Erweiterung sinnlicher Erfahrung im Umgang mit...

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Hausarbeit zur zweiten Prüfung für das Lehramt an Grund,- Haupt– und Realschulen gemäß § 13 PVO-Lehr II Erweiterung sinnlicher Erfahrung im Umgang mit Naturmaterialien, dargestellt in einer Unterrichtseinheit zum Thema Zweigfedern, Malerbesen, Astfalter und anderes Getier in einer dritten Klasse. Vorgelegt von: Heidi Dora Lehreranwärterin Fach: Kunst Abgabetermin: 11. August 2003

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Hausarbeit zur zweiten Prüfung

für das Lehramt

an Grund,- Haupt– und Realschulen gemäß § 13 PVO-Lehr II

Erweiterung sinnlicher Erfahrung im Umgang mit

Naturmaterialien, dargestellt in einer

Unterrichtseinheit zum Thema Zweigfedern,

Malerbesen, Astfalter und anderes Getier in einer

dritten Klasse.

Vorgelegt von:

Heidi Dora

Lehreranwärterin

Fach: Kunst

Abgabetermin: 11. August 2003

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung 1

I. Theoretische Grundlagen 3

1. Sinnlichkeit 3

1.1 Die Sinne 3

1.1.1 Das taktile System 4

1.1.2 Das visuelle System 4

2. Erfahrung 5

2.1 Sinnliche Erfahrungen im Alltag der Kinder 6

2.2 Erlebnisorientierung 7

2.3 Sinnliche Erfahrungen durch Naturmaterialien und Natur 8

3. Kunst und Natur 9

4. Resümee des theoretischen Teils 11

II. Planung der Unterrichtseinheit 12

1. Sachanalyse 12

1.1 Flächiges Gestalten 12

1.1.1 Die Schrift 12

1.1.2 Die Malerei 13

1.1.2.1 Das Zufallsverfahren 13

1.1.2.2 Die „Experimentelle Malerei“ 14

1.2 Räumliches Gestalten 14

2. Material- und Werkzeuganalyse 15

2.1 Das Material 15

2.2 Das Werkzeug 16

3. Räumliche Rahmenbedingungen 17

3.1 Schulische Bedingungen 17

3.2 Außerschulische Bedingungen 17

4. Situation der Lerngruppe und Lernausgangslage 17

5. Didaktisch-methodische Vorüberlegungen zur Unterrichtseinheit 19

6. Zusammenfassende Zielformulierungen 22

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III. Durchführung der Unterrichtseinheit 22

1. Tabellarische Übersicht über di Sequenzen 22

2. Beschreibung der Sequenzen 24

2.1 Erste Unterrichtssequenz: „Schreibfantasien mit Zweigfeder“ 24

2.1.1 Didaktisch-methodische Vorüberlegungen 24

2.1.2 Reflexion der Sequenz 25

2.2 Zweite Unterrichtssequenz: „Spurensuche mit dem Malerbesen“ 26

2.2.1 Sachinformationen über die Künstler „Hans Hartung“ und

„Jackson Pollock“ 26

2.2.2 Didaktisch-methodische Vorüberlegungen 27

2.2.3 Reflexion der Sequenz 29

2.3 Dritte Unterrichtssequenz mit ausführlichem Unterrichtsentwurf

der Stunde „Klecksbild“ 32

2.3.1 Sachinformation Assoziation 32

2.3.2 Didaktische Vorüberlegungen 33

2.3.3 Zielsetzungen 34

2.3.3.1 Grobziel 34

2.3.3.2 Feinziele 34

2.3.3.3 Prozessuale Ziele 34

2.3.4 Methodische Vorüberlegungen 34

2.3.5 Geplanter Unterrichtsverlauf 35

2.3.6 Reflexion der Unterrichtsstunde 36

2.4 Vierte Unterrichtssequenz: „Astfalter und anderes Getier“ mit

ausführlichen Unterrichtsentwurf der Stunde „Fantastische Wesen“ 38

2.4.1 Sachinformation außerschulischer Lernort 38

2.4.2 Organisatorische Voraussetzungen 38

2.4.3 Didaktisch–methodische Vorüberlegungen zur Sequenz 39

2.4.4 Ausführliche Darstellung der Unterrichtsstunde „Fantastische Wesen“ 40

2.4.4.1 Didaktische Vorüberlegungen 40

2.4.4.2 Zielsetzungen 41

2.4.4.2.1 Grobziel 41

2.4.4.2.2 Feinziele 41

2.4.4.2.3 Prozessuale Ziele 41

2.4.4.3 Methodische Vorüberlegungen 42

2.4.4.4 Geplanter Unterrichtsverlauf 43

2.4.5 Reflexion der Sequenz 44

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2.5 Fünfte Unterrichtssequenz: „Kinde rkunstausstellung“ 46

2.5.1 Didaktisch-methodische Vorüberlegungen 46

3. Gesamtreflexion des Unterrichtseinheit 47

IV. Literatur 52

V. Anhang 56

Erste Sequenz

Fantasiegeschichte 56

Zweite Sequenz

Fantasiegeschichte 57

Dokumentierende Fotos

Kopie der Werkstatt von Hans Hartung

Kopie Werk Pollock

Dritte Sequenz

Klecksbildkopien

Vierte Sequenz

Plan des Etelser Schlosspark

Suchgeschichte zur Einführung in den außerschulischen Lernort 58

Fantasiegeschichte 58

Hexenzauberspruch 58

Dokumentierende Fotos

Kopie

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Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Erweiterung sinnlicher Erfahrungen durch

Naturmaterialien im Rahmen des Kunstunterrichts einer dritten Klasse.

Zu dieser Idee führten zwei unabhängig voneinander gemachte Beobachtungen.

Im Februar musste eine Birke aufgrund des Eisregens auf dem Sportplatz der Schule gefällt werden.

Die Zweige und Äste wurden vor Ort zu einem großen Reisighaufen aufgeschichtet und sollten für das

Osterfeuer gelagert werden. Bereits nach kurzer Zeit begannen die Schülerinnen und Schüle r mit den

Zweigen zu spielen. In den Pausen wurden diese zum bevorzugten Material.

Parallel dazu fielen mir im Rahmen meines eigenverantwortlichen Unterrichts Defizite bei den

Schülerinnen und Schülern auf, wie zum Beispiel motorische Unruhe, motorische

Ungeschicklichkeiten und Unkonzentriertheit. Ich konnte beobachten, dass sich die Schülerinnen und

Schüler wenig Zeit für eigene Gedanken, Wege und Fantasien ließen, dass sie für ihre

Arbeitsmotivation schnelle Resultate, Rückmeldungen oder am besten fertig ansprechend aufbereitetes

Material brauchten. In der Literatur werden diese Defizite mit der veränderten Kindheit in Verbindung

gebracht, unter anderem mit der Mediatisierung, der damit verbundenen Wirklichkeit aus zweiter

Hand und der Entsinnlichung1.

Aus den zuvor genannten Beobachtungen erwuchs die Idee, die Faszination und Motivation des Spiels

mit den Ästen zu nutzen und den Schüle rinnen und Schülern im Kunstunterricht alternative Erfahrun-

gen sinnlicher und kreativer Art mit diesen Naturmaterialien zu ermöglichen. Naturmaterialien sind

nicht wie viele Spielzeuge glatt und reizarm, sondern haben vielfältige die Sinne anregende

Oberflächenstrukturen, die die haptische und visuelle Wahrnehmung schulen und die Schülerinnen

und Schüler dadurch zu einer bewussteren Wahrnehmung ihrer Umwelt führen können.

Naturmaterialien sind weiterhin durch ihren Wuchs und ihre Struktur fantasie - und

kreativitätsfördernd und können daher als Gegensatz zur Medienwelt angesehen werden. Weiterhin

bieten Naturmaterialien eine Vielzahl von künstlerischen Betätigungsfeldern, die sowohl grafisches,

flächiges und räumliches Gestalten ermöglichen.

Aus diesen Eigenschaften des Naturmaterials entstand der Gedanke, den Schülerinnen und Schülern

im Kunstunterricht Wege in die Kreativität und Langsamkeit einhergehend mit sinnlichen Eindrücken

in der Natur aufzuzeigen und damit ein Naturverständnis anzubahnen.

1 Rolff/Zimmermann, 1989, S. 28-39

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Dieses zu realisieren und die Möglichkeiten von künstlerischer Auseinandersetzung mit

Naturmaterialien im Kunstunterricht zu untersuchen ist das Ziel dieser Arbeit.

Die vorliegende Arbeit ist in drei Teile untergliedert.

Im ersten theoretischen Teil werden zunächst die Begrifflichkeiten Sinnlichkeit und Erfahrung

definiert. Ich beschränke mich bei der differenzierteren Beschreibung der Sinne auf das taktile und

visuelle System, da sie in der Unterrichtseinheit am meisten angeregt werden sollen. Es folgt ein

kurzer Überblick in die heutige Lebenswirklichkeit von Kindern in Bezug auf visuelle und taktile

Wahrnehmung sowie Erfahrung und eine Einführung in die Erlebnispädagogik, die meiner Ansicht

nach eine schulische Konsequenz zur Alltagserfahrung der Kinder darstellt. Anschließend werden die

möglichen sinnlichen Erfahrungen von Naturmaterialien und Natur untersucht. Im Rahmen eines

historischen Rückblicks werden die Auseinandersetzungen von Kunst und Natur erläutert und drei für

meine Arbeit wichtige künstlerische Arbeitsweisen herausgestellt.

Im zweiten Teil der Arbeit wird die Planung der Unterrichtseinheit behandelt. Sie beinhaltet die

Sachanalyse der verwendeten künstlerischen Techniken, eine Material- und Werkzeuganalyse, die

Untersuchung der schulischen und außerschulischen Rahmenbedingungen, sowie die Erläuterung der

Lerngruppe und deren Lernausgangslage. Durch die didaktisch-methodischen Vorüberlegungen und

Zie lformulierungen wird zum praktischen Teil der Arbeit übergele itet.

Im dritten Teil wird der Unterricht dargestellt. Zur Vermeidung von Überschneidungen durch die

Beschreibung von Einzelstunden wird die Durchführung der Unterrichtseinheit in fünf Sequenzen

aufgezeigt und die dazugehörigen didaktisch-methodischen Vorüberlegungen in vertiefender Weise

wiedergegeben. Die ausführlichen Unterrichtsentwürfe werden in verkürzter und leicht veränderter

Form in die Unterrichtssequenzen eingebettet. Die einzelnen Sequenzen werden durch jeweils

relevante Sachinformationen ergänzt. Die letzte Unterrichtssequenz wird nur in Form von didaktisch-

methodischen Vorüberlegungen dargestellt. Eine Reflektion dieser ist vor Abgabe der Arbeit nicht

möglich, da die beinhaltete Kinderkunstausstellung im Rahmen des Etelser Schlossvereinsjubiläums

erst am 24. August stattfindet. Um die praktische Arbeit in den einzelnen Sequenzen zu

dokumentieren, werden Fotos in die Arbeit eingefügt.

Im Anhang befinden sich die Phantasiegeschichten, der Hexenzauberspruch, eine Karte des Etelser

Schlossparks, ein Abbild der Werkstatt von Hans Hartung, Abbildungen von Werken der Künstler

Jackson Pollock, Andy Goldsworthy, Richard Long sowie weitere Fotos und kopierte Ergebnisse aus

den Sequenzen.

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I. Theoretische Grundlagen

1. Sinnlichkeit

Sinnlichkeit wird im Allgemeinen als „Empfänglichkeit für Eindrücke der Sinnesorgane bezeichnet.“2

Dabei handelt es sich bei den Sinnesorganen um Körperteile, welche die Reize der Umwelt und des

eigenen Körpers aufnehmen. Im Folgenden sollen sie mit den dazugehörenden Sinnen aufgeführt

werden.

1.1 Die Sinne

Die Sinne werden unterteilt in Nah- und Fernsinne.

Zu der Gruppe von Nahsinnen gehören:

- der Hautsinn / taktiles System (Haut),

- der Gleichgewichtssinn / vestibuläres System (Gleichgewichtsorgan im Innenohr),

- der Muskel- und Gelenksinn / propriozeptives System (Muskeln und Gelenke).

Zu der Gruppe der Fernsinne gehören:

- der Sehsinn / visuelles System (Auge),

- der Hörsinn / auditives System (Ohr),

- der Riechsinn / olfaktorisches System (Nase),

- der Schmecksinn, gustatorisches System (Zunge).3

Die Tätigkeit der Sinne steht am Anfang der Wahrnehmung. Unter Wahrnehmung wird dabei ein

psychophysischer Prozess verstanden, in dessen Verlauf ein Mensch aufgrund von Reizen

Informationen aus seinem Umfeld und seinem Körper organisiert.4 Die Reize, die die Sinnesorgane

aufnehmen, werden über sensible Nerven und Leitungsbahnen an das Zentralnervensystem

weitergeleitet. Sie laufen entweder zur Großhirnrinde, in der sie zu bewussten Empfindungen

umgesetzt werden oder unter Umgehung des Bewusstseins zum Rückenmark.5

Über die Sinneswahrnehmungen wird der Kontakt zur Umwelt hergestellt, daher ist es von großer

Bedeutung, wie sensibel und bewusst diese reagieren.6 Die Sensibilisierung der sinnlichen

2 Siehe Brockhaus multimedial 3 vgl. Kiesling, S. 13 4 vgl. Encarta; Brockhaus multimedial 5 vgl. Lüders, S. 197 6 vgl. Seitz, 1997, S. 43

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Wahrnehmung kann die Denk- und Auffassungsleistungen des Gehirns steigern7 und zu einer

differenzierteren Wahrnehmung der Umwelt beitragen.

Da in der Unterrichtseinheit vornehmlich das taktile und visuelle System durch die künstlerische

Auseinandersetzung mit den Naturmaterialien angesprochen wird, möchte ich auf beide Systeme

detaillierter eingehen.

1.1.1 Das taktile System

Die äußere Haut ist das Sinnesorgan für den Tastsinn. Dieser beinhaltet verschiedene Sinnesqualitäten

(Wärme, Kälte, Schmerz, Druck, Berührung, Kitzel, Vibration), die durch spezielle Reize von

unterschiedlichen Rezeptoren gesondert oder auch in Kombination miteinander empfangen werden.

Die Rezeptoren liegen verteilt auf einer etwa 2 qm großen Körperoberfläche der menschlichen Haut

und sind in den verschiedenen Bezirken der Haut unterschiedlich stark vertreten.8 So finden sich an

den Fingerspitzen und an der Zunge viele Tastkörperchen, die die Größe, Form und

Oberflächenbeschaffenheit eines Gegenstands ermitteln können.9 Weiterhin übertragen die

Bewegungsrezeptoren in den Muskeln, Gelenken und Sehnen Informationen über die Lage und

Veränderung der Körperglieder. Die Kombination der Informationen aus dem Tastvorgang sowie der

Bewegungsrezeptoren geben Aufschluss über einen Gegenstand. Dieser Prozess wird als taktiler

Wahrnehmungsprozess bezeichnet. Die taktile Wahrnehmung findet nicht isoliert statt, sondern ist an

die Wahrnehmungen der anderen Sinne gekoppelt.10 Dieses wird als Synästhesie bezeichnet.11 Vor

allem das taktile und visuelle System ergänzen und bestätigen sich fortwährend. In den Empfindungen

verschmelzen die Sinneseindrücke zu einer einheitlichen Wahrnehmung, der sensorische Integration. 12

1.1.2 Das visuelle System

Das Auge ist das Sinnesorgan, welches für das Sehen verantwortlich ist. Es besitzt die Fähigkeit, dass

Licht durch elektromagnetische Wellen aufzunehmen und in ein Abbild des in der Umwelt

befindlichen Objektes auf der Netzhaut umzuwandeln. 13 Bei diesem Vorgang reguliert die Iris durch

Erweiterung bzw. Verengung der Pupille die einfallende Lichtmenge. Die Lichtstrahlen dringen von

außen in das Auge ein und gelangen von der Pupille auf die Linse. Die gewölbte Augenvorderseite

und die Linse sind für die Scharfstellung des Bildes verantwortlich.14 Die Lichtwellen, die in das Auge

eingedrungen sind, treffen auf die Retina und lösen dort in den lichtempfindlichen Zellen einen

fotochemischen Prozess aus. Dabei reagieren die Zäpfchen auf Farben und die Stäbchen auf

7 vgl. Fester, S. 36 8 vgl. Baumann, S. 11 9 vgl. Lüders, S. 197 10 vgl. Baumann, S. 11 11 vgl. ebd. 12 vgl. Kiesling, S. 13 13 vgl. Brockhaus multimedial 14 vgl. Thiesen, S. 15

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Helligkeit. Im Anschluss daran leiten 130 Millionen Zellen die Helligkeits- und Farberregungen an das

Gehirn, wo sie weiterverarbeitet werden.15

Das Sehen ist bedingt durch die physikalischen Eigenschaften der Gegenstände

(Lichtfrequenzreflexion = Farbe und Hell-Dunkel-Schattierungen), die betrachtet werden. Durch die

Art des Lichtreizes kann das Aussehen, die Begrenzung, die Farbe und die Entfernung eines

wahrgenommenen Gegenstandes bestimmt werden. Dieses wird dann mit inneren Vorstellungen,

Erfahrungen und Wünschen des Betrachters verknüpft. Es entstehen Auffassungen über räumliche und

qualitative Eigenschaften unserer Umwelt.

2. Erfahrung

Erfahrung wird zum einen als die Gesamtheit der gelernten Kenntnisse, Fertigkeiten und

Verhaltensweisen definiert.16 Zum anderen wird es auch als das einzelne Wissen bezeichnet, welches

im Umgang mit Dingen oder in bestimmten Situationen erworben wird.

Die Grundlage einer Erfahrung ist die Wahrnehmung. Es werden zunächst visuell, taktil, auditiv,

olfaktorisch oder gustatorisch17 Reize aufgenommen, die anschließend im Gehirn mit Emotionen und

Denk- und Handlungsprozessen verbunden werden. Wenn diese Wahrnehmungen reflektiert,

verglichen, auf frühere Situationen oder auf Erinnerungen bezogen werden können, werden sie als

Erfahrungen bezeichnet.18 Hartmut von Hentig führt dieses noch weiter. Für ihn ist Erfahrung „die

Ver- und Bearbeitung einer Wahrnehmung, die den Erfahrenden verändert.“19 Die Wahrnehmung

entspricht dabei einem Prozess, durch den die Sinneseindrücke, Gedächtnisinhalte, Gefühle und

Interessen, sowie Erwartungen zu Informationen verarbeitet werden, die zu Entscheidungen und

Handlungen führen können.20

Kinder sammeln ihre Erfahrungen mit der Umwelt zunächst nur über den direkten sinnlichen Kontakt.

Dabei ist der Tastsinn der primäre.21 Wenn diese taktilen Erfahrungen im Gehirn gespeichert worden

sind, können sie durch einen visuellen Eindruck wieder abgerufen werden. Daraus ist zu folgern, „je

reichhaltiger und differenzierter der sinnliche Input in diesem Alter ausfällt, umso größer ist die

Chance, dass sich innere lebendige Vorstellungen entwickeln, dass bildhafte Konstrukte der weiteren

Erschließung der Realität zu Grunde liegen.“22

Menschen häufen während ihres gesamten Lebens Erfahrungen an, indem sie Gegenstände, Vorgänge

und Zusammenhänge wahrnehmen. Dabei beruht die intensivste Form der Aneignung von

Erfahrungen auf Eigentätigkeit, weil alle Sinne angesprochen werden. Eigentätigkeit wird als

15 vgl. ebd. 16 vgl. Encarta 17 vgl. Kap. I, 1.1 18 vgl. Otto, S. 3 19 siehe von Hentig, S.24 20 vgl. Brockhaus multimedial 21 vgl. Baumann, S. 16 22 siehe Köppel, S. 6

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materielle Grundlage der Erkenntnistätigkeit bezeichnet.23 Weiterhin können Erfahrungen vermehrt

erworben werden, wenn sie in einem Kontext von sozialen Interaktionen stehen, in die die Lernenden

körperlich, emotional, denkend wie auch handelnd eingebunden sind.24

2.1 Sinnliche Erfahrungen im Alltag der Kinder

In der Literatur wird von einer veränderten Kindheit gesprochen, die Auswirkungen auf das Verhalten

der Kinder, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten hat.25 So werden unter anderem als massive

Veränderungen in der Kindheit die Mediatisierung der Erfahrungen, der Verlust an Eigentätigkeit,26

die verplante Kindheit und die Konsumhaltung aufgezählt, die ich im Folgenden näher erläutern

möchte.

Elektronische Medien wie Fernsehen, Gameboy, Computerspiele und Spielkonsolen sind in vielen

Haushalten zu finden. Kinder nutzen diese Medien häufig in ihrer Freizeit, weil sie einen hohen

Aufforderungscharakter haben und ständig verfügbar sind. Die Rezeption dieser Medien geht einher

mit visuell wahrnehmbaren schnellen Bildfolgen, deren intensive Betrachtung und Verarbeitung durch

diese Schnelligkeit nicht mehr möglich ist. Es fehlt die Zeit um die persönlichen Erfahrungen und

Erwartungen einzubringen, durch die die vermittelten Reize in die eigenen kognitiven und

emotionalen Bezüge eingeordnet werden können. Die Folge davon ist eine inaktive konsumierende

Haltung. 27 Dabei entsprechen die Botschaften, die durch die Medien vermittelt werden, nicht der

Wirklichkeit, sondern sie sind bearbeitete Versionen von Wirklichkeit. Die Mediennutzer übernehmen

demnach Erfahrungen aus einer „Wirklichkeit aus zweiter Hand.“28 Diese Erfahrungen sind nicht in

ihre sozialen, handelnden oder sinnlichen Kontexte eingebettet und entsprechen daher nicht der

Lebenswirklichkeit der Kinder. Deshalb können sie nicht mit vorhandenen Erfahrungen verknüpft

werden.29 Es kommt zu einer „Verinselung“ von Wissen.

