Erzählte Landschaft

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UFERINSPIRIERTE LITERATUR UND LANDART ERZÄHLTE LANDSCHAFT EDITION KUNSTBOX IM OTTO MÜLLER VERLAG

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Uferinspirierte Texte aus den Jahren 2008 – 2010 von Stephanie Bart, Claudia Bitter, Friedrich Hahn, Andra Joeckle, Anna-Elisabeth Meyer, Helge Streit und Landart-Kunstwerke von Wolfgang Buntrock, Frank Nordiek, Hans Schmidt, Wolfgang Richter und v.a.

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die gegend ist meine sprache

meine wörter an die dürren äste der birken gehängtschaukeln leicht im novemberwindmeine wörter ins grünweiche waldmoos gebettetrekeln sich und schnurren meine wörter weit in den see hinausgeworfenspringen ein paar mal übers wasser und versinkenmeine wörter in reih und glied am ufer aufgestellt lassen sich von wellen umspülen und höhlen nicht ausmeine wörter auf der saftigen kuhweide abgesetztlaufen unter den beinen der kühe hin und her meine wörter aufs gipfelkreuz gebunden rufen den namen des berges in die aussicht meine wörter in den ersten winterwind geheftet fliegen fort und winken zum abschied

die gegend spricht meine sprache ist gegend

Claudia Bitter

ISBN 978-3-7013-1147-7

Wenn im Salzburger Seenland der Herbst

Einzug hält, die Sonnenhungrigen den

Ufern langsam den Rücken kehren, Boote

und Stege eingeholt und gesichert werden,

beziehen Jahr für Jahr zwei ausgewählte

AutorInnen ihre Quartiere am Wallersee

und beginnen zu schreiben. 2005 wurde

dieses Stipendium vom Kulturverein

KunstBox Seekirchen mit dem Ziel ins

Leben gerufen, der inspirativen Atmos-

phäre der Wallersee-Ufer auf den Grund zu

gehen, die schon Zuckmayr, Horváth und

Bernhard zu Lebzeiten faszinierte.

Die erste Wallersee-Anthologie enthält die

am Ufer entstandenen Texte: Aufzeich-

nungen, Gedanken, Geschichten und

Gedichte von Zdenka Becker, Claudia

Bitter, Christian Futscher, Semier Insayif,

Johanna Straub und Jochen Weeber, die

bei ihren Wallersee-Aufenthalten entstan-

den sind.

Die Fotografien in dieser Anthologie ver-

suchen den Zauber des Wallersees und sei-

ner Uferbereiche einzufangen. Entstanden

sind die Bilder im Zeitraum 1984 bis 2008,

aufgenommen von Leo Fellinger, Fotograf

und Kunstvermittler. Er kam 1984 nach

Seekirchen am Wallersee und fasste sehr

bald eine Zuneigung zu dieser Landschaft,

in die der Wallersee eingebettet ist. Die

unspektakuläre Schönheit, den Wider-

spruch von Bescheidenheit und Größe

versuchte er in seinen Bildern festzuhal-

ten. „Fotografieren ist eine Art zu leben“,

sagte einst Cartier-Bresson. So betrach-

tet sind diese Bilder Lebensbilder einer

Landschaft.

Leo Fellinger, geboren 1955 in Salzburg,

lebt in Seekirchen, wo er gemeinsam mit

seiner Frau Verena und Freunden ein Kultur-

zentrum für das Salzburger Seenland auf-

baute und damit auch den Grundstein für

das Literaturprojekt „Auf der Suche nach

der Inspiration des Ufers“ legte.

ERzäHlTE lANDSCHAFT

e d i t i o n KUNSTBOX i m o t t o m ü l l e r V e r la g

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erzählte landschaft

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Uferinspirierte texte aus den Jahren 2008 – 2010

von Stephanie Bart, Claudia Bitter, Friedrich Hahn,

andra Joeckle, anna-elisabeth meyer, Helge Streit.

landart-Kunstwerke von Wolfgang Buntrock, Frank

Nordiek, Hans Schmidt, Wolfgang richter und v.a.

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erzählte landschaft

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I n h a l t

Einleitung 7

Helge Streit Treibgut 12

Andra Joeckle Heimweh nach dem nackten See 26

Friedrich Hahn In den Farben der Nacht 40

Anna-Elisabeth Mayer Nach Californien springen 62

S.U. Bart Ach nö 70

Abgeschrieben 76

Der Gerufene erscheint 82

Claudia Bitter Landartgedichte 88

Die AutorInnen 96

Die Landart-Künstler 100

Landart und Fotografie 106

Landart-Index nach Bildern 112

Dank 117

Impressum 120

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„als ob Kunst nicht auch Natur wäre und Natur Kunst!“ So interpretierte einst Christian

morgenstern das enge Verhältnis von mensch und Natur im künstlerischen Schaffen, denn

die Natur war schon immer eine unerschöpfliche inspirationsquelle für die gestaltung der

menschlichen Umwelt. die inspirierenden Kräfte, die sich in der auseinandersetzung mit

Natur und landschaft entfalten, wirken auch außerhalb der mechanismen, mit denen wir

ein abbild unserer Welt schaffen wollen - sie wirken im Verborgenen, als atmosphärische

grundlage, vor allem in der literatur, beim Schreiben und dichten. aber auch in der krea-

tiven disziplin landart, die Kunst und Natur zu einer einheit verbinden will, geht es darum,

sich von der umgebenden landschaft anregen zu lassen und einen Platz in ihr zu finden.

Beide angesprochenen Herangehensweisen sind zentrale Wirkungsfelder des Kulturvereins

Kunstbox in Seekirchen am Wallersee, dessen Ufer auch der inhaltliche ausgangspunkt

des literatur-Projektes „auf der Suche nach der inspiration des Ufers - literaturlandschaft

Wallersee“ ist. Jahr für Jahr werden autorinnen eingeladen, am Ufer wohnend zu schreiben

und die inspiration des Ufers in sich aufzunehmen, um sie uns in Form ihrer erzählungen

und gedichte wieder zurückzugeben. Sie sind die jüngsten in der historischen reihe

bekannter literaten, die sich ihre inspiration an den Ufern des Wallersees holten: Carl

und alice Herdan-Zuckmayer, thomas Bernhard und Johannes Freumbichler, Ödön von

Horváth, Sylvester Wagner, Franz Stelzhamer und viele mehr. Nun ist dieses Projekt sechs

Jahre und elf Schriftsteller jung, elf wunderbare menschen durften wir kurze Zeit begleiten

und kennenlernen. diese zweite anthologie enthält die am Ufer entstandenen texte von

fünf autorinnen der Jahre 2008 bis 2010.

das zweite Projekt „die stille Kraft der Vergänglichkeit - landart im Salzburger Seeland“

hingegen befasst sich mit einer Kunstform, die dazu beitragen kann, die Natur thematisch

neu für den menschen zu erschließen. landart reflektiert die gegebenheiten unveränderter

oder gestalteter Natur, betont mit einer großen ästhetischen Komponente die eigenheiten

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der speziellen landschaft. die arbeit mit unterschiedlichen materialien und Farben schärft

den Blick, macht aufmerksam, verändert unsere Sichtweise der dinge. die arbeit selbst wie

auch die rezeption des ergebnisses vergrößern das Verständnis für das Wesen der Natur.

die Komponenten Zeit, Wetter, licht, tages- und Jahreszeiten sind mitgestalter dieser

künstlerischen auseinandersetzung. Seit 2007 bespielt der Kulturverein Kunstbox die viel-

fältige landschaft des Salzburger Seelandes und lädt landart-Künstler ein, ihre Spuren in

der landschaft zu hinterlassen. aber auch kunstinteressierte erwachsene und Schüler erhal-

ten in dreitägigen Workshops die möglichkeit, sich aktiv mit landschaft und landschafts-

elementen auseinanderzusetzen. orte werden entdeckt, inspirationen gesucht, mit den

verschiedensten materialien experimentiert - es entstehen vergängliche Kunstwerke, die

am ende des Workshops der landschaft übergeben werden. diese anthologie enthält Bilder

beispielhafter Kunstwerke, die in den letzten Jahren entstanden sind.

das Zusammenspiel von Natur und Kunst im Seenland mit seinen inspirierenden

landschaften, sichtbaren und unsichtbaren Horizonten soll sich in diesem Buch wider-

spiegeln und die augen öffnen für andere, überraschende Perspektiven.

Leo Fellinger, Kulturverein KunstBox

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t r E I b g u t

Prosastücke von Helge Streit

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Wäre ich einen tag früher hier angekommen, hätte ich noch einen verspäteten Sommer

erlebt, und den anschließenden, plötzlichen Herbsteinbruch mit regen, Schneefall,

Sturmböen und kaltem Wind. Vielleicht stelle ich mir deshalb das herbstliche Still-

Werden am See in diesem Jahr wie eine Flucht vor, und mit diesem gedanken sehe ich

überall die Spuren dieser überhasteten abreise. auch in den anderen Jahren wären die

Satellitenschüsseln auf den jetzt unbewohnten Wohnwagen des Campingplatzes Fenninger

Spitz zu sehen, so aber scheinen sie mir eben noch im lauschen begriffene ohren, die eine

Botschaft empfangen, die niemanden mehr erreicht. Zwei Fahrräder stehen nur deshalb

vor der geschlossenen rezeption, weil sie es nicht vermochten, ihre Besitzer rasch genug

fortzubringen. Sogar die tür eines der Ferienhäuser zwischen Ufer und dem Schlachter

Bach steht offen. ich gehe bis in den ersten Stock hinauf. alles ist da, nur die menschen

scheinen verschwunden. auch die Natur wurde von der plötzlichen Kälte überrascht. der

löwenzahn hatte keine Zeit mehr, seine Samen abzuwerfen. Schneeflocken sticken auf

seinen runden Köpfen kleine Hauben. im Henndorfer Seefreibad liegen auf einem der

tische des lokals noch die abrechnungen, als wäre dort jemand mitten in der arbeit auf-

gestanden. die benachbarten tische sind gedeckt, die roten Servietten aufgefaltet, in der

mitte stehen vier Weingläser. am Ufer wirbelt die Sturmwarnung das licht hinaus auf den

bleigrauen See. die Wellen tragen als treibgut die Spuren des zurückliegenden Sommers

wie artefakte einer untergegangenen Kultur ans Ufer. den Badeschuh eines Kindes, eine

gelbe Spielzeugente, ein ruderblatt aus Plastik.

Wenn ich mich abends in meinem Zimmer auf dem Platz am tisch zurücklehne und von der

Seite her auf die jetzt nachtdunklen Fensterscheiben blicke, erkenne ich an ihrem oberen

rand den abdruck zweier Hände.

Während der trüben tage bleiben die Fenster der Züge am gegenüberliegenden Ufer

schwarz, obwohl in den Wagen, wie ich von meinen Spaziergängen weiß, das licht ein-

geschaltet ist. in der Nacht bilden sie dann lange lichterketten. diese Züge fahren nach

münchen und Paris, und in der gegenrichtung nach Wien und Budapest. manchmal sind

die Züge auch bei geschlossenen Fenstern zu hören, zu anderer Zeit sind sie stumm.

in dem lang gestreckten, eingeschossigen Haus am See gibt es vier Wohnungen, jeweils

zu zweien einander spiegelverkehrt zugeordnet. Ähnlich wie die Zellen in einem Kloster

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gleichen sich die Wohnungen bis auf wenige details. die ersten beiden Wohnungen sind

jetzt von der Berliner autorin S. U. Bart und mir bewohnt. die beiden anderen Wohnungen

sind leer.

mit einem der früheren Wallersee-Stipendiaten teilte ich zu verschiedener Zeit auch

andere aufenthaltsstipendien. Wir bewohnten dieselben Zimmer, unsere Jacken hingen in

denselben Kästen, wir blickten in dieselben Spiegel und durch dieselben Fenster. Vielleicht

werden wir uns irgendwann begegnen. Jemand stellt uns einander vor und wir werden

dann sagen, uns noch nicht zu kennen.

Wenige Schritte vom Ufer entfernt, nur zu sehen, wenn man mit dem Boot zurückkehrt,

liegt ein dickes rohr im Wasser, dessen eine Seite in einen Betonsockel eingemauert ist

und das an die Säule einer untergegangenen römischen Villa erinnert. ich weiß nicht

mehr, wo ich davon gelesen habe, dass in der vormodernen Welt, als die Natur noch nicht

den gesetzen der Kausalität unterworfen war, sondern einzig der Willkür der götter, das

rudern eine magische Handlung darstellte, die diese götter dazu überredete, das Boot

voranzutreiben. dabei kommt mir heute der ernst, mit dem wir glauben, es hänge alles

einzig von unserer einsicht ab, nicht weniger komisch vor.

Warum habe ich beim anblick der Vögel, die ich auf dem Weg vor mir aufschrecke und

die in die Baumkronen fliegen, den eindruck, als liefen die Bilder rückwärts? obwohl ich in

den ersten tagen hier am See niemandem begegne, entdecke ich an zahlreichen Spuren

die anwesenheit der menschen. die vier weinroten Barhocker, die im Henndorfer Freibad

vor der „Cocktailbar“ standen, sind verschwunden. die rechnungen liegen jetzt in anderer

anordnung auf dem tisch. an einem Baum in einem der gärten leuchten hell die Wunden

der frisch geschnittenen Äste, die im feuchten gras zu einem Haufen geschichtet sind.

Von Seekirchen aus war ich früher einmal den Wallersee-rundweg gegangen, kehrte aber

auf der Höhe des Wenger moores um. diesmal gehe ich weiter, womit ich nach fünfzehn

Jahren den Weg wieder aufnehme und diesmal zu ende gehe. es sieht mutig aus, wie sich

die Blässhühner kopfüber ins Wasser stürzen. mit einem Schwung, der die angst kennt,

tauchen sie ab. eine Willensbekundung, die ihrem auftauchen, wenn sie sich passiv an die

oberfläche tragen lassen, fehlt.

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in der Vorhalle der Pfarrkirche von Seekirchen wird der gefallenen des Zweiten Weltkriegs

gedacht. in den meisten orten liest man nur die Namen und Jahreszahlen, hier ist über

jedem der Namen ein Bild angebracht. Wo aber sind die Namen und Bilder der anderen,

die, die von hier vertrieben und die, die ermordet wurden?

