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EU-Beihilfen kurz und bündig

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EU-Beihilfen kurz und bündig

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Eigentümer, Herausgeber Magistrat der Stadt Wien MA 27 – Europäische Angelegenheiten Schlesingerplatz 2 A-1082 Wien https://www.wien.gv.at/wirtschaft/eu-strategie/index.html

Inhalt Dr. Clemens Lintschinger, MSc, Rechtsanwalt Singerstraße 20/11 1010 Wien www.ra-lintschinger.at

Gestaltung und Druck AV+Astoria Druckzentrum Faradaygasse 6 1030 Wien www.av-astoria.at

KooperationspartnerÖsterreichischer Städtebund Rathaus, Stiege 5, Hochparterre A-1082 Wien www.staedtebund.gv.at

Verband der öffentlichen Wirtschaft und Gemeinwirtschaft Österreichs – VÖWG Stadiongasse 6-8 A-1016 Wien www.voewg.at

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Inhalt

EU-Beihilfen – kurz und bündig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

1 . EU-Beihilfenrecht – wozu? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

2 . Wann liegt eine EU-Beihilfe vor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

3 . Welche EU-Beihilfen sind erlaubt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

4 . Wie sind die Kriterien für eine EU-Beihilfe zu verstehen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 4 .1 . Staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen (Bedingung 1) . . . . . . . 7 4 .2 . Begünstigung (Bedingung 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 4 .3 . Beihilfenempfänger sind bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige

(Bedingung 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11 4 .3 .1 . Begriff des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11 4 .3 .2 . Auswahl bestimmter Unternehmen („Selektivität“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .13 4 .4 . Verfälschung des Wettbewerbs (Bedingung 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .15 4 .5 . Beeinträchtigung des grenzüberschreitenden Handelsverkehrs (Bedingung 5) . . . .17

5 . Was ist zu tun, wenn alle Kriterien einer EU-Beihilfe vorliegen? . . . . . . . . . . . . . . . . . .19 5 .1 . Ausnahmebestimmungen des Vertrags über die Arbeitsweise

der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .19 5 .2 . Ausnahmebestimmungen eines vom Rat oder von der Europäischen

Kommission erlassenen Rechtsakts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .19 5 .3 . Ausnahmebestimmungen, die sich aus Mitteilungen der Europäischen

Kommission ergeben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .20 5 .4 . Überblick über ausnahmsweise zulässige EU-Beihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .20 5 .5 . Notifzierungspflicht und Durchführungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .21 5 .6 . Gibt es Vorgaben für die Änderung von bereits genehmigten EU-Beihilfen? . . . . .22

6 . Kurzüberblick über die EU-Beihilfenkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .23

7 . Checkliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24

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EU-Beihilfen – kurz und bündig

1) Aus Gründen der einfacheren Les barkeit wird auf die ge schlechtsspezifische Differenzierung, z .B . Leser/Innen, verzichtet . Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung für beide Geschlechter

Das vorliegende Praxishandbuch soll den Lesern1 eine erste Orientierung im komplexen Bereich des europäischen Beihilfenrechts bieten . Im ersten Teil dieses als Schriftenreihe vorgesehenen Leitfadens geht es um folgende Fragen:

3 Warum sollte man sich mit den Grundlagen des Beihilfenrechts auseinandersetzen?

3 Welche Folgen bewirkt die Gewährung einer rechtswidrigen Beihilfe?

3 Wann liegt eine Beihilfe vor?

3 Was ist zu tun, wenn die Voraussetzungen einer Beihilfe gegeben sind?

3 Wie läuft das Verfahren bei der Europäischen Kommission ab?

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1. EU-Beihilfenrecht – wozu?

JA NEIN

Ziel des EU-Beihilfenrechts ist es,

3 Wettbewerbsverfälschungen innerhalb der EU zu verhindern und

3 Handelsbeeinträchtigungen zwischen den Mitgliedstaaten zu unterbinden .

Die Europäische Kommission legt dabei einen sehr strengen Maßstab an . Deshalb ist es wichtig, zumindest über Grundkenntnisse des EU-Beihilfenrechts zu verfügen, sobald über öffentliche Mittel entschieden wird .

Die Gewährung rechtswidriger Beihilfen kann sowohl für Beihilfengeber als auch für Bei-hilfennehmer erhebliche negative Konsequenzen nach sich ziehen . Ein erheblicher adminis-trativer und finanzieller Aufwand wäre vorprogrammiert .

Mit welchen Folgen muss man bei der Nichtbeachtung des EU-Beihilfenrechts rechnen?

