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SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE Feature am Sonntag Untergewöhnlich Eine praktische Übung nach Georges Perecs „Versuch einen Platz in Paris zu erfassen“ Von Nicole Paulsen Sendung: Sonntag, 27. August 2017, 14.05 Uhr, SWR2 – Feature Redaktion: Walter Filz Regie: Nicole Paulsen Produktion: SWR 2016 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: Feature am Sonntag können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de Die Manuskripte von Feature am Sonntag gibt es auch als E-Books für mobile Endgeräte im sogenannten EPUB-Format. Sie benötigen ein geeignetes Endgerät und eine entsprechende "App" oder Software zum Lesen der Dokumente. Für das iPhone oder das iPad gibt es z.B. die kostenlose App "iBooks", für die Android-Plattform den in der Basisversion kostenlosen Moon-Reader. Für Webbrowser wie z.B. Firefox gibt es auch sogenannte Addons oder Plugins zum Betrachten von E-Books: Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de

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SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE

Feature am Sonntag Untergewöhnlich Eine praktische Übung nach Georges Perecs „Versuch einen Platz in Paris zu erfassen“

Von Nicole Paulsen Sendung: Sonntag, 27. August 2017, 14.05 Uhr, SWR2 – Feature Redaktion: Walter Filz Regie: Nicole Paulsen Produktion: SWR 2016

Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: Feature am Sonntag können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de Die Manuskripte von Feature am Sonntag gibt es auch als E-Books für mobile Endgeräte im sogenannten EPUB-Format. Sie benötigen ein geeignetes Endgerät und eine entsprechende "App" oder Software zum Lesen der Dokumente. Für das iPhone oder das iPad gibt es z.B. die kostenlose App "iBooks", für die Android-Plattform den in der Basisversion kostenlosen Moon-Reader. Für Webbrowser wie z.B. Firefox gibt es auch sogenannte Addons oder Plugins zum Betrachten von E-Books: Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradio s SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de

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Intro

ZITATOR: Was uns anspricht, ist wie mir scheint, immer das Ereignis, das Ungewöhnliche, das Außergewöhnliche: fünf Spalten auf der Titelseite, Schlagzeilen. Die Zeitungen schreiben über alles, außer über das Tagtägliche. Die Zeitungen langweilen mich.

Wo ist das, was wirklich geschieht, das, was wir erleben, das Übrige, alles Übrige? Das, was jeden Tag geschieht und jeden Tag wiederkehrt, das Banale, das Alltägliche, das Selbstverständliche, das Allgemeine, das Gewöhnliche, das Übliche, wie soll man sich seiner bewusst werden, wie soll man es befragen, wie es beschreiben?

Georges Perec: L’Infra-ordinaire

Ansage: Untergewöhnlich Eine praktische Übung nach Georges Perecs „Versuch einen Platz in Paris zu erfassen“ von Nicole Paulsen

Erzählerin: Im Oktober 1974 begibt sich der französische Autor Georges Perec an drei aufeinanderfolgenden Tagen an die Place Saint-Sulpice im 6. Pariser Arrondissement. Von drei Cafés und einer Bank aus, notiert er das, was passiert, wenn nichts passiert.

Unterlage französisches Original

PEREC: Das Datum: 18. Oktober 1974 Die Zeit: 10 Uhr 30 Der Ort: Tabac Saint-Sulpice

Das Wetter: Trockene Kälte, Grauer Himmel. Vereinzeltes Aufklaren.

PEREC: Entwurf eines Inventars einiger der unmittelbar sichtbaren Dinge:

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PEREC: - Buchstaben des Alphabets, Worte: „KLM“ (auf der Tasche eines Spaziergängers), „Hotel Récamier“, „Rue du Vieux-Colombier“, „Brasserie-Bar La Fontaine Saint-Sulpice“, „Parc Sant-Sulpice“.

PEREC: - Ziffern: 86 (oben auf dem Autobus der Linie 86, oberhalb der Angabe seiner Endstation: Saint-Germain-des-Prés), 1 (Schild mit der Hausnummer 1 in der Rue du Vieux–Colombier), 6 (auf dem Platz, als Angabe, dass wir uns im 6. Pariser Arrondissement befinden).

PEREC: - Erde: festgestampfter Kies und Sand

- Stein: Bordsteinkanten, ein Brunnen, eine Kirche, Häuser

- Asphalt

- Bäume (belaubt, häufig sich gelb färbend)

- Ein recht großes Stück Himmel (vielleicht 1/16 meines Blickfeldes)

- Ein Schwarm Tauben, der plötzlich zwischen Kirche und Brunnen über der zentralen Fläche des Platzes niedergeht

- Fahrzeuge

- Menschen

- Ein Brot (ein Baguette)

- Ein Frisée, der teilweise aus dem Einkaufskorb herauslugt.

NICOLE: Das Datum: 18. Oktober 2014 Die Zeit: 10 Uhr 30 Der Ort: Café de la Mairie

Das Wetter: sonnig, blauer Himmel, die Terrasse des Cafés noch im Schatten

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Erzählerin: 40 Jahre später setze ich mich mit meiner Freundin Antje an die Place Saint-Sulpice in Paris St. Germain und versuche zu den identischen Zeiten, an den gleichen Orten, das Glanzlose zu notieren, die Hintergrundgeräusche aufzunehmen. Den „Tabac Saint-Sulpice“, wo Perec sein Experiment begann, gibt es nicht mehr. Wir setzen uns auf die Terrasse des Café de la Mairie an der anderen Ecke des Platzes, packen das Aufnahmegerät aus, 2 Mikrophone, unsere Notizbücher und bestellen 2 Grand Crème:

Geräusch Klick Aufnahmegerät, ATMO 1, 18.10.

ANTJE: Café de la Mairie, 2 Grand Crème: 9 Euro 20

1 Stück Zucker eingewickelt in Papier Cafés Richard PEREC: Buslinien

Der 96er fährt zum Gare Montparnasse

Der 84er fährt zur Porte de Champerret

Der 70er fährt zur Place du Dr Hayem, Hauptgebäude des Staatlichen Rundfunks

Der 86er fährt nach Saint-Germain-des-Prés

Der 63er fährt zur Porte de la Muette

Der 87er fährt zum Champ de Mars

Der 84er fährt zur Porte Champerret

NICOLE: Der 70er fährt zu zu Radio France

Der 87er fährt zum Champ-de-Mars

Der 63er fährt zur Porte de la Muette

ANTJE: Bus 63 Porte de la Muette

ZITATOR: Von Zeit zu Zeit eine Straße beobachten, vielleicht mit etwas systematischer Aufmerksamkeit.

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Erzählerin: Rät George Perec in seinem Buch „Träume von Räumen“.

NICOLE: Ein Mann mit einem Baguette in der Hand geht vorbei

Ein silbernes Mercedes-Taxi von links

Eine Frau mit Locken trägt eine weiße Plastiktüte mit Bananen

Im Café nebenan: ein Hund bellt eine Frau an, die etwas in ihr Handy tippt. Der Hund, ein Mops, bekommt vom Herrchen einen Klaps auf den Po weil er eine Serviette anbellt.

2 Fahrräder

Der Mopshund bellt eines der Fahrräder an und wird mit einer Zeitung zurechtgewiesen.

ZITATOR: Aufschreiben, was man sieht. Was sich an Erwähnenswertem ereignet.

ANTJE: 10 Uhr 50

Taxi Rot (besetzt), eine Taube fliegt zur Kirche

Tauben fliegen von der Kirche zur Wasserfontäne

zwei Männer sitzen rauchend neben uns. 10 Uhr 51

hinter uns ein schreibender Student

Bus 96, 10 Uhr 52

ZITATOR: Im Grunde ereignet sich nichts.

ANTJE: Frau mit Petersilie, in Papier eingewickelt, geht über die Straße

ATMO 2, 18.10. 11h Glocke

NICOLE: Kurz vor 11 Uhr

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Ein 87er Champ de Mars

Ein dünner Mann auf einem High Tech Klappfahrrad, er hat etwas Giacomettiartiges

Aufkommender Wind

Ein 86er Saint-Germain-des-Prés

NICOLE: Hinter uns im Café kritzelt ein junger Mann unaufhörlich in ein Notizbuch.

ANTJE: Bus 70. 11 Uhr

NICOLE: Eine Frau, Typ Fanny Ardant flaniert vorbei

Der 63er Porte de la Muette

Ein schwarzes Mercedestaxi rast vorbei

ZITATOR: Vermag man zu sehen, was erwähnenswert ist?

