vertikale Position

- Hebedistanz

- Asymmetrie

- Frequenzmultiplikator

- Griffbedingungen

Nicht berücksichtigt werden die zeitliche Abfolge der Tätigkeitsausführung und mög-

liche einseitige Belastungssituationen. Zur Identifikation einseitiger Belastungssitua-

tionen müsste beispielsweise erfasst werden, inwiefern bei der Lasthandhabung un-

terschiedliche Körperhaltungen eingenommen werden oder Erholungsphasen in

neutraler Körperhaltung auftreten.

Waters et al. weisen u. a. auf folgende grundlegende Einschränkungen der NIOSH-

Gleichung hin [Wat-1993]. Erstens beruhen wesentliche Elemente der Gleichung auf

der Selbsteinschätzung von Probanden. Dies testet primär die Toleranzschwelle der

Probanden. Zweitens werden weitere Belastungen, wie das Ziehen oder Schieben

von Lasten, nicht berücksichtigt. Drittens ist eine große personenabhängige Streuung

(maximale Druckkraft auf Bandscheibe und Dauerleistungsgrenze) feststellbar, wel-

che in dem Modell nicht berücksichtigt werden kann.

2.3.5 Fazit

Die Beurteilung arbeitsbezogener körperlicher Belastungen ist aufgrund der hohen

Komplexität nur in Teilen objektiv zu begründen. Zum einen kann mit Verfahren zur

Beurteilung der körperlichen Belastung nicht die individuelle Beanspruchung sondern

nur die personenunabhängige Belastung berücksichtigt werden. Zum anderen ist die

wissenschaftlich begründete Ableitung von Belastungsgrenzwerten nur schwer mög-

2 Beschreibung und Bewertung von körperlicher Arbeit

26

lich. Wie am Beispiel der NIOSH-Gleichung aufgezeigt wurde, beruhen Belastungs-

grenzwerte daher zumeist auf Experteneinschätzungen.

In einer umfangreichen Evaluierung aktueller Normen und Regeln kommen Fallentin

et al. zu dem Ergebnis, dass aktuell verwendete quantitative Methoden zur Gefähr-

dungsbeurteilung weitestgehend nicht mit epidemiologischen Studien begründet

werden können [Fal-2001, S.3]. Trotzdem kann eine Anwendung sinnvoll sein, aller-

dings sollte die große Unsicherheit der Verfahren berücksichtigt werden. Insbesonde-

re sollte das Ergebnis nur zur groben Unterscheidung von niedrig-, mittel- und hoch-

belasteten Arbeitsplätzen verwendet werden [Fal-2001, S.4].

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass Erkrankungen in der Regel multikausal sind.

Aus diesem Grund ist es schwierig nachzuweisen, dass die Anwendung und Einhal-

tung von Belastungsgrenzwerten einen positiven Effekt auf die Gesundheit der Mit-

arbeiter hat. Dempsey et al. weist beispielsweise darauf hin, dass mehr als 50 % der

Bevölkerung an Rückenschmerzen leidet und eine Vielzahl an außerberuflichen Ein-

flussfaktoren die Entstehung von Rückenschmerzen beeinflussen [Dem-2006]. Ent-

sprechend schwierig ist es, für dieses Beispiel berufliche Risikofaktoren nachzuwei-

sen.

Basierend auf einer Auswertung von 92 Studien kommen Westgaard et al. zu dem

Schluss, dass nur Unternehmensprogramme eine positive Auswirkung auf die Ge-

sundheit der Mitarbeiter haben, welche Verhältnisprävention und Verhaltenspräventi-

on umfassen [Wes-1997]. Verhältnisprävention bezeichnet die Verbesserung der Ar-

beitsbedingungen. Das Fördern eines (auch außerberuflich) gesunden Verhaltens

wird als Verhaltensprävention bezeichnet.

Schwerpunkt vorliegender Arbeit ist die Beurteilung arbeitsbezogener körperlicher

Belastungen basierend auf einem System vorbestimmter Zeiten. Aus diesem Grund

sind die vorangehend ausgeführten generellen Einschränkungen zur Beurteilung ar-

beitsbezogener körperlicher Belastungen zu berücksichtigen. Für den Anwender des

Systems vorbestimmter Zeiten sind insbesondere folgende Punkte relevant:

- Die Beurteilung arbeitsbezogener körperlicher Belastungen erlaubt grundsätz-

lich nur eine grobe Orientierung. Da individuelle Voraussetzungen nicht be-

rücksichtigt werden können, ist in der betrieblichen Praxis gegebenenfalls zu-

sätzlich eine individuelle Betrachtung durch den medizinischen Dienst erfor-

derlich. Dies gilt insbesondere für Mitarbeiter mit eingeschränkter Leistungsfä-

higkeit oder Vorerkrankungen.

2.4 Verfahren zur kombinierten Analyse von Zeit und Belastung

27

- Im Rahmen eines betrieblichen Gesundheitsmanagements ist neben der Ver-

meidung hoher arbeitsbezogener Belastungen ein gesundes individuelles

Verhalten zu fördern.

2.4 Verfahren zur kombinierten Analyse von Zeit und Belastung

Im Folgenden werden bestehende Ansätze vorgestellt, welche eine zeitliche Arbeits-

ablaufbeschreibung mit einer Bewertung der körperlichen Belastung kombinieren.

Hierzu sind Erweiterungen von MTM-Systemen, kommerzielle Softwarelösungen so-

wie weitere Ansätze für spezifische Anwendungsgebiete verfügbar.

Erweiterung von MTM-Systemen

Das Motion Analysis and Index Derivation System leitet aus der MTM-Analyse

ohne zusätzliche Informationen eine Belastungsanalyse ab [Küh-1985]. Den MTM-

Grundbewegungen wurden dabei dominante Belastungen zugeordnet. Dabei werden

folgende sechs Belastungsgruppen unterschieden:

- Finger-/Handsystem

- Hand-/Armsystem

- Körper

- Erhöhter Kontrollaufwand

- Visuelle Kontrolle

- Erhöhte aufzubringende Kraft

Die Methode ermöglicht auf Basis der MTM-Daten eine Belastungsanalyse ohne Zu-

satzinformationen. Allerdings kann nur erkannt werden, welche Belastungen in der

Bewegungsfolge dominieren. Eine Risikoabschätzung für ergonomische Aspekte

kann hieraus nicht abgeleitet werden, da wichtige Belastungsfaktoren wie das Ge-

wicht oder die Körperhaltung nicht berücksichtigt werden.

ErgoSAM stellt eine ergonomische Erweiterung des in der schwedischen Automobil-

industrie entwickelten MTM-Systems „Sequential Activity and Methods Analysis“ dar.

Die MTM-Bausteine werden um zwei Parameter erweitert: Das zu handhabende Ge-

wicht sowie, zur Bestimmung der Körperhaltung, die Entfernungszone, in der sich

das zu handhabende Objekt befindet [Lar-2002]. Die Methode erzeugt einen fortlau-

fenden Risikowert, welcher sich auf die momentan durchgeführte Bewegung bezieht.

2 Beschreibung und Bewertung von körperlicher Arbeit

28

Somit ist es möglich, Situationen mit hoher Belastung zu identifizieren. In Feldstudien

wurden die Ergebnisse mit Experteneinschätzungen [Chr-2000; Lar-2005] sowie der

von Mitarbeitern subjektiv empfundenen Belastung [Lar-2002] verglichen.

Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Methode eignet, Situationen mit hoher Belas-

tung zu identifizieren [Lar-2002; Chr-2000]. Nicht geeignet ist die Methode dagegen

zur Identifikation von Belastungen im Bereich Hand, Handgelenk und Nacken. Zu-

dem wird kein über eine Schicht kumulierter Risikowert zur Gefährdungsbeurteilung

vorgeschlagen.

Kommerzielle Softwaresysteme

Kommerzielle Softwarelösungen, welche eine MTM-Analyse um eine Belastungsana-

lyse erweitern, liegen ebenfalls vor. Von der deutschen MTM-Vereinigung ist mit

MTM Ergonomics eine Software verfügbar, welche basierend auf dem EAWS-

Verfahren eine Analyse der Belastungen erlaubt. Dieser Ansatz wird auch für ver-

schiedene firmenspezifische Softwarelösungen wie Ergo-UAS bei FIAT-Gruppe [Vit-

2012] oder AP Ergo bei der Volkswagen AG [Kan-2013] verwendet. Von der deut-

schen MTM-Vereinigung wurde daneben ein neues MTM-Bausteinsystem entwickelt.

Das System Human Work Design integriert die Körperhaltung in die zeitliche Be-

schreibung von Arbeitsabläufen [Fin-2015]. Die Zeitbausteine basieren auf dem

MTM-1-System [Fin-2014], die Ergonomiebewertung auf dem EAWS-Verfahren [Fin-

2015].

Die oben vorgestellten kommerziellen Softwaresysteme ermöglichen grundsätzlich

auch die Beschreibung und Bewertung von Tätigkeiten in der Produktionslogistik.

Allerdings bestehen hierbei folgende Einschränkungen:

- In der Produktionslogistik können die Wiederholzyklen deutlich länger sein als

in der Automobilmontage. Beispielsweise liegt die Zykluszeit für einen Rou-

tenzug im Bereich von 10 bis 30 Minuten. Demgegenüber stehen Zykluszeiten

von wenigen Minuten in der Endmontage von Personenkraftwagen und Nutz-

fahrzeugen. Dies führt zu einem wesentlich höheren Bewertungsaufwand.

- Die vorgestellten kommerziellen Softwaresysteme basieren zur Bewertung der

Belastung auf dem EAWS-System. Dieses wurde zur Bewertung typischer Be-

lastungen in der Montage entwickelt (siehe Kapitel 3.1.3). Zur Bewertung pro-

duktionslogistischer Arbeitsabläufe ist das EAWS-System allerdings nur be-

dingt geeignet, da sich das Belastungsprofil in der Produktionslogistik wesent-

lich von dem in der Montage unterscheidet [Wal-2011, S.78f]. Beispielsweise

wird im EAWS-System die Belastungsart „Belastung der oberen Extremitäten

aufgrund repetitiver Tätigkeiten“ erfasst, welche in der Produktionslogistik

2.4 Verfahren zur kombinierten Analyse von Zeit und Belastung

29

nicht relevant ist. Dies macht die Bewertung aufwendiger und stellt nicht si-

cher, dass die spezifischen Belastungen in der Produktionslogistik korrekt er-

fasst werden.

Weitere Ansätze für spezifische Anwendungsgebiete

Otto et al. integrieren ergonomische Risikomodelle in das sogenannte „assembly-

line-balancing-problem“ [Ott-2011]. Dieses beschreibt das grundlegende Problem der

Montagebandaustaktung [Boy-2008]. Je nach Problemstellen werden unter Berück-

sichtigung bestimmter Randbedingungen (z. B. Zykluszeit, Anzahl der Stationen und

Aufgabenabfolge) Strategien zur optimalen Zuteilung von Arbeitsinhalten auf Statio-

nen vorgeschlagen. Die Belastung kann dabei sowohl als Randbedingung (z. B. kein

Mitarbeiter darf über eine kritische Grenze belastet werden) sowie als Zielfunktion

(z. B. minimiere die durchschnittliche Belastung aller Stationen) formuliert werden.

Da die verwendeten Risikobewertungsverfahren (u. a. NIOSH-Gleichung, EAWS)

nichtlineare Funktionen beinhalten, ist die Lösung nicht trivial. Otto et. al. schlagen

vor, das Problem mithilfe einer 2-stufigen Heuristik zu lösen. Im ersten Schritt wird

dabei die optimale Anzahl von Stationen ermittelt und ausgehend hiervon im zweiten

Schritt die Aufgabenzuteilung ergonomisch optimiert. Eine Identifikation möglicher

einseitiger Belastungen ist mit diesem Ansatz nicht möglich. Die Übertragbarkeit auf

die Produktionslogistik ist aufgrund der spezifischen Problemstellung der Montage-

bandaustaktung kaum gegeben.

Von Walch et al. wurde ein Ansatz zur zeitlichen und ergonomischen Bewertung von

Kommissionierprozessen vorgestellt [Wal-2009]. Basierend auf Durchschnittswerten

(z. B. durchschnittliches Artikelgewicht) wird dabei die MTM-Bewertung mit der Be-

lastungsbewertung kombiniert. Als Belastung wird ausschließlich das Umsetzen der

Artikel berücksichtigt. Das Schieben des Kommissionierwagens kann mit dem von

Walch vorgestellten Ansatz nicht berücksichtigt werden.

Mit ErgoWMS wurde von Günthner und Koch eine Methodik entwickelt, welche eine

automatische und fortlaufende Bewertung der körperlichen Belastung in der Kom-

missionierung erlaubt [Gün-2014b, S.103-105]. Hierfür werden die Informationen aus

dem Warehouse-Management-System verwendet. Als körperliche Belastung berück-

sichtigt werden die Artikelentnahme sowie das Schieben des Kommissionierwagens.

Die hierfür relevanten Informationen sind entweder in einem Warehouse-

Management-System bereits vorhanden oder integrierbar. Eine Verbindung mit den

Informationen aus einem System vorbestimmter Zeiten war für diesen Ansatz daher

nicht notwendig.

2 Beschreibung und Bewertung von körperlicher Arbeit

30

Für Routenzüge hat Droste ein Modell zur kombinierten Analyse von Zeit und Belas-

tung vorgestellt [Dro-2013, S.99-127]. Das Modell berechnet die minimal mögliche

Routenzug-Taktzeit unter Einhaltung von ergonomischen und kapazitiven Randbe-

dingungen [Dro-2013, S.129]. Die Zeitberechnung wird mithilfe von MTM-

Zeitbausteinen durchgeführt [Dro-2013, S.99]. Die Bewertung der Belastung basiert

auf den Leitmerkmalmethoden. Im Vergleich zu den vorgestellten kommerziellen

Softwaresystemen ist der Aufwand für die Durchführung einer Bewertung wesentlich

reduziert. Zum einen erfordert die Bewertung der Belastung aufgrund der verwende-

ten Methode weniger Einflussgrößen. Zum anderen muss nicht der gesamte Ablauf

mit MTM-Bausteinen beschrieben werden, da vordefinierte Prozessbausteine ver-

wendet werden. Für eine Bewertung müssen lediglich die relevanten Einflussgrößen

ermittelt werden. Die Auswahl, welche Einflussgrößen als Parameter in das Modell

eingehen und welche als konstant angenommen werden, erfolgt in dem Modell von

Droste per Definition, ohne Untersuchung des Einflusses der Eingangsparameter auf

die Ausgangsgrößen.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass verschiedene Ansätze zur kombinier-

ten Bewertung von Zeit und körperliche Belastung vorliegen, diese allerdings für die

Produktionslogistik nur bedingt geeignet sind.

Weiterhin berücksichtigt keiner der vorgestellten Ansätze zur kombinierten Bewer-

tung von Zeit und Belastung die zeitliche Abfolge der Tätigkeitsausführung und dar-

aus resultierende einseitige und wechselnde Belastungen. Für die Belastungssituati-

on des Mitarbeiters ist die zeitliche Abfolge von Tätigkeiten allerdings entscheidend.

So wirkt sich eine andauernde einseitige Belastung negativ aus, während eine ab-

wechslungsreiche Tätigkeit Regenerationsmöglichkeiten für aktuell nicht beanspruch-

te Körperregionen bildet. Dieser Aspekt wird im nachfolgenden Teilkapitel näher be-

trachtet.

2.5 Stand der Forschung zu einseitiger und wechselnder Belastung

Nachfolgend wird der Stand der Forschung zu einseitiger und wechselnder Belas-

tung vorgestellt. Die Energieerzeugung im Muskel stellt eine wesentliche biomecha-

nische Grundlage hierfür dar und wird eingangs vorgestellt (2.5.1). Daneben wurden

verschiedene empirische Untersuchungen zu einseitiger und wechselnder Belastung

durchgeführt, welche anschließend diskutiert werden (2.5.2). Den Abschluss bildet

eine Zusammenfassung bestehender Ansätze zur Definition und Bewertung von ein-

seitiger und wechselnder Belastung (2.5.3).

2.5 Stand der Forschung zu einseitiger und wechselnder Belastung

31

2.5.1 Biomechanische Grundlagen

Die Energieumwandlung im Muskel stellt eine wesentliche biomechanische Grundla-

ge für die Annahme dar, dass eine abwechslungsreiche Tätigkeit gesundheitsförder-

lich ist. Abbildung 2-8 zeigt zeitabhängig verschiedene Wirkmechanismen für die

Energieumwandlung im Muskel. Kurzzeitig ist eine hohe Muskelkraft über Umwand-

lung von Phosphaten und anaerobe Glykolyse verfügbar. Mittel- und langfristig sind

aerober Glykogenabbau und Fettabbau für die Energieerzeugung verantwortlich. Die

zur Verfügung stehende Energie ist hier deutlich niedriger und maßgeblich für die

Dauerleistungsgrenze. [Har-2013, S11]

Abbildung 2-8: Energieerzeugung im Muskel [Har-2013, S.11]

Kurzzeitige anaerobe Kraftleistungen müssen immer durch eine Erholungsphase

ausgeglichen werden (siehe Abbildung 2-9) [Har-2013, S.15]. In Untersuchungen zu

statischer Haltearbeit zeigte Rohmert, dass die relative Erholungszeit (Erholungs-

phase im Verhältnis zu Arbeitsphase) höher ist, je länger die Arbeitsphase andauert

[Roh-1960, S.134]. Wird den Muskeln keine ausreichende Regenerationsmöglichkeit

gegeben, kommt es zur Schädigung [Vis-2006].

Abbildung 2-9: Muskelermüdung und Erholung [Har-2013, S.15]

2 Beschreibung und Bewertung von körperlicher Arbeit

32

Für jeden einzelnen Muskel sind daher nach Phasen hoher Belastung Erholungs-

phasen erforderlich. Eine dauerhafte Beanspruchung des selben Muskels, bezie-

hungsweise der gleichen Muskelgruppen, ist zu vermeiden. Dies hat folgende Kon-

sequenzen für die Arbeitsplatzgestaltung:

- Tätigkeiten, welche unterschiedliche Muskelgruppen abwechselnd beanspru-

chen, sind vorzuziehen.

- Im Arbeitsablauf sind nach Phasen mit hoher Belastung Erholungsphasen

vorzusehen.

2.5.2 Empirische Untersuchungen

Der Aspekt von einseitiger und wechselnder Belastung, im Folgenden als Varianz

bezeichnet, wurde bisher nicht als direkter Risikofaktor untersucht. Nach Wells et al.

ist die Aggregation verwendbarer Daten problematisch, da Menschen nur in gerin-

gem Maße in der Lage sind, Zeiten und Zeitanteile abzuschätzen [Wel-2007]. Des-

halb wären in diesem Zusammenhang Daten aus direkter Messung notwendig. Ma-

thiassen sieht als zusätzliche Erschwernis den Mangel an einheitlichen Definitionen

zur Beschreibung und Messung von Varianz [Mat-2006]. In verschiedenen Studien

aus dem Bereich Arbeitswissenschaften wurden allerdings Änderungen in der zeitli-

chen Abfolge von Tätigkeiten untersucht. Diese werden nachfolgend vorgestellt.

In Laborstudien zu repetitiver Arbeit wurde festgestellt, dass bei gleicher Gesamtpro-

duktivität ein Zeitregime mit regelmäßigen kurzen Pausen und höherem Arbeitstem-

po weniger ermüdender wirkt als ein Zeitregime ohne Pausen und langsameres Ar-

beitstempo [Sun-1993]. Ebenfalls in Laborstudien zeigen Dempsey et al., dass Pro-

banden (bei freier Wahl der Arbeitsgeschwindigkeit) zu einer höheren Arbeitsge-

schwindigkeit als dem MTM-Standard tendieren [Dem-2010]. Dieser Effekt wird auch

im betrieblichen Umfeld beobachtet. So bevorzugen Mitarbeiter in der Regel einen

Arbeitsplatz mit der Möglichkeit, das Arbeitstempo individuell zu gestalten, um infor-

melle Pausen einlegen zu können. Im betrieblichen Umfeld ist der Einfluss von Pau-

sen allerdings schwer zu untersuchen, da sich eine Änderung der geplanten Pau-

senzeiten auf die informellen Pausen auswirken kann [Mat-2006]. So kann, bei-

spielsweise durch die Einführung von zusätzlichen geplanten Pausen, die informelle

Pausenzeit zurückgehen [Mat-2006]. Diese kann in Studien allerdings nur bedingt

erfasst werden.

Für Jobrotation im betrieblichen Umfeld liegen Untersuchungen mit widersprüchli-

chen Ergebnissen vor [Lei-2014; Mat-2006]. So konnten Roquelaure et al. anhand

von Patientendaten zeigen, dass fehlende Jobrotation einen Risikofaktor für das Auf-

2.5 Stand der Forschung zu einseitiger und wechselnder Belastung

33

treten des Karpaltunnelsyndroms darstellt [Roq-1997]. In einer Studie in der Schuh-

fertigung stellten Guimarães et al. fest, dass die Einführung von Arbeitsgruppen, in-

nerhalb derer Mitarbeiter zwischen Arbeitsplätzen rotieren, zu einer Reduktion der

Muskel-Skelett-Beschwerden geführt hat [Gui-2012]. Zur Rotation zwischen ver-

schiedenen Tätigkeiten im Einzelhandel liegen keine eindeutigen Ergebnisse vor.

Während Hinnen et al. eine Verbesserung für bestimmte Arbeitsplätze feststellen

konnten [Hin-1992], stellten Rissen et al. in einer aktuelleren Studie keinen Rück-

gang der Muskel-Skelett-Beschwerden fest [Ris-2012]. Auch für Jobrotation unter

Müllwerkern liegen unterschiedliche Ergebnisse vor. Kuijer et al berichten in einer

ersten Studie, dass die Erschöpfung der Mitarbeiter durch eine Rotation zwischen

Fahren, Mülleinsammeln und Straßenreinigen reduziert wurde [Kui-1999]. In einer

Folgestudie wurde dagegen in der Rotationsgruppe eine Zunahme an Rückenbe-

schwerden festgestellt [Kui-2005]. Auch Tirloni et al. konnten bei einer Untersuchung

von 290 Arbeitern in einem Schlachtbetrieb keine positive Auswirkung von Jobrotati-

on auf Muskel-Skelett-Beschwerden feststellen [Tir-2012]. Ein möglicher Grund für

die widersprüchlichen Ergebnisse ist, dass Jobrotation Auswirkungen auf den Ar-

beitsort, das soziale Umfeld und den Handlungsspielraum hat. Nach der Selbstbe-

stimmungstheorie von Deci und Ryan sind diese Aspekte aber wesentlich für die Ar-

beitszufriedenheit [Dec-2000]. Die Arbeitszufriedenheit ist wiederum ein wichtiger

Faktor für die individuelle Gesundheit [Bad-2010, S.46].

Im Bereich Arbeitsteilung liegen verschiedene Studien vor. Olafsdottir et al. haben

die Auswirkung der Fließbandeinführung in der isländischen Fischverarbeitungsin-

dustrie untersucht [Óla-1998]. Vor der Fließbandeinführung wurde in kleinen Grup-

pen mit 2 bis 5 Personen an Tischen gearbeitet. Über die Arbeitsschicht wurden die

Tätigkeiten mehrmals getauscht. Nach der Fließbandeinführung arbeiteten die Mitar-

beiter an Einzelarbeitsplätzen und wechselten nicht mehr. Olafsdottir et al. haben

mithilfe von Fragebögen die Häufigkeit von WRULD-Beschwerdebildern12 vor und

nach der Fließbandeinführung untersucht. Die Autoren stellten einen deutlichen An-

stieg der WRULD-Beschwerdebilder fest und führten dies auf die einseitige Belas-

tung durch die Arbeitsplätze zurück.

Fredriksson et al. untersuchten in der Rohbaufertigung eines Automobilherstellers

die Auswirkungen einer Fertigungs-Umorganisation auf Arbeitszufriedenheit und Ge-

sundheit der Mitarbeiter [Fre-2001]. In der ursprünglichen Werkstattfertigung versie-

gelten zwei Mitarbeiter innerhalb von 20 Minuten eine Karosserie. Dies wurde durch

eine Fließfertigung mit einer maximalen Taktzeit von 1,5 Minuten ersetzt. Die gemes-

sene physische Belastung (Zeitanteil in ungünstiger Körperhaltung) wurde durch die

Änderung reduziert. Außerdem tauschten die Mitarbeiter im neuen System viermal

12

Work-related upper limb disorders (siehe Kapitel 2.5.1)

2 Beschreibung und Bewertung von körperlicher Arbeit

34

am Tag die Arbeitsstation. Die Änderung wurde von den Mitarbeitern insgesamt ne-

gativ beurteilt. Beklagt wurden der geringere Handlungsspielraum und die wenig an-

regende, einförmige Arbeit. Die Zahl an Muskel-Skelett-Erkrankungen hat sich nach

der Änderung erhöht.

Palmerund et al. und Neumann et al. untersuchten in der Motormontage eines

schwedischen Automobilherstellers die Umstellung von Insel- zu Fließfertigung [Pal-

2012; Neu-2006]. Die Autoren zeichnen in den beiden Studien ein gemischtes Bild.

So wurden ungünstige schnelle Bewegungen im getakteten Fließsystem reduziert.

Dies wurde allerdings auch auf Wartezeiten zurückgeführt, welche durch Austak-

tungsverluste entstanden sind. Die Eliminierung dieser Wartezeiten würde wiederum

zu einem Anstieg der körperlichen Belastung führen [Pal-2012]. Zur Entwicklung des

Krankenstandes lagen keine aussagekräftigen Daten vor, da der Krankenstand nur

auf höherer Organisationsebene ausgewertet werden konnte. Diese umfasst weitere

Arbeitsplätze, welche nicht von der Fließbandeinführung betroffen waren. Insgesamt

gehen Neumann et al. von einer Risikoerhöhung für Muskel-Skelett-Erkrankungen

aus [Neu-2006]. Als wesentliche Gründe sehen die Autoren die erhöhte Repetitivität,

monotone Bewegungsabläufe und eine Verschlechterung psychosozialer Faktoren.

Moreau hat über fünf Jahre das Ergonomie-Programm im Peugeot-Werk Sochaux

untersucht [Mor-2003]. Im Rahmen einer Studie wurden die medizinischen Daten von

1230 Mitarbeitern ausgewertet, welche überwiegend in der Endmontage tätig waren.

Ab dem Jahr 1996 wurden folgende ergonomische Verbesserungen umgesetzt: Er-

gonomische Optimierung der Arbeitshöhen, Eliminierung schwerer Werkzeuge und

vermehrter Einsatz von Manipulatoren für schwere Bauteile. Diese Maßnahmen hat-

ten ab dem Jahr 1996 eine deutliche Reduktion der jährlichen Neuerkrankungen zur

Folge (siehe Abbildung 2-10). Trotz gleichbleibender ergonomischer Rahmenbedin-

gungen kam es allerdings ab dem Jahr 1999 wieder zu einem Anstieg der Neuer-

krankungen. Nach Moreau ist dies auf eine Umorganisation der Montagelinie zurück-

zuführen, in deren Zuge die Zykluszeit von 2:30 auf 1:36 reduziert wurde.

2.5 Stand der Forschung zu einseitiger und wechselnder Belastung

35

Abbildung 2-10: Jährliche-Muskel-Skelett-Neuerkrankungen im Automobilwerk Peugeot-Sochaux [Mor-2003]

Die vorgestellten Studien im Bereich Arbeitsteilung legen nahe, dass eine Zunahme

der Arbeitsteilung und einseitige Belastungen zu einer Zunahme an Muskel-Skelett-

Erkrankungen führen. Da Erkrankungen allerdings in der Regel multikausal und die

vorgestellten Studien aus dem betrieblichen Umfeld ohne Kontrollgruppen durchge-

führt wurden, können die Studien nicht als empirischer Beleg gewertet werden.

2.5.3 Ansätze zur Definition und Bewertung einseitiger und wechselnder Belastung

Wells et al. stellen in einer Literaturstudie Konzepte und Methoden gegenüber, wel-

che einen Bezug zur zeitlichen Abfolge von Tätigkeiten besitzen. Die Autoren identi-

fizierten folgende Risikofaktoren mit Zeitbezug (vollständige Tabelle siehe Anhang A-

1) [Wel-2007]:

- Dauer in kritischen Haltungen

- Bewegungsfrequenz und Zykluszeit

- Gelenkwinkelgeschwindigkeit und -beschleunigung

- Fehlende Muskel-Erholungsphasen

- Kumulierte Bandscheibenbelastung (Zeitdauer und Höhe der Kompressions-

kraft)

In der Literaturstudie werden Systeme vorbestimmter Zeiten als eine Möglichkeit

identifiziert, um die zeitliche Abfolge von Tätigkeiten auch bei der ergonomischen

2 Beschreibung und Bewertung von körperlicher Arbeit

36

Bewertung zu berücksichtigen. Ein konkreter Ansatz hierzu wird allerdings nicht vor-

geschlagen.

Mathiassen und Winkel haben mit der Exposure Variation Analysis ein Konzept zur

Auswertung von Varianz für kontinuierliche Belastungskenngrößen entwickelt [Mat-

1991]. Kontinuierliche Belastungskenngrößen sind beispielsweise Herzfrequenz,

Muskelaktivität oder Gelenkwinkelstellungen. Abbildung 2-11 zeigt die Funktionswei-

se der Methode: Ausgehend von dem zeitlichen Verlauf einer Belastungskenngröße

werden Bereiche für Belastungshöhe und Dauer gebildet (a). In einer Matrix wird für

jeden Belastungs- und Zeitbereich der prozentuale zeitliche Anteil an der Gesamtar-

beitszeit ausgewertet (b). Das Ergebnis kann in einem dreidimensionalen Diagramm

dargestellt werden (c).

Abbildung 2-11: Schematische Darstellung Exposure Variation Analysis [Mat-1991]

Die Methode ist sensitiv bezüglich der Periodenlänge, über welche ein Belastungsni-

veau erreicht wird. Dies wird am Beispiel der Armwinkelstellung veranschaulicht. Die

Exposure Variation Analysis unterscheidet, ob die ungünstige Haltung „Arm über

Schulter“ wenige Male über lange Zeiträume (kritisch) oder mehrmals über kurze

Zeiträume (weniger kritisch) auftritt. Nicht sensitiv dagegen ist die Methode bezüglich

der zeitlichen Abfolge von Tätigkeiten. Die Methode ist konzipiert, um Daten kontinu-

ierlicher Belastungskenngrößen auszuwerten und geeignet zu komprimieren. Eine

Identifikation einseitiger Belastungssituationen ermöglicht die Methode nicht. Zum

einen wird keine Interpretation hinsichtlich abwechslungsreich und einseitig vorge-

schlagen. Zum anderen wäre hierfür die Betrachtung der Ganzkörperhaltung und der

unterschiedlichen Muskelgruppen notwendig. Dies ist mit der Exposure Variation

2.5 Stand der Forschung zu einseitiger und wechselnder Belastung

37

Analysis nicht möglich, da sich die Methode auf eine Belastungskenngröße be-

schränkt.

Zur Bewertung der zeitlichen Abfolge von Lasthandhabungsvorgängen wurde als

Erweiterung zur NIOSH-Gleichung der Sequential Lifting Index entwickelt [Wat-

2007]. Der Sequential Lifting Index ist sensitiv bezüglich der zeitlichen Abfolge, in

welcher Lasthandhabungsvorgänge durchgeführt werden. Als Beispiel steht A für

eine Lasthandhabungstätigkeit mit hohem Gewicht und B für eine Lasthandhabungs-

tätigkeit mit leichtem Gewicht; jeweils mit einer Dauer von einer Stunde. Der Sequen-

tial Lifting Index bewertet die Abfolge ABAB mit einem niedrigeren Risikowert als die

Abfolge AABB. Die Methode ist ein rein mathematischer Ansatz, bei welchem die

maximale Länge der höher belastenden Tätigkeit mit einfließt. Eine praktische An-

wendung und Überprüfung des SLI wurde nicht durchgeführt. Zur Untersuchung ein-

seitiger und wechselnder Belastung eignet sich die Methode aus folgenden Gründen

nicht: Zum einen ist die Methode beim Heben von Lasten nur bedingt aussagekräftig,

da die Körperbewegungen nicht berücksichtigt werden. Beispielsweise ermöglicht die

Methode keine Unterscheidung, ob sich der Mitarbeiter zur Lastaufnahme immer auf

die gleiche Seite dreht oder ob die Last von unterschiedlichen Positionen aufge-

nommen wird. Zum anderen ist die Methode auf das Heben von Lasten beschränkt.

In Kombination mit anderen Tätigkeiten ist die Methode nicht anwendbar, wobei sich

insbesondere hierdurch abwechslungsreiche Tätigkeiten gestalten ließen.

Mathiassen schlägt vor, zur Beschreibung von Varianz auf gängige Ansätze aus dem

Bereich der Statistik zurückzugreifen [Mat-2006]. Dabei werden Belastungsgrößen

aus direkter Messung (z. B. Muskelaktivität) mit Mittelwert und Standardabweichung

charakterisiert. Die Varianz zwischen Tätigkeiten wird anhand der mittleren quadrati-

schen Abweichung berechnet. Dieser Ansatz wurde beispielsweise zur Untersu-

chung von Bildschirmarbeitsplätzen angewendet [Bar-2014]. Barbieri et al. unter-

suchten, inwieweit sich durch zusätzliche Tätigkeiten wie das Gehen zum Drucker

oder Reinigungsaufgaben einseitige Belastungen reduzieren lassen. Hierzu wurde

die Muskelaktivität des oberen Trapezius und der Handextensoren als Belastungs-

kenngrößen ausgewählt. Diese sind bei Bildschirmarbeit besonders belastet. Der

Ansatz von Mathiassen ermöglicht eine allgemeingültige Definition von Varianz und

eine Untersuchung, wie sich die Kombination unterschiedlicher Tätigkeiten auf die

Varianz der betrachteten Belastungsgröße auswirkt. Die Aussage beschränkt sich

allerdings auf die untersuchten einzelnen Belastungsgrößen. Die Ganzkörperhaltung

wird bei diesem Ansatz nicht berücksichtigt.

2 Beschreibung und Bewertung von körperlicher Arbeit

38

2.5.4 Fazit

Im vorangehenden Abschnitt wurden biomechanische Grundlagen und empirische

Untersuchungen zu einseitiger und wechselnder Belastung dargestellt. Folgende me-

thodische Einschränkungen traten dabei zu Tage: Zum einen steht aktuell keine ein-

heitliche Definition oder Messgröße für Abwechslung zur Verfügung. Zum anderen ist

ein kausaler Zusammenhang zwischen arbeitsbezogener Belastung und Erkrankung

aufgrund komplexer Zusammenhänge kaum herzustellen. Insgesamt sprechen je-

doch folgende Indizien für eine gesundheitsförderliche Wirkung von Abwechslung:

- Energieerzeugung im Muskel: Für Muskelgruppen sind nach Phasen hoher

Belastung Erholungsphasen erforderlich [Har-2013, S.15]. Wird den belaste-

ten Muskelgruppen keine ausreichende Regenerationsmöglichkeit gegeben,

kann es zur Schädigung kommen [Vis-2006].

- Pausen: Der Wechsel zwischen hohem Arbeitstempo und Pausen (wechseln-

de Belastung) wirkt weniger ermüdend als ein konstantes niedrigeres Arbeits-

tempo ohne Pausen (konstante Belastung) [Sun-1993] und wird in der Regel

von Probanden und Mitarbeitern bevorzugt.

- Arbeitsteilung: Empirische Studien zeigen, dass die Einführung von standardi-

sierten, repetitiven Tätigkeiten zu einem Anstieg an Muskel-Skelett-

Erkrankungen führt und die Arbeitszufriedenheit negativ beeinflussen kann

[Óla-1998; Fre-2001; Mor-2003].

Zur Beschreibung von Abwechslung wurden verschiedene Ansätze vorgeschlagen.

Diese beziehen sich allerdings zumeist auf spezifische Belastungsgrößen und be-

rücksichtigen die Ganzkörperhaltung nicht. Zur Analyse von Abwechslung und Ein-

seitigkeit an Arbeitsplätzen mit unterschiedlichen Tätigkeiten und Belastungsfällen

sind somit keine geeigneten Methoden verfügbar.

Erhöhte körperliche Belastungen aufgrund einseitiger Tätigkeiten können aus diesem

Grund nicht erkannt werden. Dies ist problematisch, da verbreitete Maßnahmen zur

Erhöhung der Produktivität (z. B. Outsourcing, Eliminierung nicht-wertschöpfender

Tätigkeiten, personelle Trennung von Produktions- und Logistikaufgaben sowie Leih-

arbeit und Werkverträge) einseitige Tätigkeiten tendenziell begünstigen.

2.6 Zusammenfassung und Ableitung Forschungsbedarf

39

2.6 Zusammenfassung und Ableitung Forschungsbedarf

Zielsetzung der vorliegenden Arbeit ist die Erweiterung eines Systems vorbestimmter

Zeiten zur Bewertung der körperlichen Belastung in der Produktionslogistik. Hierzu

wurden in Kapitel 2 die Grundlagen erarbeitet.

Bestehende Ansätze zur kombinierten Analyse von Zeit und Belastung sind für die

Produktionslogistik nur teilweise geeignet. Grundsätzlich anwendbar sind kommerzi-

elle Softwaresysteme, welche beispielsweise von der deutschen MTM-Vereinigung

angeboten werden. Allerdings basieren diese auf Methoden, welche zur Bewertung

typischer Belastungen in der Montage entwickelt wurden. Dies führt zu einer aufwen-

digen Bewertung und stellt nicht sicher, dass die spezifischen Belastungen in der

Produktionslogistik korrekt erfasst werden. Hieraus leitet sich die erste Fragestellung

ab, welche den Schwerpunkt von Kapitel 3 bildet:

Untersuchungsfrage 1:

Welche körperlichen Belastungen treten in der Produktionslogistik auf, und wel-

che Verfahren eignen sich zu deren Bewertung?

Einen Ansatz zur Reduktion des Bewertungsaufwandes für den Routenzug-Prozess

hat Droste vorgestellt [Dro-2013, S.99-127]. Durch Hinterlegen eines festen Refe-

renzprozesses muss für wiederkehrende Tätigkeitsabläufe nicht der gesamte Ablauf

aus Grundbewegungen neu aufgebaut werden. Dieser Ansatz soll in vorliegender

Arbeit aufgegriffen werden und, basierend auf vordefinierten Prozessbausteinen, ein

Vorgehen zur Reduktion des Bewertungsaufwandes für wiederkehrende Tätigkeits-

abläufe entwickelt werden. Die Auswahl, welche Einflussgrößen als Parameter in das

Modell eingehen und welche als konstant angenommen werden, erfolgt in dem Mo-

dell von Droste per Definition. Dies ist allerdings in der Modellbildung ein kritischer

Schritt, da nur bei richtiger Auswahl ein effizientes Modell resultiert. Ziel ist es, die

Anzahl Eingangsparameter so gering wie möglich zu halten. Hier soll in vorliegender

Arbeit eine erweiterte Betrachtung durchgeführt werden und ein Vorgehen zur quanti-

tativen Auswahl der Eingangsgrößen entwickelt werden. Dies umfasst eine Untersu-

chung des Einflusses der Eingangsgrößen auf die Ergebnisgrößen. Hieraus leitet

sich die zweite Fragestellung ab, welche den Schwerpunkt von Kapitel 4 bildet:

2 Beschreibung und Bewertung von körperlicher Arbeit

40

Untersuchungsfrage 2:

Welche wiederkehrenden Tätigkeitsfolgen lassen sich in der Produktionslogistik

definieren, und auf welcher Aggregationsebene können Parametermodelle zur in-

tegrierten Bewertung von Zeit und Belastung aufgebaut werden? Wie werden Ein-

flussgrößen (Parameter und Konstanten) bestimmt?

Eingesetzte Verfahren zur Bewertung der körperlichen Belastung berücksichtigen

den zeitlichen Ablauf der Tätigkeitsführung nicht. Einseitige Belastungssituationen

können daher nicht erkannt werden. Dies ist problematisch, da einseitige Belastun-

gen einen gesundheitlichen Risikofaktor darstellen. Um zu beurteilen, ob eine Tätig-

keit einseitige Belastungen umfasst, ist die Berücksichtigung der Ganzkörperhaltung

im zeitlichen Verlauf notwendig. Dies können aktuelle Ansätze aus der Arbeitswis-

senschaft zur Definition und Bewertung von Varianz noch nicht leisten, da sie sich

auf einzelne Belastungsgrößen (z. B. oberer Trapezius [Bar-2014]) oder Belastungs-

arten (z. B. Lasthandhandhabung in [Wat-2007]) beschränken. Auch bisherige Erwei-

terungen von Systemen vorbestimmter Zeiten zur Bewertung der Arbeitsbelastung

berücksichtigen den Aspekt von Abwechslung und Einseitigkeit nicht. Dies obwohl

Systeme vorbestimmter Zeiten die zeitliche Abfolge von Tätigkeiten und Bewegun-

gen in hoher Detaillierung beschreiben und somit wesentliche Informationen zur

Identifikation einseitiger Belastungssituationen beinhalten. In vorliegender Arbeit wird

dieser Aspekt aufgegriffen. Hieraus leitet sich die dritte Fragestellung ab, welche den

Schwerpunkt von Kapitel 5 bildet:

Untersuchungsfrage 3:

Welche Zeit- und Belastungsmodelle eignen sich zur Untersuchung einseitiger

und wechselnder Belastung, und anhand welcher Merkmale können einseitige

Belastungssituationen identifiziert werden?