Weiterhin kann durch die Anziehungskraft der Medien die Eigentätigkeit und die direkte Erfahrung

mit der Umwelt und der Natur abnehmen30 und zu einem Wirklichkeitsverlust führen.31 Beim

Konsumieren von elektronischen Medien werden die Fernsinne wie Sehen und Hören stark

beansprucht. Die anderen Sinne wie Riechen, Schmecken, Tasten, die an einen realen Gegenstand

gebunden sind, werden hingegen nicht weiter ausgebildet.32

Neben den elektronischen Medien beschäftigen sich die Kinder in ihrer Freizeit mit Spielzeugen.

Diese bestehen häufig aus Plastikmaterialien oder Metall, deren Oberflächen glatt und kühl sind und

23 vgl. Rolff/Zimmermann 1997, S. 31-32 24 vgl. Köppel. S. 7 25 vgl. Einleitung 26 vgl. Rolff/Zimmermann, 1997, S. 30 27 vgl. Garlichs, S.137 28 siehe Rolff/Zimmermann, 1997, S.33 29 vgl. Kap. I, 2. 30 vgl. Rolff/Zimmermann, 1985, S.77 31 vgl. Büchner, S. 3 32 vgl. Kap. I, 1.1

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demnach für das taktile System wenig Reize bieten33. Im Gegensatz dazu wird durch die Farbigkeit der

meisten Spielzeuge, Kleidungsstücke und Möbel das visuelle System sehr stark angeregt. Die

Spielzeuge werden in grellen Farben produziert, weil Kinder auf diese Farbreize als Käufer reagieren.

In der Buntheit der Kinderzimmer kann eine mögliche Form der Reizüberflutung gesehen werden.34

Sie kann dazu führen, dass eine Sensibilisierung für Farbnuancen nicht hinreichend ausgebildet wird.

Weiterhin führen viele aktuelle Spielzeuge ihre Funktionen selbst aus (Bayblade, Babyborn,

ferngesteuerte Autos usw.), sodass sich das Spielen auf die Bedienung des Spielgerätes beschränkt und

ebenfalls zu einer konsumierenden Haltung führt.35 Wie bei der Konsumierung von Massenmedien

kann es zu einer Verminderung der Eigentätigkeit führen, die einhergeht mit einer Reduktion von

Erfahrungsmöglichkeiten. Die Spielfantasie und Kreativität wird beim Umgang mit diesen

Spielzeugen sehr stark eingeschränkt.

Auch das Freizeitverhalten der Kinder hat sich verändert. Freizeitaktivitäten wie Zeichnen und Basteln

finden nur noch selten statt. Dabei wird gerade bei solchen Aktivitäten u.a. das taktile System durch

die unterschiedlichen Oberflächen angeregt und die Feinmotorik geschult. Durch die Konsumierung

von industriell gefertigtem Spielzeug entfalten Kinder keine Ideen mehr, um eigenes Spielzeug

herzustellen. Sie setzen sich nicht mehr mit einer planvollen Herstellung und mit der Abarbeitung von

Widerständen auseinander. Hierdurch machen sie auch keine eigenen Erfahrungen mehr. Der

Produktionsprozess von gekauftem Spielzeug wird nicht durchschaut.

Zu anderen Freizeitbeschäftigungen wie z.B. Sport, Musikunterricht etc. werden die Kinder häufig mit

dem Auto gefahren. Dieses kann zu einer reduzierten Wahrnehmung der unmittelbaren Umgebung

führen.36

In der Schule werden Veränderungen der Schüler und Schülerinnen wahrgenommen, die sich evtl. auf

einen Teil der zuvor genannten Alltagserfahrungen beziehen lassen. So werden sie von Lehrerinnen

und Lehrern als unkonzentrierter und zappeliger beschrieben. Weiterhin sollen sie weniger dazu bereit

sein, sich mit einer Sache länger zu beschäftigen und motiviert daran zu arbeiten. Sie sollen nicht mehr

in sich ruhen und weniger mit sich selbst anfangen können. Es wird berichtet, dass sie viel Anregung

von außen benötigen und selbst eher passiv sind. 37

2.2 Erlebnisorientierung

Meines Erachtens muss die Schule auf die Veränderungen im Alltagsleben der Schüler und

Schülerinnen reagieren, indem sie verstärkt für eine Vermittlung von realen Erlebnissen sorgt.38 Dabei

stellt ein Erlebnis eine besonders eindringliche und intensive Erfahrung dar, die als außergewöhnlich

33 vgl. Baumann, S. 37 34 vgl. Baumann, S. 37. 35 vgl. Rolff/Zimmermann, 1997, S. 30-31 36 Weiterführende Literatur: Fölling-Albers, 1992; Hurrelmann, 1996; Faust-Siehl, 1995 37 vgl. Fölling-Albers, 1997, S. 126 38 vgl. Hielscher, S. 7

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oder vie lleicht sogar einmalig zu bezeichnen ist.39 Ein Merkmal eines Erlebnisses ist daher seine

Intensität. Weiterhin zeichnet es sich durch einen affektiven Gehalt aus. Es ist nicht allein kognitiv

präsent, sondern besitzt auch einen emotionalen Bezug, der berührt. Die Offenheit der Wahrnehmung

ist für ein Erlebnis von besonderer Bedeutung, denn es erschließt sich über die Sinne. Auch muss ein

Erlebnis über konkrete Handlungen erfahren werden, dem ein Spannungsmoment innewohnt. Das

heißt, während des Agierens zeigt sich für die Person etwas Überraschendes, etwas Neues in Bezug

auf einen Gegenstand, auf einen Mitmenschen oder auf die Umgebung.40 Ein Erlebnis wird dabei

subjektiv und indiv iduell wahrgenommen. Die Grundlage von Erlebnissen ist die Eigentätigkeit, über

die alle Sinne angesprochen werden.

Diese Ansicht wurde schon von Comenius, Rousseau und Pestalozzi vertreten und weitergeführt durch

die Reformpädagogen Kerschensteiner, Montessori, Petersen und Freinet (u.a.).41 Die in diesem

Zusammenhang häufig zitierte die Ganzheitlichkeit betonende Formel „des Lernens mit Kopf, Herz

und Hand“42 stammt von Johannes Heinrich Pestalozzi. Der Kunsterzieher des Bauhauses Johannes

Itten ging auf dieses Credo ein und prägte durch seinen auf Anschauung beruhenden und mit

haptischen und optischen Schulungen einhergehenden Kunstunterricht nachhaltig die

Künstlerausbildung. 43 Er verstand sich selbst allerdings nicht als Erlebnispädagoge. Sein Bestreben ist

eher der Ganzheitserziehung zuzuordnen. 44

Die Leitlinien der heutigen Erlebnispädagogik folgen den Prinzipien der Ganzheitlichkeit, der

Sensibilisierung der Sinne, der Bewusstmachung des Erlebten, der Ökologie, der Einbeziehung von

Natur, der Vermittlung von Erlebnissen, die auf etwas gerichtet sind und die bewusste

Verlangsamung45 gegen den Trend der Bilderfluten aus den Medien.46 Diese möchte ich in meiner

Unterrichtseinheit umsetzen.

2.3 Sinnliche Erfahrungen durch Naturmaterialien und Natur

Als Naturmaterialien werden die Materialien bezeichnet, die von der Natur produziert werden und sich

in der Natur finden lassen.

Natur wiederum ist allgemein definiert als die „Gesamtheit aller nicht von Menschenhand geschaffene

Umwelt“47 Da aber auch ein angelegter Park oder ein Nutzwald als Natur angesehen werden kann,

bezeichne ich meinem Verständnis entsprechend als Natur, alles gewachsene und organische, also

auch den Menschen.

39 vgl. Balz, S. 5 40 vgl. Balz, S. 5-7 41 weiterführende Literatur: Dietrich ; Böhm 42 vgl. Meyer, S. 34 43 vgl. Wick, S. 86 44 vgl. ebd., S. 89 45 vgl. www.eos-ep.de/eos.htm 46 weiterführende Literatur: Ziegenspeck 47 siehe Encarta

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Materialien aus der Natur bieten eine Vielzahl von sinnlichen Reizen. Die tastende Hand kann

verschiedene Temperaturen, Oberflächenstrukturen, Beschaffenheiten, Größen und Formen

ermitteln. 48 Das visuelle System wird hingegen durch Bewegungen, Strukturen, Formen, Licht und

Schatten und durch eine Vielzahl von Farbnuancen49 angeregt. Dabei ermöglichen Naturmaterialien im

Gegensatz zu den visuellen Medien50 die Möglichkeit des visuellen Verweilens. Häufig können in der

Natur Geräusche vernommen werden, die sowohl auf die Natur 51 als auch auf menschliche

Zivilisation52 schließen lassen. Weiterhin bietet die Natur und die aus ihr stammenden

Naturmaterialien eine Vie lzahl von Gerüchen, die durch das olfaktorische System aufgenommen

werden können.53 Durch die Arbeit in der Natur werden darüber hinaus das vestibuläre als auch das

propriozeptive System angeregt.

Die Menschheit entfernt sich durch zunehmende Verstädterung und Mechanisierung des Lebens von

der Natur.54 Gle ichzeitig wird aber das sinnliche Erleben und die sinnliche Erfahrung in und mit der

Natur für die Seele benötigt. Die Schönheit von gewachsenen, lebendigen Dingen wird im Zuge von

künstlicher Umwelt nur noch bedingt wahrgenommen. Dabei ist der Mensch in seinem Körper selbst

Natur.55 „Weil alle menschlichen Eigenschaften letztlich eine organische Grundlage haben, können

wir uns auch als Kulturwesen nur dann ganz verstehen, wenn wir uns als Teil der Natur begreifen.

Dass dieses Wissen verschüttet wird, birgt das größte Risiko der Umweltzerstörung. Vor der

gesundheitlichen oder ökologischen Bedrohung liegt die ästhetische.“ 56 Denn in der heutigen

Gesellschaft wird die Naturschönheit nur noch bedingt wahrgenommen.

Durch Naturmaterialien und die reale Begegnung der Natur kann eine sinnliche Annäherung an die

Natur geschaffen werden.

3. Kunst mit der Natur

In der Kunst spiegelt sich das an die jeweilige Zeit gebundene Naturverständnis der Gesellschaft

wieder.57 Die bildnerischen Auseinandersetzungen der Kunst mit der Natur lassen sich bis zu den

Höhlenmalereien zurückverfolgen und führen bis zur Landschaftsmalerei der Modernen Kunst.

Eine andere künstlerische Gestaltung im Umgang mit Natur ist die schon im Altertum und in der

Antike betriebene Gartenkunst. Sie beinhaltet die künstlerische Gestaltung eines Freiraumes durch

Wege, Pflanzen, Planierungen, Anschüttungen, Architekturelementen, Wasserspielen und

Bildwerken. In der Gartenkunst wurden teilweise die Vorstellungen vom Paradiesgarten, Götterhain

48 vgl. Kap. I, 1.1.1 49 vgl. Kap. I, 2.1 50 vgl. Kap. I, 2.1 51 wie Blätterrauschen, Summen der Bienen etc. 52 wie das Geräusch von fahrenden Autos, Flugzeugen etc. 53 vgl. Kap. I, 1. 54 vgl. Weber, S. 156 55 vgl. Böhme, S. 36 56 siehe Weber, S. 152 57 vgl. Pallenberg, S. 16

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und Arkadien verwirklicht.58 Der Garten wurde somit ein Stück beherrschte Natur und Landschaft.

Ablesbar darin ist, „wie sich der Mensch in der Welt empfindet und wie er sich im Leben empfinden

will.“59

Mit dem Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre verließen einige amerikanische Künstler ihre

Ateliers und Galerien und suchten sich Landschaftsbereiche, die noch nicht durch den Menschen

gestaltet waren. Häufig waren es Berge oder Wüstenregionen in denen sie ihre Zeichen setzten („land-

art“). Es wird vermutet, dass die Wahl der Arbeitsplätze nicht nur rational auf das Ergebnis gerichtet

ausgesucht wurde, sondern auch die mythisch-magische Atmosphäre die Künstler angesprochen hat.60

Denn die Auseinandersetzung der Künstler mit der Natur geschah oft an den Orten, die schon den

Indianern als Kultstätten gedient hatten.61 Ihren konzeptuellen Charakter erhalten die Land-Art

Projekte durch den Widerspruch zur Aufwendigkeit der Ausführung und der zeitlich begrenzten

Existenz, da sie nach Fertigstellung in der Natur zurückgelassen werden.62 Die Künstler entdeckten,

dass sie mit Materialien aus der Natur Kunstwerke schaffen konnten, ohne sie aus ihrem Bereich zu

entfernen. Holz, Blätter, Erde usw. wurden nicht mehr in den Ateliers bearbeitet, sondern die

künstlerisch gestaltende Arbeit vollzog sich im Zusammenhang mit der Natur und in ihr. In

Deutschland arbeiten Künstler seit Mitte der 70er Jahre ebenfalls in der Landschaft. Im Gegensatz zur

„land-art“ findet ihre Auseinandersetzung nicht in menschenleeren Gebieten, sondern in der Natur

statt, die landwirtschaftlich genutzt wird.63 Sie wird als Natur-Kunst bezeichnet.

Das Besondere an Kunstwerken in der Landschaft ist, dass sie im Zusammenspiel von Künstlern,

Landschaften und Leuten entstehen und allen Menschen gehören, die mit ihr leben. Kunst in der

Landschaft überwindet somit die Kommerzialisierung und nimmt stattdessen die Regeln der

Vergänglichkeit und Veränderbarkeit aus ihrer Umgebung auf.64

Auch in der Malerei der 60er Jahre wurde das Thema Landschaft wiederentdeckt. Ausgehend von dem

magischen und fantastischen Realismus entstand ein neuer malerischer Realismus, in dem auch die

Landschaft portraitiert wurde. Dabei wurde sie von seriellen Abhandlungen (Herman Waldenburg)

über Veduten (Peter Ackermann) bis hin zu visuellen Texten (Timm Ulrich) bearbeitet.65 Andere

Künstler, die sich nicht der Malerei verpflichtet fühlten, wandten sich ebenfalls der Realität zu. Sie

entwickelten eine neue Formsprache. In der sogenannten concept-art werden gedankliche Entwürfe

mit Hilfe von Texten, Diagrammen und Fotografien entwickelt 66, die erst durch assoziative Prozesse in

58 vgl. Brockhaus Kunst, S. 354 59 siehe Thiel, S. 12 60 vgl. Thiel, S. 15 61 vgl. Thiel, S. 13 62 vgl. Kirschenmann, S. 111 63 vgl. Thiel, S. 13 64 vgl. ebd. 65 vgl. Thiel, S. 14 66 vgl. Regel, S. 37

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der Vorstellung des Rezipienten existent sind. Die rein geistige Konzeption steht im Mittelpunkt.67

Durch Kritik und Kommentar zeigen sie in Richtung des Tuns und der Veränderung und sind daher

der Wirklichkeit stärker verpflichtet als die Landschaftsmaler.

Die concept-art Künstler verwiesen darauf, dass einerseits Kunst im Kopf entsteht, aber andererseits

durch viele Vorprägungen des „Natürlichen“ angeregt würde. Aus diesen Gedanken heraus wurden die

Mythen wiederbelebt, die in einem engen Verhältnis zur Natur und Landschaft stehen. Durch den

Kunstmythos begann man sich wieder mit dem geheimnisvollen Lebens-Umraum auseinander zu

setzten.68

Die Kunst liefert der Gesellschaft neue Bilder für ein Verständnis der Eigenständigkeit und

Verletzbarkeit der Natur.

Im Folgenden möchte ich drei aktuelle Formen der künstlerischen Auseinandersetzung von Kunst und

Natur beschreiben, da diese für meine Unterrichtseinheit von Bedeutung sind.

- Eine Möglichkeit Natur und Kunst zu verbinden, ist u.a. Briefe von Bäumen auszustellen.

Dabei dient ein „Natur-Alphabet“, dessen Zeichen den Formen von Verästelungen bestimmter

Bäume nachempfunden wird, als Mittler.69 In dieser Form nimmt Werner Henkel Bezug auf

bestimmte Baumarten und drückt dadurch seine Betroffenheit über das Waldsterben aus.70

- Ein anderer künstlerischer Umgang mit Natur ist durch Wanderungen auf menschenleere Orte

zu stoßen und mit den vor Ort gefundenen Materialien zu arbeiten. Somit entsprechen die

Materialien wie Holz, Schlamm oder Steine der Landschaft, in der sie als Kunstwerke zu

Spiralen, Kreisen und Linien zusammengefügt werden. 71 Die künstlerischen Zeichen werden

nach der fotografischen Dokumentation von Richard Long als menschliche

Anwesenheitsbekundungen der Landschaft wieder überla ssen. 72

- Eine weitere Möglichkeit besteht in der Hervorhebung von Natur durch Umgestaltung. Der

Künstler Andy Goldsworthy setzt Naturmaterialien wie Blätter, Holz, Zweige, Steine, Sand,

Eis und Schnee zu Skulpturen zusammen. Er hebt sie durch seine Bearbeitung aus ihrem

Umfeld heraus, in dass sie später wieder zurückkehren.73 Er legt dazu z.B. farblich

abgestimmte Blätter um Steine oder bemalt Astholz im Gras liegend mit roter Farbe, die er aus

zermahlenen Mineralien gewonnen hat.74 Die Ergebnisse werden ebenfalls durch Fotos

festgehalten und an die Natur zurückgegeben.75

67 vgl. Brockhaus Kunst, S. 207 68 vgl. Thiel, S. 14 69 vgl. Thiel, S. 11 70 vgl. Thiel, S. 10 71 vgl. Kirchner, S. 26 72 vgl. Graevenitz, S. 15 73 vgl. Kirschenmann, S. 65 74 vgl. ebd. 75 vgl. Friedman, S. 7

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4. Resümee des theoretischen Teils

Die sinnliche Reizaufnahme ist die Basis für die Wahrnehmung. Diese ist Grundlage für die

Erfahrungen.76 Die Erfahrungen bilden das Wissen eines Menschen. Darum ist es von großer

Bedeutung, dass Menschen in ihrer Entwicklung viele unterschiedliche Sinnesreize aufnehmen und

verarbeiten. Die Folge davon ist ein vermehrter Erfahrungsschatz, auf den sie zurückgreifen können.77

Wenn dieses Wissen mit den Alltagserfahrungen von Kindern in Verbindung gebracht wird, kann

festgestellt werden, dass sie durch ihr Umfeld häufig zu wenig sinnliche Reize aufnehmen, und

dadurch eine wenig differenzierte Wahrnehmung besitzen. Weiterhin findet durch die Konsumierung

von Medien und Waren eine verminderte Eigentätigkeit statt, die aber für den Erwerb von Erfahrungen

nötig ist.78 Darauf muss meiner Meinung nach die Schule reagieren. Der Kunstunterricht bietet dafür

besondere Möglichkeiten. Durch die Verwendung von Naturmaterialien, die einen Gegenpol zum

Kommerz bilden, können die Sinne besonders angesprochen werden. Durch die Verwendung von

unterschiedlichen künstlerischen Techniken können die Schülerinnen und Schüler durch Eigentätigkeit

im Kontext von sozialen Interaktionen zu Erfahrungen gelangen, die evtl. so intensiv erlebt werden,

dass sie als Erlebnisse79 gelten können. Wenn dieses in Verbindung mit Kunstwerken der modernen

Malerei gebracht wird, erhalten die Schülerinnen und Schüler Informationen, die sie mit ihren eigenen

Erfahrungen verknüpfen können. Dieses kann als Gegenteil zum verinselten Wissen80 gelten und führt

durch den individuellen Bezug zur Anbahnung eines Kunstverständnisses.

II Planung der Unterrichtseinheit

1. Sachanalyse

Im Folgenden werden die Techniken vorgestellt, die ich in meiner Unterrichtseinheit verwenden

möchte.

1.1 Flächiges Gestalten

Traditionelle Inhalte des flächigen Gestaltens sind die Grafik und die Malerei.

1.1.1 Die Schrift

Eine besondere Form des grafischen Gestaltens ist die Schrift. Sie bedient sich des allgemein

bekannten Zeichensystems, des Alphabets und der darin enthaltenen Buchstaben. Werden die Zeichen

nach festgelegten Regeln zusammengefügt, ermöglichen sie eine Informationsübermittlung. Dabei ist

76 vgl. Kap. I, I.2 77 vgl. Kap. I, 2. 78 vgl. Kap. I, I. 2. u. 2.1 79 vgl. Kap. I, 2.2 80 vgl. Kap. I, 2.1

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die gestalterische Freiheit beim Schreiben eingeschränkt, damit der Bedeutungsgehalt von Buchstaben,

Worten und Wortverbindungen gewährleistet werden kann.81

Schriftzeichen können aber auch als freie Bildelemente verwendet werden. Sie verlieren dabei aber

ihren ursprünglichen Bedeutungscharakter. Künstler wie Klee, Braque und Picasso verwendeten in

ihren Werken Buchstaben.

Schriftzeichen können geschrieben, gestempelt, gedruckt, schablonisiert, gezeichnet, gemalt,

ausgeschnitten und collagiert werden. Dazu werden die entsprechenden Werkzeuge und Materialien

benötigt wie: Tinte, Tusche, Farbe, Stifte, Federn, Pinsel, Kreiden, Stempel und Schablonen aus

unterschiedlichen Materialien. Die traditionellen Werkzeuge sind dabei Tinte oder Tusche und Feder

oder Pinsel.

Für die Unterrichtseinheit ist das Schreiben mit einem ungewöhnlichen Schreibwerkzeug „der

Zweigfeder“ aus einem geschnitzten Ast und Scribtol vorgesehen.

1.1.2 Die Malerei

Als Malerei wird das freie Gestalten mit Farbe, Form und Linie auf einer Fläche bezeichnet. Bildträger

können dabei Papier, Pappe, Leinwand, u.ä. sein. Die benötigte Farbe setzt sich aus Farbmittel und

Bindemittel zusammen. Die Farbmittel werden aus der Natur entnommen oder durch synthetische

Verfahren hergestellt. Man unterscheidet dabei Pigmente und Farbstoffe. Während sich die Pigmente

(ungelöste Farbmittel) mit Bindemittel vermischen lassen, werden Farbstoffe in Bindemittel gelöst.