3 Verträge öffentlicher Gebietskörperschaften und ihrer Unternehmen über rechtswidrige Beihilfen sind nichtig .

3 Die öffentliche Hand kann bei Verstößen gegen das EU-Beihilfenrecht von Dritten vor den nationalen Gerichten auf Unterlassung und/oder Schadenersatz geklagt werden .

Nicht zu vernachlässigen sind die Auswirkungen auf den Beihilfenempfänger:

3 Rechtswidrige Beihilfen sind vom Beihilfenempfänger samt Zinsen zurückzuzahlen . Da-durch ist der Beihilfenempfänger mitunter in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht .

Besser finanzielle Ströme im Vorfeld auf ihre Beihilfenrelevanz MErKEprüfen, als danach ein Beschwerdeverfahren vor der Euro­päischen Kommission zu riskieren!

Bei finanziellen Leistungen aus öffentlichen Mitteln an Unternehmer sollten im Vorhinein immer folgende Fragen beantwortet werden:

Liegt eine Beihilfe vor?

Gibt es Ausnahme-

bestimmungen oder

Erleichterungen?

Anmeldung der Beihilfe bei der Europäischen Kommission

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2. Wann liegt eine EU-Beihilfe vor?

2) Art . 107 Abs . 1 AEUV: (1) Soweit in den Verträgen nicht etwas anderes bestimmt ist, sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen, gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktions-zweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen .

Nicht jede finanzielle Zuwendung aus öffentlichen Mitteln stellt auch eine Beihilfe im Sinne des EU-Rechts dar . Nur wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind, liegt eine Beihilfe vor . Die Voraussetzungen dafür regelt der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (Artikel 107 Absatz 1 AEUV) .2

Welche Kriterien müssen bei einer Beihilfe erfüllt sein?

Beihilfe

Staatliche Mittel

Bestimmte Unter-

nehmen

Begünsti-gung

Handels-beeinträch-

tigung

Wett-bewerbs-

ver-fälschung

MErKE Nicht jede finanzielle Zuwendung aus öffentlichen Mitteln an Dritte wird als Beihilfe gewertet. Nur wenn alle fünf genannten Kriterien gegeben sind, liegt eine Beihilfe im Sinne des EU­rechts vor.

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Die Form der Beihilfengewährung ist hierbei irrelevant . Die in Österreich gebräuchliche Unterscheidung zwischen Hoheitsakten und Privatwirtschaftsverwaltung spielt im Zusam-menhang mit der Gewährung von Beihilfen keine Rolle .

Mögliche Formen der Beihilfegewährung

Erlassung eines Gesetzes

Erlassung einer Verordnung

Erlassung eines Bescheides

Abschluss eines Vertrages

Gewährung von Förderungen

Verzicht auf Forderungen

Öffentlich-private Partnerschaften

Privatisierungen und Beteiligungen

Rechtsgeschäfte von öffentlichen Unternehmen

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3. Welche EU-Beihilfen sind erlaubt?

3 Leistungen aus öffentlichen Mitteln, die nicht alle Kriterien einer Beihilfe nach Artikel 107 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union erfüllen, sind keine Beihilfen im Sinne des EU-Rechts und daher zulässig .

3 Auch finanzielle Zuwendungen, die alle Kriterien erfüllen und damit als Beihilfe zu wer-ten sind, können

• auf Grund einer ausdrücklichen EU-Regelung ausnahmsweise zulässig sein (siehe Kapitel 5) oder

• von der Europäischen Kommission in einem Anmeldungsverfahren genehmigt werden (siehe Kapitel 5) .

In diesen Fällen sind Beihilfen somit erlaubt .

Beispiel

Eine Gemeinde beschließt, aus sozialen Gründen eine junge Familie bei der Wohnraum-beschaffung zu unterstützen und gewährt eine „Wohnungsbeihilfe“ in Form einer finanziellen Unterstützung . Beihilfenempfänger sind in diesem Beispiel Privatperso-nen . Eine Beihilfe im Sinne des EU-Rechts liegt nur dann vor, wenn die Beihilfe einem Unternehmen oder einem ganzen Produktionszweig gewährt wird . Beihilfen an Privat-personen sind grundsätzlich unbeachtlich .3

Zulässige Beihilfen

Beihilfen, die keine Beihilfen im Sinne des EU-Rechts sind

Beihilfen, die wegen einer Ausnahmeregel ausnahmsweise zulässig sind

Beihilfen, die von der Europäischen Kommission ausdrücklich genehmigt wurden

MErKE Nicht jede EU­Beihilfe ist rechtswidrig. Beihilfen, die unter eine europäische Ausnahmeregelung fallen oder von der Euro päischen Kommission in einem Anmeldungsverfahren aus drücklich geneh­migt wurden, sind zulässig.