In der betrieblichen Praxis stellt die Verbesserung der Arbeitsplatzergonomie den

wesentlichen Schritt nach Analyse und Bewertung körperlicher Belastungen dar. Für

die Produktionslogistik stehen bisher keine Handlungsempfehlungen zur Vermeidung

einseitiger Belastungen zur Verfügung. Diese Fragestellung wird in Kapitel 6 behan-

delt und bildet den Abschluss vorliegender Arbeit:

2.6 Zusammenfassung und Ableitung Forschungsbedarf

41

Untersuchungsfrage 4:

Wie können in der industriellen Praxis einseitige Belastungen in der Produktions-

logistik vermieden werden?

Durch Untersuchung obiger Fragestellungen soll folgender Erkenntnisbeitrag geleis-

tet werden:

- Auf Basis eines Systems vorbestimmter Zeiten soll eine Bewertung der kör-

perlichen Belastung in der Produktionslogistik mit geringem Aufwand umge-

setzt werden können. Anwendungsgebiet ist die betriebliche Arbeitsvorberei-

tung.

- Die Erweiterung des Systems vorbestimmter Zeiten zur Untersuchung der

zeitlichen Abfolge stellt eine Grundlagenuntersuchung dar. Zielsetzung ist ein

konzeptioneller Beitrag zum aktuellen Stand der Forschung in Verbindung mit

einer beispielhaften Anwendung. Eine betriebliche Anwendung ist in diesem

Stadium noch nicht vorgesehen.

- Für die Produktionslogistik sollen praxisrelevante Empfehlungen zur Arbeits-

platz- und Prozessgestaltung zur Vermeidung einseitiger Belastungen abgelei-

tet werden.

43

3 Untersuchung auftretender Belastungen in der Produktionslogistik und Anforderungsdefinition

In diesem Kapitel wird untersucht, welche Tätigkeiten und körperlichen Belastungen

in der Produktionslogistik auftreten und welche Verfahren sich zu deren Bewertung

eignen (3.1). Aufbauend hierauf werden die Anforderungen und Anwendungsdomäne

für Konzeptelement 1 und 2 des erweiterten Systems vorbestimmter Zeiten definiert

und abgegrenzt (3.2).

3.1 Feldstudie: Körperliche Belastungen in der Produktionslogistik

Folgender Abschnitt enthält eine Feldstudie zu körperlichen Belastungen in der Pro-

duktionslogistik. Zunächst werden Zielsetzung und Vorgehensweise erläutert (3.1.1).

Anschließend werden Tätigkeiten und auftretende körperliche Belastungen unter-

sucht (3.1.2) und geeignete Verfahren zur Bewertung der auftretenden Belastungen

identifiziert (3.1.3).

Wesentliche Inhalte dieses Kapitels wurden in [Kel-2013] veröffentlicht.

3.1.1 Vorgehensweise

Zielsetzung der Untersuchung ist die Identifikation von Belastungsschwerpunkten für

unterschiedliche Tätigkeiten in der Produktionslogistik und die Auswahl geeigneter

Verfahren zu deren Bewertung.

Diese Fragestellung wird von bereits vorliegenden Untersuchungen nicht abgedeckt.

Diese fokussieren spezielle Tätigkeiten [Gün-2014b; Gün-2014c; Gol-2007; Wal-

2011] oder Belastungsarten [Fis-2015]. Aus diesem Grund wird als Methode eine

Feldstudie, also das systematische Beobachten unter natürlichen Bedingungen, aus-

gewählt.

Der Untersuchungsbereich umfasst mehr als 500 operative Mitarbeiter, die im Mehr-

schichtsystem an mehr als 200 operativen Arbeitsplätzen arbeiten. Administrative

Tätigkeiten werden nicht betrachtet. Im Rahmen der Untersuchung wurden Arbeits-

abläufe sowie auftretende Belastungen an den Produktionslogistik-Arbeitsplätzen

aufgenommen. Als Grundlage für die Einteilung der Arbeitsplätze dienen die logisti-

schen Funktionen und Tätigkeiten aus Kapitel 2.1. Diese wurden den drei Gruppen

3 Untersuchung auftretender Belastungen in der Produktionslogistik und Anforderungsdefinition

44

„Fahrtätigkeiten“, „Fahr- und Handhabungstätigkeiten“ sowie „Handhabungstätigkei-

ten“ zugeordnet (siehe Tabelle 3-1). Diese Einteilung wurde unter der Annahme ge-

wählt, dass sich Körperhaltung, Tätigkeiten und Belastungsschwerpunkte zwischen

Fahrtätigkeiten und Handhabungstätigkeiten wesentlich unterscheiden.

Tabelle 3-1: Kategorisierung produktionslogistischer Tätigkeiten

Fahrtätigkeiten Fahr- und Handhabungstätig-keiten

Handhabungstätigkeiten

Gegengewichtsstapler KLT-Routenzug MzW-Kommissionierung

Schubmaststapler GLT-Routenzug WzM-Kommissionierung

Hochregalstapler Manuelles Umsetzen (KLT-Handhabung)

Manuelles Ziehen und Schieben (GLT-Handhabung)

Anhand dieser Kategorisierung konnten 90 % der Arbeitsplätze im Untersuchungsbe-

reich zugeordnet werden. Die verbleibenden Arbeitsplätze wurden unter der Katego-

rie „Sonstige“ zusammengefasst.

Der Untersuchungsbereich umfasst die gesamte Werkslogistik eines Nutzfahrzeug-

herstellers. Diese ist in drei Abteilungen aufgeteilt, welche unterschiedliche Produkti-

onssparten versorgen. Die Abteilungen sind in insgesamt 9 Bereiche untergliedert,

welchen jeweils ein Meister vorsteht. Die Bereiche decken mit Wareneingang, Lage-

rung, Kommissionierung, Bereitstellung und Transport sowie Warenausgang den ge-

samten innerbetrieblichen Materialfluss ab. Tabelle 3-2 zeigt Funktionen, Tätigkeiten

und Anzahl Arbeitsplätze der untersuchten Bereiche. Zum Schutz vertraulicher Un-

ternehmensdaten wurden die erhobenen Daten mit einem multiplikativen Zufallsfeh-

ler überlagert. Dabei wurde die Anzahl der Arbeitsplätze je Bereich und Tätigkeit mit

einer gleichverteilten Zufallszahl zwischen 0,5 und 1,5 multipliziert.

3.1 Feldstudie: Körperliche Belastungen in der Produktionslogistik

45

Tabelle 3-2: Arbeitsplätze im Untersuchungsbereich

Bereich Funktion Tätigkeiten Anzahl AP*

1 Lager (Hochregallager)

Gegengewichtsstapler Schubmaststapler WzM-Kommissionierung Sonstige

28

2 Bereitstellung und Transport

Gegengewichtsstapler KLT-Routenzug Manuelle GLT-Handhabung

19

3 Kommissionierung und manuelles Lager

Gegengewichtsstapler MzW-Kommissionierung Sonstige

20

4 Lager (Automatisches Hoch-regallager und Klein-teilelager)

Gegengewichtsstapler Hochregalstapler Manuelles Umsetzen WzM-Kommissionierung Sonstige

30

5 Kommissionierung und manuelles Lager

Gegengewichtsstapler Schubmaststapler Hochregalstapler MzW-Kommissionierung

26

6 Bereitstellung und Transport

Gegengewichtstapler Schubmaststapler GLT-Routenzug KLT-Routenzug

24

7 Warenein- und aus-gang

Gegengewichtsstapler Manuelles Umsetzen Sonstige

26

8 Kommissionierung und manuelles Lager

Gegengewichtsstapler Schubmaststapler Hochregalstapler MzW-Kommissionierung

13

9 Bereitstellung und Transport

Gegengewichtsstapler Schubmaststapler GLT-Routenzug KLT-Routenzug Sonstige

28

*Zum Schutz vertraulicher Unternehmensdaten wurden die erhobenen Daten mit einem multiplikativen Zufallsfehler überlagert. Dabei wurde die Anzahl der Arbeitsplätze je Bereich und Tätigkeit mit einer gleichverteilten Zufallszahl zwischen 0,5 und 1,5 multipliziert.

3 Untersuchung auftretender Belastungen in der Produktionslogistik und Anforderungsdefinition

46

Im Rahmen der Untersuchung wurden die Arbeitsabläufe sowie die auftretenden Be-

lastungen an den Arbeitsplätzen aufgenommen. Die eingesetzte Kategorisierung für

die Belastungsarten entspricht der Kategorisierung aus den berufsgenossenschaftli-

chen Grundsätzen für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen G 46 „Belastun-

gen des Muskel-Skelettsystems einschließlich Vibrationen“ [DGU-2009]. Dabei han-

delt es sich um die in (2.2) vorgestellten Belastungsarten:

- Manuelle Lasthandhabung

- Erzwungene Körperhaltungen

- Arbeit mit erhöhter Kraftanstrengung und/oder Krafteinwirkung

- Repetitive Tätigkeiten mit hohen Handhabungsfrequenzen

- Ganzkörper-Vibrationen

- Hand-Arm-Vibrationen

Weitere Belastungen (z. B. Lärm), welche sich nicht aus den ausgeführten Tätigkei-

ten ableiten lassen, sind nicht Gegenstand der Untersuchung. Die Untersuchung

wurde im Rahmen von Vor-Ort-Begehungen durchgeführt. Dabei wurde der reale

Prozess beobachtet und der Mitarbeiter hinsichtlich auftretender Belastungen be-

fragt. Erfasst wurde, welche der obigen Belastungsarten auftreten. Eine Quantifizie-

rung der Belastungshöhe wurde nicht durchgeführt.

3.1.2 Identifizierte Belastungsschwerpunkte nach Tätigkeitsgruppen

Tabelle 3-3 zeigt für jede Tätigkeit die Häufigkeit auftretender Belastungsarten. Fest-

gestellt wurden die Belastungsarten manuelle Lasthandhabung, erzwungene Körper-

haltung sowie Ganzkörper-Vibrationen. Arbeiten mit erhöhter Kraftanstrengung oder

Krafteinwirkung sowie repetitive Tätigkeiten mit hohen Handhabungsfrequenzen tra-

ten im Untersuchungsbereich nicht auf.

3.1 Feldstudie: Körperliche Belastungen in der Produktionslogistik

47

Tabelle 3-3: Identifizierte Belastungsschwerpunkte nach Tätigkeitsgruppen

Tätigkeit Anzahl* Häufigkeit auftretender Belastungsarten

Manuelle Last-handhabung

Erzwungene Körperhaltung Ganzkörper-Vibrationen

Heben, Halten, Tragen

Ziehen, Schieben

Kopf-haltung

Sitzen ohne Entlastung

Dauerhaftes Stehen

Fahrtätigkeiten

Gegengewichtsstapler 81 24 % - 46 % 100 % - 100 %

Schubmaststapler 16 9 % - - 100 % - 100 %

Hochregalstapler 7 27 % - - 100 % - 100 %

Fahr- und Handhabungstätigkeiten

-

KLT-Routenzug 7 100 % 100 % - - - 100 %

GLT-Routenzug 15 - 100 % - - - 100 %

Handhabungstätigkeiten

MzW-Kommissionierung 30 100 % 72 % - - - -

WzM-Kommissionierung 13 100 % - - - 20 % -

Manuelles Umsetzen 15 100 % 42 % - - - -

Manuelles Ziehen / Schieben 10 - 100 % - - - - *Zum Schutz vertraulicher Unternehmensdaten wurden die erhobenen Daten mit einem multiplikativen Zufallsfehler überlagert. Dabei wurde die Anzahl der Arbeitsplätze je Bereich und Tätigkeit mit einer gleichverteilten Zufallszahl zwischen 0,5 und 1,5 multipliziert.

Fahrtätigkeiten

Zur Gruppe „Fahrtätigkeiten“ gehören die Arbeitsplätze der Fahrer von Gegenge-

wichts-, Schubmast- und Hochregalstaplern. Eine physische Belastung der Mitarbei-

ter ergibt sich in dieser Gruppe durch erzwungene Körperhaltungen sowie Ganzkör-

per-Vibrationen. Bei Rückwärtsfahrten muss der Kopf um mehr als 45° gedreht wer-

den13 und verbleibt für die Dauer der Rückwärtsfahrt in dieser Stellung. Rückwärts-

fahrten sind beim Entladen von LKW erforderlich und falls keine freie Sicht nach vor-

ne besteht, da mehrere Behälter gleichzeitig aufgenommen werden. Bei allen Fahr-

zeugen sind die Fahrer Ganzkörper-Vibrationen ausgesetzt und gezwungen, über

längere Zeitabschnitte zu sitzen. Neben dem Fahrzeugtyp beeinflussen vor allem die

Beschaffenheit der Fahrbahn, die Fahrgeschwindigkeit und die richtige Sitzeinstel-

lung die Stärke der Ganzkörper-Vibrationen [Gün-2011, S.183]. Im Untersuchungs-

bereich sind insbesondere Gegengewichtsstapler von Ganzkörper-Vibrationen be-

troffen, da diese auch im Freien und daher auf unebenem Untergrund fahren. Zu-

sätzlich zur Fahrtätigkeit führen Mitarbeiter teilweise mit manueller Lasthandhabung

verbundene Nebentätigkeiten durch (z. B. Umpacken). Zur Beurteilung des Gefähr-

dungsrisikos von Fahrtätigkeiten ist es somit erforderlich, die Körperhaltung des Mit-

arbeiters, Ganzkörper-Vibrationen sowie gegebenenfalls die manuelle Lasthandha-

bung zu betrachten.

13

Grenzwert nach DIN 1005-4: Sicherheit von Maschinen – Menschliche körperliche Leistung – Teil 4 [DIN 1005-4].

3 Untersuchung auftretender Belastungen in der Produktionslogistik und Anforderungsdefinition

48

Fahr- und Handhabungstätigkeiten

Arbeitsplätze der Routenzugfahrer für Klein- und Großladungsträger fallen in die

Gruppe „Fahr- und Handhabungstätigkeiten“. Im Gegensatz zu Staplerfahrern führen

Routenzugfahrer manuelle Lasthandhabungen im Rahmen der Haupttätigkeit durch.

KLT-Routenzugfahrer setzen Behälter an den Haltestellen vom Routenzug in Regale

um. GLT-Routenzugfahrer ziehen oder schieben an den Haltestellen Behälter auf

Rolluntergestellen vom Routenzug an den Anlieferort. Als weitere Belastung wurde

bei den KLT-Routenzügen das Ziehen und Schieben der Anhänger während der

Routenzug-Beladung festgestellt. Dauerhaftes Stehen trat bei den untersuchten Rou-

tenzügen nicht auf. Bei den KLT-Routenzügen waren zwei der neun Zugfahrzeuge

allerdings ohne Sitz ausgeführt. In diesem Fall tritt eine einseitige Belastung durch

dauerhaftes Stehen und Gehen auf. Diese findet sich in der verwendeten Kategori-

sierung der Belastungsarten “ [DGU-2009] allerdings nicht wieder. Im Gegensatz zu

Gegengewichtsstaplern verkehren die Routenzüge überwiegend innerhalb der Halle

mit reduzierter Geschwindigkeit und auf ebenem Boden. Aus diesem Grund sind die

Ganzkörper-Vibrationen wesentlich geringer als bei Gegengewichtsstaplern. Bei

Fahr- und Handhabungstätigkeiten stellt somit die manuelle Lasthandhabung die

primäre Belastung dar und muss zur Beurteilung des Gefährdungsrisikos betrachtet

werden.

Handhabungstätigkeiten

Die Gruppe „Handhabungstätigkeiten“ umfasst die Tätigkeiten „Mann-zu-Ware Kom-

missionierung“, „Ware-zu-Mann Kommissionierung“, „manuelles Umsetzen“ und

„manuelles Ziehen und Schieben“. Im Bereich Kommissionierung stellt das manuelle

Umsetzen von Lasten die Hauptbelastung dar. In der Mann-zu-Ware Kommissionie-

rung wurde das Ziehen oder Schieben des Kommissionierwagens als weitere Belas-

tung beobachtet. In der Ware-zu-Mann Kommissionierung kann sich eine weitere

Belastung aufgrund dauerhaftem Stehen ergeben. In produktionsnahen Kommissio-

nierbereichen, in welchen Einzelteile fahrzeugbezogen kommissioniert werden, sind

die Arbeitstätigkeiten teilweise eng an den Produktionstakt gekoppelt. Der Mitarbeiter

kann in diesem Fall das Arbeitstempo nicht individuell nach seinen Leistungsvoraus-

setzungen variieren. Dies kann zu einer erhöhten Belastung aufgrund von Zeitdruck

und Stress führen. Diese wird in der verwendeten Kategorisierung der Belastungsar-

ten [DGU-2009] allerdings nicht abgedeckt. Die Tätigkeit „manuelles Umsetzen“ um-

fasst die manuelle Handhabung von Behältern und sonstigen Lasten und tritt beim

Ein- und Auslagern von Kleinladungsträgern in manuellen Lagern, bei der Palettie-

rung sowie bei der Verpackung im Warenausgang auf. Entsprechend der Tätigkeit

entsteht die körperliche Belastung hier durch das Heben von Lasten. Die Tätigkeit

„manuelles Ziehen und Schieben“ umfasst das Bewegen von Behältern und Lasten

auf Rollen oder Handgabelhubwagen. Diese Tätigkeiten werden typischerweise im

3.1 Feldstudie: Körperliche Belastungen in der Produktionslogistik

49

Wareneingang, Warenausgang und in der Bereitstellung ausgeführt. Entsprechend

der Tätigkeit entsteht die körperliche Belastung hier durch das Ziehen und Schieben

von Lasten. Häufig führt ein Mitarbeiter sowohl ein Ziehen und Schieben als auch ein

Umsetzen von Lasten aus. So trat bei ca. 50 Prozent der Arbeitsplätze der Kategorie

manuelles Umsetzten ebenfalls ein Ziehen und Schieben auf. Zur Bewertung der

körperlichen Belastung ist in diesem Fall ein Verfahren zu verwenden, welches beide

Belastungsarten berücksichtigt. Bei Handhabungstätigkeiten steht somit die körperli-

che Belastung aufgrund manueller Lasthandhabung im Vordergrund und ist im Rah-

men der Risikobeurteilung zu betrachten.

3.1.3 Auswahl geeigneter Verfahren zur Bewertung der identifizierten Belastungsschwerpunkte

Im Folgenden werden Verfahren zur Bewertung körperlicher Belastungen vorgestellt

und hinsichtlich Ihrer Eignung zur Bewertung der identifizierten Belastungsschwer-

punkte analysiert.

Leitmerkmalmethode und Erweiterungen

Für die Beurteilung von manueller Lasthandhabung haben sich in Deutschland die

Leitmerkmalmethoden der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

(BAuA) etabliert. Die beiden Screeningverfahren „Leitmerkmalmethode zur Beurtei-

lung von Heben, Halten, Tragen“ (LMM HHT) und „Leitmerkmalmethode zur Beurtei-

lung von Ziehen, Schieben“ (LMM ZS) ermöglichen eine schnelle Bewertung der Be-

lastungssituation bei einfachen Tätigkeiten [Ste-2012]14. Grundlage der Methode ist

die NIOSH-Gleichung, wobei die nachfolgenden Einflussfaktoren zu dem Merkmal

„Haltung“ zusammengefasst wurde:

- Horizontale Position

- Vertikale Position

- Asymmetrie

Um eine Verwendung in der betrieblichen Praxis zu erleichtern, werden anstelle einer

Berechnungsformel vereinfachte Bewertungstabellen verwendet.

Die Bewertung erfolgt anhand der vier Merkmale Haltung, Gewicht, Häufigkeit und

Ausführungsbedingungen [Jür-2001, S.17]. Für das Ziehen und Schieben wird als

14

Für repetitive Tätigkeiten mit hohen Handhabungsfrequenzen steht zusätzlich die Leitmerkmalmethode Manuelle Arbeits-prozesse zur Verfügung [Ste-2007].

3 Untersuchung auftretender Belastungen in der Produktionslogistik und Anforderungsdefinition

50

zusätzliches Kriterium noch die Positioniergenauigkeit berücksichtigt. Aus den vier

Kriterien wird ein Risikopunktwert nach der in Abbildung 3-1 dargestellten Vorschrift

bestimmt.

Abbildung 3-1: Berechnung des Risikopunktwertes nach der Leitmerkmalmethode [Jür-2002, S. 14]

Je höher der Risikopunktwert, desto größer ist die körperliche Belastung. Die jeweili-

gen Einstufungen werden mithilfe von Tabellen ermittelt [Jür-2001, S.17ff; Jür-2002].

Eine Einstufungshilfe erlaubt eine einfache und schnelle Bewertung anhand von Pik-

togrammen ohne weiteres Hintergrundwissen. Abbildung 3-2 zeigt als Beispiel die

Einstufungshilfe für die Körperhaltung der Leitmerkmalmethode Heben, Halten, Tra-

gen.

Abbildung 3-2: Einstufungshilfe Haltungswichtung LMM HHT [Jür-2001, Anhang]

3.1 Feldstudie: Körperliche Belastungen in der Produktionslogistik

51

Die vollständigen Leitmerkmalmethoden sind in Anhang B zu finden. Zu den Leit-

merkmalmethoden wurden Erweiterungen vorgenommen, welche eine additive Be-

wertung unterschiedlicher Lasthandhabungsvorgänge ermöglichen. Im Bereich der

Logistik wurde am Lehrstuhl Fördertechnik Materialfluss Logistik der Technischen

Universität München die erweiterte Leitmerkmalmethode (eLMM) entwickelt, mit wel-

cher sich unterschiedliche Hebe- und Tragevorgänge bewerten lassen [Wal-2011,

S.95ff]. Am Institut für Arbeitswissenschaften der Universität Darmstadt wurde das

Multiple-Lasten-Tool (MLT) entwickelt. Es stellt eine Kombination der beiden Leit-

merkmalmethoden HHT und ZS auf Basis von MS-Excel dar und ermöglicht die Be-

wertung unterschiedlicher Lastfälle [Sch-2012]. Eine detaillierte Beschreibung dieser

Erweiterung erfolgt in Kapitel 4.1.3.

Grenzlast- und Grenzkraftverfahren

Grenzkraftverfahren liefern Richtwerte für maximal aufzuwendende Kräfte, beispiels-

weise bei der Bedienung von Maschinen. Das Grenzlastverfahren nach DIN 1005-2

[DIN 1005-2] basiert auf der NIOSH-Gleichung und kann zur Beurteilung von Heben,

Halten und Tragen eingesetzt werden. Das Grenzlastverfahren nach DIN 1005-3

[DIN 1005-3] kann zur Beurteilung beim Ziehen und Schieben von Lasten verwendet

werden. Des Weiteren wurden Grenzlastverfahren entwickelt, welche zusätzlich indi-

viduelle Voraussetzungen berücksichtigen. Beispiel ist das Verfahren nach REFA,

bei welchem als individuelle Voraussetzungen Alter, Geschlecht und Trainingszu-

stand des Mitarbeiters berücksichtigt werden [Bon-1995, S. 163]. Grenzlast- und

Grenzkraftverfahren bilden Einzeltätigkeiten detailliert ab. Einsatzbereich dieser Ver-

fahren ist die Gestaltung und Konstruktion von Maschinen und Arbeitsmitteln. Zur

Bewertung von Tätigkeiten in der Produktionslogistik sind Grenzlastverfahren dage-

gen weniger geeignet, da Mitarbeiter über eine Schicht zumeist verschiedene Last-

handhabungsvorgänge ausführen und eine kumulierte Betrachtung mit diesen Ver-

fahren nicht möglich ist.

Ovako Working Posture Analysing System (OWAS)

Die OWAS-Methode wurde 1973 beim finnischen Stahlhersteller OVAKO zur Bewer-

tung von Körperhaltungen entwickelt [Kar-1977; Kar-1981]. Die Methode berücksich-

tigt die Haltung des Rückens, der Arme und der Beine sowie den erforderlichen

Kraftaufwand. Für jede Kategorie gibt es eine Auswahl möglicher Haltungen, welche

mit einer Ziffer codiert werden. Abbildung 3-3 zeigt als Beispiel die Entnahme aus

einem Großladungsträger und die vier möglichen Haltungen für die Körperregion Rü-

cken. Spätere Erweiterungen betrachten zudem die Haltung des Kopfes [Sto-1985].

3 Untersuchung auftretender Belastungen in der Produktionslogistik und Anforderungsdefinition

52

Abbildung 3-3: Beispiel OWAS-Haltungscodierung nach [Kar-1977]

Bei der OWAS-Methode werden zum einen die zeitlichen Anteile der einzelnen Kör-

perhaltungen und zum anderen die Häufigkeit von Haltungskombinationen bewertet.

Eine einzelne Körperhaltung ist die unabhängig vom Rest des Körpers analysierte

Haltung des Rückens, der Arme und der Beine. Die Kombination der Haltung von

Rücken, Armen und Beinen sowie des zu manipulierenden Gewichtes wird als Hal-

tungskombination bezeichnet. Das Verfahren ist einfach anzuwenden und bildet die

Grundlage zur Analyse von Körperhaltungen mithilfe aktueller Motion-Capturing-

Systeme15. Eine detaillierte Beschreibung des Verfahrens erfolgt in Kapitel 5.1.3.

Rapid Upper Limb Assessment (RULA)

Das RULA-Verfahren ist ein Screeningverfahren und wurde von McAtamney und

Corlett für die Analyse der oberen Gliedmaßen entwickelt [McA-1993]. Das Verfahren

gibt einen schnellen Überblick über die ergonomische Belastung einer Einzeltätigkeit

und zeigt an, ob Gestaltungsmaßnahmen notwendig sind [Hoe-2005, S.44-45]. Das

Verfahren analysiert für eine ausgewählte Einzeltätigkeit die Haltung des Halses, der

Arme, der Handgelenke, des Oberkörpers und der Beine. Haltungswerte für „Arm

und Handgelenk“ und „Hals, Oberkörper und Beine“ werden mit Lastpunkten zu ei-

nem Gesamtrisikowert verrechnet. Das Verfahren ermöglicht eine schnelle Bewer-

tung ausgewählter Körperhaltungen mit dem Schwerpunkt auf den oberen Extremitä-

ten. Eine Analyse der Ganzkörperhaltung ist mit dem Verfahren nur bedingt möglich.

15

Siehe CUELA [Gli-2004] oder [Gud-2009].

1 2 3 4

Rücken

1

gerade

2

gebeugt

3

gedreht

4

gedreht u.

gebeugt

2 3 1 1

Rücken: gebeugt

Beine: Stehen auf einem Bein

Arme: unter Schulter

Last: weniger

als 10 kg

3.1 Feldstudie: Körperliche Belastungen in der Produktionslogistik

53

Kriterien nach Kilbon

Basierend auf der Auswertung wissenschaftlicher Studien aus den Gebieten der Bi-

omechanik, Ergonomie, Arbeitsmedizin, Orthopädie, Rheumatologie und Physiologie

wurde von Kilbon ein Leitfaden zur Beurteilung repetitiver Tätigkeiten entwickelt [Kil-

1994a; Kil-1994b]. Darin finden sich Grenzwerte für die Anzahl an Bewegungen, ab

welcher eine hoch repetitive Tätigkeit mit erhöhtem Gesundheitsrisiko vorliegt. Abbil-

dung 3-4 zeigt die Kriterien nach Kilbon. Diese unterscheiden die Gelenkregionen

Schulter, Oberarm/Ellenbogen, Unterarm/Handgelenk und Finger.

Abbildung 3-4: Kriterien nach Kilbon [Hoe-2005, S.43]

Nach Hoehne-Hückstädt handelt es sich um ein einfaches, grob orientierendes Ver-

fahren, wobei für die Anwendung teilweise Erfahrungswissen notwendig ist [Hoe-

2005, S.43]. So bedarf es zur reproduzierbaren Erfassung der Bewegungsanzahl

und zur Beurteilung der risikoerhöhenden Faktoren Übung und Erfahrungswissen.

Das Verfahren eignet sich zur Beurteilung repetitiver Tätigkeiten mit hohen Wieder-

holungsfrequenzen. Da das Verfahren Lasthandhabung und die Ganzkörperhaltung

nicht umfasst, ist es zur Risikobeurteilung in der Produktionslogistik nicht geeignet.

Die Grenzwerte können jedoch als Anhaltswerte zur Identifikation einseitiger Belas-

tungssituationen in der Produktionslogistik verwendet werden.

Hand Activity Level Threshold Limit Values (HAL TLVs)

Die „Hand Activity Level Threshold Limit Values” wurden von der American Confer-

ence of Governmental Industrial Hygienists entwickelt [Fra-2005]. Die Methode be-

wertet die Belastung des Hand-Arm Systems aufgrund repetitiver Tätigkeiten, welche

über mindestens vier Stunden pro Tag ausgeführt werden. Erhoben werden ein Fak-

tor für die Handaktivität und ein Faktor für die von der Hand aufgebrachte Spitzen-

3 Untersuchung auftretender Belastungen in der Produktionslogistik und Anforderungsdefinition

54

kraft. Diese Faktoren werden in einem Diagramm aufgetragen und mit dem Aktions-

und Schwellenlimit verglichen (Abbildung 3-3).

Abbildung 3-5: Aktions- und Schwellenlimit HAL TLVs [Hoe-2005, S.60]

Bei Überschreiten des Aktionslimits werden Kontrollen und Überwachungen empfoh-

len. Das Schwellenlimit markiert den Bereich eines signifikant erhöhten Muskel-

Skelett-Risikos. Zur Bestimmung der Faktoren können tabellarische Einstufungshil-

fen (z. B. Skala nach Borg16 für aufgebrachte Spitzenkraft) oder Messungen verwen-

det werden. Die Methode ist beschränkt auf den Hand-Unterarmbereich. [Hoe-2005,

S.46-60]

Occupational Risk Assessment of Repetitive Movements and Exertions of the Upper Limb (OCRA)

Das OCRA-Verfahren wurde von der italienischen Arbeitsgruppe um Colobini, Oc-

chipinti und Grieco entwickelt. Eine Tätigkeit wird anhand der Risikofaktoren Fre-

quenz, Repetivität, Kraftaufbringung, Haltung, Bewegungen und zusätzlichen Risiko-

faktoren (z. B. Vibrationen oder Umgebungstemperatur) detailliert bewertet. Aus den

Risikofaktoren errechnet das Verfahren eine maximal empfohlene Tätigkeitsanzahl

pro Schicht. Der OCRA-Index (Risikoindex) ergibt sich aus der tatsächlichen Ausfüh-

rungszahl im Verhältnis zur empfohlenen Ausführungszahl. Verschiedene Einzeltä-

tigkeiten können aggregiert betrachtet werden, so dass ein heterogenes Tätigkeits-

profil über eine Schicht abgebildet werden kann. Nach Hoehne-Hückstädt handelt es

sich um ein aufwendiges Verfahren, welches eine umfassende Beurteilung von repe-

titiver Arbeit erlaubt. [Col-1998; Occ-1998; Hoe-05, S.47-50]

16

Die Borg-Skala für aufgebrachte Spitzenkraft ist eine Schätzskala zur Beurteilung des empfundenen Kraftaufwandes [Bor-1982]

3.1 Feldstudie: Körperliche Belastungen in der Produktionslogistik

55

European Assembly Worksheet (EAWS)

Das Screeningverfahren „European Assembly Worksheet“ wurde vom Institut für Ar-

beitswissenschaften an der Universität Darmstatt entwickelt. Es stellt die aktuellste

Version in einer Reihe von Verfahren dar, welche zur Bewertung auftretender Belas-

tungen in der Automobilindustrie entwickelt worden sind17. Schwerpunkt der Verfah-

rensentwicklung stellten Belastungen in der automobilen Endmontage dar. Das Ver-

fahren orientiert aus diesem Grund an montagetypischen Belastungsprofilen und Tä-

tigkeiten mit hohem Wiederholcharakter. Es erlaubt eine kombinierte Bewertung fol-

gender Belastungsarten:

- Erzwungene Körperhaltungen

- Aktionskräfte

- Manuelle Lasthandhabung

- Belastung der oberen Extremitäten aufgrund repetitiver Tätigkeiten

Die Bewertungen der einzelnen Belastungsarten basieren auf den Verfahren OWAS,

DIN EN 1005-4, DIN EN1005-3, RULA, LMM und OCRA [Sch-2013]. Typische Belas-

tungssituationen in der Montage können mit dem EAWS-Verfahren präzise und

schnell erfasst werden. Grundsätzlich ist das EAWS-Verfahren auch zur Bewertung

auftretender Belastungen in der Produktionslogistik geeignet. Das Verfahren umfasst

allerdings Belastungsarten, welche in der Produktionslogistik nicht relevant sind (z.

B. repetitive Tätigkeiten mit hohen Handhabungsfrequenzen).

Abbildung 3-6 zeigt die Berechnung des Gesamtrisikowertes und die Einstufung an-

hand eines Ampelschemas.

Abbildung 3-6: EAWS Gesamtrisikowertberechung [Sch-2013]

17

Vgl. Design Check (DC), New Production Worksheet (NPW), Automotive Assembly Worksheet (AAWS) [Sch-2013]

3 Untersuchung auftretender Belastungen in der Produktionslogistik und Anforderungsdefinition

56

Technische Regeln zur Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (TRLV)

Die Technischen Regeln zur Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung definie-

ren Grenzwerte für Vibrationseinwirkungen. Werden sie eingehalten, kann der Ar-

beitgeber davon ausgehen, die Anforderungen der Vorschriften der Lärm- und Vibra-

tions-Arbeitsschutzverordnung zu erfüllen.

Zur Bestimmung der Höhe der Belastung durch Ganzkörper-Vibrationen ist in einem

ersten Schritt zu überprüfen, ob für den zu beurteilenden Arbeitsplatz repräsentative

Vibrationsmesswerte oder Ergebnisse orientierender Verfahren (z. B. repräsentativer

Dosimetermessungen) vorhanden sind. Falls ja, können die vorhandenen Werte

verwendet werden. Sollte dies nicht der Fall sein, kann ermittelt werden, ob Ver-

gleichswerte (z. B. von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin) ver-

fügbar sind. Sollten weder repräsentative Messungen noch Vergleichswerte verfüg-

bar sein, muss eine Vibrationsmessung durchgeführt werden, um deren Ergebnisse

für die Gefährdungsbeurteilung zu verwenden. [BMA-2015]

3.1 Feldstudie: Körperliche Belastungen in der Produktionslogistik

57

3.1.4 Zusammenfassung

Die vorgestellten Verfahren und abgedeckten Belastungsarten sind nachfolgend in

Tabelle 3-4 zusammengefasst.

Tabelle 3-4: Verfahren zur Bewertung der körperlichen Belastung

Manuelle Lasthandhabung

Erzwungene Körper-haltung Aktionskräfte

Repetitive Tätigkeiten

Ganzkörper-Vibrationen

Hand-Arm-Vibrationen HHT ZS

DIN 1005-2 (NIOSH)

X

DIN 1005-3 X

LMM HHT X

LMM ZS

X

eLMM X

MLT X X

RULA

X

X

OWAS X X X

Kriterien nach Kilbon

X

HAL TLVs

X

OCRA X

EAWS X X X X X

TRLV Vibrationen

X X

In Bezug auf die Fragestellung, welche körperlichen Belastungen in der Produktions-

logistik auftreten und welche Verfahren sich zu deren Bewertung eignen, wird zu-

sammenfassend festgestellt:

- Die körperliche Belastung in der Gruppe „Fahrtätigkeiten“ ergibt sich primär

aus Ganzkörpervibrationen sowie der ungünstigen Kopfhaltung beim Rück-

wärtsfahren. Zur Beurteilung von Ganzkörper-Vibrationen empfehlen sich die

Technischen Regeln zur Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung. Als

Verfahren zur Beurteilung der Körperhaltung ist die OWAS-Methode gut ge-

eignet, da die Haltung des gesamten Körpers erfasst wird und die Methode

einfach anzuwenden ist. Notwendig ist die Verwendung einer Erweiterung der

OWAS-Methode, beispielsweise nach Stoffert [Sto-1985], welche die Kopfhal-

tung umfasst.

- In den Gruppen „Fahr- und Handhabungstätigkeiten“ sowie „Handhabungstä-

tigkeiten“ stellt die Lasthandhabung die dominante Belastung dar. Zur aussa-

gekräftigen Beurteilung der körperlichen Belastung ist eine Methode zu ver-

wenden, welche „Heben, Halten und Tragen“ in Kombination mit „Ziehen und

3 Untersuchung auftretender Belastungen in der Produktionslogistik und Anforderungsdefinition

58

Schieben“ berücksichtigt. Hierfür eignen sich das Multiple-Lasten-Tool, die

OWAS-Methode sowie das EAWS-Verfahren.

Die Annahme, dass sich die Belastungsschwerpunkte zwischen Fahrtätigkeiten und

Handhabungstätigkeiten wesentlich unterscheiden, wurde in der Untersuchung be-

stätigt.

Belastungsschwerpunkt von Fahrtätigkeiten stellen Ganzkörpervibrationen und er-

zwungene Körperhaltungen dar. Die Höhe der Belastungen hängen von der Arbeits-

weise und der Umgebung ab. So wird die Höhe der Ganzkörpervibrationen wesent-

lich von der Fahrgeschwindigkeit und dem Untergrund bestimmt [Gün-2011, S.183].

Die Anzahl und Dauer der Rückwärtsfahrten hängen von der Arbeitsweise ab. Diese

Informationen liegen in der Tätigkeitsbeschreibung eines Systems vorbestimmter

Zeiten nicht vor. Aus diesem Grund eignen sich Tätigkeiten der Gruppe „Fahrtätigkei-

ten“ nicht, um auf Basis eines Systems vorbestimmter Zeiten die körperliche Belas-

tung zu abzubilden.

Belastungsschwerpunkt von „Fahr- und Handhabungstätigkeiten“ sowie „Handha-

bungstätigkeiten“ ist die Lasthandhabung. Wesentliche Einflussgrößen der körperli-

chen Belastung sind das zu handhabende Gewicht, die Ausführungsanzahl und die

Körperhaltung. Hierzu liegen in der Tätigkeitsbeschreibung eines Systems vorbe-

stimmter Zeiten wesentliche Informationen vor. Die individuelle Arbeitsweise und die

Umgebung beeinflussen obige Einflussgrößen dagegen nur in Ausnahmefällen. So-

mit sind Tätigkeiten der Gruppen „Fahr- und Handhabungstätigkeiten“ sowie „Hand-

habungstätigkeiten“ geeignet, um auf Basis eines Systems vorbestimmter Zeiten die

körperliche Belastung abzubilden.

Die Konzeptentwicklung des erweiterten Systems vorbestimmter Zeiten wird aus die-

sem Grund auf Tätigkeiten der Gruppen „Fahr- und Handhabungstätigkeiten“ sowie

„Handhabungstätigkeiten“ beschränkt.

3.2 Anforderungsdefinition

In diesem Abschnitt erfolgt die Definition der Anforderungen des erweiterten Systems

vorbestimmter Zeiten. Basierend auf dem Stand der Forschung wurden in Kapitel 2

folgende Fragestellungen formuliert:

- Welche wiederkehrenden Tätigkeitsfolgen lassen sich in der Produktionslogis-

tik definieren, und auf welcher Aggregationsebene können Parametermodelle

3.2 Anforderungsdefinition

59

zur integrierten Bewertung von Zeit und Belastung aufgebaut werden? Wie

werden Einflussgrößen (Parameter und Konstanten) bestimmt?

- Welche Zeit- und Belastungsmodelle eignen sich zur Untersuchung einseitiger

und wechselnder Belastung, und anhand welcher Merkmale können einseitige

Belastungssituationen identifiziert werden?

Zur Untersuchung dieser Fragestellungen wird das System vorbestimmter Zeiten um

zwei Stufen erweitert.

Die erste Erweiterungsstufe wird als Konzeptelement 1 bezeichnet. Zielsetzung ist

die Entwicklung eines Konzeptes zur integrierten Bewertung von Zeit und Belastung,

welches im Vergleich zu bestehenden Ansätzen eine aufwandsarme Bewertung er-

möglicht. Hierzu sollen geeignete, möglichst einfache Bewertungsverfahren verwen-

det und der Bewertungsaufwand für wiederkehrende Tätigkeitsabläufe mithilfe von

vordefinierten Prozessbausteinen reduziert werden. Hieraus leiten sich folgende An-

forderungen ab:

- Konzeptelement 1 soll für sich wiederkehrende Tätigkeitsfolgen in der Produk-

tionslogistik angewendet werden, für welche sich ein Referenzprozess in ei-

nem Parametermodell definieren lässt.

- Die betriebliche Anwendbarkeit steht im Fokus der Entwicklung. Hieraus leitet

sich die Anforderung ab, anerkannte und in der Praxis erprobte Methoden zur

Bewertung der körperlichen Belastung einzusetzen, welche arbeitsrechtliche

Anforderungen erfüllen (z. B. Lastenhandhabungsverordnung) und eine zeitef-

fiziente Anwendung ermöglichen.

