Essay Klaus Rinke geschützt

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Done for a university course about self-portraits in photography. Made the pictures very light for copyright. All credits for the pictures go to the artist Klaus Rinke.

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Essay: Klaus Rinke - To go through the format

Student: Sarah Seefried TU Dresden Philosophische Fakultt Institut fr Kunstgeschichte Seminar: Selbstportrt in der Fotografie Dozent: Dr. Bertram Kaschek

WS 11/12, 31.01.2012

Essay Klaus Rinke To go through the format

Der 1939 in Wattenscheid geborene Knstler Klaus Rinke beschftigte sich ursprnglich mit Dekorations- und Plakatmalerei und war unter anderem in Frankreich ttig, bis er die Malerei 1965 bei seiner Rckkehr nach Deutschland aufgab und sich der Performance- und Installationskunst zu wandte. Die Darstellung des Werdegangs Klaus Rinkes, seiner Gedanken zu Leben und Kunst, ist nicht nur Bestandteil seiner eigenen Internetprsenz1 sondern auch diverser Kataloge, die begleitend zu verschiedenen Ausstellungen erschienen sind. In dirigierender Funktion beschrnkt sich Rinke in diesen Publikationen nicht nur auf die Aufzhlung seiner Werke und Ausstellungen sondern hinterlegt diese im Format von Interviews mit Hintergrundinformationen bezglich seiner Intentionen und seines Selbstverstndnisses als Knstler. Eine Auseinandersetzung mit seinen Arbeiten ist folglich angewiesen auf die Anerkennung des vom Knstler gewissenhaft durchformten Gesamtbildes seiner Person.

In seiner Autobiographie2 setzt sich Rinke in die Tradition der Knstlervita und der Knstlerlegende. So erscheint in der im Wesentlichen 1954 ansetzenden Reflektion eine Anekdote, die Klaus Rinke als einen Knstler legitimiert, indem sie ihn in die geistige Erbfolge eines anderen setzt. Sie

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[Rinke 2012] [Rinke 2012], Abschnitt Autobiografy

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erzhlt davon, wie er in eben diesem Jahre bei Sonnenuntergang einen See betrachtete und unwissentlich das Bedrfnis versprte auf verschiedenen Aquarellen die Vernderung der Lichtqualitt whrend des Einbruchs der Nacht zu dokumentieren. Die Beschreibung seiner Intuitivitt whrend des Prozesses, lsst seine Hand beinahe wie von einer auenstehenden Kraft hnlich den mythologischen Musen gefhrt erscheinen. Erst im Nachhinein habe er beim Betrachten der fnf entstandenen Bilder realisiert, dass er ein physikalisches Phnomen in seiner zeitlichen Abfolge eingefangen hatte.3 Damit schreibt er sich das erste Kriterium fr die Legitimierung als Knstler zu: Die Medialitt fr einen knstlerischen Genius. Gleichsam ist es ein jahrhundertealtes Motiv der Knstlerbiographie das Werk des Knstlers als Gebilde der Natur4 anzusehen. Dem kunsthistorisch gebildeten Leser erscheint dieser Vorgang bekannt. Auf ganz hnliche Weise entstand ab 18925 eine der bedeutendsten Initialbildserien des Impressionismus: Claude Monets lgemlde der Kathedrale von Rouen zu verschiedenen Jahres- und Tageszeiten. Diese lernte Rinke laut seiner Vita aber erst drei Jahre spter whrend eines Aufenthalts in Paris auf scheinbar ganz zufllige Weise kennen.6 Somit findet sich hier ein weiteres Kriterium seiner Legitimation: Die schicksalhafte Verbundenheit mit der Knstlertradition der beginnenden Moderne. Weiterhin erscheint Rinke in seiner Autobiographie als ein Knstler vieler Materialien und aller Disziplinen. Ob als Maler, Grafiker, Skulpteur, Photograph oder Perfomance-Knstler ohne sich selbst Grenzen zu setzen beschftigt er sich sein Leben lang mit den Mglichkeiten dynamische und interaktive Kunstwerke zu schaffen, die alle durch sein nahezu obsessives Verhltnis zum Thema Zeit miteinander verbunden sind.