Während meiner Fahrten auf der autobahn von Wien nach münchen komme ich regelmä-

ßig an Salzburg vorbei. über die Jahre ist der abstand zwischen den lärmschutzwänden,

der den Blick auf die Stadt freigibt, immer kürzer geworden. Vom restaurant der

autobahnraststation Walserberg aus betrachtet, die ich erst von diesen Fahrten her kenne,

scheint Salzburg eine völlig andere Stadt zu sein, als die, in der ich vor fünfzehn Jahren

lebte. die Kellnerin, die wir kennen, ohne dass sie uns kennt, wischt dann wie jedes mal,

wenn sie die Bestellung aufnimmt, mit einem tuch über den tisch.

in unserem alltag bewegen wir uns zumeist nur an der oberfläche der Zeit. Kehrt man aber

an einen ort zurück, in dem man lange lebte, schlägt die Zeit wie eine Woge über einem

zusammen, die erinnerungen verlieren ihre Verankerung in einem Vorher - Nachher und

sind wie treibgut über die Häuser, Plätze und Straßen ausgestreut. ich gehe durch die ver-

trauten gassen und fühle mich gleichzeitig wie ein Fremder. die erinnerungen fordern ein

„ich“ ein, eine Komplizenschaft, die ich verweigere, oder die ich auch einfach nicht mehr

empfinden kann. Vor dem gefühl, mich wie ein geist durch die Stadt zu bewegen, flüchte

ich in eine Zeitung. in dem Café, in dem ich sitze, sehe ich wenige tische von mir entfernt

ein Paar, etwa in meinem alter. es scheint mir, ich könnte mir ihr leben genau vorstellen.

dass einmal mein eigenes leben dem ihren ähneln würde, wäre mir in den Jahren, die ich

in dieser Stadt verbrachte, wahrscheinlicher erschienen, als das leben, das ich jetzt führe.

Vom anderen Seeufer aus sieht man, was man hier nicht sieht: die gipfel der nahen alpen,

auf denen zu dieser Jahreszeit bereits Schnee liegt. Vielleicht erscheint uns das Ufer des-

halb so unterschieden von dem unseren.

über einem der jetzt ganz von Schnee bedeckten Berghänge, der aber flach genug

erscheint, dass man dort gehen könnte, liegt ein eigentümliches licht, ein intensives,

künstlich wirkendes gelb. Wie müsste es sein, denke ich, könnte ich jetzt über dieses

Schneefeld gehen. innerhalb weniger minuten kippt das gelb ins grau, dann ins Schwarz,

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nur der nackte Stein weiter oben hat noch einen rosa Farbton. Für den einsamen Wanderer

dort oben hätte sich jetzt alles verwandelt. an einen abstieg wäre nicht mehr zu denken.

der Schnee fahl wie mondlicht. Schon vorher wäre es kalt gewesen, jetzt aber würde

die temperatur innerhalb weniger minuten ins Bodenlose fallen. Stapfen im knietiefen

Schnee, kreuzen der eigenen Spur. Sich Bewegen, um nicht zu erfrieren, ein Stapfen bald

ohne Sicht, Hände, Füße, gesicht taub vor Kälte…

auf den Hängen des gegenüberliegenden Ufers stöckeln die Kühe über die Wiesen. die

Knochen, die sich bei den mühevollen Schritten unter dem Fell abzeichnen, wirken wie ein

missklang. ein motorboot schickt die Wellen über das vordem spiegelglatte Wasser. die

oberfläche zerfällt in zahllose Bewegungen, die noch zu sehen sind, als das Boot bereits

verschwunden ist. ohne auf ein Hindernis zu stoßen laufen die Wellen durch den breiten

Schilfgürtel. Wie inseln tauchen auch hier am See aus den Stimmungen des Wetters, den

Farben der Buchenwälder die erinnerungen an die in Salzburg verbrachten Jahre auf. da

meine Freundin bei dem Versuch, der Wasserlache am Uferweg rechts auszuweichen, im

tiefen gras einsinkt, weiche ich, als ich den Weg allein gehe, links aus. Bei meiner rückkehr

weiche ich erneut links aus.

an den Nebeltagen ist das Ufer ein Plateau über einem unbestimmten abgrund. Von den

Birken regnet der Nebel. manchmal sind die rufe der Stockenten und Blässhühner zu

hören. Sie sind irgendwo vor oder tief unter mir.

manche der Birken klammerten sich während der stürmischen tage an ihr laub, andere,

nur wenige Schritte entfernt, ließen die Blätter mit dem Wind fahren. die maulwürfe, die

wahrscheinlich im Sommer daran gehindert werden, wühlen die erde auf, so dass ich auf

dem Weg zurück zum Haus mehrmals stolpere. Welche dinge sieht man erst am letzten

tag? der Strommast nahe am Haus, an dem die leitungen enden, hebt sich wie der aufbau

eines kleinen Kriegsschiffes gegen den Nebel ab. mit meinem vierjährigen Sohn streife ich

noch einmal durch die unmittelbare Umgebung. Wir haben uns mit Besenstielen bewaff-

net, an deren eine Seite wir mit Schnüren selbstgefertigte Steinspitzen gebunden haben.

Jetzt bemerke ich zum ersten mal den kleinen in den See hineinragenden Strand am nahen

Campingplatz. das Wasser ist opak dunkelbraun, mit schwarzen Wellenkämmen.

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Seit einigen tagen fällt mir auf, dass sich jemand einen Spaß daraus macht, die Schilder am

See umzudrehen. das „Betreten verboten“ deutet jetzt nicht in die richtung des Steges,

sondern auf das Ufer.

an dem tag, als ich von Salzburg wegzog, setzte ich mich in einen gastgarten auf halber

Höhe einer der Stadtberge. die Stadt war hinter den Kastanien fast verborgen. ich stellte

mir vor, Salzburg liege am meer und ich wartete auf das Schiff, das am nächsten morgen

auslaufen wird. ich stehe am Heck. auf dem grund der Straßen, die im Schatten liegen,

sehe ich die autos fahren. aber das geräusch ihrer motoren dringt nicht zu mir herauf.

lange bemerke ich nicht, dass sich das Schiff bereits in Bewegung gesetzt hat. erst als alles

vor mir aus dem lot gerät, sich die Häuser und die Kirchen immer mehr gegeneinander

verschieben, blicke ich in die tiefe und sehe jetzt, wie das Schiff rasch von den Kaimauern

weggleitet. Kein Sprung könnte noch die entstandene distanz überbrücken. aber der

eindruck, das Schiff stehe still, hält sich gegen jede evidenz, und auch die dem Ufer näch-

sten Häuser scheinen unbeweglich, während die dahinter aufragenden türme und die sich

buckelnden Stadtberge in immer neuem Wechsel sich gegeneinander schieben. endlich

wende ich mich um und gehe über deck. Hoch oben dreht sich die radaranlage und tastet

hinaus in den neuen tag...

in den zurückliegenden warmen tagen hat der wilde Wein an der Wand des Häuschens,

wo ich mich am ersten tag unterstellte, um mich vor dem regen zu schützen, die Blätter

abgeworfen. „Waren da“ hat jemand in das Holz beim Seefreibad Henndorf geritzt.

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BADEORDNUNG

Aus: Badeordnung, Seefreibad Henndorf

„die gÄSte SiNd VerPFliCHtet, deN aNWeiSUNgeN deS ZUStÄNdigeN PerSoNalS der

BadeaNStalt UNeiNgeSCHrÄNKt Folge ZU leiSteN. dieS gilt aUCH daNN, WeNN eiN gaSt

der aUFFaSSUNg SeiN Sollte, die iHm erteilte aNWeiSUNg Sei NiCHt gereCHtFertigt.“

„Fatale Sätze“, sage ich.

„ich finde das okay“, sagt Stephanie Bart. „das ist sehr österreichisch.“

ich lache.

„in deutschland“, fährt Stephanie fort, würden man schreiben: „’die gäste sind verpflich-

tet, den anweisungen des Personals uneingeschränkt Folge zu leisten’ Punkt. Hier wird

den leuten noch gesagt, dass sie eine gegenteilige auffassung haben könnten.“

„Ja“, sage ich. „aber nützen tut es ihnen auch nichts. Vielleicht ist das das österreichische

daran.“

Aus: Badeordnung, Strandbad Seekirchen

„die aNlage darF NUr iN troCKeNem ZUStaNd UNd lÄNgSteNS BiS eiNBrUCH der

dÄmmerUNg BetreteN WerdeN.“

„das mit dem ‚trockenen Zustand‘ versteh’ ich nicht“, sagt Stephanie.

„ich auch nicht“, sage ich.

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GESPRÄCH AM NACHBARTISCH IM F I S C H T A G G I N G E R W I R T

ein älteres Paar sitzt am Nachbartisch. ihre Unterhaltung besteht darin, dass er, in einem

norddeutschen dialekt, monologe hält. Hitler habe aufrüsten müssen, sonst gebe es

deutschland heute nicht mehr. Hitler, der bis 1937 noch vernünftige Politik gemacht habe,

ehe er größenwahnsinnig wurde usw. Sie hört geduldig zu, bis sie irgendwann „Ja“ sagt. er

hält inne, ehe er so ruhig, wie er bisher sprach, sagt: „ich habe dich doch gebeten, dass du

mich nicht dauernd unterbrechen sollst.“ dann redet er weiter. das alles wiederholt sich

mehrmals an diesem abend.

RADIO

„ich will aber nicht den ganzen tag schreiben“, befindet mein vierjähriger Sohn während

der anreise. aber er ist doch mächtig stolz auf den Papa, dass ihm jetzt dieses Haus am

See mit dem großen grundstück und sogar einem eigenen Spielplatz gehört. als meine

Freundin sich am Fernsehgerät im aufenthaltsraum, den es hier im Haus gibt, abmüht,

schlägt er vor, es mich probieren zu lassen, da doch ich der Schriftsteller wäre. ich

scheitere kläglich, und meine Freundin hat schließlich erfolg. aber Fernsehen interessiert

mich auch hier nicht, und so bleibt der Fernseher und mit ihm der aufenthaltsraum wäh-

rend meines dreiwöchigen aufenthaltes ungenutzt. dafür irre ich am ersten tag, den ich

allein am See verbringe, wie ein Süchtiger durch die ganze anlage auf der Suche nach

einem radiogerät. ich durchstöbere selbst das Bootshaus und noch die obersten regale

in dem Werkzeugraum. der kleinste, krachende apparat wäre mir ein Fest! als ich nichts

finde, greife ich zum telefon und bitte Verena und leo vom Kulturverein KunstBox um ein

radio, ohne ein nächstes Zusammentreffen abzuwarten. aber bald genieße ich die ruhe

hier am See und in den Zimmern so sehr, dass ich es immer wieder hinauszögere, das radio

in Seekirchen abzuholen. Und ich wiegle mit irgendwelchen ausflüchten ab, als man es mir

bringen will. ganz ausschlagen will ich die option aber auch nicht. Und so bleibt das für

eine Weile ein seltsames Hin und Her.

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irgendwann habe ich das radio aber doch in dem winzigen Schlafzimmer stehen. es ist

dunkel, ums Haus ziehen die Nebel, und ich drehe am radioknopf, horche hinaus, auch

über die nahe landesgrenze hinweg. in den tiefen Nachtstunden, wenn mitternacht längst

vorüber ist, dringe ich mit dem kleinen apparat in bisher unerhörte Weiten vor. in einer

Sendung werden die manierismen oscar Werners abgelauscht, die seinem Sprechen den

unverkennbaren Sound geben, aber plötzlich erscheint mir das eine ungebührliche Nähe,

ich ertrage es kaum, wie da in einem tonstudio die Worte unter das mikroskop gelegt wer-

den. dann höre ich die Stimme eines anderen Seebewohners hier, die des Schriftstellers

Walter Kappacher, der am benachbarten obertrumer See lebt und eben den georg-

Büchner-Preis bekommen hat. in den Jahren, die er in einem reisebüro arbeitete, hätte

er überall hin können, aber er sei dann doch immer nur die alte Strecke, Venedig, rom,

Neapel abgefahren, und ich glaube ihn gut zu verstehen. ich liege also im Bett im dunklen

Zimmer, den radioapparat mit beiden Händen umfasst auf dem Bauch und horche. So

schön radio gehört habe ich seit vielen Jahren nicht mehr.

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h E I m w E h n a c h d E m n a c k t E n S E E

Andra Joeckle

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A. B.s Körper war einmal wie eine Feder, ein Katapult,

das ihn am Morgen in den Himmel schleuderte, ins Tageslicht, ins Leben.

ryszard Kapuscinski

Nein. Nicht stehen. Nicht stehen und hochhorchen zum akustischen Wahrzeichen der

Stadt. mag das trompetensignal, jede volle Stunde in alle vier Himmelsrichtungen gebla-

sen, abrupt abbrechen für den rest der menschheit. Ja. ohren verschlossen haben von

liquidem türkis, liegen im Binnensee der fremden Stadt. in dem immer und immer wieder

treiben. als sei es eine Sucht, eine Sehnsucht, ein Heimweh. Wonach?

es bedarf der übung, den toten mann zu machen. manche können den toten mann gar nicht

machen. Können noch nicht einmal schwimmen. Viele hier können nicht schwimmen und sie

dagegen, die luxuriöse meret, lernte schon so früh schwimmen in bunten Schwimmbädern.

der tote mann ist weniger eine Schwimm- als eine treibübung. Wie ein Brett mit dem

rücken im Wasser liegen, unbeweglich, das ist die Kunst. Wie ein Brett, das ist ein guter

Vergleich, der Brettvergleich. treiben, als Brett und quasi ewig. mit geschlossenen augen als

toter mann treibend gaukelt das körpereigene Wahrnehmungssystem dem menschen vor,

er drehe sich um den eigenen Nabel. man verliert die Himmelsrichtungen.

die Himmelsrichtungen verlieren. Und nicht: weiß besockt in Birkenstocks hinterm reise-

führer hertrotten, sondern springen, der Stadt in ihren See springen. Nicht abhaken dies und

das noch und das auch noch. Sondern wieder tun, die dinge wieder tun, immer wieder den

Seejuwel aufsuchen. den Wiederholungen leben. Wittgenstein riet: immer dasselbe essen.

Sie riet: immer dasselbe tun. meret mochte – nein liebte – verblüffende Sätze, auch den Satz

Ce qu’il y a de plus profond en l’homme, c’est la peau. am tiefsten ist die Haut. Paradoxe Sätze,

die sich nicht auf anhieb preisgaben, für die man sich ein wenig mühe geben musste, ein

wenig leben musste, um sie zu verstehen. Sie wäre gern selbst so ein Satz.

War aber: eine gestandene Frau. Und fragte sich, immer aufs Neue, wohin sie noch wolle

mit ihrem leben. Sich noch häuten können? Verpuppen? in ihrem nun nur noch kleinen

leben. ihr leben, in dem sie langsam die Sätze mehr mochte als die menschen. Würde

sie am ende nur noch die Wörter, dann nur noch die Silben, schließlich nur noch die

Buchstaben, die laute und ganz am ende die Stille mögen?

