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Essstörungen in Südtirol
Eine Übersicht in Daten und Zahlen im 5-Jahreszeitraum
aus dem gesamten Territorium Südtirols.
Epidemiologie und klinisches Follow-up
Dr. Michael Zöbl
Dr. Klara Astner
Referenzzentrum für Pädiatrische Essstörungen in Südtirol
Krankenhaus Brixen, Prim. Dr. Markus Markart
Die 4 Gesundheitsbezirke in Südtirol
Das Netzwerk Essstörungen in Südtirol
INFES – Fachstelle für Essstörungen (Beratung, Elterngruppen, Prävention)
Fachambulanz in jedem der 4 Gesundheitsbetriebe
Referenzzentrum für Pädiatrische Essstörungen Brixen (stationäre Patienten aus allen 4 Gesundheitsbezirken
Nach der Entlassung ‚Weiterbetreuung im Day Hospital bzw. ambulant im jeweiligen Gesundheitsbezirk
Stationäre Therapie Erwachsener auf alle 4 Gesundheitsbezirke aufgeteilt
Referenzzentrum für Essstörungen im Erwachsenenalter in Planung
Therapiezentrum Bad Bachgart (post-akute stationäre Rehabilitation)
Die Daten sämtlicher Patienten mit Essstörungen werden in Brixen gesammelt und die jährliche Statistik erstellt.
Statistik der Essstörungen in Südtirol
Unselektionierte Population – Querschnitt durch die gesamte Bevölkerung (524.256 Einwohner – Quelle: ASTAT Südtirol, Stichtag 31.12.2016) und alle Essstörungs-Diagnosen und PatientInnen mit auffälligem Essverhalten, die noch nicht alle Kriterien für eine bestimmte Diagnose erfüllen
Pädiatrie Brixen (Referenzzentrum Pädiatrische Essstörungen) erstellt seit 2012 jährlich die Statistik. Daten sämtlicher Patienten aller Altersgruppen gesammelt. ICD-10 Klassifikation
Berufsgruppen des interdisziplinären Teams
Team für Erwachsene und Kinder/Jugendliche
ErnährungsmedizinerIn (in Italien eigener Facharzt)
Pädiater mit Spezialisierung Ernährungsmedizin
ErnährungsberaterIn
PsychologIn
Psychiater bzw. Kinder-und Jugendpsychiater (Konsiliarisch, Ausschluß Komorbidität)
Statistik Essstörungen in Südtirol 2016 461 Fälle
[ZELLBEREICH]; [WERT] [ZELLBEREICH]; [WERT] [ZELLBEREICH]; [WERT] [ZELLBEREICH]; [WERT] [ZELLBEREICH]; [WERT] [ZELLBEREICH]; [WERT] [ZELLBEREICH]; [WERT] [ZELLBEREICH]; [WERT] 0
20
40
60
80
100
120
140
160
180
200
Anorexia nervosa F50.0 nicht näherbezeichnete Essstörung
F50.9
Essattacken bei anderepsychischen Störungen
F50.4
Bulimia nervosa F50.2 atypische AnorexieF50.1
Sonstige EssstörungenF50.8
atypische BulimieF50.3
Erbrechen bei anderenpsychischen Störungen
F50.5
VERTEILUNG DER DIAGNOSEN
Statistik Essstörungen in Südtirol 2016 Altersverteilung
0 1 0 1 0 2 5 2 7 10
25 29
43
31
112
38
69
86
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
110
120
< 6 Jahre 6 Jahre 7 Jahre 8 Jahre 9 Jahre 10 Jahre 11 Jahre 12 Jahre 13 Jahre 14 Jahre 15 Jahre 16 Jahre 17 Jahre 18 Jahre 19-25 Jahre 26-29 Jahre 30-40 Jahre > 40 Jahre
138
5-Jahresverlauf (2012-2016) Werden die Pädiatrischen PatientInnen bei der
Erstdiagnose immer jünger ?
18,0%
9,8%
11,2%
13,2% 12,9%
8,0%
10,0%
12,0%
14,0%
16,0%
18,0%
20,0%
2012 2013 2014 2015 2016
Ersterkrankungen < 14 J. in % der Ersterkrankungen <18 J.