- Die Lasthandhabung stellt in der Anwendungsdomäne die wesentliche körper-

liche Belastung dar. Aus diesem Grund soll die Lasthandhabung als Belas-

tungsart in Konzeptelement 1 berücksichtigt werden. Aufgrund der geforderten

Zeiteffizienz in der Anwendung sollen keine weiteren Belastungsarten berück-

sichtigt werden. Aus selbigem Grund ist der Detaillierungsgrad so gering wie

möglich zu halten.

Die zweite Erweiterungsstufe wird als Konzeptelement 2 bezeichnet. Zielsetzung ist

die Untersuchung einseitiger und wechselnder Belastung auf Basis eines Systems

vorbestimmter Zeiten. Im Vordergrund steht die konzeptionelle Entwicklung in Ver-

bindung mit einer experimentellen Untersuchung praktischer Anwendungsfälle. Hie-

raus leiten sich folgende Anforderungen ab:

3 Untersuchung auftretender Belastungen in der Produktionslogistik und Anforderungsdefinition

60

- Zur Untersuchung des zeitlichen Ablaufes und der Identifikation einseitiger Be-

lastungssituationen ist die detaillierte Betrachtung der Körperbewegungen er-

forderlich. Diese unterscheiden sich, auch für gleiche Tätigkeiten, wesentlich

zwischen einzelnen Arbeitsplätzen. Anwendungsebene von Konzeptelement 2

sind daher einzelne Arbeitsplätze.

- Der Anwendungsfokus liegt auf der Konzeptentwicklung und -erprobung. Da-

her ist die Verwendung und Weiterentwicklung von nicht-etablierten Ansätzen

zur Bewertung der körperlichen Belastung möglich. Die betriebliche Umset-

zung, die Zeiteffizienz für den Anwender und arbeitsrechtliche Verordnungen

stehen dagegen nicht im Vordergrund.

- Zur detaillierten Betrachtung der Körperbewegungen ist ein Belastungsmodell

erforderlich, welches die Ganzkörperhaltung im zeitlichen Verlauf berücksich-

tigt und einen hohen Detaillierungsgrad aufweist.

Tabelle 3-5 stellt Zielsetzung und Anforderungen der Konzeptelemente 1 und 2 ge-

genüber.

Tabelle 3-5: Anforderungsdefinition und Abgrenzung der Konzeptelemente 1 und 2 des erwei-terten Systems vorbestimmter Zeiten

Konzeptelement 1 Erweiterung System vorbestimm-ter Zeiten um Lasthandhabung

Konzeptelement 2 Erweiterung System vorbestimm-ter Zeiten um Körperhaltung

Zielsetzung Integrierte Bewertung von zeitli-cher Auslastung und körperlicher Belastung

Untersuchung des zeitlichen Ab-laufes und Identifikation einseitiger Belastungssituationen

Untersuchungsgegenstand Wiederkehrende Tätigkeitsabläufe Einzelne Arbeitsplätze

Anwendung Betriebliche Arbeitsvorbereitung Experimenteller Einsatz

Körperliche Belastung Lasthandhabung Ganze Körperhaltung

Detaillierungsgrad Gering Hoch

61

4 Konzeptelement 1: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Lasthandhabung

Nachfolgendes Kapitel umfasst die Beschreibung von Konzeptelement 1 des erwei-

terten Systems vorbestimmter Zeiten. Das Kapitel unterteilt sich in zwei Abschnitte.

Im ersten Abschnitt wird die Konzeptentwicklung beschrieben (4.1). Die Umsetzung

des entwickelten Konzeptes im betrieblichen Umfeld wird im zweiten Abschnitt am

Beispiel eines industriellen Großladungsträger-Routenzugprozesses vorgestellt (4.2).

Im Rahmen des Forschungsprojektes wurde das entwickelte Konzept für folgende

weitere Produktionslogistikprozesse umgesetzt, zu welchen separate Dokumentatio-

nen vorliegen:

- Kleinladungsträger-Routenzug [fml-2013b]

- Mann-zu-Ware Kommissionierung [Kel-2014b; fml-2013a]

4.1 Konzeptentwicklung zur Bewertung wiederkehrender Tätigkeitsfolgen in der Produktionslogistik

Gegenstand nachfolgenden Abschnittes ist die Entwicklung von Konzeptelement 1

des erweiterten Systems vorbestimmter Zeiten. Die Entwicklung gliedert sich in fünf

Schritte. Im ersten Schritt werden die Anforderungen an das zu entwickelnde System

festgelegt (4.1.1). Anschließend erfolgen die Definition der Anwendungsdomäne und

Aggregationsebene (4.1.2), der Modellaufbau (4.1.3) sowie die Entwicklung eines

Vorgehens zur quantitativen Auswahl der Eingangsgrößen (4.1.4). Ein Vorgehens-

modell zur betrieblichen Anwendung von Konzeptelement 1 des erweiterten Systems

vorbestimmter Zeiten bildet den Abschluss dieses Abschnittes (4.1.5).

4.1.1 Anforderungen

Zielsetzung von Konzeptelement 1 ist die integrierte Bewertung von Zeit und Belas-

tung aufgrund von Lasthandhabung für wiederkehrende Tätigkeitsfolgen in der Pro-

duktionslogistik. Hierdurch können die zeitliche Auslastung und körperliche Belas-

tung von Mitarbeitern in der Produktionslogistik in einem Schritt bestimmt werden.

Einsatzgebiet ist die betriebliche Arbeitsvorbereitung.

Die Arbeitsplätze in der Produktionslogistik wurden in Kapitel 3.1.1 in folgende drei

Gruppen eingeteilt:

4 Konzeptelement 1: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Lasthandhabung

62

- Fahrtätigkeiten

- Fahr- und Handhabungstätigkeiten

- Handhabungstätigkeiten

Anwendungsdomäne von Konzeptelement 1 sind wiederkehrende Tätigkeitsabläufe

der Gruppen „Fahr- und Handhabungstätigkeiten“ sowie „Handhabungstätigkeiten“.

Die Gruppe „Fahrtätigkeiten“ wird nicht betrachtet, da die körperliche Belastung hier

wesentlich von der Arbeitsweise18 abhängt und sich nicht aussagekräftig aus einem

System vorbestimmter Zeiten ableiten lässt.

Das System vorbestimmter Zeiten muss aus Gründen der betrieblichen Anwendbar-

keit erprobt und validiert sein. Weiterhin muss das System vorbestimmter Zeiten zur

Beschreibung der Tätigkeiten in der Produktionslogistik geeignet sein. Dies bedeutet,

dass auch das Prozessniveau19 des Systems zur Beschreibung der Anwendungs-

domäne geeignet sein muss.

In der Feldstudie wurde für die Gruppen Fahr- und Handhabungstätigkeiten sowie

Handhabungstätigkeiten Lasthandhabung als dominante Belastungsart identifiziert

(vgl. Kapitel 3.1.2). Weiterhin wurde festgestellt, dass häufig an einem Arbeitsplatz

sowohl die Handhabungsarten Heben, Halten und Tragen als auch Ziehen und

Schieben stattfinden. Aus diesem Grund muss die Methode zur Bewertung der kör-

perlichen Belastung beide Handhabungsarten in Kombination berücksichtigen. Um

die betriebliche Anwendbarkeit sicherzustellen, muss die Methode außerdem rechtli-

chen Anforderungen genügen. Zu beachten sind hier das Arbeitsschutzgesetz20 so-

wie die Lastenhandhabungsverordnung21. Das Arbeitsschutzgesetz enthält allgemei-

ne Vorschriften zu Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Ar-

beit. Unter anderem wird der Arbeitgeber darin verpflichtet, mit der Arbeit verbunde-

ne Gefährdungen zu ermitteln und zu dokumentieren (§§ 5 und 6). Die Lastenhand-

habungsverordnung enthält Vorschriften zu Sicherheit und Gesundheitsschutz bei

der manuellen Lasthandhabung. Danach ist der Arbeitgeber verpflichtet, Gefährdun-

gen aufgrund manueller Lasthandhabung zu beurteilen und geeignete Maßnahmen

zur Vermeidung umzusetzen (§ 2). Im Anhang der Lastenhandhabungsverordnung

sind allgemeine Merkmale festgehalten, aus denen sich eine Gefährdung ergeben

18

Vgl. Kapitel 3.1.4, S. 57. 19

Vgl. Kapitel 2.2.1, S. 15. 20

Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesund-heitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz - ArbSchG) vom 7. August 1996 (BGBl. I S. 1246), ge-ändert durch Artikel 9 des Gesetzes vom 27. September 1996 (BGBl. I S. 1461)

21 Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der manuellen Handhabung von Lasten bei der Arbeit (Lasten-

handhabungsverordnung). Artikel 2 der „Verordnung zur Umsetzung von EG-Einzelrichtlinien zur EG-Rahmenrichtlinie Ar-beitsschutz“ vom 4. Dezember 1996 (BGBl. I S. 1841)

4.1 Konzeptentwicklung zur Bewertung wiederkehrender Tätigkeitsfolgen in der Produktionslogistik

63

kann. Die Wahl des Bewertungsverfahrens ist dem Arbeitgeber grundsätzlich freige-

stellt. Allerdings erhält der Arbeitgeber durch Verwendung eines wissenschaftlich

anerkannten Verfahrens Rechtssicherheit. Zur Wahl des Bewertungsverfahrens wer-

den von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin und dem Länder-

ausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik Empfehlungen ausgesprochen

[Jür-2001, S.13f].

Basierend auf vordefinierten Prozessbausteinen soll ein Vorgehen zur Reduktion des

Bewertungsaufwand für wiederkehrende Tätigkeitsabläufe entwickelt werden. Vorde-

finierte Prozessbausteine beschreiben wiederkehrende Tätigkeitsabläufe und ermög-

lichen eine Bewertung von Zeit und körperlicher Belastung anhand von Parametern.

In diesem Fall muss für eine Bewertung nicht der gesamte Ablauf aus Grundbewe-

gungen neu aufgebaut werden. Um die zeiteffiziente Anwendbarkeit sicherzustellen,

sollen die verwendeten Verfahren zur Bewertung der Zeit und der Belastung mög-

lichst einfach und die erforderliche Anzahl der Eingangsparameter möglichst gering

sein.

Nachfolgend sind die Anforderungen in Tabelle 4-1 zusammengefasst.

Tabelle 4-1: Anforderungen Konzeptelement 1 des erweiterten Systems vorbestimmter Zeiten

Bereich Beschreibung der Anforderung Priorität

Zeitmodell Prozessniveau des Systems vorbestimmter Zeiten zur Be-

schreibung der Anwendungsdomäne geeignet

Muss

Belastungsmodell Belastungsmodell berücksichtigt Heben, Halten und Tragen

sowie Ziehen und Schieben

Muss

Belastungsmodell Belastungsmodell als Methode wissenschaftlich anerkannt Muss

Anwendung Verwendete Verfahren zur Bewertung von Zeit und Belastung

möglichst einfach

Soll

Anwendung Gesamtzahl der verwendeten Parameter möglichst gering Soll

4.1.2 Anwendungsdomäne und Aggregationsebene

Im folgenden Abschnitt wird eine geeignete Anwendungsdomäne und Aggregations-

ebene zur Entwicklung vordefinierter Prozessabläufe festgelegt. Hierzu wurde die in

Abbildung 4-1 dargestellte Systematisierung verwendet. Diese basiert auf den in der

Feldstudie (Kapitel 3) verwendeten Tätigkeitsgruppen.

4 Konzeptelement 1: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Lasthandhabung

64

Abbildung 4-1: Anwendungsdomäne und Aggregationsebene für Konzeptelement 1 des erweiter-ten Systems vorbestimmter Zeiten

Auf der obersten Ebene stehen die drei Gruppen „Fahrtätigkeiten“, „Handhabungs-

und Fahrtätigkeiten“ sowie „Handhabungstätigkeiten“. In der zweiten Ebene erfolgt

eine spezifischere Einteilung in die Untergruppen Stapler, Routenzug, Kommissionie-

rung und Behälterhandhabung. In der dritten Ebene wurden neun spezifische Tätig-

keiten identifiziert, welche jeweils wiederkehrende Tätigkeitsfolgen umfassen. In der

vierten Ebene finden sich schließlich einzelne Vorgänge, wie Aussteigen, Einsteigen

oder Gehen. Auf den ersten zwei Ebenen lassen sich noch keine wiederkehrenden

Tätigkeitsfolgen definieren, da sich die Tätigkeiten zu stark voneinander unterschei-

den. In der vierten Ebene finden sich bereits einzelne Vorgänge. Diese Ebene stellt

keine wesentliche Aggregation mehr dar. Für die Tätigkeiten auf Ebene 3 finden sich

Ebene 1:

Tätigkeitsgruppe

Fahrtätigkeiten

Fahr- und

Handhabungs

tätigkeiten

Handhabungs-

tätigkeiten

Stapler

Routenzug

Kommis-

sionierung

Manuelle

Handhabung

Ebene 2:

Tätigkeitsuntergruppe

Ebene 3:

Tätigkeit

Gegengewicht-

stapler

Schubmast-

stapler

Hochregal-

stapler

GLT Routenzug

KLT Routenzug

MzW-Kom-

missionierung

WzM-Kom-

missionierung

Anwendungsdomäne und

Aggregationsebene von

Konzeptelement 1

Ebene 4:

Bewegung

Bücken

Hinlangen

Einsteigen

Starten

Aussteigen

Gehen

Gehen

Umsetzen

(KLT-Handhabung)

Ziehen / Schieben

(GLT-Handhabung)

4.1 Konzeptentwicklung zur Bewertung wiederkehrender Tätigkeitsfolgen in der Produktionslogistik

65

dagegen wiederkehrende Tätigkeitsfolgen. Als Aggregationsebene für Konzeptele-

ment 1 wird aus diesem Grund die Ebene 3 festgelegt.

4.1.3 Modellaufbau

Im Folgenden erfolgt der Modellaufbau von Konzeptelement 1 des erweiterten Sys-

tems vorbestimmter Zeiten. Hierzu werden je ein geeignetes Zeit- und Belastungs-

modell ausgewählt und in einem integrierten Gesamtmodell zusammengeführt.

Zeitmodell

In Kapitel 2.2 wurden verschiedene Systeme vorbestimmter Zeiten einander gegen-

übergestellt. Aufgrund der hohen Verbreitung wurde für die vorliegende Arbeit MTM

als Grundsystem ausgewählt. Dies stellt eine gute betriebliche Anwendbarkeit sicher

und erleichtert die Übertragung und Weiterverwendung der Ergebnisse. Innerhalb

des MTM-Systems stehen verschiedene Bausteinsysteme zur Verfügung, welche

sich hinsichtlich Detaillierungsgrad und Anwendungsbereich unterschieden.

Die für Konzeptelement 1 definierte Aggregationsebene umfasst wiederkehrende

Tätigkeitsfolgen mit Zykluszeiten im Bereich von einigen Minuten. Dies kann dem

Prozesstyp 2 zugeordnet werden. Zur Beschreibung von Prozesstyp-2-Tätigkeiten

sind grundsätzlich die Bausteinsysteme MTM-SVL, MTM-SAM, MTM-2 und MTM-

UAS geeignet (siehe Kapitel 2.2.1). MTM-2, MTM-UAS und MTM-SAM sind allge-

meine, höher aggregierte Bausteinsysteme auf Basis von MTM-1. Das MTM-SVL-

System beinhaltet Vorgabezeiten speziell für die Logistik. Aufgrund ihres geringeren

Detaillierungsgrades können mithilfe dieser Systeme auch längerzyklische Tätigkei-

ten zeiteffizient analysiert werden.

Das MTM-SAM-System wurde von der schwedischen MTM-Vereinigung entwickelt

und ist im deutschsprachigen Raum kaum verbreitet. Dies erschwert die betriebliche

Anwendbarkeit. Aus diesem Grund wird es für Konzeptelement 1 nicht verwendet.

Das MTM-SVL-System erlaubt eine zeitsparende Analyse spezifischer logistischer

Tätigkeiten (z. B. Aufnehmen einer Palette mit Gabelhubwagen). Daher wird es für

Konzeptelement 1 des erweiterten Systems vorbestimmter Zeiten verwendet.

Das MTM-2-System ist detaillierter als das MTM-UAS-System. Dies ist am Beispiel

des MTM-Grundzyklus erkennbar, der im MTM-1-System aus Hinlangen, Greifen,

Bringen, Fügen und Loslassen besteht. Diese fünf Bewegungen werden im MTM-2-

System zu zwei Bewegungen und im MTM-UAS-System zu einer Bewegung zu-

4 Konzeptelement 1: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Lasthandhabung

66

sammengefasst (siehe Kapitel 2.2 und Abbildung 2-4). Tabelle 4-2 stellt die wesentli-

chen Eigenschaften des MTM-2-Systems und des MTM-UAS-Systems gegenüber.

Tabelle 4-2: Vergleich MTM-2 System und MTM-UAS System [MTM-2011, Seite 18]

MTM-2 MTM-UAS

Fertigung mit hohem Wiederholungs-charakter

Auftragsorientierte Fertigung mit Wiederho-lungscharakter

Trotz Arten und Variantenvielvielfalt der Er-zeugnisse häufig vergleichbare Arbeitsinhal-te

Längerzyklische Arbeitsabläufe Dauer der Arbeitszyklen deutlich länger als in der Großserienfertigung

Detailliert gestaltete Arbeitsabläufe Definierte Rahmenbedingungen für die Ar-beitsabläufe

Gestaltete Abläufe

Mitarbeiter lassen streuende Arbeits-weisen erkennen

Routinierte Mitarbeiter

Arbeitsunterweisung mit genauer Me-thodenbeschreibung

Arbeitsunterweisung ohne detaillierte Me-thodenbeschreibung

Das MTM-2-System ist für längerzyklische Tätigkeiten mit hohem Wiederholungscha-

rakter und detailliert gestalteten Arbeitsabläufen geeignet. Die Mitarbeiter lassen Un-

terschiede in der Arbeitsausführung erkennen, die Arbeitsunterweisung erfolgt aller-

dings mit genauer Beschreibung der Arbeitsmethode. Diese Rahmenbedingungen

sind in der Anwendungsdomäne und definierten Aggregationsebene nicht gegeben.

Aus diesem Grund wird das MTM-2-System in Konzeptelement 1 nicht angewendet.

Das MTM-UAS-System ist dagegen auch für Tätigkeiten geeignet, bei welchen sich

vergleichbare Arbeitsinhalte in längeren Arbeitszyklen wiederholen. Für die Arbeits-

abläufe existieren Rahmenbedingungen, eine detaillierte Beschreibung der Arbeits-

methode ist nicht erforderlich. Diese Rahmenbedingungen treffen auf die Anwen-

dungsdomäne und die definierte Aggregationsebene zu. Daher wird in Konzeptele-

ment 1 neben dem MTM-SVL-System auch das MTM-UAS-System angewendet.

Integration körperlicher Belastung

Nachfolgend wird ein geeignetes Verfahren zur Integration der körperlichen Belas-

tungsbewertung ausgewählt. An das Verfahren werden folgende Muss-

Anforderungen gestellt. Das Verfahren muss die Belastungen „Heben, Halten und

Tragen“ sowie „Ziehen und Schieben“ in Kombination berücksichtigen. Außerdem

muss das Verfahren zur Bewertung der körperlichen Belastung wissenschaftlich an-

erkannt und validiert sein. Soll-Anforderung an das Verfahren ist, dass das Verfahren

möglichst einfach ist und wenige Parameter umfasst. Die Muss-Anforderungen wer-

den von dem Multiple-Lasten-Tool, dem Ovako Working Posture Analysing System

sowie dem European Assembly Worksheet erfüllt (siehe Tabelle 3-4).

4.1 Konzeptentwicklung zur Bewertung wiederkehrender Tätigkeitsfolgen in der Produktionslogistik

67

Die Soll-Anforderung wird insbesondere vom Multiple-Lasten-Tool erfüllt. Das Verfah-

ren basiert auf den einfach anzuwendenden Leitmerkmalmethoden und berücksich-

tigt als Belastungsart ausschließlich die Lasthandhabung. Die Leitmerkmalmethoden

werden zudem von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin und dem

Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik zur Beurteilung der Ge-

fährdungen aufgrund manueller Lasthandhabung explizit empfohlen [Jür-2001, S.13].

Die OWAS-Methode berücksichtigt die Ganzkörperhaltung in Kombination mit der

Lasthandhabung. Dies macht die Bewertung mit der OWAS-Methode aufwendiger.

Das EAWS-Verfahren wurde zur Bewertung der körperlichen Belastung in der Mon-

tage entwickelt. Daher berücksichtigt es neben Lasthandhabung auch Aktionskräfte,

erzwungene Körperhaltungen und Belastungen der oberen Extremitäten aufgrund

repetitiver Tätigkeiten mit hoher Wiederholungsfrequenz. Hieraus ergibt sich im Ver-

gleich zum Multiple-Lasten-Tool ebenfalls ein höherer Bewertungsaufwand.

Aus diesen Gründen wird als Belastungsmodell für Konzeptelement 1 das Multiple-

Lasten-Tool ausgewählt. Dieses wird im Folgenden erläutert.

Das Multiple-Lasten-Tool wurde im Rahmen des Forschungsverbundes „Kooperati-

onsprogramm zu normativem Management von Belastungen und Risiken bei körper-

licher Arbeit“ vom Institut für Arbeitswissenschaften an der Technischen Universität

Darmstadt entwickelt. Es dient insbesondere zur Bewertung von Tätigkeiten, bei wel-

chen ein breites Spektrum von Lasten, Häufigkeiten und Handhabungsarten auftritt

[IAD-2010, S.3]. Die Entwicklung wurde fachlich von der Bundesanstalt für Arbeits-

schutz und Arbeitsmedizin begleitet.

Die folgende Darstellung basiert auf den zur Entwicklung des Multiple-Lasten-Tools

veröffentlichten Hintergrundinformationen [IAD-2010]. Entsprechend den Leitmerk-

malmethoden werden als Eingangsparameter folgende Kriterien berücksichtigt:

- Gewicht

- Häufigkeit

- Haltung

- Ausführungsbedingungen

- Positioniergenauigkeit (nur für Ziehen oder Schieben)

Die Eingabe der einzelnen Lastfälle erfolgt zeilenweise in einem Tabellenkalkulati-

onsprogramm (Abbildung 4-2). Es werden folgende Fälle unterschieden: Umsetzen,

4 Konzeptelement 1: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Lasthandhabung

68

Halten (ab 5s), Tragen (ab 5m), Ziehen oder Schieben kurz und Ziehen oder Schie-

ben lang (ab 5m).

Abbildung 4-2: Zeilenweise Erfassung der Lastfälle im MLT (die Belastungsarten Umsetzen und Tragen wurden für die Abbildung ausgeblendet) [IAD-2016]

Die Berechnung des Risikopunktwertes erfolgt in den Leitmerkmalmethoden nach

folgender Formel

𝑅𝑊 = (𝐴 + 𝐵 + 𝐶 + 𝐷) ∗ 𝑡 (4-1)

mit:

𝑅𝑊 Risikopunktwert

𝐴 Lastwichtung

𝐵 Wichtung der Positioniergenauigkeit

𝐶 Haltungswichtung

𝐷 Ausführungswichtung

𝑡 Zeitwichtung.

Die Wichtungen werden in den Leitmerkmalmethoden auf Basis der Tabellen be-

stimmt (siehe Anhang A). Zur Integration in das Multiple-Lasten-Tool sind für die Ta-

bellen stetige Ersatzfunktion hinterlegt. Abbildung 4-3 zeigt die Wichtungstabelle Zeit

und die Approximation der Ersatzfunktion für den Fall Umsetzen.

4.1 Konzeptentwicklung zur Bewertung wiederkehrender Tätigkeitsfolgen in der Produktionslogistik

69

Abbildung 4-3: Interpolation der Zeitwichtung im MLT [IAD-2010, S.4]

Die Zusammenführung der unterschiedlichen Belastungsarten erfolgt über die Zeit-

wichtung. Hierzu wird die Zeitwichtung von Trage-, Halte-, Zieh- und Schiebevorgän-

gen in eine äquivalente Anzahl Umsetzvorgänge umgerechnet (siehe Abbildung 4-4).

Abbildung 4-4: Berechnung Anzahläquivalente MLT [IAD-2010, S.6]

Für die Kriterien Lastwichtung, Körperhaltung, Ausführungsbedingungen und Positi-

oniergenauigkeit wird für jeden Belastungsfall ein häufigkeitsgewichteter Mittelwert

berechnet.

Abbildung 4-5 zeigt die Berechnung des Gesamtergebnisses. Der degressive Kur-

venverlauf der Zeitwichtung wird durch eine Korrektur berücksichtigt. Die korrigierte

Zeitwichtung wird als relative Zeitwichtung bezeichnet (Zeile 7, Abbildung 4-5). Für

jeden Belastungsfall wird der Risikopunktwert unter Verwendung der relativen Zeit-

wichtung berechnet. Das Gesamtergebnis ergibt sich durch Addition der Risiko-

punktwerte je Belastungsfall (Zeile 13, Abbildung 4-5).

4 Konzeptelement 1: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Lasthandhabung

70

Abbildung 4-5: Berechnung Gesamtergebnis MLT [IAD-2010, S.9]

Die Summe aller Belastungspunkte wird mithilfe eines Ampelschemas interpretiert.

Das Risikoschema entspricht den Leitmerkmalmethoden [IAD-2010, S. 9]:

- Grün (0 bis < 25): Geringe Belastung, Gesundheitsgefährdung durch körperli-

che Überbeanspruchung ist unwahrscheinlich. Bei 10 bis 25 Punkte kann eine

körperliche Überbeanspruchung bei vermindert belastbaren Personen möglich

sein. Für diesen Personenkreis sind Gestaltungsmaßnahmen sinnvoll.

- Gelb (25 bis < 50): Wesentlich erhöhte Belastung, körperliche Überbeanspru-

chung ist auch für normal belastbare Personen möglich. Gestaltungsmaß-

nahmen sind angezeigt.

- Rot (> 50): Hohe Belastung, körperliche Überbeanspruchung ist wahrschein-

lich. Gestaltungsmaßnahmen sind erforderlich.

Integrierte Bewertung von zeitlicher Auslastung und körperlicher Belastung

Mithilfe der ausgewählten Zeit- und Belastungsmodelle können auf Basis von Refe-

renzprozessen Parametermodelle zur Bewertung von Zeit und Belastung erstellt

werden.

Im Folgenden werden für die Tätigkeiten der Gruppen „Fahr- und Handhabungstätig-

keiten“ sowie „Handhabungstätigkeiten“ Referenzprozess definiert. Diese basieren

auf den Prozessbeobachtungen im Rahmen der Feldstudie (Kapitel 3) und stellen

aus diesem Grund spezifische Prozesse und Abläufe aus dem Untersuchungsbe-

reich dar. Eine generelle Übertragbarkeit der Tätigkeitsfolgen ist nicht gegeben, da

Prozessabläufe und eingesetzte technische Hilfsmittel sich je nach Unternehmen und

Standorten unterscheiden. Zur betrieblichen Umsetzung von Konzeptelement 1 des

4.1 Konzeptentwicklung zur Bewertung wiederkehrender Tätigkeitsfolgen in der Produktionslogistik

71

erweiterten Systems vorbestimmter Zeiten ist daher die anwendungsspezifische An-

passung beziehungsweise eine Definition der Referenzprozesse erforderlich. Über-

tragbar ist die Strukturierung der Referenzprozesse in:

- GLT-Routenzug

- KLT-Routenzug

- MzW-Kommissionierung

- WzM-Kommissionierung

- Manuelles Umsetzen

- Manuelles Ziehen und Schieben

Tabelle 4-3 zeigt den Referenzprozess der betrachteten Tätigkeiten.

Tabelle 4-3: Referenzprozesse betrachteter Tätigkeitsfolgen von Konzeptelement 1

GLT-Routenzug

KLT-Routenzug

MzW-Kom-missionierung

WzM-Kom-missionierung

Manuelles Umsetzen

Manuelles Ziehen und Schieben

Tour starten Tour starten Auftrag vorbe-reiten

Auftrag vorbe-reiten

Vorbereiten / Identifizieren

Vorbereiten / Identifizieren

Fahrt zur Hal-testelle

Fahrt zur Hal-testelle

Weg zum Ent-nahmeort (ZS o. HHT)

Artikel-entnahme (HHT)

Gehen Gehen

Anhalten und Aussteigen

Halten und Aussteigen

Artikelentnah-me (HHT)

Ablage in Sammelbehäl-ter (HHT)

Behälter / Last aufnehmen (HHT)

Last aufneh-men

Volle GLT ent-laden (ZS)

Volle KLT entladen (HHT)

Ablage in Sammelbehäl-ter (HHT)

Quittieren Gehen (HHT)

Schieben (ZS)

Leere GLT beladen (ZS)

Leere KLT beladen (HHT)

Quittieren Abgabe des Auftrags (ZS o. HHT)

Behälter / Last abgeben (HHT)

Positionieren und Last ab-geben (ZS)

Einsteigen und Losfahren

Einsteigen und Losfahren

Weg zwischen Entnahmeorten (ZS o. HHT)

Aufrag nachbereiten

Nachbereiten / Quittieren

Nachbereiten / Quittieren

Fahrt zwischen Haltestellen

Fahrt zwischen Haltestellen

Weg zum Ab-gabeort (ZS o. HHT)

Beladung am Bahnhof

Beladung am Bahnhof

Abgabe des Auftrags (ZS o. HHT)

Auftrag nach-bereiten

Belastungsart in Klammern (): HHT: Heben, Halten oder Tragen ZS: Ziehen oder Schieben

4 Konzeptelement 1: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Lasthandhabung

72

Der Referenzprozess für den GLT-Routenzug umfasst folgende Schritte: Der Rou-

tenzugfahrer beginnt seine Tour und fährt zur ersten Haltestelle. Hier hält er an,

steigt aus, identifiziert an dieser Haltestelle auszuliefernde Behälter und schiebt die-

se vom Routenzug an den Anlieferort. In Abhängigkeit von dem verwendeten Rou-

tenzugsystem sind unterschiedliche Tätigkeiten zum Abkuppeln oder Entriegeln der

Behälter aus dem Schleppverbund durchzuführen. Stehen am Anlieferort leere Be-

hälter bereit, werden diese vom Routenzugfahrer mitgenommen. Gegebenenfalls löst

der Routenzugfahrer die Bestellung der geleerten Behälter durch das Einscannen

eines Barcodes aus. Nachdem alle Haltestellen angefahren wurden, fährt der Rou-

tenzug in den Bahnhof, um das Leergut abzuladen und neue Behälter aufzunehmen.

Dies kann entweder durch den Routenzugfahrer, einen separaten Mitarbeiter oder

automatisiert durchgeführt werden. Der Referenzprozess des KLT-Routenzuges

unterscheidet sich bezüglich der Tätigkeiten am Anlieferort. Dort werden die Kleinla-

dungsträger vom Anhänger gehoben und zu Durchlaufregalen am Anlieferort getra-

gen. Entsprechend unterscheidet sich die auftretende körperliche Belastung. Beim

GLT-Routenzug entsteht die körperliche Belastung durch das Ziehen und Schieben

der Großladungsträger. Beim KLT-Routenzug entsteht die körperliche Belastung

durch das Heben und Tragen der Kleinladungsträger.

Der Referenzprozess für die Mann-zu-Ware Kommissionierung umfasst Auftrags-

vorbereitung, Auftragsbearbeitung und Auftragsnachbearbeitung. Die Auftragsvorbe-

reitung beinhaltet Tätigkeiten wie die Erstellung der Auftragsdokumente, die Vorbe-

reitung des Wagens und die Aufnahme der Kommissionierliste. Die Auftragsbearbei-

tung beginnt mit dem Weg zum Standort des ersten Artikels. Anschließend wird der

Artikel entnommen, in einen Sammelbehälter abgelegt und die Entnahme quittiert.

Nachdem dieser Ablauf für alle Positionen des Auftrages durchlaufen wurde, wird der

Sammelbehälter zum Abgabeort gebracht. In der Auftragsnachbearbeitung können

Tätigkeiten wie Etikettieren oder Umpacken erforderlich sein. Die Art der Informati-

onsbereitstellung beeinflusst den Ablauf wesentlich. Daher ist beispielsweise eine

Unterscheidung zwischen Kommissionierliste, Barcodescanner, Pick-by-Light oder

Pick-by-Voice erforderlich. In der Ware-zu-Mann Kommissionierung entfallen die

Laufwege des Kommissionierers, da die Ware mithilfe von Fördertechnik zum Kom-

missionierer transportiert wird. Dieser entnimmt die geforderte Menge, legt die Artikel

in einen Sammelbehälter ab und quittiert die Entnahme. Die körperliche Belastung

des Kommissionierers entsteht durch das Umsetzen bei der Artikelentnahme sowie

im Fall der Mann-zu-Ware Kommissionierung durch das Ziehen und Schieben eines

Kommissionierwagens oder das Tragen eines Sammelbehälters.

Manuelle Handhabungsprozesse treten insbesondere im Wareneingang und Waren-

ausgang auf. Manuelles Umsetzen tritt insbesondere beim Depalettieren und in La-

4.1 Konzeptentwicklung zur Bewertung wiederkehrender Tätigkeitsfolgen in der Produktionslogistik

73

gern bei der Ein- und Auslagerung auf. Ein Beispiel ist das Umsetzen von Kleinla-

dungsträgern von einer Palette auf die Einlagerstichbahn eines automatischen Klein-

teilelagers. Manuelles Ziehen und Schieben wurde beispielsweise bei den soge-

nannten „Bandbetreuern“ identifiziert. Aufgabe der Bandbetreuer ist der Tausch von

gefüllten und leeren Behältern am Montageband sowie die Koordination des Behäl-

ter-Nachschubes per Stapler. Der grundsätzliche Ablauf besteht aus den Schritten

Identifizieren, Gehen, Last Bewegen und Quittieren.

Die definierten Referenzprozesse werden in einem Parametermodell hinterlegt. Ab-

bildung 4-6 zeigt den schematischen Aufbau hierzu.

Abbildung 4-6: Modellaufbau Konzeptelement 1

MTM-

Zeitbausteine

Eingangs-

parameter

Multiple-

Lasten-Tool

Referenzprozess für

TätigkeitsfolgeZeitliche

Auslastung

Körperliche

Belastung

GLT

Routenzug

KLT

Routenzug

GLT Behälter-

handhabung

M-z-W Kom-

missionierung

W-z-M Kom-

missionierungKLT Behälter-

handhabung

MTM-Zeit

Baustein AA x + B

MTM-

Zeitbaustein B1

MTM-

Zeitbaustein B2

oder

Parameter A:

z. B. Anzahl

Artikelentnahmen

Parameter B: Entscheidungsvariable z.B.

Kommissionierliste oder Pick-by-light

Übergabe rele-

vanter Parameter

A,

B,C

Ausgabe

Risikoindex

Berechnung Multiple-Lasten-Tool

Zeit

Belastung

Bildquelle: Screenshot Multiple-Lasten-Tool,

Institut für Arbeitswissenschaften der

Technischen Universität Darmstadt

4 Konzeptelement 1: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Lasthandhabung

74

Die Abläufe des Referenzmodells werden mithilfe von MTM-Zeitbausteinen be-

schrieben. Die Parameter, welche vom Anwender eingegeben werden, spezifizieren

Prozessalternativen (z. B. Kommissionierliste oder Pick-by-Light) und die Anzahl der

Vorgänge (z. B. Anzahl Artikelentnahmen). Hieraus wird die Gesamtdauer und die

zeitliche Auslastung der Mitarbeiter berechnet.

Im Referenzprozess sind die auftretenden Belastungsfälle hinterlegt. Die eingegebe-

nen Parameter spezifizieren diese bezüglich Gewicht, Häufigkeit, Haltung, Ausfüh-

rungsbedingungen und Positioniergenauigkeit (nur für Ziehen oder Schieben). Diese

werden an das Multiple-Lasten-Tool übergeben, in welchem die Bewertung der Be-

lastung umgesetzt ist. Das Ergebnis der Belastungsbewertung wird dem Anwender

als Ausgabe zurückgegeben.

4.1.4 Auswahl der Einflussparameter

Zur Sicherstellung der betrieblichen Anwendbarkeit soll Konzeptelement 1 möglichst

zeiteffizient anwendbar sein. Daher sollen die Parametermodelle zur Bewertung von

Zeit und Belastung möglichst wenige Eingangsparameter umfassen. Um dies zu er-

reichen, sollen Parameter mit geringem Einfluss auf das Ergebnis als Konstanten im

Modell fixiert werden.

In Kapitel 4.1.1 wurde die Anforderung definiert, dass das Belastungsmodell erprobt

und wissenschaftlich anerkannt ist. Diese Anforderung erlaubt keine Änderung des

Belastungsmodells. Aus diesem Grund wird ausschließlich das Zeitmodell untersucht

und vereinfacht. Im Rahmen der Untersuchung wird aus diesem Grund der Einfluss

der Eingangsgrößen auf die Ergebnisgröße Zeit betrachtet.

Der Einfluss eines Eingangsparameters auf eine Ausgangsgröße kann mithilfe einer

Sensitivitätsanalyse ermittelt werden. Es wird zwischen lokalen und globalen Metho-

den unterschieden [Sch-2005a, S.11]. Die lokale Sensitivitätsanalyse untersucht den

Einfluss eines Eingangsparameters auf die Ausgangsgröße lokal an einem Punkt.

Hierzu wird der zu untersuchende Parameter in seinem Wertebereich variiert, wäh-

rend die verbleibenden Parameter konstant gehalten werden. Basierend auf der ers-

ten Ableitung wird die lokale Sensitivität mithilfe des normierten Sensitivitätskoeffi-

zienten 𝑠𝑖𝜎 bestimmt [Sal-2008, S. 15f]:

𝑠𝑖𝜎 =

𝜕𝑦

𝜕𝑥𝑖∗

𝜎𝑥𝑖

𝜎𝑦 (4-2)

4.1 Konzeptentwicklung zur Bewertung wiederkehrender Tätigkeitsfolgen in der Produktionslogistik

75

mit:

𝑦 Modellausgangsparameter

𝑥𝑖 Modelleingangsparameter

𝑠𝑖𝜎 Normierter Sensitivitätskoeffizient des Eingangsparameters 𝑥𝑖

𝑠𝑖𝜎 berücksichtigt die erste partielle Ableitung, die Verteilung der Eingangsgrößen,

und ist normiert auf den Wertebereich von (0,1). Für lineare Modelle hat das Ergeb-

nis globale Gültigkeit. 𝑠𝑖𝜎 stellt somit ein geeignetes Maß zur Bestimmung der Sensi-

tivität linearer Modelle dar. [Sal-2008, S. 15f]

Für nicht-lineare Modelle ist das Ergebnis nur an dem betrachteten Punkt gültig und

stellt daher kein geeignetes Maß zur Bestimmung der Sensitivität dar. In diesem Fall

müssen globale Verfahren verwendet werden, welche die Sensitivität an verschiede-

nen Punkten im Raum betrachten. Mithilfe der linearen Regression kann ein nicht-

lineares Modell linearisiert werden. An dem linearen Ersatzmodell lässt sich die Sen-

sitivität der Eingangsgrößen einfach bestimmen. Das lineare Ersatzmodell hat fol-

gende Form:

𝑦 = 𝑏0 + ∑ 𝑏𝑖 ∗ 𝑥𝑖

𝑟

𝑖=1

(4-3)

mit:

𝑦 Modellausgangsparameter

𝑥𝑖 Modelleingangsparameter

𝑏0, 𝑏𝑖 Regressionskoeffizienten

Die Regressionskoeffizienten 𝑏0, 𝑏𝑖 werden durch Minimierung der mittleren quadrati-

schen Abweichung zwischen dem Originalmodell und dem linearen Ersatzmodell be-

rechnet [Sch-2005a, S.23]. Durch Normieren des Koeffizienten 𝑏𝑖 mit dem Quotien-

ten der Standardabweichungen 𝜎𝑥𝑖𝜎y⁄ erhält man den standardisierten Regressions-

koeffizienten 𝛽𝑖 [Sch-2005a, S.23]. Dieser ist ein direktes Maß für die Sensitivität des

Eingangsparameters 𝑥𝑖 und entspricht für lineare Modelle dem normierten Sensitvi-

tätskoeffizienten 𝑠𝑖𝜎. Für nicht-lineare Modelle ist die Summe der quadrierten Regres-

sionskoeffizienten 𝑅2 nach Formel (4-4) kleiner 1 und entspricht dem linearen Anteil

des Modells [Sal-2008, S.19]:

𝑅2 = ∑(𝛽𝑖)2

𝑟

𝑖=1

(4-4)

4 Konzeptelement 1: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Lasthandhabung

76

Für Modelle mit großem 𝑅2 wird ein großer Anteil der Varianz durch das lineare Er-

satzmodell abgebildet. In diesem Fall stellt die lineare Regression eine geeignete

Methode zur Untersuchung der Sensitivität dar. Für kleine 𝑅2 ist dies dagegen nicht

zutreffend und die Regressionskoeffizienten stellen kein geeignetes Maß zur Be-

stimmung der Sensitivität dar. [Sal-2008, S.19-20]

In diesem Fall muss auf varianzbasierte Methoden zurückgegriffen werden. Dabei

wird untersucht, welche Varianz sich in der Ausgangsgröße ergibt, falls alle Ein-

gangsparameter bis auf den untersuchten Eingangsparameter 𝑥𝑖 variiert werden. Je

größer diese Varianz im Verhältnis zur gesamten Varianz ist, desto geringer ist der

Einfluss der Eingangsgröße 𝑥𝑖 auf 𝑦. Dies wird als bedingte Varianz 1.Ordnung be-

zeichnet und ist für additive Modelle ausreichend. Für nicht-additive Modelle müssen

zusätzlich Effekte höherer Ordnung berücksichtigt werden. Der Berechnungsaufwand

hierfür steigt exponentiell mit der Anzahl der Eingangsparameter an [Sal-2008, S.