Die gegenständliche Malerei kann durch Illusion die Gestaltung jeder existenten Wirklichkeit oder

Vorstellung ermöglichen. Die abstrakte Kunst im frühen 20. Jh. verzichtet hingegen auf das

Abbildhafte und stellte die Gestaltungsmittel wie Farbe, Linie und Fläche in den Vordergrund. 82

In meiner Unterrichtseinheit beziehe ich mich auf das freie Gestalten mit Dispersionsfarbe auf

Plakatkarton.83

1.1.2.1 Das Zufallsverfahren

Zufallsverfahren sind künstlerische Techniken, durch die nicht steuerbare bzw. nur in begrenztem

Maße steuerbare Spuren bzw. Bilder entstehen.

In der bildenden Kunst erfüllt die Anwendung von Zufallsverfahrenstechniken unterschiedliche

Funktionen. Sie dienen der Ideenfindung durch die Auslösung von Assoziationen beim Betrachten. Sie

wurden als Protest und Provokation gegenüber herkömmlichen Vorstellungen benutzt, zeigen das

Aufbrechen von erstarrten Formen und veranschaulichen das Unbewusste.“84

81 vgl. Eid, S. 202 82 vgl. Brockhaus Kunst, S. 700-701. 83 vgl. Kap. II, 1.1.2.2 84 vgl. Brügel, S. 34

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Als Zufall wird allgemein „ein unerwartetes, unvorhersehbares, also überraschendes und

unbesichtigtes Ergebnis bezeichnet.“85 Es hat sich herausgestellt, dass die Findung des Zufalls von

dem Interesse des Betrachtenden abhängig ist. Dieses führt zu einer selektiven Wahrnehmung.

Demnach spielt für die Wahrnehmung eines Zufalls die Assoziation eine große Bedeutung.

Schon Leonardo da Vinci befasste sich mit der Ausdeutung von Mauerflecken und war sich der

fantasieanregenden Wirkung bewusst. Mitte des 19. Jahrhunderts beschäftigten sich zwei Dichter

unabhängig voneinander mit der „Klecksographie“. Justinus Kerner arbeitete mit der Form der

Klecksographie, die als Falz- und Faltdruck bezeichnet wird. Dabei wird ein Blatt Papier, auf dem sich

noch flüssige Farbkleckse befinden, gefaltet und zusammengepresst. Daraus entstehen symmetrische

Zufallsbilder. Victor Hugo hingegen spritzte mit Federkielen und Tusche auf Papier, drückte

Tuschetropfen darauf und lies durch Faltung und Quetschung Bilder entstehen. 86

Eine andere Form der Klecksographie ist das Fließverfahren. Dabei wird die getropfte Farbe oder

Tusche durch Bildträgerkippung bzw. durch einen geworfenen Farbbeutel auf einen aufgestellten

Bildträger zum Verlaufen gebracht. Künstler wie Alexander Calder oder Hans Hartung, Joan Miro

u.a. experimentierten mit dieser Technik.

Das in der Unterrichtseinheit verwendete Zufallsverfahren bezieht sich auf das Fließverfahren.

1.1.2.2 Die „Experimentelle Malerei“

Unter experimenteller Malerei wird z.B. der Auftrag von Farbe mit einem Reisigbesen auf einen

strapazierfähigen Untergrund verstanden. Bei dieser Aktion steht nicht das Ergebnis im Vordergrund,

sondern der Malprozess. Dabei umfasst er eine zunächst eher spielerisch-experimentierende

Auseinandersetzung mit dem Material.87 Durch den Malprozess werden Kenntnisse über die

Möglichke iten des Materials vermittelt, indem sie durch Experimentieren selbst herausgefunden

werden. Die unterschiedlichen Ergebnisse können im Anschluss als Beispiele für die verschiedenen

Erfahrungen herangezogen werden und daran die Techniken erläutert und nachvollzogen werden.

Somit können durch experimentelle Malerei die zunächst unbewusst ablaufenden Bewegungen des

Farbauftrags durch Bewusstmachung und Verbalisierung in Erfahrungen umgewandelt werden.

Das Experiment ist eine wichtige Ausdrucksform in der Kunst dieses Jahrhunderts. Die Schülerinnen

und Schüler, die durch ein Experiment mit künstlerischen Verfahren vertraut gemacht wurden, werden

sich selbstständiger in den Zugriffsweisen auf das Material zeigen.88 Sie verfügen durch das

Experiment und die anschließende Nachbesprechung über ein größeres Ausdrucksrepertoire.

85 siehe Brügel, S. 6 86 vgl. Brügel, S. 28 87 vgl. Aissen-Crewett, S. 36 88 vgl. Müller-Kammerinke, S. 22

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1.2 Räumliches Gestalten

Unter räumlichem Gestalten werden alle Gestaltungsmöglichkeiten zusammengefasst, die einen

dreidimensionalen Charakter haben. Hierzu gehören u.a. Skulpturen, Plastiken Reliefs, Objekte,

Materia lbilder und Installationen. 89

Nach Herstellungsmerkmalen sind beim räumlichen Gestalten, Formen, Skulptieren sowie Bauen und

Montieren von einander zu unterscheiden. Zum Formen werden weiche Werkstoffe und zum

Skulptieren harte Stoffe benutzt. Demgegenüber werden beim Bauen und Montieren schon

vorhandene Formen zu räumlich-plastischen Gebilden montiert. Elemente aus gleichem oder

verschiedenem Material werden miteinander verbunden, d.h. „die Vorgehensweise ist additiv.“90 Von

besonderer Bedeutung sind die Verbindungstechniken. Kunstwerke dessen Verbindungen geklebt,

geleimt, gelötet, geschweißt, bzw. durch Zapfen, Nägel, Schrauben oder Nieten verbunden werden,

werden als Montagen (franz. monter, aufbauen) oder als Assemblagen (franz. assembel, sammeln)

bezeichnet. Wenn sich diese Objekte bewegen lassen, spricht man von kinetischen Objekten. Die

Kombinationen von Objekt und Raum bzw. von Raum, Betrachter und Objekt wird als Environment

(eng. Umgebung) oder Ambiente (lat. Ambire, herumgehen) bezeichnet.91

Eine Vielzahl von zeitgenössischen plastischen Arbeitsformen werden unter den Oberbegriffen

Installation und Objektkunst zusammengefasst. Als Installation werden Raumgestaltungen aus

unterschiedlichen Materialien bezeichnet, deren Grundsatz in der beziehungsreichen Anordnung von

Elementen liegt. Die einzelnen Elemente haben dabei meist keinen Kunstcharakter, doch durch ihre

Zusammenfügung lösen sie beim Rezipienten Assoziationen aus. Beim Betrachten von Installationen

werden unterschiedliche Sinne und Erlebnisschichten angesprochen.

Als Objekt wird in der bildenden Kunst ein dreidimensionales Kunstwerk bezeichnet, dass nicht mit

den klassischen bildhauerischen Verfahren aus Bronze, Gips, Stein oder Holz hergestellt ist. Oft

werden für die Anfertigung von Objekten industriell gefertigte Materialien verwendet oder Fundstücke

des Alltags (Objekt trouvê). Die häufig unterschiedlichen Materialien werden dabei u.a. montiert,

gepresst oder geklebt. Ein Objekt ist somit ein Kunstwerk, welches aufgrund seiner Art der

Herstellung keiner traditionellen Kategorie wie Zeichnung, Grafik, Malerei, Plastik eindeutig

zuzuordnen ist. 92

In der Unterrichtseinheit werden aus Naturmaterialien Objekte montiert, die mit den vorangegangenen

Unterrichtsergebnissen als Installation in der Kunstausstellung aufgebaut werden.

2. Material- und Werkzeuganalyse

Die in der Unterrichtseinheit benutzten Materialien und Werkzeuge sollen im Weiteren näher erörtert

werden.

89 vgl. Eid, S. 227 90 siehe Eid, S. 230 91 vgl. Eid, S. 230 92 vgl. Kromphardt, S. 64

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2.1 Das Material

Äste und Zweige : sind Teile eines Baumes. Sie bestehen aus unterschiedlichen Holzschichten und sind

mit einer der Baumart entsprechenden Rinde ausgestattet. Die Erfahrbarkeit des Holzes ist elementar.

Äste und Zweige sind nicht ebenmäßig und gleich von ihrer Stärke, sondern sie sind organisch

gewachsen.93 Sie sind rund.

Scribtol: ist eine schwarze oder blaue Künstlertusche, die zähfließender als Füllfederhaltertinte ist und

sich daher sowohl zum Schreiben mit einer Schreibfeder, als auch zum Verpusten von Klecksen

besonders gut eignet.

Plakatkarton: ist der Untergrund für Schrift, Klecks und Malerei und lässt durch seine Festigkeit auch

stärkere Beanspruchung durch Reisigbesen zu. Er besteht aus Cellulose.

Bindfäden: können aus synthetischen Fasern bestehen oder aus Naturfasern (Sisal, Jute) hergestellt

werden. Ihre haptische Oberfläche ist rau und grob. Sie eignen sich für das Zusammenbinden von

Gegenständen. Ich habe mich für Bindfäden aus Naturfasern entschieden, weil sie zum Konzept der

Unterrichtseinheit passen.

Dispersionsfarbe: ist wasserlösliche Farbe, die sich gut mischen lässt. Sie zeichnet sich durch ihre

Farbintensität aus und eignet sich besonders zum experimentellen Umgang mit Farbe und zum

Streichen von Gegenständen, da ihre Konsistenz eher pastos ist.

Strohhalme: sind die Halme von Getreide und innen hohl. Daher eigenen sie sich zum Verpusten von

Tuscheklecksen. Da sie natürlichen Ursprungs sind, weisen sie unterschiedlich große Durchmesser

auf, die sich auf das Ergebnis des Verpustens auswirken.

Kleisterpapier: Dafür wird zunächst Tapetenkleister-Wassermischung angerührt. Zeitungspapier wird

klein gerissen und mit der Kleistermischung durchtränkt. Mit dem entstandenen Kleisterpapier können

z.B. Flügelbespannungen entstehen oder Umformungen vorgenommen werden.

Malerfolie : wird als Unterlage für Arbeiten benutzt, die z.B. den Schulhof oder die Wiese im Park

beschmutzen könnten. Die Folie ist ca.4x5m groß und besteht aus Plastik.

Zeitungspapier: wird bedruckt und unbedruckt aus Cellulose hergestellt und dient in der

Unterrichteinheit als Unterlage und als Material für Kleisterpapier.

Wassereimer: müssen zum Hände- und Pinselauswaschen im Schosspark mitgeführt werden.

2.2 Die Werkzeuge:

Astschere: dient der Zerschneidung von stärkeren Ästen und Zweigen und verfügt über einen langen

Hebelgriff, damit beim Schneiden weniger Kraft aufgewendet werden muss. Für die Schülerinnen und

Schüler ist dieses Werkzeug nur bedingt einsetzbar, da der lange Griff für ihre Körpergröße schwer zu

handhaben ist.

Gartenscheren: schneiden nur dünne Zweige und Äste. Sie erinnern von ihrer Nutzbarkeit an

Schulscheren und können deshalb von den Schülerinnen und Schüler gut eingesetzt werden.

93 vgl. Steiner, S. 182

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Universalmesser: sind Messer, die eine feststehende Klinge haben, die nach Abnutzung erneuert

werden kann. Sie sind universell einsetzbar. Ihre Klinge ist allerdings sehr scharf und spitz.

Schulscheren: gehören zur Grundausrüstung der Schülerinnen und Schüler und sind gut geeignet, um

Bindfäden und Papier zu zerschneiden.

Die folgenden Materialien wurden von mir gekauft: Scribtol, Bindfäden, Dispersionsfarbe,

Strohhalme, Kleister und Malerfolie. Der Plakatkarton ist mir in unterschiedlichen Größen von der

Firma Europakarton aus Hoya zur Verfügung gestellt worden. Äste und Zweige wurden von den

Schülerinnen, Schülern und mir in der Natur gesucht. Die Gartenscheren und die Astschere stammen

aus meinem Haushalt. In der Schule waren die Universalmesser vorhanden und die Schulscheren

wurden von den Kindern mitgebracht.

3. Räumliche Rahmenbedingungen

3.1 Schulische Bedingungen

Die Grundschule Etelsen verfügt über keinen Kunstfachraum. Der Kunstunterricht findet im

Klassenraum statt. An den Schulgebäudekomplex grenzt ein großes Schulhofgelände an, das aus

einem asphaltierten Platz und einer durch Rasen und Sträucher begrünten Fläche besteht.

Eine Lagermöglichkeit für alle benötigten Mengen an Naturmaterialien konnte in der Schule nicht zur

Verfügung gestellt werden. Daher wurden diese teilweise von mir zu Hause gelagert.

3.2 Außerschulische Bedingungen

In der Nähe der Grundschule befindet sich das Etelser Schloss.94 Es wurde 1886 im neuen

Neurenaissancestil mit Terrassen und einer säulentragenden Vorfahrt für den Grafen Christian zu

Reventlow von Dänemark errichtet. Er bewohnte es bis zu seinem Tod im Jahre 1922. In den

folgenden Jahren verkauften die Erben die umliegenden Ländereien bis nur noch der 11 Hektar große

Schlosspark übrig blieb. Es folgten unterschiedliche Nutzungen des Schlosses. So wurde es u.a. als

Kreiskrankenhaus und als Restaurant für einen im Schlosspark entstandenen Tierpark benutzt. Heute

beherbergt es eine Bildungsstätte der niedersächsischen Wirtschaft.

Der Schlosspark zeichnet sich durch unregelmäßig runde Formen der Parkstücke und in Bögen

angelegte Wege aus.95 Weiterhin wird sein Bild durch große Rasenstücke, Einzelbäume und

Rhododendren geprägt. In dem an die Wiesen angrenzenden Waldstück findet sich ein Baumbestand

von Eiben, Buchen, Hainbuchen, Eichen und Fichten.96

Eine Erlaubnis, mit der Klasse im Park zu arbeiten, wurde mir vom Vorsitzenden des

Schlossparkvereins erteilt. Bei starkem Regen oder Sturm ist der Aufenthalt im Schlossgarten

untersagt. Der Unterricht wird dann im Klassenzimmer und auf einer durch einen Dachvorsprung

geschützten Fläche auf dem Schulhof stattfinden.

94 siehe Anhang Plan vom Schlosspark 95 vgl. Schaafberg, S. 90 96 vgl. Schaafberg,, S. 104

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4. Situation der Lerngruppe und Lernausgangslage

Seit Schuljahresbeginn unterrichte ich die Klasse 3a eigenverantwortlich im Fach Kunst eine Stunde

pro Woche. Die Lerngruppe setzt sich aus 16 Mädchen und 10 Jungen im Alter von 8-10 Jahren

zusammen. Sie zeigt ein angenehmes Sozial- und ein gutes Arbeitsverhalten. Die meisten Kinder sind

in der Lage, sich gegenseitig zuzuhören, aufeinander einzugehen und sich an Regeln und

Vereinbarungen zu halten.

Die Schülerinnen und Schüler sind mit unterschiedlichen Organisations-, Arbeits-, Sozial- und

Unterrichtsformen vertraut. In den Praxisphasen arbeiten sie sehr motiviert, selbstständig,

gewissenhaft und zielgerichtet. Sie helfen sich gegenseitig und führen sachgerichtete Gespräche. In

den Gesprächsphasen beteiligen sich die meisten Schülerinnen und Schüler aktiv und interessiert.

Zwei Schüler und eine Schülerin fordern meine Aufmerksamkeit stärker. P. und A. lassen sich leicht

ablenken und haben Schwierigkeiten sich an Regeln zu halten. In Kreisgesprächen bitte ich sie daher

neben mir zu stehen, um andere nicht vom Gesprächsverlauf abzulenken. In Arbeitsphasen bestärke

ich sie durch Lob. Bei Fehlverhalten mache ich sie durch Ermahnung darauf aufmerksam. Um sie

mehr in den Unterricht einzubeziehen, bekommen sie von mir Aufgaben zugeteilt (Materialien

austeilen usw.). B. ist eine Schülerin, die aufgrund ihrer sehr guten Leistungen die zweite Kla sse

übersprungen hat. Sie ist seit den Osterferien in der 3a und noch nicht vollständig in die

Klassengemeinschaft integriert. Dadurch ist sie noch verunsichert und benötigt zeitweise persönlichen

Zuspruch und Bestätigung durch die Lehrkraft.

Die Schülerinnen und Schüler zeigen ein großes Interesse am Fach Kunst. Sie sind fantasievoll, lassen

sich durch neue Lerninhalte sehr motivieren und zeigen besonders bei experimentellen Techniken eine

starke Begeisterungsfähigkeit. Bei Nachbesprechungen von abstrakt anmutenden Ergebnissen wird

deutlich, dass sie nach gegenständlichen und konkreten Deutungsmustern suchen. Ich gehe davon aus,

dass ihr Denken noch konkret und inklusiv ist.97

Die Schülerinnen und Schüler der Klasse 3a zeigen im Kunstunterricht sehr heterogene Leistungen,

sowohl im fachlichen als auch im kreativen Bereich. J., N., N., J. und S. sind sehr fantasievoll und

zeigen ein gutes Gespür für Farben und Formen. Sie kommen immer zu eigenen Gestaltungsideen und

setzen diese auch entsprechend um. M. hingegen benötigt oft bei der Ideenfindung und ihrer

Umsetzung verstärkende Unterstützung. Er arbeitet sehr langsam und verliert sich zeitweise in

Tagträumen. Bei einigen Schülerinnen und Schüler fiel mir auf, dass ihnen Aktivitäten mit einem

großen feinmotorischen Anteil Schwierigkeiten bereiteten, z.B. das Ausschneiden von Figuren, das

Aufmalen von feinen Linien mit dem Pinsel und das strukturierte Zeichnen. Insbesondere bei längeren

Außerdem konnte ich zeitweise bei ihnen eine verstärkte Bewegungsunruhe und Unkonzentriertheit

feststellen.98 Diese Kinder ließen sich auch wenig Zeit für Gedanken und Fantasien und produzie rten

schnelle, z.T. unsaubere Ergebnisse. Äußerungen der Schülerinnen und Schüler lassen die Vermutung

zu, dass sie in ihrer Freizeit häufig Medien konsumieren und eine sinnliche Wahrnehmung der realen 97 vgl. Mattenklott, S. 34 98 vgl. Einleitung

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Umgebung nur bedingt stattfindet. Sie sprechen viel über Actionfilme und tauschen sich über

verschiedene Gameboyspiele aus.

Im Bereich der praktischen Arbeit verfügen die Schülerinnen und Schüler bereits über Erfahrungen

mit dem Zufallsverfahren der Decalcomanie und ihrer assoziierenden Wirkung. Sie haben bereits mit

grafischen Mitteln gearbeitet und verfügen über Kenntnisse des farbigen Gestaltens. Kleisterpapier

und Acrylfarbe ist ihnen durch den Werkunterricht bekannt.

Die Arbeit mit Ästen wird von der Klassenlehrerin im Religionsunterricht für die Gestaltung von

Kreuzen aufgenommen und im Sachunterricht durch den Bau von Indianertipis weitergeführt.

5. Didaktisch-methodische Vorüberlegungen zur Unterrichtseinheit

Die Schülerinnen und Schüler befinden sich in einer Phase „des sich in der Welt orientierens.“ Sie

sammeln spielerisch Erfahrungen99, die ich im Kunstunterricht zunehmend in zielgerichtete und

sachbezogene Aufgabenzusammenhänge bringen möchte.100

Ausgehend von den bereits erörterten Defiziten der Schülerinnen und Schüler und der Beobachtung,

dass sie große Freude bei dem Spiel mit Naturmaterialien hatten, sollen sie in der Unterrichtseinheit

fast ausschließlich mit Naturmaterialien arbeiten. Äste, Zweige und andere Naturmaterialien

vermitteln unterschiedliche haptische und visuelle Reize. Durch den handelnden künstlerischen

Umgang mit verschiedenen Rindenoberflächen, glatten und weichen Blüten, stacheligen

Kastanienhüllen u.a. sollen die Sinne der Schülerinnen und Schüler angesprochen und ihre

Wahrnehmung sensibilisiert werden. Dieses soll zu einer bewussteren Auseinandersetzung mit der

Umwelt und ihrer unmittelbaren Umgebung führen.101

Naturmaterialien sind selbst Natur, verweisen dadurch auf die Natur und sollen den Schülerinnen und

Schülern deshalb einen Bezug zur Natur ermöglichen,102 die real erlebbar ist.

Durch die Verwendung von Naturmaterialien nehme ich die spielerischen Vorerfahrungen der

Schülerinnen und Schüler auf 103 und führe sie durch die Vermittlung von künstlerischen Techniken

weiter. Dazu bieten sich unterschiedliche Techniken an, die von der Schrift über die experimentelle

Malerei zu Zufallsverfahren führen. Letztere wiederum dienen als Assoziationsmaterial für die

räumliche Gestaltung von Objekten. Durch die Vielzahl der in der Einheit bearbeiteten Techniken

sollen die Schülerinnen und Schülern eine künstlerisch, gestalterische Methodenkompetenz erwerben,

die zu einer individuellen Kreativitätsentwicklung beitragen kann. Eingehend auf die Defizite sollen

die Techniken zu einer Verbesserung der Handgeschicklichkeit und Feinmotorik führen.

Außerdem sollen sie durch Eigentätigkeit im Kontext von sozialen Interaktionen, in denen sie

körperlich, emotional, denkend wie auch handelnd eingebunden sind, Erfahrungen erwerben.104

99 vgl. Einleitung 100 vgl. RRL, S. 5 101 vgl. RRL, S. 5 102 vgl. Kap. I, 2.3 103 vgl. Einleitung 104 siehe Kap. I, 2

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Weiterhin sollen einige Unterrichtsstunden den Schülerinnen und Schüler besondere Erlebnisse

vermitteln, die als Erinnerungen und intensive Erfahrungen in ihrem Gedächtnis ble iben. 105

Ich habe die Unterrichtseinheit in fünf Sequenzen aufgeteilt.

Es kommt mir zunächst darauf an die Schülerinnen und Schüler auf das Thema einzustimmen und

Vorerfahrungen und Gedanken transparent zu machen. Dafür sollen sie einen Ast durch Schnitzen mit

einer Spitze versehen und ihre Gedanken und Gefühle in einem Brief an einen Baum niederschreiben.