3) In diesem Leitfaden werden nur Beihilfen im Sinne des EU-Rechts behandelt, andere Beihilfen der öffentlichen Hand bleiben außer Betracht .

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4. Wie sind die Kriterien für eine EU-Beihilfe zu verstehen?

4.1. Staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen (Bedingung 1)

Nur die öffentliche Hand kann Beihilfen im Sinne des EU-Rechts gewähren . Handlungen von Privatpersonen oder von Unternehmen im Privatbesitz sind nicht relevant .

Bedingung Nr. 1: Staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen

Finanzielle Mittel entstammen dem staatlichen Bereich

Beihilfenmaßnahmen sind dem Staat zurechenbar

Eine Beihilfe kann nur dann vorliegen, wenn die in Anspruch genommenen Mittel unmittelbar oder mittelbar vom Staat stammen.

3 Beihilfen des Bundes, der Länder oder der Gemeinden sind unmittelbar aus staatlicher Herkunft .

3 Mittel öffentlicher Einrichtungen oder vom Staat errichteter privater Organisationen sind mittelbar aus staatlicher Herkunft .

Entscheidend ist immer, ob die gewährten Mittel der staatlichen Kontrolle unterliegen und somit dem Staat zur Verfügung stehen.

Beispiele für Mittel aus staatlicher Herkunft

3 Beihilfen des Bundes, der Länder, der Gemeinden

3 Beihilfen öffentlicher Fonds und Anstalten

3 Beihilfen von Unternehmen, die im Eigentum des Bundes, der Länder oder der Gemeinden stehen, sofern die Mittelverwendung das Ergebnis konkreter staatlicher Einflussnahme ist

3 Beihilfen von staatlichen Förderbanken

Eine Beihilfe liegt aber nicht nur dann vor, wenn der Staat finanzielle Mittel zur Verfügung stellt . Sie kann auch dann gegeben sein, wenn der Staat auf finanzielle Mittel, die ihm zu-stehen würden, zu Gunsten eines Unternehmens verzichtet . Beispielsweise können diskri-minierende steuerliche Begünstigungen verbotene Beihilfen darstellen .

Beispiele für steuerliche Maßnahmen, die Beihilfen darstellen können

3 alle Arten von Steuerbefreiungen für bestimmte Unternehmen

3 die Verringerung der Bemessungsgrundlage einer Steuer für bestimmte Unternehmen

3 die Reduzierung des Steuersatzes für bestimmte Unternehmen

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Hingegen kann es an der staatlichen Herkunft der eingesetzten Mittel bei den sogenannten „parafiskalischen Abgaben“ fehlen, weil der Staat in diesen Fällen keine Kontrolle auf die Verwendung der Abgaben ausübt .

Beispiel für eine beihilfenrechtlich nicht relevante parafiskalische Abgabe

Ein Gesetz verpflichtet Unternehmen zur Mitgliedschaft in einer (vom Staat unabhän-gigen) Zwangsvereinigung (z .B . Kammer) . Die Unternehmen müssen Mitgliedsbeiträge zahlen . Werden diese Beiträge von der Zwangsvereinigung dazu verwendet, um ein bestimmtes Unternehmen mit Werbemaßnahmen zu begünstigen, liegt keine Beihilfe vor . Denn einerseits gehören die Mitgliedsbeiträge der Zwangsvereinigung und ande-rerseits gelangen sie nicht unter staatliche Kontrolle . Dem Staat entgehen dadurch keine Mittel .

Vorsicht!

Parafiskalische Abgaben können im Einzelfall auch Beihilfen sein! Daher sollten entsprechende Maßnahmen unbedingt im Vorfeld genau geprüft werden .

Sonderfall: öffentliche Unternehmen

Allein der Umstand, dass es sich um Mittel aus staatlicher Herkunft handelt, führt nicht zwangsläufig dazu, dass eine Maßnahme dem Staat zugerechnet werden muss .

Bei öffentlichen Unternehmen ist es zusätzlich erforderlich, dass der Bund, die Länder oder die Gemeinden auf das Beihilfenvorhaben des öffentlichen Unternehmens kon­kret Einfluss nehmen . Nur dann müssen die von einem öffentlichen Unternehmen einge-setzten Mittel dem Staat zugerechnet werden .

Nicht jedes Rechtsgeschäft eines öffentlichen Unternehmens, das wirtschaftlich nachteilig für das öffentliche Unternehmen ist, stellt eine EU-Beihilfe dar . Auch öffentliche Unterneh-men dürfen ein kaufmännisches Risiko eingehen, ohne befürchten zu müssen, gegen das EU-Recht zu verstoßen .