Das einzige vom Knstler als Selbstportrait bezeichnete photographische Werk ist das Selbstportrait mit Taschenlampe7 (Abb. 1) von 1960. Das in Griechenland entstandene Bild dokumentiert eine Entwicklungsphase des Knstlers, die mit wichtigen Vernderungen einhergeht. Es ist das erste Bild, in dem Klaus Rinke nicht nur die Rolle des Knstlers, sondern auch die des Objektes bernimmt.

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[Rinke 2012], Abschnitt Autobiografy: I was the medium and through my work, I was able to share this physical phenomenon with others. [Kris/Kurz 1995], 29, 3. Knstleranekdoten und biographische Motive [Reclam 2002], 180ff. [Rinke 2012], Abschnitt Autobiografy: I wandered around alone, walking around Paris as a young student, and near Tuilleriers, at the place de Concorde, in a building where French art was exhibited. Auch katalogisiert als In front of the moon with flashlight.

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Der zentrale Bildaufbau verstrkt einen betont klassischen Portraitcharakter. Der Hintergrund besteht aus einer dunklen, fast vollstndig schwarzen Flche, die die untere Hlfte des Bildraumes einnimmt und in der horizontalen Bildmitte mit einer gewellten Horizontlinie gegenber der oberen Hlfte abschliet. Die obere Hlfte des Hintergrundes besteht aus einer helleren Flche, die in einem kreisfrmigen Verlauf zur Bildmitte hin heller (beinahe wei) wird, so dass sie die Lichtverhltnisse eines leuchtenden Bildmittelpunktes wiedergibt. Unmittelbar davor zeichnet sich ein Kopf im Profil nach links ab. Das Profil ist scherenschnittartig schwarz und nur von links unten her beleuchtet. Die Lichtquelle dieser Beleuchtung ist deutlich als weier Fleck im linken unteren Bildbereich erkennbar und wird durch den Bildtitel als Taschenlampe identifiziert. Ein langer, gekruselter Bart kennzeichnet das Bildobjekt als Mnnerprofil und erinnert an bekannte Darstellungen antiker, hellenistischer Haartrachten bei Mnnern. Eine Bewegungsunschrfe in der Horizontalen macht es jedoch unmglich den Abgebildeten eindeutig zu identifizieren. Da die Horizontlinie keine derartige Unschrfe aufweist, ist davon auszugehen, dass sich der Portraitierte absichtlich whrend der Belichtungszeit bewegt hat, um unscharf zu erscheinen. Der Oberkrper des Mannes verschmilzt mit dem schwarzen Hintergrund, so dass das Profil einen bstenhaften Charakter erhlt. Unter Bercksichtigung des Entstehungsortes erscheint dieses Bild als eine Sammlung von Verweisen: auf das klassische Portrait, auf antike Bsten hellenistischer Philosophen, auf das in der Autobiographie erwhnte Werk zur Dokumentation eines visuellen Phnomens. Nur auf eines verweist es nicht: Auf den Knstler selbst. Wrde es der Bildtitel nicht angeben und die vage erkennbare Bartform nicht mit anderen dokumentarischen Aufnahmen vom Knstler in dieser Zeit bereinstimmen, knnte man es keinesfalls als Selbstportrait identifizieren. Die dmmerigen Lichtverhltnisse und die Unschrfe stehen ganz im Gegensatz zur spothaften Wirkung der Taschenlampe, die den Abgebildeten in den Mittelpunkt rcken und eindeutig identifizieren will. Der Knstler entzieht sich dieser Fokusierung und Exponierung, indem er mit Variationen von Lichtwirkung und Objektreflektion experimentiert. Er probiert sich aus in einer neuen Rolle als Objekt, die sich abgrenzt von der eines rein schpferischen Knstlers, indem sie die Identitt des Objektes verschleiert. Diese Entdeckung der eigenen Objekthaftigkeit setzt sich fort in einer Reihe von Schwarzweiaufnahmen8, die makrophotographisch aufgenommene, unbekleidete Krperlinien mit differierenden Beleuchtungsverhltnissen zeigen. Auch hier bleibt die Person unidentifizierbar. Ja stellenweise

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Sensual yearnings awakened through sunset, 1960, Abb. 2 - 4