Ich wurde dabei durch die Arbeit von Werner Henkel angeregt.106 Da ich das Abstraktionsniveau

seiner Arbeit für diese Altersgruppe als zu schwierig empfinde, findet eine didaktische Reduktion

statt. Die Schülerinnen und Schüler sollen auf das ihnen vertraute Schreiben mit Buchstaben

zurückgreifen, dass durch ein ungewöhnliches Schreibwerkzeug und die Benutzung von Scribtol aus

dem Alltäglichen herausgehoben wird und daher eine künstlerisch gestalterische Form erhält.

In der zweiten Sequenz sollen sie durch Zweigbündelung ein ungewöhnliches Malwerkzeug

herstellen, dessen Verwendung durch „Experimentelle Malerei“ auf großen Tonkartonpappen auf dem

Schulhof erfahren wird. Durch das Experimentieren entdecken und erfahren die Schülerinnen und

Schüler die Möglichkeiten der Kunst.107 Die von den Schülerinnen und Schülern hergestellten

eigenständigen abstrakten Ergebnisse sollen im Anschluss mit Arbeiten von Hans Hartung und

Jackson Pollock in Beziehung gesetzt werden. Während Hans Hartung wie die Schülerinnen und

Schüler ungewöhnliche Malwerkzeuge wie z.B. Besen für den Farbauftrag benutzt hat, sind die

Ergebnisse von Jackson Pollocks Werken mit denen der Schülerinnen und Schüler vergleichbar. Die

eigenen Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler sollen einen Bezugsrahmen zu den Kunstwerken

von Pollock und Hartung bilden und damit einen emotionalen Zugang zur abstrakten Kunst

ermöglichen.108

In der dritten Sequenz soll das Experimentieren mit verpusteten Scribtolklecksen den Schülerinnen

und Schülern eine weitere künstlerische Technik vermitteln. Sie führt zum einen zu eigenständigen

Ergebnissen und dient zum anderen als Skizze oder Idee für Astobjekte.

In der vierten Sequenz sollen durch Astverbindungen räumliche Objekte hergestellt werden. Anhand

der Astobjekte sollen die Schülerinnen und Schüler die ersten Erfahrungen mit räumlichen Gestalten

machen. Dafür eignen sich Äste in besonderem Maße, da sie durch ihren ursprünglichen Wuchs die

Fantasie und Kreativität anregen und Assoziationen wecken. Für das Grundgerüst sollen mehrere Äste

montiert und mit Hilfe von Kleisterpapier und Farbe gestaltet werden. In dieser Sequenz werden die

vorgefundenen Naturmaterialien durch Verfremdung aus ihrer Umgebung enthoben, dadurch nehme

ich Bezug auf die künstlerische Auseinandersetzung von Andy Goldsworthy. 109 Eine didaktische

Reduktion findet in Form von Farbwahl und dem Zusatzmaterial Kleisterpapier sowie einer

gegenständlichen Orientierung statt.

105 vgl. Kap. I, 2.2 106 vgl. Kap. I. 3. 107 vgl. Aissen-Crewett, S. 17 108 vgl. Mathies, S. 33 109 vgl. Kap. I, 3.

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In der fünften Sequenz sollen alle Ergebnisse der Unterrichtseinheit im Rahmen des Etelser

Schlossparkjubiläums einer größeren Öffentlichkeit präsentiert werden. Dadurch sollen die

Schülerinnen und Schüler Anerkennung und Bestätigung von außen erhalten und erfahren, dass sie die

Öffentlichkeit mitgestalten können.110

Es ist mir ein wichtiges Anliegen den Kunstunterricht zu öffnen und die Lernumgebung auszuweiten,

um den Schülerinnen und Schülern Erfahrungen durch reale Begegnungen zu verschaffen. Dieses soll

in Abstufungen geschehen, um die Schülerinnen und Schüler nicht zu verunsichern. So findet die erste

Sequenz im Klassenraum statt. In der zweiten Sequenz wird der Schulhof mit einbezogen. Die dritte

Sequenz führt noch einmal in den Klassenraum zurück, um in der vierten Sequenz ausschließlich im

Schlosspark zu arbeiten. Es ist mir wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler in der Natur und mit

der Natur arbeiten111 und sie mit allen Sinnen aufnehmen. Denn „Räume reich an Struktur, haptisch

erfahrbarer Qualität, Gerüchen und Geräuschen, anregend für alle Sinne und gleichzeitig das Wissen

um die Welt erweiternd, sind für viele Kinder einer zwar bunten, doch in Struktur und Aussage

monotonen Bilderflut gewichen.“112

Durch Fantasiereisen und einen Hexenspruch in der Hinführungsphase der Unterrichtsstunde sollen

die Schülerinnen und Schüler in eine fantastische Welt entführt werden, zu inneren Bildern, zu einer

Konzentration, die die „Fähigkeit zur Phantasie, zur Einbildungskraft und zur Assoziation stützt.“113

Weiterhin sollen die Fantasiegeschichten einen emotionalen Bezug zu einer anschließenden

künstlerischen Gestaltung schaffen.

In die Unterrichtseinheit sind Rituale eingebettet, wie ein Stuhl- oder Stehkreis zu Beginn der Stunde,

der der Sammlung und Konzentration der Schülerinnen und Schüler dienen soll. Dort erfolgt auch die

Hinführungs- und Erarbeitungsphase, in der durch verbale oder schriftliche Impulse die Schülerinnen

und Schüler Ideen für die weitere Arbeit entwickeln, diese verbalisieren, demonstrieren und daraus

den Arbeitsauftrag erarbeiten. Durch diese Form der Erarbeitung möchte ich erreichen, dass sich die

Schülerinnen und Schüler aktiv mit dem Unterrichtsgeschehen auseinandersetzen, in ihrer

Denkfähigkeit angeregt werden und die unterschiedlichen Lerntypen114 angesprochen werden. Ein

weiteres Ritual ist der Abschlusskreis, indem eine Ergebnispräsentation oder Reflexion der

Unterrichtstunde stattfindet. Diese Rituale schaffen feste Bezugspunkte für die Schülerinnen und

Schüler, die ihnen Sicherheit geben und das Gemeinschaftsgefühl stärken.115

Weiterhin soll in der Unterrichtseinheit ein Prozess der Verlangsamung angebahnt und damit eine

intensivere Beschäftigung mit den Arbeiten ermöglicht werden. Dieses soll der Schnelllebigkeit

unserer Gesellschaft entgegenwirken, die sich in der verminderten Konzentrationsfähigkeit, der

110 vgl. RRL, S. 32 111 vgl. Kap. I, 1., 2.2, 2.3 112 siehe Jaud, S. 36 113 siehe Greving, S. 222 114 vgl. Vester, S. 97 115 vgl. Zitzlsperger, S. 200

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Verschlechterung der Feinmotorik und der Verkümmerung der Sinne ausdrücken kann.116 Durch eine

intensivere Bearbeitung von gewachsenen Naturmaterialien ist Platz für intensive

Sinneswahrnehmungen, feinmotor ische Schulungen und Konzentration.

Da die Schülerinnen und Schüler zu eigenen gestalterischen Ergebnissen gelangen sollen, können sie

sich im Rahmen der Unterrichtseinheit für Einzel- bzw. Partnerarbeit entscheiden. Diese

Einzelarbe iten werden schließlich in einer Installation im Rahmen der Kinderausstellung im

Schlosspark zusammengefügt und als Gemeinschaftswerk der Klasse ausgestellt.

Bei der Erarbeitung und Durchführung der einzelnen Sequenzen werden Schwierigkeiten und

Probleme auftreten, die vom Einzelnen nicht allein gelöst werden können. Durch die

Problematisierung und das gemeinsame Suchen nach Lösungsmöglichkeiten soll die soziale

Kompetenz gefördert werden.

Da das sinnlich körperliche Lernen die Basis für alle intellektuellen Entwicklungen darstellt und es für

alle geistigen Tätigkeiten im Laufe des Lebens grundlegend ist,117 möchte ich in der Unterrichtseinheit

die Schülerinnen und Schüler durch taktile und visuelle Reize zu einem bewussteren Sehen und Tasten

führen. Durch diese Sensibilisierung kann eine intensivere und differenziertere Wahrnehmung

erfolgen, die dazu führt, dass die Kinder mehr Informationen aufnehmen, speichern und verarbeiten

können. 118 Die Folge davon kann die Erweiterung der sinnlichen Erfahrung sein und die

Fantasietätigkeit und Kreativität kann anregt werden.

6. Zusammenfassende Zielformulierungen

Die Ziele dieser Unterrichtseinheit ergeben sich aus den Lernbereichen grafisches, farbiges und

räumliches Gestalten.

Es werden die grundlegenden Aufgaben und Ziele des Faches Kunst im Rahmen der

Unterrichtseinheit berücksichtigt. So sollen „Lernbedingungen geschaffen werden, die es dem Schüler

ermöglichen, seine Umwelt bewusster wahrzunehmen (durch Sehen, Tasten, Verwenden und

Umgestalten), sich bildhaft und räumlich gestaltend auszudrücken, Werkzeuge und Materialien

kennen zu lernen, (...), eigene und fremde Arbeiten zu beschreiben, sie zu vergleichen und andere

Sichtweisen zu verstehen, kreatives Verhalten zu entwickeln und in den eigenen Arbeiten zu

verwirklichen (Erlebnisfähigkeit, Phantasie, Experimentierfreude), Zugang zu Kunstwerken

finden.“119

116 vgl. Kap. I, 2.1 117 vgl. Baumann, S. 9 118 vgl. Seitz 1997, S. 16 119 siehe RRL, S. 5

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III Durchführung der Unterrichtseinheit

1. Tabellarische Übersicht der Unterrichtseinheit

Stunde Sequenz Unterrichtsthema Material Ort

1. Std.

2. Std.

Schreibfantasien

mit Zweigfeder

Mein fantastischer

Ast wird zu einer

Zweigfeder

Baumfantasien auf

Karton

Zweige von Weiden,

Forsythie, Flieder,

Haselstrauch und Buche,

Plakatkarton, Scribtol,

Universalmesser,

Zeitungspapier als

Unterlage

Klassen-

raum

3. Std

-

4. Std.

5. Std.

Spurensuche mit

dem Malerbesen

Ein

Hexenmalerbesen

entsteht

Himmelsbilder mit

dem Hexenbesen

Reflexion der

Himmelsbilder und

die Künstler Hans

Hartung und Jackson

Pollock

Reisig, Bindfäden, Scheren,

eine Astschere, drei

Gartenscheren,

Hexe Hixi Geschichte

Plakatkarton (70x100 cm),

Dispersionsfarbe

(Grundfarben rot, gelb,

blau), Malerfolien,

Zeitungspapier,

Wassereimer, Stühle, alte

Kleidung und Schuhe,

ausgewählte Ergebnisse der

letzten Stunde,

Fotoband Hans Hartung,

Kunststücke 1/2

Bildband Jackson Pollock

Klassen-

raum

Schulhof

Klassen-

raum

6. Std. Klecksbild Luft macht Kleckse

zu fantastischen

Wesen

Scribtol, Zweigfedern,

Plakatkarton (dinA4),

Zeitungspapier als

Unterlage, Malerkittel,

Scheuerlappen und

Wassereimer

Klassenraum

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7. Std.

8. Std.

9. Std.

10. Std

11. Std.

12. Std.

Astfalter und

anderes Getier

Wir lernen unser

Waldstück im Park

kennen

Ideenfindung durch

Deutung der

Klecksbilder und

Materialsuche

Das Grundgerüst

entsteht

Flügel und

Verformungen

entstehen aus

Kleisterpapier und

Farbe

Herstellung von

Einladungskarten.

Kennenlernen der

Arbeiten der Künstler

Andy Goldsworthy

und Richard Long

Tüten, alte Kleidung und

Schuhe, Arbeitsblätter,

Naturmaterialien,

Hexe Hixi Geschichte,

Hexenzauberspruch,

Klecksbilder, Bindfäden in

unterschiedlicher Stärke,

Astschere und

Gartenscheren

Tapetenkleister, Wasser,

Wasser zum

Händewaschen, Handtuch,

Dispersionsfarbe in den

Grundfarben blau, gelb und

rot, Pinsel in

unterschiedlichen Stärken,

zusätzlicher Wassereimer

zum Pinselauswaschen,

Folie und Zeitungspapier

als Unterlage

Malerfolie aus der zweiten

Sequenz, Scribtol, Reste

der Hexenmalerbesen,

Bindfaden, Strohhalme,

Zweigfedern, Karten

Bildbände von den

Künstlern120

Etelser

Schloss-

garten

2. Beschreibung der Sequenzen

Die theoretischen Ausführungen bilden die Grundlage für die Planung der Unterrichtseinheit und die

einzelnen Sequenzen. Diese zeichnen sich durch einen ansteigenden künstlerisch-technischen

Schwierigkeitsgrad aus und sind gekoppelt an die sich räumlich weiter entfernenden Lernorte. In jeder

Sequenz lernen die Schülerinnen und Schüler neue Verfahrenstechniken und Gestaltungswege im

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Umgang mit Ästen kennen, die von der Fläche in den Raum gehen und von einem Ast über

Astbündelungen zu Astverbindungen führen.

2.1 Erste Unterrichtssequenz: „Schreibfantasien mit Zweigfeder“

2.1.1 Didaktisch-methodische Vorüberlegungen

Ich habe mich als Einstieg in diese Sequenz und damit in die gesamte Unterrichtseinheit für eine

Fantasiegeschichte121 entschieden, um die Kinder in ihrer Fantasie und Kreativität anzuregen. Dieses

ist mir ein besonderes Anliegen, da diesen beiden Komponenten in dem geplanten Verlauf der Einheit

und im Kunstunterricht allgemein eine grundlegende Bedeutung zukommt. Die Geschichte soll

weiterhin dazu dienen einen emotionalen Bezug zu dem handelnden Tun im Verlauf der Sequenz

herzustellen. Durch eine Fragestellung am Ende möchte ich die Schülerinnen und Schüler dazu

bringen, sich aktiv mit der Erzählung auseinander zu setzen und somit den emotionalen Bezug

aufrechterhalten. Im Anschluss daran werden von mir bewusst Äste mit unterschiedlichen Oberflächen

(von glatt bis rau) als Material zur Verfügung gestellt. Die Schülerinnen und Schüler sollen mit

geschlossenen Augen die unterschiedlichen Formen und Oberflächen der Äste fühlen und durch

Tasten den Ast herausfinden, der ihnen am besten gefällt, d.h. ihrem aktuellen/momentanen taktilen

Bedürfnis entspricht. Die Fokussierung auf den Tastsinn ist mir an dieser Stelle besonders wichtig

angesichts der häufig einseitigen Inanspruchnahme des Sehsinns 122, auch in der Schule. Die

Schülerinnen und Schüler sollen in der anschließenden Arbeitsphase ihren Ast so verändern, dass sie

damit schreiben können. Durch diese offene Aufgabenstellung sollen die Schülerinnen und Schüler

angeregt werden, ihre individue llen Ideen auszuprobieren. Es stehen ihnen dazu Universalmesser zur

Verfügung. Da es bei unsachgemäßem Umgang zu Verletzungen kommen könnte und einige Kinder

feinmotorische Defizite haben, werde ich die Handhabung erklären und demonstrieren. In der

Arbeitsphase werde ich besonders auf die sachgemäße Umgangsweise mit den Messern achten. Nach

Fertigstellung ihrer geschnitzten Astfeder sollen die Schülerinnen und Schüler mit ihrem Schreibgerät

und Scribtol zunächst experimentieren und im Anschluss einen Brief an den Baum aus der Geschichte

schreiben. Damit nehme ich Bezug auf die Fantasiegeschichte am Anfang und deren ausgelöste

Emotionalität, Fantasie und Kreativität.

Ich habe mich für die Künstle rtinte Scribtol entschieden, da sie nicht so stark tropft und langsamer

fließt als Deckfarbe oder Schreibtinte. Beim Umgang mit ihr muss die Kleidung der Schülerinnen und

Schüler besonders geschützt werden, daher sollen sie Malkittel tragen. Weiterhin müssen die Tische

mit Zeitungspapier abgedeckt sein, um sie nicht durch Kleckse zu verunreinigen.

Um eine gute Sicht- und Gesprächsituation zu schaffen, findet die Schlussphase im Stuhlkreis statt.

Die Schülerinnen und Schüler sollen die Möglichkeit bekommen, ihre Ergebnisse und Erfahrungen

den anderen mitzuteilen und darüber ins Gespräch zu kommen. Dieses ermöglicht der Lerngruppe

121 siehe Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V.; Friedman 121 siehe Anhang 122 vgl. Kap. I., 1.1, 1.1.1,1.1.2, 2.1

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unterschiedliche Gedanken und Herangehensweisen kennen zu lernen. Weiterhin werden die

Schülerinnen und Schüler zunehmend dazu geführt, die eigenen und andere Arbeiten einzuschätzen.123

2.1.2 Reflexion der Sequenz

Die Sequenz begann wie geplant im Stuhlkreis mit der Fantasiegeschichte. Die Schülerinnen und

Schüler konnten sich gut darauf einlassen und den Schluss daraus ziehen, dass es sich um einen Ast

handelte. Bei der folgenden Astsuche mit geschlossenen Augen war eine gespannte Stimmung zu

spüren. Die Schülerinnen und Schüler ließen sich viel Zeit und befühlten die unterschiedlichen

Oberflächen sehr genau. Von einigen Kindern wurden ganz bewusst die Zweige mit der rauen Rinde

genommen, andere wählten die Zweige mit auffällig glatter Rinde. Einige Kinder öffneten ihre Augen,

um den Ast auch über den Sehsinn wahrzunehmen. An dieser Reaktion konnte ich ablesen, wie

schwierig es für einige Schülerinnen und Schüler ist, sich auf einen Sinn zu konzentrieren bzw. auf

den dominierenden Sehsinn zu verzichten.124 In der Arbeitsphase wurden unterschiedliche Wege

verfolgt. Ein Schüler versuchte das Astende mit einem Bleistiftanspitzer anzuspitzen, musste jedoch

feststellen, dass der Durchmesser des Astes nicht dafür geeignet war. Die meisten Schülerinnen und

Schüler schnitzten ein Astende zu einer Spitze.125 Dabei machte es ihnen Schwierigkeiten mit dem

Messer in die Rinde des Zweiges zu schnitzen. Eventuell lag dieses an den Universalmessern der

Schule, die eine leicht biegsame Klinge besitzen. Durch eine feststehende Klinge wäre es den Kindern

evtl. leichter gefallen den Zweig zu spitzen. In der anschließenden Experimentierphase kam ein

Mädchen zu mir und fragte, ob sie auch einen Text mit ganz viel Gefühl schreiben dürfte. Darin sehe

ich meinen Wunsch, durch die Erzählung ein hohes Maß an Emotionalität zu erreichen, bestätigt.

Die Schülerinnen und Schüler sind durch eine längere Erzählphase am Stundenbeginn, die den

plötzlichen Tod eines Lehrers beinhaltete, nicht fertig geworden. So musste die Ergebnissicherung in

der nächsten Stunde erfolgen.

Die anschließende Unterrichtsstunde begann mit der Fortführung der Schreibfantasien. 126 Ich habe auf

einen Ergebniskreis zu Beginn verzichtet, um die Schülerinnen und Schüler nicht durch andere

Gedankengänge von ihren eigenen Fantasien abzulenken. Sie benötigten einige Zeit, um sich wieder in

ihren Text hinein zu versetzen. Ich gehe davon aus, dass einige Schriftstücke durch die zeitliche

Unterbrechung an emotionaler Dichte in Bezug auf die Fantasiegeschichte verloren haben.

Im Ergebniskreis am Ende wurden zunächst die entstandenen Zweigfedern im Stuhlkreis gezeigt. Die

Schülerinnen und Schüler waren sehr stolz auf ihre Schreibgeräte. Einige Schüler hatten zu Hause die

gesamte Rinde ihrer Äste abgeschält. Die Äste wurden unter großer Bewunderung befühlt und

angeschaut. Durch diese Aktion wurde der taktile Sinn noch einmal besonders angesprochen. Bei der

Präsentation der Schreibfantasien äußerten die Schülerinnen und Schüler, dass das Schreiben mit der

123 vgl. RRL, S. 30 124 vgl. Kap. I, 1.1, 1.1.2 125 siehe Foto 1 126 siehe Foto 2

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Astfeder länger dauern würde als mit ihrem Füller. Außerdem waren unabsichtlich Kleckse auf dem

Papier entstanden. Das Schriftbild entsprach vielfach nicht ihren Erwartungen. Die entstandenen

Schriften überzeugten aber durch ihren Inhalt. Viele Aspekte aus der Ökologie tauchten auf und die

Bestandteile von Bäumen wurden aufgezählt. Es wurden auch Aktivitäten aufgeschrieben, die die

Schülerinnen und Schüler mit einem Baum in Verbindung brachten.127

2.2 Zweite Unterrichtssequenz: „Spurensuche mit dem Malerbesen“

In dieser Unterrichtssequenz soll die künstlerische Technik der „Experimentellen Malerei“ erfahren

und im Anschluss mit den Werken von Hans Hartung und Jackson Pollock in Verbindung gebracht

werden.

2.2.1 Sachinformationen über die Künstler „Hans Hartung“ und „Jackson Pollock“

Zu den führenden Vertretern der gegenstandslosen Malerei gehörte der 1904 in Leipzig geborene

Künstler Hans Hartung.128 Aufgrund seiner „entarteten Kunst“ musste er Deutschland im Jahr 1935

verlassen und trat 1943 in die französische Fremdenlegion ein. Im darauffolgenden Jahr wurde er so

schwer verwundet, dass sein rechtes Bein amputiert werden musste.129 Die Erlebnisse im Krieg und

das Malen im Rollstuhl veränderten seine Malweise. Er malte expressive Linien mit Besen und

anderen Gegenständen auf große Leinwände. Bald darauf wurden seine Bilder als Hauptvertreter der

gestischen Abstraktion entdeckt. Mit ihnen wurde das „existenzialistische Lebensgefühl der

Kriegsgeneration“130 verbunden. Erst nach seinem Tode 1989 in Antibes wurde bekannt, dass seinen

Bildern eine akribische Vorarbeit mit Vorskizzen vorausging, die er im Anschluss auf die Leinwand

übertrug. Im Gegensatz dazu arbeitete der 1912 geborene Künstler Jackson Pollock, der ebenso wie

Hartung ein Vertreter der abstrakten Malerei war, spontan. Er tropfte mit unterschiedlichen Verfahren

Farbe auf liegende Leinwände und war der Hauptvertreter des Actionpaintings. Seine Malerei wurde

bestimmt durch das „automatische, aus dem Unbewussten schöpfenden Element.“131 Er verstarb 1956

in East Hampton.