NICOLE: 11 Uhr 10. Mir ist kalt

Ein Ahornblatt fällt zeitlupenartig aus dem Nichts auf das Trottoir

Ein Mercedes, gefolgt von einem blauen Lieferwagen

Ein Windstoß (kein weiteres Blatt zu sehen)

Der 63er Porte de la Muette

ANTJE: Bus 63

Zigarettenrauch und Rotwein, ein älterer Mann

Ein junger Mann, kariertes Jackett, Schiebermütze, er fotografiert, liest ein Buch und schaut wieder auf den Platz. Literaturstudent?

ATMO 3, 18.10.

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NICOLE: 11 Uhr 27

Ein Paar. Er trägt Basecap. Sie lange Haare

Eine Frau mit Laptop am Tisch nebenan

ANTJE: Bus 96, 11Uhr 29

Im Café neben mir schreibt eine Frau auf einem Laptop und beobachtet den Bus NICOLE: Hinter uns sind jetzt zwei Schreibende:

- rechts hinter uns eine rotblonde Frau, sie schreibt etwas mit einem Kuli. Aus ihrem Rucksack ragt eine Trinkflasche hervor, auf ihrem Tisch ein Café express, um den Hals eine Kamera

- 2 Plätze links von ihr, direkt hinter uns, sitzt der junge Mann, blond, ein Moleskine in der Hand.

Erzählerin: Antje und ich schauen nach rechts und links:

NICOLE: - links außen in erster Reihe zum Platz sitzt ein junger Mann mit Karojackett und grauer Schiebermütze, er raucht, liest in einem Buch von Georges Perec, der Titel ist schwer zu erkennen, er macht Fotos mit seinem Smartphone. Der Prototyp eines Literaturstudenten. - rechts außen in erster Reihe zum Platz eine Frau im schwarzen Trench mit Macbook, Aufnahmegerät und Camcorder, sie gießt sich Tee aus einem silbernen Kännchen in ihre Tasse.

Erzählerin: Ist das schon die Sehnsucht nach dem Besonderen? NICOLE: 11 Uhr 45. Der junge Mann hinter uns legt sein Moleskine zur Seite.

ATMO 4a + b (Glocke 3x)

Geräusch Klick Smartphone

OT 1 Renko: Renko, Renko Recke, ja (also ich komme aus Deutschland)

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Erzählerin: Renko lebt seit eineinhalb Jahren in Paris, arbeitet als freier Journalist und Fotograf.

OT 2 Renko: Also ich orientier mich auf jeden Fall an dem Zeitplan und versuche auch wirklich in seinem Stil die Beobachtungen festzuhalten und denke dass es eigentlich auch ganz gut läuft. Es ist schon anstrengend, auch bewusst zu beobachten; und die Tatsache dass jetzt noch andere Beobachter unter uns sind macht das ganze irgendwie aber auch interessant und man tauscht sich halt auch untereinander sogar aus.

Erzählerin: Renko deutet in Richtung „Literaturstudent“.

OT 3 Renko: Also der junge Mann da links hat das Buch auf jeden Fall auch in der Hand. A: Ja, der gleicht immer ab. Ich hab schon beobachtet, per Fotos und so.

OT 4 Renko: Also ich find faszinierend mit den Bussen, die hier (A: Ja) so regelmäßig reinfahren A: und danach immer zwei Taxis, irgendwie zwei rote Taxis, find ich echt spannend.

Erzählerin: Wie viele rote Taxis inzwischen unnotiert vorbeigefahren sind?

OT 5 Renko: Und der junge Mann da, der Literaturstudent, ich nenn ihn mal so, er spaziert auch noch herum. Da direkt, geht jetzt gerade zu dem Zeitungskiosk und macht Fotos, ja.

NICOLE: Vielleicht ist er gar kein Literaturstudent? Nur eine Inszenierung.

Erzählerin: Wir beobachten uns alle gegenseitig (oder OT)

PEREC: Aus einem Touristenbus scheint eine Japanerin mich zu fotografieren.

OT 7 Renko: Wäre ja spannend zu wissen ob einfach jemand nur das Buch gelesen hat und nur hier sitzt und das so aufnimmt, ohne zu notieren, ohne festzuhalten.

ATMO 5_2 23: 49 (leise Café bestellen)

OT 8 Antje: Aber wenn man hier den ganzen Tag sitzt, kennt man sich bald richtig aus, finde ich.

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Erzählerin: Renko notiert:

RENKO: So langsam kommt mir der Gedanke, dass sich unter den Cafégästen eine ganze Gruppe von „Beobachtern“ befindet. Werde ich anders beobachten, wenn ich weiß, dass ich beobachtet werde?

Erzählerin: Inzwischen habe ich unzählige Mikroereignisse verpasst.

NICOLE: Es ist zwölf Uhr.

ANTJE: Kirchenglocken

Literaturstudent mit Schiebermütze verlässt Café um 12 Uhr 03

Erzählerin: Renkos Nachbarin, die Frau mit den rotblonden Haaren möchte uns fotografieren.

OT 9 Carol: May I take a photo of you (lachen), I think that’s a fair exchange (lachen). So, Hello.

Geräusch Klick Smartphone

OT 10 Carol: Caroline, Huff actually, from Australia. I am a student from the Australian national University in Canberra and I am following Perec.

Erzählerin: Caroline kommt aus Australien, sie studiert Videokunst an der Universität in Canberra. Sie will einfach Perecs Versuch wiederholen, ohne bestimmtes Ziel.

OT 11 Carol: I don’t even think it’s any focus (lacht) but I am actually was going to recreate his performance.

PEREC: Ein Reisebus, leer.

Weitere Japaner in einem weiteren Reisebus.

Erzählerin ov: Caroline kommt kaum nach mit dem Zählen der Busse und Autos. Es ist so viel Verkehr im Vergleich zu damals.

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OT 12 Carol: It’s really difficult to keep up with the number of buses and cars. Lacht. I think things have changed, it’s so much traffic.

Erzählerin ov: Der Platz war so etwas wie Perecs Hinterhof, meint Caroline und er kannte sich gut mit Autos aus. Sie überhaupt nicht.

OT 13 Carol: I mean it was his backyard, was his home Territory, and he also had a really good knowledge of cars. And I just don’t, just say black car or big car.

ANTJE: Sonnig, Sonne hinter der Kirche

Tauben fliegen

Ein Taxi

PEREC: Kurze Beruhigung (Ermüdung?)

Pause.

NICOLE: Pause.

PEREC: Das Datum: 18. Oktober 1974 Die Uhrzeit: 12 Uhr 40 Der Ort: Café de la Mairie

PEREC: Mehrere Dutzend, mehrere Hundert gleichzeitiger Handlungen, Mikro-Ereignisse, von denen jedes mit spezifischen Haltungen, motorischen Akten, Energieaufwendungen verbunden ist:

PEREC: Gespräche zu zweit, zu dritt, Gespräche zu mehreren: Lippenbewegung, die Gesten, der Ausdruck

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PEREC: Fortbewegungsformen: Gehen, Zweirad, Automobile, Nutzfahrzeuge, Stadtreinigung, öffentliche Verkehrsmittel, Touristenbusse

PEREC: Grad der Entschlossenheit oder der Motiviertheit: warten, flanieren, bummeln, irren, gehen, auf etwas zurennen, sich stürzen, suchen, Zeit vertrödeln, zögern, mit entschlossenen Schritten gehen.

ATMO 6

NICOLE: Das Datum: 18. Oktober 2014 Die Zeit: 12 Uhr 40 Der Ort: Café de la Mairie

Erzählerin: Antje, Caroline, Renko und ich sitzen in einer Reihe.

ZITATOR: Die Leute auf der Straße: Woher kommen sie? Wohin gehen sie? Wer sind sie?

NICOLE: Rechts neben der Terrasse sitzt ein junger Mann mit Bart auf einem roten Klappstuhl, roter Schal, in der Hand ein Buch von Georges Perec.

ANTJE: Mann mit rotem Klappstuhl neben dem Café an der Litfaßsäule, ein Schluck Wasser blauer Himmel, zwei Silberstreifen von Flugzeugen

NICOLE: Eine modelartige Frau sitzt auf einem Poller, lange blonde Haare, sie tippt auf ihrem Smartphone herum. Eine ältere Dame telefoniert mit ihrem Smartphone. Ein älterer Herr macht sich Notizen.

