Erziehungs- und Bildungspartnerschaften - Fachkräfte und ...€¦ · Fachkräfte und Eltern als...
Transcript of Erziehungs- und Bildungspartnerschaften - Fachkräfte und ...€¦ · Fachkräfte und Eltern als...
Fachkräfte und Eltern als Lernpartner 1
Erziehungs- und Bildungspartnerschaften
-
Fachkräfte und Eltern als Lernpartner
LVR-Fachtag
„Vielfalt gestalten – im Dialog mit Familien“
18. Juni 2013 in Köln
Remi Stork
Fachkräfte und Eltern als Lernpartner 2
Gliederung
• Zentrale Herausforderungen der Erz.- und Bildungspartnerschaft: Lebenswirklichkeiten von Familien kennenlernen, Unterschiede zwischen den Systemen verstehen, herausfinden wie Familien erziehen und bilden.
• Was ist das „Neue“ an Erziehungs- und Bildungspartnerschaften
• Strukturelle Schwierigkeiten der Partnerschaft
• Positive Beispiele: Early Excellence / Dialog. Lernen
Fachkräfte und Eltern als Lernpartner 3
Warum Eltern Erziehungs- und
Bildungspartner brauchen …
• Familie ist das erste
Bildungssystem
• Sie bildet aber keine
abgeschottete Keimzelle
(mehr)
• Die erfolgreiche Familie
findet Bildungsunter-
stützung in den Mikro- und
Mesosystemen
Fachkräfte und Eltern als Lernpartner 4
Die Differenz der Aufträge
Familie Kita / Schule
Intimes, ganzheitliches und parti-
kularistisches Beziehungsgeflecht
► Legt im Rahmen personalisierter,
affektiver, unauswechselbarer
Beziehungen die Grundlage für
Sozialität
Universalistische, spezifische,
distanzierte Institutionen
► Ermöglichen Kindern eine Begeg-
nung mit individuell und familiär
übergreifenden Normen einer
„community“
Fachkräfte und Eltern als Lernpartner 5
Die Differenz der Aufträge (ein Schaubild von W. Helsper u.a. am Bsp. Schule)
Erziehung
Diffusität Spezifik Förderung
Nähe Distanz Bildung Unkündbarkeit Fachspezifische der Beziehungen/ Inhalte/ Liebe Unterricht Stützung Emotionalität Rationalität Integration Individualität/ Universalismus Einzigartigkeit
Fa
mili
e S
ch
ule
Fachkräfte und Eltern als Lernpartner 6
Familie als ErziehungsortThesen von Michael Winkler: Erziehung in der Familie (Kohlhammer 2012)
• Familien müssen Autonomie entwickeln („Schließung des familialen Systems“) als Grundlage für Erziehung. Hierzu müssen sie über sinnstiftende Erzählungen verfügen.
• Die Familie erzieht als sozialisatorische Triade: Die Eltern-Kind-Beziehung muss mit der Paarbeziehung vermittelt werden (Spannungsfeld von Gemeinsamkeiten und Ausschließungen).
• Das Erleben der Zusammengehörigkeit in der Familie verweist auf evolutionsbiologische Sachverhalte, wie neuere anthropologische Studien zeigen.
• Erziehung wird nicht nur durch die Bedürfnisse der Kinder, soziale und kulturelle Muster geprägt, sondern stark durch die mentalen Muster der Eltern, die diese in ihren eigenen Bildungsgeschichten entwickelt haben.
• Familiäre Erziehung ist wenig intentional, stark selbstreferentiell, komplex, schwer steuerbar und nicht so einfach zu beeinflussen (Achtung vor Nebenwirkungen!).