2.2.2 Didaktisch – methodische Vorüberlegungen

Der Einstieg in diese Sequenz ist ein großer Reisighaufen, der sich in der Sitzkreismitte befindet. Auf

diesem Haufen liegt ein Plakat mit der Aufschrift „Muss es immer ein Pinsel sein?“132 Wie in der

vorangegangenen Stunde sollen die Schülerinnen und Schüler über das Plakat und das Material

Schlüsse für die weiteren Handlungen ziehen. Hier sollen sie durch die Plakataufschrift schließen, dass

es auch andere Dinge gibt, mit denen Farbe aufgetragen werden kann und dieses auf die Zweige

127 siehe Foto 3 128 vgl. Brockhaus Kunst, S. 458 129 vgl. Eucker, S. 11 130 siehe Eucker, S. 11 131 siehe Brockhaus Kunst, S. 900 132 siehe Anhang

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beziehen. Sie sollen unterschiedliche Ideen entwickeln und sich durch Verbalisieren, Demonstrieren

und Diskutieren für die Beste entscheiden. Ich möchte damit auch im Kunstunterricht ihre

Gesprächsfähigkeit üben. Durch eine Schülerdemonstration ihrer Gestaltungsideen können Fehler, wie

z.B. nicht fest genug wickeln oder falsche Zweige auswählen, die während der Arbeitsphase entstehen

können, vorweggenommen und dadurch vermieden werden. Weiterhin bekommen Schülerinnen und

Schüler durch die Demonstration Ablaufhilfen von Handlungen visualisiert, die sie dann in der

Arbeitsphase besser umsetzen können. Im Anschluss an die Demonstration soll der Arbeitsauftrag

einen Reisigbesen zu erstellen, entwickelt werden. Anschließend sollen die Schülerinnen und Schüler

in der Arbeitsphase in selbstgewählter Einzel- oder Partnerarbeit mit Hilfe einer festen

Bindfadenumwicklung und anschließendem Knoten einige Reisigzweige so zusammenbinden, dass

durch die Bündelung eine Art Besen entsteht. Damit möchte ich die Handgeschicklichkeit, die

Koordination von Auge und Hand, sowie die taktile Wahrnehmung fördern. 133 Beim Aussuchen von

Zweigen müssen die Schülerinnen und Schüler visuell und taktil überprüfen, ob sich die ausgesuchten

Zweige für den Besen eignen. Für die Umwicklung stehen ihnen Bindfäden in unterschiedlicher Stärke

zur Verfügung, die bei ihrer Benutzung einen taktilen Reiz (rau, hart) ausüben können. In dieser

Unterrichtsstunde wenden die Schülerinnen und Schüler die Fadenumwicklung an, auf die die nächste

Sequenz aufbaut und die diese weiterführt. Zwar wird das Können eines Knotens in der dritten Klasse

vorausgesetzt, aber bei einigen Schülern und einer Schülerin ist es noch mit Schwierigkeiten

verbunden. Um diese Schwierigkeit zu verringern, werde ich mit den einzelnen Kindern die Knoten

und Umwicklungstechnik noch einmal üben.

Im abschließenden Sitzkreis sollen die Ergebnisse gezeigt und Erfahrungen über die Herstellung

ausgetauscht werden, um sie zu verbalisieren und zu festigen. Dort erfahren die Schülerinnen und

Schüler auch, dass sie zur nächsten Unterrichtsstunde alte Kleidung und Schuhe benötigen. Sie tragen,

um die Wichtigkeit zu verdeutlichen, einen Merksatz in ihr Hausaufgabenheft ein.

Als Hinführung und Legitimation für die anschließende experimentelle Malerei dient die

Fantasiegeschichte der Hexe Hixi. 134 Die Gestalt der Hexe ist den Schülerinnen und Schülern aus

Märchen und Erzählungen bekannt. Sie regt die ihrem Alter entsprechende poetische Fantasie an und

soll sie in eine fantastische Welt versetzen. Ich möchte, dass die Lerngruppe durch diese Geschichte

angeregt wird, sich ein Bild von einem Himmel vorzustellen, der von Blitzen und Farbspuren

durchzogen, wüst und wild aussehen kann. Die Idee für diese Geschichte stammt aus der

Autobiographie von Hans Hartung, in der er schrieb, dass er als kleines Kind, „von allen Urängsten

und Urfreuden überwältigt, staunend fasziniert die Erlebnisse von donnernden und durchleuchteten

Gewittern mit „blitzartigen“ Nachzeichnungen in seinem Schulheft festzuhalten und so zu bannen

suchte.“135 Das Naturschauspiel Gewitter soll in dieser Unterrichtsstunde mit dem „wilden“

Ausdrucksmittel Hexenmalerbesen nachempfunden werden

133 vgl. Kap. II, 4. 134 siehe Anhang 135 siehe Hartung, S. 13

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In der Arbeitsphase sollen die Schülerinnen und Schüler mit dem Hexenmalerbesen experimentieren

und unterschiedliche Bewegungen ausprobieren (von langsam bis wild und expressiv). Dafür wurden

vor Unterrichtsbeginn drei Malerplanen auf dem Schulhof verteilt. Darauf befinden sich 13

Plakatkartons (70x100cm) sowie auf jeder Plane je ein Eimer mit roter, gelber und blauer

Dispersionsfarbe und ein Eimer mit Wasser. Die Schülerinnen und Schüler sollen sich um eine dieser

Planen versammeln und die gehörte Geschichte mit dem ihnen vorliegenden Materialien in

Verbindung bringen. Da sie dieses Vorgehen schon aus den letzten Kunststunden kennen, erwarte ich

eine schnelle Umsetzung. Die Idee, einen Gewitterhimmel zu malen, sollen sie mit Hilfe ihres

Reisigbesens und der Farbe in Partnerarbeit umsetzen. Der Hexenmalerbesen eignet sich besonders

gut zum expressiven Malen, da er groß ist und zum Experimentieren mit dem gesamten Körper

einlädt. Dieses ist ein Unterschied zu einem herkömmlichen Schulpinsel, bei dem die Schülerinnen

und Schüler sitzend nur die Hand und evtl. das Handgelenk benutzen. Weiterhin arbeiten sie auf einem

größeren Format, dass raumgreifendere Malbewegungen zu lässt. Hinzu kommt, dass sie nicht sitzen,

sondern im Stehen arbeiten. Ich möchte durch diese Aktion erreichen, dass die Schülerinnen und

Schüler beginnen ihren gesamten Körper beim Malen einzusetzen, in Bewegung kommen und dabei

alle Sinne einbeziehen, auch die Nahsinne wie den Muskel und Gelenksinn. 136 Außerdem sollen sie

durch das Experimentieren die Nutzbarkeit und die Spuren ihres Malerbesens selbst erfahren.137 Dabei

ist die Farbe entsche idend. Sie darf nicht zu flüssig sein, damit sie an den Reisigbesen hängen bleibt

und sie muss sich auf den großen glatten Plakatflächen gut verteilen lassen. Ich habe mich für

Dispersionsfarbe in den Grundfarben entschieden, damit die Schülerinnen und Schüler auch ihre

Kenntnisse von Farbmischungen noch einmal üben und vertiefen können.

Nach dem Experimentieren sollen alle Ergebnisse in einem Kreis ausgelegt werden und die

Schülerinnen und Schüler Gelegenheit bekommen, sie zu betrachten, von ihren Erfahrungen zu

berichten und sich auszutauschen. Das Zusammenfinden als Gruppe erscheint in diesem

Zusammenhang von besonderer Bedeutung, weil die Schülerinnen und Schüler neben ihren eigenen

Erfahrungen auch noch die der anderen aufnehmen können und ich auch ihr Gruppengefühl stärken

möchte.

Ich möchte durch die körperliche Aktion, die Einbeziehung des gesamten Körpers beim Malen, das

selbstständige Herausfinden von künstlerischen Techniken, die Einbeziehung des Schulhofs und das

Entstehen der Bilder den Schülerinnen und Schülern ein bleibendes Erlebnis verschaffen.138

Im Weiteren sollen die Schülerinnen und Schüler anhand von ausgewählten Ergebnissen die

Malspuren noch einmal mit ihren Erfahrungen in Verbindung bringen, um die Möglichkeiten eines

außergewöhnlichen Malwerkzeugs noch einmal gezielt zu erörtern. Durch eine anschließende

136 vgl. Kap. I, 1.1, 1.1.1, 1.1.2 137 vgl. RRL, S. 9 138 vgl. Kap. I, 2.2

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Projektion der Malerwerkstatt von Hans Hartung139 an der Wand sollen die Schülerinnen und Schüler

auf die ebenfalls von ihm benutzten Malerbesen aufmerksam werden. Sie sollen die Spuren des

Besens in seinen Werken erkennen und diese mit ihren eigenen Erfahrungen und Ergebnissen

vergleichen. Dabei profitieren sie von ihren eigenen Erkenntnissen und können Hartungs Maltechnik

besser nachvollziehen. 140 Im Anschluss daran sollen sie die Werke von Jackson Pollock über

Bildbände kennen lernen. Sie sollen seine Werke nach Malspuren untersuchen und sich darüber

austauschen, wie sie entstanden sein könnten. Die Verknüpfung von eigenen Erfahrungen mit einer

künstlerischen Technik mit denen gegenwärtiger Künstler kann zu einer emotionalen Berührtheit

führen, über die Kunstempfinden möglich ist und durch das ein Vorverständnis für gegenstandslose

Malerei geweckt werden kann.141

2.2.3 Reflexion der Sequenz

Der Reisighaufen in der Kreismitte führte zu Irritationen der Schüler und Schülerinnen, denn sie

stellten Vermutungen zum anstehenden Osterfeuer an.142 Durch einen Hinweis auf das Plakat entstand

jedoch schnell die Idee einen Besen herzustellen. In der Demonstrationsphase gab es unterschiedliche

Ansätze wie ein großer Astbesen entstehen könnte. So wurden verschiedene Methoden ausprobiert

und gemeinsam auf Haltbarkeit und Machbarkeit überprüft. Ein Kind äußerte z.B. die Vermutung,

dass ein Zweig mit einem Loch gesucht werden müsste und in dieses könnten dann die anderen

Zweige gesteckt werden. Bei der anschließenden Demonstration stellten die Schülerinnen und Schüler

fest, dass die Zweige in dieser Vorrichtung nicht zu befestigen waren. Im Unterricht ist mir wichtig

den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit zu geben auch Umwege und falsche Wege zu gehen,

um eigenes Denken und Erfahrungen anzuregen.

Bei den Demonstrationen wurde besonders auf die Umwicklungen und Knotentechnik eingegangen.

Es zeigte sich in der Arbeitsphase, dass einige Schüler noch mehr Übung benötigten. Ich konnte

beobachten, dass durch die Herste llung eines Besens aus Zweigen viele Sinne angesprochen wurden.

So mussten aus dem Zweighaufen passende Zweige herausgesucht werden, die auf ihre Tauglichkeit

visuell und taktil überprüft werden mussten. Im Anschluss daran wurden viele Zweige beschnitten,

dieses schulte die Auge-Hand-Koordination. Eine Gartenschere ist dabei auch noch anders zu

handhaben, als die normale Schulschere. Die Schülerinnen und Schüler haben gelernt, dass sie Druck

ausüben müssen, damit sich die Zweige trennen la ssen. Schwierigkeiten hatten die meisten

Schülerinnen und Schüler dabei die Zweigbündel in der einen Hand zu halten und dann mit dem in der

anderen Hand befindlichen Bindfaden zu umwickeln. Daran wurde deutlich, dass sie ihre

Handgeschicklichkeit noch weiter üben müssen. Diese Problematik führte aber auch dazu, dass die

139 siehe Anhang 140 vgl. Aissen-Crewett, S. 107 141 vgl. ebd. 142 siehe Foto 4

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Schüler mit einem Partner leichter arbeiten konnten. 143 Auffällig war in der Arbeitsphase das

Verhalten von Alena, die mitten in dem Reisighaufen stand und zu mir sagte: „Ich finde überhaupt

keine Äste!“ Sie zeigte mir dadurch deutlich ihre Verunsicherung, die sie jedoch mit meiner Hilfe

überwinden konnte. Die anderen Schülerinnen und Schüler arbeiteten sehr motiviert. Besondere

Freude bereitete ihnen das Gehen durch den Reisighaufen, der ela stisch unter ihren Füßen nachgab.

Dieses war eine sinnliche Erfahrung für sie. Viele Schülerinnen und Schüler arbeiteten in

Partnerarbeit, halfen sich gegenseitig und tauschten sich über mögliche Verwendungszwecke des

Besens aus. Es herrschte insgesamt eine sehr gute Stimmung. Die Schüler und Schülerinnen waren so

motiviert, dass sie auch noch in der Pause an ihren Besen weiterarbeiteten.

Die Fantasiegeschichte der nächsten Stunde wurde von den Schülerinnen und Schüler sehr gut

angenommen. Sie konnten sie auf dem Schulhof sehr schnell mit den Materialien verknüpfen und ihre

Idee mit dem Besen einen Gewitterhimmeln zu malen demonstrieren. Dabei wollte Florian zunächst

den Besen in Wasser und erst anschließend in Farbe eintauchen. Als Begründung nannte er die

Vorgehensweise, wie er es beim Malen mit Deckfarbe und Pinsel kannte. Er malte zaghafte, nicht

durchgehende, blaue Striche auf den Karton. Die Schülerinnen und Schüler erkannten, dass die

Farbspur eine Besonderheit beim Malen mit dem Reisigbesen ist. Weitere Möglichkeiten vom

Gestalten eines Gewitterhimmels wurden kurz besprochen. Für diese Lerngruppe reichte die sehr kurz

gehaltene Erarbeitungsphase mit dem Material aus, um in der anschließenden Experimentierphase

neue Möglichkeiten im Umgang mit dem Besen zu erfahren. In einer anderen Lerngruppe hätte evtl.

diese Phase einen größeren Raum einnehmen müssen, um Ängste abzubauen und mehr Anregungen zu

geben. Da die Kinder der Klasse 3a in der Regel aber keinerlei Berührungsängste mit neuen

Materialen zeigten, habe ich ihnen mehr Zeit für das Experimentieren eingeräumt.

In der Arbeitsphase fiel auf, dass vor allem einige Mädchen noch sehr zaghaft und vorsichtig mit dem

Besen und der Farbe umgingen. Doch schon nach kurzer Zeit konnte ich deutliche Veränderungen des

Malverhaltens feststellen. Die Bewegungen wurden schneller, es wurde auch nicht mehr nur aus dem

Handgelenk gemalt, sondern der gesamte Arm und auch teilweise der gesamte Körper war im Einsatz.

Einige Kinder trugen die Farbe sehr dicht und dick auf. Sie wollten nach eigener Aussage einen

Gewitterhimmel ohne weiße Stellen und so wurde das gesamte Plakat mit Farbe ausgefüllt. Durch

Farbvermischung entstanden braune Stellen, über die im Anschluss Farbe mit dem Besen gespritzt

wurde. Andere Kinder stellten fest, dass der Besen auch Abkratzspuren hinterlies und nutzten dieses

als neues Gestaltungsmittel. Es wurden zunächst mehr Bilder mit gleichförmigen

Bewegungsrichtungen hergestellt. Dieses änderte sich im Verlauf der Experimentierphase. Es war als

explodierten die Fantasien der Kinder. 144 Sie schauten sich von ihren Mitschülern und

Mitschülerinnen neue Möglichkeiten im Umgang mit dem Besen ab. Eine Schülerin begann mit ihrer

Partnerin den Besen über die Schulter zu schwingen und die Farbe mit großer Geschwindigkeit auf das

143 siehe Foto 5 144 siehe Fotos 6, 7

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Plakat zu werfen.145 Da sie dabei auch die anderen Kinder vollspritzte musste ich ihren Tatendrang

durch einen Hinweis eindämmen. Die Schülerinnen und Schüler arbeiten sehr gut mit ihren Partnern

zusammen146 und sie hatten keine Probleme im Umgang mit der Farbe. Bei einigen Kindern fand sich

die Farbe nur auf der Kleidung und den Händen, bei anderen exzessiveren Malern aber auch im

Gesicht und in den Haaren.147 Somit war die Arbeitsphase von einer sehr großen Intensität geprägt und

bestätigte mich in der Auswahl des Materials und Themas für diese Stunde. Die Vielzahl der

Umsetzungen wurde von mir nicht erwartet und daher mussten trotz des eingerichteten Vorrats noch

zusätzliche Pappen hervorgeholt werden.

Bei der anschließenden Ergebnispräsentation wurde deutlich, dass die Lerngruppe, die gesammelten

Erfahrungen auch verbalisieren und in andere Zusammenhänge einbetten konnte.148 So wurden die

entstandenen Farbabkratzungen mit dem Abkratzen von Wachsmalstiftspuren verglichen. Die

Schülerinnen und Schüler demonstrierten unterschiedliche Farbauftragsarten mit dem Besen, wie

stoßen, streichen, schlagen, spritzen usw. und zeigten dabei auch den ganzkörperlichen Einsatz. Der

Unterschied des bisherigen Malens mit einem Pinsel und dieser neuen Erfahrung wurde den Kindern

dabei sehr stark deutlich. Dieses zeigt noch einmal die Eindrücklichkeit des Erlebten. Am Ende ließ

ich die Schülerinnen und Schüler mit ihren Fingerspitzen und geschlossenen Augen über die trockene

Farbe fühlen. Sie berichteten, dass sie sich an manchen Stellen huckelig und an anderen glatt anfühlen

würde. Mit dieser spontanen Aktion, die sich nur auf den taktilen Sinn beschränkt, wollte ich die

Kinder zur Ruhe bringen und gleichzeitig auf die nächste Schulstunde vorbereiten.

Die erzählte Geschichte der Hexe Hixi wurde durch die starken Eindrücke des Experimentierens in

den Hintergrund gedrängt. Alternativ würde ich sie in der Ergebnisbesprechung noch einmal

aufgreifen und einzelne Elemente in den gestalteten Bildern suchen lassen.

Die Kinder waren sehr stolz auf ihre Bilder und wollten sie am liebsten gleich mit nach Hause

nehmen. Ein Schüler bemerkte am Stundenende, dass die Malerfolie auch besonders aussehen würde.

Sie wäre viel zu schade zum Wegwerfen. Ich habe mich daraufhin entschlossen, die Folie für eine

weitere Verwendung aufzuheben. Die Schülerinnen und Schüler konnten ihre Erfahrungen mit der

Experimentellen Malerei sehr gut auf die Werke der Künstler Hartung und Pollock übertragen. Sie

waren sehr interessiert und motiviert die Malspuren herauszufinden, die sie selbst erfahren hatten.

Einige Schüler und Schülerinnen vollzogen noch einmal die Bewegungen, die zu bestimmten

Farbspuren geführt hatten. Dieses zeigte, dass die Schülerinnen und Schüler durch die Technik der

experimentellen Malerei intensive ganzheitliche Erfahrungen machen konnten, die sie über

Verbalisierung internalisieren und auf Kunstwerke übertragen konnten.

Auf Wunsch des Kollegiums wurden einige Ergebnisse dieser Sequenz in der Aula ausgestellt.149

145 siehe Foto 8 146 siehe Foto 9 147 siehe Foto im Anhang 148 siehe Foto 10 149 siehe Fotos im Anhang

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2.3 Dritte Unterrichtssequenz mit ausführlichem Unterrichtseinwurf der Stunde „Klecksbild“

Die theoretischen Grundlagen sind im ersten Teil der Arbeit bereits ausführlich bearbeitet worden,

sodass ich auf die Sachanalyse der Technik 150, sowie Hinweise zur Lerngruppe und deren

Lernausgangslage151 verzichte. Die didaktischen und methodischen Vorüberlegungen sind im

Zusammenhang mit den didaktisch-methodischen Vorüberlegungen der Unterrichtseinheit zu sehen.

2.3.1 Sachinformation Assoziation

Der Begriff Assoziation lässt sich auf den lateinischen Wortstamm „associare“- sich verbinden mit -

zurückführen. Somit meint das Wort im Allgemeinen eine Verbindung, Verknüpfung, einen

Zusammenschluss. Im psychologischen Gebrauch bezeichnet das Assoziieren „die Verknüpfung von

zwei Vorstellungen, so dass eine Vorstellung, wenn sie auftritt, eine andere nach sich zieht.“152

Unterschieden wird dabei der „nicht mit Absicht gelenkte Ablauf der Gedanken, Vorstellungen und

Erinnerungen, wie er im Traum, in Tagträumen und freien Phantasien, in der Psychotherapie und in

der Psychoanalyse vorkommt und die freie Assoziation, von der unter bestimmten Leitvorstellungen,

Zielen oder Endmotiven ablaufenden Gedanken, Vorstellungen oder Erinnerungen – der gerichteten

Assoziation.“153

Für die Wahrnehmung des Zufalls ist die Assoziation von großer Bedeutung.

Die Welt wahrnehmen und erkennen ist ein Lernprozess, der durch unser Gehirn bewältigt wird. Das

Gehirn stellt immer wieder Kontakte her, weckt Erinnerungen, ruft Ähnlichkeiten auf und hilft uns auf

aktuell Wahrgenommenes mit Deutungen und Entsprechungen zu reagieren (Vernetzung). Dabei ist

die Richtung, Vielfält igkeit und die Grenzen der Interpretation von unserem gespeicherten Wissen und

unseren Erfahrungen abhängig. Verknüpfende Gehirnleistungen werden wissenschaftlich und

umgangssprachlich als Assoziationsfähigkeit bezeichnet. 154

Deutungen entwickeln sich dementsprechend aus assoziierendem Wiederkennen, Identifizieren von

Formen, Analysieren bestimmter Formkomponenten bis hin zum individuell gefärbten Verknüpfen des

Wahrgenommenen mit eigenen Vorstellungen.