Erzählerin: Renko notiert:

RENKO: Neben der Litfaßsäule hat sich ein älterer Herr mit Trenchcoat aufgebaut. Er blickt auf die Place Saint-Sulpice. Daneben entdecke ich einen jungen Mann mit einem roten Klappstuhl. Er telefoniert mit einem alten Mobiltelefon. Auf seinem Schoß liegt ein Buch.

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ANTJE: Der Mann auf dem rotem Klappstuhl isst aus einer Tupperdose

NICOLE: Ein Junger Mann mit Ringelshirt sitzt auf einem Poller und telefoniert mit einem Smartphone. Er hat Locken, fast wie Georges Perec

ANTJE: Mann mit rotem Klappstuhl isst, putzt die Nase, den Mund, trinkt Wasser und kramt in einer Lidl-Tüte, die aus der Tasche herausragt, reibt Hand, reibt Nase, holt Block und Stift raus und das Buch von Perec.

RENKO: Ein 70er fährt ein. Eine Frau, die einen rosafarbenen Schal trägt, wartet allein an der Haltestelle. Sie steigt nicht in den 70er ein. Kurz darauf folgt ein 63er. Die Frau bleibt an der Haltestelle stehen. Mein Blick fällt wieder auf den jungen Mann mit seinem roten Stuhl. Er wirft einen Blick in das Buch auf seinem Schoß. Da erkenne ich, dass es sich ebenfalls um Perec handelt. Er macht sich ebenfalls Notizen.

ZITATOR: Sich dieser Beschäftigung hingeben. Sich Zeit lassen.

Erzählerin: Ich pirsche mich an den Klappstuhlschreiber heran. Sein Blick ist auf das Café gerichtet.

Geräusch Klick Smartphone

O-Ton 14b BAP: „Baptiste“ (mehrmals)

Erzählerin: Baptiste Gaubert, Bretone, ehemaliger Literaturstudent, Schauspieler und Performancekünstler.

Erzählerin OV: Baptiste macht das Projekt für sich selbst, aber es ist auch Georges Perec gewidmet, den er sehr bewundert und der seiner Ansicht nach eine französische Literatur geschaffen hat, die mehr ist als nur französische Literatur. Er ist fasziniert von diesem Mann. Weil er Anleitungen gegeben hat, begegnen wollte, bedeuten und nicht bedeuten.

OT 15 BAP: C’est un project pour moi, oui, c’est un project pour lui aussi c’est un projet pour cet homme que j’aime beaucoup que j’admire et qui pour moi a su donner une litterature francaise bien que et pas que de la litterature francaise, mais voilà, je suis fasciné par cet homme. Parce qu’il s’a imposé parce qu’il a voulu rencontre, parce qu’il a voulu signifier et ne pas signifier, et voilà.

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Erzählerin ov: Seiner Meinung ist das eine sehr gute Übung für die Pariser, die nicht genug hinschauen, was in ihrer Stadt passiert

OT 16 BAP: A mon avis c’est un très bon exercice pour des Parisiens, je pense que les Parisiens ne regardent pas assez ce qui se passe dans leur ville et, et voilà.

Erzählerin: Er will an allen drei Tagen den Platz erfassen.

O-Ton 17 BAP: Je vais essayer (lacht), je vais essayer de me tenir a ces fameuses trois journées.

ATMO 7

PEREC: Vorübergehende Beruhigung, an der Bushaltestelle steht niemand.

Erzählerin: Was ist mit den beiden Frauen hier? Sie sind gerade gekommen. Vor ihnen liegt ein Notizbuch. Sind sie auch wegen Perec hier?

OT 18 Frau: Pas du tout en fait, non, non, pas du tout, par hazard (lachen).

Erzählerin: Nein, nur Zufall.

ANTJE: 12 Uhr 56. Mann mit Block, Zeitung und Zigarettenschachtel Marlboro, Handy, Schlüssel und ein Espresso, Rechnung 2,20€, schlägt rotes Buch zu

Erzählerin: Er vielleicht?

ANTJE: Schlägt rotes Buch wieder auf, schreibt und raucht.

OT 19 Mann: Non, non non non non.

Erzählerin: Aber die Dame mit Camcorder, Macbook, Aufnahmegerät. Sie sitzt mindestens seit 11 Uhr 27 hier.

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Geräusch Klick Smartphone

OT 20a+b Ruf: Christina Ruf.

Erzählerin: Künstlerin, lebt in München und Zürich.

OT 21 Ruf: Nein, das ist das schönste, dass hier so viele dasitzen. Die Art wie er versucht hat zu dokumentieren ist eigentlich in einer anderen Form das, was ich audiovisuell immer versucht habe an Plätzen oder in Städten und jetzt versuch ich es gerade herauszukriegen wie das 40 Jahre danach ist. Was da eigentlich so funktioniert oder nicht funktioniert oder was sich verändert hat. - Ich hab auch nicht gedacht, dass da so viele auftauchen (lachen).

Erzählerin: Wir werden fotografiert. Aber wer ist das?

PEREC: Es ist 5 nach eins. Eine Frau rennt über den Kirchenvorplatz.

ATMO 8, 18.10. 13: 15

ANTJE: 13 Uhr 20 Sonne, stechend heiß, blauer Himmel

NICOLE: 13 Uhr 20 es ist heiß. Ein lauter Roller.

PEREC: Leute stolpern. Mikro-Unfälle.

NICOLE: Rechts von uns, direkt neben dem Café, in der Nähe des roten Klappstuhls, entdecke ich eine junge Frau mit Bommelmütze, an einen Baum gelehnt sitzend; auf dem Schoß ein Block, in der linken Hand hält sie das Buch von Georges Perec, die französische Ausgabe.

RENKO: Während des Essens fällt mir ein weiterer junger Mann auf, der auch in der Perecs „Versuch...“ liest. Er lehnt an der Litfaßsäule: Er ist mir aufgefallen, weil er eine bunte Mütze mit einem roten Bommel trägt. Er macht sich aber keine Notizen.

ZITATOR: Sich zwingen, das zu schreiben, was ohne Bedeutung ist.

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NICOLE: Antje setzt ihre Kopfhörer ab

Beobachter beobachten Beobachter

PEREC: Ein 63er fährt vorbei

RENKO: Ein 63 er fährt ein

ANTJE: Bus 63, 13 Uhr 25

ATMO 9 „Le Monde“

ANTJE: Ein Mann hält Le Monde Zeitungen hoch und ruft lautstark im Café

RENKO: Ein Zeitungsverkäufer bietet den Gästen im Café die Wochenendausgabe von Le Monde an.

NICOLE: Ein Le Monde Verkäufer hält die Zeitung hoch, er trägt eine schwarze Brille.

PEREC: Zwei leere Taxis am Taxistand

NICOLE: Zwei blonde Frauen unter der Überdachung vor dem Café. Eine der beiden hat sich ein Tuch über den Kopf gelegt, wahrscheinlich wegen der Hitze. Deutsche? Es sieht aus, als machen sie ebenfalls Notizen

NICOLE: Schreiben die Frauen tatsächlich?

Die Frau vom Baum schaut auf

Erzählerin: 13 Uhr 32

OT 23 Claire: Je crois que la terrasse sera remplit des post-Perecs.

Erzählerin: Sie stellt fest, dass die Terrasse voll von Post-Perecs ist.

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Geräusch Klick Foto oder Polaroid

Erzählerin: Claire Boullé, mit der Bommelmütze, Kunststudentin aus Straßburg.

Claire hat Perecs Experiment schon vor zwei Jahren gemacht. Jetzt wiederholt sie die Übung nicht einfach, sondern macht das Gegenteil, sie streicht all das, was nicht mehr geschieht. Es ist eine Art Ausdünnen des ursprünglichen Textes.

OT 24 Claire: En fait moi j’avais déja fait l’exercice il y a deux ans de venir regarder ce qui se passe. Et du coup j’avais laissé ca travailler un peu tout seul. Et là je suis venue plutôt faire envers plutôt enlever, soustraire tout ce qui se passe plus dans le texte plutôt que faire l’inventaire encore une fois de réitérer l’exercice.

Erzählerin ov: Viel bleibt nicht nach dem Ausdünnen, sagt Claire.

OT 25 Claire: Non, il n’y a pas grand chose qui reste ni des climats, des ciels, des chiffres, et des attitudes, mais sinon, non. c’est l’impermanence des choses acquis, c’est flagrant.