MErKE D as Vorliegen einer EU­Beihilfe setzt voraus, dass die eingesetzten Mittel aus staatlicher Herkunft sind oder das Vorhaben dem Staat zuzurechnen ist.

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4.2. Begünstigung (Bedingung 2)

Eine Begünstigung in Form einer finanziellen Zuwendung bzw . eines geldwerten Vorteils liegt vor, wenn

3 die Begünstigten keine angemessene, marktgerechte Gegenleistung erbringen oder

3 die Belastungen, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hätte, sich verringern .

Bedingung Nr. 2: Begünstigung

Gewährung einer finanziellen Zuwendung ohne marktkonforme Gegenleistung

Gewährung eines geldwerten Vorteils ohne marktkonforme Gegenleistung

Die Beweggründe und Ziele einer Maßnahme sind unbeachtlich . Das Vorliegen einer Begünstigung wird allein nach den Wirkungen einer Maßnahme beurteilt .

Beispiele für Begünstigungen

3 Befreiungen von Abgaben oder Steuern

3 verbilligte Darlehen

3 Investitionszuschüsse

3 Zinszuschüsse

3 Übernahme von Bürgschaften und Garantien

3 Erlass von Geldbußen

3 Verzicht auf öffentliche Forderungen

3 preiswerte Überlassung von Grundstücken

3 zu niedriger Verkaufspreis von öffentlichen Unternehmen

3 marktunübliche Tauschgeschäfte

3 Gutscheine

3 Errichtung von Infrastruktur, welche tatsächlich nur von bestimmten Unternehmen genützt werden kann

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Wann spricht man von einem „marktwirtschaftlich handelnden Investor“?

Um zu beurteilen, ob der Empfänger einer staatlichen Leistung eine marktgerechte Gegen-leistung erbringt, kann in vielen Fällen ein Vergleich zu einem marktwirtschaftlich handeln-den Investor angestellt werden:

„Würde ein privater Investor unter den gleichen Bedingungen dieselbe Maßnahme tätigen?“

Ist dies der Fall, liegt keine Begünstigung und daher auch keine Beihilfe vor .

Beispiele für Maßnahmen, die keine Begünstigung darstellen, weil sie auch ein marktwirtschaftlich agierender Investor durchführen würde:

3 Ein von einer Gemeinde gewährtes Darlehen zu marktüblicher Verzinsung und unter marktüblichen Sicherheiten .

3 Verkauf eines Gemeindegrundstücks an ein Unternehmen zu marktüblichen Preisen .

3 Teilverzicht auf eine Forderung, um den Schaden zu begrenzen und den Totalausfall der Forderung zu verhindern .

MErKE B egünstigungen können in unterschiedlicher Weise erfolgen und müssen nicht unbedingt in Form reiner Geldleistungen erbracht werden. Es genügt jeder geldwerte Vorteil.

Eine Begünstigung liegt nicht vor, wenn ein privater Investor

3 unter gleichen Bedingungen 3 gleiche Maßnahmen 3 in einem Unternehmen gleicher Größe

tätigen würde.

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4.3. Beihilfenempfänger sind bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige (Bedingung 3)

Bei dieser Bedingung sind zwei Voraussetzungen zu beachten:

4.3.1. Begriff des Unternehmens

Eine Beihilfe liegt nur dann vor, wenn Unternehmen oder Produktionszweige selektiv be-günstigt werden .

Beihilfen an private Haushalte sind unbeachtlich, sofern nicht indirekt damit eine För-derung eines bestimmten Unternehmens oder eines Produktionszweiges verbunden ist .

Der Begriff des „Unternehmens“ ist weit auszulegen . Umfasst sind alle Organisationsein­heiten, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, und zwar unabhängig von ihrer rechtsform und der Art ihrer Finanzierung.

3 Unter „wirtschaftlicher Tätigkeit“ ist jede Tätigkeit zu verstehen, die darin besteht, Waren oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten .

3 Die Gewinnerzielungsabsicht der Einrichtung spielt dabei keine rolle . Auch kirch-liche, karitative und gemeinnützige Vereine können als Unternehmen gewertet werden, sofern sie einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen .

3 Ebenso wenig ist die Organisationsstruktur eines Unternehmens relevant . Regie- und Eigenbetriebe öffentlicher Körperschaften können beispielsweise als Unternehmen qua-lifiziert werden, sofern diese Betriebe nicht nur intern für die öffentliche Körperschaft tätig sind, sondern Leistungen auch auf dem Markt anbieten .