Anteil der Männer an allen PatientInnen mit Anorexia nervosa in Südtirol
Der Anteil der Männer an der Anorexia nervosa liegt bei 5-10%*
7,0%
6,0%
5,0%
6,6%
0,0%
1,0%
2,0%
3,0%
4,0%
5,0%
6,0%
7,0%
8,0%
Jahr 2013 Jahr 2014 Jahr 2015 Jahr 2016
* Epidemiologische Daten aus Italien: Quaderni del Ministerio della Salute n.17/22, luglio-agosto 2013
Häufigste Diagnosen nach Altersgruppe (2016)
71
23
12
0
10
20
30
40
50
60
70
80
Anorexia nervosaF50.0
Essstörung nichtnäher bezeichnet
F50.9
AtypischeAnorexia nervosa
F50.1
14-18 J
31
17
12
0
5
10
15
20
25
30
35
Essattacken beianderen
PsychischenStörungen F50.4
Anorexia nervosaF50.0
Essstörung nichtnäher bezeichnet
F50.9
Altersgruppe über 40 Jahre
43
29
14
0
10
20
30
40
50
AnorexianervosaF50.0
Essstörungnicht näherbezeichnet
F50.9
BulimianervosaF50.2
Altersgruppe 19-25 Jahre
G r u p p e 1 4 - 1 8 J a h r e : Anorexia nervosa mit Abstand am häufigsten im Verlauf 2013-2016 G r u p p e 1 9 - 2 5 J a h r e : Anorexia nervosa immer häufigste, nicht so deutlich wie bei oberer Gruppe, F50.2 und F50.9 wechseln sich mit 2. und 3. Platz ab G r u p p e ü b e r 4 0 J a h r e : eindeutig F50.4 am häufigsten, auch im Verlauf 2013-2016, F 50.0 und F50.9 wechseln sich mit 2. bzw. 3. Platz ab.
Nehmen die Neuerkrankungen Südtirol zu? Ein 5-Jahresverlauf von 2012-2016
38,7
33,5
37,2
26,3
29,4
24,0
26,0
28,0
30,0
32,0
34,0
36,0
38,0
40,0
Jahr 2012 Jahr 2013 Jahr 2014 Jahr 2015 Jahr 2016
Inzidenz aller Essstörungen in der Gesamtbevölkerung Südtirols /100.000 Einwohner
Inzidenz Anorexia nervosa bei Frauen in Südtirols Gesamtpopulation
(Neuerkrankungen pro 100.000 Frauen/Jahr) 5-Jahres-Verlauf
Inzidenz Anorexia nervosa:
Mindestens 8 pro 100.000/Jahr (Frauen)* schätzungsweise!
19 pro 100.000/Jahr
(Frauen in der Gesamtpopulation)#
22,2 22,1
17,8
23,0
0,0
5,0
10,0
15,0
20,0
25,0
Jahr 2013 Jahr 2014 Jahr 2015 Jahr 2016
* Epidemiologische Daten aus Italien: Quaderni del Ministerio della Salute n.17/22, luglio-agosto 2013 # Pawluck & Gorey 1998: Secular Trends in the Incidence of Anorexia Nervosa: Integrative Review of Population-Based Studies (USA, Holland, Großbritannien, Neuseeland, Schweiz, Israel)
Inzidenz Anorexia nervosa bei Männern in Südtirols Gesamtpopulation
(Neuerkrankungen pro 100.000 Männer/Jahr) 5-Jahres-Verlauf
Inzidenz Anorexia nervosa Männer: 0,02-1,4 pro 100.000/Jahr*
2 pro 100.000/Jahr# Männer in der Gesamtpopulation
0,0
1,6
1,2
0,8
2,3
0,0
0,5
1,0
1,5
2,0
2,5
Jahr 2012 Jahr 2013 Jahr 2014 Jahr 2015 Jahr 2016
* Epidemiologische Daten aus Italien: Quaderni del Ministerio della Salute n.17/22, luglio-agosto 2013 # Pawluck & Gorey 1998: Secular Trends in the Incidence of Anorexia Nervosa: Integrative Review of Population-Based Studies (USA, Holland, Großbritannien, Neuseeland, Schweiz, Israel)
Mein besonderer Dank gilt den Mitgliedern des Netzwerkes für Essstörungen Südtirol für die zuverlässige Übermittlung der Daten.