Erzählerin ov: Weder das Klima, noch die Wolken, die Zahlen, das Verhalten. Die Unbeständigkeit der Dinge wird hier offensichtlich.

Erzählerin: Die Mütze mit Bommel: Eine Erinnerung an das Klima von 1974?

PEREC: Eine Dame, die drei Kinder zur Schule bringt (zwei davon haben lange rote Mützen mit Bommeln)

Vor der Kirche steht der Lieferwagen eines Leichenbestatters

ATMO 10, 13: 54 beginnt R26_12

PEREC: Es ist zwanzig nach zwei.

Erzählerin: Unter dem kleinen Vordach sitzen die beiden Damen, die mit der Hitze zu kämpfen haben.

Geräusch Klick Foto oder Polaroid

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OT 26a Ariane: Je suis de Paris, oui, je suis pas Parisienne, mais j’habite à Paris. C’est un texte que j’utilise beaucoup avec des étudiants en architecture.

Erzählerin: Ariane Wilson, Architekturdozentin, sie lebt in Paris. Sie findet es amüsant, dass durch die anderen Beobachter eine zweite Ebene, entstanden ist. Gerade notiert sie das alles. Sie hat inzwischen 5 Beobachter identifiziert. Mich hat sie auch schon entdeckt.

OT 26b Ariane: Oui c’est amusant parce que effectivement ca a crée une deuxième couche. d’ailleurs je me vois en train de noter ces choses la. Il y maintenant cinq personnages que j’ai identifiés depuis ce matin. Et vous aussi je vous avais déja vu.

PEREC: Ich habe den Eindruck, der Platz sei fast leer (aber es befinden sich mindestens zwanzig Menschen in meinem Blickfeld)

OT 27 Ariane: Vous avez vu le monsieur allemand là bas, il est de Karlsruhe.

Erzählerin: Ob wir den Mann aus Karlsruhe gesehen haben. Sie zeigt nach links auf einen Mann mit blonden Haaren und blauem Hemd.

ANTJE: Heiß, Sonnenbrand auf der Haut.

ATMO 11

OT 29 Ariston: Oh das spricht sich schnell rum.

Geräusch Klick Smartphone

NICOLE: 14 Uhr 25

OT 30 Ariston: Ariston Baton.

NICOLE: Der Mann aus Karlsruhe

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OT 31 Ariston: Ja wie viele haben sie jetzt mittlerweile entdeckt? Sieben? Ja also hier sitzen glaub ich zwei, drei, haben Sie den jungen Mann da vorne noch am Baum? N: aufm Klappstuhl? R: ja aufm Klappstuhl, ja.

OT 32a Ariston: Und jeder geht auch ein bisschen nach einem anderen Schema vor. Also ich hatte mich vorhin mit dem jungen Herrn da auf dem Klappstuhl unterhalten. Er meinte er hält sich relativ streng an diesen Plan und es gibt auch in einem anderen Buch von Perec ne Anweisung, wie man sich in einem solchen Fall zu verhalten hat...

Erzählerin: Träume von Räumen.

OT 32b Ariston: ... Ich bin da ähnlich. Ich geh ähnlich vor, aber lass mich zwischendrin irgendwie halt auch mal gehen. Ich weiß nicht wie er das macht, ob er sich gehen lässt.

Erzählerin: Also ich fürchte, ich lass mich ziemlich oft gehen.

ANTJE: Ich bin kurz vorm Hitzestich.

OT 33 Arist: Also ich merk jetzt gerade, dass ich richtig fertig bin. Aber wir schaffen die drei Tage, denk ich.

Erzählerin: Ja, wir schaffen das.

PEREC: Es ist halb drei.

OT 34 Ariston: Und dann ist irgendwann Schluss heute, mit dem Enzianlikör. Treffen wir uns da wieder zum Enzianlikör? Sind Sie dabei?

ATMO 12

Erzählerin: Renko und Caroline lesen in ihren Perec Büchern

Erzählerin: Caroline schaut fasziniert auf meine Sonnenbrille.

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OT 36a Carol: I can see the reflection of the café de la Mairie in your glasses, in your sunglasses, you see. I won’t see you, just everybody else.

Erzählerin: Caroline fotografiert das Café de la Mairie (und sich selbst) in der Spiegelung meiner Sonnenbrille.

OT 36b Carol: (fotografiert) there you go, I just got myself in your sunglasses.

ZITATOR: Ein Stück Stadt entziffern.

NICOLE: Vorbeigehen eines Chinesen, er trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift „In Case of emergency“

PEREC: Mann trägt Sarg heraus. Die Totenglocke beginnt wieder zu läuten

NICOLE: Die Sonne brennt auf meine Wade

ANTJE: Lachende Gesichter in die Sonne schauend, Indianerhand als Sichtschutz vor der Sonne, lautes Lachen.

PEREC: Der Leichenwagen fährt davon, gefolgt von einem Peugeot 204 und einem grünen Méhari

Das Totengeläut hört auf

NICOLE: Der 96er Und noch ein 96er zum Gare Montparnasse

PEREC: Ein 96er

PEREC: Es ist viertel vor drei

ANTJE: Es ist viertel vor drei. Pause.

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PEREC: Pause / Pause

PEREC: Das Datum: 18. Oktober 1974 Die Uhrzeit: 15 Uhr 20 Der Ort: Fontaine Saint-Sulpice (Café)

ATMO 13

NICOLE: Das Datum: 18. Oktober 2014 Die Uhrzeit: 15 Uhr 20

Der Ort: dort wo das Fontaine Saint-Sulpice (Café) hätte sein können

NICOLE: Der Karlsruher und Baptiste mit dem Klappstuhl suchen den Ort wo das Café Fontaine Saint Sulpice vor 40 Jahren war.

PEREC: Jetzt sitze ich im Fontaine Saint-Sulpice, und zwar so, dass ich dem Platz den Rücken zuwende

Die Autos und Leute, die mein Blick wahrnimmt, kommen vom Platz oder schicken sich an, ihn zu überqueren.

OT 38a Ariston: Wie könnte das funktionieren?

PEREC: Gegenüber im Tabac schnappen die Bridgespieler aus dem Raum im ersten Stock ein bisschen Luft.

OT 38b Ariston: Also kann’s im Prinzip doch nur hier sein, wenn er gegenüber vom Tabac ist. Nur wie kann er mit dem Rücken hier sitzen und wo müssen wir uns jetzt mit dem Rücken hinsetzen?

OT 39 Bap: R: Es wird eng. B: Une minute et Perec nous engueule.

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Erzählerin: Noch eine Minute und Perec brüllt uns an, meint Baptiste.

OT 40 Bap: Je pose la chaise et j’éspère que Perec éclaire.

Erzählerin: Er stellt seinen Stuhl auf und hofft, dass Perec besänftigt ist. Ich setze mich auf eine Bank mit dem Rücken zum Platz. Blick Richtung Rue Bonaparte, The Kooples.

OT 41 Ariston: So, jetzt geht’s los, müss’ mer zumindest mal das Datum schreiben und die Uhrzeit: 18. Oktober 2014, die Uhrzeit 15 Uhr 20, der Ort: die Terrasse des Fontaine Saint Sulpice. Viel Spass! (lachen)

ATMO 15

PEREC: Auf dem Trottoir ein Mann, der von Ticks mitgenommen, aber noch nicht zugrunde gerichtet ist (Schulterbewegungen als ob er ein ständiges Jucken im Nacken empfinden würde); er hält seine Zigarette auf dieselbe Weise wie ich (zwischen Mittel- und Ringfinger): Zum ersten Mal sehe ich diese Angewohnheit bei einem anderen

NICOLE: Inmitten silbergrauer Autos ein goldener VW-Käfer. Wie aus einer anderen Zeit

ZITATOR: Ohne zu wollen, fällt einem nur das Ungewöhnliche, das Besondere, das hundsgemein Außerordentliche auf.

Erzählerin: Ariane, auf einer Bank links von mir notiert:

ARIANE: L’homme de Karlsruhe et le jeune homme à la chaise rouge écrivent cote à cote, séparés par un vélo de ville rose.

OV Ariane: Der Mann aus Karlsruhe und der junge Mann mit dem roten Klappstuhl schreiben Seite an Seite, zwischen ihnen ein rosa Hollandfahrrad.

Erzählerin: Und Ariston:

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ARISTON: Ich schreibe abwechselnd im Knien und im Stehen. Direkt vor mir ein Zebrastreifen, an dem niemand wartet. Ein Mann überquert bei Rot.