31]. Aufgrund der hohen Komplexität der Methoden muss zur Berechnung auf ent-

sprechende Software und Algorithmen zurückgegriffen22.

Zur Auswahl einer geeigneten Methode wird an dieser Stelle auf das Parametermo-

dell des GLT-Routenzuges vorgegriffen, welches in Kapitel 4.2 vorgestellt wird. Aus

dem Parametermodell für den GLT-Routenzug wird der Zeitbaustein Fahren hinsicht-

lich Linearität und Additivität untersucht. Die Fahrzeit berechnet sich aus dem Quoti-

enten der Fahrstrecke und der Geschwindigkeit multipliziert mit der Anzahl Fahrten

pro Schicht. Dazu kommen die Zeiten für Verzögerungen:

𝑦𝐹𝑎ℎ𝑟𝑧𝑒𝑖𝑡 = (𝑥3

𝑥5+ 𝑐1 ∗ 𝑥12 + 𝑐2 ∗ 𝑥8 + 𝑐3 ∗ 𝑥10) ∗ 𝑥1 ∗ 𝑥2 (4-5)

mit:

𝑦𝐹𝑎ℎ𝑟𝑧𝑒𝑖𝑡 Fahrzeit je Schicht

𝑥1 Gesamtzahl Touren je Schicht

𝑥2 Staufaktor

𝑥3 Fahrweg je Tour

𝑥5 Geschwindigkeit

𝑥8 Anzahl Bandüberfahrten

𝑥10 Anzahl Durchfahrten Hallentor je Tour

𝑥12 Anzahl 90-Grad-Kurven je Tour

𝑐11 Zeitkonstante für 90-Grad-Kurve

22

Vgl.: [Cuk-1978; Sal-1999].

4.1 Konzeptentwicklung zur Bewertung wiederkehrender Tätigkeitsfolgen in der Produktionslogistik

77

𝑐2 Zeitkonstante für Bandüberfahrt

𝑐3 Zeitkonstante für Durchfahrt Hallentor

Der Baustein wird hinsichtlich Linearität und Additivität untersucht. Ein System ist

linear, falls es als �⃑� = �⃑� ∗ 𝛽 + 𝜀 dargestellt werden kann [Sch-2005a, S. 12]. Dies ist

für (4-5) nicht erfüllt, da 𝑥3 und 𝑥5 in einem Quotienten auftreten. Ein System ist addi-

tiv, wenn zweimaliges Ableiten nach unterschiedlichen Eingangsparametern null

ergibt, also 𝜕𝑦 (𝜕𝑥1 ∗ 𝜕𝑥2)⁄ = 0 erfüllt ist [Sch-2005a, S. 13]. Dies ist für (4-5) eben-

falls nicht erfüllt, da

𝜕𝑦2

𝜕𝑥1∗𝜕𝑥2=

𝑥3

𝑥5+ 𝑐1 ∗ 𝑥12 + 𝑐2 ∗ 𝑥8 + 𝑐3 ∗ 𝑥10 ≠ 0 (4-6)

Damit ist gezeigt, dass der Prozessbaustein Fahrt nicht-linear und nicht-additiv ist.

Das Gesamtmodell, welches diesen Baustein beinhaltet, ist damit insgesamt nicht-

additiv und nicht-linear. Zur Untersuchung der in Konzeptelement 1 entworfenen Pa-

rametermodelle ist eine lineare Sensitivitätsanalyse daher nicht geeignet. Aufgrund

der hohen Komplexität ist eine varianzbasierte Sensitivitätsanalyse ebenfalls nur be-

dingt geeignet. Dies würde dem Ziel einer einfachen betrieblichen Anwendbarkeit

zuwiderlaufen. Daher wird zur Untersuchung des Einflusses der Eingangsparameter

auf die zeitliche Auslastung die multiple lineare Regression angewendet. Die Metho-

de kann einfach angewendet werden und bietet eine ausreichende Lösung für die

Problemstellung.

4 Konzeptelement 1: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Lasthandhabung

78

4.1.5 Vorgehensweise zur Umsetzung von Konzeptelement 1

Im folgenden Abschnitt wird das Vorgehen zur Umsetzung der integrierten Bewer-

tung von Zeit und Belastung aufgrund Lasthandhabung vorgestellt. Das Vorgehen

wird in Teilkapitel angewendet.

Die Vorgehensweise ist in fünf Schritte unterteilt (siehe Abbildung 4-7).

Abbildung 4-7: Vorgehensmodell zur betrieblichen Umsetzung von Konzeptelement 1

Im ersten Schritt wird eine Ablaufanalyse der Tätigkeit durchgeführt, für welche das

Parametermodell entwickelt werden soll. Hierzu werden zunächst Arbeitsplätze iden-

tifiziert, an denen die Tätigkeit durchgeführt wird. Anschließend werden Arbeitsab-

laufanalysen der Tätigkeiten erstellt. Die erfassten Informationen können durch eine

Arbeitsfolgedarstellung veranschaulicht werden. Die Analyse sollte mehrmals bei

verschiedenen Mitarbeitern und zu unterschiedlichen Zeiten durchgeführt werden.

Basierend auf der Analyse wird der Referenzprozess angepasst und im Detail aus-

gearbeitet.

Zur Erstellung des Zeitmodells werden die einzelnen Aktivitäten innerhalb dieses Re-

ferenzprozesses mit MTM-Zeitbausteinen modelliert. Zur Erstellung des Belastungs-

modells werden alle Lastfälle im Referenzprozess identifiziert. Hieraus können im

nächsten Schritt die Eingangsparameter abgeleitet werden und das Modell auf Basis

eines Tabellenkalkulationsprogrammes umgesetzt werden.

Nach der Modellerstellung wird die Sensitivitätsanalyse durchgeführt. Hierzu werden

für jeden Eingangsparameter ein Mittelwert und eine Verteilungsfunktion definiert.

1. Referenzprozess: Ablaufanalyse und

Festlegen Referenzprozess

2. Modellerstellung: Abbildung Zeit und

Belastung als Parametermodell

3. Sensitivitätsanalyse: Durchführung

multiple lineare Regressionsanalyse

4. Modellvereinfachung: Fixierung

nicht-einflussreicher Parameter

5. Ergebnisabsicherung: Berechnung

zu erwartender Fehler

4.1 Konzeptentwicklung zur Bewertung wiederkehrender Tätigkeitsfolgen in der Produktionslogistik

79

Anschließend wird eine Monte-Carlo-Simulation durchgeführt. Das heißt, für die Ein-

gangsparameter werden entsprechend der definierten Verteilung Zufallswerte gene-

riert und das Modell an diesen Stellen ausgewertet. Diese Daten stellen die Ein-

gangsdaten zur Berechnung der Regressionskoeffizienten dar. Die standardisierten

Regressionskoeffizienten 𝛽𝑖 bilden die Sensitivität der Eingangsparameter ab, wobei

der Parameter mit dem höchsten Koeffizienten den größten Einfluss auf die Gesamt-

zeit hat. Zur Überprüfung der Modellgüte wird 𝑅2 nach (4-4) berechnet. Je größer 𝑅2,

desto kleiner ist der Fehler durch die Linearisierung und desto genauer approximie-

ren die standardisierten Regressionskoeffizienten 𝛽𝑖 die Sensitivität der Eingangspa-

rameter 𝑥𝑖 . Als Kriterium wird in der vorliegenden Arbeit 𝑅2 > 0,9 als ausreichend

akzeptiert.

Im Modell werden diejenigen Faktoren fixiert, welche einen geringen Einfluss auf das

Ergebnis haben und nicht als Eingangsparameter in das Belastungsmodell eingehen.

Als Grenzwert wird in der vorliegenden Arbeit 𝛽𝑖 < 0,03 verwendet.

Im letzten Schritt wird der zu erwartende Fehler aufgrund der Fixierung der nicht-

einflussreichen Parameter berechnet. Für das ursprüngliche Modell werden per Mon-

te-Carlo-Simulation zufällige Eingangsvektoren erzeugt und ausgewertet. Diese stel-

len das ursprüngliche vollständige Modell dar. Nun werden dieselben Szenarien er-

neut ausgewertet, wobei die fixierten Eingangsparameter auf ihrem Mittelwert blei-

ben. Diese Auswertung stellt das vereinfachte Modell dar. In jedem Szenario kann

nun die Differenz zwischen dem Ergebnis des vollständigen und des vereinfachten

Modells ermittelt werden. Das arithmetische Mittel aller Differenzen stellt den Fehler

dar, welcher aus der Modellvereinfachung resultiert. Entsprechend der Zielstellung

können die vorgeschlagenen Grenzwerte vom Anwender angepasst werden.

4 Konzeptelement 1: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Lasthandhabung

80

4.2 Umsetzung von Konzeptelement 1 am Beispiel eines industriellen GLT-Routenzugprozesses

In nachfolgendem Abschnitt wird Konzeptelement 1 anhand eines industriellen GLT-

Routenzugprozesses umgesetzt. Der Aufbau orientiert sich an der in Kapitel 4.1.5

vorgestellten Vorgehensweise.

Routenzüge ermöglichen eine effiziente Materialversorgung der Produktion mit klei-

nen Losgrößen und hoher Frequenz. Routenzüge fahren in der Regel auf einer vor-

gegeben Strecke zu festen Zeiten. Dies erfordert bereits in der Planungsphase eine

genaue Berechnung der Prozess- und Fahrzeiten. Aufgrund der manuellen Last-

handhabungstätigkeiten muss zusätzlich die körperliche Belastung der Mitarbeiter

berücksichtigt werden.

4.2.1 Referenzprozess

Ein Routenzug besteht aus einem angetriebenen Zugfahrzeug und mehreren nicht-

angetriebenen Anhängern. Der Routenzug wird in einem Lagerbereich beladen und

beliefert auf einer Tour mehrere Verbrauchsorte. Abbildung 4-8 zeigt den Referenz-

prozess des GLT-Routenzuges.

Abbildung 4-8: Schematische Prozessdarstellung für GLT–Routenzug.

Der Referenzprozess umfasst die Versorgung eines Produktionsbereiches mit Groß-

ladungsträgern. Die Behälter werden auf einem Transporthilfsmittel (Rolluntergestell)

transportiert und am Anlieferort bereitgestellt. Der Referenzprozess unterstellt fol-

genden Ablauf: Der Routenzug wird am Bahnhof beladen (𝑦1), fährt auf einer festen

Lager Produktion

Haltestelle

Beladung ( )

Fahrt ( )

Haltestelle ( )

Leergut-Beladung ( )

Vollgut-Entladung( )

Gefüllter GLT auf Rolluntergestell Leerer GLT auf Rolluntergestell

4.2 Umsetzung von Konzeptelement 1 am Beispiel eines industriellen GLT-Routenzugprozesses

81

Route (𝑦2), hält an den Haltestellen (𝑦3), entlädt gefüllte Behälter (𝑦4), belädt leere

Behälter (𝑦5) und fährt zurück zum Lager.

4.2.2 Modellerstellung

Das Zeitmodell setzt sich aus MTM-Zeitbausteinen zusammen. Basis des Belas-

tungsmodells bildet die LMM-Methode sowie das hierauf aufbauende Multiple-

Lasten-Tool (siehe Kapitel 4.1.3). Das Modell wurde auf Basis von MS-Excel erstellt.

Auf dem ersten Tabellenblatt werden die Eingangsparameter eingegeben und dem

Benutzer das Resultat, die zeitliche Auslastung und die körperliche Belastung aus-

gegeben. Die Berechnung der zeitlichen Auslastung ist im zweiten Tabellenblatt hin-

terlegt. Die Berechnung basiert auf MTM-Zeitbausteinen und wurde analytisch formu-

liert. Zur Integration der körperlichen Belastung wurde das Multiple-Lasten-Tool di-

rekt als drittes Blatt in die MS-Excel-Datei eingebunden. Zur Berechnung werden die

relevanten Parameter übergeben.

Abbildung 4-9: Screenshot der Ein- und Ausgabemaske (Konzeptelement 1)

Zeitmodell

Das Zeitmodell ist entsprechend dem Referenzprozess modular aufgebaut und be-

steht aus fünf Bausteinen:

𝑦 = 𝑦1 + 𝑦2+ 𝑦3 + 𝑦4 + 𝑦5 (4-7)

mit:

𝑦 Gesamtarbeitszeit [s]

𝑦1 Beladung [s]

4 Konzeptelement 1: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Lasthandhabung

82

𝑦2 Fahrt [s]

𝑦3 Anhalten und Losfahren an der Haltestelle [s]

𝑦4 Vollgut-Entladung [s]

𝑦5 Leergut-Beladung [s]

Das Zeitmodell umfasst Eingangsparameter (𝑥𝑖) sowie Zeitkonstanten (𝑐𝑖). Die Zeit-

konstanten basieren auf MTM-Zeitbausteinen. Die Werte der Zeitkonstanten finden

sich in Anhang D.

Die Beladung im Lager kann manuell oder automatisiert durchgeführt werden. Die

manuelle Beladung erfolgt entweder durch den Routenzugfahrer oder durch einen

weiteren Mitarbeiter. Eine automatisierte Beladung ist vor allem im Bereich der KLT-

Routenzüge verbreitet. Abläufe und Prozesszeiten in der Beladung können sich je

nach technischer und organisatorischer Umsetzung wesentlich unterscheiden [Gün-

2012, S.55ff]. Aus diesem Grund wird die Beladung nicht in das Modell integriert und

die Zeit am Bahnhof geht direkt als Parameter in das Modell ein:

𝑦1 = 𝑥11 (4-8)

mit:

𝑥11 Zeit im Bahnhof [s]

Die Fahrzeit je Tour ergibt sich aus dem Quotienten der Fahrstrecke und der Ge-

schwindigkeit. Verzögerungen durch andere Fahrzeuge im Werk werden mit einem

Staufaktor abgebildet. Addiert werden zusätzliche Zeiten für 90-Grad-Kurven, Band-

überfahrten und Schleusen (Hallentore). Die Gesamtfahrzeit 𝑦2 je Schicht ergibt sich

durch Multiplikation der Fahrzeit je Tour mit der Anzahl Touren:

𝑦2 = (𝑥3

𝑥5+ 𝑐1 ∗ 𝑥12 + 𝑐2 ∗ 𝑥8 + 𝑐3 ∗ 𝑥10) ∗ 𝑥1 ∗ 𝑥2 (4-9)

mit:

𝑦2 Fahrzeit je Schicht [s]

𝑥1 Anzahl Touren je Schicht

𝑥2 Staufaktor

𝑥3 Fahrweg je Tour [m]

𝑥5 Fahrgeschwindigkeit [m/s]

𝑥8 Anzahl Bandüberfahrten je Tour

4.2 Umsetzung von Konzeptelement 1 am Beispiel eines industriellen GLT-Routenzugprozesses

83

𝑥10 Anzahl Schleusen-Durchfahrten je Tour

𝑥12 Anzahl 90-Grad-Kurven je Tour

𝑐11 Zeitkonstante für 90-Grad-Kurve [s]

𝑐2 Zeitkonstante für Bandüberfahrt [s]

𝑐3 Zeitkonstante für Schleusen-Durchfahrt [s]

An der Haltestelle hält der Mitarbeiter den Routenzug an, steigt aus und geht zum

ersten auszuliefernden Behälter. Die anschließende Vollgut-Entladung (𝑦4) und Leer-

gut-Beladung (𝑦5) werden in separaten Bausteinen abgebildet. Nach Abschluss die-

ser Tätigkeiten geht der Mitarbeiter zum Zugfahrzeug zurück und fährt wieder an. Die

Zeiten für Bremsen, Aussteigen, Einsteigen und Anfahren werden in einer Zeitkon-

stanten (𝑐5) zusammengefasst. Die Weglänge vom Zugfahrzeug zum ersten auszu-

liefernden Behälter wird über eine Schicht gemittelt. Vereinfachend wird daher ange-

nommen, dass der Mitarbeiter jeweils die halbe Routenzuglänge zu den Behältern

hin- und wieder zurück geht. Diese Vorgänge werden an jeder Haltestelle durchge-

führt, weshalb die resultierende Zeit mit der Anzahl Haltestellen multipliziert wird:

𝑦3 = (𝑐4 ∗𝑥6

2∗ 2 + 𝑐5) ∗ 𝑥7 ∗ 𝑥1 (4-10)

mit:

𝑥6 Länge Routenzug [m]

𝑥7 Anzahl Haltestellen je Tour

𝑐4 Zeitkonstante Gehen [s/m]

𝑐5 Zeitkonstante Anhalten, Aussteigen, Einsteigen, Anfahren [s]

Nachdem Anfahren der Haltestelle erfolgt die Auslieferung der gefüllten Behälter.

Zunächst müssen die auszuliefernden Behälter erfasst werden. Dies wird im Modell

über das Lesen und Vergleichen einer Sachnummern an Behälter und Anlieferort

abgebildet. Anschließend wird der Behälter aus dem Routenzug gelöst, zum Anlie-

ferort geschoben und positioniert. Diese Einzelzeiten werden addiert und mit der An-

zahl Behälter je Schicht multipliziert:

𝑦4 = (𝑐6 ∗ 𝑥18 + 𝑐7 ∗ 𝑥17 + 𝑐8 ∗ 𝑥14 + 𝑐9 ∗ 𝑥9 + 𝑥15 + 𝑐10)

∗ 𝑥4

(4-11)

mit:

𝑥4 Anzahl Behälter je Schicht

𝑥9 Weg von Haltestelle zum Anlieferort [m]

𝑥14 Anteil Behälter mit genauer Positionierung am Anlieferort [%]

4 Konzeptelement 1: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Lasthandhabung

84

𝑥15 Zeit Behälter entladen [s]

𝑥17 Anzahl zu vergleichender Codes (3-stellige Ziffernfolge)

𝑥18 Anzahl zu lesender Codes (3-stellige Ziffernfolge)

𝑐6 Zeitkonstante Code Lesen [s]

𝑐7 Zeitkonstante Code Vergleichen [s]

𝑐8 Zeitkonstante Behälter positionieren [s]

𝑐9 Zeitkonstante Voll-Behälter schieben [s/m]

𝑐10 Zeitkonstante Voll-Behälter Anschieben und Abbremsen [s]

Im Gegenzug zur Anlieferung gefüllter Behälter werden leere Behälter mitgenom-

men. Der Mitarbeiter schiebt die leeren Behälter vom Anlieferort zur Haltestelle und

fixiert diese im Routenzug. Gegebenenfalls wird per Barcode-Scanner eine Nachbe-

stellung der geleerten Behälter ausgelöst. Die Summe der hierfür notwendigen Zeit

wird mit der Anzahl Behälter je Schicht multipliziert:

𝑦5 = (𝑐11 ∗ 𝑥9 + 𝑐12 ∗ 𝑥13 + 𝑥16 + 𝑐13) ∗ 𝑥4 (4-12)

mit:

𝑥13 Entscheidungsvariable für Leergut scannen [0; 1]

𝑥16 Zeit Behälter beladen [s]

𝑐11 Zeitkonstante Leer-Behälter schieben [s/m]

𝑐12 Zeitkonstante Leer-Behälter scannen [s]

𝑐13 Zeitkonstante Leer-Behälter Anschieben und Abbremsen [s]

Belastungsmodell

Die dominante körperliche Belastung ergibt sich bei GLT-Routenzügen durch das

Ziehen oder Schieben der Behälter am Anlieferort.

Zur Berechnung der Belastungen beim Ziehen und Schieben wird das Multiple-

Lasten-Tool verwendet. Für das Ziehen und Schieben unterscheidet dieses zwischen

Ziehen und Schieben bis zu fünf Meter („Ziehen Schieben kurz“) sowie Ziehen und

Schieben ab fünf Meter („Ziehen Schieben lang“). In der Belastungsberechnung wird

für „Ziehen Schieben kurz“ nur die Anzahl Schiebevorgänge und nicht die Weglänge

berücksichtigt. Für „Ziehen Schieben lang“ wird dagegen nur die über eine Schicht

kumulierte Weglänge berücksichtigt und die Anzahl der Schiebevorgänge wird ver-

nachlässigt. Der Hintergrund dieser Unterscheidung ist, dass im Fall kurzer Schiebe-

vorgänge die Belastung durch das Anschieben und Abbremsen der Last überwiegt

[Ste-2008, S. 14]. An der Grenze zwischen „Ziehen Schieben kurz“ und „Ziehen

Schieben lang“ ergibt sich aufgrund dieser Unterscheidung eine Unstetigkeit.

4.2 Umsetzung von Konzeptelement 1 am Beispiel eines industriellen GLT-Routenzugprozesses

85

Dies wurde in einer durch den Autor betreuten Studienarbeit untersucht [fml-2014b,

S. 45ff]. Abbildung 4-10 zeigt für die Fälle „1 Bewegung“, „10 Bewegungen“ und „100

Bewegungen“, wie sich der Risikowert für das Schieben eines 100 Kilogramm

schweren Behälters auf einem Rolluntergestell verhält.

Abbildung 4-10: Unstetigkeit im MLT beim Übergang von ZS kurz zu ZS lang [fml-2014b, S.47]

Aus der Untersuchung geht hervor, dass die Funktion „Ziehen Schieben kurz“ für den

Grenzfall bei fünf Meter zu einem höheren Risikopunktwert führt, als die Funktion

„Ziehen Schieben lang“. Die Grenzlänge, ab welcher die Funktion „Ziehen Schieben

lang“ den gleichen Risikopunktwert wie die Funktion „Ziehen Schieben kurz“ erreicht,

ist abhängig von der Anzahl Bewegungen pro Schicht.

In der industriellen Praxis wird aus Produktivitätsgründen eine möglichst kurze Ent-

fernung zwischen Haltestelle des Routenzuges und Anlieferort des Behälters ange-

strebt. Diese liegt in der Regel bei wenigen Metern. Für diesen Wertebereich ergibt

die Funktion „Ziehen Schieben lang“ geringere Belastungswerte als „Ziehen Schie-

ben kurz“. Aus diesem Grund werden alle Schiebevorgänge im Parametermodell als

„Ziehen Schieben kurz“ bewertet. Dies stellt eine konservative Bewertung sicher.

Falls ein wesentlicher Teil der Weglängen deutlich über 10 Meter liegt (13,7 Meter für

100 Bewegungen je Schicht), müsste das Parametermodell entsprechend angepasst

werden.

0

5

10

15

20

25

30

0 5 10 15 20 25 30

Pu

nktw

ert

im

ML

T

Distanz in [m]

1 Bewegung

10 Bewegungen

100 Bewegungen

17,3 m

21,8 m

ZS kurz ZS lang

13,7 m

4 Konzeptelement 1: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Lasthandhabung

86

Als Parameter werden dem Multiple-Lasten-Tool folgende Parameter übergeben:

- 𝑥4 Anzahl Behälter je Schicht

- 𝑥14 Anteil Behälter mit genauer Positionierung am Anlieferort [%]

- 𝑥19 Gewicht Transporteinheit (Behälter plus Transporthilfsmittel) [kg]

- 𝑥20 Körperhaltung23

- 𝑥21 Ausführungsbedingungen24

- 𝑥22 Bockrollen

Die resultierende Belastung ergibt sich durch Auswertung dieser Parameter entspre-

chend der in Kapitel 4.1.3 dargestellten Berechnungsvorschrift.

4.2.3 Sensitivitätsanalyse

Im Folgenden wird der Einfluss der Eingangsparameter im Zeitmodell untersucht.

Das Belastungsmodell wird aufgrund der in Kapitel 4.1.1 definierten Anforderung, ein

erprobtes und wissenschaftlich anerkanntes Verfahren zu verwenden, nicht ange-

passt. Im ersten Schritt werden für die Eingangsparameter Minimal- und Maximalwer-

te festgelegt (siehe Anhang D). Diese sind so gewählt, dass realistisch auftretende

Fälle abgedeckt werden, welche von betrieblichen Praktikern festgelegt wurden. Zwi-

schen Minimal- und Maximalwert wird eine Gleichverteilung angenommen.

Anschließend wird eine Monte-Carlo-Simulation durchgeführt. Das Modell umfasst

𝑖 = 18 Eingangsparamter. Für jeden der Eingangsparameter wird ein Zufallswert

generiert und das Modell an diesen Stellen ausgewertet. Als Stichprobengröße wird

𝑁 = 10000 gewählt, so dass 𝑁 >> 𝑖. Dies stellt die Eingangsdaten für die Berech-

nung der Regressionskoeffizienten dar. Als Programm für die Berechnung der Re-

gressionskoeffizienten wird IBM SPSS verwendet. Das Ergebnis der Berechnung, die

standardisierten Regressionskoeffizienten 𝛽𝑖, sind in Tabelle 4-4 aufgeführt. Die voll-

ständigen Berechnungsergebnisse finden sich in Anhang D.

23

Haltungswichtung entsprechend der tabellarischen Einstufungshilfen (siehe Anhang B): 1=Rumpf aufrecht, keine Verdre-hung; 2=Rumpf leicht vorgeneigt oder leicht verdreht; 3=Stärkere Neigung des Körpers in Bewegungsrichtung, Hocken, Knien, Bücken; 4=Kombination von Bücken und Verdrehen.

24 Ausführungswichtung entsprechend der tabellarischen Einstufungshilfen (siehe Anhang B): 0=Gut; 2=Eingeschränkt (z. B.

Fußboden verschmutzt, etwas uneben); 4=Schwierig (z. B. unbefestigter oder grob gepflasterter Fahrweg); 8=Kompliziert (z. B. Stufen, Neigung > 5°).

4.2 Umsetzung von Konzeptelement 1 am Beispiel eines industriellen GLT-Routenzugprozesses

87

Tabelle 4-4: Standardisierte Regressionskoeffizienten

𝑥𝑖 Bezeichnung 𝛽𝑖

𝑥1 Anzahl Touren je Schicht 0,723

𝑥2 Staufaktor 0,133

𝑥3 Fahrweg je Tour 0,512

𝑥4 Anzahl Behälter je Schicht 0,243

𝑥5 Geschwindigkeit 0,101

𝑥6 Länge Routenzug 0,060

𝑥7 Anzahl Haltestellen je Tour 0,184

𝑥8 Anzahl Bandüberfahrten je Tour 0,108

𝑥9 Weg von Haltestelle zum Anlieferort 0,098

𝑥10 Anzahl Hallentor-Durchfahrten je Tour 0,084

𝑥11 Zeit im Bahnhof 0,040

𝑥12 Anzahl 90 Grad Kurven je Tour 0,019

𝑥13 Entscheidungsvariable für Leergutscan 0,023

𝑥14

Anteil Behälter mit genauer Positionierung am

Anlieferort (%) 0,026

𝑥15 Zeit Behälter entladen 0,039

𝑥16 Zeit Behälter beladen 0,042

𝑥17 Anzahl zu vergleichender Codes 0,028

𝑥18 Anzahl zu lesender Codes 0,021

𝑅2 Summe der quadrierten Regressionskoeffizienten 0,948

Unterstrichene Parameter erfüllen Nicht-Sensitivitätsbedingung (𝛽𝑖 < 0,03)

Die Auswertung von 𝑅2 ergibt einen Wert von 0,948, d. h. mithilfe der gewählten Re-

gressionskoeffizienten werden 94,8% der ursprünglichen Modellvarianz abgebildet.

Dies stellt eine hohe Übereinstimmung dar. Hieraus folgt, dass die multiple Regres-

sionsanalyse die gegebene Problemstellung mit hoher Genauigkeit löst und die stan-

dardisierten Regressionskoeffizienten ein aussagekräftiges Maß für den Einfluss der

Eingangsparameter auf die Ausgangsgröße darstellen.

4.2.4 Modellvereinfachung

Die in Kapitel 4.1.4 festgelegte Bedingung für Nicht-Sensitivität 𝛽𝑖 < 0,03 wird von

den Parametern 𝑥12, 𝑥13, 𝑥14, 𝑥17, 𝑥18 erfüllt. Da der Parameter 𝑥14 auch in das Belas-

tungsmodell eingeht, wird 𝑥14 nicht als Konstante fixiert. Im Modell werden daher fol-

gende Parameter fixiert:

- 𝑥12 90-Grad-Kurven je Tour

4 Konzeptelement 1: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Lasthandhabung

88

- 𝑥13 Scannen des Leerguts

- 𝑥17 Anzahl zu vergleichender Codes

- 𝑥18 Anzahl zu lesender Codes

Diese Parameter werden auf ihrem Erwartungswert 𝑥e fixiert und gehen als Konstan-

ten in das vereinfachte Modell ein.

4.2.5 Ergebnisabsicherung

Um die Auswirkung dieser Modelländerung abzuschätzen, wird abschließend eine

Fehleranalyse durchgeführt. Hierzu wurde das ursprüngliche und das vereinfachte

Modell an 500 Zufalls-Punkten ausgewertet und die Differenz bestimmt. Das arithme-

tische Mittel aller Differenzen stellt den zu erwartenden Fehler �̅� dar. Die Berechnung

ergibt einen zu erwartenden Fehler von �̅� = 2,9%. Die Verwendung des vereinfach-

ten Modells führt gegenüber dem Originalmodell folglich zu einer durchschnittlichen

Abweichung um 2,9%.

4.2.6 Diskussion der Ergebnisse

Konzeptelement 1 des erweiterten Systems vorbestimmter Zeiten wurde am Beispiel

des GLT-Routenzuges umgesetzt. Mithilfe einer Sensitivitätsanalyse wurde der Ein-

fluss der Eingangsparameter auf die Ausgangsgrößen untersucht. Zur Einteilung

werden vier Gruppen vorgeschlagen.

Die Parameter der ersten Gruppe bestimmen maßgeblich die zeitliche Auslastung

von GLT-Routenzügen. In der Planungsphase müssen diese Parameter daher spe-

ziell beachtet werden. Zudem bieten diese Parameter den größten Hebel für Pro-

zessverbesserungen:

- 𝑥1 Anzahl Touren je Schicht

- 𝑥2 Staufaktor

- 𝑥3 Fahrweg je Tour

- 𝑥4 Anzahl Behälter je Schicht

- 𝑥5 Fahrgeschwindigkeit

Die Parameter der zweiten Gruppe sind erforderlich, um die zeitliche Auslastung mit

ausreichender Genauigkeit zu bestimmten, und können einen weiteren Ansatzpunkt

für Prozessverbesserungen darstellen:

4.2 Umsetzung von Konzeptelement 1 am Beispiel eines industriellen GLT-Routenzugprozesses

89

- 𝑥6 Länge Routenzug

- 𝑥7 Anzahl Haltestellen je Tour

- 𝑥8 Anzahl Bandüberfahrten je Tour

- 𝑥9 Weg von Haltestelle zum Anlieferort

- 𝑥10 Anzahl Schleusen-Durchfahrten je Tour

- 𝑥11 Zeit im Bahnhof

- 𝑥15 Zeit Behälter entladen

- 𝑥16 Zeit Behälter beladen

Die Parameter der dritten Gruppe sind zur Bewertung der körperlichen Belastung

erforderlich:

- 𝑥14 Anteil Behälter mit genauer Positionierung am Anlieferort

- 𝑥19 Gewicht Transporteinheit (Behälter plus Transporthilfsmittel)

- 𝑥20 Körperhaltung

- 𝑥21 Ausführungsbedingungen

- 𝑥22 Bockrollen (ja/nein)

Die Parameter der vierten Gruppe haben nur einen geringen Einfluss auf den Rou-

tenzugprozess. Diese Parameter werden auf ihrem Erwartungswert fixiert und gehen

als Konstanten in das optimierte Modell ein:

- 𝑥12 90-Grad-Kurven je Tour

- 𝑥13 Entscheidungsvariable für Leergut scannen

- 𝑥17 Anzahl zu vergleichender Codes

- 𝑥18 Anzahl zu lesender Codes

Das entwickelte Parametermodell ermöglicht für GLT-Routenzüge eine effiziente

Bewertung von körperlicher Belastung und zeitlicher Auslastung. Folgende Ein-

schränkungen müssen in der Anwendung berücksichtigt werden: Zum einen umfasst

das Parametermodell nur die Belastungsart Lasthandhabung. Treten weitere wesent-

liche Belastungen auf, müssen diese separat untersucht werden. Weitere Belastun-

gen können bei GLT-Routenzügen beispielsweise durch Lärm und Vibrationen auf-

treten. Zum anderen sind die Ergebnisse nur für Prozesse gültig, welche sich mit

4 Konzeptelement 1: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Lasthandhabung

90

dem dargestellten Referenzprozess und Wertebereich der Eingangsparameter

(Anhang D) beschreiben lassen.

4.2.7 Fallbeispiel zur betrieblichen Anwendung

Zur Veranschaulichung der industriellen Anwendbarkeit des Parametermodells wird

im Folgenden eine kurze Fallstudie vorgestellt25. Untersuchungsgegenstand bildet

die Versorgung eines Montagebandabschnittes mit Großladungsträgern durch drei

Routenzüge. Die Modell-Eingangsparameter wurden vor Ort aufgenommen. Die Ana-

lyse der zeitlichen Auslastung und körperlichen Belastung zeigte in der Ausgangssi-

tuation deutliches Verbesserungspotenzial. Die wesentlichen Kennzahlen hierzu sind

in Tabelle 4-5 dargestellt.

Tabelle 4-5: Anwendungsbeispiel Parametermodell; Kennzahlen der Ausgangssituation

Routenzug-nummer

Zeitliche Auslas-tung

Ergonomische Belastung

*

Schiebehilfe

1 102,6 % 22,2 Ja

2 87,9 % 30,8 Nein

3 62,7 % 28,7 Nein * Risikoeinstufung nach Multiple-Lasten-Tool

0 bis < 25: Geringe Belastung

25 bis < 50: Wesentlich erhöhte Belastung

> 50: Hohe Belastung

Für Routenzug 1 wird eine elektrische Schiebehilfe verwendet, um die Großladungs-

träger vom Routenzug zum Anlieferort zu schieben. Eine Schiebehilfe reduziert die

körperliche Belastung, führt allerdings zu einem zeitlichen Mehraufwand. Abbildung

4-11 zeigt ein industrielles Anwendungsbeispiel einer elektrischen Schiebehilfe.

Abbildung 4-11: Elektrische Schiebehilfe [Sei-2016]

25

Zur Die Fallstudie wurde in [Sei-2016] und [fml-2016] veröffentlicht. Für eine ausführliche Darstellung der betrieblichen Rahmenbedingungen wird hierauf verwiesen.

4.2 Umsetzung von Konzeptelement 1 am Beispiel eines industriellen GLT-Routenzugprozesses

91

Für Routenzug 2 und 3 wird keine Schiebehilfe eingesetzt. Die körperliche Belastung

liegt für Routenzug 2 und 3 über der kritischen Belastungssituation von 25 Punkten.

Die zeitliche Auslastung von Routenzug 1 beträgt 102,6 %. Demzufolge kann der

Arbeitsprozess nicht in der vorgesehenen Zeit ausgeführt werden. Die zeitliche Aus-

lastung von Routenzug 2 beträgt 87,9 %. Dies stellt einen akzeptablen Wert dar, da

für ungeplante Ereignisse (Fehler, Stau, etc.) ein gewisser Puffer vorgehalten werden

sollte. Die Auslastung von Routenzug 3 liegt bei 62,7 %. Dies stellt eine zu geringe

Auslastung dar.

Aus dieser Untersuchung konnten einige einfache Optimierungsmaßnahmen abgelei-

tet werden. Zum einen wurden die Umfänge zwischen den Routen neu verteilt, um

die Anzahl ausgelieferter Behälter pro Schicht gleichmäßig zu verteilen. Hierdurch

konnte eine Nivellierung der zeitlichen Auslastung erreicht werden. Diese liegt für alle

Routenzüge in einem günstigen Bereich zwischen 87 % und 92 %. Zum anderen

wird eine elektrische Schiebehilfe für alle drei Routenzüge eingesetzt, aber nur für

Transporteinheiten mit mehr als 350 Kilogramm Gewicht. Dies hat sich als guter

Kompromiss zwischen hoher Zeiteffizienz und geringer körperlicher Belastung erwie-

sen. Die ergonomische Belastung konnte so für alle drei Routenzüge auf ein akzep-

tables Niveau von ca. 25 Punkten gesenkt werden.

Tabelle 4-6 zeigt die wesentlichen Kennzahlen nach der Optimierung.

Tabelle 4-6: Anwendungsbeispiel Parametermodell; Kennzahlen nach Optimierung

Routenzug-nummer

Zeitliche Auslas-tung

Ergonomische Belastung

*

Schiebehilfe

1 91,6 26,6 Teilweise

2 89,6 24,8 Teilweise

3 86,7 22,6 Teilweise * Risikoeinstufung nach LMM

0 bis < 25: Geringe Belastung 25 bis < 50: Wesentlich erhöhte Belastung

> 50: Hohe Belastung

4 Konzeptelement 1: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Lasthandhabung

92

4.3 Zusammenfassung

Im vorliegenden Kapitel wurde untersucht:

- Welche wiederkehrenden Tätigkeitsfolgen sich in der Produktionslogistik defi-

nieren lassen und auf welcher Aggregationsebene Parametermodelle zur inte-

grierten Bewertung von Zeit und Belastung aufgebaut werden können.

- Wie die Einflussgrößen von Parametermodellen zur integrierten Bewertung

von Zeit und Belastung bestimmt werden können.

Basierend auf den in der Feldstudie untersuchten Arbeitsplätzen in der Produktions-

logistik (Kapitel 3.1) wurden folgende sechs Tätigkeiten identifiziert, welche wieder-

kehrende Tätigkeitsfolgen umfassen und sich zur zeitlichen und belastungsseitigen

Beschreibung mit einem Parametermodell eignen:

- GLT-Routenzug

- KLT-Routenzug

- MzW-Kommissionierung

- WzM-Kommissionierung

- Manuelles Umsetzen

- Manuelles Ziehen und Schieben

Für diese Tätigkeiten wurden Referenzprozesse definiert, auf deren Basis Parame-

termodelle zur integrierten zeitlichen und ergonomischen Bewertung umgesetzt wer-

den können. Die in den Referenzprozessen definierten Tätigkeitsfolgen sind aller-

dings nicht generalisierbar, da Prozessabläufe und eingesetzte technische Hilfsmittel

sich zwischen Unternehmen und Standorten unterscheiden. Zur betrieblichen Um-

setzung von Konzeptelement 1 des erweiterten Systems vorbestimmter Zeiten ist

daher die Definition unternehmensspezifischer Referenzprozesse und abgeleiteter

Parametermodelle erforderlich. Hierzu wurde in Kapitel 4.1.5 die Vorgehensweise

dargelegt und beispielhaft für einen GLT-Routenzugprozess in Kapitel 4.2 umgesetzt.

Zur Auswahl der Einflussgrößen (Eingangsparameter und Konstanten) wurde ein

Vorgehen zur quantitativen Untersuchung entwickelt. Dies umfasst eine Untersu-

chung des Einflusses der Eingangs- auf die Ausgangsgrößen. Hierdurch können

Eingangsgrößen mit geringem Einfluss auf die Ergebnisgrößen als Parameter fixiert

und die Modelleffizienz somit erhöht werden. Aufgrund der Anforderung, ein erprob-

tes und wissenschaftlich anerkanntes Belastungsmodell zu verwenden, wird aus-

4.3 Zusammenfassung

93

schließlich das Zeitmodell untersucht und vereinfacht. Aufgrund der nicht-linearen

und nicht-additiven Charakteristik des Zeitmodells ist eine lokale Sensitivitätsanalyse

allerdings nicht aussagekräftig. Als Methode wird daher die multiple lineare Regres-

sionsanalyse vorgeschlagen. Basierend auf einer Auswertung des Originalmodells

an Zufallspunkten wird ein lineares Ersatzmodell erstellt. Die Regressionskoeffizien-

ten des linearen Ersatzmodells können als Maß für die Sensitivität verwendet wer-

den. Dieses Vorgehen wurde für das GLT-Routenzug-Zeitmodell angewendet. Bei

einer Erhöhung der Modellunsicherheit um 2,9% konnte die Anzahl Eingangspara-

meter um 20% reduziert werden. Dies stellt eine wesentliche Erhöhung der Modellef-

fizienz dar und ermöglicht eine zeiteffiziente Anwendbarkeit.

95

5 Konzeptelement 2: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Körperhaltung

Vorliegendes Kapitel beschreibt die Entwicklung und Erprobung von Konzeptelement

2 des erweiterten Systems vorbestimmter Zeiten. Dieses umfasst eine Erweiterung

um die Körperhaltung zur Untersuchung einseitiger und wechselnder Belastung. Die

Konzeptentwicklung ist Gegenstand von Kapitel 5.1. In Kapitel 5.2 wird das Konzept

anhand dreier Fallbeispiele erprobt.

Wesentliche Ergebnisse dieses Kapitels wurden in [Kel-2015a] und [Kel-2015b] ver-

öffentlicht.