Dr. Michael Zöbl Pädiatrie Brixen, Zentrum für Essstörungen
Follow-up-Studie Essstörungen
Follow-up-Studie Essstörungen
Fragestellung: Wie geht es den Patientinnen langzeitig und nach Abschluss der Akutbehandlung?
Befinden sich die PatientInnen noch in Betreuung- Behandlung?
Wie ist der klinische Zustand im Hinblick auf die Essstörungssymptomatik?
Haben die Patientinnen die Essstörung kompensiert?
Wie ist der psychische Zustand?
Wie ist die psychosoziale Situation?
Welche Anliegen haben die Familien?
Follow-up-Studie Essstörungen
Ausgewertet wurden 22 Fälle von stationär betreuten minderjährigen PatientInnen im Zentrum Essstörungen, angegliedert an die Pädiatrie Brixen/Südtirol. Diagnosen: AN, BN.
Die Patientinnen waren im Zeitraum 2012-2015 mindestens 1x stationär aufgenommen. Die Patientinnen sind zwischen 1996 und 2001 geboren.
Erhebungszeitraum: Oktober 2016 –Jänner 2017, durchschnittlich 2 Jahre nach Akuttherapie.
Die Patientinnen waren zu diesem Zeitpunkt alle entlassen und zwischen 15 und 20 Jahre alt.
Follow-up-Studie Essstörungen
Erhebungsmethodik: aufgrund der niedrigen Fallzahlen qualitative Erhebung
Datenerhebung aus den peripheren Fachambulanzen Essstörungen der 4 Gesundheitsbezirke Südtirols.
Zusätzlich telefonische Datenerhebung
Klinische Kriterien: Name, Diagnose- Komorbidität, BMI bei Aufnahme, stationär von-bis , Nachbetreuung wo-wie lange, erneut stationär? Wo? Aktuell noch in Behandlung/Betreuung? Wo?
Akt. Befinden: Essstörung subjektiv überwunden (nicht, teilweise, größtenteils, völlig), BMI, essgestörtes Essverhalten, Körperschemastörung, soziale Integration, Selbstwertgefühl zum Zeitpunkt der Befragung.
Follow-up-Studie Essstörungen
Ergebnisse: von den nachuntersuchten 22 Fällen haben die Nachbehandlung:
Follow-up-Studie Essstörungen
Follow-up-Studie Essstörungen
Follow-up-Studie Essstörungen
Von den 22 ausgewerteten Fällen haben 9 eine stationäre
Nachbehandlung gehabt: (40%), 13 Fälle ( 60%) Day
hospital/ambulant
Follow-up-Studie Essstörungen
Nora T., geb. 8.10.1999 Diagnose: AN
BMI bei Aufnahme: 14
Stationär: 7.5.2013- 5.7.2013
Ambulante Nachbetreuung: Fachambulanz Bruneck EOS
ab Entlassung vom 11.07.13 DH Krankenhaus Innichen, ab 22.10.13 ambulant Fachambulanz Bruneck bis 02.05.15, in dieser Zeit auch Teilnahme an Gruppe Essstörungen.
Gewicht während der Behandlung im Normalbereich bzw. Tendenz zum Übergewicht,
Therapiebeendigung auf Wunsch der Patientin bzw. dauernde Terminabsagen die zur Beendigung geführt haben, noch größere Schwierigkeiten mit Körperbild zu Therapieende.
Aktuell in Behandlung/Betreuung? Wo? Nein nach 1 Jahr beendet
Aktuelles Befinden:
Essstörung subjektiv überwunden: : nicht-teilweise-größtenteils-völlig völlig
BMI: Gewicht normal, hat Periode
Gestörtes Essverhalten, Körperschemastörung: normal essen, keine Körperschemastörung
Soziale Integration: gut, Freundinnen unterstützt, Auslandsjahr USA zur Zeit 4.OS
Selbstwertgefühl: gut
Follow-up-Studie Essstörungen
Eni B., geb. 17.7.1999 Bozen
Diagnose: AN
BMI bei Aufnahme: 14
Stationär: 20.4.2015-10.7.2015, erneute Aufnahme 28.1.2016- 31.5.2016
Nachbetreuung wo- wie lange: Fachambulanz Bozen, dort abgebrochen 2 sedute
Aktuell in Behandlung/Betreuung? Wo? Gewichtskontrollen Fachambulanz BZ
Aktuelles Befinden:
Essstörung subjektiv überwunden: nicht-teilweise-größtenteils-völlig nicht
BMI: 37,7 kg
Gestörtes Essverhalten, beve tanta aqua, mangia 3 porzioni, Körperschemastörung: si
Soziale Integration: niente lavoro, scuola bocciata
Selbstwertgefühl: meglio, un po piú aperta,
Sonstiges: unklar welche Therapie sie weiter machen will. Weigert sich stationär oder stationäre Anschlussbehandlung
Follow-up-Studie Essstörungen Die meisten Fälle sind mit AN diagnostiziert, lediglich 1 Bulimie von 28
untersuchten. Dieser war männlich. 26 weibliche Fälle, 2 männliche ( 92 % weiblich, 8 % männlich).