NICOLE: Ariston fotografiert mich.

Wo sind die anderen? Wo sind Renko und Caroline? Wo ist die Frau mit der Mütze mit dem roten Bommel? Ist so wenig von „damals“ übriggeblieben, dass sie aufgegeben hat?

Eine Stofftasche mit der Aufschrift „Buchhandlung König“ spaziert an mir vorbei. Sie gehört einem jungen Mann mit vollem Gesicht und braunen Löckchen. Er umrundet den Platz. Vorher saß er im Café neben uns. – Auch einer?

ARISTON: Ich setze mich zu Nicole auf eine Bank etwas weiter links.

ARIANE: L’homme de Karlsruhe a changé de place.

NICOLE: Ariston kommt zu uns auf die Bank.

Erzählerin: Das Projekt nimmt Sophie Calle-artige Züge an.

ATMO 16

Erzählerin: Ich blättere im Original. Viel geschrieben hat Perec in der Zeit zwischen 15 Uhr 20 und viertel vor fünf nicht. Es steht in keinem Verhältnis zu dem, was jetzt auf dem Platz alles zu erfassen wäre.

ZITATOR: Zeit vergeht. Sein Glas Bier trinken. Warten.

ATMO

NICOLE: 16 Uhr. Versuch der Konzentration

PEREC: Es ist fünf nach vier. Müdigkeit der Augen. Müdigkeit der Worte

Ein apfelgrüner 2CV

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(mir ist kalt; ich bestelle einen Vieux Marc)

Erzählerin: Ich kann nicht mehr sitzen und gehe an die Straße vor.

ARIANE: La dame au micro arrive et appuie son calepin sur un des poteaux entourant la grille. Elle n’a plus de micro mais toujours ses lunettes de soleil.

Ariane ov: Die Dame mit dem Mikro kommt und legt ihr Notizbuch auf einen der Pfosten die das Gitter umzäunen. Sie hat kein Mikro mehr aber immer noch ihre Sonnenbrille.

ARISTON: Es ist fünf nach vier.

PEREC: Ein Motorradfahrer. Ein apfelgrüner Citroen-Lieferwagen.

Erzählerin: Apfelgrüne Autos? Waren die 70er Jahre eher apfelgrün?

ATMO 17 Begegnung Caroline

Erzählerin: Caroline geht an uns vorbei. Sie macht Fotos.

OT 42 Carol: This is so much happening. I just decided to get whatever catches my eye, which is only one millionst of what’s happening here. I won’t be exhausting the place (lacht)

Erzählerin: Sie kann nur ein Millionstel von dem erfassen, was hier passiert. Caroline wirkt als hätte der Platz sie erschöpft und nicht sie den Platz.

Erzählerin: Caroline verschwindet in der Menge.

PEREC: Ein Telegrammbote auf dem Fahrrad

NICOLE: 16 Uhr 40.

ATMO 18 frei

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PEREC: Es ist viertel vor fünf. Ich habe das Bedürfnis auf andere Gedanken zu kommen. Le Monde lesen. Das Lokal wechseln. Pause / pause.

NICOLE: Es ist viertel vor fünf. Auch ich habe das Bedürfnis auf andere Gedanken zu kommen. Pause.

ARISTON: (Es ist viertel vor fünf.) Pause

ANTJE: Pause.

ARIANE: Pause ATMO 19a +b

PEREC: Das Datum: 18. Oktober 1974 Die Uhrzeit: 17 Uhr 10 Der Ort: Café de la Mairie

Parallel

NICOLE: Das Datum: 18. Oktober 2014 Die Uhrzeit: 17 Uhr 10 Der Ort: Café de la Mairie

PEREC: Es ist kalt, immer kälter, scheint mir.

Ich sitze im Café de la Mairie, ein ganz klein wenig zurückgesetzt im Verhältnis zur Terrasse

NICOLE: Es ist warm, immer noch warm.

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Das Café ist überfüllt. Wir lehnen uns an die Poller neben dem Café

Ariane wartet ebenfalls auf einen Tisch

PEREC: Vorbeifahrt eines ziemlich leeren 70ers

Vorbeifahrt eines fast vollen 63ers

(Warum die Busse zählen? Sicher weil sie wiedererkennbar und regelmäßig sind: Sie unterteilen die Zeit, sie rhythmisieren die Hintergrundgeräusche.

Alles Übrige scheint zufällig, unwahrscheinlich, anarchisch.

ATMO 21 + 22

Erzählerin: Innen im Café sitzt Ariston an einem kleinen Tisch mit schlechter Sicht auf den Platz.

OT 44 Ariston: Das ist eine eigenartige Perspektive, weil von hier sieht man kaum was draußen vor sich geht weil ständig jemand vorne rum ist und die Busse kann man kaum erkennen auch die Nummern der Busse sind kaum zu sehen, aber das macht’s ja irgendwie spannend. Jetzt sieht man’s quasi leuchten, 96 leuchtet gerade. Moment ich muss mal kurz schreiben, ein 96er fährt vorbei.

PEREC: Vorbeifahrt eines fast vollen 86ers Vorbeifahrt eines fast leeren 63ers Vorbeifahrt eines ziemlich vollen 96ers Vorbeifahrt eines ziemlich vollen 87ers

OT 45 Ariston: Du schreibst gar nicht mehr, ne?

NICOLE: 17 Uhr 20 Wir haben endlich einen Platz im Café gefunden ganz hinten an einem Fenster mit Blick auf das Saint Laurent Schaufenster in der Rue des Canettes Der Blickwinkel ist sehr ungünstig

NICOLE: 17 Uhr 47

Antje und ich schreiben uns kleine Nachrichten: wollen wir aufgeben? wie lange geht es „offiziell“ noch fragt Antje.- 18:45h! Nein. Wir geben nicht auf

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PEREC: Es ist 17 Uhr 50 – Veränderungen des Tageslichts

NICOLE: Mehr Schatten

PEREC: Ein Mann will das Café betreten; aber er beginnt, an der Tür zu ziehen, anstatt zu drücken

Hirngespinste

Vorbeifahrt eines vollen 70ers (Müdigkeit)

NICOLE: Müdigkeit!? Allerdings.

Sommerabend! Die Sonne steht jetzt tiefer und taucht den Platz in ein goldenes Licht.

PEREC: Die Farben verschwimmen:

Gelbe Flecken. Rötliche Schimmer

NICOLE: Ein Schwuler mit Trenchcoat und Hündchen

Rosa Plastiktüten

18 Uhr 27. Erschöpfung

Männer mit roten Hosen

Ein junger Mann mit T-Shirt und Schal

Erzählerin: Antje starrt auf die Toilettentür als erwarte sie dahinter die Offenbarung des Untergewöhnlichen

ANTJE: 18 Uhr 30

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Toilettentür, Frau mit kleinem Kind

Toilettentür Frau, Mann

Kirchenglocken

ANTJE: Toilettentür Junge

Toilettentür älterer Herr, jüngere Dame

ältere Dame mit gelbem Pullover kommt heraus

NICOLE: Tranceartiger Blick aus dem Fenster in die Rue des Canettes

ANTJE: Blick aus dem Fenster zu einem Schuhladen mit goldenem Schriftzug „Saint Laurent Paris“, gelbes Neonlicht

Eine blonde junge Frau im Schuhladen hilft einer anderen jungen Frau aus dem schwarzen Mantel

Ein Mann im grünen Shirt schaut auf Schuhe im Schaufenster und geht dabei in die Knie

Ein kleines Mädchen in rotem Shirt schaut auf rote Schuhe im Schaufenster hoch und zeigt mit dem Finger darauf

Zwei Frauen mit Handtasche schauen auf Schuhe im Schaufenster

Erzählerin: Antje schaut zum Nachbartisch.

ANTJE: 18 Uhr 35 er zahlt ohne Trinkgeld und geht.

NICOLE: Zeit zu gehen.

PEREC: Ein voller 96er

(vielleicht habe ich erst heute meine Berufung entdeckt: Linienkontrolleur der Pariser Verkehrsbetriebe)

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NICOLE: 18 Uhr 45 die Kirche auf dem Platz im rosagelben Abendhimmel.

PEREC: Es ist 18 Uhr 45

PEREC: Es regnet noch immer

Ich trinke einen Enzianlikör aus Salers.

NICOLE: Wir trinken keinen Enzianlikör aus Salers. Ich habe auf der Karte keinen entdeckt, und habe das französische Wort für „Enzianlikör“ vergessen.