5.1 Konzeptentwicklung zur Untersuchung einseitiger und wechselnder Belastung

Im folgenden Abschnitt ist die Entwicklung von Konzeptelement 2 des erweiterten

Systems vorbestimmter Zeiten beschrieben. Zielsetzung von Konzeptelement 2 ist

die Untersuchung einseitiger und wechselnder Belastung. Als Basis für den Model-

laufbau (5.1.3) werden zunächst die Anforderungen (5.1.1) und die Anwendungsdo-

mäne (5.1.2) definiert. Abschließend werden abschließend qualitative (5.1.4) und

quantitative (5.1.5) Merkmale zur Identifikation einseitiger Belastungssituationen her-

ausgearbeitet.

5.1.1 Anforderungen

Zur Erreichung der Zielsetzung wird die zeitliche Abfolge von Tätigkeiten untersucht.

Im Rahmen grundlegender Untersuchungen soll geklärt werden, inwieweit sich Sys-

teme vorbestimmter Zeiten zur Identifikation von einseitigen Belastungssituationen in

der Produktionslogistik eignen. Um seine Möglichkeiten und Grenzen zu erforschen,

soll Konzeptelement 2 zur experimentellen Untersuchung industrieller Anwendungs-

fälle aus der Produktionslogistik eingesetzt werden.

Da es sich um grundlegende Untersuchungen handelt, steht die unmittelbare betrieb-

liche Umsetzung nicht im Fokus der Entwicklung. Das Konzept soll im Rahmen des

Forschungsprojektes prototypenhaft umgesetzt werden und betriebsübergreifend

übertragbar und anwendbar sein. Aus diesem Grund soll die Umsetzung mit frei ver-

fügbaren Methoden und ohne spezielles Messequipment erfolgen.

5 Konzeptelement 2: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Körperhaltung

96

Untersucht werden soll die zeitliche Abfolge der Tätigkeitsausführung. Aus diesem

Grund muss das Zeitmodell die reale Abfolge ohne Vereinfachungen korrekt wieder-

geben. Dies ist aufgrund der Zusammenfassung von Tätigkeiten in höher aggregier-

ten MTM-Systemen teilweise nicht gegeben.

Zur Identifikation einseitiger Belastungssituationen ist die Betrachtung der Ganzkör-

perhaltung über den zeitlichen Verlauf erforderlich. Auf diese Weise kann festgestellt

werden, inwiefern sich Haltungen abwechseln oder wiederholen. Dies wird nachfol-

gend am Beispiel der Mann-zu-Ware Kommissionierung veranschaulicht. Abbildung

5-1 zeigt zwei Kommissioniersysteme: links ein Gang-Layout und rechts ein U-

Layout.

Abbildung 5-1: Gang-Layout und U-Layout in der MzW-Kommissionierung

Das Belastungsprofil ist durch Lasthandhabung, Gehen und Stehen, sowie ungünsti-

ge Körperhaltungen wie Bücken, Strecken und Drehen gekennzeichnet. Sowohl im

Gang-Layout als auch im U-Layout steht und geht der Mitarbeiter und hat einen

Wechsel zwischen Bücken und Strecken. Im Gang-Layout dreht sich der Mitarbeiter

zur Bauteileentnahme nach links und rechts. Im U-Layout dagegen dreht sich der

Mitarbeiter zur Bauteileentnahme immer nach links, woraus eine einseitige Belas-

tungssituation entsteht.

Regal

Regal

Bandfö

rdere

r

Regal

RegalWagen

Gang-Layout U-Layout

5.1 Konzeptentwicklung zur Untersuchung einseitiger und wechselnder Belastung

97

Vorgestelltes Beispiel zeigt eine typische einseitige Belastungssituation in der Pro-

duktionslogistik. Einseitige Belastungen resultieren hier aus der Verteilung und Ab-

folge von Bücken und Strecken sowie Links- und Rechtsdrehungen. Einen weiteren

wichtigen Aspekt stellt die zeitliche Verteilung und Abfolge der Haltungen Stehen,

Gehen und Sitzen dar. Belastungen durch Finger-, Hand- und Armbewegungen mit

hohen Wiederholungsfrequenzen wurden in der Feldstudie zur Untersuchung körper-

licher Belastungen (Kapitel 3.1) dagegen nicht festgestellt.

Hieraus leitet sich als Anforderung an den Detaillierungsgrad des Belastungsmodells

ab, dass folgende Unterschiede aufgelöst werden können:

- Stehen, Gehen und Sitzen

- Bücken und Strecken

- Drehung links und rechts

Eine detaillierte Betrachtung des Finger-Hand-Armsystems ist im Belastungsmodell

nicht erforderlich.

Die Anforderungen sind nachfolgend tabellarisch zusammengefasst (Tabelle 5-1).

Tabelle 5-1: Anforderungen Konzeptelement 2 des erweiterten Systems vorbestimmter Zeiten

Bereich Beschreibung der Anforderung Priorität

Zeitmodell System vorbestimmter Zeiten gibt reale zeitlichen Tätig-

keitsabfolge ohne Vereinfachungen wieder

Muss

Belastungsmodell Belastungsmodell berücksichtigt Ganzkörperhaltung im

zeitlichen Verlauf

Muss

Belastungsmodell Detaillierungsgrad zur Beschreibung von manuellen Tätig-

keiten in der Produktionslogistik geeignet

Muss

Anwendung Prototypenhafte Umsetzung mit frei verfügbaren Methoden

und ohne spezielles Messequipment möglich

Muss

5.1.2 Anwendungsdomäne

Im folgenden Abschnitt wird eine geeignete Anwendungsdomäne und -ebene für

Konzeptelement 2 des erweiterten Systems vorbestimmter Zeiten festgelegt. Manuel-

le Tätigkeiten in der Produktionslogistik stellen die Anwendungsdomäne dar.

5 Konzeptelement 2: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Körperhaltung

98

Im Rahmen der Feldstudie wurden vier Ebenen definiert (siehe Abbildung 4-1):

- Tätigkeitsgruppe (z. B. Handhabungstätigkeit)

- Tätigkeitsuntergruppe (z. B. Kommissionierung)

- Tätigkeit (z. B. Mann-zu-Ware Kommissionierung)

- Bewegung (z. B. Gehen, Bücken, Hinlangen)

Einseitige und wechselnde Belastung kann zudem auf Ebene einzelner Muskeln und

Gelenke betrachtet werden. Diese wird als fünfte Ebene in die Betrachtung miteinbe-

zogen. In Tabelle 5-2 sind Beispiele und methodische Ansätze zur Untersuchung

einseitiger und wechselnder Belastung auf den verschiedenen Ebenen zusammen-

fassend dargestellt.

Tabelle 5-2: Aggregationsebene für Konzeptelement 2 des erweiterten Systems vorbestimmter Zeiten

Ebene Bezeichnung Beispiel Methodische Ansätze

1 Tätigkeitsgruppe Fahrtätigkeit Fahr- und Handhabungstätigkeit Handhabungstätigkeit

Jobrotation, Jobenlargement, Jobenrichment [Die-2009; Car-2010; Koc-2015]

2 Tätigkeitsuntergruppe Stapler Routenzug Kommissionierung Behälterhandhabung

3 Tätigkeit Gegengewichtsstapler Schubmaststapler Hochregalstapler GLT-Routenzug KLT-Routenzug MzW-Kommissionierung WzM-Kommissionierung Manuelles Umsetzen Manuelles Ziehen und Schieben

4 Bewegungen Gehen Stehen Bücken Hinlangen …

Konzeptelement 2 des erweiterten Systems vorbestimmter Zeiten

5 Muskeln und Gelenke Elektromyografie (EMG) Gelenkwinkelstellung und -geschwindigkeit Gelenkmoment …

Exposure Variance Ana-lysis [Mat-1991] Exposure Variance [Mat-2006; Bar-2014]

5.1 Konzeptentwicklung zur Untersuchung einseitiger und wechselnder Belastung

99

Auf Ebene der Arbeitsplätze und Tätigkeiten (Ebene 1 bis 3) werden Tätigkeiten, be-

lastete Körperregionen und Belastungsarten betrachtet. Zur Vermeidung einseitiger

Belastungen werden auf diesen Ebenen Jobrotation, Jobenlargement und Joben-

richment eingesetzt. Jobrotation bezeichnet den systematischen Wechsel zwischen

verschiedenen Arbeitsplätzen und kann eingesetzt werden, um einen Belastungs-

wechsel zu erreichen. Jobrotation ist in der industriellen Praxis weit verbreitet und

methodisch in der wissenschaftlichen Literatur aufgearbeitet (u. a. [Die-2009; Car-

2010]. Von Koch et al. [Koc-2015] wurde eine Planungsmethode zur belastungsopti-

mierten Erstellung von Rotationsplänen in der Logistik entwickelt. Jobenlargement

bezeichnet die Kombination verschiedener Tätigkeiten der gleichen Qualifikationsstu-

fe an einem Arbeitsplatz. Ein Beispiel ist die in Kapitel 5.2.1 vorgestellte Erweiterung

einer Kommissionierung um Vormontageumfänge. Der Mitarbeiter erhält hierdurch

einen körperlich abwechslungsreicheren und insgesamt vielseitigeren Arbeitsplatz.

Die Kombination verschiedener Tätigkeiten unterschiedlicher Qualifikationsstufen

wird als Jobenrichment bezeichnet. Ein Beispiel ist die Erweiterung operativer Lo-

gistiktätigkeiten um administrative Aufgaben. Auf Ebene eins bis drei kann Abwechs-

lung demzufolge durch eine Kombination verschiedener Tätigkeiten erreicht werden,

welche unterschiedliche Körperregionen belasten.

Auf der vierten Ebene werden Bewegungen an einzelnen Arbeitsplätzen betrachtet.

Dies ist die Anwendungsebene von Konzeptelement 2. Hierbei wird die Abwechslung

hinsichtlich der eingenommenen Haltungen an einem einzelnen Arbeitsplatz betrach-

tet. Beispiele sind Körperdrehung, Bücken und Stecken oder Sitzen, Stehen und Ge-

hen.

Auf der fünften Ebene werden einzelne Muskeln und Gelenke betrachtet. Auf dieser

Ebene können für einzelne Muskeln oder Gelenke einseitige Belastungssituationen

festgestellt werden. Die in Kapitel 2.5.3 vorgestellten Ansätze von Mathiassen und

Winkel [Mat-1991], Mathiassen [Mat-2006] und Barbieri et al. [Bar-2014] bewegen

sich auf dieser Ebene. Die Ganzkörperhaltung wird auf dieser Ebene allerdings nicht

berücksichtigt. Für Konzeptelement 2 ist diese Anwendungsebene daher nicht ge-

eignet.

5.1.3 Modellaufbau

Im Folgenden erfolgt der Modellaufbau von Konzeptelement 2 des erweiterten Sys-

tems vorbestimmter Zeiten. Analog zu Konzeptelement 1 umfasst dies die Auswahl

eines geeigneten Zeit- und Belastungsmodells und den anschließenden Aufbau ei-

nes integrierten Gesamtmodells.

5 Konzeptelement 2: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Körperhaltung

100

Zeitmodell

In Kapitel 2.2 wurde bereits das MTM-System als Grundsystem festgelegt. Als Anfor-

derung wurde für das Zeitmodell definiert, dass die reale Abfolge ohne Vereinfa-

chungen wiedergeben werden muss. Diese Anforderung wird von den höher aggre-

gierten MTM-Systemen nicht erfüllt (z. B. MTM-UAS). Die Bausteinaggregation fasst

miteinander in Verbindung stehende Bewegungen zusammen, auch wenn diese

nicht unmittelbar aufeinander folgen.

Als Beispiel wird eine Artikelentnahme in einer Mann-zu-Ware Kommissionierung

betrachtet. Die Tätigkeit umfasst folgende Schritte: Der Kommissionierer geht zum

Entnahmefach, bückt sich, entnimmt einen Artikel, richtet sich auf, geht zum Kom-

missionierwagen und legt den Artikel dort ab. In Abbildung 5-2 ist diese Tätigkeitsfol-

ge in den Bausteinsystemen MTM-1, MTM-2 und MTM-UAS dargestellt.

Die Vorgangsfolge wird im MTM-1-System in der realen Abfolge dargestellt. Im MTM-

2-System wird beispielsweise „Hinlangen“ und „Loslassen“ zu „Aufnehmen“ zusam-

mengefasst. Hierdurch wird die Reihenfolge verfälscht. Tätigkeiten, welche zwischen

„Hinlangen“ und „Loslassen“ ausgeführt werden, werden nach hinten verschoben. Im

MTM-UAS-System werden darüber hinaus die Vorgänge „Aufnehmen“ und „Platzie-

ren“ zusammengefasst. Der Vorgang „Gehen“, welcher dazwischen stattfindet, ver-

schiebt sich hierdurch nach hinten und die reale Abfolge wird noch weiter abgeän-

dert.

Abbildung 5-2: Artikelentnahme in Mann-zu-Ware Kommissioniersystem, dargestellt in MTM-1, MTM-2 und MTM-UAS;

Hinlangen

Greifen

Bringen

Loslassen

Platzieren

Gehen

Bücken

Aufrichten

Gehen

Bücken u.

Aufrichten

Aufnehmen

Gehen

Bücken u.

Aufrichten

Aufnehmen

u. Platzieren

MTM-1 MTM-2 MTM-UAS

Gehen

Gehen Gehen

5.1 Konzeptentwicklung zur Untersuchung einseitiger und wechselnder Belastung

101

Die Systeme MTM-SAM sowie MTM-SVL sind nach der gleichen Logik aufgebaut

und weichen ebenfalls von der realen Abfolge ab. Aus diesem Grund wird das MTM-

1-System für Konzeptelement 2 verwendet.

Auswahl Belastungsmodell

Im Folgenden erfolgt die Auswahl und Beschreibung des Belastungsmodells. Für das

Belastungsmodell wurden zwei Anforderungen definiert. Erstens muss das Belas-

tungsmodell die Ganzkörperhaltung im zeitlichen Verlauf erfassen. Zweitens muss

der Detaillierungsgrad zur Beschreibung von manuellen Tätigkeiten in der Produkti-

onslogistik geeignet sein. Hierfür muss das Belastungsmodell Unterschiede in der

Ganzkörperhaltung wie Gehen und Stehen, Bücken und Strecken oder Drehen nach

links und rechts auflösen können. Eine detaillierte Erfassung der Finger und Hände

ist dagegen nicht erforderlich.

In Kapitel 3.1.3 wurden Verfahren zur Bewertung der körperlichen Belastung vorge-

stellt. Aus Tabelle 3-4 geht hervor, dass folgende Verfahren erzwungene Körperhal-

tungen berücksichtigen:

- RULA

- OWAS

- EAWS

Das RULA-Verfahren betrachtet die Körperregionen Hand-Arm, Oberkörper, Hals

und Beine. Das Verfahren eignet sich speziell für die Analyse von Montagetätigkei-

ten. Schwerpunkt des Verfahrens ist der Hand-Arm-Bereich. Daher ist es als Belas-

tungsmodell für Konzeptelement 2 nicht geeignet.

Die OWAS-Methode berücksichtigt die Haltung des Rückens, der Arme, der Beine

und den erforderliche Kraftaufwand. Für jede Kategorie gibt es eine Auswahl mögli-

cher Haltungen, welche mit einer Ziffer codiert werden. Auf diese Weise kann das

Verfahren sehr gut eingesetzt werden, um die Körperhaltung über die Zeit zu erfas-

sen. Das Verfahren wurde im Umfeld der Stahlindustrie entwickelt. Das Belastungs-

profil ist gekennzeichnet durch Lasthandhabung in Verbindung mit ungünstigen Kör-

perhaltungen. Dieses Belastungsprofil tritt auch bei manuellen Tätigkeiten in der

Produktionslogistik auf. Die OWAS-Methode ist daher gut zur Belastungsbewertung

in der Anwendungsdomäne geeignet.

Das EAWS-Verfahren wurde im Umfeld der Automobilindustrie zur Analyse von Mon-

tagetätigkeiten entwickelt. Es umfasst die Belastungsarten erzwungene Körperhal-

5 Konzeptelement 2: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Körperhaltung

102

tungen, Aktionskräfte, manuelle Lasthandhabung und Belastung der oberen Extremi-

täten aufgrund repetitiver Tätigkeiten. Von diesen Belastungsarten sind für Konzep-

telement 2 nur erzwungene Körperhaltungen und Lasthandhabung relevant. Eine

Erfassung der Ganzkörperhaltung über die Zeit ermöglicht das Verfahren nicht.

Aus diesen Gründen wird für Konzeptelement 2 das OWAS-Verfahren als am geeig-

netsten identifiziert. Das Verfahren wird nachfolgend detailliert vorgestellt.

Vorstellung der OWAS-Methode

Die OWAS-Methode wurde bei dem finnischen Stahlhersteller OVAKO entwickelt und

von Karhu et al. veröffentlicht [Kar-1977]. Die Methode systematisiert und bewertet

Körperhaltungen in Verbindung mit Lasthandhabungen, wobei die Abkürzung für

OVAKO Working Posture Analysing System steht. Ziel der Methode ist die Gestal-

tung gesunder, sicherer und produktiver Arbeitsplätze [Kar-1981]. Zur Sicherstellung

der betrieblichen Anwendbarkeit standen bei der Entwicklung folgende Prämissen im

Vordergrund [Kar-1977]:

- Einfachheit: Die Methode muss von Mitarbeitern ohne Expertenkenntnissen im

Bereich Ergonomie angewendet werden können.

- Eindeutigkeit: Zur Sicherstellung eindeutiger Ergebnisse wird eine starke Ver-

einfachung akzeptiert.

Die OWAS-Methode wurde von Karhu et al. in zwei Fachaufsätzen veröffentlicht

[Kar-1977; Kar-1981]. Seither wurde die Methode von verschiedenen Autoren wei-

terentwickelt und angepasst. Die im Folgenden verwendete Version ist unter ande-

rem von Gudehus26 beschreiben worden [Gud-2009, S.25-35]. Seine Ausführungen

stellen die Grundlage für die folgende Beschreibung der OWAS-Methode dar.

Die Methode besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil umfasst die Erfassung und

Klassifizierung von Körperhaltungen. Er kann nach kurzer Anlernzeit von Produkti-

onsingenieuren eingesetzt werden und liefert reproduzierbare Ergebnisse. Zur Erar-

beitung wurden ca. 700 Arbeitshaltungen fotografiert und systematisiert [Sto-1985].

Der zweite Teil umfasst Handlungsempfehlungen zur Arbeitsplatzgestaltung. Hierzu

wurden mit erfahrenen Arbeitern und Ergonomieexperten Bewertungskriterien aus-

gearbeitet [Kar-1977].

26

Primärquelle: Louhevaara V & Suurnäkki T. OWAS : a method for the evaluation of postural load during work. Training publication no 11 Helsinki Institute of Occupational Health and Centre for Occupational Safety 1992.

5.1 Konzeptentwicklung zur Untersuchung einseitiger und wechselnder Belastung

103

Teil 1: Beobachtung der Körperhaltung

Die Erfassung der Körperhaltung wird fortlaufend in einem festen Intervall durch ei-

nen Beobachter durchgeführt. Für die Haltung des Rückens, der Arme und der Beine

sowie des zu handhabenden Lastgewichts gibt es vorgegebene Kategorien. Diese

werden jeweils mit einer Ziffer codiert. Hieraus ergibt sich ein vierstelliger Code (sie-

he Abbildung 5-3).

Abbildung 5-3: Aufbau der OWAS-Codierung

Für den Rücken werden die vier Haltungen gerade, gebeugt, gedreht sowie gedreht

und gebeugt unterschieden (siehe Tabelle 5-3).

Tabelle 5-3: Codierung der Rücken-Haltung nach der OWAS-Methode [Gud-2009, S.27]

Codierung Piktogramm Beschreibung der Körperhaltung

1

Rücken gerade

2

Rücken gebeugt

(nach vorne oder hinten)

3

Rücken verdreht oder zur Seite ge-

beugt (nach links oder rechts)

4

Rücken gebeugt und gedreht

oder nach vorn und zur Seite ge-

beugt

Für die Beine werden die Haltungen Sitzen, Stehen, Stehen auf einem Bein, beide

Beine gebeugt, ein Bein gebeugt, Knien sowie Gehen unterschieden (siehe Tabelle

5-4). In den beiden Erstveröffentlichungen verwenden Karhu et al. [Kar-1977; Kar-

1981] die Ziffer 1 für stehen und die Ziffer 7 für sitzen. Mittlerweile hat sich jedoch die

abweichende Zuordnung nach Tabelle 5-4 etabliert [Gud-2009, S. 26]. Diese wird

auch in der vorliegenden Arbeit verwendet.

X X X

Rücken Beine Arme Last

X

5 Konzeptelement 2: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Körperhaltung

104

Tabelle 5-4: Codierung der Bein-Haltung nach der OWAS-Methode [Gud-2009, S.28]

Codierung Piktogramm Beschreibung der Körperhaltung

1

Sitzen

2

Stehen, beide Beine gestreckt

3

Stehen auf einem Bein

4

Stehen oder kauern, beide Beine gebeugt

5

Stehen oder kauern, ein Bein ge-beugt

6

Knien, auf einem oder beiden Knien

7

Gehen oder Fortbewegen

Für die Arme werden folgende drei Haltungen unterschieden (siehe Tabelle 5-5):

Beide Arme unterhalb Schulterhöhe, ein Arm mindestens auf Schulterhöhe und beide

Arme mindestens auf Schulterhöhe.

Tabelle 5-5: Codierung der Arm-Haltung nach der OWAS-Methode [Gud-2009, S.27]

Codierung Piktogramm Beschreibung der Körperhaltung

1

Beide Arme unterhalb Schulterhöhe

2

Ein Arm mindestens auf Schulter-

höhe oder darüber

3

Beide Arme mindestens auf Schul-

terhöhe oder darüber

5.1 Konzeptentwicklung zur Untersuchung einseitiger und wechselnder Belastung

105

Die hier gezeigten Codierungen ergeben 84 (4*7*3) Haltungskombinationen, die so-

genannten Grundhaltungen. Spätere Erweiterungen der OWAS-Methode umfassen

zusätzlich die Kopfhaltung [Sto-1985].

Tabelle 5-6 zeigt die Codierung für das zu handhabende Lastgewicht. In der OWAS-

Methode wird als Einheit Kilogramm verwendet, wobei eigentlich die wirkende Ge-

wichtskraft gemeint ist. Da dies insbesondere beim Ziehen und Schieben von Lasten

relevant ist, wurde Tabelle 5-6 zusätzlich um den entsprechenden Wert in Newton

ergänzt.

Tabelle 5-6: Codierung der Lasten nach der OWAS-Methode [Gud-2009, S. 29]

Codierung Last bzw. Gewicht

1 Weniger als 10 kg (entspricht ca. 100 N)

2 Zwischen 10 und 20 kg (ca. 100–200 N)

3 Mehr als 20 kg (ca. 200 N)

Die Durchführung der OWAS-Analyse erfolgt durch einen Beobachter. Sie kann

grundsätzlich vor Ort durchgeführt werden und auf Papier festgehalten werden. In

der Praxis ist allerdings die Verwendung von Videoaufnahmen empfehlenswert [Gud-

2009, S.26]. Die Haltung wird fortlaufend in festen Intervallen erfasst. Es wird eine

Intervalllänge von 30 bis 60 Sekunden vorgeschlagen. Aufgrund der diskontinuierli-

chen Erfassung ergibt sich ein Fehler. Dieser wird umso kleiner, je kürzer die Inter-

valle sind und je länger der Beobachtungszeitraum ist. Bei der Wahl der Intervalllän-

ge muss der spezifische Anwendungsfall betrachtet werden. Zur Analyse kurzzykli-

scher Bewegungen muss das Intervall so klein gewählt werden, dass keine Haltung

übersehen wird.

Neben dem Fehler aufgrund der Intervalllänge stellt die Reliabilität des Verfahrens

ein wichtiges Gütekriterium dar. Karhu et al. betrachten in ihrer Arbeit die Reliabilität

des Verfahrens in Bezug auf unterschiedliche Beobachter, unterschiedliche Arbeiter

sowie unterschiedliche Schichten [Kar-1977]. Hierzu wurden 36240 Einzelhaltungen

von 52 Tätigkeiten analysiert. Tabelle 5-7 zeigt das Resultat. Festgestellt wurde eine

hohe Übereinstimmung von 93 Prozent zwischen zwei Beobachtern und 86 Prozent

zwischen Früh- und Spätschicht. Für verschiedene Arbeiter wurde mit 69 Prozent

eine niedrigere Übereinstimmung festgestellt. Hieraus lässt sich ableiten, dass sich

die Tätigkeitsausführungen und eingenommenen Haltungen zwischen verschiedenen

Mitarbeitern wesentlich unterscheiden können.

5 Konzeptelement 2: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Körperhaltung

106

Tabelle 5-7: Reliabilität der OWAS-Methode [Kar-1977]

Betrachtungsgegenstand Median in % Wertebereich in %

Arbeiter A und B 69 23-88

Beobachter 1 und 2 93 74-99

Früh- und Spätschicht 86 70-100

Teil 2: Bewertung der Körperhaltung

Der zweite Teil der OWAS-Methode umfasst die Bewertung der Körperhaltungen und

die Ableitung von Handlungsempfehlungen. Hierzu wurden die Körperhaltungen von

erfahrenen Arbeitern und Ergonomieexperten anhand einer Skala bewertet [Kar-

1977]. Die Skala umfasst vier Risikoklassen, welche als Aktionskategorien bezeich-

net werden (siehe Tabelle 5-8).

Tabelle 5-8: Aktionskategorien der OWAS-Methode [Sto-1985]

Aktionskategorie Bedeutung

1 Die Körperhaltung ist normal. Maßnahmen zur Arbeitsplatzgestaltung sind nicht notwendig.

2 Die Körperhaltung ist belastend. Maßnahmen die zu einer besseren Arbeits-haltung führen, sind in der nächsten Zeit vorzunehmen.

3 Die Körperhaltung ist deutlich belastend. Maßnahmen, die zu einer besseren Arbeitshaltung führen, müssen so schnell wie möglich vorgenommen wer-den.

4 Die Körperhaltung ist deutlich schwer belastend. Maßnahmen, die zu einer besseren Arbeitshaltung führen, müssen unmittelbar getroffen werden.

Die OWAS-Methode bewertet sowohl die zeitlichen Anteile der einzelnen Körperhal-

tungen als auch Haltungskombinationen. Eine einzelne Körperhaltung bezieht sich

auf die – unabhängig vom Rest des Körpers beobachtete – Haltung des Rückens,

der Arme oder der Beine. Eine Haltungskombination umfasst dagegen die Kombina-

tion der Rücken-, Arm- und Beinhaltung sowie des Lastgewichtes.

5.1 Konzeptentwicklung zur Untersuchung einseitiger und wechselnder Belastung

107

Abbildung 5-4 zeigt die Zuordnung einzelner Körperhaltungen zu den Aktionskatego-

rien. Berücksichtigt wird der Zeitanteil, über welchen eine einzelne Körperhaltung

eingenommen wird.

Abbildung 5-4: Zuordnung der Einzelhaltungen des Rückens, der Arme und der Beine zu den Aktionskategorien [Gud-2009, S.31-33]

Rücken

1

2

3

4

Zeitanteil in Prozent

5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100

Bein

e

1

2

3

4

5

6

7

Arm

e

1

2

3

Aktionskategorie 1

Aktionskategorie 2

Aktionskategorie 3

Aktionskategorie 3

Rücken

1) Gerade

2) Gebeugt

3) Gedreht

4) gedreht und gebeugt

Beine

1) Sitzen

2) Stehen

3) Stehen auf einem Bein

4) Beide Beine gebeugt

5) Ein Bein gebeugt

6) Knien

7) Gehen

Arme

1) Beide Arme unterhalb

Schulterhöhe

2) Ein Arm mindestens auf

Schulterhöhe

3) Beide Arme mindestens

auf Schulterhöhe

rpe

rhaltu

ng

en

Körperhaltungen

5 Konzeptelement 2: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Körperhaltung

108

Abbildung 5-5 zeigt die Zuordnung der Haltungskombinationen zu den den Aktions-

kategorien. Der Zeitanteil der Haltungskombination wird dabei nicht berücksichtigt.

Abbildung 5-5: Zuordnung von Haltungskombinationen zu Aktionskategorien [Gud-2009, S.34]

Integration Gesamtmodell

Mit den ausgewählten Zeit- und Belastungsmodellen kann das Gesamtmodell zur

Untersuchung des zeitlichen Ablaufes aufgebaut werden. Konzeptelement 2 kann auf

der Basis eines Tabellenkalkulationsprogrammes umgesetzt werden. Die Tätigkeiten

und Körperhaltungen werden zeilenweise codiert. Hierzu wird zu jedem MTM-1-Code

die OWAS-Körperhaltung erfasst. Tabelle 5-9 zeigt die Umsetzung für das Beispiel

einer Bauteilentnahme in gebeugter Haltung aus einem Behälter.

Tabelle 5-9: Integration Belastungsmodell in Konzeptelement 2

MTM-Code OWAS-Code Zeit

Linker Arm Zeit Rechter Arm

Bezeichnung Anzahl Code [TMU] Code Anzahl Bezeichnung Rücken Beine Arme [s]

75 W-P 5 Gehen 1 7 1 2,7

29 S Bücken 4 2 1 3,7

7,1 mR20B Hinlangen 4 2 1 4,0

2 G1A Greifen 4 2 1 4,1

31,9 AB Aufrichten 1 2 1 5,2

1 2 3 4 5 6 7

1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3

1

1

2

3

2

1

2

3

3

1

2

3

4

1

2

3

Beine

Gewicht

Rücken

Arm

e Aktionskategorie 1

Aktionskategorie 2

Aktionskategorie 3

Aktionskategorie 3

5.1 Konzeptentwicklung zur Untersuchung einseitiger und wechselnder Belastung

109

Grundsätzlich sind folgende Einsatzszenarien vorgesehen: Für in Planung befindli-

che Arbeitsplätze erfolgt zunächst die Definition der Tätigkeitsfolge mithilfe des MTM-

1-Systems. Hieraus können die Zeiten abgeleitet und eine angenommene Körperhal-

tung codiert werden. Für bestehende Arbeitsplätze ist es zweckmäßig, den Ablauf

zunächst auf Video aufzunehmen und im Folgenden die realen Zeiten und Körperhal-

tungen entsprechend des Videomaterials zu verwenden.

Das Lastgewicht wird in Konzeptelement 2 nicht betrachtet. Zum einen ist die Unter-

suchung des Lastgewichtes Teil von Konzeptelement 1. Zum anderen ist die Eintei-

lung in

- 0-10 Kilogramm,

- 10-20 Kilogramm,

- mehr als 20 Kilogramm

für die Anwendungsdomäne nicht geeignet. Eine geeignete Einteilung müsste im Be-

reich 0 bis 20 Kilogramm deutlicher stärker differenzieren.

Für die Codierung der Körperhaltung werden Einstufungskriterien benötigt. Hinweise

hierzu finden sich in der Literatur u. a. in [Gud-2009, S.47-52] und [Ell-1998, S. 47].

Die in der vorliegenden Arbeit verwendeten Kriterien wurden im Rahmen einer durch

den Autor betreuten Studienarbeit ausgearbeitet und sind in Tabelle 5-10 zusam-

mengefasst [fml-2014a].

5 Konzeptelement 2: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Körperhaltung

110

Tabelle 5-10: Einstufungskriterien für OWAS-Codierung [fml-2014a]

Körper-

region

Code Bezeichnung Kriterium/Grenzwert

Rücken 1 Gerade Es liegt keine Drehung oder Beugung vor.

2 Gebeugt Rücken nach vorne oder hinten gebeugt, mindestens 20°.

3 Gedreht oder zur Seite

gebeugt

Rücken verdreht oder zur Seite gebeugt, mindestens 15°.

4 Gebeugt und gedreht Kombination aus 3 + 4.

Beine 1 Sitzen Person sitzt auf einem Stuhl o.ä.

2 Stehen Stehen mit beiden Beinen durchgestreckt.

3 Stehen auf einem Bein Die Last wird eindeutig nur von einem Bein getragen, der

Fuß des lastfreien Beins darf den Boden berühren, aber

nicht vollständig aufgesetzt sein.

4 Stehen oder Kauern,

beide Knie gebeugt

Person geht in die Hocke, beide Knie gebeugt.

5 Stehen oder Kauern,

ein Knie gebeugt

Person geht in die Hocke, ein Knie gebeugt.

6 Knien Ein oder beide Knie berühren den Boden.

7 Gehen Mindestens drei Schritte mit dem klaren Zweck, den

Standpunkt wesentlich zu verändern.

Arme 1 Beide Arme unter Schul-

terhöhe

Beide Arme befinden sich komplett unterhalb der Schul-

terhöhe.

2 Ein Arm mindestens auf

Schulterhöhe

Ein beliebiger Teil eines Armes befindet sich mindestens

auf Schulterhöhe oder darüber.

3 Beide Arme mindestens

auf Schulterhöhe

Wie 2, nur für beide Arme.

5.1 Konzeptentwicklung zur Untersuchung einseitiger und wechselnder Belastung

111

5.1.4 Qualitative Merkmale zur Identifikation einseitiger Belastungssituationen

Das folgende Teilkapitel enthält grundsätzliche Überlegungen zu einseitiger und

wechselnder Belastung und hieraus abgeleitete qualitative Merkmale, anhand derer

einseitige Belastungssituationen identifiziert werden können.

Charakterisierung einseitiger und wechselnder Belastung

Abwechslung wird von Mathiassen [Mat-2006] als Veränderung in der Beanspru-

chung über die Zeit („change in exposure over time“) definiert. Belastung wurde in

Kapitel 2.3.1 definiert als die aus Arbeitsaufgabe und Umgebung auf den Mensch

einwirkenden Einflüsse. Die Belastung kann durch die Belastungsart und die Belas-

tungsdauer charakterisiert werden. In Konzeptelement 2 wird als Belastungsart die

Körperhaltung betrachtet. Hinsichtlich der Körperhaltung charakterisieren folgende

Merkmale eine abwechslungsreiche Tätigkeit:

- Die Tätigkeit umfasst verschiedene Haltungen.

- Zwischen den Haltungen wird häufig gewechselt, so dass keine statische Hal-

tearbeit auftritt.

- Keine kurzzyklische Repetition von Bewegungsabläufen.

- Lager Wiederholzyklus (möglichst lange Zeitdauer bis Tätigkeit wiederholt

wird).

Auf Basis dieser Charakterisierung werden im Folgenden qualitative Merkmale zur

Identifikation einseitiger Belastungssituationen vorgestellt.

Zykluszeit

Nach Silvenstein stellt die Dauer eines Arbeitszyklus einen wesentlichen Risikofaktor

für das Auftreten arbeitsbezogener Muskel-Skelett-Erkrankungen der oberen Extre-

mitäten dar [Sil-1986]. Als hochrepetitiv werden hierbei Tätigkeiten definiert, deren

Zykluszeit kürzer als 30 Sekunden ist oder wenn in einem Arbeitszyklus mit längerer

Dauer mindestens die Hälfte der Zeit der gleiche grundlegende Bewegungsablauf

ausgeführt wird.

Zeitanteile der Körperhaltungen

Zur Analyse der Körperhaltung hinsichtlich Einseitigkeit und Abwechslung können die

Zeitanteile der eingenommen Körperhaltungen aufschlussreich sein. Dabei sind ins-

besondere folgende drei Merkmale relevant:

5 Konzeptelement 2: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Körperhaltung

112

Das erste Merkmal sind hohe Zeitanteile in ungünstigen Körperhaltungen. Hierzu

werden die Körperhaltungen entsprechend der OWAS-Methode bewertet. Dabei

werden Körperhaltungen in Abhängigkeit des Zeitanteils einer Aktionskategorie zu-

geordnet27. Einseitige Belastung zeigt sich in hohen Zeitanteilen in ungünstigen Kör-

perhaltungen.

Das zweite Merkmal stellt die Ganzkörperhaltung dar, also die Zeitanteile in den

Körperhaltungen Sitzen, Stehen und Gehen. In der OWAS-Codierung wird die

Ganzkörperhaltung anhand der Körperregion Beine interpretiert. Am besten sind Tä-

tigkeiten, die abwechselnd im Stehen und Sitzen verrichtet werden [Sch-2005b, S.4].

Die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) schlägt ein Verhältnis von 50% Sitzen, 25%

Gehen und 25% Stehen vor [AOK-2011]. Der Länderausschuss für Arbeitsschutz

und Sicherheitstechnik und die schweizerische Unfallversicherung SUVA empfehlen

ein Verhältnis von 60% Sitzen, 30% Stehen und 10% Gehen [Sch-2005b, S.4; Ber-

2009, S.18]. Andauernde Steharbeit ohne Entlastungsmöglichkeit ist ergonomisch

ungünstig und sollte vermieden werden [Ber-2009, S.8]. In Abhängigkeit der Dauer

pro Arbeitstag unterscheidet der Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheits-

technik vier Risikobereiche [Ber-2009, S.14]:

< 2,5 Stunden: Geringe Stehbelastung. Keine Überlastung erwartbar.

2,5 – 4 Stunden: Erhöhte Stehbelastung. Für vermindert belastbare Perso-

nen Überlastung möglich.

4 – 5,5 Stunden: Wesentlich erhöhte Stehbelastung. Für normal belastbare

Personen sind gesundheitliche Auswirkungen möglich.

> 5,5 Stunden: Hohe Stehbelastung. Für normal belastbare Personen

sind gesundheitliche Auswirkungen wahrscheinlich.

Wie am Beispiel unterschiedlicher Layoutvarianten in der Mann-zu-Ware Kommissio-

nierung gezeigt wurde, können einseitige Belastungen durch ein einseitiges Arbeiten

in eine Richtung entstehen. Das dritte Merkmal ist daher das Vorliegen einer domi-

nanten Arbeitsrichtung. Die OWAS-Methode unterscheidet nicht zwischen einer

Drehung nach links und rechts. Daher muss dieses Merkmal qualitativ anhand des

Layouts oder einer Prozessbeobachtung beurteilt werden.

27

Siehe Abbildung 5-4, S.77.

5.1 Konzeptentwicklung zur Untersuchung einseitiger und wechselnder Belastung

113

Zeitliche Abfolge der Körperhaltungen

In Bezug auf die zeitliche Abfolge von Körperhaltungen sind folgende zwei Merkmale

relevant. Zum einen Auftreten und zeitliche Verteilung von Erholungsphasen in

neutraler Körperhaltung. Diese sind ein Merkmal abwechslungsreicher Tätigkeiten.

Zum anderen stellt die kurzzyklische Repetition von Bewegungsabläufen ein

Merkmal einseitiger Belastungssituationen dar.

Diese Aspekte können beispielsweise mithilfe einer grafischen Darstellung der zeitli-

chen Abfolge der Körperhaltungen analysiert werden. Auf einer Zeitachse werden die

Haltungsblöcke aneinandergereiht und jede Haltung in einer anderen Farbe darge-

stellt. Abbildung 5-6 zeigt den Zeitstahl für die Körperregion Beine für drei ausge-

wählte Arbeitsplatzbeispiele.

Abbildung 5-6: Darstellungsbeispiel der zeitlichen Abfolge der Körperhaltungen

Mithilfe dieser Darstellung lassen sich die beschriebenen Aspekte interpretieren. So

sind Auftreten und zeitliche Verteilung von Erholungsphasen in neutraler Körperhal-

tung gut erkennbar. Außerdem können sich wiederholende Abläufe anhand von kur-

zen Blöcken mit sich wiederholender Haltungsfolge erkannt werden. Variierende

Blocklängen mit kurzen und längeren Haltungsblöcken im Wechsel sind dagegen ein

Merkmal von unterschiedlichen Tätigkeiten und mehr Abwechslung.

Die in Abbildung 5-6 dargestellten Tätigkeitsbeispiele lassen sich folgendermaßen

interpretieren: An Arbeitsplatz 1 (Wareneingang) treten regelmäßig längere Erho-

lungsphasen im Sitzen auf. Hier führt der Mitarbeiter Wareneingangsbuchungen im

Sitzen durch. Diese Erholungsphasen fehlen an Arbeitsplatz 2 (Kleinteile-

Kommissionierung). Die Tätigkeit findet ausschließlich im Stehen und Gehen statt.

Der einförmige Tätigkeitsablauf in der Kleinteile-Kommissionierung (Teil entnehmen,

Teil ablegen, usw.) lässt sich an den kurzen Blocklängen und sich wiederholenden

Haltungsfolgen erkennen. An Arbeitsplatz 3 (KLT-Routenzug) treten während der

1 min 2 min 3 min 4 min

Arbeitsplatz

1

2

3

1) Wareneingang; 2) Kleinteile-Kommissionierung; 3) KLT-Routenzug;

Beine, Haltung 1

Beine, Haltung 2

Beine, Haltung 3

Beine, Haltung 4

Beine, Haltung 5

Beine, Haltung 6

Beine, Haltung 7

5 Konzeptelement 2: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Körperhaltung

114

Fahrt ebenfalls längere Erholungsphasen im Sitzen auf. Die längeren Blöcke „Ge-

hen“ unterstützen die Abwechslung an diesem Arbeitsplatz zusätzlich. Im Zeitstrahl

ist dies an den unterschiedlichen Blocklängen erkennbar.

5.1.5 Quantitative Merkmale zur Identifikation einseitiger Belastungssituationen

Das folgende Teilkapitel beschreibt quantitative Kenngrößen zur Identifikation einsei-

tiger Belastungssituationen. Die Kenngrößen wurden gemeinsam mit dem Leiter des

Gesundheitsdienstes und arbeitsmedizinischen Experten der MAN Truck & Bus AG

entwickelt28.