Analogien sind die Vorraussetzung für Assoziationen. „Der Gegenstand, der Assoziationen auslöst,

muss formal weitgehend dem assoziierten Inhalt ähnlich sein.“155

2.3.2 Didaktische Vorüberlegungen

In dieser Unterrichtsstunde sollen die Schülerinnen und Schüler durch das Fließverfahren und dessen

intensive Betrachtung das Aufkommen und Zulassen von Assoziationen üben, das als Grundlage für

die Fantasie- und Kreativitätsförderung bezeichnet werden kann.156

150 vgl. Kap. II, 1.1.2.1 151 vgl. Kap. II, 4. 152 siehe Ulfig, S. 43 153 siehe Arnold, S. 26 154 vgl. Seumel, S. 4 155 siehe Brügel, S. 23

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Eine Form des Zufallsverfahrens,157 die Decalcomanie, mit dessen Hilfe unplanbare und doch sehr

wirkungsreiche Bilder entstehen können, sind den Schülerinnen und Schülern bereits aus einer

vorangegangenen Kunstunterrichtsstunden bekannt. Die Lerngruppe arbeitet sehr gern mit

experimente llen Techniken, bei denen ihre Fantasie und Kreativität besonders stark angeregt wird.158

Deshalb sollen die Schülerinnen und Schüler in dieser Unterrichtstunde eine weitere Form des

Zufallsverfahrens, das Fließverfahren kennen lernen, die eine kreative Brücke zur Arbeit der nächsten

Stunden darstellen soll. Durch das Verpusten von Tuscheklecksen entstehen Strukturen, die an bizarre

Äste und Zweige aus der Natur erinnern und deshalb für diese Unterrichtseinheit besonders geeignet

sind. Beim genauen Anschauen der Klecksbilder bilden sich zusätzlich, entsprechend der verbalen

Vorgabe, Analogien und dementsprechend Assoziationen159 zu „Fantastischen Wesen“, die einen

gegenständlichen Bezug aufweisen. Diese entstandenen gegenständlichen Assoziationen sollen den

Schülerinnen und Schülern als Gestaltungsidee dienen, um in der sich anschließenden Kunststunde ein

Objekt aus Ästen zu montieren. Ich habe mich deshalb bewusst für die Technik eines

Zufallsverfahrens entschieden, weil durch die Anwendung Blockaden, die bei der Ideenfindung für

Kunstwerke entstehen können, ausgeschalten bzw. umgangen werden können. Aus diesem Grund

werden diese Techniken auch als befreiende Verfahren bezeichnet.

2.3.3 Zielsetzungen

2.3.3.1 Grobziel

Die Schülerinnen und Schüler sollen ihre fachliche Kompetenz erweitern, indem sie das Verpusten der

Tusche als neue Form des Zufallsverfahrens kennenlernen und die assoziierende Wirkung erfahren.

2.3.3.2 Feinziele

Die Schülerinnen und Schüler sollen

- ihre Arbeitssystematik weiter entwickeln, indem sie durch den Plakattext und dessen

Verbindung mit den ihnen vorliegenden Materialien die einzelnen Arbeitsschritte selbst

erkennen, in Form eines Arbeitsauftrags formulieren und diesen in der Arbeitsphase umsetzen.

- in ihrer Fantasie und Kreativität angeregt werden, indem durch die Anwendung des

Zufallsverfahrens kreative und phantasievolle Prozesse im besonderen Maße ermöglicht

werden.

- ihre Assoziationsfähigkeit schulen, indem sie sich Zeit nehmen, die Kleckse genau zu

betrachten.

- sich ihre Assoziationen vergegenwärtigen, indem sie sie durch eine Überschrift benennen und

ansatzweise dadurch auch für andere nachvollziehbar machen.

156 vgl. Kap. III, 6. 157 vgl. Brügel, S. 62-86 158 vgl. Kap. II, 4. 159 siehe Kap. III, 2.3.1

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- die Verwendungsmöglichkeiten des Zufallsverfahrens erfahren, indem sie erkennen, dass die

daraus entstandenen assoziierten Wesen als Idee für die Astobjekte dienen, die in den

folgenden Stunden hergestellt werden sollen.

2.3.3.3 Prozessuale Ziele im sozialen und affektiven Bereich

Die Schülerinnen und Schüler sollen

- ihre Eigeninitiative und Selbstständigkeit weiter entwickeln, indem sie die Arbeitsaufgabe

selbstständig angehen und durchführen.

- ihre Selbstständigkeit weiter entwickeln, indem sie trotz möglicher Misserfolge das Ziel

weiterhin verfolgen.

- ihre Eigenverantwortung und Zuverlässigkeit weiter entwickeln, indem sie die Materialien und

den eigenen Arbeitsplatz sachdienlich und fachgemäß verwalten.

- die Verantwortung für andere und das System mit übernehmen, indem sie die vereinbarten

Regeln und Absprachen kennen und sich daran halten.

2.3.4 Methodische Vorüberlegungen

Zu Beginn der Unterrichtstunde bereiten die Schülerinnen und Schüler aufgrund des ritualisierten

Tafelanschriebs ihren Arbeitsplatz selbstständig vor. Damit möchte ich die Selbstständigkeit der

Schülerinnen und Schüler erhöhen und ein Verantwortungsgefühl für das Schulinventar wecken. In

der Einführungsphase habe ich mich für einen Sitzhalbkreis entschieden, da die Kinder so eine gute

Sicht auf das vor ihnen liegende Material haben und durch die räumliche Nähe die

Schülerdemonstration gut beobachten können. Weiterhin können sie mit nahezu allen Mitschülern

Blickkontakt aufnehmen und somit besser kommunizieren. Als Einstieg wird ein Plakat mit der

Aufschrift: „Luft macht Kleckse zu fantastischen Wesen“ als stummer Impuls aufgestellt. Auf diese

Weise sollen die Schülerinnen und Schüler ihre Arbeitssystematik weiter entwickeln, indem sie

zwischen Plakattext und Material eine Verbindung erkennen und daraus selbstständig Arbeitsschritte

ableiten, verbalisieren und demonstrieren (a. zuerst mit der Zweigfeder einen Scribtolklecks auf den

Plakatkarton klecksen, b. diesen mit dem Strohhalm verpusten.). Durch die Schülerdemonstration

sollen die Kinder die Arbeitsschritte genau beobachten und auf Schwierigkeiten aufmerksam werden.

Es ist mir in dieser Unterrichtstunde wichtig, dass ein Schüler bzw. eine Schülerin die Arbeitsweise

demonstriert, da so meine vorausgehenden Erwartungen weniger Einfluss haben und die Ideen der

Schülerinnen und Schüler mehr zum Tragen kommen. Weiterhin lernen die Kinder von sich selbst,

von Mitschülern. Der Arbeitsauftrag soll von den Schülerinnen und Schüler aus der Demonstration

entwickelt werden. In der Arbeitsphase sollen die Schülerinnen und Schüler in Einzelarbeit an ihren

Plätzen stehend oder sitzend mit der Technik ohne eine thematische Vorgabe experimentieren. Ich

habe mich für die Einzelarbeit entschieden, damit jeder Schüler und jede Schülerin über eigene

Klecksbilder verfügt, denn durch das Experimentieren mit den Materialien sollen die Schülerinnen

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und Schüler die neue Technik kennenlernen und zu eigenen Erfahrungen gelangen. Ich werde in dieser

Phase den Arbeitsverlauf beobachten und gegebenenfalls Hilfe anbieten. Zur Auswertung ihrer Bilder

sollen sie ein „fantastisches Wesen“ auf ihren Bildern suchen. Dazu müssen die Schülerinnen und

Schüler ihre Ergebnisse genau betrachten und ihre Assoziationen durch eine Überschrift benennen. Ich

möchte damit erreichen, dass sie sich ganz bewusst auf das freie Assoziieren160 einlassen, sich Zeit

lassen um ihre Fantasie anzuregen.161 Die Ergebnisbesprechung findet im Sitzkreis statt, um eine gute

Sicht auf die in der Mitte befindlichen Ergebnisse zu haben und eine diametrale Gesprächsstruktur zu

erhalten. Die Besprechung der Ergebnisse soll den Schülerinnen und Schüler vermitteln, dass Kleckse

unterschiedliche Deutungselemente enthalten können. Weiterhin sollen die Schülerinnen und Schüler

durch Impulse wie z.B. einen realen Ast, ein Ideen entwickeln, dass ihre Klecksbilder z.B. als

Vorlagen für die späteren Astobjekte dienen können.

2.3.5 Geplanter Unterrichtsverlauf Zeit/ Phase Lehrer-Schüler-Interaktion Arbeits- und Sozia lform Material/Medien 8.15 Uhr Einführung

Begrüßung Vorbereitung: S.u.S. bereiten ihre Arbeitsplätze vor. Ln. bittet S.u.S. in den Kinositz. Vor ihnen befindet sich ein niedriger Arbeitstisch mit den Materialien. Auf dem Fußboden davor, für die S.u.S. gut sichtbar, liegt ein beschriftetes Plakat. S.u.S. stellen Vermutungen über die Bedeutung des Textes auf dem Plakat an und bringen ihn in Bezug zu den ihnen vorliegenden Materialien.

S.u.S. Aktion Kinositz/Teppichfliesen Stummer Impuls S.u.S. Gespräch

Tafelanschrieb: Du brauchst: Zeitungspapier, Plakatkarton (A4), Halme, Scribtol Materialien: Scribtol, Halme, Plakatkarton Plakat mit der Aufschrift: „Luft macht Kleckse zu fantastischen Wesen!“

8.20 Uhr Erarbeitung

Ln. fordert S. auf, die Arbeitstechnik zu demonstrieren. S.u.S. formulieren den Arbeitsauftrag.

S.- Demonstration Gelenktes Unterrichtsgespräch

s.o.

8.30 Uhr Arbeitsphase

S.u.S. begeben sich an ihre Plätze und experimentieren mit den Materialien. Ln. entfernt den Materia ltisch, legt die Teppichfliesen in einen Kreis und beobachtet das Arbeitsverhalten, ggf. gibt sie Hilfestellungen. Ln. gibt den S.u.S. den Auftrag ein bis zwei Arbeitsergebnisse

Kooperative Einzelarbeit am Platz

s.o. Akustisches Signal

160 vgl. Kap. III, 2.3.1 161 vgl. Kap. II, 4.

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auszuwählen, in denen sie ein fantastisches Wesen erkennen können und ihnen eine Überschrift zu geben.

8. 50 Uhr Ergebnisbesprechung

Ln. fordert die S.u.S. auf, in den Teppichfliesenkreis zu kommen. S.u.S. legen die Bilder vor sich auf den Fußboden. Ln. wählt einige Ergebnisse aus und legt sie in die Kreismitte. Die S.u.S. werden aufgefordert jeweils einem Bild eine Überschrift zu geben und diese zu begründen. Im Anschluss wird die vom Eigentümer gewählte Überschrift bekannt gegeben. S. erläutert seine Assoziation. Ln. lenkt die S.u.S. durch gezielte Impulse auf die weiterführende Arbeit mit den assoziierten Wesen. S.u.S. räumen ihre Plätze auf.

Teppichfliesenkreis S.u.S. Gespräch Gelenktes Unterrichtsgespräch

Ausgewählte Klecksbilder der Kinder

9.00 Uhr Stundenende 2.3.6 Reflexion der Unterrichtsstunde

Diese Unterrichtsstunde war eine zusätzliche Stunde und begann nach dem offenen Anfang um 8.15

Uhr. Die Schüler und Schülerinnen waren um 8.00 Uhr vollständig in der Klasse und so

hochmotiviert, dass sie sofort mit dem Unterricht beginnen wollten. Sie richteten dafür selbstständig

und schnell ihre Plätze ein. Um diese Motivation zu erhalten, entschied ich mich den Unterricht früher

zu beginnen. Die Schülerinnen und Schüler konnten sehr schnell einen Bezug zum Plakat und den

Materialien erkennen und eigene Ideen entwickeln. Florian verbalisierte sie und demonstrierte die

Arbeitsschritte schnell und sicher. Er tropfte einen Klecks auf das Blatt und verpustete ihn. Bei seinen

Mitschülern und Mitschülerinnen stellten sich daraufhin Assoziationen von Tieren wie Schnecken,

Raupen usw. ein, die benannt wurden. 162 Die Formulierung des Arbeitsauftrags fand im Anschluss

daran ebenso schnell statt. Für die zuvor genannten Schritte hatte ich in meiner Planung mehr Zeit

eingeräumt, da ich angenommen hatte, dass die Enträtselung des Plakattextes länger dauern würde.

Doch dieser wurde durch die Verbindung mit dem Material sehr schnell erkannt. Bei der

anschließenden Arbeitsphase experimentierten die Schülerinnen und Schüler mit viel Eifer in

stehender oder in sitzender Haltung. 163 Sie waren so fasziniert von der Technik, dass sie immer neue

Kleckse auf das schon benutzte Blatt tropften und verpusteten. Dadurch wurden die Blätter in DinA4

Größe unübersichtlich. Außerdem ließen sich die Schülerinnen und Schüler keine Zeit um die

162 siehe Foto 11 163 siehe Fotos 12, 13

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Tuschespuren zu verfolgen, sondern produzierten immer schneller weitere Bilder.164 Alternativ würde

ich mich deshalb für kleinere Blätter entscheiden, damit erkennbar ist, dass nur ein Klecks auf dem

Papier verteilt werden soll und ihnen den folgenden Beobachtungsauftrag geben: „Schaut euch die

Fließbewegung der Tuschekleckse genau an und beobachtet, durch was ihr sie verändern könnt.“ In

dieser Stunde habe ich durch eine Unterbrechung der Arbeit und anschließendem Hinweis darauf

reagiert. Die Schülerinnen und Schüler nahmen im Anschluss daran die Arbeit wieder auf und folgten

dem Hinweis nur einen Klecks pro Blatt zu verpusten. Die Überschriftfindung für ihre

Assoziationen165 und die Auswahl der Ergebnisse verliefen zügig, im Gegensatz zu der

Ergebnisbesprechung. Die Schülerinnen und Schüler waren noch zu sehr mit ihren eigenen Bildern

beschäftigt und konnten sich dementsprechend nicht genügend auf die anderen einlassen. Alternativ

könnte ich mir vorstellen sämtliche Ergebnisse an die Pinnwand zu heften. Unter die einzelnen Blätter

würde ich ein leeres Blatt hängen, auf das die Schülerinnen und Schüler nach genauer Betrachtung

eine Überschrift schreiben. Durch diese Aktion müssten sie sich intens iver mit den einzelnen

Ergebnissen auseinandersetzen. Das Tempo der Arbeitsphase würde evtl. so eher zurückgenommen

und dadurch könnte möglicherweise eine Intensivierung der Assoziationsfindung und mehr

Langsamkeit erzielt werden.

Bestärkt in der Wahl der Technik hat mich, dass die Schüler und Schülerinnen durch die Klecksbilder

in ihrer Fantasie und Assoziationsfähigkeit sehr stark angeregt wurden und das Zufallsverfahren viel

Freude und Begeisterung auslöste. Weiterhin wurden in der Schlussphase auch schon Vorstellungen

entwickelt, wie die entstandenen Wesen in Objekte umgewandelt werden könnten.

Auch in dieser Stunde ist mir ist aufgefallen, dass sich die Schülerinnen und Schüler bei

motivierenden Techniken wenig Zeit nehmen, diese zu genießen.166 Ich habe den Eindruck, sie

arbeiten immer schneller und übersehen dabei das Ergebnis. Sie sind nicht bei sich, sondern außer

sich. Zum einen könnte es mit der Faszination der künstlerischen Technik zusammenhängen, zum

anderen wäre auch eine Übertragung der Verhaltensweisen unserer schnelllebigen konsumorientierten

Gesellschaft denkbar, in der wenig Zeit zum Verweilen und Genießen übrig bleibt. Da dieses aber für

das Wohlbefinden eines Menschen, für das Erleben von Glücksmomenten und für die Entstehung von

Kreativität entscheidend ist167, bestärkt mich das in meiner Entscheidung im Unterricht bewusst auf

eine Verlangsamung und eine Intensivierung des Unterrichtsstoffes zu achten.

2.4 Vierte Unterrichtssequenz: „Astfalter und anderes Getier“ mit einem ausführlichen

Unterrichtsentwurf der Stunde „Fantastische Wesen“

Da die Schülerinnen und Schüler in dieser Sequenz an einem außerschulischen Lernort arbeiten,

erfolgt zunächst eine Sachinformation. Im Anschluss daran gebe ich eine Beschreibung der Sequenz,

164 vgl. Einleitung 165 siehe Foto 14 166 vgl. Kap. II, 4. 167 vgl. Seitz 2001, S. 12, 37, 135-136; Seitz 1997, S.16

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um den Gestaltungsprozess näher zu erläutern. Der ausführliche Unterrichtsentwurf ist in die Sequenz

eingebettet und thematisiert die Gestaltung eines Astobjekts unter Zusatz von Kleisterpapier.

2.4.1 Sachinformation außerschulischer Lernort

Außerschulische Lernorte tragen dazu bei, dass über Wirklichkeit nicht nur geredet, sondern dass sie

unter Einbeziehung möglichst vieler Sinne erfahren werden kann.168 Die Schülerinnen und Schüler

sollen durch die Arbeit im Park eine außergewöhnliche Arbeitsatmosphäre erleben, die sie motiviert

und der Natur näher br ingt.169 Für den Besuch eines außerschulischen Lernorts wird der Klassenraum

für eine reale sinnlich, anschauliche Begegnung verlassen.170 Am Lernort, dem Schlosspark171, wird

die Umwelt direkt erlebt und bildet somit einen Gegenpol zur Rezeption von Medien, die

„Wirklichkeit aus zweiter Hand“ vermitteln. 172 Es findet eine Realitätsbegegnung der Alltags- und

Umgebungswelt der Kinder statt und verbindet somit schulisches und außerschulisches Leben. Im

Schlosspark erhalten die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit künstlerisch gestaltend in der

Natur und mit den dort zu findenden Naturmaterialien zu arbeiten. Es kann eine handelnde

Auseinandersetzung erfolgen, die durch anschließende Besprechungen von Eindrücken, Erlebnissen

und Erfahrungen ausgewertet wird.173 Weiterhin soll durch die Arbeit im Park die Atmosphäre der

Natur aufgenommen werden und in die Objektgestaltung einfließen. Durch diese Arbeitsweise wird

auch ein Bezug zu der Arbeitsweise der land-art Künstler hergestellt.174

2.4.2 Organisatorische Voraussetzungen

In dieser Sequenz soll im Schlosspark gearbeitet werden. Durch witterungsbedingte Umstände muss

der Unterricht möglicherweise im Klassenraum stattfinden. Für diesen Fall werden alle benötigten

Naturmaterialien der Schülerinnen und Schüler nach jedem Schlossparkbesuch in mein Auto geladen,

das ich vor Schulbeginn auf dem Parkplatz des Schlosses abgestellt habe. Nach Unterrichtsschluss

transportiere ich die Äste und andere Naturmaterialien in die Schule, um sie dort zu lagern. So müssen

die Schülerinnen und Schüler die zum Teil sehr großen und schweren Naturmaterialien nicht in das

Schulgebäude tragen. Bei gutem Wetter werden diese Materialien vor Schulbeginn zusammen mit

Wassereimern in den Schlosspark gefahren.

2.4.3 Didaktisch-methodische Überlegungen zur Sequenz

Das Thema Objekte ist in den niedersächsischen Rahmenrichtlinien dem räumlichen Gestalten

zuzuordnen. Für das dritte Schuljahr ist die Gestaltung eines Reliefs aus formbaren Materialien

168 vgl. Vaupel, S. 11 169 vgl. Kap. II, 4. 170 vgl. Meyer, S. 327 171 vgl. Kap. II, 3.2 172 vgl. Kaiser, S. 178 173 vgl. Burk/Claussen II. S.26 174 vgl. Kap. I, 3.

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vorgesehen. Ich habe mich aufgrund der Fähigkeiten und Interessen der Lerngruppe175 stattdessen für

die Erstellung eines Astobjektes entschieden, dass im Etelser Schlossgarten entstehen soll. Er ist durch

einen Unterrichtsgang von 10 Minuten gut zu erreichen. Bei der Ankunft im Schlosspark sollen

zunächst Regeln für den Aufenthalt erarbeitet und das Wald- und Wiesenstück besichtigt werden,

indem die Schülerinnen und Schüler künstlerisch arbeiten dürfen. Im Anschluss sollen die

Schülerinnen und Schüler durch einen Suchauftrag176 das Gelände näher kennen lernen und

Vorerfahrungen mit dem Suchen von Naturmaterialien machen. Weiterhin möchte ich dadurch

erreichen, dass die Schülerinnen und Schüler ihre visuelle und haptische Wahrnehmung schulen,

indem sie aufmerksam werden für die Vielfalt von Naturgegenständen, die sich am Waldboden finden

lassen.177 In der folgenden Unterrichtstunde sollen die Schülerinnen und Schüler die Materialien für

ihr Objekt suchen. Dafür sollen sie ihr Klecksbild zu Hilfe nehmen und Äste suchen, die in Struktur

und Form Teilen ihrer Klecksbilder entsprechen. Dazu werden wieder der visuelle und haptische Sinn

von großer Bedeutung sein. Im Anschluss daran sollen die Naturmaterialien durch Astbündelung,

Astreihung oder Astverbindungen zu einem künstlerisch gestalteten „Fantastischen Wesen“ montiert

werden. Für die Befestigung der Äste sollen die Schülerinnen und Schüler eine bestimmte

Wicklungstechnik der Fäden erle rnen, die ihre Feinmotorik schult. Es bietet sich für Äste, die parallel

zueinander stehen sollen, eine Umwicklung mit einem Bindfaden an. Für Verbindungen bei denen die

Hölzer gekreuzt fixiert werden sollen, eignet sich eine Verknüpfung mit sich überkreuzenden Fäden.