ARISTON: Ich möchte einen Enzianlikör aus Salers bestellen, aber laut Nicole vom SWR gibt es keinen. Zwischenszene: Atmo / Musik

OT 46 Bap: Exemple entre parenthèses au milieu, au place centre du livre „fatigue“. Et oui, je ne sais pas si je ressens la fatigue, je ressens plutôt un mal de tête et la nécessite de prendre des aspirines en rentrent le soir, voilà.

Erzählerin: In der Mitte des Buches spricht Perec von «Müdigkeit». Baptiste spürt eher Kopfschmerzen als Müdigkeit und braucht heute Abend ein Aspirin. II.

PEREC: Das Datum: 19. Oktober 1974 (Samstag) Die Uhrzeit: 10 Uhr 45 Der Ort: Tabac Saint Sulpice Das Wetter: Feiner Regen, Genre Nieselregen.

NICOLE: Das Datum: 19. Oktober 2014 (Sonntag)

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Die Zeit: 10 Uhr 45 Der Ort: Dort wo früher der Tabac Saint Sulpice war

Das Wetter: Blauer Himmel, wolkenlos

PEREC: Was hat sich verändert im Vergleich zum Vortag? Auf den ersten Blick ist es wirklich gleich. Vielleicht ist der Himmel verhangener? Es wäre wirklich Voreingenommenheit zu sagen, dass es zum Beispiel weniger Menschen oder weniger Fahrzeuge gäbe?

ATMO 22

PEREC: Viele Dinge haben sich nicht verändert, haben sich allem Anschein nach nicht gerührt (die Buchstaben, die Symbole, der Brunnen, die zentrale Fläche, die Bänke, die Kirche usw.); ich selbst habe mich an denselben Tisch gesetzt.

NICOLE: Viele Dinge haben sich nicht verändert, haben sich allem Anschein nach nicht gerührt (die Buchstaben, die Symbole, der Brunnen, die zentrale Fläche, die Bänke, die Kirche usw.); ich selbst habe mich auf dieselbe Bank gesetzt.

PEREC: Autobusse fahren vorbei. Ich verliere vollständig das Interesse an Ihnen.

ZITATOR: Eilige Leute. Langsame Leute. Stürmer.

NICOLE: Jogger mit neongelben Schuhen, mit neongelber Kleidung, mit Funktionskleidung, mit ausgeleierten Sachen, mit schwarzen, mit weißen Hosen, mit Schlabberhosen, Ringelshirts, Poloshirts, mit großen oder kleinen Kopfhörern, Jogger von links nach rechts, von rechts nach links, über den Platz, über die Straße, Zehenläufer, Fersenläufer, Walker, Spaziergänger, Ehepaare mit Mops, vorsichtig gehende Rentner, watschelnde Touristen.

NICOLE: Ein Fotograf, den ich gestern schon bemerkt habe, irrt umher, hält sich die Hand an die Stirn, um die Sonne abzuschirmen. Wohin schaut er?

Musik Film

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ANTJE: Ein älterer Mann mit braunem Mantel und Schiebermütze, Hände verschränkt am Rücken

NICOLE: Wie ein Relikt aus einer anderen Zeit kommt aus der Rue du Vieux Colombier ein alter Mann mit Schiebermütze, Sonnenbrille, Schal und weinrotem Mantel, entsprechend der Jahreszeit, aber nicht entsprechend der Temperatur (außer der Brille)

NICOLE: Erneut der Fotograf mit Hand an der Stirn, er setzt seine Kamera auf mich an, dreht ab, kuckt, schwarze Brille

PEREC: Es ist Viertel nach elf

ARISTON: Es ist Viertel nach elf

ATMO 23 Geschrei Frau Anfang bis ca. 2’00 näher kommend

NICOLE: Ich ziehe um in die Vieux Colombier, Blickrichtung Platz

Dort sitzt auch der rote Klappstuhl

Von hinten vom Platz dringt Geschrei

ARISTON: Der SWR trifft ein

Eine laut vor sich hin schreiende Frau läuft aus der Rue du Vieux Colombier kommend in meine Richtung.

ANTJE: Schreiende Afrikanerin, hält an, mit vielen Taschen bepackt.

NICOLE: Eine Frau schreit agressiv (apfelgrün-weiße Plastiktüte à la Ikea)

NICOLE: Der Fotograf steht auf der Verkehrsinsel. Fotografiert er die schreiende Frau?

NICOLE: Baptiste denkt nach, er liest seine Aufzeichnungen.

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ANTJE: Glockenschlag 3x. 11 Uhr 45

ANTJE: Ein schwarzer Mann mit hellem Strohhut sitzt auf einer Bank; roter Schal, schwarze Lederjacke, braune Hose, wippt mit den Beinen

PEREC: Eine Taube läßt sich auf der Spitze des Laternenpfahls nieder

ANTJE: Eine Taube, ganz starr, mit dem Schnabel auf dem Boden 11Uhr55

Die Taube steht, liegt noch nicht, bewegt sich nicht

Eine Frau fällt fast über die Taube, die Taube bewegt ganz leicht den Schnabel

Glockenläuten häufig Kirche 1

Glockenläuten Kirche 2, lautes, kräftiges Läuten

Kirchenglocken 12 Uhr

Ein Mann schaut ob die Taube sich bewegt, ein anderer Mann schaut die Taube zweimal an

Keine Bewegung der Taube

Ein Mädchen schaut auf die Taube und schiebt Blätter an die Taube, keine Regung

Ein Junge springt auf und sieht die Taube, spricht mit ihr, springt, um sie zu erschrecken, keine Regung der Taube

11 Minuten ohne Regung dieser Taube

ATMO 24 Glockenschläge 12h bei 6’31 und 7’31, Martinshorn, Motorrad

PEREC: Pause / Pause

ANTJE: 12 Uhr 07.

Der schwarze Mann mit dem hellen Strohhut, charismatisch, strahlend geht auch zur Taube und spricht mit ihr.

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PEREC: Das Datum: 19. Oktober 1974 Die Zeit: 12 Uhr 30

Der Ort: Auf einer Bank in strahlender Sonne, inmitten der Tauben, mit Blick in Richtung Brunnen (Verkehrslärm von hinten)

Das Wetter: Es hat plötzlich aufgeklart.

NICOLE: Das Datum: 19. Oktober 2014 Die Zeit: 12 Uhr 30

Der Ort: Auf einer Bank in strahlender Sonne, inmitten der Tauben, mit Blick in Richtung Brunnen (Verkehrslärm von hinten)

Das Wetter: Es ist immer noch sonnig, (leichter Wind)

ATMO 25

PEREC: Die Tauben sind quasi reglos. Dennoch ist es schwierig, sie zu zählen (200 vielleicht); mehrere haben sich mit angewinkelten Beinen hingelegt. Es ist die Zeit ihrer Toilette (mit dem Schnabel zupfen sie am Kropf oder den Flügeln); einige haben sich auf dem Rand der dritten Brunnenschale niedergelassen. Menschen kommen aus der Kirche

NICOLE: Auf dem Platz eine reglose Taube, wie versteinert sitzt sie da, den Schnabel am Boden als wäre sie bei ihrer letzten Nahrungsaufnahme erstarrt

ARISTON: Eine reglose Taube, stehend, etwa 20 Meter neben mir. Ihr Schnabel berührt den Boden. Viele Leute bleiben stehen, gaffen, laufen weiter. Vor der Kirche: eine Traube von Touristen

ANTJE: 12 Uhr 30 Taube reglos (seit 35 Minuten)

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ARISTON: Die Taube hat einen starren Blick. Keine weiteren Tauben auf der Place.

NICOLE: Tauben sitzen oben auf dem Brunnen. Hin und wieder landet eine. Die meisten auf dem Rand der dritten Brunnenschale

NICOLE: Ein Asiate fotografiert seine Frau auf einem weißen Roller

NICOLE: Auf der äußersten Bank sitzt wieder der Lockenkopf mit seiner Stofftasche

NICOLE: Eine weitere Asiatin in Joggingkleidung beobachtet die Taube, umrundet sie

NICOLE: Die Taube noch immer reglos, direkt neben einer Skulptur, die mit roten Kordeln geschützt ist

NICOLE: Ein Hündchen reckt den Hals nach der Taube

ARISTON: Oben auf dem Brunnen entdecke ich Tauben. Keine Ahnung, wie lange sie schon dort sind

PEREC: Tauben waschen sich im Brunnen; sie bespritzen sich und kommen ganz zerzaust heraus

NICOLE: Die Tauben sind nur am 3. Brunnenrand. Die erstarrte Taube unverändert Immer wieder halten Passanten an und wundern sich Ein Mann, der wie ein Voodoo-Priester aussieht, mit Stock und Havannahut, scheint in Verbindung mit der reglosen Taube zu stehen Ein paar Tauben oben am Fuß des Denkmals. Einzelne Tauben baden im Brunnen

PEREC: Die Tauben zu meinen Füßen haben einen starren Blick. Die Menschen, die sie betrachten, ebenfalls.