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kann in dieser Bildreihe selbst der abgebildete Krperteil als Objekt kaum eindeutig identifiziert werden. Weitere Serien dieser Art experimentieren mit der Lichtbrechung in Wasseroberflchen und ihrer Wirkung auf darin eingebrachte Objekte9 und Bewegungsunschrfen10. Der Verlust des Identifikationswertes tritt am deutlichsten in einer in wstenhaftem Umfeld aufgenommenen Serie hervor11, in der grelles Licht den abgebildeten Akt klar erscheinen lsst, mittels Pose und Perspektive aber stets verhindert wird, dass der Kopf des Modells sichtbar ist. Ohne den Kopf als Sitz des Geistes und das Gesicht als Ausdruck von Charakter geht hier trotz der Exponiertheit des Abgebildeten dessen Identitt vollstndig verloren. Das wichtigste Instrument der Photographien von 1960 ist das Licht. ber die Erkenntnis, dass es die unabdingbare Voraussetzung zur Schaffung photographischer Aufnahmen darstellt, hinaus setzt sich Rinke mit dessen physikalischen Eigenschaften auseinander. Licht, das im Grunde selbst nicht sichtbar ist, sondern nur durch die reflektierenden Eigenschaften verschiedener Oberflchen in seiner Qualitt wahrgenommen und dokumentiert werden kann, ermglicht in seiner Grundeigenschaft das menschliche Sehen. Rinke invertiert diesen Prozess des Sehens, indem er einen weiteren Faktor nutzt, der der Photographie als solcher eigentlich uneigen ist: die Zeit. Whrend die Photographie in ihren Grundzgen Momentaufnahmen herstellt und fr die Darstellung zeitlicher Ablufe lngst der Film erfunden ist, entdeckt Rinke die langen Belichtungszeiten fr sich, die es ermglichen Bewegung photographisch zu dokumentieren und damit die Zeit, die zwischen ffnen und Verschlieen der Blende liegt. Bewegung wird fr Rinke zur Visualisierungsmglichkeit von Zeit.

In den folgenden Jahren beschftigt sich Rinke ausgiebig mit dem Element Wasser und der Performance- bzw. Installationskunst. Welche Eigenschaften weist Wasser als Skulpturmaterial auf? Der flssige Aggregatzustand also die groen Abstnde zwischen den einzelnen Moleklen machen Wasser extrem flexibel. Der kleinste Windhauch versetzt eine Wasseroberflche sofort in Bewegung. Die nahezu stndig bewegte Struktur dieses Elements gilt von jeher als Sinnbild der Dynamik und ist damit eine Visualisierungsmglichkeit von Zeit. Wie Rinkes Wasserinstallationen haben auch seine Perfomanceauftritte die Eigenschaft, dass sie niemals vollkommen identisch sein knnen, sich also stndig verndern, bewegen. Wie keine andere Kunst zeigt die Performance-

9 Between above and below water, 1960, Abb. 5 10 Body movements in nature, 1960, Abb. 6 - 8 11 Sun, sand, body, 1960, Abb. 9

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kunst die Einwirkung von Zeit auf ein Objekt das auch hier, wie in den Photographien von 1960, der Knstler selbst ist.