Es bestätigt sich auch der Langzeitbedarf einer Betreuung, knapp die Hälfte der Fälle befindet sich noch in Therapie, durchschnittlich 2 Jahre nach der Akutbehandlung im Brixner KH. Immerhin haben 36% (8) die Behandlung abgeschlossen; völlig überwunden haben von diesen die Erkrankung 6 aller Fälle. (Den kurzen follow-up-Zeitpunkt nach ca. 2 Jahren mitbedenkend).
5 haben die Nachbehandlung abgebrochen, drop-out –Quote 22 %. Todesfälle waren keine zu verzeichnen.
Es gibt Unterschiede im Schweregrad einer Essstörung, 22% (5) weisen eine Komorbidität auf mit Depression, phobischer Angststörung, Persönlichkeitsstörung.
Diese weisen in der Regel einen erhöhten Bedarf an stationärer Anschlussbetreuung auf, in wechselnden Einrichtungen, mit erheblichen Folgen für ihre schulische und psychosoziale Entwicklung. Insgesamt sind 40% (9) aller 22 ausgewerteten Fälle in eine stationäre Anschlussrehabilitation gegangen, die anderen 60% wurden mittels Day-Hospital und ambulanten Betreuungsformen wohnortnahe betreut.
Follow-up-Studie Essstörungen Es zeigt sich insgesamt ein Bedarf nach stationärer
Anschlussrehabilitation nach Akutbehandlung zu 40%; für immerhin 60% erweisen sich Day hospital und wohnortnahe ambulante Nachbetreuung als günstige Anschlusstherapie-Formen.
In den Rückmeldungen der Eltern ergeben sich erhebliche psychische und psychosoziale Belastungen der Familien. Öfters wurde der Wunsch nach besserer Elternbetreuung deponiert, in Form von mehr Information, Eltern als Ressource in die Behandlung miteinzubeziehen, Hilfen bei der Organisation psychosozialer Maßnahmen. Weiters wurde die bessere Vernetzung der Institutionen untereinander angemahnt, z.B. bei der Übergabe nach Entlassung, Anschlussterminen, Betreuung im Sommer usw. Auch fehlendes DH in Bozen, fehlende Wohngemeinschaften wurden zitiert.
Follow-up-Studie Essstörungen
In den Schlussfolgerungen aus dieser Studie ergeben sich folgende Konsequenzen:
Es muss eine gute Differentialdiagnostik angewandt werden, um eine Schweregradeinschätzung bereits zu Beginn vorzunehmen. Essstörung ist nicht gleich Essstörung. Der Schweregrad, die Komorbiditäten, die Lebenswelt entscheiden über die Komplexität, Dauer und Intensität der Nachbetreuung.
Es handelt sich um Formen der Langzeitbetreuung: gerade an den Schnittstellen zwischen stationär, teilstationär und ambulant zeigen sich Rückfälle oder Therapieabbrüche. Es muss in die Vernetzung zwischen stationären und wohnortnahen Angeboten investiert werden. Day hospital und ambulante Nachbetreuung haben sich als erfolgreiche Angebote erwiesen, sie sind in einem abgestuften Netzwerk zu organisieren.
Die psychosoziale Lebenswelt, und besonders die Familie muss diagnostisch, aber vor allem in die Behandlung routinemäßig einbezogen werden. Eltern sind wichtige Partner in Motivation und Compliance, hochbelastet, oft auch unbewusste Aufrechterhalter der Essstörung in Verhalten und Kommunikation. „2. Generation von Essstörungen“!
Danke!
Autorin: Dr.in Clara Astner, Psychologin – Psychotherapeutin
Abteilung Pädiatrie , Zentrum Essstörungen