NICOLE: Caroline, die Australierin geht am Platz vorbei, mit starrem Blick

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ANTJE: 12 Uhr 51 1mm Zucken des aufgestellten Schnabels.

NICOLE: Es ist sonnig und warm.

ARISTON: Die Sonne strahlt kräftig. Es ist nahezu windstill.

PEREC: Die Sonne hat sich versteckt. Es ist windig. PEREC: Das Datum: 19. Oktober 1974 Die Zeit: 14 Uhr Der Ort: Tabac Saint-Sulpice

parallel: NICOLE: Das Datum: 19. Oktober 1974 Die Zeit: 14 Uhr

Der Ort: auf der Treppenstufe vor dem Laden „Sequoia“ Rue du Vieux Colombier, dort wo früher der Tabac Saint-Sulpice war

PEREC: Ich sitze hier ohne zu schreiben, seit Viertel vor eins; ich habe ein Wurstsandwich gegessen und dazu ein Glas Bourgeil getrunken. Dann mehrere Kaffees.

PEREC: Der Himmel ist grau. Vorübergehende Aufheiterungen.

Ermüdung des Sehens: Zwangsvorstellung von apfelgrünen 2CVs.

ATMO 27

NICOLE: Ariane und Ariston setzen sich zu uns auf die Treppenstufe. Baptiste sitzt auf seinem Klappstuhl um die Ecke in der Colombier.

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NICOLE: 14 Uhr 19 Blätter im Wind auf Trottoir.

PEREC: Vorbeigehen einer Frau; sie isst ein Tortenstück

NICOLE: Wieder der Lockenkopf mit dem Stoffbeutel. - Was macht er?

NICOLE: Ariane springt auf, rennt los und schreckt dabei die Tauben auf, sie winkt jemandem, der wie sie eine rote Hose trägt. Arianes Freund.

Erzählerin: Renko setzt sich zu uns auf die Treppe.

RENKO: Ich setze mich in den Eingang des Geschäfts „Sequoia“. ARISTON: Zuwachs aus Deutschland: ein weiterer Perec-Jünger.

PEREC: Ich höre: „Es ist Viertel nach drei“

NICOLE: Ich höre eine einsetzende Kreissäge

NICOLE: 15 Uhr 21 Erschöpfung, Rückenschmerzen

NICOLE: Claire läuft über den Zebrastreifen in Richtung Café de la Mairie, immer noch in Mantel und Bommelmütze, sie sieht uns nicht.

PEREC: Mir ist kalt. Ich bestelle einen Marc.

NICOLE: Taxi grün

Kalter Po

Müde Augen

NICOLE: Das Geräusch einer Kreissäge, immer wieder. Woher?

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NICOLE: Arianes Freund verteilt Macaron, er packt ein hellbraunes Törtchen aus und lässt Antje davon abbeißen.

PEREC: Vorbeigehen eines Mannes, der einen Kuchen isst.

ARISTON: 1 Macaron in meiner Hand. „Merci.“

NICOLE: Macaron von Pierre Hermé.

ATMO 28 15 Uhr 30

NICOLE: Eine Frau im beigen Trench(coat) fragt uns was wir machen

ARIANE: Une dame nous dit „C’est Perec?“

OT 47 Medici: Ah, Perec. Je connais toute la Place. Je suis née dans le quartier, baptisée dans l’église. C’est une très belle place. Mais je ne sais pas s’il l’a décrit très bien. L’esprit de la place.

Erzählerin ov: Die Dame kennt den Platz sehr gut, wurde hier im Viertel geboren und in der Kirche getauft.

NICOLE: Disput über Georges Perec, der sie nicht interessiert.

Erzählerin ov: Ob Perec den Platz sehr gut beschrieben hat, weiß sie nicht. Den Geist des Platzes.

NICOLE: Ihre Collegeschuhe sehen aus, wie in den 80ern gekauft

OT 48 Medici: C’est ce qui est intéressant dans la place c’est pas décrire le géoquotidien, c’est l’esprit de la place. R: C’est quoi l’esprit pour vous. M: ah ben, l’esprit de la place est beaucoup plus intéressant que ce qu’raconte Perec. C’est le Curie de Saint Sulpice, c’est très bref, il faut visiter l’église.

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Erzählerin: Das, was den Platz ausmacht, ist ihrer Meinung nach die Kirche und viel interessanter als das Alltägliche, was Perec da erzählt.

NICOLE: Die Dame tippt auf ihrem i-phone herum, als google sie nach einer Bestätigung ihrer Thesen.

OT 49 Medici: Il y a Catherine de Medici qui a construit le Palais du Luxembourg. Catherine de Medici, N: ah! tout Ca c’est dans ma tête. Donc la femme de Henry IV. où trois? Construit ou Marie de Medici plutôt? Attendez il faut que je vérifie parce que je suis française. Je n’ai pas le droit de me tromper. (weiter als Atmo)

Erzählerin ov: Hat nun Catherine de Medici oder Marie de Medici die Kirche erbaut? Sie muss das prüfen. Als Französin hat sie kein Recht sich zu irren, meint die Dame.

ARIANE: La dame donne une leçon d’histoire à la femme au micro.

RENKO: Sie fängt ungefragt an, einen Vortrag über die Kirche Saint-Sulpice zu halten.

NICOLE: Die Kirche hat also den Platz geschaffen, verstehe ich.

PEREC: Die Glocken von Saint-Sulpice beginnen zu läuten, vielleicht für die Hochzeit. Die großen Türen der Kirche sind geöffnet.

OT 50a Medici: Ah, c’est ce que vous intéresse c’est Perec, (wir: oui!) c’est pas Marie de Medici?!

NICOLE: Mir fällt auf, dass ihr Trenchcoat leicht angeschmuddelt ist

OT 50d Medici: Ah, c’est un événement.

NICOLE: Der Mantel könnte direkt aus dem Jahr 1974 stammen.

RENKO: Sie fügt hinzu, dass Perec der spirituellen Wirkung des Platzes nicht würdig sei und dass seine Beschreibungen nicht gut sein können.

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OT 51 Medici: Georges Perec c’est un athée, il est a coté de l’esprit de la place forcement. il est a côté de l’esprit de la Place. L’esprit de la place c’est l’église et le séminaire.

NICOLE: Der Geist des Platzes sind Kirche und Priesterseminar. Und Perec ein Atheist.

PEREC: Einzug des Hochzeitszuges in die Kirche.

NICOLE: In Saint-Sulpice wurde der Marquis de Sade getauft.

OT 52 Medici: Ah oui, oui. J’ai vu des extraits de ce livre. J’ai pas lu en entier, parce que ça m’adresse pas de le lire. Mais ce que je ne comprends pas, il décrit le quotidien de la place. C’est pas le quotidien de la place qui est intéressant. C’est l’esprit de la place.

Erzählerin: Das Alltägliche in Perecs Werk ist einfach nicht ihr Ding.

RENKO: Sie läuft mit verständnisloser Miene davon. NICOLE: Gegenüber an der Straßenecke steht wieder der Fotograf.

Geräusch Klick Smartphone

NICOLE: Es ist kurz vor vier.

OT 53 Photo: François, c’est mon nom, mon nom de photographe, Soetemondt voilà.

Erzählerin ov: François hat in zwei Tagen um die 800 Fotos gemacht. Seine Fotos sieht er als visuelle Entsprechung zu Perecs Text. Auch er hat diesen repetitiven Ansatz, macht Serien von Leuten, Serien von Autos, von Sitzenden, Stehenden, Gehenden, ähnlich wie Perec. Aber er ist nicht so eingeschränkt wie seine literarischen Kollegen, da er sich auf dem Platz frei bewegen kann.