In den Siebziger Jahren schlielich ergrndet Rinke in seinen Ausstellungen Mglichkeiten Zeit und Bewegung photographisch ohne Schrfenverlust also mit kurzen Belichtungszeiten darzustellen, indem er die Eigenschaften der Serienphotographie gezielter, konzeptioneller nutzt. Dabei funktioniert keine Photographie mehr fr sich allein, sondern nur noch im Kontext des gesamten Ausstellungsobjektes. Beispielhaft hierfr ist das Objekt To go through the format (Abb. 10 - 13) von 1972. Schwarzweie, linksgerichtete Profilaufnahmen des Knstlers vor hellem Hintergrund werden in Bildfeldern mit identischen Maen neben- und bereinander angeordnet. Dabei zeigen nebeneinanderliegende Kacheln jeweils unterschiedliche Ausschnitte der Profilaufnahmen. Alle Aufnahmen zeigen den Knstler von der Brust bis zum Scheitel. In der Horizontalen ist der Bildausschnitt gegenber dem linken Nachbarn jedoch stets um eine definierte Distanz nach rechts verschoben, bis auf dem ersten und letzten Bild einer Reihe schlielich nur noch eine weie Flche zu sehen ist. Ein kompletter Zyklus besteht dabei aus jeweils dabei Einzelbildern. Die erste Gruppe entspricht der natrlichen Lesart und ist in einer horizontalen Reihe angeordnet. Allerdings erscheint die Lesrichtung invertiert, da Rinke von links nach rechts gelesen rckwrts aus dem Format zu gehen scheint. Die zweite Gruppe kombiniert die horizontale Reihe mit einer vertikalen, die rcklufig zur Orthogonalen oben an das uere, weie Feld auf der rechten Seite anschliet. Die dritte Gruppe wiederholt dieses Prinzip und erweitert es um eine Horizontale und eine Vertikale, so dass die Bildreihen insgesamt einen rechteckigen Rahmen ergeben, in dem das Objekt immer wieder aufzutauchen und zu verschwinden scheint. Die vierte Collage schlielich fhrt den entstandenen Rahmen fort, indem sie das Binnenfeld mit versetzten Horizontalreihen auffllt, deren Startund Endpunkte bereits vorgegeben sind. So ergibt sich ein Raster, indem jede Bildreihe jeweils horizontal, vertikal und diagonal gelesen werden kann, und das in der Mitte durch eine weie Diagonale vom linken unteren Eckfeld zum rechten Oberen Eckfeld geteilt wird. Das Auftauchen und Verschwinden aus der ersten Collage hat sich hier soweit verdichtet, dass der Knstler in der Lage war, Zeit und Raum einer einzigen simulierten Bewegung aus vielfachen Blickwinkeln betrachtet in einer einzigen, zweidimensionalen Flche darzustellen, so dass sich ein Kreislauf permanenten Auftauchens und Verschwindens ergibt.

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Die Bedeutung, die Rinke der Rolle der Zeit in der Kunst zuschreibt, ergibt sich aus seiner Einschtzung des Wesens der Kunst:

In general, if one were to summarize my vision of art it would be this: Art is living together with each other at the same time, earthbound to the same globe. Some people come earlier into this life, some people later but all in a time structure measured by instruments.12

Nicht das Objekt selbst sondern die Zeit die Menschen miteinander am selben Ort verbringen und die Art auf die sie sie verbringen ist Kunst. Das knstlerische Objekt stellt dabei scheinbar lediglich die Initialisierung, sozusagen den Katalysator fr das Entstehen von Kunst dar, indem es eine Richtungsangabe und ein Kommunikationsmittel des Knstlers zum aktiven Adressaten darstellt.

12 [Rinke 2012], Abschnitt Autobiografy, letzter Absatz

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Abbildungen

Abbildung 1: Selbstportrt mit Taschenlampe, 1960 7 von 13

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Abbildung 2: Sensual yearnings awakened through sunset (Bsp. I)

Abbildung 3: Sensual yearnings awakened through sunset (Bsp. II) 8 von 13

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Abbildung 4: Sensual yearnings awakened through sunset (Bsp. III)

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Abbildung 5: Between above and below water

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Abbildung 6: Body movements in nature (Bsp. I)

Abbildung 8: Body movements in nature (Bsp. II)

Abbildung 7: Body movements in nature (Bsp. III)

Abbildung 9: Sun, sand, body (Bsp. I)

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Abbildung 10: To go through the format I

Abbildung 11: To go through the format II

Abbildung 12: To go through the format III

Abbildung 13: To go through the format IV 12 von 13

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Selbststndigkeitserklrung

Ich versichere hiermit, dass ich die Arbeit* selbststndig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.

Name:

Seefried

Vorname:

Sarah

Dresden, den 31.01.2012

.................................................. Unterschrift

* Bei Gruppenarbeiten bezieht sich diese Erklrung auf den vom Verfasser gekennzeichneten Anteil der Arbeit.

LiteraturverzeichnisRinke 2012: Kris/Kurz 1995: www.klausrinke.com, Stand: 12.01.2012 Ernst Kris, Otto Kurz, Die Legende vom Knstler. Ein geschichtlicher Versuch., Frankfurt am Main 1995 Reclam 2002: Norbert Wolf, Kunst-Epochen. Band 10. 19. Jahrhundert, Stuttgart 2002

AbbildungsnachweisAbb. 1 13: Museum of Modern Art Oxford, Klaus Rinke [Hrsg.], EX-HI-BI-TI ON, Katalog zur Ausstellung 11. Januar 15. Februar 1976, Dssel dorf 1975 13 von 13