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ein Kind? Nicht unbedingt. Kein torschlusskind. mehr leichtigkeit? das gewiss. Und wie

dahin gelangen, zu mehr leichtigkeit? ihr organismus sollte in einem See erst einmal wie-

der spüren, wie sich leichtigkeit anfühle.

Sind eurer Meinung nach Butterbirnen besser als Ananasbirnen?

Witold gombrowicz

Nachdem alexander mit meret – seiner einmal geliebten, geliebten gefängniskugel –,

mit der ihm altlasten (gefängniskugel) am Bein hingen, wegen der strunzjungen Chiyoko

gebrochen hatte, konnte auch grzegorz nicht mehr helfen. mit alexander hatte meret

nicht nur einen mann verloren. einen mann mit Haut und Kopf und Karriere, mit Schatten,

Zeichen und Narben im gesicht. Keiner nur von vorher, keiner nur von nachher. einen

tänzer mit ihrem tango im Blut. Wie oft hatte der alchemist tango sie beide genommen

und instantgold erfunden.

meret ging nicht ein, warum sie so an dem Verlust zu knabbern hatte. ach was, knabbern,

würgen. Weil ihr klirrend ins Bewusstsein trat der endgültig abgefahrene Zug Jugend?

täglich dem tod begegnen: War das nun leben? Das Altern, jene Form des Todes, die wir

täglich erleben, hallte eine blöde Weisheit von gombrowicz – soll der doch tot bleiben – in

ihrer Brustgruft.

Schwimm, meret, schwimm, rief der unsichtbare erzähler ihres lebens ihr zu. „lauf, meret

lauf!“ hatte ihr krebstoter Vater seiner tochter auf den geburtstagsgutschein für ein paar

turnschuhe geschrieben.

Wir leiden nicht an unserem langsamen Sterben, sondern eher daran, dass der Reiz des Lebens

uns unzugänglich wird. die Fremde, eine Stadt, einen See sich verschreiben, „dass sich

Krankheit in gesundheit verwandelt“, wie gombrowicz schreibt, ihr schreibt, verschreibt?

Um die antidepressiva abzusetzen und wieder agil und rank, adrett und ambrosisch zu

werden, ein dufter mensch, birnenbuttrig und ananasfleischig. Chiyoko ist besser als

meret. Butterbirnen sind besser als ananasbirnen. So einfach und brutal banal ist das.

Neben gombrowicz warf meret auch einen anker in Kapuscinski: Es ist wichtig, dass dich

nicht die schreckliche Krankheit der Gleichgültigkeit erfasst. Banal, schon wieder, und wahr.

Ja, diese erbleichte Haut, gleichgültige Haut, dieses fühllose Fett. dass ich nicht mehr

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erröten kann. Nur im gewaltakt, exzessiv vor exzessiver Sonne, kann ich vielleicht noch

erröten! o, ich will’s mir zeigen, beweisen, will’s mir geben. Klatscht, leute, klatscht mir zu,

klatscht wie in der oper, wie bei alexander, der jetzt privilegiert zur Premiere sitzt neben

der strotzjungen Chiyoko. mit der ihm keine altlasten am Bein hängen. mit der es süß ist.

auch an den Füßen. mit der ihm Flügel an den Füßen wachsen. an den Füßen und überall,

ja überall, klatscht, haut! Haut zu, haut mir auf die Haut, dass es auch bei mir klingt wie

applaus.

dass es wirke wie eine gehirnwäsche, wie eine Körperwäsche: ich will ja noch leben!

Noch mords was leben! Sagte sie und wusste immer weniger. Wusste immer weniger, was

oberfläche war und was tiefe. Spürte, was oberfläche war, als sie es geschafft hatte, sich

nach dem Bruch mit alexander ihren ganzen Körper mit tigerbalsam einzureiben. Wie sie

da gebrannt hatte! War das eine helle Freude! Wie wach sie da gewesen war, lebenswach,

und wie lebendig. Und sie weiß, was oberfläche ist, treibt sie im See.

Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein. ach

Nietzsche, warn du nur. Und wenn du lange in einen Himmel blickst, dann blickt der

Himmel auch in dich, hoffte meret, als sie lag, und viel lag sie, in einem See, in einem

Sommer herum, im Seetürkis, mit nichts als azur über sich und Süden in sich, beliebig lang

als toter mann, ein schweigendes, lächelndes, zartes Brett, auf dem rücken treibend, ohne

gefängniskugel an der Fessel, mit ihrem Bikini um die Fesseln. als toter mann im Unter-

schied zur toten Frau, die mit dem Bauch nach unten bald schon nicht mehr atmen kann.

meret biegt wieder von der Kapelanka in die twardowski-Straße und springt erneut in den

Zalew Zakrzówek, die skałki, die Felsen, so nennen ihn die Krakauer. Früher baute man dort

Sandstein ab. als die arbeiter auf grundwasser stießen, lief die grube voll. Konnten gerade

noch die eigene Haut retten, die Bagger nicht. deswegen können heute noch wilde und

verclubte taucher zu einem maschinenpark in die tiefe vorstoßen. 32 meter unter meret

rottete ein Bus ikarus neben einem lKW Star. ruderboote steuerten morsches Holz bei und

leiche an leiche girlandeten über einen grabstein mit der denkschrift: Väterchen Karol

verrichtete hier Zwangsarbeit. Sogar hier begegnete meret der Papst, an den Krakau in der

innenstadt auf Schritt und tritt erinnert.

Früher war der wilde See ein geheimtipp, nun belagern ihn vor allem viele Jugendliche

aus der nahen Blocksiedlung ruczaj und feiern Partys mit lagerfeuer und geschichten

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von tragischen abstürzen und tückischen Unterwasserströmungen. Von Unfällen orga-

nisierter Kletterer hört man wenig, obwohl das gestein porös ist. Bevor der taucherclub

das gelände einzäunte, war der See noch frei zugänglich. der drahtzaun an der Badestelle

stand bei merets Seebesuchen immer offen. Vermutlich wird er nachts geschlossen. Bei

guter Sicht sieht man die tatra.

meret schwimmt weit hinaus. am äußersten Punkt streift sie wieder ihren Bikini ab, über

die Schultern, die Hüften, die Knie, die Waden, und wickelt ihn sich um die Fessel. als toter

mann treibt sie lange Stunden, halbe tage, tage über die mittage in die abende hinein,

Jahre, im einsamen See.

Und malt Bilder ins azur: der turm am See. ich steige deinen verlassenen turm hoch. lege

an deine mauern meine Wange, mein ohr, horche, ob da noch Blut für mich pocht. Höre

deinen Schweiß wieder in meine Brüste tropfen, grzegorz, von deiner Stirn, mein tänzer.

Wie du mich wieder rührst, du nicht perfekter tänzer mit noch Schweiß. ich zieh dich doch

so vor den kühlen, schweißlosen Cracks. ich ersteige deinen verlassenen turm, der so viele

Stufen hat, wie Sekunden, Bruchsekunden, zerbrochene Sekunden vergangen sind, seit

auch du mir nur noch rücken bist. du Zwischenspiel. du Hereingefallener, in mein leben

hereingefallener mann, mensch. dann ganz oben. Wolken streifen, Schwalben schweifen,

mehr als die eine, die keinen Sommer macht, weit mehr. Wie viele Sommer, potenzierten

Sommer, die Schwalben doch machen. ich schwör’s, glaub mir doch. Und ich sang ihnen

ein gutes lied mit auf den Weg. So schlief ich ein. mein Haar wuchs in locken hinunter

in die tiefe. ich zählte sein Wachsen. Schlief. Schlafe, werde schlafen, schlafen, schlafen,

werde, schlafen, werde. Bis jemand an meinem Haar zieht. Klingelzughaar. es ist melancho-

lisch, es ist daheim, einsam, es ist schön, es ist nicht tief. es zog nie jemand an meinem Haar

und wird nie jemand daran ziehen. So sprang ich mit einem Köpper vom turm gewaltig

und tief in den See.

grzegorz hatte keinen Sinn für merets lautlose eleganz, wenn sie mit einem Kopfsprung

ins liquide element tauchte. er platschte mit Zappelgliedern oder als Wasserbombe ins

Planschbecken. Warum willst du, grzegorz, mich „nass spritzen und untertauchen, nicht

gemein, aus Spaß“? grzegorz hatte einmal vergeblich versucht, sich einen Schwimmausflug

mit seiner geliebten vorzustellen.

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der See liegt felsenumkränzt. im Kronenreif schwamm sie, umzackt, im Schutz, bewahrt,

im Uferkranz, der leise um sie kreiste, sie einfriedete. Wieder der See in den Felsen, der

geliebte, ihre geheime Sehenswürdigkeit, nein, Fühlwürdigkeit, immer dieselbe.

Vater, uns jagt der weiße Hase aus dem Leben.

In immer mehr Gesichtern wächst er in den Wangendellen.

Wenn man den Hunger nicht mehr aushält (...)

Die Wangen (...) bedecken sich mit blassem Flaum.

Herta müller in ihrem Buch über Pastior als Zwangsarbeiter

meret rasierte sich arme, Bauch, gesäß und Beine, und die Wangen, und schlief wieder

mit offenem Fenster. Wie in ihrem kalorienregierten, kalorieninfiltrierten leben von einst,

als mädchen. als sie die Kalorien zählte, betete, atmete, sang, zertrat, umarmte, küsste,

mit ihnen jonglierte, sie verherrlichte, sie bunt anmalte, ihnen masken bastelte, ihnen

Kleider nähte, theater mit ihnen spielte, sie auf throne setzte, von thronen stürzte, in

ihnen, tausend bunten Bällen – Kalorien sind rund, kugelrund, prall, greifbar, fassbar –, in

tausend bunten Kalorienbällen badete – Sie kennen das auch, die Bälle-meere, in großen

Wohncentern wie mannomobilia – Sie wissen das auch besser, wie die einkaufsbaulichkeit

nun genau heißt – für die Kleinen, Kinderaufbewahrungshorte, wenn die eltern tisch und

Stühle und eine Couch für das selbstgebaute Haus kaufen. als meret verrückt war und

doch noch liebenswert, als sie kleinperliger Champagner war, liebenswert, ja, wir müssen

und wollen das wiederholen, obwohl sie nur aus Kalorien bestand. als sie nur aus Kalorien

bestand, da wuchs ihr zart ein helles Fell. als Kalorien ihr dasein beherrschten, minute

für minute, lauter kleine Könige, Herrscher über minutenreiche. die minuten hatten die

Form von Kalorien, die Sekunden von kleinen Kalorien, die Stunden von großen Kalorien,

die tage von mordskalorien. die einen waren todfeinde, die anderen mordsfreunde. die

Nächte waren genial, einfach genial, wenn im Schlaf, im kühlen Schlaf anders als im war-

men Schlaf, mehr Kalorien verbrannten, einfach so, ohne mühe, den Seinen gibt’s der Herr

im Schlaf, gottgegeben, menschengegeben, im Schlaf, wenn im kühlen, kühlen Schlaf

mehr Kalorien verbrannten als im warmen Schlaf, ja, immer noch, naturgesetzlich so, im

raum mit geschlossenem Fenster. als die Nächte Nächte waren, die ihr mehr oder weniger

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Kalorien raubten, sonst nichts. Und es war sehr gut so. Sie lobte die offenen Fenster. die

kühle luft. die Kälte. Sie gewöhnte sich an die Kälte. die Kälte machte ihr nichts mehr aus.

Sie lief mit Sandalen durch alle Winter, in Paris, Berlin, münchen und madrid. Sie besang

dabei, sie lobte die leeren Kalorien. Sie sang dem eiffelturm zum Beispiel etwas vor von

Kalorien, den leichten, pastellfarbenen. die Kalorien hatten das Sagen und Schweigen. die

Kalorien hatten das Fühlen und denken. die Kalorien machten und hatten alles.

am tiefsten ist die Haut. grzegorz, dem dermatologen, konnte sie nichts vormachen. er

las ihr von der Haut die Wahrheit ab. du kannst mich nicht täuschen, meret. dein Körper

spricht Bände. ich weiß, woher du diesen Flaum hast, mein kleines Äffchen. lanugohaar,

meretlein. Frühgeborene haben dieses feine Haarkleid noch überall. der Fetus vertilgt

sogar einen teil der abgestoßenen lanugohaare wieder, weil die Keratine die Verdauung

anregen. magersüchtigen kann lanugohaar wachsen.

Nun weiß man es.

Und man will auch nicht wissen, woran magersüchtige sterben. Wundersame menschen

überleben Zwangsarbeit, Karol und oskar, der Papst und der dichter, aber kein mensch

kann das, Jahre, Jahrzehnte mit einem Körper leben, der ihm ständig Hunger und

damit alarmzustand, Notlage, Krieg signalisiert. der mensch merkt das gar nicht. es

unterminiert ihn schleichend. Bei ihm zieht langsam, Zelle für Zelle usurpierend, die

Niedergeschlagenheit ein, die Schwermut, die depression. Und wenn er die heimtückische

invasion bemerkt, ist es zu spät.

Nein. Nicht im ewigen durchzug stehen, zwischen osten und Westen, zwischen Paris und

moskau, im Wechselwetter und Wind der geschichte die Haut gegerbt bekommen. Nicht

stehen, liegen, schweben, leicht sein, im wiederholten See. Wiederholt sein. meret war

schon wieder unterwegs zum See. auf dem rad. Sie fuhr so oft rad. dass sie statt Beinen

nicht schon räder hatte, wunderte sie sich. ohne Schwermut. leichtmütig. Sie fuhr uner-

schütterlich rad, durch die Sommer, durch die Winter, durch Jahre, durch tage – und:

durch Kirschen (man wird das später verstehen, streng genommen fuhr sie nur durch eine

einzige Kirsche, eine Kirsche vor alexanders Haustür), fuhr rad durch alexander hindurch,

über abgründe, unter Himmeln, fuhr meilen und meter, ins Blaue, ins Violette, rasend und

säumend, transportierte Nähmaschinen und leichte liebhaber nach milongas durch die

Nacht und transportierte markteinkäufe.

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meret fuhr rad, wenn sie nicht mit dem Schreibtisch verwuchs. Sie rückte sich auf dem

Bürosessel an die Schreibplatte so nah heran, dass die tischkante in ihren Bauch drückte. ihr

bequemer Bürosessel war ausgestattet mit eines begnadeten Krakauer Pianisten erfindung.

Jozef Hofmann hieß dieser viel zu unbekannte Pianist, der eine gasfeder für Bürostühle

erfunden hatte. auch den Scheibenwischer verdanken wir ihm. Seine Hände waren so klein,

dass er sich ein Spezialklavier anfertigen ließ. der einzige Privatschüler, den artur rubinstein

akzeptierte hatte, war er gewesen: Jozef Hofmann. rubinstein gab ihm den rat: üben Sie

nicht zu viel. 10 Stunden am tag nur Klavier, das ist zu viel.