Haltungsverteilungskoeffizient

Der Haltungsverteilungskoeffizient gibt an, inwiefern unterschiedliche Körperhaltun-

gen eingenommen werden. Damit stellt der Haltungsverteilungskoeffizient einen An-

satz zur quantitativen Beschreibung des qualitativen Merkmals „Zeitanteile der Kör-

perhaltungen“.

Grundlage des Haltungsverteilungskoeffizienten ist die Annahme, dass ein gewisses

Maß an Beanspruchung einen positiven Trainingseffekt auf das Muskel-Skelett-

System hat und somit zu einer dauerhaften Gesundhaltung beiträgt. In „Leitsätze

zum Thema Körperhaltung“ schreibt Sämann hierzu: „Es soll ein Haltungswechsel

möglich sein, damit die Belastung alternierend von verschiedenen Muskelgruppen

aufgenommen werden kann. Keine Haltung ist so vollkommen, dass sie über längere

Zeit eingenommen werden kann.“ [Säm-1970, S.120].

Hieraus wird für den Haltungsverteilungskoeffizienten abgeleitet, dass die Einnahme

verschiedener Körperhaltungen ergonomisch günstig ist. Für diesen Grundsatz fin-

den sich für Teilbereiche explizite Empfehlungen. Ein Beispiel sind die vorangehend

vorgestellten Empfehlungen zur zeitlichen Verteilung von Sitzen, Stehen und Gehen

(siehe Kapitel 5.1.4, S. 113).

28

Siehe Interview in Anhang C [Tav-2014].

5.1 Konzeptentwicklung zur Untersuchung einseitiger und wechselnder Belastung

115

Der Haltungsverteilungskoeffizient quantifiziert die Abweichung von einer solchen

anzustrebenden Verteilung der Körperhaltung nach folgender Formel:

𝐻𝑉𝐾𝑖 =1

2∑ √(𝑝𝑛 − 𝑞𝑛)²

𝑘𝑖

𝑛=1

(5-1)

Mit:

𝐻𝑉𝐾𝑖 Haltungsverteilungskoeffizient der Körperregion 𝑖

𝑘𝑖 Anzahl Kategorien für Körperregion 𝑖

𝑝𝑛 tatsächlicher Zeitanteil der Haltung 𝑛

𝑞𝑛 Zeitanteil der Haltung 𝑛 in Sollverteilung

Entsprechend der Zielsetzung können unterschiedliche Sollverteilungen der Haltun-

gen angenommen werden. Die im Folgenden verwendete Verteilung stellt keine

Empfehlung dar, sondern dient der beispielhaften Anwendung des Haltungsvertei-

lungskoeffizienten. In der praktischen Anwendung wird eine Überprüfung der Sollver-

teilung empfohlen. Der folgende Ansatz leitet eine Sollverteilung von Zeitanteilen je

Haltung und Körperregion deduktiv aus der OWAS-Methode ab. An die Sollverteilung

wurden folgende Anforderungen gestellt:

- Jede Körperhaltung soll zu einem bestimmten zeitlichen Anteil vorkommen.

Die Zeitanteile in ungünstigen Körperhaltungen sollen aber so gering sein,

dass immer Aktionskategorie 1 (grün) eingehalten wird.

- Der Zeitanteil in einer Körperhaltung soll umso größer sein, desto günstiger

die Körperhaltung in der OWAS-Methode bewertet ist.

Zur Berechnung wurde die Grenze zwischen Aktionskategorie 1 und 2 aus der O-

WAS-Methode normiert und als Zielverteilung verwendet. Dieses Vorgehen ist für die

Körperregionen Rücken, Beine und Arme in Tabelle 5-11 dargestellt.

5 Konzeptelement 2: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Körperhaltung

116

Tabelle 5-11: Ableitung Sollverteilung für Haltungsverteilungskoeffizient aus der OWAS-Methode [Kel-2015a]

Körperhaltung Grenze zwischen Akti-

onskategorie 1 und 2

nach OWAS Methode

Abgeleitete

Sollverteilung

cken

1 Gerade 100% 100% / 1,55 = 65%

2 Gebeugt 30% 30% / 1,55 = 19%

3 Gedreht 20% 20% / 1,55 = 13%

4 Gebeugt und gedreht 5% 5% / 1,55 = 3%

Normierungsfaktor ∑155%

Bein

e

1 Sitzen 90% 90% / 3,10 = 2%

2 Stehen 80% 80% / 3,10 = 26%

3 Stehen auf einem Bein 30% 30% / 3,10 = 10%

4 Kauern, beide Knie gebeugt 5% 5% / 3,10 = 2%

5 Kauern, ein Knie gebeugt 5% 5% / 3,10 = 2%

6 Knien 20% 20% / 3,10 = 6%

7 Gehen oder Bewegen 80% 80% / 3,10 = 26%

Normierungsfaktor ∑310%

Arm

e 1 Beide Arme unter Schulterhöhe 100% 100% / 1,50 = 67%

2 Ein Arm auf/über Schulterhöhe 30% 30% / 1,50 = 20%

3 Beide Arme auf/über Schulterhöhe 20% 20% / 1,50 = 13%

Normierungsfaktor ∑150%

Haltungswechsel pro Zeiteinheit

Die Haltungswechsel pro Zeiteinheit sind ein Maß dafür, wie häufig die Körperhaltung

gewechselt wird. Die Haltungswechsel pro Zeiteinheit stellen einen Ansatz dar, das

qualitative Merkmal „zeitliche Abfolge der Körperhaltungen“ quantitativ zu beschrei-

ben. Als Kenngröße wird die Wechselrate (WR) definiert:

𝑊𝑅 =𝐴𝑛𝑧𝑎ℎ𝑙 𝐻𝑎𝑙𝑡𝑢𝑛𝑔𝑠𝑤𝑒𝑐ℎ𝑠𝑒𝑙

𝐷𝑎𝑢𝑒𝑟 𝑑𝑒𝑠 𝐴𝑟𝑏𝑒𝑖𝑡𝑠𝑣𝑜𝑟𝑔𝑎𝑛𝑔𝑠[𝑚𝑖𝑛−1] (5-2)

Eine hohe Wechselrate bedeutet, dass die untersuchte Tätigkeit viele Haltungswech-

sel umfasst. Dies impliziert Abwechslung, da verschiedene Haltungen eingenommen

werden. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass jeder Haltungswechsel mit

Energieaufwand verbunden ist. Der maximale Wert für die Wechselrate ist theore-

tisch nach oben nicht begrenzt. Der minimale Wert für die Wechselrate liegt bei null.

5.1 Konzeptentwicklung zur Untersuchung einseitiger und wechselnder Belastung

117

Dies würde bedeuten, dass für die betrachtete Körperregion kein Haltungswechsel

stattfindet.

Sowohl eine sehr niedrige als auch eine sehr hohe Wechselrate ist ungünstig, da

weder eine statische Haltung noch eine Bewegung mit hoher Wiederholungsfrequenz

ergonomisch günstig ist (vgl. Kapitel 2.3.1, Abbildung 2-7). Anzustreben ist daher ein

Bereich zwischen den Extremen, welcher im Folgenden charakterisiert wird. In Ab-

hängigkeit der Bewegungsfrequenz werden nach DIN 1005-4 drei Bereiche unter-

schieden [DIN 1005-4]:

- Statische Halte- / Haltungsarbeit

- Niederfrequent-dynamische Arbeit

- Hochfrequent-dynamische / repetitive Arbeit

Nach Rohmert behindert statische Halte- oder Haltungsarbeit die Muskeldurchblu-

tung und führt so zu einer schnelleren Ermüdung [Roh-1960]. Im Bereich hochfre-

quent-dynamischer Arbeit konnte Kilbom durch Auswertung epidemiologischer Stu-

dien zeigen, dass Schädigungen der Sehnen mit Dauer und Frequenz repetitiver Tä-

tigkeiten zusammenhängen [Kil-1994b]. Anzustreben ist folglich eine niederfrequent-

dynamische Arbeit. Zur Abgrenzung finden sich in der Literatur unterschiedliche An-

gaben:

- In DIN 1005-4 wird als Grenze zwischen niederer und hoher Bewegungsfre-

quenz 2 Bewegungen pro Minute verwendet [DIN 1005-4]. Für die Bewegung

des Oberarms wird ab einer Bewegungsfrequenz von 10 Bewegungen pro Mi-

nute die Risikoklasse erhöht. In DIN 1005-1 wird eine Körperhaltung, die län-

ger als 4 Sekunden eingehalten wird (entspricht 15 Bewegungen pro Minute),

als statisch definiert [DIN 1005-1]. Dieser Wert widerspricht den Definitionen in

DIN 1005-4. Da eine Frequenz von 15 Bewegungen pro Minute bereits im dy-

namischen Bereich liegt, wird die Definition aus DIN 1005-1 im Folgenden

nicht verwendet.

- Nach Silvenstein liegt eine hoch repetitive Tätigkeit vor, wenn die Dauer eines

Arbeitszyklus kürzer als 30 Sekunden ist oder wenn in einem Arbeitszyklus mit

längerer Dauer mindestens die Hälfte der Zeit der gleiche grundlegende Be-

wegungsablauf ausgeführt wird [Sil-1986]. Bei dieser Definition muss beachtet

werden, dass ein Arbeitszyklus aus mehreren Einzelbewegung bestehen

kann. Nimmt man beispielsweise an, dass ein Arbeitszyklus aus 5-10 Einzel-

bewegungen besteht, würde dies einer Wechselrate von 10 bis 20 Bewegun-

gen pro Minute entsprechen.

5 Konzeptelement 2: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Körperhaltung

118

- Das OCRA-Verfahren [Occ-1998] definiert eine Häufigkeitskonstante von 30

Bewegungen pro Minute. In Abhängigkeit von Kraft und Haltung wird hieraus

mithilfe von Reduktionsfaktoren eine kritische Frequenz definiert.

- Die Kriterien nach Kilbom (siehe Kapitel 3.1.3, S.49) stellen Richtwerte für

hochrepetitive Bewegungen dar, ab denen ein Gesundheitsrisiko vorliegt [Kil-

1994a]. Für Armbewegungen wird die kritische Bewegungsfrequenz bei 10

Bewegungen pro Minute festgelegt.

Aus dieser Zusammenstellung gehen teilweise widersprüchliche Angaben hervor.

Entsprechend schwierig ist die Festlegung eines Bereiches, in dem die Wechselrate

liegen sollte. Zudem wird deutlich, dass die Körperregion und die wirkende Kraft be-

trachtet werden muss. So sind für die Finger deutlich höhere Wechselraten akzepta-

bel als für die Arme.

Die OWAS-Methode beschreibt die Körperhaltung in groben Kategorien ohne eine

detaillierte Erfassung der Hand-Finger-Bewegungen. Für die vorliegende Arbeit wird

daher folgende Interpretation der Wechselrate vorgeschlagen: Unterhalb einer Fre-

quenz von 2 Bewegungen pro Minute kann von einer statischen Haltung ausgegan-

gen werden. In diesem Bereich ist eine Erhöhung der Wechselrate als ergonomisch

günstig anzusehen, da die statische Haltedauer verkürzt wird. Ab einer Frequenz von

15 Bewegungen pro Minute kann von einer hochfrequenten repetitiven Bewegung

ausgegangen werden. In diesem Bereich ist eine Reduktion der Wechselrate als er-

gonomisch günstig anzusehen.

Das Reziproke der Haltungswechsel pro Zeiteinheit ist die Haltungsblocklänge. Die

Haltungsblocklänge ist die Zeitdauer, über welche eine Körperhaltung eingenommen

wird. Zur Beschreibung werden der Mittelwert ∅𝐻𝑎𝑙𝑡𝑢𝑛𝑔𝑠𝑏𝑙𝑜𝑐𝑘𝑙ä𝑛𝑔𝑒 und die Stan-

dardabweichung 𝜎𝐻𝑎𝑙𝑡𝑢𝑛𝑔𝑠𝑏𝑙𝑜𝑐𝑘𝑙ä𝑛𝑔𝑒 verwendet.

Methodische Einschränkungen

In Bezug auf die vorangehend vorgestellten quantitativen Kenngrößen müssen zwei

methodische Einschränkungen berücksichtigt werden: Die Kenngrößen stellen keine

Risikobewertung dar. Aus diesem Grund ist der rein kennzahlenbasierte Vergleich

unterschiedlicher Arbeitsplätze nicht sinnvoll. Zweitens ist eine Kennzahlenaggrega-

tion oder Durchschnittsbildung über verschiedene Körperregionen nicht sinnvoll. Je-

de Körperregion muss immer einzeln interpretiert werden, da sich eine einseitige Be-

lastung einer Körperregion nicht durch die Entlastung einer anderen kompensieren

lässt. Dies ist insbesondere für die Wechselrate relevant, da sowohl eine zu hohe als

auch eine zu niedrige Wechselrate ergonomisch ungünstig ist.

5.2 Anwendung von Konzeptelement 2 anhand von Fallbeispielen

119

5.2 Anwendung von Konzeptelement 2 anhand von Fallbeispielen

Im nachfolgenden Teilkapitel wird Konzeptelement 2 zur Untersuchung von Ab-

wechslung und Einseitigkeit anhand von drei industriellen Fallbeispielen angewendet.

5.2.1 Fallbeispiel 1: Integration einfacher Vormontagetätigkeiten in die Kommissionierung

Die Trennung von Produktions- und Logistiktätigkeiten verspricht durch Standardisie-

rung, Transparenz und Outsourcing von Nebentätigkeiten Produktivitätssteigerun-

gen. Allerdings kann dies zu monotonen Tätigkeiten und einseitigen Belastungen

führen. Im nachfolgenden Abschnitt wird anhand eines Beispiels untersucht, wie sich

die Integration einfacher Vormontagetätigkeiten in die Kommissionierung auf die kör-

perliche Belastung auswirkt. Die Ergebnisse dieses Fallbeispiels wurden im Rahmen

eines Fachbeitrages veröffentlicht [Kel-2015a].

Betrachtet wird die Versorgung eines Achs-Montagebandes mit dem Bremsgestän-

gesteller. Dieses Bauteil hält bei Verschleiß des Bremsklotzes den Abstand zwischen

Bremsscheibe und Bremsklotz konstant. Der Versorgungsprozess besteht aus Se-

quenzierung, Vormontage und Bereitstellung des Bauteils am Montageband (siehe

Abbildung 5-7).

Abbildung 5-7: Fallbeispiel 1 - Versorgungsprozess Bremsgestängesteller

Am Arbeitsplatz Sequenzierung (AP 1.1) wird der Bremsgestängesteller fahrzeugbe-

zogen kommissioniert und in der Verbaureihenfolge in einem Spezialbehälter (Se-

quenzbehälter) abgelegt. Es werden jeweils zwei Bauteile aus den sortenreinen Be-

hältern entnommen und im Sequenzbehälter abgelegt. Der Mitarbeiter hat an diesem

Arbeitsplatz keine Sitzmöglichkeit. Abbildung 5-8 zeigt das Arbeitsplatzlayout und ein

Foto aus dem Bereich.

Gestängesteller

sequenzieren

Gestängesteller

einstellenMontage

5 Konzeptelement 2: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Körperhaltung

120

Abbildung 5-8: Fallbeispiel 1 - Arbeitsplatz Sequenzierung Bremsgestängesteller (AP 1.1)

Am Arbeitsplatz Bremsgestängesteller einstellen (AP 1.2) wird der Bremsgestänge-

steller in einer verbauortsnahen Vormontage eingestellt. Hierzu entnimmt der Mitar-

beiter den Bremsgestängesteller aus dem Sequenzbehälter, platziert ihn auf einer

Vorrichtung und führt mit einem Werkzeug den Einstellvorgang durch. Nach Ab-

schluss dieser Tätigkeit legt der Mitarbeiter den Bremsgestängesteller wieder in den

Sequenzbehälter zurück. Dem Mitarbeiter steht an diesem Arbeitsplatz eine Stehhilfe

zur Verfügung. Abbildung 5-9 zeigt das Arbeitsplatzlayout und ein Foto der Einstell-

vorrichtung.

Abbildung 5-9: Fallbeispiel 1 - Arbeitsplatz Vormontage Bremsgestängesteller (AP 1.2)

Untersuchungsziel und Vorgehensweise

Im Rahmen der Untersuchung wird die körperliche Belastung der Einzelarbeitsplätze

mit einem Arbeitsplatz verglichen, bei welchem die Kommissionierung und Vormon-

tage kombiniert in einem Schritt ausgeführt werden (AP 2). Dabei wird die Einstellvor-

richtung inklusive der Stehhilfe neben dem Sequenzbehälter platziert. Der Mitarbeiter

entnimmt jeweils zwei Bauteile, geht zur Einstellvorrichtung, führt den Einstellvor-

gang durch und legt die Bauteile anschließend im Sequenzbehälter ab.

Sequenzbehälter

Gestängesteller sortenrein

Sequenzbehälter Einstellvorrichtung

Stehhilfe

Einstelllehre

WerkzeugAufnahmedorn

5.2 Anwendung von Konzeptelement 2 anhand von Fallbeispielen

121

Abbildung 5-10: Fallbeispiel 1 - Arbeitsplatz Sequenzierung und Vormontage Bremsgestängesteller (AP 2)

Der Arbeitsablauf an den Arbeitsplätzen wurde mithilfe von MTM1-Zeitbausteinen

beschrieben. Zu jedem Vorgangschritt wurde anschließend die Körperhaltung ent-

sprechend der OWAS-Methode hinzugefügt. Dies wurde ohne die Durchführung von

Filmaufnahmen, basierend auf einer Prozessbeobachtung, durchgeführt. Die voll-

ständige Beschreibung des Arbeitsablaufes mit dem MTM-1-System der OWAS-

Methode findet sich in Anhang E.

Sequenzbehälter

Gestängesteller sortenrein

Einstellvorrichtung

5 Konzeptelement 2: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Körperhaltung

122

Ergebnis

Tabelle 5-12 zeigt das Ergebnis der Untersuchung

Tabelle 5-12: Fallbeispiel 1 - Ergebnis

AP 1.1 AP 1.2 AP 2

Zeit

Dauer Grundzyklus 20,4 s 9,6 s 38,1 s

Zeitanteile der Körperhaltungen (Aktionskategorie)*

Rücken 1) Gerade 62% (AK1) 79% (AK1) 76% (AK1)

2) Gebeugt -

6% (AK1) 3% (AK1)

3) Gedreht -

-

-

4) Gedreht und gebeugt 38% (AK3) 15% (AK2) 21% (AK2)

Beine 1) Sitzen -

100% (AK2) 63% (AK1)

2) Stehen 81% (AK2) -

20% (AK1)

3) Stehen auf einem Bein -

-

-

4) Beide Beine gebeugt -

-

-

5) Ein Bein gebeugt -

-

-

6) Knien -

-

-

7) Gehen 19% (AK1) -

17% (AK1)

Arme 1) Beide Arme unterhalb Schulterhöhe 100% (AK1) 100% (AK1) 100% (AK1)

2) Ein Arm mindestens auf Schulterhöhe -

-

-

3) Beide Arme mindestens auf Schulterhöhe - - -

Haltungsverteilungskoeffizient

Rücken 0,35

0,26

0,29

Beine 0,55

0,71

0,34

Arme 0,33 0,33 0,33

Haltungswechsel pro Zeiteinheit

Rücken 23,08 min

-1 24,91 min

-1 20,51 min

-1

Beine 11,89 min

-1 0

10,94 min

-1

Arme - - -

Standardabweichung der mittleren Haltungsblocklänge

Rücken 1,09 s 1,50 s 2,23 s

Beine 4,94 s -

7,39 s

Arme - -

- * Legende Aktionskategorien AK1) Keine Gesundheitsgefährdung, Maßnahmen zur Arbeitsplatzgestaltung sind nicht notwendig. AK2) Gesundheitsgefährdung möglich, Maßnahmen zur Abhilfe sollten in der nächsten Zeit getroffen werden AK3) Gesundheitsgefährdend, Maßnahmen zur Abhilfe sollten so schnell wie möglich ergriffen werden. AK4) Hoch Gesundheitsgefährdend, Maßnahmen zur Abhilfe müssen unmittelbar ergriffen werden. (Summe kann aufgrund Rundung von 100% abweichen)

Zykluszeit

Die Zeit für einen Grundzyklus hat sich von 20,4 Sekunden an Arbeitsplatz 1.1 (für 2

Stück) und 9,6 Sekunden an Arbeitsplatz 1.2 (für 1 Stück) auf 38,1 Sekunden an Ar-

beitsplatz 2 (für 2 Stück) erhöht. Die Produktivität, gemessen in Arbeitszeit pro Bau-

teil, verbessert sich damit geringfügig von 20,3 Sekunden auf 19,5 Sekunden. Aller-

dings stellt die Erhöhung der Zykluszeit von 20,4 Sekunden respektive 9,6 Sekunden

auf 38,1 Sekunden eine wesentliche ergonomische Verbesserung dar, da Zykluszei-

5.2 Anwendung von Konzeptelement 2 anhand von Fallbeispielen

123

ten unter 30 Sekunden als hoch repetitiv und belastend zu bewerten sind [Sil-1986].

Tabelle 5-13 zeigt die zeitliche Auswertung der MTM-Analyse.

Tabelle 5-13: Fallbeispiel 1 –Auswertung MTM-Analyse (Datenbasis siehe Anhang E)

Arbeitsplatz Behälter vorbereiten

Stück pro Behälter

Dauer Arbeitszyk-lus (Grundzyklus)

Stück pro Arbeitszyklus

TMU Sek. TMU Sek.

AP 1.1 225 8,1 18 568 20,4 2

AP 1.2 - - 18 268 9,6 1

Produktivität (Arbeitszeit pro Bauteil) 20,3

AP 2 225 8,1 18 1060 38,1 2

Produktivität (Arbeitszeit pro Bauteil) 19,5

Zeitanteile der Körperhaltungen

Die Haltung des Rückens wurde durch die Kombination von Vormontage und Se-

quenzierung verbessert. An Arbeitsplatz 1.1 befindet sich der Mitarbeiter zu 38 % der

Zeit in der Rücken-Haltung „gebeugt und gedreht (4)“ und erreicht damit Aktionska-

tegorie 3. An Arbeitsplatz 2 befindet sich der Mitarbeiter nur noch zu 21 % in dieser

Haltung, wodurch sich die Aktionskategorie um eine Stufe auf Aktionskategorie 2

verbessert.

Weiterhin führt die Kombination von Vormontage und Sequenzierung zu einer Ver-

besserung der Beinhaltung. Während der Mitarbeiter an Arbeitsplatz 1.1 ausschließ-

lich die Haltungen „stehen (2)“ oder „geht (7)“ einnimmt, muss der Mitarbeiter an Ar-

beitsplatz 1.2 durchgehend in der Haltung „sitzen (1)“ bleiben. Beides ist nicht opti-

mal und wird mit Aktionskategorie 2 bewertet. Ergonomisch günstiger ist eine Ab-

wechslung zwischen Gehen, Stehen und Sitzen. Dies wird an Arbeitsplatz 2 erreicht.

Die Verteilung der Zeitanteile mit 63 % sitzen (1), 20 % stehen (2) und 17 % gehen

(7) stellt eine abwechslungsreiche ergonomische Verteilung dar29.

Arbeit über Schulterhöhe tritt an keinem der Arbeitsplätze auf, so dass sich für die

Körperregion Arme keine Unterschiede zwischen Arbeitsplatz 1.1, 1.2 und 2 erge-

ben.

Haltungsverteilungskoeffizient

Der Haltungsverteilungskoeffizient ist ein Maß, inwiefern unterschiedliche Körperhal-

tungen eingenommen werden, und quantifiziert die Abweichung von einer Zielvertei-

lung30. Als Grundlage für die Auswertung wurde die Zielverteilung nach Tabelle 5-11

verwendet. Je niedriger der Haltungsverteilungskoeffizient desto geringer ist die Ab-

29

Empfehlung Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik: 60 % Sitzen, 30 % Stehen und 10 % Gehen [Ber-2009, S.18].

30 Vgl.: S. 86, Formel (5-2).

5 Konzeptelement 2: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Körperhaltung

124

weichung des untersuchten Arbeitsplatzes von dieser Zielverteilung. Für die Körper-

region Rücken ergibt sich zwischen den Arbeitsplätzen nur ein geringer Unterschied.

Für die Körperregion Beine zeigt der Haltungsverteilungskoeffizient, dass sowohl an

Arbeitsplatz 1.1 (HVK Beine: 0,55) mit reiner Steh- und Geharbeit als auch an Ar-

beitsplatz 1.2 (HVK Beine: 0,71) mit Sitzarbeit eine einseitige Haltung vorliegt. Die

Kombination von Vormontage und Sequenzierung an Arbeitsplatz 2 stellt sich durch

kombinierte Sitz- und Steharbeit abwechslungsreicher dar. Der Haltungsverteilungs-

koeffizient zeigt dies durch einen wesentlich niedrigeren Wert an Arbeitsplatz 2 (HVK

Beine: 0,34). Für die Arme ergibt sich kein Unterschied, da an keinem der drei Ar-

beitsplätze Arbeit über Schulterhöhe auftritt.

Abbildung 5-11: Fallbeispiel 1 - Haltungsverteilungskoeffizient

Zeitliche Abfolge der Körperhaltungen

Zur zeitlichen Abfolge der Körperhaltung wird im Folgenden der Rücken betrachtet.

Auf den Bereich Beine wird verzichtet, da bereits im vorigen Abschnitt die Auswir-

kung einer kombinierten Sitz- und Steharbeit diskutiert wurde. Auf den Bereich Arme

wird verzichtet, da Arbeit über Schulterhöhe an keinem der Arbeitsplätze auftritt und

sich daher keine Unterschiede zwischen den Arbeitsplätzen ergeben. Im Bereich Rü-

cken ist an Arbeitsplatz 1.1 und Arbeitsplatz 1.2 ein einförmiger Tätigkeitsablauf er-

kennbar. Dies zeigt sich in Abbildung 5-12 an den gleichförmigen Blocklängen und

der sich wiederholenden Haltungsabfolge für Arbeitsplatz 1.1 und Arbeitsplatz 1.2.

Der Arbeitsablauf an Arbeitsplatz 2 gestaltet sich dagegen abwechslungsreicher. Er-

kennbar ist dies in Abbildung 5-12 an der variierenden Blocklänge. Dies spiegelt sich

auch in der Standardabweichung der mittleren Haltungsblocklänge in Tabelle 5-12

wider. Die Standardabweichung ist an Arbeitsplatz 2 mit 2,23 Sekunden wesentlich

größer als an Arbeitsplatz 1.1 mit 1,09 Sekunden und an Arbeitsplatz 1.2 mit

1,50 Sekunden.

Rücken Beine Arme

AP 1.1 0,347 0,55 0,33

AP 1.2 0,261 0,71 0,33

AP 2 0,29 0,337 0,33

0

0,2

0,4

0,6

0,8

1

Haltungsverteilungskoeffizient

Ergonomisch günstige Kombination von Sitz- und Steharbeit

5.2 Anwendung von Konzeptelement 2 anhand von Fallbeispielen

125

Abbildung 5-12: Fallbeispiel 1 - Darstellung der Haltungsabfolge für die Körperregion Rücken

Diskussion

Das Ergebnis zeigt, dass eine Kombination von Vormontage und Kommissionierung

an einem Arbeitsplatz ergonomische Vorteile mit sich bringt. Zum einen führt eine

Kombination zu einem längeren Grundzyklus. Dies ist ergonomisch grundsätzlich

positiv. Zum anderen ist es möglich, dass sich durch die Kombination eine abwechs-

lungsreichere Kombination an unterschiedlichen Haltungen ergibt. Im untersuchten

Beispiel ergab die Kombination von Vormontage und Kommissionierung eine ergo-

nomisch günstige Abwechslung zwischen Sitzen, Stehen und Gehen.

25 s 50 s 75 s

Arbeitsplatz

AP 1.1

AP 1.2

AP 2

Rücken, Haltung 1

Rücken, Haltung 2

Rücken, Haltung 3

Rücken, Haltung 4

5 Konzeptelement 2: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Körperhaltung

126

5.2.2 Fallbeispiel 2: Untersuchung unterschiedlicher Layoutvarianten in der Mann-zu-Ware Kommissionierung

Mann-zu-Ware Kommissioniersysteme werden mit unterschiedlichen Layoutvarianten

und Wegstrategien realisiert [Kos-2007]. Eine Auswahl erfolgt in der Regel nach Effi-

zienzgesichtspunkten. Allerdings kann sich das Layout auch auf die körperliche Be-

lastung auswirken. Dies wird im Folgenden anhand eines Fallbeispiels untersucht.

Betrachtet wird eine Kleinteilekommissionierung mit Pick-by-Light Unterstützung.

Im betrachteten Kommissioniersystem werden Norm- und Kleinteile fahrzeugbezo-

gen kommissioniert und als Set am Montageband bereitgestellt. Der Kommissionier-

wagen wird durch eine Deckenschiene auf einer ovalen Bahn geführt. An den gera-

den Seiten wird das Material in Regalen mit sortenreinen Kleinladungsträgern bereit-

gestellt. Pro Umlauf werden vier Sets gebildet. Die Kommissionierung befindet sich in

der Nähe der Produktion und ist mit einem Vorlauf von ca. 60 Minuten an den Pro-

duktionstakt gekoppelt. Aufgrund des Layouts und der fest vorgegebenen Wegstra-

tegie entnimmt der Mitarbeiter die Bauteile immer von der linken Seite. Die Einzelteil-

gewichte liegen an diesem Arbeitsplatz unter 5 Kilogramm, das Durchschnittsgewicht

beträgt ca. 0,5 Kilogramm. Der Wagen wiegt ca. 100 Kilogramm.

Untersuchungsziel und Vorgehensweise

Aufgrund der geringen Einzelteilgewichte stellt Lasthandhabung im betrachteten

Kommissioniersystem nicht die dominante Belastung dar. Die Belastung wird an dem

Arbeitsplatz durch einen einseitigen, repetitiven Ablauf sowie dauerndes Stehen und

Gehen hervorgerufen. Bein- und Fußschmerzen stellen die vorherrschenden Be-

schwerdebilder der Mitarbeiter dar.

Das Kommissioniersystem ist in zwei Bereiche A und B eingeteilt, welche jeweils ei-

nen Bandabschnitt versorgen. Abbildung 5-13 zeigt den Arbeitsplatz sowie ein

schematisches Layout.

5.2 Anwendung von Konzeptelement 2 anhand von Fallbeispielen

127

Abbildung 5-13: Fallbeispiel 2 - Layout Kleinteilekommissionierung

Zur Untersuchung wird das Layout in drei Abschnitte unterteilt. In Abschnitt 1 bewegt

sich der Mitarbeiter geradlinig entlang des Regals. Er entnimmt die Bauteile aus dem

Regal in halbgedrehter Stellung und legt sie ohne wesentliche Positionsänderung in

dem Wagen ab. In Abschnitt 2 befindet sich der Wagen bereits in der Kurve. In die-

sem Abschnitt pendelt der Mitarbeiter für jedes Teil zwischen Wagen und Regal. Da-

bei werden häufig ungünstige Positionen auf einem Bein eingenommen. In Abschnitt

3 bewegt sich der Mitarbeiter wiederum geradlinig entlang dem Regal.

Im Folgenden wird der Arbeitsablauf mithilfe von Konzeptelement 2 des erweiterten

Systems vorbestimmter Zeiten hinsichtlich Einseitigkeit und Abwechslung untersucht

und die drei Abschnitte miteinander verglichen. Zur Erfassung der Zeiten und Kör-

perhaltungen wurden Filmaufnahmen des Arbeitsablaufes erstellt.

Re

gal

Re

gal

Abschnitt 2

Ab

sch

nit

t1

Ab

sch

nit

t3

Abschnitt 1

Abschnitt 3

Abschnitt 2

Wagen

Bereich A

Bereich B

5 Konzeptelement 2: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Körperhaltung

128

Ergebnis

Tabelle 5-14 zeigt das Ergebnis der Auswertung. Der Grundzyklus, die Entnahme

eines Teils, ist in den drei Abschnitten identisch.

Tabelle 5-14: Fallbeispiel 2 - Ergebnis

Gesamt Abschnitt 1 Abschnitt 2 Abschnitt 3

Zeitanteile der Körperhaltungen (Aktionskategorie)*

Rücken 1) Gerade 71% (AK1) 67% (AK1) 66% (AK1) 75% (AK1)

2) Gebeugt 17% (AK1) 18% (AK1) 23% (AK1) 14% (AK1)

3) Gedreht 6% (AK1) 12% (AK1) - - 4% (AK1)

4) Gedreht und gebeugt 6% (AK2) 4% (AK1) 12% (AK2) 6% (AK2)

Beine 1) Sitzen -

-

-

-

2) Stehen 48% (AK1) 45% (AK1) 12% (AK1) 60% (AK1)

3) Stehen auf einem Bein 29% (AK1) 29% (AK1) 50% (AK2) 23% (AK1)

4) Beide Beine gebeugt -

-

-

5) Ein Bein gebeugt -

-

-

6) Knien -

-

-

7) Gehen 23% (AK1) 26% (AK1) 36% (AK1) 17% (AK1)

Arme 1) Beide Arme unterh. Schulterhöhe 82% (AK1) 75% (AK1) 90% (AK1) 85% (AK1)

2) Ein Arm min. auf Schulterhöhe 16% (AK1) 23% (AK1) 10% (AK1) 12% (AK1)

3) Beide Arme min. auf Schulterhöhe 2% (AK1) 2% (AK1)

3% (AK1)

Haltungsverteilungskoeffizient

Rücken 0,09

0,03

0,13

0,13

Beine 0,42

0,39

0,51

0,48

Arme 0,15 0,11 0,23 0,18

Haltungswechsel pro Zeiteinheit

Rücken 14,17 min

-1 14,29 min

-1 20,90 min

-1 12,19 min

-1

Beine 22,78 min

-1 22,46 min

-1 40,30 min

-1 17,66 min

-1

Arme 14,17 min

-1 17,80 min

-1 8,21 min

-1 13,03 min

-1

Standardabweichung der mittleren Haltungsblocklänge

Rücken 5,92 s 5,32 s 2,38 s 7,08 s

Beine 2,67 s 2,27 s 1,03 s 3,40 s

Arme 7,28 s 4,75 s 8,11 s 8,91 s * Legende Aktionskategorien AK1) Keine Gesundheitsgefährdung, Maßnahmen zur Arbeitsplatzgestaltung sind nicht notwendig. AK2) Gesundheitsgefährdung möglich, Maßnahmen zur Abhilfe sollten in der nächsten Zeit getroffen werden AK3) Gesundheitsgefährdend, Maßnahmen zur Abhilfe sollten so schnell wie möglich ergriffen werden. AK4) Hoch Gesundheitsgefährdend, Maßnahmen zur Abhilfe müssen unmittelbar ergriffen werden. (Summe der Zeitanteile kann aufgrund Rundung von 100% abweichen)

Zeitanteile der Körperhaltungen

Für die Körperregion Rücken wird vorwiegend die Haltung „gerade (1)“ festgestellt,

wobei in Abschnitt 2 der Zeitanteil in der Haltung „gebeugt und gedreht (4)“ erhöht

ist. Dies wird mit Aktionskategorie 2 bewertet. Ansonsten werden die Haltungen in

5.2 Anwendung von Konzeptelement 2 anhand von Fallbeispielen

129

der Körperregion Rücken durchgängig mit Aktionskategorie 1 bewertet.

Ausschließliches Stehen und Gehen wird für die Körperregion Beine festgestellt. In

Abschnitt 2 tritt „Stehen auf einem Bein (3)“ mit einem Zeitanteil von 50% auf. Dies

wird mit Aktionskategorie 2 bewertet, ansonsten sind die Haltungen für die Körperre-

gion Beine mit Aktionskategorie 1 bewertet.

Die Haltungen für die Körperregion Arme sind über alle drei Abschnitte mit der Akti-

onskategorie 1 bewertet. Die Haltungen „ein Arm mindestens auf Schulterhöhe (2)“

und „beide Arme mindestens auf Schulterhöhe (3)“ treten insgesamt mit einem Zeit-

anteil von 18 % auf.

Haltungsverteilungskoeffizient

Für die Körperregion Rücken und Arme ist der Haltungsverteilungskoeffizient über

alle drei Abschnitte niedrig (HVK Rücken: 0,09, HVK Arme: 0,15). Das bedeutet, die

zeitliche Verteilung der Körperhaltungen weicht nur in geringem Maße von der Soll-

verteilung nach Tabelle 5-11 ab und kann als ergonomisch günstig interpretiert wer-

den. Für die Körperregion Beine zeigt der Haltungsverteilungskoeffizient dagegen

über alle drei Abschnitte einen wesentlich erhöhten Wert (HVK Beine: 0,42). Die

ausschließliche Steh- und Geharbeit führt hier zu einer höheren Abweichung von der

Sollverteilung nach Tabelle 5-11. In diesem Fall weist der erhöhte Wert des Hal-

tungsverteilungskoeffizienten für die Körperregion Beine somit auf eine einseitige

Belastungssituation aufgrund ausschließlicher Steh- und Geharbeit hin.

Zeitliche Abfolge der Körperhaltungen

Die Analyse der Haltungswechsel pro Zeiteinheit zeigt für die Beine mit 40,3 Hal-

tungswechseln pro Minute einen stark erhöhten Wert in Abschnitt 2 (siehe Abbildung

5-14. Dies ist auf die Pendelbewegung zwischen Regal und Kommissionierwagen

zurückzuführen und indiziert eine hochfrequente repetitive Bewegungsfolge, welche

ergonomisch ungünstig ist.

5 Konzeptelement 2: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Körperhaltung

130

Abbildung 5-14: Fallbeispiel 2 - Haltungswechsel pro Zeiteinheit

Die grafische Darstellung der Haltungsabfolge für die Körperregion Beine in Abbil-

dung 5-15 unterstützt diese Analyse. So sind die Haltungsblöcke in Abschnitt 2 deut-

licher kürzer und einförmiger als in Abschnitt 1 und Abschnitt 3. Entsprechend ist die

Standardabweichung der mittleren Haltungsblocklänge in Abschnitt 2 (1,03 s) we-

sentlich niedriger als in Abschnitt 1 (2,27 s) und Abschnitt 2 (3,40 s).

Abbildung 5-15: Fallbeispiel 2 - Darstellung der Haltungsabfolge für Körperregion Beine

Diskussion

Das Ergebnis zeigt, dass die Tätigkeit in Abschnitt 2 aufgrund der Pendelbewegung

zwischen Regal und Kommissionierwagen zu einer einseitigen repetitiven Bewegung

führt. Zudem tritt in diesem Abschnitt mit einem Zeitanteil von 50 % die ergonomisch

ungünstige Haltung „Stehen auf einem Bein (3)“ auf. Aus diesen Gründen stellt sich

die Tätigkeit in Abschnitt 2 belastender dar als in Abschnitt 1 und Abschnitt 3.

14,17

22,78

14,17

20,90

40,30

8,21 12,19

17,66 13,03

Rücken Beine Arme

Haltungswechsel pro Minute

Abschnitt 1 Abschnitt 2 Abschnitt 3

Hochfrequente, repetitive Bewegungsfolge

60 120 180 240 300 360 420 480 540 Zeit [s]

Abschnitt 1 Abschnitt 2 Abschnitt 3

Beine, Haltung 1

Beine, Haltung 2

Beine, Haltung 3

Beine, Haltung 4

Beine, Haltung 5

Beine, Haltung 6

Beine, Haltung 7

5.2 Anwendung von Konzeptelement 2 anhand von Fallbeispielen

131

Auf Grundlage dieser Untersuchung wurde ein Vorschlag für ein geändertes Layout

erarbeitet, welches in Abbildung 5-16 dargestellt ist. Dem Bereich A wird die linke

Regalzeile und dem Bereich B die rechte Regalzeile zugewiesen. Der Mitarbeiter

bewegt sich hierdurch geradlinig entlang des Regals und die erhöhte Belastung in

Abschnitt 2 wird vermieden. Die einseitige Arbeitsrichtung nach links kann zusätzlich

durch eine Mitarbeiter-Rotation zwischen den Bereichen A und B eliminiert werden.

Die geänderte Wegführung bedingt, dass der Mitarbeiter den vollen Kommissionier-

wagen wieder zur Startposition zurückschieben muss. Dies führt zu einem längeren

Haltungsblock in neutraler Körperhaltung und kann als ergonomisch günstige Erho-

lungsphase gesehen werden. Die Strecke hat eine Länge von 14 Metern. Hierfür be-

nötigt der Mitarbeiter etwa 10 Sekunden. Im Verhältnis zur Gesamtarbeitszeit

(9:30 Minuten) stellt sich dies als gering dar. Ein nennenswerter Verlust an Produkti-

vität ist durch das geänderte Layout folglich nicht zu erwarten.

Abbildung 5-16: Fallbeispiel 2 - Vorschlag Layoutänderung

5.2.3 Fallbeispiel 3: Eliminierung nicht-wertschöpfender Tätigkeiten in der Mann-zu-Ware Kommissionierung

Die Eliminierung nicht-wertschöpfender Tätigkeiten nach dem Vorbild des Toyota

Produktionssystems stellt eine Methode zur Erhöhung der Produktivität dar [Ōno-

1988, S.18ff]. Allerdings können hierdurch monotone Bewegungsabläufe und einsei-

tige Belastungen entstehen. Im folgenden Fallbeispiel wird untersucht, wie sich die

körperliche Belastung in einer Mann-zu-Ware Kommissionierung durch die Eliminie-

rung nicht-wertschöpfender Tätigkeiten verändert. Zu dem Fallbeispiel wurde ein

Fachbeitrag veröffentlicht [Kel-2015b].