Fachkräfte und Eltern als Lernpartner 7
Von der Elternarbeit
zur Erziehungs- und Bildungspartnerschaft
Bestandteile der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft(nach Martin Textor):
Wechselseitige Öffnung: Hospitieren, mitarbeiten, Modelllernen,
Abstimmung privater und öffentlicher Erziehung
Gemeinsame Verantwortung für das Wohl des Kindes
Institutionen werden zu Kommunikationszentren mit Eltern und
für Eltern
Mitbestimmung / Demokratisierung
Beratung von Familien / Weitervermittlung
Fachkräfte und Eltern als Lernpartner 8
Sie sucht ihn – Sie sucht sie
Bin im besten Alter und wirtschaftlich unabhängig,
bin flexibel und möchte mich verändern,
will neue Leute kennenlernen,
bin hilfsbereit und kommunikativ,
und schließe feste Bindungen nicht aus.
Fachkräfte und Eltern als Lernpartner 9
Strukturelle Partnerschaftsprobleme
auf Seiten der Eltern
Nicht alle Eltern sind die besten Experten für ihre Kinder. Sie wollen
aber so behandelt werden.
Viele Eltern von „schwierigen Kindern“ sind gegenüber
Hilfeangeboten hoch ambivalent und daher nicht offen für die
Kooperation.
Eltern suchen ggf. unter den Fachkräften Verantwortliche für
Verhaltensauffälligkeiten und Lernschwierigkeiten („Sündenböcke“)
Die Elternarbeit konkurriert mit anderen Freizeitbedürfnissen
Fachkräfte und Eltern als Lernpartner 10
Kommunikationsprobleme in der
Partnerschaft
Fachkräfte werten Eltern ab. Sie stellen bei Konflikten weniger sich
selbst und die Kita in Frage.
Ebenso verfahren viele Eltern, die die Schuld für Entwicklungs-
auffälligkeiten bei den Fachkräften suchen. Die Wahrnehmungs- und
Attributionsmuster von Eltern und Fachkräften entsprechen sich, was
zu gegenseitigen Schuldzuschreibungen und Vorwürfen führt.
Fachkräfte und Eltern als Lernpartner 11
Zweckbündnisse statt
Liebesbeziehungen
Teilweise ist Fachkräften gar nicht klar, warum man überhaupt mit
Eltern arbeiten sollte. Entwicklungsgespräche und Elternabende
werden als formale Pflicht begriffen. Entsprechend erfolglos sind sie
dann auch.
Institutionenferne Eltern reduzieren solche Kontakte auf das
Nötigste.
Weitere Kontaktaufnahmen sind durch Verhaltens-Probleme der
Kinder indiziert, nicht durch Interesse.
Fachkräfte und Eltern als Lernpartner 12
Bildung und Beziehung neu denken –
von funktionierenden Erziehungs- und
Bildungspartnerschaften lernen
Vom Modell der englischen EECs lernen:
Eltern in die Bildungs- und Entwicklungsprozesse
einbeziehen
Eltern als Experten ernst nehmen (andere Haltung)
Demokratische Theorien, Methoden, Materialien nutzen
Einrichtungen der Tagesbetreuung zu offenen Zentren
umgestalten
Fachkräfte und Eltern als Lernpartner 13
Erzieherinnen beobachten
das Kind im Kindergarten
Informationsweitergabe an
die Eltern
Eltern erhalten Ideen für die
Förderung ihrer Kinder
(z.B. für Geschenke, Unter-
nehmungen, Spielzeug)
Diese Infos werden in die
Teambesprechungen
eingebracht
Individuelle Planung für jedes Kind,
um eine kognitiv herausfordernde
und emotional unterstützende
Umgebung anzubieten
Eltern beobachten ihr
Kind zu Hause
Informationsweitergabe
an die Erzieherinnen
The Pen Green Loop
Fachkräfte und Eltern als Lernpartner 14
Von den EEC lernen: Hilfreiche Arbeitsprinzipien
für Erziehungs- und Bildungspartnerschaften
Die Institution entwickelt aktiv eine Kultur der Offenheit
Mitbestimmung und Dialog sind in der Institution