Denn in den lächelnden Augen gab es ein Schweigen,

wie ich es nur in Seen gesehen habe.

Clarice lispector

Wieder schrieb sie morgens an ihrem Kinderbuch „die große raupe immersatt“ und mittags

schwimmt sie weit hinaus auf den See. am äußersten, allen Ufern entferntesten Punkt, den

Blicken aller entzogen, streift sie wieder ihren Bikini ab, über die Schultern, die Hüften, über

die Knie hinunter, und wickelt ihn sich um die Fesseln. dann macht sie die tote Frau, lässt sich

mit dem Nabel, der zum grund schaut, an der Seeoberfläche treiben und treiben. lang. Sehr

lang. Wie lange noch? Wie lang kann sie noch den atem anhalten? Hey, meret da im See, tanz

nie mehr tango, aber dreh dich wieder um! Schau nicht mehr zurück, dreh dich um! mach den

mann doch endlich tot, den alexander. Sei wieder fühlwütig, sehenswürdig oder sehensun-

würdig, strunzdumm, alt, blutalt oder was auch immer – aber dreh dich um.

ah, jetzt macht sie wieder den toten mann. Wie gut sie den kann, den toten mann. So kann

sie es wieder, stundenlang, treiben. Sie hört nichts mehr mit dem See in den ohren. mit in

die ohren gemuscheltem See. Und sie sieht nichts als Himmel. der sich über alles breitet.

da ist gut treiben. das Wasser ist seidig und warm, oben, in der helleren Schicht. im Wasser

glänzt die Haut glatt und makellos. da stellt sich kein Flaumhaar auf und sticht nicht mit

tausend winzigen wehrlosen lanzen in die luft. da wird sie nicht borstig. da wird sie nicht

tief und traurig. da ist nur Himmel über ihr. Und Vergessen: Was je schwer war, sank in blaue

Vergessenheit.

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ah, Nietzsche!

Nach langen Stunden als toter mann im einsamen See liegt sie lange Stunden als wohlige Frau

in geselliger Sonne.

übertreibt es. treibt es zu weit mit der mächtig vielen Zeit, die sie sich gibt, wurde wieder rot

wie ein Krebs. ihr weiß gesprenkelter Fleck auf dem Unterarm trat deutlicher hervor. Vitilligo

nennt sich so ein Pigmentmangel. man kann ihn mit Haut zum Sprühen behandeln.

tagelang wandelte sie als rötliches ausschreizeichen durch die farblose Welt. Bis sie sich

schälte, sich zupfte, sich Hautfetzchen für Hautfetzchen abzupfte. Und so betete ihren

seltsamen polnischen rosenkranz, ihren polnischen Paternoster, ihren gombrowicz, ihr

Vatermein, ihr NiCHt-meHr-SeiN.

am grund des Sees ist das leben immer ruhig, mag es oben noch so stürmen. meret schwamm

wieder mit kräftigen Schenkelschlägen hinaus auf den See. Sie kraulte rückwärts. Sie schlug mit

wütender Kraft ins Wasser. das Wasser dämpfte ihre Bewegungen sofort. Nichts kann gewalt-

sam sein im Wasser. alles verlangsamt sich, wird absorbiert, gemildert.

Jetzt spielte die Sonne, spielte die Sonne sich hinzu und glitzerte im spritzigen Wasser, tauchte

ins jauchzende Blau. die Sonne spielt sich, das Wasser spielt sich, der See spielt sich. ich bin mir.

Sich sein. die Polen können Verben nehmen und die Verben sich auf sich selbst zurückbezie-

hen lassen. ich bin einsam. Sich einsam sein. ich bin mir einsam. Bin es auch dir.

ich war schwimmen, erwiderte grzegorz nur noch, ich habe anlauf genommen. ich bin

schnell. ich bin geflogen und in kalter, grüngrauer Umarmung untergegangen. dann

prustend und lachend wieder aufgetaucht. darf ich das „Köpper“ nennen? „er nannte es

Köpper“, damit schließ ich uns ab, dachte meret. Und stolper’ weiter durch dein leben. du

warst, wir waren sowieso nur ein missverständnis, ein Heimweh, ein Witz. geliebter, gelebter

Witz, unvergesslich.

auf einem späteren See würde sie ebenfalls zur größten mitte hinausgelangen, zum allen

Ufern entferntesten Punkt. ein See, bei dem sich alles vereinfachte. die Farben reduzierten

sich auf die Urfarben Blau, grün, gelb und rot. Seeblau, Hügelgrün, tretbootrot und das gelb

bemerkt jeder dann auch recht schnell.

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mit einem tretboot aus Plastik hinaus. ein Boot, gedacht für zwei, einer sitzt links und tritt,

einer rechts und tritt. es ist wie rad fahren, das treten. aus Plastik das Fahrzeug. ohne rost. So

leicht, es braucht nicht zwei, um das Schaufelrad in Bewegung zu setzen und sich mit einfach

gewordener geschwindigkeit, mit aller langsamkeit der Welt, aufs Freie hinaus zu bewegen.

Sie ist allein, ganz hinten im Spätsommer. der See ist kein sportlicher mehr. Keine Kitesurfer mehr.

Und sie so leicht, das Boot wird nicht schief, sie gerät in keine Schräglage. dort, weit draußen,

dem bloßen auge vom Ufer aus nicht mehr erkennbar, legt sie sich quer aufs Boot. liegt in zwei

Hosen, warum auch nicht, es ist kalt, der Sommer ist schon lange fort, schon längst nicht mehr im

See gespeichert, der ist auch gar nicht so tief, der See. das geht sehr gut, sie will ja nicht tango

tanzen. auch zwei Paar Socken, zwei Wollpullis, zwei Jacken, und eine decke um die Schultern.

der Wind geht scharf. es zieht schneidend über den See. die Schirmmütze und darüber die

Kapuze, auch zwei Schals noch schützen sie. So verpackt wird es dann windstill, für sie und die

Welt. Sie liegt quer auf dem Boot und schließt die augen. Und liegt auf diesem See.

liegt eingewintert, eingeherbstet jedenfalls. Vermummt. eine raupe, ein Paket, keins der lust.

Und jeder gedanke an das, an ihn, verbot sich.

ein Schwan schwamm lautlos heran. Plötzliches tier. Feindlich, das Seetier. mag man nicht

streicheln. Sein revier?! Sie ein Fremdkörper? im See der Fremden. der Schnabel und der Blick:

zwei Waffen. Sie fürchtete sich aber nicht wirklich. Sie schloss wieder die augen. Bewegte sich

nicht. Soll der doch glauben, sie sei tot.

Und leda lag. lag, eine mumie. eine raupe. eingefrühlingt. eingelenzt. ein Schmetterling, zu

früh noch. Für das Zitronengrün. Zu früh noch für die Flügel und die pudrigen Farben.

Und lag weiter, in die Welt hinaus, lag weiter, wieder, auch diesem See. Ja.

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I n d E n f a r b E n d E r n a c h t

Friedrich Hahn

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die losen schenkel der schere

womöglich kommt eine andere zeit

3 ereignisse

ein grenzfall

live spürt man das natürlich noch

intensiver

so dunkelblau

dass es schwarz sein könnte.

türen gegen das verschwinden

für neue erscheinungen

das wissen ums sphärische

die wirkung sehr räumlich

bei dieser kälte

am weg sein

was ist das

wie sagt man dazu

damit mans im notfall benennen kann

was sagt man dazu

was nicht auf der strecke liegt

bleibt daselbst

habe ich dich verletzt

zeig deine hände

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beine tragen

hände heben

nein, mir fehlt es an nichts

stille vielleicht

wenn es schon einen unterschied zum verstehen braucht

die wände sind dicht

es beisst in den augen

es ist kühl sehr kühl

und ich habe nichts zu tun

ton um ton sich vergreifen

lapidar dagegen die scharmützel

in monatslosen jahren

maßstabgerecht

wie eben erst gesungen

stille: die akzentuierung von auslassungen

stille bremst

stille leuchtet

stille schockt

es gibt nichts brutaleres

es gibt nichts zärtlicheres

es gibt nichts übersichtlicheres

verwirrenderes wässrigeres auswendigeres stimmigeres

das macht die sache nicht leichter

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zieh dir was an

aufgelaufen

auf grund gelaufen

ich brauch keine klaren gedanken

ich trenne mit scharfen zungen die sätze

eine lang anhaltende ruhe

wird gern mit einer pause verwechselt –

als ausfall verkannt

als ein ausbleiben

eine stille macht bloß ihren job

sich in den wind stellen

sich ins fäustchen lachen

nach ruhe brüllen

ich kanns nicht mehr hören

ich kanns schon nicht mehr hören

nicht darüber zu sprechen

macht noch lange keine religion

schnee fällt waagrecht

du sorgst dich um den ofen

heizt papier ein

die schneeflamme macht

sich über das holz her

eine zartheit von der zupackenden art

einer schmelzschokolade

überkommt mich

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ich habe noch nie das meer gesehen.

ja, im fernsehen vielleicht

aber nicht in wirklichkeit

blindes geräusch

stille

blinder winkel

versteck

blindes licht

nacht

vielstimmigkeit

danach kommt nur noch das allerletzte

so geht sprechen

sagt mein spiegelbild

so geht dahinterkommen

brechen wir mit dem gewesenen

dem gewohnten

das ist naheliegend

das ist dann das naheliegende

schalte aus

ich weiß

wie es weitergeht

aus welcher welt kommst du gerade

verbindungen schaffen bindungen

die summe ein strang

und noch einer

Page 47: Erzählte Landschaft

und ein weiterer strang

und

und ein tau

wir sehens im zusammenhang

als würden wir wissen

was passieren wird

die hände sind zu einer höhle geformt

bilden einen schallraum

am eingang die beiden daumen zu einem

spalt aneinander gedrückt

dazwischen ein eingeklemmter halm

tief luft holen die lungen füllen

die lippen sind an den spalt gelegt

und dann lospusten

hahn und henne ein

anderes spiel du

weißt es nicht besser du

schaust mit augen die

alles in frage stellen

ihr hättet mich finden können

du hast nicht gerufen

ich hatte nur noch eine kleine stimme

als stimme

auch meinem daumen fehlt ein wenig das leben

was ist mit meinem haar passiert

da verstehe ich keinen gruß

die lautlosigkeit als zarte geste

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ein eimer wasser wäre jetzt das absolute glück

ein raunen

das in eine litanei übergeht

beschädigte stille

der krach

ein krächzen und kratzen

ein ehemaliges geräusch verweigert die auskunft

was fällt dir ein

wenn dir noch etwas einfällt

ich habe zu tun

ich rufe den mond an

merke bald

ich hab mich verwählt

ja aber machen Sies kurz

nein ich möchte jetzt nicht lachen müssen

die vorstellung gefällt mir

ich lese aus der zeitung vor

eine zeitschleife

eine schweigeminute als ausgangspunkt

wir haben alle zeit dieser welt

sich lösen

schlaftrunken sich lösen von einem raschen kopf

das geht vorbei

eine gedachte grenze

ein ungeschriebenes etwas

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Page 51: Erzählte Landschaft

den ausgang verschließen

sich an der unbeholfenheit der anderen weiden

du musst die luft anstarren

sonst passiert nichts

was sind das für schilder

die waren schon vor ihnen da

ich bin fort

ich muss überlegen

hab griffe an meinen maßen

koffergriffe

glied für glied

ich suche mir das fremde aus den gesichtern der andern

stopfe sie in meine eingeweide

begrabe grimassen

eine einzelne hoffnung

das allgemein herrschende mitsichnichtsanfangenkönnen

man kann sich nichts aussuchen

früher

ja früher wars anders

ich trage schwer an meiner hinwendung

ich bin dir dahintergekommen

du bist aufgeflogen, mein täubchen

ich hab schon ganz vergessen, wie das ist

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Page 52: Erzählte Landschaft

kannst du mir etwas dazu sagen

es ist besser so für uns

hier und mit dir und mir

die bilder gedachte sätze

jeder pinselstrich im gleichen abstand zu einem schlusspunkt

zu einem ende

innen/außen

aber nur suchen was man kennt

ich will nicht erfrieren

kannst ruhig furzen

furzen gegen die kälte der welt

ein nutzen der niemandem nützt

ein stammeln bleibt

ein stotterndes spaziergehen

es ist schön wenn man etwas von sich gibt

wenn etwas vor sich geht

bote sein

stehen bleiben

verharren

bote sein

um etwas auszuprobieren

ich mag was du magst

der falsche weg

der weg ist ein falscher satz

sich auf ein manchmal kaprizieren

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Page 53: Erzählte Landschaft

von beruf ruf

schlechter lauter

nur nichts mitnehmen

besser nichts mitbekommen

schreie

wenn du schon einsam bist

wie sollt ichs dann sein

da bei dir

ich morse dir ein kleines trippeln auf den handrücken

und morgen bring ich dir deine ausgeliehenen gefühle wieder

morgen

reicht das

ich komme darauf zurück

es beschäftigt mich

ich hätte es merken müssen

ich lass mir nichts anmerken

ich stoß mir den kopf

ich ziehe die vorstellung vor

ich stülp mir einen klang über den kopf

ich komme darauf zurück

die jahre vergingen

wir waren unserer wege gegangen

ich hatte postkarten geschickt

mit nichts drauf

keine ansicht

keine anrede

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kein gruß

die jahre vergingen

ich hätte es merken müssen.