Das entstandene Astobjekt soll durch Kleisterpapier weiter bearbeitet und verfremdet werden. So

können durch die Bespannung von Astenden mit Kleisterpapier Flügel u.ä. Attribute entstehen. Nach

dem Fertigstellen der Objekte sollen die Schülerinnen und Schüler Einladungskarten für die

Kunstausstellung aus den in der Unterrichtseinheit benutzten Materialien herstellen. Die Karten

bestehen aus gefaltetem Tonkarton, der auch schon für die Arbeit mit den Klecksen und der

experimentellen Malerei benutzt wurden. Weiterhin stehen die Zweigfedern und Scribtol, Überreste

der Hexenmalerbesen und die benutzte Folie, sowie Bindfäden zur Verfügung. Die Gestaltung der

Karten mit den Materialien, die einen Bezug zur Unterrichtseinheit entstehen lassen sollen, sollen die

Schülerinnen und Schüler selbstständig erarbeiten. Zum vorläufigen Abschluss dieser

Unterrichtseinheit sollen die Schülerinnen und Schüler Arbeiten von Richard Long und Andy

Goldsworthy anhand von Bildbänden kennen lernen und diese mit ihren eigenen Erfahrungen

verknüpfen. 178

Ich möchte, dass die Schülerinnen und Schüler in dieser Unterrichtssequenz mit den Naturmaterialien

und der Natur kreativ umgehen und durch das Anfassen der Äste, Zweige, Bindfäden und der direkten

Arbeit in der Natur ihre sinnliche Wahrnehmung schulen. Der handelnde Umgang mit den Ästen, der

Austausch mit den Mitschülern, das zielgerichtete Arbeiten in der Natur kann von den Schülerinnen

175 siehe Kap. II, 4. 176 siehe Anhang 177 vgl. Hielscher, S. 66-67. 178 siehe Anhang: Kopien

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und Schülern als ein Erlebnis 179 gesehen werden, an dass sie sich erinnern und das sie in ihrer

Persönlichkeit unterstützt und ihnen Anregungen für ihre Freizeitbeschäftigung geben kann.

Entsprechend der Beobachtungen der letzten Stunde möchte ich eine bewusste Verlangsamung und

Intensivierung des Gestaltungsprozesses erzielen. Die Schülerinnen und Schüler sollen mehr

Unterrichtsstunden für ihre künstlerische Auseinandersetzung mit den Objekten bekommen, um mehr

Zeit zur intensiven und langsamen Bearbeitung zu erhalten.

2.4.4 Ausführliche Darstellung der Unterrichtsstunde „Fantastische Wesen“

Die theoretischen Grundlagen sind im ersten Teil der Arbeit ausführlich bearbeitet worden, sodass ich

auf die Sachanalyse, sowie Hinweise zur Lerngruppe und deren Lernausgangslage verzichten möchte.

Die folgenden didaktischen und methodischen Überlegungen sind dabei im Zusammenhang mit den

Überlegungen zur Sequenz zu sehen.

In den zwei vorherigen Unterrichtsstunden haben die Schülerinnen und Schüler die Regeln für den

Aufenthalt im Schlosspark erarbeitet, die Materialien aus der Suchgeschichte gefunden, erste

Materialien für ihre Objekte gesucht und einige Kinder haben bereits mit der Montage begonnen. In

dieser Unterrichtstunde sollen die Schülerinnen und Schüler ihr Objekt montieren oder es mit Hilfe

von Kleisterpapier oder weiteren Naturmaterialien verfremden.

2.4.4.1 Didaktische Vorüberlegungen

Der außerschulische Lernort Park bietet eine Vielzahl von Sinneseindrücken180, wie es kein noch so

idealer Klassenraum vermag. So erleben die Schülerinnen und Schüler kühles, feuchtes Gras,

raschelnde Blätter, Vögelgezwitscher und vieles mehr. Sie erleben die reale Natur mit allen Sinnen,

denn sie arbeiten mit Natur in der Natur. Durch die Vielzahl der Sinneseindrücke werden die

Sinneswahrnehmungen nachhaltig gefördert und durch die Lernumgebung und den handelnden

Umgang mit den Materialien die Fantasie und Kreativität angeregt.

Der Umgang mit den Naturmaterialien und deren unterschiedlichen Oberflächen soll die Schülerinnen

und Schüler befähigen, ihre sinnlichen Erfahrungen zu erweitern und ihre Umwelt bewusster

wahrzunehmen.181 Weiterhin sollen sie Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten im Umgang mit

räumlichem Gestalten entwickeln und Objekte herstellen, die ihre individuellen Fantasien ausdrücken.

Anhand dieser Objekte sollen künstlerische Verfahren wie Verbinden und Ansetzen erlernt werden,

durch die die Naturgegenstände verfremdet werden. Die Gestaltung von „fantastischen Wesen“

entspricht dabei den Fantasien der Kinder182, die durch die ritualisierte Hexengeschichte, den

Hexenspruch und die Arbeitsumgebung und Atmosphäre im Park noch zusätzlich angeregt werden.

179 vgl. Kap. I, 2.2 180 vgl. Kap. I, 1.1 181 vgl. RRL, S. 5 182 vgl. RRL, S. 7

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2.4.4.2 Zielsetzungen

2.4.4.2.1 Grobziel

Die Schülerinnen und Schüler sollen durch Verbindungen von Ästen und anderen Naturmaterialien ein

fantastisches Wesen als Objekt herstellen.

2.4.4.2.2 Feinziele

Die Schülerinnen und Schüler sollen

- sich durch die kurze Erzählung und den ritualisierten Hexenspruch auf eine fantasievolle Stimmung

einlassen.

- ihre Arbeitssystematik weiter entwickeln, indem sie einzelne Arbeitsschritte planen und sie

verbalisieren.

- ein fantastisches Wesen herstellen, indem sie die Anordnung und Verknüpfung der Äste

entsprechend ihres Fantasiewesens treffen und den Ausdruck des Wesens durch

Hinzufügung von Attributen (Flügel, Fühler usw.) verstärken.

- sich der individuellen Gestaltungsmöglichkeiten bewusst werden, indem sie ausgewählte Objekte

betrachten, sich zu ihnen äußern und auf Verbindungsstrukturen aufmerksam werden.

- Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse im Umgang mit Objekten erwerben.

2.4.4.2.3 Prozessuale Ziele

Die Schülerinnen und Schüler sollen

- in ihrer Fantasie und Kreativität angeregt werden, indem sie ihre Ideen von einem fantastischen

Wesen in ein dreidimensionales Objekt umsetzen.

- ihre Wahrnehmung, ihre haptische und visuelle Erfahrung sowie ihre Feinmotorik schulen.

- ihre Eigenständigkeit und Selbstständigkeit weiterentwickeln, indem sie ihre Arbeit selbstständig

beginnen und durchführen.

- ihre Eigenverantwortung und Zuverlässigkeit weiter entwickeln, indem sie mit den Materialien

sachdienlich umgehen und ihren Arbeitsbereich aufgeräumt hinterlassen.

- Verantwortung für andere und das System mit übernehmen, indem sie die vereinbarten Regeln

kennen und sich daran halten.

2.4.4.3 Methodische Vorüberlegungen

Die Einführungs- und Erarbeitungsphase findet im Stehkreis statt, da diese Form den Schülerinnen

und Schülern eine gute Sicht auf die Kreismitte und die Objekte ermöglicht und zugleich ein

diametrales Unterrichtsgespräche zulässt. Außerdem konzentriert sich die Lerngruppe dabei mehr auf

den Gegenstand der Stunde und wird nicht so leicht durch die Umgebung abgelenkt.183

183 vgl. Kap. II, 4

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Zu Stundenbeginn möchte ich auf die Hexenerzählung der letzten Stunde Bezug nehmen, um die

Schülerinnen und Schüler in eine fantasievolle Stimmung zu versetzen und damit die Betrachtung der

vorliegenden Ergebnisse einzuleiten. 184 Anhand dieser sollen die möglichen Entstehungsarten von

Astobjekten veranschaulicht und die ihnen zu Grunde liegenden Verbindungstechniken zunächst

verbalisiert und anschließend demonstriert werden. Die Schülerdemonstration soll aufkommende

Schwierigkeiten bei der Verbindung von Ästen vorwegnehmen und den Schülerinnen und Schülern

Techniken vermitteln, die ihnen die Arbeitsphase erleichtern.

Der gemeinsam aufgesagte Zauberspruch soll den Kindern eine positive Grundeinstellung vermitteln

und die fantastische Stimmung erhalten.185 Außerdem soll durch das Festhalten der Hände und das

gemeinsame Aufsagen des Spruchs das Gemeinschaftsgefühl gestärkt werden, was mir gerade im

Hinblick auf die weiträumige Unterrichtsumgebung in besonderem Maße wichtig erscheint. Die

Rituale wie Stehkreis und Hexenspruch sollen den Schülerinnen und Schülern einen festen

Bezugsrahmen geben, der Irritationen vorbeugt, die durch die andere Lernumgebung und die offene

Arbeit im Anschluss gegeben sein könnten.186

Zur Ideenfindung stehen der Lerngruppe alle Klecksbilder der Klasse in einer Mappe zur

Verfügung.187

In der Arbeitsphase arbeiten die Schülerinnen und Schüler in kooperativer Einzelarbeit oder in

Partnerarbeit. Dieses ermöglicht ihnen ihre individuellen Vorstellungen von einem fantastischen

Wesen umzusetzen, sich gleichzeitig mit Mitschülern über Ideen und Anregungen auszutauschen und

sich gegenseitig zu helfen. In dieser Phase werde ich mich verstärkt Alena, Pascal und Azad

zuwenden188 , um ihnen ggf. durch gezielte Impulse bei der Ideenfindung und deren Umsetzung zu

helfen. Da sich die Schülerinnen und Schüler während der Arbeitsphase auf einem größeren Gelände

frei bewegen können und gewährleistet sein muss, dass sie mich auch über größere Entfernungen

hören können, verwende ich als akustisches Signal für die Sammlung zur Schlussphase eine Glocke.

In der Schlussphase sollen die Schülerinnen und Schüler anhand von ausgewählten Objekten die

individuellen Gestaltungsideen erkennen und feststellen, wie die einzelnen Elemente miteinander

verbunden sind. Um die Fantasie der Kinder anzuregen und den fantastischen Charakter der

entstandenen Astwesen zu betonen, nehme ich wieder Bezug auf die Hexengeschichte der letzten

Stunde. Diese Phase findet aus den schon bereits genannten Gründen wieder im Stehkreis statt.

Falls die Arbeitsphase verlängert werden muss, wird die Teilergebnisbesprechung zu Beginn der

nächsten Stunde stattfinden. Um den Kindern trotzdem Ideen für die Weiterarbeit zu vermitteln,

dürfen sie sich die Arbeiten ihrer Mitschüler anschauen.

Falls die Lerngruppe früher mit ihren Gestaltungen fertig sein sollte, dürfen sie sich die Objekte ihrer

Mitschüler zuerst betrachten. Die Teilpräsentation findet im Anschluss daran statt. Die Schülerinnen

184 siehe Anhang Fantasiegeschichte 185 siehe Anhang Hexenzauberspruch 186 vgl. Kap. II, 5. 187 vgl. Kap. II, 1. 188 vgl. Kap. II. 4.

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und Schüler räumen selbstständig auf. Um bei schlechtem Wetter mit den Objekten im Klassenraum

arbeiten zu können, werden sie mit dem Auto in die Schule gebracht. In der Schule befinden sich für

die Arbeit gesammelte Äste und andere Naturmaterialien.

Zugunsten einer längeren Arbeits- und Präsentationsphase ist mit der im Anschluss unterrichtenden

Lehrerin der Klasse besprochen worden, dass sie etwa 10 Minuten später mit ihrem Unterricht beginnt.

2.4.4.4 Geplanter Unterrichtsverlauf

Zeit/Phase

Lehrer-Schüler-Interaktion

Arbeits- und Sozialform

Material/Medien

10.00 Uhr 10.10 Uhr Hinführung 10.13 Uhr Erarbeitung

S.u.S. verlassen die Schule und gehen in den Schlosspark. LAn. bittet S.u.S. in den Stehkreis. In der Kreismitte befinden sich einige Ergebnisse der letzten Stunde. LAn. nimmt Bezug auf die vorherige Stunde und lenkt die Aufmerksamkeit der S.u.S. auf die Teilergebnisse in der Stehkreismitte. S.u.S. äußern sich. LAn. gibt ggf. den verbalen Impuls: „Wie hast du die Zweige denn befestigt?“ S.u.S. verbalisieren und werden zu einer Demonstration aufgefordert. S.u.S. äußern sich. S.u.S. und LAn. reichen sich die Hände und sagen gemeinsam den Zauberspruch.

Gemeinschaftsaktion Stehkreis (Stuhlkreis), gelenktes Unterrichtsgespräch, S. Demonstration, gelenktes Unterrichtsgespräch, Gemeinschaftsaktion

Glocke als akustisches Signal, Unterrichtsergebnisse aus der letzten Kunststunde, Tuch, Zauberspruch, Materia lkiste mit Bindfäden unterschiedlicher Stärke, Scheren, Astscheren, angerührter Tapetenkleister in einem Eimer, unbedrucktes Zeitungspapier auf einer Rolle, Malerfolie als Unterlage für Kleisterarbeiten, Wassereimer zum Händewaschen, Klecksbilder in einem Ordner, Äste, Zweige, Rindenstücke und andere Naturmaterialien (vor Ort)

10.20 Uhr Arbeitsphase

S.u.S. arbeiten an ihren Objekten. LAn. beobachtet, berät und gibt Hilfestellungen.

Kooperative Einzelarbeit oder Partnerarbeit an selbstgesuchten Plätzen, S.u.S. Aktivität

s.o.

10.40 Uhr Teilpräsentation

LAn. bittet S.u.S. in einen Stehkreis. In der Kreismitte befinden sich ausgewählte Objekte der Kinder. LAn. gibt ggf. einen verbalen Impuls zur Herausarbeitung der Äste zu fantastischen Wesen.

Stehkreis, gelenktes Unterrichtsgespräch,

Glocke, Tuch, ausgewählte Objekte der Kinder

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Wo sehen die Äste denn schon wie ein fantastisches Wesen aus und warum? S.u.S. äußern sich dazu. LAn. gibt Ausblick auf die nächste Stunde und bittet die S.u.S. ihre Arbeitsplätze aufzuräumen und die Materialien und Objekte im Kofferraum des Autos zu verstauen.

S.u.S. Aktion

(Auto als Transportmittel für Material und Objekte)

10.55 Uhr Stundenende

S.u.S. und LAn. verlassen den Schlossgarten und gehen in die Schule zurück.

S.u.S. u. LAn. Aktivität

Bei schlechtem Wetter findet der Unterricht in den Schulräumen statt. Zeit Plus: S.u.S. sehen sich die Arbeiten der anderen Mitschüler an und im Anschluss

daran findet die Teilpräsentation statt. Zeit Minus: S.u.S. sehen sich die Arbeiten der anderen an und die Teilpräsentation findet in der

nächsten Stunde statt.

2.4.3.5 Reflexion der Sequenz

Die Schülerinnen und Schüler zeigten sich hochmotiviert und sind in dieser Sequenz zu sehr

unterschiedlichen Ergebnissen gekommen, die Techniken wie Astverbindungen, Astbeziehungen,

Astverformungen, und Astverfremdungen aufweisen. Sie haben den Umgang mit Farbe auf Körpern

erfahren und Farbmischungen vorgenommen. Eine Schülerin hat bei ihrer Farbwahl bewusst

Komplementärfarben zur Farbsteigerung eingesetzt.189

Zu Beginn der Sequenz stellten die Klecksbilder eine große Hilfe zur Findung von Objektideen dar.

Die Schülerinnen und Schüler suchten sich entsprechend dieser Vorlage die Äste aus dem Wald und

montierten sie zu einem Objekt.

Durch überkreuz gelegte Äste und entsprechende Fixierungen entstanden Tausendfüßler, die durch

eine anschließende Bemalung verfremdet wurden. 190 Ebenso wurden aus überkreuzten Ästen

Drachenwesen hergestellt, dessen Flügel mit Kleisterpapier bespannt wurden. Die anschließende

farbige Gestaltung unterstrich die mystische Wirkung. 191 Durch den handelnden Umgang entdeckten

einige Schüler die Technik der Astbiegung und dessen besonders feste Fixierung. Diese runden

Formen wurden z.B. für die Herstellung von Astschnecken benutzt.192

Im weiteren Verlauf der Unterrichtssequenz wurden die Fantasie und Kreativität der Schülerinnen und

Schüler zunehmend durch besondere Fundstücke im Wald angeregt. Dadurch lösten sie sich von ihren

189 siehe Foto im Anhang 190 siehe Fotos 15, 16 191 siehe Fotos 17, 18 192 siehe Foto 19

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Klecksvorlagen und kamen zu eigenen gestalterischen Ideen. Eine Schülerin fand einen Ast, dessen

Rinde schon abgefallen war. Der von Rissen durchzogene, verwitterte Ast in seiner mehrfach

gebogenen Form, rief bei der Schülerin die Assoziation „Schlange“ hervor. Sie lies durch

Bindfadenumwicklungen ein Schlangenmuster entstehen und bildete Augen aus Blättern.193 Ein

anderes Mädchen fand einen kleinen borkigen Zweig und ein Stück Rinde mit Loch. Sie bemalte den

Zweig mit Farbe und legte ihn auf die Baumrinde. Im Zusammenspiel dieser beiden Gegenstände,

sieht der Betrachter eine farbenprächtige Raupe, die aus einem Loch der Rinde schlüpft.194

Diese Ergebnisse sind nicht durch das Montieren von mehreren Ästen entstanden, sondern die

Schülerinnen haben die Oberfläche und Form der Äste durch Farbe bzw. Umwicklung so verändert,

dass daraus Objekte entstanden sind, die Tieren ähneln. Eine Schülerin hat durch

Bindfadenumwicklung eines verzeigten Astes und anschließender Bemalung eine Spinne entstehen

lassen, die sie auf einen Ast mit vielen Zweigen gesetzt hat. In diesen Ast hat sie durch locker

gezogene Bindefäden ein Spinnennetz gezogen. Auch bei diesem Ergebnis wird eine Verbindung

zwischen einzelnen verfremdeten Materialteilen geschaffen, die beim Betrachter die Assoziation

„Spinne im Netz“ auslöst.195 Neben den zuvor beschriebenen Objekten sind zahlreiche weitere

interessante Ergebnisse dieser Sequenz im Anhang zu finden.

Der regelmäßige Besuch des außerschulischen Lernorts Schlosspark wurde von den Schülerinnen und

Schülern als etwas Besonderes wahrgenommen. Dabei nahmen sie die vielen unterschiedlichen

Sinneseindrücke wahr, die die Natur bietet und die durch die Arbeitsmaterialien noch unterstützt

wurden.196 Ich gehe davon aus, dass diese sinnliche Atmosphäre viel zur Verlangsamung und

Intensivierung des Gestaltprozesses bei den Schülerinnen und Schülern beigetragen hat und eine

Verknüpfung für die Arbeiten der Künstler Goldsworthy und Long erreicht werden konnte.

Problematisch an dieser Sequenz waren die engen schulischen Zeitvorgaben, durch die die

Schülerinnen und Schüler gezwungen wurden, ihre gestalterischen Arbeiten immer wieder zu

unterbrechen. Ich gehe davon aus, dass künstlerische Ideen dadurch verloren gegangen sind.

2.5 Fünfte Unterrichtssequenz: „Kinderkunstausstellung“

Da diese Ausstellung erst nach Beendigung dieser Examensarbeit eröffnet wird, folgen im Anschluss

nur die didaktisch-methodischen Vorüberlegungen.

2.5.1 Didaktisch-Methodische Vorüberlegungen

Die gesamten Arbeiten der Schülerinnen und Schüler sollen in einer Kinderkunstausstellung im

Rahmen des Etelser Schlossparkvereins für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die

193 siehe Foto 20, 21, 22 194 siehe Fotos 23, 24 195 siehe Fotos 25, 26 196 siehe Foto 27, 28

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Ausstellung wird in Form einer Installa tion in dem Waldstück zu finden sein, indem die Schülerinnen

und Schüler gearbeitet und die Materialien für die Objekte gefunden haben.

Die Schülerinnen und Schüler haben sich über einen langen Zeitraum sehr intensiv mit

Naturmaterialien beschäftigt. Sie haben Freude an der Arbeit gehabt, aber mussten auch

Frustrationserlebnisse hinnehmen. Mit den Werken haben sich die einzelnen Schülerinnen und Schüler

sehr stark auseinandergesetzt. Ihre Erfahrungen und ihre ganze Persönlichkeit sind in den Objekten zu

finden.197 So zeigten sie mit ihren künstlerischen Auseinandersetzungen ein „Teil ihrer Selbst.“198 In

den Ergebnissen spiegelt sich die Kreativität und Fantasie der Schülerinnen und Schüler wieder. Die

Ausstellung ihrer Arbeiten im Rahmen des Etelser Schlossparkvereinsjubiläums zeigt eine Ernstnahme

und Wertschätzung ihrer Auseinandersetzung mit dem Thema. Ihr Selbstwertgefühl soll durch die

außerschulische Präsentation gestärkt werden. Weiterhin werden ihre Ergebnisse inmitten der Arbeiten

ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler zu sehen sein, dieses kann das Gefühl der

Gruppenzusammengehörigkeit erhöhen. 199

Als Präsentationsform habe ich mich für eine Installation mit allen Ergebnissen aus der

Unterrichtseinheit entschieden. Ich möchte keine Auswahl von besonders guten Ergebnissen treffen,

weil ich der Meinung bin, dass alle Schülerinnen und Schüler zu individuellen ausstellungswürdigen

Ergebnissen gekommen sind.

Die Installation wird mit den Schülerinnen und Schülern an dem Ort aufgebaut, an dem sie in der

letzten Sequenz gearbeitet haben. Dazu sollen die Baumgedanken der ersten Sequenz an einer

Bindfadenleine mit Holzwäscheklammern entlang des Weges aufgehängt werden. Die großformatigen

Plakate mit den Ergebnissen der experimentellen Malerei sollen an stärkeren Naturseilen aufgehängt

werden. Sie sollen den Besucher dazu auffordern, sich in das Waldstück hinein zu begeben. Ich

erwarte in diesem Zusammenhang Schwierigkeiten mit der Befestigung, die sich sicherlich vor Ort

lösen lassen. Zwischen den Plakaten sollen die Hexenmalerbesen hängen, die durch ihre Anwesenheit

auf die Entstehung der Arbeiten verweisen. Die fantastischen Astobjekte der Schülerinnen und Schüler

sollen je nach Art, auf dem Boden oder zwischen den Bäumen liegen oder an Ästen aufgehängt

werden. Durch diese Art der Ausstellung in der Natur wird ein Bezug zu den Künstlern Goldsworthy

und Long hergestellt.200 Denn die entstandenen Werke aus Naturmaterialien und die farbigen Spuren,

die die Materialien auf dem Karton hinterlassen haben, sind als Zeichen der Auseinandersetzung der

Schülerinnen und Schüler zu verstehen, die für die Zeit der Ausstellung an die Natur zurückgegeben

werden.201

Diese vorangegangenen Überlegungen können sich durch die örtlichen Begebenheiten und

Besonderheiten des Schlossparkjubiläums noch stark verändern.