gewünscht
Die Zusammenarbeit beginnt vor dem ersten Konflikt
Gemeinsame Verantwortung für das Wohl des Kindes /
Mehrseitige Bildungsprozesse
Die Institution baut Brücken in den Stadtteil und in die
weiteren Hilfesysteme
Fachkräfte und Eltern als Lernpartner 15
Mehrseitiges Lernen – ein Konzept des Kronberger
Kreises für Dialogische Qualitätsentwicklung
• Gemeinsame Fragen und Herausforderungen an den
Anfang stellen
• Gemeinsam forschen, lernen und austauschen
• Wechselseitige Gestaltung der Lehr- und Lernprozesse
• Chancen der Triangulierung nutzen (z.B. Kita, Eltern
und Beratungsstelle)
Fachkräfte und Eltern als Lernpartner 16
Das Beispiel der Eltern-Universität
Hoyerswerda
• LehrerInnen, ErzieherInnen und Eltern studieren gemeinsam die
neue Kindheitsforschung
• Sie arbeiten gemeinsam in Arbeits- und Forschungsgruppen
• Sie erstellen gemeinsame Abschlussarbeiten
• Sie werden gemeinsam zertifiziert
Fachkräfte und Eltern als Lernpartner 17
Das Beispiel des Dialogischen
ElternCoachings
• Fachkräfte aus unterschiedlichen Diensten denken mit ihren
„KlientInnen“ gemeinsam neu über Erziehung nach
• Die Grundidee lautet: die Familie kann sich nur entwickeln,
wenn alle Beteiligten dazu lernen
• Es entstehen neue Lerngruppen, neue Lernanlässe, neue
Beziehungen
Fachkräfte und Eltern als Lernpartner 18
Fazit zur Idee des gemeinsamen Lernens
• Das gemeinsame Lernen von Fachkräften und Eltern ist
bisher die Ausnahme.
• Modellprojekte zeigen aber, dass es erhebliche
Lernchancen bietet und zudem positive Konsequenzen für
die Kultur der Zusammenarbeit hat.
• Angesichts der Unübersichtlichkeit im Kontext
pädagogischer Organisationen bietet gemeinsames,
dialogisches Lernen einen Ausweg aus gegenseitigen
Zuschreibungen.
Fachkräfte und Eltern als Lernpartner 19
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit !!!
Fachkräfte und Eltern als Lernpartner 20
Einflüsse von
Schule,
Lehrkräften,
Unterricht
Einflüsse der
Familie
Sonstige
Einflüsse
Lesekompetenz 31,0% 66,1% 2,9%
Mathematische Kompetenz 28,3% 62,0% 9,7%
Natrwissensch. Kompetenz 29,4% 62,6% 8,0%
Familie als Bildungsort – Ergebnisse der PISA-Studien
Eindeutig ist die Bedeutung der Familie für die Frühe Bildung: als Garant für
den Bindungsaufbau, für Spracherwerb, Motorik, „Weltwissen“ der Vorschüler
Nach Einschätzung der PISA-Studien trägt die Familie aber sogar zu 2/3 des
schulischen Bildungserfolges bei; die Schule nur zu einem Drittel:
Fachkräfte und Eltern als Lernpartner 21
Wie bildet eigentlich die Familie?
• Nebenbei in der alltäglichen Lebensführung, z.B. in Tischgesprächen und
Familienritualen. Hier „erbt“ das Kind das kulturelle Kapital, d.h. das
Verhältnis der Eltern zur sozialen Welt (Wahrnehmung, Deutung, Denken
und Sprechen). Elterliches Bildungsniveau hat einen stärkeren Einfluss auf
den Bildungserfolg der Kinder als der elterliche Beruf bzw. das
Einkommen.
• Durch gemeinsame kulturelle Aktivitäten: sprechen, lesen, Besuche von
kulturellen Veranstaltungen.
• Durch Wechselwirkungen mit der Erwerbsgesellschaft (z.B. weisen Kinder
erwerbstätiger Mütter bessere Noten auf).
• Damit erweist sich Familie angesichts der Beschaffenheit des deutschen
Bildungssystems als Transmissionsriemen sozialer Ungleichheit.
Literatur.: Andreas Lange / Margret Xyländer (Hg.): Bildungswelt Familie (Juventa-Verlag 2011)