ich komme darauf zurück

aus einem verbrachten jahr zurückkommen

so als sei nichts gewesen

keine ansicht

keine anrede kein gruß

es beschäftigt mich

der abgewandte blick

wütender wind

gespannte ruhe

klänge als seien es botschaften

das leben bedroht jeden sinn

das leben an sich

der sinn an sich

das leben an sich bedroht den sinn an sich

ein ansich bedroht sich an sich

ich lass mir nichts anmerken

die jahre vergingen

der sinn ist es der das leben bedroht

keine ansicht

kein gruß

ich komme darauf zurück

wem fehlt hier was

die welt ist freundlich und steht offen

eine offenheit von der art, die alles verbaut

Page 56: Erzählte Landschaft

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eine freundlichkeit, die einen lähmt

warum passiert das ausgerechnet immer nur mir

ich werde sonderlich

ich könnte etwas geld gebrauchen

der nächste morgen

kurz davor

kurz davor sein

immer kurz vor dem nächsten morgen sein

einerseits

sich von satz zu satz hangeln

der staat fördert das

es ist ein buch

es hat viele seiten

wie tiefsinnig

da ein buch

dort ein mensch

menschen mit büchern

schon komisch andererseits

da sich das meiste nie ändert

stechen die neuerungen hervor

meine gefühle haben anderswo zu tun

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scheue menschen übertreiben gern

probier deinen kopfstand

schon komisch

sich jeden tag neu erfinden

zuhause im keller

zuhause auf dächern

außerhalb des intendierten

innen klopft ein gedenken

innen im menschen

sitzt kein mensch

das stampfen kommt

von maschinen

außerhalb des intendierten

das gedenken

es kommt als

klopfen von

innen aus einer

mitternacht eines

montags eines

maschinenraums

den rest nennen wir

der einfachheithalber

körper

eine ungefähre spannung

Page 58: Erzählte Landschaft

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verhärtet zu widerstand das

konkrete liegt

da als etwas das

vergessen hat wie man

als ding stirbt

materie am falschen ort

geräusche vom staub

geräusch das keines ist

und dennoch die ringe

in der luft

als fiele ein stein ins wasser

ein berühren

zwei handschuhe

die befangenheit zwischen

groß und klein zwischen

rot und schwarz

veränderungen lassen sich nicht aufhalten

das gleichbleibende auch nicht

und am ende kommt der künstler

und malt uns alle raus aus dem bild

kein nötiges

statt ich und das war das gute

Page 59: Erzählte Landschaft

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dass ich

aber davor dass mich keiner gesehen hat

nicht

mich zu übergeben

nicht die füße als ich

nur um den schmerz

nicht

dass ich den wasserhahn

nicht

während ich klapper

und nicht, während ich eingeschlafen

vielleicht habe ich trotz

die einzige aufgabe der schmerzen

schmerzen tun weh

es gibt nichts schöneres

eine hand neben dem körper

es gibt nichts schöneres

wenn die haut fehlt

so sehr fühle ich

ich spüre die wellenbewegung

sauge

ganz lästige katze

nehme teil

an diesem anderen körper

esse die ganze nacht

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schmatzend

und dann ist es morgen

ich zieh ein gesicht

nerve

weil

danke es tut mir leid danke

tut mir leid

dass ich so oft danke sage

tut mir leid

dass mir alles leid tut

tschuldigung

danke

dass du da bist

entschuldige

dass ich da bin

und wünsche mir nichts

je mehr

wenn ich anfange

sehe ich

das geschätzte

gesagte

tut mir leid

die liebe kein grund zum feiern

danke für dein verständnis

die nacht schon mal runtergeschluckt

verinnerlicht

Page 61: Erzählte Landschaft

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erst wenn es ein zweites mal hell wird

geht es mir besser

mehr als mir lieb ist

noch mehr dinge

natürlich vor allem

und wie schwer

denn wozu sagt jemand etwas

und das will will ich auch

aber mein bedürfnis ist tiefer

ein will

ohne

entweder das geht

oder wo ich doch

ich sein will

oder nicht

ich höre sein kichern

ich möchte

ich glaube

ich seh es am grünen punkt

dass ich es tue

morgen

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n a c h c a l I f o r n I E n S p r I n g E n

Anna-Elisabeth Mayer

Page 65: Erzählte Landschaft

Niemand ist so lange auf Urlaub, sagte sie zu mir. melanie heiße ich, kann ich oben schla-

fen?, hatte sie sich bei der ankunft vorgestellt und schon ihren rucksack auf das obere Bett

gelegt. So lange ist einfach niemand auf Urlaub, wiederholte melanie, ihr Kopf hing vom

Stockbett, die blonden Haare fielen herab. ich drehte mein gesicht auf die Seite und sah

auf die bekritzelte Wand. oder glaubst du etwa, dass – ob die Spinne in ihrem Netz ist?,

unterbrach ich sie. Spinne? da, das Spinnennetz über der tür, und ich streckte meine Hand

aus. Spinnen finde ich eklig, melanie endlich kleinlaut. Spinnen bei uns sind ganz unge-

fährlich, das weiß ich von meinem Papa, sagte ich. das weiß jedes Kind, meinte melanie

schon wieder forsch und kletterte die leiter hinunter. Komm, wir müssen jetzt gehen! ich

setzte mich wortlos auf und zog meine turnschuhe an.

ihr könnt mich Herr Heinz nennen, sagte der mann, als wir alle am Volleyballfeld neben

dem See versammelt waren. er lächelte in unsere gesichter. Starre Herrn Heinz nicht

so an!, flüsterte melanie und stupste mich in die Seite. ich sah also nur Herrn Heinzens

Baseballkappe an: der Schriftzug Californian dreams in Schwarz, die i-Punkte als Sterne.

Und gleich jetzt bilden wir zwei teams, sagte Herr Heinz mit guter laune. du, und er tippte

auf melanies braungebrannte Schulter, und du, Herr Heinz zu einem Jungen, ihr wählt eure

mannschaft. melanie rief mich in ihre mannschaft, als nur noch ich übrig war. Herr Heinz

aber gab sogleich mir den Ball: du darfst anfangen! Und los geht´s! ich warf den Ball. er

blieb auch beim zweiten mal im Netz hängen. melanie verdrehte die augen, die anderen

lachten. Herr Heinz sah sie streng an. er nahm den Ball und wandte sich zu mir: Schau, so!

der Ball landete weit über dem Netz auf der gegenüberliegenden Seite.

Wenn du in meiner mannschaft bleiben willst, sagte melanie beim mittagessen, dann

musst du dich aber mehr anstrengen! Versprochen, murmelte ich und stocherte in der viel

zu großen Portion. gut, sagte melanie und warf die blonden Haare zurück. meine eltern,

hörte ich den Jungen neben mir, sind auf gran Canaria. meine in australien!, rief melanie

über den tisch. Und deine?, der Junge drehte den Kopf zu mir. mein Papa ist auch auf

Urlaub, antwortete ich. Ja, seit zwei Jahren, warf melanie ein. die Kinder begannen wieder

zu lachen. da gibt es nichts zu lachen, sagte Herr Heinz. Papa kommt bald zurück, murmel-

te ich. Wer sagt das?, melanie zu mir. mama sagt das.

am abend in unserer Hütte nahm melanie den einzigen Stuhl, rückte ihn an die tür,

stellte sich darauf und begutachtete das Spinnennetz. ich sah sie an. Unter dem weißen

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Page 66: Erzählte Landschaft

Nachthemd konnte ich erkennen, was ich nicht hatte. die Spinne soll woanders schlafen,

entschied sie, stieg vom Stuhl und verschwand. ich blickte ihr nach. die blonden Haare

reichten ihr fast bis zur Hüfte. mit einem Besen kam sie wieder. ich habe gesagt, ich will

ein bisschen kehren. Herr Heinz hat mich gleich gelobt, grinste sie und stieg auf den Stuhl.

mit dem Stiel fuhr sie durch das Netz. aber Spinnen tun doch nichts! das ist mir egal, sagte

melanie, ich finde sie hässlich. Spinnen sind nützlich, sie fressen die Fliegen! das hat mir

mein Papa erklärt, äffte melanie nach. genau, sagte ich trotzig. melanie, noch immer auf

dem Stuhl, drehte den Besen wieder um und sprach in seine Borsten wie in ein mikrofon:

alle mal herhören! ich mag keine Spinnen!

Und: Werfen! mit Kraft!, Herr Heinz am nächsten Vormittag aufmunternd zu mir. anstrengen

sollst du dich!, zischte melanie. ein paar Spiele später rief schließlich Herr Heinz: Und jetzt

alle ab in den Speisesaal! Schon liefen die Kinder dorthin. tränen fielen von meinem Kinn

in den Sand. Herr Heinz kam auf mich zu. ich blickte auf den Boden. Wegen mir haben wir

verloren, sagte ich und zog die Nase hoch. Verlieren gehört dazu, sagte Herr Heinz und gab

mir ein taschentuch. in meinen augen die Sterne von Californian dreams.

Was heißt Californian dreams?, wollte ich über der Buchstabensuppe wissen. dreams heißt

träume, antwortete melanie. Und Californien ist in amerika. amerika, wiederholte ich, und

fügte hinzu: dort ist Papa. Californien ist schön, sagte melanie, dort will ich auch einmal

hin. ich stellte mir Herrn Heinz in Californien vor. Herr Heinz war schön. Was machst du

da? Nichts, sagte ich und suchte aus der Suppe Buchstaben heraus, die ich auf den rand

des tellers legte. Californien schreibt man doch nicht mit v!, und melanie suchte ein f

aus ihrer Suppe. ich mochte ihr f nicht in meinem Californien. War Herr Heinz schon oft

in Californien?, fragte ich und tauschte heimlich ihr f aus. Klar, antwortete melanie, Herr

Heinz war doch schon überall oft! Wie Papa, sagte ich.

Habt ihr euch auch richtig gestärkt?, empfing uns Herr Heinz am Volleyballplatz. Ja, sagte

ich – ich ganz besonders!, rief melanie in mein Ja hinein. also, dann kann es losgehen! die

Kinder spielten sich den Ball von einer Seite auf die andere zu. melanie reckte sich. Sie hatte

sich noch schnell nach dem essen umgezogen: ein anderes Bikinioberteil als am Vormittag.

ich saß in den immergleichen kurzen Hosen auf der ersatzbank. Nach dem match gehen wir

schwimmen!, hörte ich, ich hielt im Baumeln meiner Beine inne.

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Page 67: Erzählte Landschaft

Na, was ist? das Wasser wartet! Willst du dir nicht auch einen Badeanzug anziehen?,

Herr Heinz steuerte auf mich zu. ich kann nicht schwimmen, murmelte ich. aber bei der

anmeldung waren alle als Schwimmer angegeben, wunderte sich Herr Heinz und strich mir

über den Kopf. Vielleicht willst du mit dem Ball noch üben? Schon sprangen die Kinder in

den See. als einzige stand ich am rand. die Stimmen überschlugen sich vor Freude, alle

tollten gemeinsam im Wasser. ich setzte mich auf die Bank des Bootshauses, zog die Beine

an und legte den Kopf auf die Knie.

alles in ordnung? ich hob den Kopf. Californian dreams stand vor mir. ich kann nicht wer-

fen, ich kann nicht schwimmen!, presste ich hervor. Herr Heinz nahm neben mir Platz. das

Schwimmen wird kommen wie das Werfen, tröstete er mich. Holen wir den Ball? ich nickte.

Wir gingen zum Schuppen. ich nahm einen Ball, die tränen fielen auf das leder. Kein grund

zu weinen, sagte Herr Heinz – und setzte mir seine Kappe auf!

in der Hütte sagte melanie: Wer nach Californien will, muss schwimmen können, und

sie kletterte die leiter des Stockbettes hinauf. ich lag auf dem Bauch, Kann Papa gut

schwimmen?, und fuhr mit dem Finger die Wand entlang. Papa ist bestimmt so ein guter

Schwimmer wie Herr Heinz. ich drehte mich vom Bauch auf den rücken und blickte auf den

lattenrost über mir. der Schaumstoff der Unterseite der matratze quoll durch. ich stand

auf, ging zum rucksack, nahm Papas Foto heraus und schob es unter das Kissen. damit ich

von ihm träumte. ich hoffe, keine weitere Spinne verirrt sich hierher, hörte ich melanie. ich

stemmte meine Füße gegen ihre matratze.

guten morgen, begrüßte uns Herr Heinz mit seiner Baseballmütze und seinem lächeln.

Habt ihr schöne träume gehabt? Ja, von Papa, sagte ich zu ihm. das erfindet sie nur,

melanie zu den anderen. Herr Heinz legte den arm um meine Schultern.

ich habe wirklich von Papa geträumt, sagte ich beim Nutellabrot zu melanie. Und ich habe

von Herrn Heinz geträumt, antwortete melanie und fuhr sich durch das Haar. Herr Heinz

hat darin sogar fliegen können. Herr Heinz kann alles, bestätigte ich. Sie hielt kurz inne und

musterte mich. dann kann er dir auch das Schwimmen beibringen, meinte sie darauf. Herr

Heinz muss auf alle aufpassen, erwiderte ich. So viele sind wir auch wieder nicht, entgeg-

nete sie. aber wahrscheinlich hat er keine lust, und sie drehte das Haar zu einem Knoten,

setzte eine große Sonnenbrille auf ihre Nase und ging in die morgensonne hinaus.

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Page 68: Erzählte Landschaft

Während die anderen nach dem Frühstück im See schwammen, übte ich weiter mit dem

Ball. Herr Heinz wandte kein einziges mal den Kopf zu mir. mehrmals warf ich den Ball

sogar bis ans Ufer, aber Herr Heinz war mit den anderen beschäftigt. So viele sind wir auch

wieder nicht, dachte ich und brachte den Ball in die Holzscheune zurück. alles in ordnung?

ich drehte mich erstaunt um. Herr Heinz stand im Scheuneneingang vor mir. du bist schon

ein richtiger Wurf-Profi geworden, sagte er, das habe ich vom See aus gesehen. Wirklich?,

fragte ich glücklich. Komm, lass uns weiter üben! Herr Heinz nahm meine Hand. ich allein

durfte mit ihm spielen! ich winkte melanie vom Volleyballfeld aus zu: ich war in Californien,

bei Papa! melanie winkte nicht zurück.

den ganzen tag beachtete sie mich nicht. Hast du mich gar nicht mit Herrn Heinz gese-

hen?, fragte ich am abend in der Hütte. Wir haben auch ganz toll Wasserball gespielt,

erwiderte melanie. Herr Heinz hat mir viele tricks verraten, sagte ich stolz. Und ich durfte

seine Kappe tragen! melanie antwortete nicht, sie war ganz auf das Flechten ihrer Haare

konzentriert. Haare wie eine Prinzessin, dachte ich und zog meinen verwaschenen Pyjama

an. Hat Herr Heinz eigentlich Kinder?, wollte ich von melanie wissen. Ja, eine tochter, sagte

sie, den rosa Haargummi in der gespreizten Hand. Und wie heißt die tochter von Herrn

Heinz? Sie sah mich triumphierend an: melanie, genauso wie ich!

melanie hatte am darauffolgenden tag wieder einen neuen Bikini an, dieses mal mit klei-

nen goldsternchen. ihre gelösten Haare leuchteten in der Sonne. der Ball ist ganz hoch

über das Netz geflogen, rief ich Herrn Heinz zu. er antwortete nicht. er sah melanie nach,

wie sie ans ende des Bootssteges ging. mit einem Kopfsprung landete sie im Wasser. alle

klatschten. Herr Heinz sprang hinterher. ich ließ meinen Ball in den Sand fallen und kam

an den rand des Bootssteges. das war ein toller Sprung! ist auch alles in ordnung?, und

Herr Heinz spritzte melanie an. melanie lachte, wie ich sie noch nie lachen gehört hatte. da

setzte ihr Herr Heinz im Schwimmen die Baseballkappe auf! ich starrte Herrn Heinz an. Und

lief in die Hütte. ich drückte das gesicht gegen das Kissen: Papa gehört nur mir! melanie

kam herein, außer atem vor lachen. Wasser tropfte von ihren Haaren auf den Holzboden.

der Heinz ist ein Cooler, sagte sie.