197 vgl. Aissen-Crewett, S.120 198 siehe ebd. 199 vgl. ebd. 200 vgl. Kap. I, 3., Kap. II. 5. 201 vgl. Kap. I, 3.

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Durch die Ausstellung der Arbeiten im Schlosspark werden sie einer größeren Öffentlichkeit

außerhalb der Schule zugänglich gemacht. Die künstlerischen Ergebnisse bilden ein Bindeglied

zwischen der Schule und der Gemeinde. Die Transparenz, die durch die Kinderkunstausstellung und

die Vermittlung der Entstehung der Arbeiten entsteht, ist als Öffnung der Schule und des Faches Kunst

anzusehen.

3. Gesamtreflexion der Unterrichtseinheit

Durch das Arbeiten mit Naturmaterialien wurden den Schülerinnen und Schülern Möglichkeiten

gegeben, sich durch vielfältige sinnliche Reize angesprochen zu fühlen und sinnliche Erfahrungen zu

machen. Über die unterschiedlichen Oberflächenqualitäten konnten vermehrt reale haptische und

intensive visuelle Reize aufgenommen werden. Wie intensiv die Schülerinnen und Schüler diese

sinnlichen Reize wahrgenommen, welche sie davon verarbeitet haben und wie viele davon als

Erfahrungen abgespeichert worden sind, kann ich nicht überprüfen. Ich gehe davon aus, dass die Reize

von den Kindern in unterschiedlicher Weise aufgenommen worden sind, entsprechend ihrer

Persönlichkeit, ihren Bedürfnissen, Vorerfahrungen und Möglichkeiten. Dementsprechend kann ich

nicht nachweisen, dass eine Erweiterung der sinnlichen Erfahrungen durch die Naturmaterialien

stattgefunden hat.

Schwierig ist auch die Nachweisbarkeit von Erlebnissen. Es gab Unterrichtsstunden, deren

Atmosphäre in meinen Augen spannungsvoll, intensiv und erfahrungsbezogen war, z.B. die

Unterrichtstunde in der die Schülerinnen und Schüler auf dem Schulhof mit ihren Hexenmalerbesen

experimentiert haben202 oder die Unterrichtstunde, in der sie das Zufallsverfahren angewendet haben.

Aber ob die Schülerinnen und Schüler dieses genau so erlebt haben und sie als Erlebnis bezeichnen

würden, ist fraglich. Nachweisbar ist, dass durch die Unterrichtseinheit Situationen geschaffen

wurden, die so intensiv waren, dass sie als außergewöhnliche Erlebnisse interpretiert werden könnten.

Diese Interpretation ist abhängig von der Persönlichkeit der jeweiligen Schülerin bzw. des jeweiligen

Schülers.203 Denn was für den einen ein Erlebnis darstellt, muss für den anderen noch nicht einmal von

Bedeutung sein. Die intensive motivierte Herangehensweise der Schülerinnen und Schüler zeigt mir

aber, dass es wichtig ist in der Schule vermehrt Situationen zu schaffen, in denen Schülerinnen und

Schüler sinnliche Erfahrungen und besondere Erlebnisse machen können. Zum einen, um einen

Gegenpol zum Alltag zu schaffen204 und zum anderen, weil die Schule neben der Vermittlung von

Wissen, auch die Ausbildung des gesamten Menschen, seiner Emotionalität und seines Geistes fördern

sollte. Kunstunterricht kann dazu einen besonderen Beitrag leisten.

202 vgl. Kap. III, 2.2 203 vgl. Kap. I, 2.2 204 vgl. Einleitung; Kap. I, 2.1

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Durch die Unterrichtseinheit haben die Schülerinnen und Schüler im grafischen, farbigen und

räumlichen Bereich neue Techniken erlernt.205 Durch die selbst hergestellte Zweigfeder und das

Schreiben mit Scribtol wurde die Verlangsamung des Schreibprozesses und damit eine

Bewusstmachung erreicht.206 Durch das Aufschreiben wurden die „Aspekte der Bewegung,

Sinnlichkeit und Körperlichkeit“207 auf die Hand bezogen. Im Weiteren erlernten die Schülerinnen und

Schüler die Technik der „Experimentellen Malerei“ unter Einbeziehung ihres ganzen Körpers

kennen.208 Durch das Experimentieren erfuhren die Schülerinnen und Schüler selbstständig die

Möglichkeiten des Naturmaterials. Diese Technik war für die Schülerinnen und Schüler in

besonderem Maße motivierend, spannungsvoll und ganzkörperlich erfahrbar.209 Die vorgegebene

Sitzhaltung, die allgemein im Unterricht erwünscht ist, wurde aufgehoben zugunsten einer stehenden,

den ganzen Körper einsetzenden Malhaltung.

Eine besondere Herangehensweise, um zu Ideen für die künstlerische Gestaltung von Astobjekten zu

gelangen, ist die assoziierende Technik des Zufallsverfahrens.210 Die Schülerinnen und Schüler

wurden dadurch angeregt, Assoziationen zuzulassen, daraus Fantasien zu entwickeln und diese kreativ

in Astobjekte umzuwandeln. Dabei wurden sie in ihren individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten

gefördert. Dieses lässt sich besonders an den unterschiedlichen Bearbeitungsqualitäten der Astobjekte

nachvollziehen. So reichen die Bearbeitungen von reiner Bemalung (Astschlange),

Musterfadenumwicklung für die Schlangenhaut, über Sichtbarmachung von Beziehungen

(Spinne/Spinnennetz oder Rindenwurm) bis hin zu fantastischen Wesen (Waldfee, Drache,

Zauberschmetterling aus Astverbindungen, usw.). Die Ergebnisse sind überwiegend im realen und

weniger im fantastischen Bereich angesiedelt.211 Eine mögliche Erklärung könnte in den Vorlieben der

Schülerinnen und Schüler zu finden sein.

Im Verlauf der Unterrichtseinheit konnte ich eine Verbessung der Handgeschicklichkeit bei fast allen

Schülerinnen und Schülern beobachten. Zu Beginn der zweiten Sequenz gab es häufig

Schwierigkeiten mit den Bindfadenumwicklungen und den Verknotungen. Am Ende der vierten

Sequenz traten diese Probleme nur noch in wenigen Fällen auf.212

Weiterhin konnte ich auch eine deutliche Verlangsamung im Entstehungsprozess der Objekte

erkennen.213 Die Schülerinnen und Schüler ließen sich mehr Zeit, um die passenden Materialien zu

suchen, über Konstruktionen ihrer Objekte nachzudenken und sich mit anderen darüber auszutauschen.

Dieses führte dazu, dass die Arbeitsatmosphäre im Schlosspark an Kunstwerkstätten erinnerte, in der

jeder Schüler und jede Schülerin seinen/ ihren Platz fand. Manche entfernten sich von der Gruppe, um

205 vgl. Kap. II, 6. 206 vgl. Kap. III, 2.2 207 vgl. Schreier, S. 17 208 vgl. Kap. III, 2.2 209 vgl. Kap. III, 2.2.3 210 vgl. Kap. II, 1.1.2.1; Kap. III, 2.3 211 vgl. Kap. III, 2.4.3.5 212 vgl. Kap. II, 4; Kap. III, 2.4.5 213 vgl. Kap. III, 2.3.3

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konzentriert zu arbeiten und andere suchten sehr bewusst den Kontakt. Sie arbeiteten im Stehen oder

im Sitzen und konnten ihre Arbeitshaltung so wählen, wie es für ihren Körper am angenehmsten war.

Dadurch konnten sie den Körper in unterschiedlichen Arbeitshaltungen einsetzen und erfahren. Diese

Unterrichtssequenz kam den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler entgegen. Die Schülerinnen

und Schüler profitierten von der Öffnung des Kunstunterrichts in die reale Natur, denn sie erlebten

dort den Gegenpol zum schnelllebigen, konsumorientie rten Leben.

Es lässt sich weiterhin festhalten, dass sich die Kinder aufgrund ihrer durch Handlung erworbenen

künstlerisch technischen Erfahrungen sehr gut auf die Werke der Künstler Pollock, Hartung, Long und

Goldsworthy einlassen konnten. Daher ist diese Form von Kunstvermittlung in besonderem Maße

geeignet, dieser Lerngruppe Einblicke in Arbeitsweisen und Werke von Künstlern zu vermitteln.

Die Fantasie der Schülerinnen und Schüler wurde durch den außerschulischen Lernort Schlosspark

und seine besondere Atmosphäre angeregt. Sie erkannten, dass durch die reale, sinnliche und

anschauliche Begegnung mit der Natur Assoziationen und Fantasien entstehen können. Die

Schülerinnen und Schüler schauten dabei nicht mehr auf den Waldboden, sondern auf die Stämme und

Kronen der Bäume und erkannten darin Fantasiegestalten. Diese Beobachtung und die individuellen

Ergebnisse der Schülerinnen und Schüler verdeutlichen, dass die Unterrichtseinheit zu einer Fantasie -

und Kreativ itätsförderung beigetragen hat.214

Die ruhige Atmosphäre des Parks wirkte sich auch auf die Schülerinnen und Schüler aus, denn es gab

keine Unterrichtsstörungen mehr. Sie konnten in dieser Lernumgebung bei aufkommender

Bewegungsunruhe aufstehen und umhergehen, um sich danach wieder ruhig und konzentriert mit

ihren Arbeiten auseinander zu setzen.215 Erstaunlich war für mich, dass sie sich in der

Unterrichtseinheit über einen langen Zeitraum nur mit Naturmaterialien und in der vierten Sequenz mit

Objekten beschäftigen konnten ohne gelangweilt, unmotiviert oder unkonzentriert zu werden.216

Dieses ist evtl. sowohl auf die vermehrten sinnlichen Reize des Materials, auf die Anwendung von

unterschiedlichen Techniken und auf die andere Lernumgebung zurückzuführen.

Der Lernort Park führte auch zu nicht geplanten außergewöhnlichen Ereignissen. So wurde von den

Schülerinnen und Schülern in einer Stunde ein großer Käfer entdeckt, der sich krabbelnd auf ihren

Händen und Armen bewegen durfte.217 Diese intensiven taktilen Wahrnehmungen wurden im

Anschluss sehr genau besprochen. In einer weiteren Unterrichtsstunde lief eine kleine Spitzmaus über

die Wiese und wurde von allen mit sehr großem Interesse betrachtet. Eine Klassenlehrerin hätte in

diesen Fällen situativ in der nächsten Unterrichtsstunde auf diese Originalbegegnung reagieren

können. Ich konnte es leider nicht.

214 vgl. Kap. II, 6. 215 vgl. Kap. II, 4. 216 vgl. Einführung; Kap. I, 2., 2.1, 2.3 217 siehe Foto

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Die zuvor genannten Gründe rechtfertigen den hohen Material- und Organisationsaufwand, der die

Unterrichtseinheit begleitete. Schwierig hingegen war der Umgang mit der Zeit. Es stand eine

Unterrichtsstunde pro Woche für diese Unterrichtseinheit zur Verfügung. Dieses stellte eine besondere

Herausforderung für den Unterricht im Schlosspark da. Für den Unterrichtsgang hatte ich die große

Pause eingeplant. Nach dem zweiten Besuch forderten die Schülerinnen und Schüler diese jedoch aus

gutem Grund wieder ein. Um die Motivation zu erhalten und sich auf das Arbeiten im Schlosspark

einlassen zu können war es mir wichtig, den Forderungen der Klasse nachzukommen. Die

Klassenlehrerin erklärte sich bereit, ihren Unterricht zwanzig Minuten früher enden zu lassen und

somit den Schülerinnen und Schülern eine große Pause zu ermöglichen.

Trotz dieser Maßnahme litten die Schülerinnen und Schüler im Schlosspark unter der

Zeitdisziplinierung. Denn gerade, wenn sie „im Bilde waren“ und sich auf ihr Objekt eingelassen

hatten, war es schon wieder Zeit aufzuräumen und zur Schule zurückzugehen. 218 Die Arbeiten der

Schülerinnen und Schüler hätten an ästhetischem und technischem Charakter gewonnen, wenn der

Lerngruppe eine Doppelstunde zur Verfügung gestanden hätte. Dieses bestätigte auch der in einer

Unterrichtstunde anwesende Rektor der Schule. Im neuen Schuljahr werden für die ersten und zweiten

Klassen Doppelstunden für den Kunstunterricht eingesetzt.

Die Unterrichtseinheit war geprägt von mehreren unterschiedlichen Techniken, die z.T. nicht

vertiefend behandelt wurden. Die Schüle rinnen und Schüler kamen z.B. nicht dazu, ihre eigenen

Erfahrungen nach der experimentellen Malerei auf dem Schulhof noch einmal bewusst malerisch

umzusetzen. Weiterhin wurden die Auseinandersetzungen mit den Künstlern nicht vertiefend

behandelt. Alternativ würde ich, die Vielfalt an Techniken sowie Künstlern einschränken und

vertiefend mit einer Technik und einem Künstler arbeiten. Ich würde den Schülerinnen und Schülern

mehr Zeit zur intensiveren Bearbeitung und Umsetzung ihrer Erfahrungen lassen. Ein Museumsbesuch

in der Neuen Weserburg in Bremen könnte eine Möglichkeit sein, den Schülerinnen und Schülern

durch Realbegegnung mit Kunstwerken, Kunst näher zu bringen. Auch dort würde ich mich auf einen

Künstler beschränken. Ich habe in meiner Unterrichtseinheit darauf bewusst verzichtet, weil für mich

die land-art Kunst im Museum wenig von ihrem Ausdruck, den sie in der Natur hat, vermitteln kann.

Diese Unterrichtseinheit wäre als Thema für eine Projektwoche denkbar. Da die Schülerinnen und

Schüler sich dann individuell die Zeit nehmen können, die sie zum Denken, zum Ideen entwickeln und

verwerfen benötigen. Denn gerade Kreativität, die als eine Schlüsselqualifikation der

Persönlichkeitsmerkmale gilt, kann sich in der offenen Zeitstruktur besser entfalten. Außerdem wäre

Zeit, um auf Bäume zu klettern, bei geschossenen Augen den Geräuschen zu lauschen, auf

Entdeckungsreise zu gehen und anderes mehr. Diesen sinnlichkeitsanregenden, kindorientierten

Erlebnissen konnte ich im Rahmen meiner Unterrichtseinheit nur begrenzt Raum geben. Somit sind

die Lernmöglichke iten, die die Natur den Schülerinnen und Schülern bietet, aufgrund des zeitlichen

Organisationsrahmens nicht ausgeschöpft worden.

218 vgl. Kap. III, 2.4.5

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Verster, Frederic: Denken, Lernen, Vergessen. 13. Auflage. Stuttgart 1986.

Weber, Andreas: Was ist so schön an der Natur? In: Zeitschrift Geo Wissen. September

1997.

Wick, Rainer K.: Johannes Itten. Kunstpädagogik als Erlebnispädagogik? Lüneburg 1997.

Wagner, Monika (Hrsg.): Lexikon des künstlerischen Materials. Werkstoffe der modernen

Kunst von Abfall bis Zinn. München 2002.

Wimmer, Norbert: Unsere Natur erforschen und erleben. Bad Rodach 2000.

Ziegenspeck Jörg: Fahrt ins Leben. Lüneburg 1996.

Zitzlsperger, Helga: Ganzheitliches Lernen. Welterschließung über alle Sinne. Weinheim

und Basel 1995.

CD Rom

Brockhaus multimedial 2000

Encarta Enzyklopädie 1999

Internetadresse

www.eos-ep.de/eos.htm

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Anhang

Fantasiegeschichte zur ersten Unterrichtssequenz „Schreibfantasien mit Zweigfeder“

Vor langer Zeit lebte in Etelsen eine Frau, die Bäume sehr liebte. Sie wohnte in einem kleinen Haus

nahe beim Schloss und war sehr arm. Wenn es ihre Zeit zuließ, dann spazierte sie durch den

Schlosspark, sah sich die Bäume und Sträucher an und war wie verzaubert von der Schönheit der

Natur. Besonders gern hatte sie einen Baum. Sie liebte es unter diesem Baum zu sitzen und nach oben

in das Blätterdach zu schauen. Sie fühlte mit ihrem Rücken die raue Rinde und hörte das Rauschen der

Blätter über ihr, wenn der Wind hindurchwehte. Im Frühling war der Baum von vielen Blühten

bedeckt und es roch wunderbar süß. An einem Tag, als sie wieder durch den Park spazierte und sich

unter ihren Lieblingsbaum setzte, bemerkt sie ein starkes Verlangen etwas für ihren Baum zu

schreiben. Sie erinnerte sich daran, dass sie noch sehr alte Tinte von ihrer Mutter besaß, aber die

Feder, die sie zum Schreiben benutzte, war schon seit langer Zeit zerbrochen. Sie stand traurig auf und

sah noch einmal in das Blätterdach. Sie hätte so viel zu schreiben gehabt. Es waren viele Worte, Sätze

und Gedichte in ihrem Kopf. Sie begann zu gehen und plötzlich stolperte sie über etwas, was direkt

vor ihr am Boden des Baumes gelegen haben musste. Sie nahm es in die Hand, sah es sich genau an

und plötzlich strahlte sie über das ganze Gesicht. Denn der Baum hatte ihr etwas geschenkt, mit dem

sie mit etwas Geschick ihre Gedanken aufschreiben konnte.

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Fantasiegeschichte zur zweiten Unterrichtssequenz „Spurensuche mit dem Malerbesen“

Vor langer Zeit lebte einmal eine kleine Hexe in einem kleinen schiefen Hexenhaus mitten im

Wald. Sie hieß Hixi, weil sie sehr oft einen Schluckauf bekam. Das allerschönste war dann für

sie, mit dem Schluckauf durch die Lüfte zu reiten. Dazu benutzte sie natürlich ihren

Hexenzauberbesen. Dieser Besen war etwas ganz besonderes, denn Hixi saß nicht auf ihm,

sondern sie hielt ihn in der Hand. Nur so konnte sie nämlich das tun, was sie neben dem

Fliegen am allerliebsten tat, sie malte den Himmel an. Je nachdem, wie sie durch die Wolken

flog, änderte sich die Farbe des Himmels. Und je nach Laune von Hixi war er manchmal von

Streifen in unterschiedlichen Farben oder von Punkten und Strichen durchzogen. Besonders

lustig sah er aus, wenn sie ihren Schluckauf hatte.

An manchen Tagen ließ sie sich Zeit und flog ganz langsam über den Himmel, dann sahen die

Spuren dick und träge aus und manchmal brauste sie mit unglaublicher Geschwindigkeit und

hinterließ dann dünne fast unsichtbare Linien.

Eines Tages ritt sie wieder mit ihrem Besen, als sie von einem Gewitter überrascht wurde. Es

begann zu regnen, zunächst ganz kleine und dann immer dickere Tropfen. Gleichzeitig wurde

der Wind immer stärker und stärker. Es blitzte und weil das noch nicht schlimm genug war,

bekam Hixi auch noch ihren Schluckauf. Ihrem Besen schien das Ganze gar nichts

auszumachen, denn er malte mit kräftigen Strichen rote, gelbe und blaue Farbe in den

Himmel.

So schnell wie das Unwetter gekommen war, verschwand es auch wieder. Hixi landete und

betrachtete verwundert den Himmel. So etwas Fantastisches hatte sie noch nie gesehen.

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Suchgeschichte zur Einführung in den außerschulischen Lernort Schlosspark

Hexe Hixi hat noch eine andere Lieblingsbeschäftigung. Sie sammelt kleine Gegenstände, die

sie auf dem Boden findet. Mach es wie sie und suche auf dem Waldboden

1. - etwas dünnes

2. - etwas dickes

3. - etwas spitzes

4. - etwas raues

5. - etwas glattes

6. - und etwas winzig kleines.

Fantasiegeschichte zur vierten Unterrichtssequenz: „Astfalter und anderes Getier“

Ich habe euch ja schon einmal von der Hexe Hixi erzählt. Mir ist zu Ohren gekommen, dass

sie sich furchtbar langweilt. Sie hat keine Lust mehr immer allein den Himmel anzumalen und

sie sehnt sich nach Freunden. Wie ihr euch sicher denken könnt, kann eine Hexe natürlich

nicht mit ganz normalen Menschen befreundet sein, sondern es müssen Zauberwesen sein,

wie sie selbst. Die Hexe Hixi ist mit ihrem Besen heute nacht über unseren Wald geflogen

und hat nach Spielgefährten gesucht, die mit ihr Verstecken spielen. Aber leider haben sich

die fantastischen Wesen in den Bäumen und Zweigen so gut versteckt, dass sie sie nicht

gefunden hat. So musste sie wieder ohne Freunde nach Hause fliegen. Vielleicht können wir

ihr helfen die fantastischen Wesen sichtbar zu machen. Dazu brauchen wir einen

Zauberspruch. Er wirkt besonders gut, wenn wir uns dabei anfassen und alle gemeinsam den

Spruch sagen:

Zauberspruch zur vierten Unterrichtssequenz: „Astfalter und anderes Getier“

Hexi Hixi huckeldi Maus!

Fantastische Wesen

kommt aus den Zweigen heraus!

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Erklärung gem. § 13 PVO-Lehr II

Ich versichere, dass ich die vorliegende Hausarbeit selbstständig angefertigt, keine anderen als

die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe und die Stellen der Arbeit, die im Wortlaut oder im

wesentlichen Inhalt anderen Werken entnommen sind, mit genauer Angabe der Quelle

gekennzeichnet habe.

Verden, den 10. August 2003 Heidi Dora