Regal

Regal

Wagen Wagen

Bereich A Bereich B

5 Konzeptelement 2: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Körperhaltung

132

Abbildung 5-17 zeigt das Layout des betrachteten Arbeitsplatzes. Der Mitarbeiter

geht einen Gang entlang und entnimmt entsprechend einer Kommissionierliste Be-

hälter aus den beidseitig angeordneten Regalen. Anschließend klebt der Mitarbeiter

ein Etikett auf den entnommenen Behälter und stellt ihn auf dem Bandförderer ab.

Abbildung 5-17: Fallbeispiel 3 - Arbeitsplatzlayout.

Untersuchungsziel und Vorgehensweise

In der Untersuchung wird der betrachtete Arbeitsplatz mit einem simulierten Arbeits-

platz verglichen, bei welchem alle nicht-wertschöpfenden Tätigkeiten eliminiert wur-

den. Zur Erfassung der Arbeitsschritte und Körperhaltungen wurden Filmaufnahmen

am Arbeitsplatz erstellt. Basierend hierauf wurde ein Referenzablauf eines Grundzyk-

lus definiert, welcher die Kommissionierung eines Behälters umfasst. Dieser Ablauf

wurde mit MTM-1 und der OWAS-Methode beschrieben. Die vollständige Beschrei-

bung des Tätigkeitsablaufes findet sich in Anhang F (MTM-1, OWAS).

Im nächsten Schritt wurden die Tätigkeiten des Grundzyklus in wertschöpfend und

nicht-wertschöpfend eingeteilt (siehe Tabelle 5-15). Das Aufbringen des Etiketts und

das Umsetzten des Behälters stellen wertschöpfende Tätigkeiten dar, da hier eine

logistische Leistung erbracht wird. Das Suchen des nächsten Behälters und das Ge-

hen zum nächsten Behälter werden dagegen als nicht-wertschöpfend klassifiziert.

Tabelle 5-15: Fallbeispiel 3 - Klassifizierung der Tätigkeiten nach Wertschöpfung

Tätigkeit Klassifizierung

Suchen d. nächsten Behälters nicht-wertschöpfend Gehen z. nächsten Behälter nicht-wertschöpfend Etikett aufkleben wertschöpfend KLT auf Bandförderer umset-zen

wertschöpfend

Bandfö

rdere

rK

LT

Regal

Regal

5.2 Anwendung von Konzeptelement 2 anhand von Fallbeispielen

133

Im Folgenden entspricht Arbeitsplatz 1 dem realen Ablauf und Arbeitsplatz 2 dem

simulierten Ablauf ohne nicht-wertschöpfende Tätigkeiten. Der simulierte Ablauf an

Arbeitsplatz 2 könnte beispielsweise durch ein Ware-zu-Mann Kommissioniersystem

realisiert werden, bei welchem Behälter von Paletten, welche automatisiert an einem

festen Ort bereitgestellt werden, kommissioniert werden.

Ergebnis

Tabelle 5-16 zeigt das Ergebnis der Untersuchung.

Tabelle 5-16: Fallbeispiel 3 - Ergebnis

AP 1 AP 2

Zeit

Dauer Grundzyklus 6,33 s 4,71 s

Zeitanteile der Körperhaltungen (Aktionskategorie)*

Rücken 1) Gerade 66% (1) 44% (1)

2) Gebeugt 6% (1) 12% (1)

3) Gedreht 7% (1) 11% (1)

4) Gedreht und gebeugt 21% (2) 33% (3)

Beine 1) Sitzen -

-

2) Stehen 35% (1) 40% (1)

3) Stehen auf einem Bein 14% (1) 24% (1)

4) Beide Beine gebeugt 2% (1) -

5) Ein Bein gebeugt 7% (2) 15% (2)

6) Knien -

-

7) Gehen 42% (1) 21% (1)

Arme 1) Beide Arme unterh. Schulterhöhe 90% (1) 88% (1)

2) Ein Arm min. auf Schulterhöhe 7% (1) 5% (1)

3) Beide Arme min. auf Schulterhöhe 3% (1) 7% (1)

Haltungsverteilungskoeffizient

Rücken 0,19

0,30

Beine 0,35

0,42

Arme 0,23

0,21

Haltungswechsel pro Zeiteinheit

Rücken 12,05 min

-1 19,15 min

-1

Beine 20,26 min

-1 29,41 min

-1

Arme 6,16 min

-1 5,13 min

-1

Standardabweichung der mittleren Haltungsblocklänge

Rücken 4,05 s 2,01 s

Beine 2,41 s 1,66 s

Arme 20,63 s 14,23 s

* Legende Aktionskategorien 1) Keine Gesundheitsgefährdung, Maßnahmen zur Arbeitsplatzgestaltung sind nicht notwendig. 2) Gesundheitsgefährdung möglich, Maßnahmen zur Abhilfe sollten in der nächsten Zeit getroffen werden 3) Gesundheitsgefährdend, Maßnahmen zur Abhilfe sollten so schnell wie möglich ergriffen werden. 4) Hoch Gesundheitsgefährdend, Maßnahmen zur Abhilfe müssen unmittelbar ergriffen werden. (Summe der Zeitanteile kann aufgrund Rundung von 100% abweichen)

5 Konzeptelement 2: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Körperhaltung

134

Zykluszeit

Der Grundzyklus umfasst die Kommissionierung eines Behälters. Die Zeitdauer hier-

für hat sich von 6,33 Sekunden an Arbeitsplatz 1 auf 4,71 Sekunden an Arbeits-

platz 2 verkürzt. Dies würde einer Produktivitätssteigerung um 34% entsprechen.

Zykluszeiten unter 30 Sekunden gelten als hoch repetitiv und sind als belastend zu

bewerten [Sil-1986]. Aus ergonomischer Sicht ist die Verkürzung der Zykluszeit da-

her als ungünstig zu bewerten.

Zeitanteile der Körperhaltungen

Für die Körperregion Rücken wird an beiden Arbeitsplätzen überwiegend die Haltung

„gerade (1)“ festgestellt. Durch die Eliminierung nicht-wertschöpfender Tätigkeiten

erhöht sich der Zeitanteil in der Haltung „gebeugt und gedreht (4)“ von 21 % an Ar-

beitsplatz 1 auf 33 % an Arbeitsplatz 2. Hierdurch verschlechtert sich die Risikoklas-

se auf Aktionskategorie 3.

An Arbeitsplatz 1 findet eine Abwechslung zwischen den Haltungen „Stehen (2)“ und

„Gehen (7)“ statt. An Arbeitsplatz 2 wurde der Zeitanteil der Haltung „Gehen (7)“ von

47 % auf 21 % reduziert. Dafür hat der Zeitanteil der ergonomisch ungünstigen Hal-

tungen „Stehen auf einem Bein (3)“ und „ein Bein gebeugt (5)“ zugenommen.

Arbeit über Schulterhöhe tritt an beiden Arbeitsplätzen nur zu einem geringen Zeitan-

teil (maximal 12 %) auf. Aus diesem Grund sind die Haltungen für die Körperregion

Arme an beiden Arbeitsplätzen mit Aktionskategorie 1 bewertet.

Haltungsverteilungskoeffizient

Die Eliminierung nicht-wertschöpfender Tätigkeiten führt zu einer Erhöhung des Hal-

tungsverteilungskoeffizienten für die Körperregion Rücken (AP 1: 0,19, AP 2: 0,30)

und für die Körperregion Beine (AP 1: 0,35, AP 2: 0,42). Dies ist ein Hinweis auf eine

Zunahme einseitiger Haltungssituationen. Für die Körperregion Arme ergibt sich zwi-

schen den Arbeitsplätzen nur ein geringer Unterschied.

Zeitliche Abfolge der Körperhaltungen

Die Analyse der Haltungswechsel pro Zeiteinheit ergibt für die Körperregionen Rü-

cken und Beine eine Erhöhung der Haltungswechsel pro Minute und eine Verringe-

rung der Standardabweichung der mittleren Haltungsblocklänge an Arbeitsplatz 2.

Dies ist ein Indiz für eine Zunahme von kurzzyklischen, sich wiederholenden Bewe-

gungsabläufen an Arbeitsplatz 2. Dies zeigt sich auch in der grafischen Darstellung

der Haltungsabfolge für die Körperregion Rücken und Beine. Durch die Eliminierung

der nicht-wertschöpfenden Tätigkeiten entfallen ebenfalls Erholungsphasen in neut-

raler Körperhaltung. Die verbleibenden Haltungsblöcke sind kürzer und variieren in

der Länge weniger.

5.2 Anwendung von Konzeptelement 2 anhand von Fallbeispielen

135

Abbildung 5-18: Fallbeispiel 3 -Darstellung der Haltungsabfolge für Körperregion Rücken und Beine

Diskussion

Das Ergebnis zeigt exemplarisch, dass die Eliminierung nicht-wertschöpfender Tätig-

keiten wesentliche Auswirkungen auf die Belastungssituation haben kann. In dem

untersuchten Fallbeispiel hat sich die körperliche Belastung erhöht, da durch die Eli-

minierung nicht-wertschöpfender Tätigkeiten auch Erholungsphasen in neutraler

Körperhaltung weggefallen sind. Da in vorliegender Arbeit nur ein Einzelfall betrach-

tet wurde, ist das Ergebnis nicht generalisierbar. Allerdings können die im Fallbei-

spiel eliminierten nicht-wertschöpfenden Tätigkeiten durchaus als typisch bezeichnet

werden. So resultiert die Eliminierung von nicht-wertschöpfenden Tätigkeit in der

Praxis häufig in der Reduktion von Such-, Geh- und Wartezeiten, da diese einfach zu

identifizieren und eliminieren sind. Diese Zeiten stellen aber, wie im Fallbeispiel ge-

zeigt, auch Erholungsphasen in neutraler Körperhaltung dar.

In der Praxis sollte daher im Rahmen der Eliminierung nicht-wertschöpfender Tätig-

keiten die Auswirkung auf die körperliche Belastung, insbesondere hinsichtlich ein-

seitiger Belastungssituationen, berücksichtigt werden. Als Maßnahme können geziel-

te Abwechslungsmöglichkeiten vorgesehen werden. Hierzu werden in Kapitel 6

Handlungsempfehlungen vorgestellt.

Rücken, Haltung 1

Rücken, Haltung 2

Rücken, Haltung 3

Rücken, Haltung 4

AP 1

Rücken

AP 2

AP 1

Beine

AP 2

25 s 50 s 75 s

Beine, Haltung 1

Beine, Haltung 2

Beine, Haltung 3

Beine, Haltung 4

Beine, Haltung 5

Beine, Haltung 6

Beine, Haltung 7

Reduktion Zeiten in neutraler

Körperhaltung

5 Konzeptelement 2: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Körperhaltung

136

5.2.4 Diskussion der Ergebnisse

In Bezug auf die Gestaltung von Produktionslogistikarbeitsplätzen wurde in den Fall-

beispielen folgendes festgestellt:

- Die Kombination von Produktions- und Logistiktätigkeiten kann sich aufgrund

einer längeren Zykluszeit und der Kombination unterschiedlicher Tätigkeitspro-

file positiv auf die Belastungssituation auswirken.

- In der Mann-zu-Ware Kommissionierung hat das Layout und die Wegstrategie

einen wesentlichen Einfluss auf die körperliche Belastung. Allerdings erfolgt

die Gestaltung des Layouts und der Wegstrategie in der Regel nach wirt-

schaftlichen Kriterien. Insbesondere ein U-Layout hat aus ergonomischer Sicht

Nachteile. Zum einen führt ein U-Layout zu einer einseitigen Arbeitsrichtung

nach links oder rechts. Zum anderen entfallen Erholungsphasen in neutraler

Körperhaltung für Wege zwischen Start- und Endpunkt.

- Die Eliminierung nicht-wertschöpfender Tätigkeiten kann durch den Entfall von

Erholungsphasen in neutraler Körperhaltung zu einseitigen Belastungssituati-

onen führen.

Diese Ergebnisse beziehen sich auf die untersuchten Einzelfälle und sind daher nicht

grundsätzlich generalisierbar. Allerdings wurden die Untersuchungen im realen Be-

trieb durchgeführt und spiegeln charakteristische Prozesse und Gestaltungsvarianten

der Produktionslogistik wider. Die Ergebnisse können daher als Indizien gewertet

werden.

5.3 Zusammenfassung

137

5.3 Zusammenfassung

Zusammenfassend kann die Frage, welche Zeit- und Belastungsmodelle sich zur

Untersuchung einseitiger und wechselnder Belastung eignen und anhand welcher

Merkmale einseitige Belastungssituationen identifiziert werden können, folgender-

maßen beantwortet werden.

Als Zeitmodell eignet sich das MTM-1-Grundsystems, da es die reale zeitliche Abfol-

ge ausgeführter Tätigkeiten ohne Vereinfachungen wiedergibt. Diese Anforderung

wird von den höher aggregierten MTM-Systemen nicht erfüllt (z. B. MTM-UAS). Die-

se sind daher nicht zur Untersuchung einseitiger und wechselnder Belastung geeig-

net.

Als Belastungsmodell eignet sich die OWAS-Methode, da sie eine einfache und kon-

tinuierliche Codierung der Ganzkörperhaltung ermöglicht. Dies stellt eine wesentliche

Voraussetzung zur Untersuchung des zeitlichen Ablaufes hinsichtlich Einseitigkeit

und Abwechslung dar.

In den Fallstudien wurde gezeigt, dass durch Kombination des MTM-1-Grundsystem

und der OWAS-Methode einseitige Belastungssituationen identifiziert werden kön-

nen. Die Identifikation kann sowohl anhand qualitativer Merkmale als auch anhand

quantitativer Merkmale durchgeführt werden.

Qualitativ konnten einseitige Belastungssituationen anhand folgender Merkmale

identifiziert werden:

- Verkürzung der Zykluszeit

- Abnahme Zeitanteil in neutraler Körperhaltung

- Einseitige Ganzkörperhaltung

- Einseitige Arbeitsrichtung

- Mangel an Erholungsphasen in neutraler Körperhaltung

Als quantitative Kennzahlen wurden der Haltungsverteilungskoeffizient, die Hal-

tungswechsel pro Zeiteinheit und die Standardabweichung der Haltungsblocklänge

betrachtet. Hohe Werte des Haltungsverteilungskoeffizienten zeigen einseitige Kör-

perhaltungen und hohe Zeitanteile in ungünstiger Körperhaltung an. Einseitige repeti-

tive Tätigkeitsabläufe sind durch eine hohe Anzahl an Haltungswechseln pro Zeitein-

5 Konzeptelement 2: Erweiterung System vorbestimmter Zeiten um Körperhaltung

138

heit und eine geringe Standardabweichung der Haltungsblocklänge gekennzeichnet.

Folgende in Kapitel 5.1.5 dargestellten Einschränkungen müssen allerdings in der

Anwendung berücksichtigt werden.

Der Haltungsverteilungskoeffizient quantifiziert die Abweichung von einer Sollvertei-

lung und ist daher nur für eine sinnvoll gewählte Sollverteilung aussagekräftig. Die in

den Fallbeispielen verwendete Sollverteilung stellt keine Empfehlung dar, sondern

dient der beispielhaften Anwendung des Haltungsverteilungskoeffizienten. In der

praktischen Anwendung ist, in Abhängigkeit von Anforderungen und Zielstellung, ei-

ne Anpassung der Sollverteilung vorzunehmen.

Mithilfe der vorgestellten Kennzahlen können die Auswirkung von Änderung an ei-

nem Arbeitsplatz quantitativ untersucht werden. Die Kennzahlen stellen allerdings

keine Risikobewertung dar. Aus diesem Grund ist der rein kennzahlenbasierte Ver-

gleich unterschiedlicher Arbeitsplätze nicht möglich. Weiterhin ist eine Kennzah-

lenaggregation oder Durchschnittsbildung über verschiedene Körperregionen nicht

sinnvoll, da sich eine einseitige Belastung einer Körperregion nicht durch eine Entlas-

tung einer anderen Körperregion kompensieren lässt.

139

6 Ableitung von Handlungsempfehlungen

Im folgenden Kapitel werden Handlungsempfehlungen zur Vermeidung einseitiger

Belastungen in der Produktionslogistik vorgestellt. Das Kapitel enthält allgemeine

Handlungsempfehlungen zur Vermeidung einseitiger Belastungen in der Produkti-

onslogistik (6.1) sowie eine beispielhafte Konkretisierung für Routenzüge (6.2) und

Kommissioniersysteme (6.3). Die Handlungsempfehlungen leiten sich aus den Er-

gebnissen der Literaturrecherche, der Feldstudie sowie den vorgestellten Fallbeispie-

len ab.

6.1 Handlungsempfehlungen zur Vermeidung einseitiger Belastungen in der Produktionslogistik

Die folgenden Handlungsempfehlungen beziehen sich auf die untersuchten manuel-

len Tätigkeiten in der Produktionslogistik. Diese umfassen die Gruppen „Fahr- und

Handhabungstätigkeiten“ sowie „Handhabungstätigkeiten“. Für Tätigkeiten innerhalb

der Gruppen „Fahr- und Handhabungstätigkeiten“ sowie „Handhabungstätigkeiten“

stellt Lasthandhabung die dominante Belastungsart dar. Daneben wurden folgende

einseitige Belastungen identifiziert:

- Dauerndes Stehen und Gehen

- Einseitige Arbeitsrichtung

- Kurzzyklisch wiederholende Arbeitsabläufe

- Enge Taktbindung

Im Folgenden werden Handlungsempfehlungen vorgestellt, um diese Belastungen zu

vermeiden.

6.1.1 Kombination unterschiedlicher Tätigkeiten

Durch eine Kombination verschiedener Tätigkeiten und Aufgaben können kurzzykli-

sche, sich wiederholende Arbeitsabläufe vermieden werden. Ergonomisch günstig ist

ein breites Aufgabenspektrum mit unterschiedlichen Tätigkeiten und einem möglichst

großen individuellen Handlungsspielraum. Hierdurch werden einseitige Belastungen

vermieden und es entstehen abwechslungsreichere Arbeitsinhalte, welche in der Re-

gel auch inhaltlich anspruchsvoller sind.

6 Ableitung von Handlungsempfehlungen

140

Dies kommt auch dem Leistungsspektrum älterer Mitarbeiter entgegen. Mit zuneh-

mendem Alter nimmt die körperliche Belastbarkeit tendenziell ab, dafür nehmen

mentale Fähigkeiten (z. B. Erfahrungswissen und Problemlösungskompetenz) ten-

denziell zu [Fri-2006; Ilm-2001]. Ein größerer Handlungsspielraum und inhaltlich an-

spruchsvollere Tätigkeiten können sich zudem positiv auf die Mitarbeitermotivation

auswirken [Fre-2001].

Empfehlenswert ist die Kombination von Tätigkeiten mit unterschiedlichem Qualifika-

tionsniveau (Jobenrichment) sowie die Kombination von Tätigkeiten mit gleichem

Qualifikationsniveau (Jobenlargement). Ein Beispiel für Jobenlargement ist die in Ka-

pitel 5.2.1 untersuchte Integration einfacher Vormontagetätigkeiten in die Kommissi-

onierung. Jobrotation sollte dagegen nur eingesetzt werden, wenn die Gestaltung

abwechslungsreicher Arbeitsplätze nicht möglich ist. Zum einen kann eine Rotation

den negativen Effekt einseitiger Belastungen nicht vollständig kompensieren [Óla-

1998; Fre-2001]. Zum anderen können mit einer Rotation auch Nachteile verbunden

sein, wie beispielsweise wechselnde Arbeitsorte, ein instabiles soziales Umfeld oder

ein geringerer Handlungsspielraum. Ein Ansatz zur Vermeidung dieser Nachteile

stellt eigenverantwortliche Gruppenarbeit dar. Dabei werden den Mitarbeitern keine

festen Arbeitsplätze zugewiesen, sondern die Gruppe organisiert eigenständig die

Aufgabeneinteilung und Arbeitsplatzrotation. Hierdurch erhalten die Mitarbeiter mehr

Handlungsspielraum und bewegen sich innerhalb der Gruppe in einem stabilen sozi-

alen Umfeld.

6.1.2 Flexible Leistungserbringung

Eine flexible Leistungserbringung gibt dem Mitarbeiter die Möglichkeit, eigenverant-

wortlich Arbeitstempo sowie Zeitpunkt und Dauer kleinerer Pausen zu bestimmen.

Hierdurch kann der Mitarbeiter vorübergehend schneller oder langsamer arbeiten, in

der Arbeitsausführung variieren und kleine Erholungspausen machen. Diese Maß-

nahme wird von Prasch auch als Maßnahme zur Integration älterer und leistungsge-

wandelter Mitarbeiter im Bereich der Montage empfohlen [Pra-2010, S.108ff]. Als

Vorteile nennt Prasch im Bereich der körperlichen Belastung eine Reduktion der

Kreislaufbelastung und eine verbesserte Nährstoffversorgung schlecht durchbluteten

Gewebes. Zusätzlich wird nach Prasch die mentale und psychische Belastung redu-

ziert, da natürliche menschliche Leistungsschwankungen nicht sofort zu Stresssitua-

tionen führen. Im Bereich der Produktionslogistik kann eine flexible Leistungserbrin-

gung insbesondere durch einen ausreichenden Materialbestand zu vorhergehenden

und nachfolgenden Prozessen umgesetzt werden.

6.1 Handlungsempfehlungen zur Vermeidung einseitiger Belastungen in der Produktionslogistik

141

6.1.3 Entlastungsmöglichkeit für Steharbeitsplätze

Stehen ohne wirksame Entlastung sollte vermieden werden, da es einen expliziten

Risikofaktor darstellt [Ber-2009, S. 8ff]. Falls an einem Arbeitsplatz der ideale Wech-

sel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen nicht möglich ist, können Stehhilfen und

Stühle in unmittelbarer Nähe des Arbeitsplatzes zur Entlastung oder für kurze infor-

melle Pausen bereitgestellt werden. Eine neuere Entwicklung sind künstliche Exos-

kelette. Diese fungieren als äußere Stützstruktur und werden bisher vorwiegend im

medizinischen Bereich eingesetzt. Abbildung 6-1 zeigt eine testweise industrielle

Anwendung bei der AUDI AG [AUD-2015a]. Das Exoskelett wird an der Rückseite

der Beine getragen und ist mit Gurten an Hüfte, Knien und Knöcheln befestigt. In sit-

zender Haltung leitet das Exoskelett das Körpergewicht in den Boden ab. Es ermög-

licht so ortsungebunden auch für kurze Zeitspannen Steharbeit durch Sitzarbeit zu

ersetzen.

Abbildung 6-1: Testeinsatz Exoskelett bei der AUDI AG. [AUD-2015b]

6.1.4 Vermeidung einseitiger Arbeitsrichtung

Eine einseitige Arbeitsrichtung liegt vor, wenn der Mitarbeiter überwiegend in eine

Arbeitsrichtung arbeitet. Dies betrifft links und rechts sowie oben und unten. Beson-

ders ungünstig ist eine einseitige Arbeitsrichtung in Verbindung mit Lasthandhabung.

6 Ableitung von Handlungsempfehlungen

142

Vermieden werden kann eine einseitige Arbeitsrichtung in der Regel durch Anpas-

sungen des Layouts und der Arbeitsorganisation. In der Mann-zu-Ware Kommissio-

nierung führt ein U-Layout zwangsläufig zu einer einseitigen Arbeitsrichtung. Dieser

Aspekt wird in Kapitel 6.3 aufgegriffen.

6.2 Gestaltungsbeispiel Routenzug

Bei Routenzugfahrern stellt manuelle Lasthandhabung die primäre Belastung dar.

Am Anlieferort wird bei KLT-Routenzügen das Umsetzen der Behälter vom Routen-

zug in Regale und bei GLT-Routenzügen das Ziehen oder Schieben der Behälter auf

Rolluntergestellen zur Bereitstellung durchgeführt. Neben der körperlich anstrengen-

den Arbeit stehen die Routenzugfahrer in der Regel unter Zeitdruck, da der Material-

bestand am Bedarfsort so gering wie möglich gehalten wird. Vor diesem Hintergrund

kommt der Berücksichtigung der Ergonomie bei der Auswahl einer geeigneten Tech-

nik für Anhänger und Transporthilfsmittel eine besondere Bedeutung zu [Keu-2016].

Daneben hat auch die Auswahl des Zugfahrzeuges einen Einfluss auf das Belas-

tungsprofil des Routenzugfahrers, denn Zugfahrzeuge werden mit und ohne Sitz-

möglichkeit ausgeführt. Abbildung 6-2 zeigt zwei Beispiele hierfür.

Abbildung 6-2: Zugfahrzeuge für Routenzüge [Sti-2016a, Sti-2016b]

Ein Zugfahrzeug mit Sitz ermöglicht dem Fahrer regelmäßige und längere Erho-

lungsphasen im Arbeitsablauf. Dies wirkt einer einseitigen Ganzkörperhaltung entge-

gen. Das Diagramm in Abbildung 6-2 zeigt für einen beispielhaften GLT-

Routenzugarbeitsplatz die Zeitanteile in den Körperhaltungen Sitzen, Stehen und

Gehen. Die Daten wurden im Rahmen einer vom Autor betreuten Studienarbeit er-

hoben [fml-2014a, S.102f]. Für den untersuchten Arbeitsplatz führt eine Zugmaschi-

ne ohne Sitz zu einer einseitigen Steh- und Gehtätigkeit. Eine Zugmaschine mit Sitz

führt hingegen zu einer ausgeglichenen Verteilung von Sitzen, Stehen und Gehen.

Vor diesem Hintergrund wird für Routenzüge eine Zugmaschine mit Sitzmöglichkeit

empfohlen. Eine Ausnahme stellen lediglich Routenzugprozesse mit sehr kurzen

6.3 Gestaltungsbeispiel Mann-zu-Ware Kommissionierung

143

Fahrwegen dar, bei welchen das häufige Hinsetzen und Aufstehen wiederum eine

Belastung darstellen würde.

Abbildung 6-3: Zeitanteil Sitzen, Stehen, Gehen für GLT-Routenzug; Vergleich Empfehlung Län-derausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik [Ber-2009, S.18], Zugma-schine mit Sitz und ohne Sitz [fml-2014a, S.103]

6.3 Gestaltungsbeispiel Mann-zu-Ware Kommissionierung

Das Belastungsprofil in der Mann-zu-Ware Kommissionierung ist durch manuelle

Lasthandhabung gekennzeichnet. Neben dem manuellen Umsetzen von Lasten bei

der Entnahme ist häufig das Ziehen oder Schieben eines Kommissionierwagens er-

forderlich. Daneben können einseitige Belastungssituationen aufgrund einer einseiti-

gen Arbeitsrichtung, dauerhaftem Stehen und Gehen sowie kurzzyklischer repetitiver

Arbeitsabläufe entstehen.

Die Arbeitsrichtung ergibt sich aus dem Layout und der Wegstrategie. Insbesondere

produktionsnahe Kommissionierbereiche, sogenannte Supermärkte, werden häufig in

einem U-Layout ausgeführt. Der Vorteil ist eine Reduktion der Gehwege zwischen

Start- und Endpunkt. Allerdings führt ein U-Layout zwangsläufig zu einer einseitigen

Arbeitsrichtung nach links oder rechts, da die Bauteile immer von der gleichen Seite

entnommen werden (siehe Abbildung 6-4). Ein Gang-Layout ermöglicht dagegen ei-

0% 20% 40% 60% 80% 100% 120%

Empfehlung LASI*

Zugfahrzeug mit Sitz

Zugfahrzeug ohne Sitz

Zeitanteil

* Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik

Ganzkörperhaltung GLT-Routenzug

Sitzen Stehen Gehen

6 Ableitung von Handlungsempfehlungen

144

ne Entnahme der Bauteile von der linken und rechten Seite. Eine einseitige Arbeits-

richtung wird hierdurch vermieden.

Abbildung 6-4: U-Layout und Gang-Layout in der MzW-Kommissionierung

In der Mann-zu-Ware Kommissionierung ist dauerhaftes Stehen und Gehen erforder-

lich. Trittelastische Bodenmatten können die Belastung aufgrund dauerhaftem Ste-

hen und Gehen wirksam reduzieren [Ede-2010]. Allerdings ist der Einsatz trittelasti-

scher Bodenmatten in der Kommissionierung wegen des Kommissionierwagens in

der Regel nicht möglich. Eine mögliche Alternative ist die Verwendung eines trittelas-

tischen Fußbodens, wie er auch für Turnhallen verwendet wird. Dieser ermöglicht

das Befahren mit einem Kommissionierwagen und reduziert die Belastung aufgrund

von dauerhaftem Stehen und Gehen ebenfalls. Abbildung 6-5 zeigt den Einsatz eines

trittelastischen Fußbodens in einer produktionsnahen Kommissionierung bei einem

Nutzfahrzeughersteller. Zum Einsatz kommt ein einfacher Aufbau, bestehend aus

Elastikschicht, Druckverteiler-Modul und Oberbelag.

Gang-LayoutU-Layout

Regal Weg

6.3 Gestaltungsbeispiel Mann-zu-Ware Kommissionierung

145

Abbildung 6-5: Gelenkschonender Fußboden in der Kommissionierung bei der MAN Truck&Bus AG

Die Kommissionieraufgabe ist in der Regel durch einen kurzen monotonen Grund-

zyklus geprägt, welcher die Entnahme und Abgabe eines Teils umfasst. Durch eine

Erweiterung der Kommissionieraufgabe um weitere Arbeitsschritte kann der Grund-

zyklus verlängert und abwechslungsreicher gestaltet werden. Ein gutes Beispiel ist

die Kombination von Kommissionierung und Vormontagetätigkeiten wie sie in Kapitel

5.2.1 vorgestellt wurde. Hierdurch werden unterschiedliche Belastungsprofile kombi-

niert und es entsteht ein abwechslungsreicherer und inhaltlich anspruchsvollerer Ar-

beitsplatz. Zusätzlich ist es möglich, durch die Kombination von Kommissionierung

und Vormontagetätigkeiten Produktivitätsverbesserungen zu erzielen. Durch die Eli-

minierung einer Prozessstufe werden die Bauteile weniger oft in die Hand genom-

men, und gegebenenfalls können Transporte zwischen Kommissionierung und Vor-

montage vermieden werden. Neben Montagetätigkeiten können sich auch Aufgaben

aus den Bereichen Qualität, Administration und Materialversorgung zur Kombination

mit Kommissioniertätigkeiten eignen.

Druckverteiler Modul

Linoleum Oberfläche

Elastikschicht

Bildquelle: www.haro-sports.com

147

7 Zusammenfassung und Ausblick

Für produzierende Unternehmen stellt die Verbesserung der Arbeitsbedingungen vor

dem Hintergrund des demografischen Wandels in Deutschland ein wichtiges Ziel dar.

Insbesondere in der Automobilindustrie wurden die körperlichen Belastungen in Pro-

duktion und Logistik mit hohem Aufwand reduziert. Die Umsetzung von Lean-

Production nach dem Vorbild des Toyota Produktionssystems hat allerdings gleich-

zeitig zu einer weiteren Arbeitsteilung und Arbeitsverdichtung gefördert. Die Produk-

tionslogistik ist hiervon besonders betroffen. Durch personelle Trennung von Produk-

tions- und Logistiktätigkeiten, Standardisierung und Eliminierung nicht-

wertschöpfender Tätigkeiten sind in der automobilen Produktionslogistik zunehmend

standardisierte und zeitlich vorbestimmte Arbeitsabläufe entstanden. Dies wider-

spricht dem Kompetenzprofil älterer Arbeitnehmer, deren Anteil in der Logistik traditi-

onell höher ist als in der Produktion.

Eingesetzte Verfahren zur Bewertung der körperlichen Belastung berücksichtigen

nicht, in welcher zeitlichen Abfolge Tätigkeiten ausgeführt werden. Aus diesem

Grund konnten einseitige Belastungssituationen mit den eingesetzten Verfahren bis-

her nicht identifiziert werden. In Systemen vorbestimmter Zeiten liegen jedoch bereits

Informationen zur zeitlichen Abfolge von Tätigkeiten im betrieblichen Umfeld vor.

Dieser Aspekt wurde in vorliegender Arbeit aufgegriffen und ein System vorbestimm-

ter Zeiten um die Betrachtung der körperlichen Belastung erweitert. Die Erweiterung

basiert auf zwei Elementen, welche unabhängig voneinander umgesetzt wurden.

Konzeptelement 1 ermöglicht eine integrierte Bewertung von Zeit und körperlicher

Belastung aufgrund Lasthandhabung. Ziel ist eine einheitliche und zeitsparende Be-

wertung zum Einsatz in der betrieblichen Arbeitsvorbereitung. Mithilfe eines Parame-

termodells, welches auf vordefinierten Prozessbausteinen basiert, kann der Bewer-

tungsaufwand für wiederkehrende Tätigkeitsabläufe reduziert werden. Das Konzept

wurde exemplarisch für einen GLT-Routenzugprozess umgesetzt.

Konzeptelement 2 umfasst die Untersuchung der zeitlichen Abfolge von Tätigkeiten

hinsichtlich Einseitigkeit und Abwechslung. Das Modell weist einen hohen Detaillie-

rungsgrad auf und berücksichtigt die Ganzkörperhaltung. Die Interpretation kann an-

hand qualitativer und quantitativer Merkmale erfolgen. Konzeptelement 2 wurde

exemplarisch an drei Fallbeispielen aus der Produktionslogistik erprobt. Dabei konn-

ten einseitige Belastungssituationen zuverlässig identifiziert werden.

7 Zusammenfassung und Ausblick

148

In den Fallbeispielen wurde untersucht, wie sich folgende klassische Gestaltungsan-

sätze aus dem Bereich Lean-Production auf die körperliche Belastung auswirken:

- Trennung von Produktions- und Logistiktätigkeiten

- U-Layout in der Mann-zu-Ware Kommissionierung

- Eliminierung nicht-wertschöpfender Tätigkeiten

Als Ergebnis wurde festgestellt, dass ebendiese Gestaltungsansätze zu einseitigen

Arbeitsabläufen führen können. Studien, beispielsweise von Womack et al. [Wom-

2009] oder Saurin und Ferreira [Sau-2009], welche die ergonomischen Auswirkun-

gen von Lean-Production positiv beurteilen, müssen vor diesem Hintergrund kritisch

gesehen werden. Da die zeitliche Abfolge und der Aspekt von Einseitigkeit und Ab-

wechslung nicht berücksichtigt wurden, haben die Studien nur eine begrenzte Aus-

sagekraft. Die vorgestellte Methode stellt hier einen Beitrag dar, die ergonomischen

Auswirkungen umfassender beurteilen zu können. Allerdings lässt sich Lean Produk-

tion nicht auf obige Gestaltungsansätze reduzieren und die ergonomischen Auswir-

kungen von Lean-Production hängen sehr stark von den Gegebenheiten vor Ort ab.

Dies spiegelt sich auch in den Ergebnissen einer Metastudie von Koukoulaki [Kou-

2014] wider, wonach sich die ergonomischen Auswirkungen von Lean-Production als

uneinheitlich darstellen. Eine generelle Aussage zu den ergonomischen Auswirkun-

gen von Lean-Production ist aus der vorliegenden Arbeit deshalb nicht abzuleiten.

In der Anwendung des erweiterten Systems vorbestimmter Zeiten müssen folgende

methodische Einschränkungen berücksichtigt werden: Konzeptelement 1 des erwei-

terten Systems vorbestimmter Zeiten umfasst nur die Belastungsart Lasthandha-

bung. Treten weitere wesentliche Belastungen auf, müssen diese separat untersucht

werden. Konzeptelement 2 ermöglicht es, mithilfe der abgeleiteten Kennzahlen Än-

derung im zeitlichen Ablauf auch quantitativ zu untersuchen. Die Kennzahlen stellen

allerdings keine Risikobewertung dar, weshalb ein rein kennzahlenbasierter Ver-

gleich unterschiedlicher Arbeitsplätze nicht möglich ist.

7 Zusammenfassung und Ausblick

149

Hier besteht weiterer Forschungs- und Entwicklungsbedarf. Basierend auf den quan-

titativen Kenngrößen zur Untersuchung des zeitlichen Ablaufes kann in weiterführen-

den arbeitswissenschaftlichen Studien eine Risikobewertung entwickelt werden. Dies

eröffnet weitere Anwendungsmöglichkeiten für die entwickelte Methode. Beispiels-

weise könnte das erweiterte System vorbestimmter Zeiten in Motion-Capturing-

Systeme integriert werden. Dies würde eine automatische Erfassung und Interpreta-

tion der zeitlichen Haltungsabfolge ermöglichen. Eine weitere Möglichkeit besteht in

der Integration des erweiterten Systems vorbestimmter Zeiten in kommerzielle Soft-

waresysteme zur Arbeitsvorbereitung.

151

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[VDI 5586] Verein Deutscher Ingenieure: Routenzugsysteme - Grundlagen, Ge-

staltung und Praxisbeispiel. VDI-Richtlinie Nr. 5586 Blatt 1, Entwurf,

April 2016

[Vis-2006] Visser, B.; van Dieën, J. H.: Pathophysiology of upper extremity mus-

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[Vit-2012] Vitello, M.; Galante, L. G.; Capoccia M.; Caragnano G.: Ergonomics

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Literaturverzeichnis

165

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Literaturverzeichnis

166

Verzeichnis der betreuten Studienarbeiten

Folgende Studienarbeiten wurden unter wissenschaftlicher und inhaltlicher Anleitung

des Autors erarbeitet, deren Inhalte und Ergebnisse in Teilen in die Arbeit eingeflos-

sen sind. Der Autor dankt allen Studierenden, die im Rahmen von Studienarbeiten

die Arbeit vielfältig unterstützt haben, für ihr Engagement.

[fml-2014a] Jeschke V.: Entwicklung und Erprobung einer Methode zur ergonomi-schen Beschreibung der Belastungsabwechslung in der Intralogistik. Diplomarbeit am Lehrstuhl Fördertechnik Materialfluss Logistik der Technischen Universität München. Betreut durch Kelterborn, M. Ab-gegeben im November 2014.

[fml-2014b] Guggemoos, M.: Entwicklung eines Parametermodells von Routenzü-gen zur Bewertung der zeitlichen Auslastung und der physischen Be-lastung. Masterarbeit am Lehrstuhl Fördertechnik Materialfluss Logis-tik der Technischen Universität München. Betreut durch Kelterborn, M. Abgegeben im Mai 2014.

[fml-2013a] Burghart C.: Systematisches Vorgehen und Entscheidungsfindung in der Supermarktplanung. Diplomarbeit am Lehrstuhl Fördertechnik Ma-terialfluss Logistik der Technischen Universität München. Betreut durch Kelterborn, M. Abgegeben im September 2013.

[fml-2013b] Vollmers O.: Entwicklung eines Werkzeuges zur Bewertung von KLT Routenzügen - Integrierte Bewertung der zeitlichen Auslastung und physischen Belastung. Bachelorarbeit am Lehrstuhl Fördertechnik Ma-terialfluss Logistik der Technischen Universität München. Betreut durch Kelterborn, M. Abgegeben im September 2013.