Wo seid ihr denn?, die Stimme von Herrn Heinz. ich komme schon!, rief sie, als sei nur sie

gemeint gewesen, und lief wieder hinaus. die anderen hörte ich rufen: Zeig uns, was du

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Page 69: Erzählte Landschaft

kannst! Herr Heinz am lautesten. ich stand auf. am Holzboden melanies nasse Fußabdrücke.

ich verließ die Hütte. Niemand bemerkte mich am Seeufer. die goldsternchen glitzerten

im licht. melanie führte ihren Kopfsprung vor. die Kinder pfiffen und johlten im See, Herr

Heinz applaudierte. Fang mich doch!, hörte ich ihre Stimme. ihr strahlendes gesicht zu

Herrn Heinz gedreht. Herr Heinz schwamm melanie hinterher. Fang mich!, ihre Stimme,

Fang mich doch! ich lief ans ende des Bootssteges – und sprang.

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70

a c h n ö

geschichte eines gescheiterten romanprojekts

S. U. Bart

Page 73: Erzählte Landschaft

ich liege bequem hingeflätzt im moos und habe als Kissen unter meinem Kopf die

Flanke des Panthers. der Panther schläft, ich döse, ich fühle seinen Herzschlag. Zu mei-

nen Füßen der See, glatt und blank. ein paar Schilfrohre rechter Hand beginnen leise

miteinander zu flüstern, ich höre nicht hin. Zu meiner linken fällt eine Feige vom Baum

und rollt mir in die Hand, ich esse sie, und sie ist köstlich. adam kommt und geht zum

Baden in den See. die Schilfrohre tuscheln etwas lauter. der Panther erwacht und hebt

den Kopf. die Nacktschnecke, die auf halbem Wege zwischen mir und dem Schilf unter-

wegs ist, hält inne und streckt die Fühler in die luft. die oberfläche des Sees kräuselt

sich. Und dann höre ich eine Stimme, die nicht zu verorten ist:

„entschuldigen Sie die Störung, darf ich ihnen eine Frage stellen?“

„Selbstverständlich“, sage ich, „bitte, zögern Sie nicht.“

„Vielen dank. ich möchte Sie fragen, ob Sie nicht vielleicht lust hätten, eine Kunstfigur

in meinem neuen roman zu sein. Sie wären die Protagonistin.“

„eine Kunstfigur? in einem roman? aha. Soso. Und was hätte ich da zu tun?“

„Sie müssten auf die erde kommen.“

„die erde. Hm. das ist natürlich etwas mühsam. Ja und was dann?“

der Panther ist wieder eingeschlafen. ich winkle ein Bein an, nehme einen rubin in die

Hand, drehe ihn zwischen den Fingern und lege ihn auf meinen Bauchnabel. ein zartes,

lauwarmes lüftchen streicht übers Ufer hinweg. Sie antwortet nicht. ich sage:

„meinethalben können wir uns ruhig duzen, ich heiße eva.“

„danke, Stephanie. es ist ganz einfach. du würdest als erwachsene ins erdendasein

treten, hättest gleichwohl eine lückenlose Biographie mit allem was dazugehört. du

würdest, zwangsläufig, dies und jenes erleben, und deine aufgabe wäre bloß, darüber

tagebuch zu führen.“

„du bist wohl eine ziemlich faule autorin, was?“

„Nun ja, man tut, was man kann.“

Stephanie bezeichnet sich als „Schriftstellerin“. allerdings sind die Vorstellungen die-

ser sogenannten Schriftstellerin von ihrem roman nichts weniger als vage. Was darin

passieren werde, sagt sie, hänge selbstverständlich von mir ab. man müsse sehen, wie

sich die Sache entwickle, einen roman zu verfassen sei ein Prozess, auf den man sich

einlassen müsse. ich bräuchte mich auch gar nicht gleich zu entscheiden, sie werde,

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Page 74: Erzählte Landschaft

wenn ich einverstanden sei, erneut Kontakt mit mir aufnehmen. die Nacktschnecke

setzt ihren Weg fort. das Wasser des Sees glättet sich. die Chamäleons im Feigenbaum

sind wieder ganz damit beschäftigt, ihre Farben zu wechseln. Sie führen einen dau-

ernden Wettkampf, wer die apartesten Farbkombinationen zustande bringe, ein eben-

so sinnenfrohes wie aussichtsloses Unterfangen, wenn man bedenkt, dass wir jede

Schönheit für sich erkennen. ich gehe am Ufer spazieren.

ich setze meine Füße auf gras, moos und Sand, ich gehe durchs Schilf auf nassem

grund. gehe bis übers Knie ins Wasser hinein zwischen vereinzelt stehendem röhricht.

ich wate zurück und gehe exakt auf der Wasserkante, wie man auf einem Seil balan-

ciert. ich halte die arme seitwärts ausgestreckt, den linken überm Wasser, den rechten

überm land. (am grunde des Wassers ergeht sich in ihrer unvergleichlichen Präzision

die ornamental-morphologische Wunderwelt des Waffeltütenschwamms). ich gehe

landeinwärts, ziehe eine Spur von nassen Schritten hinter mir her und drücke meine

Füße in den feuchten, nachgebenden grund. dann gehe ich wieder ins Wasser hinein,

so grade bis über die Knöchel, und wirble mit meinen Schritten den Sand auf, der sich

noch im aufwirbeln wieder zu legen beginnt.

ach nö, denke ich, lieber bin ich eine Kunstfigur in einer klitzekleinen Kurzgeschichte

im Paradies als die Hauptfigur in einem roman auf der erde. Und mal ehrlich, Sie, liebe

leserinnen und leser, hätten genauso gedacht.

ich gehe weiter und erfreue mich an dem, was mir gerade vor der Nase liegt: die Quelle,

die an dieser Stelle knietief unter der Wasseroberfläche entspringt. ein dunkles loch

im Sand am grund, aus dem es unaufhörlich strömt. ist das nicht schön? da kauere ich

mich hin und schaue dem Strömen zu und halte meine Hand ins Fließen hinein. Wenn

mich diese sogenannte Schriftstellerin das nächste mal kontaktiert, dann werde ich sie

enttäuschen müssen.

„Hallo eva?“

„Ja.“

„Was ich noch vergessen habe, dir zu sagen: bei uns auf der erde gibts ganz viele sol-

cher Bäume, wie ihr den einen bei euch in der mitte des gartens stehen habt, und bei

uns sind sie kein bisschen verboten.“

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Page 75: Erzählte Landschaft

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„Nichts für ungut, aber bei euch ist ja fast alles andere verboten. Nö, lass mal. ich habs

mir überlegt: ich bleib doch lieber hier. War aber nett, dich kennengelernt zu haben,

vielleicht ein andermal, machs gut.“

ich gehe zum Baden in den See. ich schwimme zurück. ich tauche ein ins Wasser und

schwimme in sparsam langen Zügen und lass mich treiben. ich schaue aufs Ufer, wo ich

gerade noch gegangen bin und sehe Silberpappelblätter flirren. ich schließe die augen

... massenhaft erlaubte apfelbäume auf der erde, so, so.

adam liegt, wo ich vorhin gelegen habe. die Nacktschnecke ist ein Stück näher am

flüsternden Schilf, bunt und reglos kauern die Chamäleons im Feigenbaum, und eine

Feige fällt, uaahh, ich hab es kommen sehen, auf adams Kopf, anstatt in seine Hand.

ich komme an land wie die schaumgeborene Venus:

„Hallo adam, na, wie gehts?“

„Hallo eva, alles easy, außer dass mir eben diese Feige ... – aber sag mal, vorhin, als ich

im Wasser war, was war denn das? ich hab da sowas gehört.“

„ooch weißte, nur so ne Schriftstellerin. die wollte mich auf die erde locken, mit mas-

senhaft erlaubten apfelbäumen und Hauptfigur in ihrem neuen roman und so. Kannste

dir ja denken, hab ich natürlich nö gesagt.“

„Na denn is ja gut.“

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a b g E S c h r I E b E n

S. U. Bart

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77

17. Oktober 2009

das Wetter! das Wetter. Verena und Katharina bemitleiden uns in einem fort. der ganze

September so schön! Wir haben ja einen Herbst gehabt, 28 grad! Und wie ihr gekommen

seids, aus wars und schiach. ich denk immer, wie ihr so frieren müssts. − Jetzt mach mal

n Punkt, die Heizung funktioniert tipptopp! also ich frier überhaupt nicht. Und hör mal,

das Wetter ist doch bildschön. Wie es gestern geschneit hat, und ich mit dem Fahrrad von

Seekirchen zurückgefahren bin, wie ich heruntergesaust bin, wo man von Zuckmayers

lieblingssitzplatz beim Fischtagginger Wirt raus auf die landstraße nach Henndorf kommt,

das steile Stück links runter, und wie da vor mir, unten, der See eingebettet liegt, recht-

schaffen eingekuschelt in Hügel und Hügelchen, und die sehen alle aus wie Brüste, die

man streicheln will. Was denn, ach komm, jetzt tu doch nicht so, ich bin doch nicht die

erste, die hier Brüste sieht, was sag ich, den möcht ich sehen, der hier keine Brüste sieht.

Brüste hin, Brüste her, es schneit! es schneit nicht überall gleich, mal dichter, mal lichter,

und alles in Bewegung. der See, mitten in Hügelbrüsten und Schnee, grau schimmernd,

changierend, genau wie der Himmel und die Hügel und die ganze luft dazwischen. auf

einmal sieht man den raum, sieht im Himmel die Nähe und die Ferne und das dazwischen,

und weiß genau, glaubt fest, es zu sehen, dass es da, wo der Blick aufhört, aber noch wei-

tergeht. das Panorama ist verschleiert und ein Wind fährt durch, wie durch einen Vorhang,

und der Schnee zaubert eine Weichheit hin, die es im Sonnenschein gar nicht geben kann,

und das grau ist eigentlich bunt. also es schneit. es schneit herab auf grüne Wiesen und

Bäume, auf gelbes Schilf und rote Häuserdächer, und woher kommt eigentlich diese idee

von einem Blau? es schneit kleine Flocken, die könnten fast regen sein, sind aber Schnee,

und es schneit gar nicht so viel, deshalb sieht man ja alles noch so gut, aber schau, dahin-

ten links, da fehlt doch ein Hügel, da ist doch sonst noch einer, der ist jetzt weg, ja genau

da, wo es ein bisschen dunkler ist, das ist er doch, ach so. Sag mir nix gegen das Wetter.

ich also mit dem Fahrrad herunter gesaust, ordnungswidrig rasant, steil bergab und noch

dazu getreten, den Fahrtwind durch die mütze an den ohren, mitten hinein in dieses but-

terweiche, wolkenhafte, schneeverhangne tittenparadies einen Juchzer geschrien.

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30. Oktober 2009

Helge und ich stehen am Ufer, an unserem Ufer direkt vor dem Haus. Wir stehen da so,

immer wieder stehen wir da, morgens, abends, und auch zwischendurch und lüften die

Köpfe aus. Sind nicht weiter gekommen beim Schreiben, haben gerade den schönsten Satz

aller Zeiten verfasst, haben weder noch, nix dergleichen, sondern wollen einfach so mal

eben ans Ufer, wollen aufs Wasser schauen, nicht durch Fenster und Fliegennetz, sondern

ohne, und dran sein am Wasser, luft einsaugen, augen rollen lassen, haben gegessen,

komm, wir gehn mal kurz raus. Wir stehen also an unserem Ufer, und da fliegen uns allerlei

gedanken an. die wohnen da, tummeln sich und turnen herum, und man braucht sich bloß

hinzustellen ans Ufer, die warten darauf, diese gedanken, dass sie solche Stipendiatinnen-

und Stipendiatenköpfe anfliegen können. da werden sie formuliert, da kriegen sie ein

schönes gewand, da drehen sie sich wie vor dem Spiegel und finden sich schick und trei-

ben auch gerne mal Schabernack. Wir stehen also am Ufer, Helge und ich, wir reden, wie

meistens, wenn wir am Ufer stehen, über entsetzlich interessante angelegenheiten, und

plötzlich sagt Helge: »das ist ein eisvogel.« der eisvogel fliegt übers Wasser und dann ist

er weg.

gut, dass Helge sich auskennt und da ist. ich hätte den eisvogel gar nicht erkannt. Kürzlich

las ich, der eisvogel sei rar und zeige sich nicht gern. Vogelkundliche aspiranten vertreten

gar die ansicht, man werde des eisvogels, je mehr man ihn suche und sehen wolle, desto

weniger ansichtig. er zeige sich nämlich nur und gerade dann, wenn man vollkommen

absichtslos beispielsweise an einem Ufer steht, sich womöglich in reflexiven gedanken

nicht zuletzt über das Ufer ergeht, das Ufer, das das ende vom land und der anfang vom

Wasser ist wie auch das ende vom Wasser und der anfang vom land, das also anfang und

ende in zweifacher Hinsicht und in einem ist, aber darauf kommt es gar nicht an. es kommt

darauf an, dass man nicht nach ihm sucht, nicht an ihn denkt, seinen Willen nicht auf den

eisvogel lenkt, dann kommt er vorbei geflogen und zeigt sich.

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am Ufer sein.

Sie rufen am

Ufer, man sei

am Sein, rufe:

»auf ins meer,

ans Feuer, im

Saum feiern«,

rufen sie am

Ufer, am Sein:

am Ufer sein.

(für C. R.)

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82 82

d E r g E r u f E n E E r S c h E I n t

(Kurzhörspiel in sechs akten)

S. U. Bart

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1. Akt: Der Gerufene erscheint in Deutschland

[bei Tisch]

Familie: Komm, Herr Jesu, sei unser gast und iss mal selber, was du uns bescheret hast.

amen.

[die Zimmertür geht auf mit Karacho, der Gerufene erscheint]

Jesus: Waaas? ... das ist ... [schnappt nach Luft] ... ihr seid ... ... ihr habt ja nicht mehr alle

tassen im Schrank!!! ich ess doch nicht ... doch so was nicht!!! ich bin doch von den toten

auferstanden!!! Ja habt ihr das immer noch nicht kapiert?! ich bin beim Vater im Himmel

und ernähr mich rein geistig!!! Segnen lassen müsst ihr das Zeuch, verdammt noch mal,

segnen!, segnen!, und nochmal segnen!