OT 54 Photo: J’apporte le complément visuel de son texte. J’ai aussi cet approche un peu répétitive, voilà, passe une personne, passe un bus, passe une voiture et cetera. Donc je fait des séries de gens, des séries de voitures, je fais des gens assis, des gens debout, des gens qui marchent, voila, dans le même sens. Mais je ne me suis pas imposé la même, la même restriction que mes amis littéraires parce que moi j’ai

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bougé, eux se sont fixé, voilà. - On a beaucoup de chance qu’il fait super beaux. En photo, ca aide. Hupe

ATMO 29 Blindenampel

NICOLE: Gegenüber ein Mann mit grauen Haaren und Bart auf einem Poller sitzend, daneben ein weißes Hündchen mit Knopfaugen, Blick zu uns (beide?)

Schreibt der Mann?

Das Hündchen sitzt jetzt.

Ist jetzt endlich halb fünf?

PEREC: Es ist halb fünf. Zwischenszene

OT 55 Ariston: Du machst ja im Prinzip gar keinen Feierabend. Deine Gedanken sind so in diesem Schema verhaftet, ja du machst einfach weiter, stehst in der U-Bahn und kuckst dir die Schuhe von Leuten an, kuckst dir eigentlich nur die Schuhe von Leuten an und dann vergleichst du: braune spitze, schmutzige, Hochglanzschuhe, was weiß ich, Sandalen, Schlappen, Socken, alles mögliche und dann gehste hoch, so kuckst die Leute an in ihre Gesichter, machst das gleiche mit Hautfarbe mit Haaren, mit Frisuren, mit Klamotten usw. das hört nicht auf bis du einschläfst und was dann nachts in deinen Träumen passiert, keine Ahnung.

III.

Fenster ATMO Paris 1974

PEREC: Das Datum: 20. Oktober 1974 (Sonntag) Die Uhrzeit: 11 Uhr 30 Der Ort: Café de la Mairie

Das Wetter: Regnerisch. Nasser Boden. Vorübergehendes Aufklaren

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NICOLE: Das Datum: 20. Oktober 2014 (Montag) Die Uhrzeit: 11 Uhr 30 Der Ort: Café de la Mairie Das Wetter: bedeckt, es hat deutlich abgekühlt

ATMO 30

Erzählerin: Ariston, Antje, Baptiste und ich sitzen nebeneinander auf der Terrasse des Cafés. Renko fehlt. Carolines und Claires Perec-Experiment scheint durch Hitze und Ausdünnen endgültig beendet.

ZITATOR: Nichts fällt uns auf. Wir vermögen nichts zu sehen.

NICOLE: 11 Uhr 33 der Lockenkopf mit der Jutetasche „Buchhandlung Walter König“ läuft vom Kirchenvorplatz zum Café, setzt sich unter das Vordach, schreibt aber nicht.

ANTJE: Mann mit Wuschelkopf mit Beutel Schriftzug Buchhandlung Walter König (Perec?)

NICOLE: 11 Uhr 39 Ariane nimmt Platz

NICOLE: Der Lockenkopf liest in einem Buch (der Titel ist nicht erkennbar)

Statt „Zwangsvorstellung apfelgrüner 2CVs“, Zwangsvorstellung von Lockenköpfen mit Stoffbeuteln?

ARIANE: Un homme fait de grandes bulles de savon à l’aide d’un lasso

Ov Ariane: Ein Mann macht große Seifenblasen mit Hilfe eines Lassos

ANTJE: Eine große Seifenblase über dem Platz

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NICOLE: Auf dem Platz vor der Kirche macht ein Mann riesige bunte Seifenblasen, die vom Wind in Richtung Brunnen getragen werden.

ZITATOR: Sich zwingen, das zu schreiben, was ohne Bedeutung ist, was das Selbstverständlichste, das Allgemeine, das Glanzloseste ist.

ATMO 31 Aufheulen Motor Ferrari

PEREC: Ein Vogel setzt sich auf die Spitze des Laternenpfahls

Es ist Mittag

Böe

ANTJE: 12 Uhr Kirchenglocken

NICOLE: 12 Uhr volles Geläut der Glocken von Saint-Sulpice

PEREC: Augenblicke der Leere

NICOLE: Mir ist kalt

ANTJE: kalt, Himmel grau, weiße Wolken

ATMO 32

NICOLE: Mein Bleistift fällt runter (Schwächeanfall?)

Der Lockenkopf?

Baptiste, der heute nicht auf seinem roten Klappstuhl sitzt, schaut nachdenklich auf den Platz.

Erzählerin ov: Baptiste hat versucht, Perecs Anleitung aus seinem Buch „Träume von Räumen“ zu folgen. Wo er ganz einfach die praktische Aufgabe stellt, von Zeit zu Zeit die Straße zu beobachten, mit etwas systematischer Aufmerksamkeit, sich dieser Beschäftigung

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hinzugeben, sich Zeit zu lassen. Dinge die er seiner Meinung nach nicht gemacht hat. Er hat sich nicht genug Zeit genommen.

OT 56 BAP: J’ai essayé de suivre, comme j’avais dit peut être déja, le fameux travail pratique qu’avait mené Perec à mon avis en vue de cette tentantive qu’il a publié dans l’espèce d’espace, et qui demande simplement comme travail pratique d’observer la rue de temps en temps, peut-être avec un souci un peu systématique, s’appliquer, prendre son temps, chose qu’à mon avis je n’avais pas faite (lacht), je n’ai pas pris mon temps.

ANTJE: Die Sonne kommt raus, 12 Uhr 40

NICOLE: 12 Uhr 40 Die Sonne schiebt sich hinter einer Wolke hervor

ARIANE: J’ai froid

NICOLE: Es ist zwanzig vor eins

PEREC: Es ist zwanzig vor eins.

PEREC: Das Datum: 20. Oktober 1974 Die Uhrzeit: 13 Uhr 05 Der Ort: Café de la Mairie

NICOLE: Das Datum: 20. Oktober 2014 Die Uhrzeit: 13 Uhr 05 Der Ort: Café de la Mairie

ATMO 34 a + b

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PEREC: Schon seit einer ganzen Weile steht ein Polizist reglos auf der Umrandung der zentralen Fläche des Platzes, zwischen der Kirche und dem Brunnen, mit dem Rücken zur Kirche und liest etwas.

ARISTON: Schon seit einer ganzen Weile sitzt eine Chinesin reglos, in einen lila Anorak eingepackt, auf einer der Parkbänke auf der Place gegenüber, das Gesicht in meine Richtung.

ANTJE: Eine Chinesin sitzt reglos auf der Bank, sie klappt ihre Kapuze über den Kopf.

NICOLE: Eine reglos auf der Bank sitzende Chinesin hat sich die Kapuze ihres Anoraks über den Kopf gezogen.

NICOLE: Das Gefühl von Luftverschmutzung

PEREC: Aufklaren. Kein einziges Auto. Dann fünf. Dann eines.

NICOLE: Baptiste kommt mit einem angebissenen Apfel in der Hand zurück

Ariane ist gegangen.

ARIANE: Il n’est pas encore tout à fait 14 heure.

NICOLE: Es wird immer frischer

Ein Blatt Papier weht vorbei

13 Uhr 22 die Tauben vor der Fontaine fliegen auf

ZITATOR: Weitermachen.

Bis der Ort unwahrscheinlich wird

NICOLE: 13 Uhr 54 Lärm vom Platz Kindergeschrei.

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NICOLE: Ein kleiner Sonnenstrahl Der 97er

PEREC: Vier Kinder. Ein Hund. Ein kleiner Sonnenstrahl. Der 96er.

ARISTON: Es ist zwei Uhr

NICOLE: Es ist zwei Uhr

ANTJE: Es ist zwei Uhr

PEREC: Es ist zwei Uhr. Il est deux heures. EPILOG

Erzählerin OV: Baptiste geht es wie uns allen, das Schwierigste ist, sich darauf zu konzentrieren, dass nichts passiert, denn es passiert die ganze Zeit etwas. Es ist unbefriedigend, sich auf die Abwesenheit von etwas zu konzentrieren. Man sucht regelrecht nach einer Aktion.

OT 57 Bap: Le plus difficile, c’est de savoir où poser ses yeux, son regard, à quoi s’autoriser à dire que là était effectivement il ne se passait à rien. Comme quelqu’un m’a dit: il se passe toujours quelque chose. Quelqu’un m’a demandé c’est ce que nous faisions là, m’a dit mais il se passe toujours quelque chose. On ne peut pas se passer de l’absence de quelque chose. Ca n’est pas rassurant. On a la nécessité d’avoir une action. D’avoir du tout, voilà. On veut voir une action.

ABSAGE