167

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1-1: Krananlage bei der MAN Truck&Bus AG [Kel-2014a] 1

Abbildung 1-2: Hub-Kippgeräte für die Bauteileentnahme aus Großladungsträgern bei der Volkswagen AG [Kro-2012] 2

Abbildung 1-3: Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit 7

Abbildung 2-1: Abgrenzung Produktionslogistik nach [Gün-2014a, Kap.1, S.6] 9

Abbildung 2-2: Beispielhafte Versorgungskonzepte in der Nutzfahrzeugendmontage 12

Abbildung 2-3: Aufbau MTM-1-Datenkarte [MTM-2011] 16

Abbildung 2-4: Bausteinaggregation der Systeme MTM-1, MTM-2 und UAS / MEK, nach [MTM-2012, S.17] 18

Abbildung 2-5: Belastungs-Beanspruchungs-Konzept nach Rohmert [Sch-2010, S.39] 19

Abbildung 2-6: Vereinfachtes Prinzip der biomechanischen Wirkung von Lasten auf die Lendenregion nach dem Hebelgesetz [Har-2013, S.28] 21

Abbildung 2-7: Zusammenhang zwischen Bewegungsfrequenz und Gesundheitsrisiko, schematische Darstellung nach DIN EN 1005-4 [Kus-2005, S.91] 23

Abbildung 2-8: Energieerzeugung im Muskel [Har-2013, S.11] 31

Abbildung 2-9: Muskelermüdung und Erholung [Har-2013, S.15] 31

Abbildung 2-10: Jährliche-Muskel-Skelett-Neuerkrankungen im Automobilwerk Peugeot-Sochaux [Mor-2003] 35

Abbildung 2-11: Schematische Darstellung Exposure Variation Analysis [Mat-1991] 36

Abbildung 3-1: Berechnung des Risikopunktwertes nach der Leitmerkmalmethode [Jür-2002, S. 14] 50

Abbildung 3-2: Einstufungshilfe Haltungswichtung LMM HHT [Jür-2001, Anhang] 50

Abbildung 3-3: Beispiel OWAS-Haltungscodierung nach [Kar-1977] 52

Abbildung 3-4: Kriterien nach Kilbon [Hoe-2005, S.43] 53

Abbildung 3-5: Aktions- und Schwellenlimit HAL TLVs [Hoe-2005, S.60] 54

Abbildung 3-6: EAWS Gesamtrisikowertberechung [Sch-2013] 55

Abbildung 4-1: Anwendungsdomäne und Aggregationsebene für Konzeptelement 1 des erweiterten Systems vorbestimmter Zeiten 64

Abbildung 4-2: Zeilenweise Erfassung der Lastfälle im MLT (die Belastungsarten Umsetzen und Tragen wurden für die Abbildung ausgeblendet) [IAD-2016] 68

Abbildung 4-3: Interpolation der Zeitwichtung im MLT [IAD-2010, S.4] 69

Abbildungsverzeichnis

168

Abbildung 4-4: Berechnung Anzahläquivalente MLT [IAD-2010, S.6] 69

Abbildung 4-5: Berechnung Gesamtergebnis MLT [IAD-2010, S.9] 70

Abbildung 4-6: Modellaufbau Konzeptelement 1 73

Abbildung 4-7: Vorgehensmodell zur betrieblichen Umsetzung von Konzeptelement 1 78

Abbildung 4-8: Schematische Prozessdarstellung für GLT–Routenzug. 80

Abbildung 4-9: Screenshot der Ein- und Ausgabemaske (Konzeptelement 1) 81

Abbildung 4-10: Unstetigkeit im MLT beim Übergang von ZS kurz zu ZS lang [fml-2014b, S.47] 85

Abbildung 4-11: Elektrische Schiebehilfe [Sei-2016] 90

Abbildung 5-1: Gang-Layout und U-Layout in der MzW-Kommissionierung 96

Abbildung 5-2: Artikelentnahme in Mann-zu-Ware Kommissioniersystem, dargestellt in MTM-1, MTM-2 und MTM-UAS; 100

Abbildung 5-3: Aufbau der OWAS-Codierung 103

Abbildung 5-4: Zuordnung der Einzelhaltungen des Rückens, der Arme und der Beine zu den Aktionskategorien [Gud-2009, S.31-33] 107

Abbildung 5-5: Zuordnung von Haltungskombinationen zu Aktionskategorien [Gud-2009, S.34] 108

Abbildung 5-6: Darstellungsbeispiel der zeitlichen Abfolge der Körperhaltungen 113

Abbildung 5-7: Fallbeispiel 1 - Versorgungsprozess Bremsgestängesteller 119

Abbildung 5-8: Fallbeispiel 1 - Arbeitsplatz Sequenzierung Bremsgestängesteller (AP 1.1) 120

Abbildung 5-9: Fallbeispiel 1 - Arbeitsplatz Vormontage Bremsgestängesteller (AP 1.2) 120

Abbildung 5-10: Fallbeispiel 1 - Arbeitsplatz Sequenzierung und Vormontage Bremsgestängesteller (AP 2) 121

Abbildung 5-11: Fallbeispiel 1 - Haltungsverteilungskoeffizient 124

Abbildung 5-12: Fallbeispiel 1 - Darstellung der Haltungsabfolge für die Körperregion Rücken 125

Abbildung 5-13: Fallbeispiel 2 - Layout Kleinteilekommissionierung 127

Abbildung 5-14: Fallbeispiel 2 - Haltungswechsel pro Zeiteinheit 130

Abbildung 5-15: Fallbeispiel 2 - Darstellung der Haltungsabfolge für Körperregion Beine 130

Abbildung 5-16: Fallbeispiel 2 - Vorschlag Layoutänderung 131

Abbildung 5-17: Fallbeispiel 3 - Arbeitsplatzlayout. 132

Abbildung 5-18: Fallbeispiel 3 -Darstellung der Haltungsabfolge für Körperregion Rücken und Beine 135

Abbildung 6-1: Testeinsatz Exoskelett bei der AUDI AG. [AUD-2015b] 141

Abbildungsverzeichnis

169

Abbildung 6-2: Zugfahrzeuge für Routenzüge [Sti-2016a, Sti-2016b] 142

Abbildung 6-3: Zeitanteil Sitzen, Stehen, Gehen für GLT-Routenzug; Vergleich Empfehlung Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik [Ber-2009, S.18], Zugmaschine mit Sitz und ohne Sitz [fml-2014a, S.103] 143

Abbildung 6-4: U-Layout und Gang-Layout in der MzW-Kommissionierung 144

Abbildung 6-5: Gelenkschonender Fußboden in der Kommissionierung bei der MAN Truck&Bus AG 145

Abbildung B-1: Leitmerkmalmethode Ziehen, Schieben [Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, www.baua.de] B-3

Abbildung B-2: Leitmerkmalmethode Heben, Halten, Tragen [Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, www.baua.de] B-4

Abbildung D-1: Ergebnis Regressionsanalyse D-10

.

171

Tabellenverzeichnis

Tabelle 3-1: Kategorisierung produktionslogistischer Tätigkeiten 44

Tabelle 3-2: Arbeitsplätze im Untersuchungsbereich 45

Tabelle 3-3: Identifizierte Belastungsschwerpunkte nach Tätigkeitsgruppen 47

Tabelle 3-4: Verfahren zur Bewertung der körperlichen Belastung 57

Tabelle 3-5: Anforderungsdefinition und Abgrenzung der Konzeptelemente 1 und 2 des erweiterten Systems vorbestimmter Zeiten 60

Tabelle 4-1: Anforderungen Konzeptelement 1 des erweiterten Systems vorbestimmter Zeiten 63

Tabelle 4-2: Vergleich MTM-2 System und MTM-UAS System [MTM-2011, Seite 18] 66

Tabelle 4-3: Referenzprozesse betrachteter Tätigkeitsfolgen von Konzeptelement 1 71

Tabelle 4-4: Standardisierte Regressionskoeffizienten 87

Tabelle 4-5: Anwendungsbeispiel Parametermodell; Kennzahlen der Ausgangssituation 90

Tabelle 4-6: Anwendungsbeispiel Parametermodell; Kennzahlen nach Optimierung 91

Tabelle 5-1: Anforderungen Konzeptelement 2 des erweiterten Systems vorbestimmter Zeiten 97

Tabelle 5-2: Aggregationsebene für Konzeptelement 2 des erweiterten Systems vorbestimmter Zeiten 98

Tabelle 5-3: Codierung der Rücken-Haltung nach der OWAS-Methode [Gud-2009, S.27] 103

Tabelle 5-4: Codierung der Bein-Haltung nach der OWAS-Methode [Gud-2009, S.28] 104

Tabelle 5-5: Codierung der Arm-Haltung nach der OWAS-Methode [Gud-2009, S.27] 104

Tabelle 5-6: Codierung der Lasten nach der OWAS-Methode [Gud-2009, S. 29] 105

Tabelle 5-7: Reliabilität der OWAS-Methode [Kar-1977] 106

Tabelle 5-8: Aktionskategorien der OWAS-Methode [Sto-1985] 106

Tabelle 5-9: Integration Belastungsmodell in Konzeptelement 2 108

Tabelle 5-10: Einstufungskriterien für OWAS-Codierung [fml-2014a] 110

Tabelle 5-11: Ableitung Sollverteilung für Haltungsverteilungskoeffizient aus der OWAS-Methode [Kel-2015a] 116

Tabelle 5-12: Fallbeispiel 1 - Ergebnis 122

Tabellenverzeichnis

172

Tabelle 5-13: Fallbeispiel 1 –Auswertung MTM-Analyse (Datenbasis siehe Anhang E) 123

Tabelle 5-14: Fallbeispiel 2 - Ergebnis 128

Tabelle 5-15: Fallbeispiel 3 - Klassifizierung der Tätigkeiten nach Wertschöpfung 132

Tabelle 5-16: Fallbeispiel 3 - Ergebnis 133

Tabelle A-1: Beispiele zeitbezogener Risikofaktoren für Muskel-Skelett Beschwerden nach Wells et al. [Wel-2006, eigene Übersetzung, Literaturangaben siehe Folgeseite] A-1

Tabelle D-1: Zeitkonstanten GLT-Routenzug-Zeitmodell D-9

Tabelle D-2: Wertebereich Eingangsparameter GLT-Routenzug-Zeitmodell D-9

Tabelle E-1: AP1.1: Tätigkeitsbeschreibung Gestängesteller sequenzieren (MTM-1, OWAS) E-11

Tabelle E-2: AP1.2: Tätigkeitsbeschreibung Gestängesteller einstellen (MTM-1, OWAS) E-13

Tabelle E-3: AP.2: Tätigkeitsbeschreibung Gestängesteller sequenzieren und einstellen (MTM-1, OWAS) E-14

Tabelle F-1: Tätigkeitsbeschreibung zu Fallbeispiel 3 (MTM-1, OWAS) F-18

Anhang A Zeitabhängige Risikofaktoren für Muskel-Skelett Beschwerden

Tabelle A-1: Beispiele zeitbezogener Risikofaktoren für Muskel-Skelett Beschwerden nach Wells et al. [Wel-2006, eigene Übersetzung, Literaturangaben siehe Folgeseite]

Risikofaktor Messgröße Körperteil Risiko von Erkrankungen u. Beschwerden Quelle

Zeit /

Zeitanteil

𝑍𝑒𝑖𝑡

𝑍𝑒𝑖𝑡𝑎𝑛𝑡𝑒𝑖𝑙 [%]

Schulter

Steigendes Risiko mit steigendem Zeitan-

teil Arm über Schulter

[Pun-2000]

[Sve-2004]

Handge-

lenk

Steigendes Risiko mit steigendem Zeitan-

teil Handgelenk gebeugt oder gestreckt

[Hün-1981]

Lenden-

wirbelsäu-

le

Steigendes Risiko für Zeitanteil in leicht

gebeugter Haltung > 10 %

[Pun-1991]

Frequenz /

Zykluszeit

𝑍𝑒𝑖𝑡−1

𝑍𝑒𝑖𝑡

Handge-

lenk

Steigendes Risiko, falls Zykluszeit < 30s

und fundamentaler Subzyklus mehr als

50% d. Zykluszeit umfasst

[Sil-1986]

[Lin-1998]

Schulter Risiko von Schulterbeschwerden steigt,

falls Arm häufiger als einmal pro Minute

über Schulterhöhe angehoben wird

[Pun-2000]

Lenden-

wirbelsäu-

le

Steigendes Risiko, falls mehr als 120 He-

bevorgänge pro Stunde

[Mar-1995]

Winkelgeschwin-

digkeit und -

beschleunigung

𝐺𝑟𝑎𝑑 𝑠⁄

𝐺𝑟𝑎𝑑 𝑠2⁄

Lenden-

wirbelsäu-

le

Steigendes Risiko mit zunehmender Flexi-

ons/Extensions- und lateraler Beugege-

schwindigkeit

[Mar-

1993a]

[Nor-1998]

Handge-

lenk

Steigendes Risiko mit zunehmender

Handgelenkwinkelgeschwindigkeit und

-beschleunigung

[Mar-

1993b]

[Lin-1998]

Hand-Arm Aktivi-

tät

- Hand/Arm Steigendes Risiko mit steigender Hand-

Arm Aktivität

[Lat-1999]

Muskel Erho-

lungsphasen

(Muscle Rest

Events)

1 𝑍𝑒𝑖𝑡⁄ Schulter

Nacken

Steigender Krankenstand für Tätigkeiten

mit wenigen Muskel-Erholungsphasen

(„EMG gaps“)

[Vei-1993]

Kummulative Last 𝐾𝑟𝑎𝑓𝑡

× 𝑍𝑒𝑖𝑡

Lenden-

wirbelsäu-

le

Steigendes Rückenschmerzen-Risiko mit

zunehmender Bandscheibenkompression-

kraft und -querkraft

[Kum-1990]

[Nor-1998]

Anhang

A-2

Literaturangaben zu Tabelle A-1:

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[Kum-1990] Kumar, S.: Cumulative load as a risk factor for back pain. In: Spine 15 (1990), S. 1311–

1316.

Anhang

B-3

Anhang B Leitmerkmalmethoden

Abbildung B-1: Leitmerkmalmethode Ziehen, Schieben [Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Ar-beitsmedizin, www.baua.de]

Anhang

B-4

Abbildung B-2: Leitmerkmalmethode Heben, Halten, Tragen [Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, www.baua.de]

Anhang

C-5

Anhang C Experteninterview zu Abwechslung und Belastung

Interview mit Dr. med. Hans Tavs, Facharzt für Arbeitsmedizin und Leiter Gesund-

heitsdienst bei der MAN Truck&Bus AG und Dr. Oliver Breitkopf, Facharzt für Ar-

beitsmedizin und Experte für Arbeitsplatzergonomie bei der MAN Truck&Bus AG

Abschrift des Interviews vom 22.10.2014, München, Interviewer: Kelterborn, M.

Kelterborn: Der Haltungsverteilungskoeffizient ist ein Konzept, bei dem, basierend

auf der Einstufung in Aktionskategorien nach der OWAS-Methode, ei-

ne „ideale“ Verteilung der zeitlichen Anteile der Einzelhaltungen ange-

setzt wird. Der Haltungsverteilungskoeffizient ist ein Maß, das die Ab-

weichung der realen Verteilung von dieser „idealen“ Verteilung misst,

wobei ein möglichst kleiner Wert anzustreben ist, da dieser für eine

geringe Abweichung von der Idealverteilung steht. Dies impliziert,

dass auch zeitweise ungünstige Haltungen eingenommen werden

(z. B. Bücken), allerdings nur in Größenordnungen, die nach der O-

WAS Methode in Kategorie 1 (kein Handlungsbedarf) fallen. Ist diese

Konzept aus ihrer Sicht sinnvoll und praktikabel?

Dr. Tavs: Abwechslung ist grundsätzlich gut. Auch mal eine „ungünstige“ Hal-

tung einzunehmen ist in begrenztem Umfang gut. Problematisch sind

ungünstige Haltungen als Zwangshaltung, die über längere Zeiträume

eingenommen werden müssen, wie beispielsweise das dauerhafte Ar-

beiten über Kopf. Ein weiteres Beispiel ist das Sitzen: Früher hat man

gesagt: „Am besten immer gerade“. Heute tendiert man eher zum „dy-

namischen“ Sitzen, also auch mal eine Haltung mit gebeugten oder

gedrehten Rücken einnehmen. Hieraus lässt sich ableiten, dass es

medizinisch sinnvoll ist in begrenztem Umfang auch ungünstige Hal-

tungen einzunehmen. Das Konzept des Haltungsverteilungskoeffizien-

ten scheint hieraus abgeleitet stimmig und sinnvoll. Die Vorgeschlage-

ne Idealverteilung bietet ein gesundes Maß an Abwechslung, ohne die

in der OWAS-Methode verankerten Grenzwerte zu übersteigen. Man

bleibt immer im grünen Bereich.

Dr. Breitkopf: Eine weitere Möglichkeit wäre es die Höhe der Nummern, die jeder

Einzelhaltung zugeordnet sind als Indikator für die Belastung zu ver-

wenden. Wenn man diese addiert erhält man eine Kenngröße, die die

Anhang

C-6

Belastung beschreibt. Ein Ziel bei einer Optimierung wäre es dann

möglichst niedrige Werte anzustreben.

Für die Haltungskategorie Drehung wäre es möglich Links und Rechts

als +1 und -1 zu interpretieren. Dies würde dazu führen, dass ein Ar-

beitsablauf, der ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Rechts- und

Linksdrehungen aufweist einen Wert von Null hat, je größer die Ab-

weichung von 0 ist, desto ungünstiger und einseitiger ist die Belas-

tung.

Kelterborn: Ist die OWAS-Methode für eine Betrachtung von Produktionslogistiktä-

tigkeiten, also z. B. Routenzüge und Kommissionierung denn eine ge-

eignete Methode?

Dr. Tavs: Die OWAS-Methode ist eine relative grobe Betrachtungsweise, die

aber den Vorteil hat, dass sie den gesamten Körper betrachtet. Dies

bietet sowohl Vor- als auch Nachteile, über die man sich klar sein

muss. Man muss die Verwendung dieser speziellen Methode kritisch

diskutieren und begründen, warum man diese Methode gewählt hat.

Die beschriebenen Arbeitsabläufe umfassen Bewegungen mit dem

ganzen Körper, also z. B. Gehen, Sitzen, Bücken oder das Anheben

von Lasten. Dies stellt ein wichtiger Unterschied zu Montagetätigkeiten

dar, die durch Hand/Arm-Bewegungen mit hoher Genauigkeit charak-

terisiert werden. Für Logistiktätigkeiten ist die OWAS Methode vor die-

sem Hintergrund gut geeignet.

Die OWAS-Methode ist eine gängige, etablierte Methode mit deren

Verwendung man grundsätzlich nichts falsch macht. Man muss sich

über die Stärken und Schwächen der Methode klar sein und im Rah-

men der Möglichkeiten der Methode arbeiten.

Kelterborn: Stellt die Anzahl der Haltungswechsel pro Zeiteinheit (im weiteren

Wechselrate genannt) eine sinnvolle Kenngröße dar, die in einem be-

stimmten Zielkorridor liegen sollte.

Dr. Tavs: Ja, die Wechselrate stellt eine relevante Größe dar und der Vorschlag

einen optimalen Bereich für die Wechselrate zu finden scheint durch-

aus sinnvoll. D. h. nicht zu wenige Wechsel, um statische Haltungen

zu vermeiden, aber auch nicht zu häufige Wechsel, da in dies ein

Anhang

C-7

Kennzeichen für eine Tätigkeit mit hoher Wiederholfrequenz, also eine

repetitive Belastung ist.

Kelterborn: Kann man für das Konzept der Wechselrate einen Bereich definieren

der als eine Art „Idealbereich“ anzustreben ist? Ein Vorschlag hierfür

wäre ein Korridor im niederfrequenten dynamischen Bereich. Mögli-

cher unterer Grenzwert wären 2 Wechsel pro Minute (Grenzwert für

statische Haltearbeit), der obere Grenzwert wäre 15 Wechsel pro Mi-

nute (Beginn des hoch repetitiven Bereichs).

Dr. Tavs: Die Frage nach den exakten Grenzen ist sehr schwierig. Die OWAS-

Methode bildet Haltungswechsel auf einem groben Niveau ab (z. B.

Sitzen und Stehen). Hier scheinen die Grenzen von 2 bis 15 Wechsel

pro Minute sinnvoll. Für andere Körperteile (z. B. die Hände) gelten

andere - in diesem Fall höhere - Werte. Eine weitere Möglichkeit wäre

auch einen festen Wert anzugeben (z. B. 8 min-1) und eine Verteilung

um diesen Wert zu betrachten.

Kelterborn: Aus theoretischen Überlegungen haben wir abgeleitet, dass eine hohe

Standardabweichung der Haltungsblocklänge als positiv im Sinne der

Abwechslung anzusehen ist. Gibt es aus medizinischer Sicht Anhalts-

punkte, die diese These stützen?

Dr. Tavs: Die medizinische Interpretation dieser Größe stellt sich als eher

schwierig dar. Ich würde daher sagen, dass - aus medizinischer Sicht -

Standardabweichung der Haltungsblocklänge nicht interpretiert wer-

den kann.

Dr. Breitkopf: Die Abwechslung zwischen verschieden langen Haltungs- oder Tätig-

keitsblöcken kann allerdings durchaus einen positiven psychischen Ef-

fekt haben.

Dr. Tavs: Aus sportmedizinischer oder trainingswissenschaftlicher Sicht aller-

dings ist die Variation der Belastungslänge durchaus sinnvoll. So kann

durch das Setzen unterschiedlich intensiver Reize ein höherer Trai-

ningseffekt erzielt werden. Aus ergonomischer Sicht könnte man ar-

gumentieren, dass ein gewisser Trainingseffekt durchaus als positiv zu

sehen ist, da dieser für die Erhaltung der Gesundheit (insbesondere

des Muskel-Skelett-Systems) notwendig ist.

Anhang

C-8

Kelterborn: Für die Beschreibung eines Arbeitsplatzes wäre es wünschenswert

möglichst wenige Kennzahlen angeben zu müssen. Von daher ob

Kennzahlen als Mittelwerte über alle Körperregionen aggregiert wer-

den können. Ist diese Durchschnittsbildung sinnvoll?

Dr. Tavs: Nein. Die Bildung von Durchschnittswerten über mehrere Körperregio-

nen scheint nicht sinnvoll, da sich „gute“ und „schlechte“ Werte über

verschiedene Körperpartien nicht ausgleichen (Beispiel Wechselrate:

Zu hoher Wert für Beine gleicht sich nicht mit zu niedrigem Wert für

Rücken aus).

Kelterborn: Ein wünschenswertes Einsatzgebiet unserer Methodik wäre es, diese

für den direkten Vergleich mehrerer Arbeitsplätze einzusetzen. Den-

ken Sie, dass dies möglich ist, oder sind die verschiedenen Arbeits-

plätze von ihren spezifischen Belastungen her zu verschieden? Oder

beschränkt sich die Anwendung der Methode vielmehr auf den Ver-

gleich verhältnismäßig ähnlicher Arbeitsplätze?

Dr. Tavs: Der Vergleich verschiedener Arbeitsplätze scheint mit dieser Methode

nicht sinnvoll. Eine Anwendung beschränkt sich eher auf die Analyse

und Charakterisierung einzelner Arbeitsplätze. Nach einer Verände-

rung der Abläufe an diesem Arbeitsplatz, kann durch eine erneute

Bewertung, die erzielte Veränderung aufgezeigt werden.

[…]

Kelterborn: Vielen Dank!

Anhang

D-9

Anhang D KE 1: Umsetzungsbeispiel GLT-Routenzug

Tabelle D-1: Zeitkonstanten GLT-Routenzug-Zeitmodell

𝑐𝑖 Bezeichnung Wert Einheit

𝑐1 90 Grad Kurve 3,3 s

𝑐2 Bandüberfahrt 19,8 s

𝑐3 Hallentor-Durchfahrt 14,8 s

𝑐4 Gehen 0,9 s/m

𝑐5 Anhalten, Aussteigen, Einsteigen Anfahren 14,3 s

𝑐6 Code Lesen (3-stellige Ziffernfolge) 0,9 s

𝑐7 Code vergleichen (3-stellige Ziffernfolge) 1,6 s

𝑐8 Behälter positionieren 7,3 s

𝑐9 Voll-Behälter schieben (> 200kg) 1,2 s/m

𝑐10 Voll-Behälter anschieben und abbremsen (> 200 kg) 3,6 s

𝑐11 Leer-Behälter schieben (< 50 kg) 1,1 s/m

𝑐12 Leer-Behälter Barcode scannen 6,1 s

𝑐13 Leer-Behälter anschieben und abbremsen (<50 kg) 8,4 s

Tabelle D-2: Wertebereich Eingangsparameter GLT-Routenzug-Zeitmodell

𝑥𝑖 Bezeichnung Einheit 𝑀𝑖𝑛 𝑥𝑒 Max

𝑥1 Anzahl Touren je Schicht - 10 30 50

𝑥2 Staufaktor - 1 1,2 1,4

𝑥3 Fahrweg je Tour m 50 300 600

𝑥4 Anzahl Behälter je Schicht - 40 100 200

𝑥5 Fahrgeschwindigkeit m/s 1 2,1 5

𝑥6 Länge Routenzug m 5 13 20

𝑥7 Anzahl Haltestellen je Tour - 1 3 8

𝑥8 Anzahl Bandüberfahrten je Tour - 0 2 4

𝑥9 Weg von Haltestelle zum Anlieferort m 1 5 12

𝑥10 Anzahl Schleusen-Durchfahrten je Tour - 0 2 4

𝑥11 Zeit im Bahnhof s 7,2 28,8 50,4

𝑥12 Anzahl 90-Grad-Kurven je Tour - 4 6 8

𝑥13 Entscheidungsvariable für Leergutscan - 0 1 1

𝑥14 Anteil Behälter mit genauer Positionie-

rung am Anlieferort (%) 0 0,5 1

𝑥15 Zeit Behälter entladen s 0 3,6 10,8

𝑥16 Zeit Behälter beladen s 0 3,6 10,8

𝑥17 Anzahl zu vergleichender Codes - 0 2 4

𝑥18 Anzahl zu lesender Codes - 0 3 6

Anhang

D-10

Abbildung D-1: Ergebnis Regressionsanalyse

Sum of Squares df Mean Square F Sig.

Regression 236318196,335 18 13128788,685 8406,099 ,000b

Residual 15588495,632 9981 1561,817

Total 251906691,967 9999

Standardized

Coefficients

B Std. Error Beta

(Constant) -448,222 6,737 -66,535 0,000

x1 9,660 ,033 ,723 290,254 0,000

x2 182,653 3,435 ,133 53,167 0,000

x3 ,508 ,002 ,512 205,515 0,000

x4 ,835 ,009 ,243 97,613 0,000

x5 -138,449 3,407 -,101 -40,633 0,000

x6 2,060 ,086 ,060 24,083 ,000

x7 12,816 ,173 ,184 74,008 0,000

x8 12,137 ,280 ,108 43,409 0,000

x9 4,525 ,115 ,098 39,442 0,000

x10 9,419 ,279 ,084 33,765 ,000

x11 ,018 ,001 ,040 15,936 ,000

x12 2,098 ,281 ,019 7,460 ,000

x13 12,768 1,365 ,023 9,354 ,000

x14 14,264 1,356 ,026 10,517 ,000

x15 ,071 ,005 ,039 15,537 ,000

x16 ,077 ,005 ,042 17,048 ,000

x17 3,153 ,277 ,028 11,395 ,000

x18 1,691 ,199 ,021 8,514 ,000

1

a. Dependent Variable: y

b. Predictors: (Constant), x18, x16, x14, x11, x10, x8, x7, x15, x3, x2, x9, x1, x12, x17, x5, x13, x6, x4

Coefficientsa

Model

Unstandardized Coefficients

t Sig.

ANOVAa

Model

1

a. Dependent Variable: y

Anhang

E-11

Anhang E KE 2: Tätigkeitsbeschreibung zu Fallbeispiel 1 (MTM-1, OWAS)

Tabelle E-1: AP1.1: Tätigkeitsbeschreibung Gestängesteller sequenzieren (MTM-1, OWAS)

Nr. Linke Hand TMU Rechte Hand OWAS

Bezeichnung AxH Code

Code AxH Bezeichnung Rücken Beine Arme

Auftrag vorbereiten

1 7,3 EF Überprüfen neue Kommissionierliste 1 2 1

2 10 R20B Hinlangen Tastatur 1 2 1

3 G5

4 2 M2A Taste drücken 1 2 1

5 RL2

6 29 S Bücken zu Drucker 4 2 1

7 10 R20B Hinlangen Kommis-sionierliste 4 2 1

8 3,5 G1B Greifen Kommissio-nierliste 4 2 1

9 Hinlangen Kommis-sionierliste R20A 7,8 M-A zur linken Hand 4 2 1

10 G3 5,6 4 2 1

11 10 R20B Hinlangen Etiketten 4 2 1

12 3,5 G1B Greifen Etiketten 4 2 1

13 4 D1E Abreißen Etiketten 4 2 1

14 Hinlangen Etiketten R20A 7,8 [M-A zur linken Hand 4 2 1

15 G3 5,6 4 2 1

16 31,9 AB Aufrichten 1 2 1

17 75 W5P Gehen zu Sequenz-behälter 1 7 1

18 Liste und Etiketten ablegen mM30B 9,8 1 2 1

19 RL1 2 1 2 1

Gesamt 225 TMU

8,09

1 Paar sequenzieren

1 75 W5P

Gehen zu Behälter für Gestängesteller links 1 7 1

2 29 S Bücken 4 2 1

3 7,1 mR20B Hinlangen 4 2 1

4 2 G1A Greifen Gestänge-steller 4 2 1

5 31,9 AB Aufrichten 1 2 1

6 Hinlangen Gestän-gesteller R20A 7,8 [M-A zur linken Hand 1 2 1

7 G3 5,6 1 2 1

8 30 W2P Gehen zu Behälter für Gestängesteller 1 7 1

Anhang

E-12

rechts

9 29 S Bücken 4 2 1

10 10 R20B Hinlangen 4 2 1

11 2 G1A Greifen Gestänge-steller 4 2 1

12 31,9 AB Aufrichten 1 2 1

13 75 W5P Gehen zu Sequenz-behälter 1 7 1

14 29 S Bücken 4 2 1

15

Ablegen Gestänge-steller in Sequenz-behälter mM20B 7,1 4 2 1

16 RL1 2 4 2 1

17 11,7 M20C

Ablegen Gestänge-steller in Sequenz-behälter 4 2 1

18 2 RL1 4 2 1

19 31,9 AB Aufrichten 1 2 1

20 Hinlangen Etiketten R30B 12,8 1 2 1

21 Greifen Etiketten G1B 3,5

22 Bringen Etiketten in Arbeitsbereich M20A 9,6 [R-A zur linken Hand 1 2 1

23 3,5 G1B Greifen Etikett 1 2 1

24 2 M2B Ablösen Etikett 1 2 1

26 29 S Bücken 4 2 1

27 11,7 M20C Bringen Etikett zu Gestängesteller 4 2 1

28 5,6 G2 4 2 1

29 4 M4B Aufkleben (Nach-streichen) 4 2 1

30 RL2

31 7,8 R20A zur linken Hand 4 2 1

32 3,5 G1B Greifen Etikett 4 2 1

33 2 M2B Ablösen Etikett 4 2 1

34 11,7 M20C Bringen Etikett zu Gestängesteller 4 2 1

35 5,6 G2 4 2 1

36 4 M4B Aufkleben (Nach-streichen) 4 2 1

37 RL2

38

39 31,9 AB Aufrichten 1 2 1

Gesamt 568 TMU

20,44 sec.

Anhang

E-13

Tabelle E-2: AP1.2: Tätigkeitsbeschreibung Gestängesteller einstellen (MTM-1, OWAS)

Nr. Linke Hand TMU Rechte Hand OWAS

Bezeichnung AxH Code

Code AxH Bezeichnung

Rü-cken Beine Arme

1 18,4 R50B

Hinlangen Gestän-gesteller 4 2 1

2 2 G1A

Greifen Gestänge-steller 4 2 1

3 15,6 M40B

Bringen Gestänge-steller ins Blickfeld 1 2 1

4 14,6 EF

Lesen Sachnummer 1 2 1

5 11,7 M20C

Bringen Gestänge-steller zu Dorn 1 2 1

6 19,7 P2SSE

Fügen Gestängestel-ler auf Dorn 1 2 1

7 2 RL1

Loslassen Gestän-gesteller 1 2 1

8 15,2 ET

Blickverschieben 1 2 1

9 14,6 EF

Vergleich mit Num-mer auf Liste 1 2 1

10 12,8 R30B

Hinlangen Lehre 2 2 1

11 3,5 G1B

Greifen Lehre 2 2 1

12 11,7 M20C

Bringen Lehre zu Bauteil 1 2 1

13 21 P2NSE

Bolzen der Einstell-lehre an Bauteilboh-rung anfügen 1 2 1

14 Hinlangen Werkzeug R20B 12,8 [RL1 Loslassen Lehre 1 2 1

15 Greifen Werkzeug G1A 2 1 2 1

16 Bringen Werkzeug zu rechter Hand M-A] 7,8 R20A

Hinlangen zu Werk-zeug 1 2 1

17 5,6 G3 Greifen Werkzeug 1 2 1

18 Hinlagen zu Lehre R20B] 11,7 M20C Werkzeug zu Ge-stängesteller bringen 1 2 1

19 Berührgriff G5] 10,4 P1NSE Werkzeug anfügen 1 2 1

20 4,5 M4C Gestängesteller ein-stellen 1 2 1

21 5,6 P1SE Gestängesteller ein-stellen 1 2 1

22 Umgreifen G2] 10,5 M20B Werkzeug ablegen 1 2 1

23 2 RL1 Werkzeug loslassen 1 2 1

24 Zurücklegen M20B 10,5 [R20B Hinlangen Gestän-gesteller 1 2 1

25 Loslassen RL1] 2 G1A Greifen 1 2 1

26 18 M50B Gestängesteller in Kiste zurücklegen 4 2 1

27 2 RL1 Gestängesteller los-lassen 4 2 1

Gesamt 268 TMU

9,65 sec.

Anhang

E-14

Tabelle E-3: AP.2: Tätigkeitsbeschreibung Gestängesteller sequenzieren und einstellen (MTM-1, OWAS)

Nr. Linke Hand TMU Rechte Hand OWAS

Bezeichnung AxH Code

Code AxH Bezeichnung Rücken Beine Arme

Auftrag vorbereiten

1 7,3 EF 1 Überprüfen neue Kommissionierliste 1 2 1

2 10 R20B Hinlangen Tastatur 1 2 1

3 G5

4 2 M2A Taste drücken 1 2 1

5 RL2

6 29 S Bücken zu Drucker 4 2 1

7 10 R20B Hinlangen Kommissi-onierliste 4 2 1

8 3,5 G1B Greifen Kommissio-nierliste 4 2 1

9 Hinlangen Kommis-sionierliste R20A 7,8 M-A zur linken Hand 4 2 1

10 G3 5,6 4 2 1

11 10 R20B Hinlangen Etiketten 4 2 1

12 3,5 G1B Greifen Etiketten 4 2 1

13 4 D1E Abreißen Etiketten 4 2 1

14 Hinlangen Etiketten R20A 7,8 [M-A zur linken Hand 4 2 1

15 G3 5,6 4 2 1

16 31,9 AB Aufrichten 1 2 1

17 75 W5P Gehen zu Sequenz-behälter 1 7 1

18 Liste und Etiketten ablegen mM30B 9,8 1 2 1

19 RL1 2 1 2 1

Gesamt 225 TMU

8,08 sec.

1 Paar sequenzieren und einstellen

1 75 W5P Gehen zu Behälter für Gestängesteller links 1 7 1

2 29 S Bücken 4 2 1

3 7,1 mR20B Hinlangen 4 2 1

4 2 G1A Greifen Gestängestel-ler 4 2 1

5 31,9 AB Aufrichten 1 2 1

6 Hinlangen Gestän-gesteller R20A 7,8 [M-A zur linken Hand 1 2 1

7 G3 5,6 1 2 1

8 30 W2P Gehen zu Behälter für Gestängesteller rechts 1 7 1

9 29 S Bücken 4 2 1

10 10 R20B Hinlangen 4 2 1

11 2 G1A Greifen Gestängestel-ler 4 2 1

12 31,9 AB Aufrichten 1 2 1

13 75 W5P Gehen zu Einstellvor- 1 7 1

Anhang

E-15

richtung

14 34,7 SIT Hinsetzen 1 1 1

15

16 Ablegen Gestänge-steller M20B 10,5

17 15,6 M40B Bringen Gestängestel-ler ins Blickfeld 1 1 1

18 14,6 EF Lesen Sachnummer 1 1 1

19 11,7 M20C Bringen Gestängestel-ler zu Dorn 1 1 1

20 19,7 P2SSE Fügen Gestängestel-ler auf Dorn 1 1 1

21 2 RL1 Loslassen Gestänge-steller 1 1 1

22 15,2 ET Blickverschieben 1 1 1

23 14,6 EF Vergleich mit Nummer auf Liste 1 1 1

24 12,8 R30B Hinlangen Lehre 2 1 1

25 3,5 G1B Greifen Lehre 2 1 1

26 11,7 M20C Bringen Lehre zu Bau-teil 1 1 1

27 21 P2NSE

Bolzen der Einstellleh-re an Bauteilbohrung anfügen 1 1 1

28 Hinlangen Werk-zeug R20B 12,8 [RL1 Loslassen Lehre 1 1 1

29 Greifen Werkzeug G1A 2 1 1 1

30 Bringen Werkzeug zu rechter Hand M-A] 7,8 R20A

Hinlangen zu Werk-zeug 1 1 1

31 5,6 G3 Greifen Werkzeug 1 1 1

32 Hinlagen zu Lehre R20B] 11,7 M20C Werkzeug zu Gestän-gesteller bringen 1 1 1

33 Berührgriff G5] 10,4 P1NSE Werkzeug anfügen 1 1 1

34 4,5 M4C Gestängesteller ein-stellen 1 1 1

35 5,6 P1SE Gestängesteller ein-stellen 1 1 1

36 Umgreifen G2] 10,5 M20B Werkzeug ablegen 1 1 1

37 2 RL1 Werkzeug loslassen

38 Zurücklegen M20B 10,5 [R20A Hinlangen Gestänge-steller 1 1 1

39 Loslassen RL1] 2 G1A Greifen

40 18 M50B Gestängesteller in Kiste zurücklegen 4 1 1

41 2 RL1 Gestängesteller los-lassen 4 1 1

42

43 Hinlangen Gestän-gesteller R20A 7,8 4 1 1

44 Greifen Gestänge-steller G1A 2 4 1 1

45 zur rechten Hand M-A] 7,8 R20A Hinlangen Gestänge-steller 4 1 1

46 5,6 G3 Übergabegriff 1 1 1

47 15,6 M40B Bringen Gestängestel-ler ins Blickfeld 1 1 1

Anhang

E-16

48 14,6 EF Lesen Sachnummer 1 1 1

49 11,7 M20C Bringen Gestängestel-ler zu Dorn 1 1 1

50 19,7 P2SSE Fügen Gestängestel-ler auf Dorn 1 1 1

51 2 RL1 Loslassen Gestänge-steller 1 1 1

52 15,2 ET Blickverschieben 1 1 1

53 14,6 EF Vergleich mit Nummer auf Liste 1 1 1

54 12,8 R30B Hinlangen Lehre 2 1 1

55 3,5 G1B Greifen Lehre 2 1 1

56 11,7 M20C Bringen Lehre zu Bau-teil 1 1 1

57 21 P2NSE

Bolzen der Einstellleh-re an Bauteilbohrung anfügen 1 1 1

58 Hinlangen Werk-zeug R20B 12,8 [RL1 Loslassen Lehre 1 1 1

59 Greifen Werkzeug G1A 2 1 1 1

60 Bringen Werkzeug zu rechter Hand M-A] 7,8 R20A

Hinlangen zu Werk-zeug 1 1 1

61 5,6 G3 Greifen Werkzeug 1 1 1

62 Hinlagen zu Lehre R20B] 11,7 M20C Werkzeug zu Gestän-gesteller bringen 1 1 1

63 Berührgriff G5] 10,4 P1NSE Werkzeug anfügen 1 1 1

64 4,5 M4C Gestängesteller ein-stellen 1 1 1

65 5,6 P1SE Gestängesteller ein-stellen 1 1 1

66 Umgreifen G2] 10,5 M20B Werkzeug ablegen 1 1 1

67 2 RL1 Werkzeug loslassen 1 1 1

68 Zurücklegen M20B 10,5 [R20A Hinlangen Gestänge-steller 1 1 1

69 Loslassen RL1] 2 G1A Greifen 1 1 1

70 18 M50B Gestängesteller in Kiste zurücklegen 4 1 1

71 2 RL1 Gestängesteller los-lassen 4 1 1

72

73 Hinlangen Etiketten R30B 12,8 1 1 1

74 Greifen Etiketten G1B 3,5 1 1 1

75 Bringen Etiketten in Arbeitsbereich M20A 9,6 [R-A zur linken Hand 1 1 1

76 3,5 G1B Greifen Etikett 1 1 1

77 2 M2B Ablösen Etikett 1 1 1

78 29 S Bücken 4 1 1

79 11,7 M20C Bringen Etikett zu Gestängesteller 4 1 1

80 5,6 G2 4 1 1

81 4 M4B Aufkleben (Nachstrei-chen) 4 1 1

82 RL2 4 1 1

83 7,8 R20A zur linken Hand 4 1 1

84 3,5 G1B Greifen Etikett 4 1 1

Anhang

E-17

85 2 M2B Ablösen Etikett 4 1 1

86 11,7 M20C Bringen Etikett zu Gestängesteller 4 1 1

87 5,6 G2 4 1 1

88 4 M4B Aufkleben (Nachstrei-chen) 4 1 1

89 RL2 4 1 1

90 43,4 STD Aufstehen 1 2 1

Gesamt 1060 TMU

38,1 s

Anhang

F-18

Anhang F KE 2: Tätigkeitsbeschreibung zu Fallbeispiel 3 (MTM-1, OWAS)

Tabelle F-1: Tätigkeitsbeschreibung zu Fallbeispiel 3 (MTM-1, OWAS)

Nr. Linke Hand TMU Rechte Hand OWAS

Bezeichnung AxH Code Code AxH Bezeichnung Rücken Beine Arme

1 3 45,0 W-P Gehen 1 7 1

2 EF (Visuelle Kontrolle) 1 7 1

3 11,7 M20C Bringen 3 7 1

4 47,8 P3NSE Fügen 3 2 1

5 2,0 RL1 Nachstreichen 1 2 1

6 6,3 R10B Nachstreichen 1 2 1

7 6,3 M10B Nachstreichen 1 2 1

8 2,0 RL1 Loslassen Aufkleber 1 2 1

9 6,3 R10B Hinlangen 1 2 1

10 3,5 G1B Greifen Kiste 3 2 1

11 7,3 SC10 Anheben Kiste 3 2 1

12 11,2 M10B4 Heranziehen Kiste 3 2 1

13 Hinlangen R20D 11,4 3 2 1

14 Greifen G1B 3,5 1 2 1

15 Abstellen Kiste auf Band M20A 9,6 1 2 1

16 Loslassen RL1 2,0 1 2 1

Gesamt 175,9 TMU

6,33 s