2. Akt: Der Gerufene erscheint in England

[bei Tisch]

Familie: Komm, Herr Jesu, sei unser gast und iss mal selber, was du uns bescheret hast.

amen.

[die Zimmertür öffnet sich fast unhörbar, der Gerufene erscheint]

Jesus: oh, äh ... ... äh ... well ... das ist aber lieb von euch, isn‘t it? ... äh ... excuse me ... nicht

nötig ... [hüstelt] ... ich habe just ein essen gehabt, haven‘t i? ...

3. Akt: Der Gerufene erscheint irgendwo im Kongobecken

[16 Stimmen: ein deutscher Missionar und 15 eingeborene Kongolesinnen und Kongolesen aller

Altersgruppen. Mägen knurren, Fliegen surren.]

16 Stimmen: [mühsam einstudiert] Komm, Herr Jesu, sei unser gast und iss mal selber, was

du uns bescheret hast. amen.

[Verdörrte Zweige knacken, vertrocknetes Gras raschelt: zögerliche Schritte im Gehölz, der

Gerufene erscheint]

Jesus: [schluckt, Frosch im Hals] ... ... äh ... äh ... tja ... Bruder missionar ... äh ... sag den

Brüdern und Schwestern ... äh ... sag ihnen dies: ... ihr tut wohl daran, auch das Nichts

zu teilen ... [räuspert sich] ... ich aber sage euch ... äh ... und es es steht geschrieben bei

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Page 86: Erzählte Landschaft

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matthäus 6, 25-26: macht euch keine Sorgen um das, was ihr an essen und trinken zum

leben braucht. Seht euch die Vögel an! Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln keine

Vorräte, und euer Vater im Himmel ernährt sie doch.

4. Akt: Der Gerufene erscheint in Frankreich

[bei Tisch]

Familie: [ironisch, blasiert] Komm, Herr Jesu, sei unser gast und iss halt mal selber, was du

uns bescheret hast. amen.

[die Zimmertür geht auf mit großem Karacho, der Gerufene erscheint]

Jesus: [haut während des Redens mit der Faust auf den Tisch, liebliches Klingeln kristallener

Weingläser] Wenn ihr euch noch ein einziges mal darüber beschwert, dass ihr für eure ver-

dammte Sauce diesen verdammten 1956er Portwein nicht kriegen konntet, sondern einen

verdammten anderen Jahrgang nehmen musstet, weil euer verdammter Feinkosthändler

den verdammten 56er gerade nicht vorrätig hatte, dann sag ichs dem verd... äh, dem

Vater im Himmel, dass der euch mores lehrt anhand von Schicksalsschlägen, gegen die das

leben des Hiob ein Sanatoriumsaufenthalt war!!!

5. Akt: Der Gerufene erscheint in den USA

[bei Tisch]

Familie: Komm, Herr Jesu, sei unser gast und iss mal selber, was du uns bescheret hast.

amen.

[die Zimmertür öffnet sich, der Gerufene erscheint]

Jesus: How are ya, take down the gun ... [Waffe wird gesichert und weggelegt, Jesus räuspert

sich] ... ich wars nicht, der euch euer essen beschert hat, und der Vater im Himmel wars

auch nicht. ihr wisst ja, woher ihrs habt. ihr wisst, dass es schlecht ist, und ihr wisst, dass mit

der Herstellung dieses schlechten essens die Schöpfung ruiniert wird. ich aber sage euch:

Solange ihr nicht etwas anständiges esst, setze ich mich nicht mit euch an den tisch.

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6. Akt: Der Gerufene erscheint in Österreich

[bei Tisch]

Familie: [gemütlich] Komm, Herr Jesu, sei unsa gosd und iss a amoi söba, wos du uns

beschered hosd. amen.

[die Zimmertür öffnet sich, der Gerufene erscheint]

Jesus: Jo eh, no herrlich, no geh des daugd ma, und wanns nochher no a möspeis gem dad,

do war i wunschlos glücklich ...

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l a n d a r t g E d I c h t E

Claudia Bitter

Page 91: Erzählte Landschaft

wir halten die Stille nicht fest

wir finden Farne

wir stecken Stöcke

wir ranken gräser

wir sammeln Stille

wir graben gruben

wir hängen Holz

wir betten Blätter

wir biegen Stangen

wir finden Farben

wir heilen rinden

wir flechten Schweigen

wir winden Wurzeln

wir lassen Blätter klettern

wir lassen moos kreisen

wir binden Brücken

wir stützen die Stangen

wir suchen das Sehen

wir legen löcher frei

wir reihen die rinden

wir schlängeln das Staunen

wir öffnen den Wald

wir fächern uns auf

wir trinken das licht

wir fragen die Bäume

wir streicheln den ort

wir flechten die Zeit

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Page 92: Erzählte Landschaft

wir hören das gelb

wir sehen ein Wort

wir ziehen die Blätter zu uns

wir lassen die Wiese dem Wind

wir riechen die Kälte

wir fächern den tag auf

wir lassen die rinden blättern

wir lassen die Bäume einander umarmen

wir kringeln die Sonne auf

wir zupfen die Farne

wir bergen das dürre

wir sammeln den Wind

wir drehen den lehm

wir ziehen die Zapfen

wir tragen ein Staunen

wir suchen den grashalm

wir betten die Stille

wir küssen die Äste

wir lassen die Bäume wachsen

wir glauben dem Werkzeug

wir gießen die Zeit ins laub

wir tragen die Nadeln nach Hause

wir fangen ein paar Strahlen ein

wir nehmen den Schatten in den mund

wir streifen durch uns selbst

wir lassen das Herz wurzeln

wir ziehen zwischen die Stämme

wir halten die Stille nicht fest

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Page 93: Erzählte Landschaft

wir verkanten uns nicht

wir legen linien auf

wir lassen den Nebel lichten

wir tragen das dunkle zurück

wir kitzeln den Boden zu uns

wir lassen die Finger staunen

wir knüpfen unsere augen in die Wolken

wir lassen das Schweigen zwischen den Wörtern

wir winden das Herz um den ast

wir spüren die Bäume im gesicht

wir lassen die Brücken wurzeln

wir wärmen den Schatten in der Hand

wir reiben uns das laub nicht aus den augen

wir wachsen im licht

wir verbiegen den Himmel nicht

wir fächern den Wald nicht auf

wir trinken den Wind nicht aus

wir lichten den Schatten nicht

wir lassen den tag wachsen

wir finden das Suchen

wir sehen uns schauen

wir halten die Stille nicht fest

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Page 94: Erzählte Landschaft

ein Schweigen voller Licht

ein sonnentrunkener Berg

ein gesicht voller Bäume

ein Himmel voller licht

erdige Hände

staunende Finger

wurzelnde Herzen

ein Kopf voller Sammeln

eine Wiese voller luft

eine kleine thermoskannenwärme

eine große Holzstoßsonne

ein Schnapsfass wie ein Bauch

tränen zwischen Blicken

ein lachen rund um die Worte

und eine Stille dazwischen

ein lehmblatt heilt

ein Werkzeug windet sich

ein gesicht voller licht

ein auge voller laub

ein mund voller Stille

ein Schweigen voller licht

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Page 95: Erzählte Landschaft

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d I E a u t o r I n n E n

der Jahre 2008, 2009 und 2010

Page 99: Erzählte Landschaft

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S. U. Bart

geboren in esslingen am Neckar (d), studierte ethnologie

und Politische Wissenschaften an der Universität Hamburg.

Sie lebt in Berlin und ist freie autorin, Stadtführerin und

mitglied der gesellschaft für neue literatur. Sie geht verschiedenen

Broterwerbstätigkeiten in den Bereichen dienstleistung und Handwerk nach,

holt sie aber nie ein. 2009 erschien ihr romandebüt „goodbye Bismarck“ im

Plöttnerverlag, seit 2010 erscheinen Prosahäppchen „aus dem leben einer

rikschafahrerin“ auf www.s-u-bart.de.

Claudia Bitter

geboren 1965 in oberösterreich (a), lebt seit 1983 in

Wien, Studium der Slawistik und ethnologie, autorin,

Bibliothekarin, übersetzerin für russisch. Seit 1990 zahl-

reiche Veröffentlichungen in literaturzeitschriften und anthologien,

diverse Preise und literaturstipendien. 2001 erschien der Prosaband „was

man hier verloren hätte“, Bibliothek der Provinz – edition linz; 2005 erschien

der gedichtband „stimme verliert sich“, edition innsalz (mit Zeichnungen

der autorin) und 2008 der Prosaband „verloren gehen“.

Page 100: Erzählte Landschaft

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Friedrich Hahn

ist Waldviertler (a) des Jahrgangs 1952, er schreibt und

publiziert seit 1969. erste Veröffentlichungen in Neue

Wege, Neue Texte, Manuskripte und auf Ö3. Seit 1999

freischwebender Schriftsteller. 27 Bücher und Buchobjekte, zuletzt „Von

allem Ende an“ (edition laurin), über 20 arbeiten für radio und Bühne.

ausstellungen (visuelle Poesie, Copyart, installationen) und Performances

u.a. im museum moderner Kunst, Wien und im Centre george Pompidou,

Paris. Kritiker, essayist, redakteur und Veranstalter von literatur-events

sowie von literatur-Workshops.

Andra Joeckle

geboren in Freiburg im Breisgau (d), lebt als freie

Schriftstellerin (roman, Hörspiel, künstlerische Features)

und übersetzerin literarischer texte aus dem Französischen

in Berlin. Sie studierte in münchen, Berlin und Paris. ihren doktortitel erwarb

sie mit einer dissertation über Uwe Johnson. als (daad-)lektorin lebte

sie 6 Jahre in lille und grenoble. Sie erhielt zahlreiche auszeichnungen,

zuletzt den deutsch-polnischen Journalistenpreis 2010 für ihr reisefeature

„Krakau mit Händen und Füßen“. ihr debüt „Laura und die Verschwendung

der Liebe“ erschien im residenz-Verlag.

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Anna-Elisabeth Mayer

geboren 1977 in Salzburg (a), lebt in Wien und Brüssel.

Studium der Philosophie und Kunstgeschichte an der Uni-

versität Wien. Künstlerische leitung des tanzstücks Pasos

Perdidos der kubanischen tanzgruppe ibbeyis, theater des augenblicks,

Wien; alphabetisierungsunterricht mit migrantinnen. Zweitstudium am

deutschen literaturinstitut leipzig. diverse literaturstipendien sowie

Veröffentlichungen in Zeitschriften und anthologien, 2010 erschien ihr

erster roman „Fliegengewicht“ bei Schöffling & Co .

Helge Streit

geboren 1966 in Feldbach/Steiermark (a); Studium der

geschichte und Kunstgeschichte in Salzburg; lebt als

freischaffender autor und texter in Wien. Zahlreiche

Veröffentlichungen in Zeitschriften und anthologien. Hörspiel: Karoline

Santers affinität zu Katzen (orF 2006). einzelpublikation: luscindas augen

(Klaus Bielefeld Verlag). mehrere Wettbewerbspreise und Stipendien, u. a.

„Putlitzer Preis 2006“, „Österreich & regensburg 2006“, „romstipendium

des Bundeskanzleramtes“. arbeitet zur Zeit an einem romanprojekt mit

dem arbeitstitel „Unser letztes Jahr“.

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d I E l a n d a r t - k ü n S t l E r

der Jahre 2007 und 2009

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da die Natur einen wesentlichen ausgangs- und Schwerpunkt der arbeit des Kulturvereins

KunstBox bildet, wurde 2007 das Programm „Kunst/raum/Natur“ ins leben gerufen. Seither

bespielt der Kulturverein die vielfältige landschaft des Salzburger Seelandes und lädt

landart-Künstler ein, Kunst-Spuren in der landschaft zu hinterlassen.

im Jahr 2007 war vor allem das Wesen des moores und die auseinandersetzung mit der hie-

sigen moorlandschaft „Wenger moor“ der erklärte Schwerpunkt. innerhalb dieses gebiets

wurde von den landart-Künstlern Wolfgang Buntrock und Frank Nordiek (atelier landart/

Hannover) ein Werk mit dem titel „metaebene“ (Seite 38/39) geschaffen, ein in einem Waldstück

überdimensional „schwebendes“ geflecht aus Weidenstöcken. im selben Jahr wurde auch der

Seekirchner objektkünstler Hans Schmidt eingeladen, ein Kunstwerk aus Naturmaterial in die

landschaft des Wenger moors zu setzen. „Hineinhören“ (Seite 24/25), ein gigantischer Kopf, die

augen auf den See gerichtet, war das ergebnis. 2008 wurde der mattseer Buchberg als Spielort

gewählt - er überragt mit einer Höhe von 801 metern das Salzburger Seenland. 2009 wurde

die tiefsteinklamm (Schleedorf, Köstendorf) Schauplatz der künstlerischen Symbiose zwischen

Kunst, raum und Natur. als Hauptkunstwerk in diesem Jahr schuf der Salzburger Künstler

Wolfgang richter die installation „Felsendom“ (Seite 80/81) aus Blättern, Schnüren und Steinen.

2010 wurde der teufelsgraben bei Seeham zum „landart-labor“.

Jedes Jahr erhalten in diesem „landart-labor“ 24 erwachsene und 24 Schüler die gelegenheit,

unter der fachkundigen anleitung der landart-Künstler Wolfgang Buntrock und Frank

Nordiek erste erfahrungen mit dieser Kunstform zu machen. die kreative Kraft des menschen

in resonanz zu setzen mit den gestaltungskräften der Natur, das ist der Sinn des Workshops,

in dem kunstinteressierte menschen mit geschärftem Blick und mit dem Verständnis für das

Wesen der Natur die landschaft des ausgewählten gebietes im Salzburger Seenland drei

tage mit Kunstwerken füllen. Sensibilisiert von Zeit und raum, von licht und Schatten, von

Wetter und Klima und von tages- und Jahreszeiten, sieht man sie dann: die vielen kleinen

Schönheiten, von menschenhand und schöpferischer Kraft geformt. diese Kunstwerke

werden nicht konserviert, sondern vergehen mit dem ende der aktion oder mit der Zeit.

Sie bleiben als Spur in der erinnerung. lediglich die Fotografie kann noch ihr leben etwas

verlängern...

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Atelier LandArt

nennt sich ein Künstlerkollektiv aus Hannover (d), bestehend

aus Wolfgang Buntrock und Frank Nordiek. Neben ihrer künst-

lerischen tätigkeit sind sie vor allem auch versierte Vermittler

ihrer Kunst. Seit 2007 führt atelier landart im auftrag des Kulturvereins

Kunstbox auch im Salzburger Seenland jährlich Workshops durch.

Wolfgang Buntrock

geboren 1957 in Hamburg, Studium des gartenbaus, anschließend frei-

schaffender landschaftsarchitekt in Hannover.

Frank Nordiek

geboren 1964 in leverkusen, erzieher, mineraloge mit Promotion im

Bereich der experimentellen Petrologie.

Seit 1996 Zusammenarbeit im atelier landart.

„Die beiden bewahren, pflegen, umschmeicheln, tätscheln, massieren behut-

sam das, was sie vorfinden. Wie Hütehunde beschnüffeln sie den Platz, kratzen

und wühlen bis der „Knochen“ zu Tage tritt. Der Geist des Ortes, einmal erkannt,

wird zum Blühen gebracht. (…) So ästhetisch und poetisch ihr Werk anmutet,

so verbissen und rational kämpfen sie auch, auf den Punkt genau, den Genius

Loci zu enthüllen. Die Überhöhung des Vorgefundenen wird zur Entdeckung

des Geheimnisses. Entdeckung ist Aufdeckung. Auch beim Betrachter. Wie

Schuppen fällt es von den Augen. Die geistreiche Interpretation offenbart

das Unergründliche. (…)“ (Ulf Jonak im Vorwort zum ausstellungskatalog

„Naturskulpturen“, Berlin 2002)

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Hans Schmidt

geboren in Salzburg (a), lebt und arbeitet als selbstän-

diger Bildhauer in Seekirchen am Wallersee. Von 1965

bis 1970 lehre bei einem innenarchitekten in Salzburg.

erste künstlerische ausbildung 1975: Stipendium für die internationale

Sommerakademie Festung Hohensalzburg, Bildhauerklasse Prof. Wander

Bertoni, Bronzeguss Prof. Josef Zenzmaier. Seit 1997 entwicklung der

eigenen Formensprache: Holzschichtungen bei Figuren und objekten

auf der Basis von abfallholz. Seit 2002 als freischaffenber Künstler mit

Skulpturen, objekten, landart-installationen tätig. 2002: Kunstpreis der

Stadt traunreut.

Wolfgang Richter

geboren 1953 in Zuchering/ingolstadt (d). 1970 bis 1996 arbeit

in der grafischen Werkstatt im Künstlerhaus bei Hermann

ober. 1972 bis 1980 Studium der germanistik, geschichte und

Bildnerischen erziehung in Salzburg. Seit 1972 ausstellungsbeteiligungen,

seit 1976 lehrer in Salzburg. 1983 bis 2000 lehrauftrag an der Hochschule

mozarteum. 1995 Beginn der auseinandersetzung mit naturbezogenen

arbeiten. Seit 1997 mitglied im arbeitskreis „architektur und Schule“. Viele

Projekte im Bezugsfeld raum – Natur. 2010 erhielt Wolfgang richter den

anerkennungspreis des landes Salzburg.

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l a n d a r t u n d f o t o g r a f I E

Eine fruchtbare Symbiose

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landart, eine Kunstform, die in den 1960ern entstand, hat sich zunächst als Protest-

bewegung gegen den etablierten Kunstbetrieb in den USa entwickelt. im gegensatz zu

Werken der bildenden Kunst, denen die Natur als modell diente, wurde in der landart die

landschaft selbst zum arbeitsfeld der Künstler. man wollte kein neues Konsumgut liefern,

sondern Bauwerke schaffen, die in keinem museum, in keiner galerie ausgestellt werden

konnten, also weder transportabel, käuflich noch dauerhaft waren.

Zu Beginn gestatteten die Künstler nicht einmal Foto- oder Filmaufnahmen ihrer ver-

gänglichen arbeiten, um die Vermarktung zu verhindern. Wenn jemand die Kunstwerke

sehen wollte, dann musste er sich auf eine innere und äußere reise begeben und die

Skulptur direkt in der landschaft unter freiem Himmel bei Wind und Wetter mit all seinen

Sinnen erleben. die geschichte hat jedoch bewiesen, dass der einsatz von Fotografie viele

momente, besonders jene des Verfalls, auf eindrucksvolle Weise verstärken und intensivie-

ren konnte.

robert Smithsons und richard longs revolutionäre land-art-Unternehmungen der sech-

ziger Jahre, die Kunst aus dem galerien- und atelierraum befreiten, und gordon matta-

Clarks architektonische eingriffe mit der motorsäge, bei denen er ganze Fassaden zerteilte,

wären ohne Fotografie genauso aus dem gedächtnis gelöscht wie die lebendskulpturen

von gilbert & george, ana mendietas Foto-Performances in der Natur und Bruce Naumans

Körperexperimente im atelierraum. es braucht keinen meißel, keine formenden Hände

mehr, die Skulptur wird mit dem auslöser erst erschaffen. ready-made, Performance und

landart – allesamt radikale Wegverzweigungen und Neuerfindungen der Kunst – sind ohne

Fotografie nicht zu denken. gerade in der landart spielt die fotografische dokumentation

der Prozesse eine zentrale rolle, da die wenigsten Betrachter diese mitunter langwierigen

entwicklungen mitverfolgen können.

Constantin Brâncusi, rumänisch-französischer Bildhauer der moderne, meinte einst:

„Warum über Skulpturen reden, wenn du sie fotografieren kannst. Es ist die Sprache, mit der ich

beschreibe, was ich gemacht habe. Auch für mich selbst ist es die Möglichkeit geworden zu ver-

stehen, was ich gemacht habe. Wenn ich den ganzen Tag im Regen gearbeitet habe und müde

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bin, kann ich das, was ich gemacht habe, nicht mehr sehen und spüren. Ich brauche diese Zeit

zwischen dem Machen und der Wiederkehr der Bilder, um noch einmal neu sehen zu können, was

ich wirklich gemacht habe.“

mehr als jedes andere Bildmittel hat die Fotografie unsere Wahrnehmung der Welt

geprägt und unser Verhältnis zur Wirklichkeit verändert. Sie ist ein allgegenwärtiges

massenmedium – und zugleich eine Kunstform. das ist auch, was dieses medium so beson-

ders macht. Künstler nutzen die technik, um eine Vorstellung von der realität zu illus-

trieren, die in der Wirklichkeit nicht zu finden ist. darum ist auch die Fotografie so etwas

wie die Sprache der landart. durch die bewusste reduktion auf Formen, Farben oder

Strukturen, das ausblenden nicht relevanter Bildteile, unterstützt sie die Vielschichtigkeit

und genauigkeit des entdeckens ganz wesentlich. Sie öffnet die augen und macht bisher

Unsichtbares sichtbar.

landart und Fotografie. eine fruchtbare Symbiose.

In diesem Sinne kommt den Fotografen dieser Anthologie eine ganz besondere Bedeutung zu.

Für die kreative und unentgeltliche Mitarbeit vielen Dank an:

Andreas Brandl, obertrum

Jürgen Brinkmann, Hannover

Leo Fellinger, Seekirchen

Rupert Matzelsberger, Straßwalchen

Hans Schmidt, Seekirchen

Markus Weilch, obertrum

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l a n d a r t - I n d E x n a c h b I l d E r n

Künstler, Fotografen und Orte

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Titelseite und Seite 46:Workshoparbeit Markus Weilch, Tiefsteinklamm 2009Foto von Rupert Matzelsberger

Seite 10:Wallersee 2010Foto von Rupert Matzelsberger

Seite 11:Tiefsteinklamm 2010Foto von Rupert Matzelsberger

Seite 11:Teufelsgraben 2010Foto von Leo Fellinger

Seite 11:Wenger Moor 2010Foto von Rupert Matzelsberger

Seite 18:Workshoparbeit, Teufelsgraben 2010Foto von Andreas Brandl

Seite 19:Workshoparbeit, Teufelsgraben 2010Foto von Leo Fellinger

Seite 19:Workshoparbeit, Teufelsgraben 2010Foto von Leo Fellinger

Seite 19:Workshoparbeit, Teufelsgraben 2010Foto von Leo Fellinger

Seite 19:Workshoparbeit, Teufelsgraben 2010Foto von Leo Fellinger

Seite 24:Landart-Installation „Hineinhören“ von Hans Schmidt, Wenger Moor 2007Foto von Hans Schmidt

Seite 25:Landart-Installation „Hineinhören“ von Hans Schmidt, Wenger Moor 2007Foto von Leo Fellinger

Seite 25:Landart-Installation „Hineinhören“ von Hans Schmidt, Wenger Moor 2007Foto von Leo Fellinger

Seite 31:Workshoparbeit, Tiefsteinklamm 2009Foto von Rupert Matzelsberger

Seite 31:Workshoparbeit, Tiefsteinklamm 2009Foto von Rupert Matzelsberger

Seite 31:Workshoparbeit, Teufelsgraben 2010Foto von Leo Fellinger

Seite 34:Workshoparbeit, Teufelsgraben 2010Foto von Leo Fellinger

Seite 38 + 39:Landart-Installation „Metaebene“ von Atelier Landart, Wenger Moor 2007Foto von Jürgen Brinkmann

Seite 47:Workshoparbeit, Teufelsgraben 2010Foto von Leo Fellinger

Seite 47:Workshoparbeit, Tiefsteinklamm 2009Foto von Leo Fellinger

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Seite 47:Workshoparbeit, Tiefsteinklamm 2009Foto von Leo Fellinger

Seite 52:Workshoparbeit, Wenger Moor 2007Foto von Leo Fellinger

Seite 52:Workshoparbeit, Wenger Moor 2007Foto von Leo Fellinger

Seite 52:Workshoparbeit, Wenger Moor 2007Foto von Leo Fellinger

Seite 60:Workshoparbeit, Buchberg 2008Foto von Leo Fellinger

Seite 61:Workshoparbeit, Buchberg 2008Foto von Leo Fellinger

Seite 61:Workshoparbeit, Buchberg 2008Foto von Leo Fellinger

Seite 61:Workshoparbeit, Buchberg 2008Foto von Leo Fellinger

Seite 68:Workshoparbeit, Teufelsgraben 2010Foto von Leo Fellinger

Seite 68:Workshoparbeit, Teufelsgraben 2010Foto von Leo Fellinger

Seite 68:Workshoparbeit, Teufelsgraben 2010Foto von Leo Fellinger

Seite 69:Workshoparbeit, Teufelsgraben 2010Foto von Leo Fellinger

Seite 80:Landart-Installation „Felsendom“ von Wolfgang Richter, Tiefsteinklamm 2009Foto von Leo Fellinger

Seite 81:Landart-Installation „Felsendom“ von Wolfgang Richter, Tiefsteinklamm 2009Foto von Andreas Brandl

Seite 81:Landart-Installation „Felsendom“ von Wolfgang Richter, Tiefsteinklamm 2009Foto von Andreas Brandl

Seite 81:Landart-Installation „Felsendom“ von Wolfgang Richter, Tiefsteinklamm 2009Foto von Leo Fellinger

Seite 74:Workshoparbeit, Buchberg 2008Foto von Leo Fellinger

Seite 75:Workshoparbeit, Buchberg 2008Foto von Markus Weilch

Seite 75:Workshoparbeit, Wenger Moor 2007Foto von Leo Fellinger

Seite 75:Workshoparbeit, Buchberg 2008Foto von Leo Fellinger

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Seite 86:Workshoparbeit, Teufelsgraben 2010Foto von Leo Fellinger

Seite 87:Workshoparbeit, Teufelsgraben 2010Foto von Leo Fellinger

Seite 94:Workshoparbeit, Buchberg 2008Foto von Leo Fellinger

Seite 95:Workshoparbeit, Buchberg 2008Foto von Leo Fellinger

Seite 104:Workshoparbeit, Wenger Moor 2007Foto von Leo Fellinger

Seite 105:Workshoparbeit, Wenger Moor 2007Foto von Leo Fellinger

Seite 105:Workshoparbeit, Wenger Moor 2007Foto von Leo Fellinger

Seite 105:Workshoparbeit, Wenger Moor 2007Foto von Leo Fellinger

Seite 110:Workshoparbeit, Teufelsgraben 2010Foto von Leo Fellinger

Seite 111:Workshoparbeit, Tiefsteinklamm 2009Foto von Leo Fellinger

Seite 111:Workshoparbeit, Teufelsgraben 2010Foto von Leo Fellinger

Seite 111:Workshoparbeit, Tiefsteinklamm 2009Foto von Leo Fellinger

Seite 118:Workshoparbeit, Wenger Moor 2007Foto von Leo Fellinger

Seite 119:Workshoparbeit, Teufelsgraben 2010Foto von Andreas Brandl

Page 118: Erzählte Landschaft

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d a n k

diese Seite ist all jenen gewidmet, die durch ihre Beiträge und Förderungen die Umsetzung

dieses Projektes erst ermöglicht haben. allen voran danken wir unseren ständigen

Subventionsgebern: Stadtgemeinde Seekirchen, Kultur land Salzburg sowie dem

Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur.

Zur Umsetzung eines Projektes wie diesem bedarf es aber auch vieler helfender Hände, die

uns in Form von arbeits- und Sachleistung tatkräftig unterstützen. Stellvertretend für sie alle

bedanken wir und bei der Salzburg ag, die uns Jahr für Jahr die beiden Seeufer-Wohnungen

für die Stipendiaten kostenfrei zur Verfügung stellt.

den größten finanziellen Beitrag leistete bei diesem Projekt aber die europäische

gemeinschaftsinitiative leader. Ziel von leader ist es, in ländlichen regionen modell-

hafte lösungsansätze für eine integrierte und nachhaltige entwicklung zu fördern.

„Kunstraum Salzburger Seenland“ ist ein Projekt des regionalverbandes Salzburger

Seenland zur „Verbesserung der lebensqualität im ländlichen raum“.

M I T U N T E R S T Ü T Z U N G V O N E U R O P Ä I S C H E R U N I O N , B U N D U N D L A N D

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I m p r e s s u m

iSBN 978-3-7013-1186-6

editioN KUNSTBOx im otto müller Verlag

Herausgeber: leo Fellinger, Kulturverein KunstBox Seekirchen

© 2011 otto müller Verlag, Salzburg/Wien und Kulturverein KunstBox, Seekirchen

sowie bei den autoren

Texte: die Beiträge dieser anthologie entstanden in den Jahren 2008 bis 2010 und stammen von

S. U. Bart, Claudia Bitter, Friedrich Hahn, andra Joeckle, anna-elisabeth meyer und Helge Streit.

Fotografie: andreas Brandl, Jürgen Brinkmann, leo Fellinger, rupert matzelsberger, Hans Schmidt,

markus Weilch. die Bilder entstanden von 2007 bis 2010 ausschliesslich im Salzburger Seenland.

Gestaltung: leo Fellinger, Seekirchen

Litho: repro atelier Czerlinka gmbH, Siezenheim

Druck und Bindung: Ueberreuter Print gmbH, Korneuburg