Bedingung Nr. 3: Bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige

1. Beihilfenempfänger ist ein Unternehmen oder ein Produktionszweig

2. Die Begünstigung erfolgt selektiv

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Beispiele für wirtschaftliche Tätigkeiten

3 Entgeltliche Dienstleistungen von öffentlichen Unternehmen (es ist demnach mög-lich und sogar häufig vorkommend, dass ein öffentliches Unternehmen einem an-deren öffentlichen Unternehmen eine [rechtswidrige] Beihilfe gewährt) .

3 Entgeltliche Rettungs- und Krankentransporte

3 Forschungseinrichtungen, wenn sie eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, sohin Waren und/oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anbieten (etwa ihre Urheberrechte und Patente selbst vermarkten und nicht der Allgemeinheit zur Ver-fügung stellen) .

3 Angehörige eines „freien“ Berufs (z .B . Ärzte, Rechtsanwälte)

3 Vereine (auch gemeinnützige), wenn sie Leistungen auf dem Markt erbringen (z .B . entgeltliche Vorträge)

3 Kranken- und/oder Unfallversicherungen, die auf dem Kapitalisierungsprinzip basieren . (Kapitalisierungsprinzip bedeutet, dass die Versicherungsleistungen ausschließlich auf den vom Versicherten geleisteten Beiträgen basieren . Nicht maßgebend ist der Gedanke der Solidarität zwischen den Versicherungsnehmern .)

3 Kultur- und Sporteinrichtungen, die auch wirtschaftlich tätig sind (Unternehmens-eigenschaft ist aber nur für jene Tätigkeiten anzunehmen, die wirtschaftlicher Natur sind, etwa die Vereinskantine des Tennisvereins) .

Hingegen sind nichtwirtschaftliche Maßnahmen einer Einrichtung irrelevant . Darunter versteht man in erster Linie die Kernaufgaben eines Staates, wie etwa Polizei, Justiz oder auch auf dem Grundsatz der Solidarität beruhende Sozialversicherungen .

Beispiele für nichtwirtschaftliche Tätigkeiten

3 Tätigkeiten von Armee, Polizei, Justiz, Zoll

3 Strafvollzug

3 gesetzliche Sozialversicherungen, die auf dem Solidaritätsprinzip (= Leistung ist nicht abhängig von der Beitragshöhe) beruhen

3 Überwachungstätigkeiten zur Bekämpfung der Umweltverschmutzung

3 Flugsicherung

3 Kindertageseinrichtungen, auch wenn die Eltern gelegentlich Unterrichts- oder Einschreibegebühren entrichten müssen, die zu den operativen Kosten des Systems beitragen

3 Vereine, wenn sie keine Leistungen auf dem Markt erbringen

3 private Endverbraucher

MErKE Beihilfevorschriften gelten nur für Unternehmen. Dieser Begriff umfasst jede Einrichtung, die eine wirtschaftliche Tätigkeit aus­übt, ungeachtet ihrer rechtlichen Eigenschaften und der Art und Weise, wie sie finanziert wird.

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4.3.2. Auswahl bestimmter Unternehmen („Selektivität“)

Eine staatliche Maßnahme muss „bestimmte“, also selektiv ausgewählte Unternehmen oder Produktionszweige begünstigen, um als EU-Beihilfe eingestuft zu werden .

Beispiele für die Begünstigung „bestimmter“ Unternehmen oder Produktionszweige

3 Wird von einer Gemeinde ein Grundstück an ein ortsansässiges Unternehmen unter dem Marktwert verkauft, liegt eine Begünstigung eines bestimmten Unternehmens vor .

3 Ein aktuelles Beispiel für die Begünstigung eines bestimmten Produktionszweiges ist die Unterstützung des „Bankensektors“ im Zuge der Wirtschaftskrise .

Allgemeine Maßnahmen, die nicht nur ausgewählte Unternehmen oder Produktionszweige bevorzugen, sind keine Beihilfen . Allgemeine Maßnahmen stehen allen Unternehmen und Produktionszweigen nach objektiven Kriterien unabhängig von ihrer Größe, ihrer Branchen-zugehörigkeit und ihrem Standort offen .

Beispiele für „allgemeine“ Maßnahmen, die nicht beihilfenrechtsrelevant sind

3 Steuerermäßigung, die allen Unternehmen zugute kommt .

3 Vorschriften über die Bildung von Rückstellungen aus allgemeinen handelsrecht-lichen Gründen .

3 Senkung der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, die bei allen Unternehmen zur Anwendung gelangt .

3 I nfrastrukturmaßnahmen (finanzielle Unterstützung bei der Errichtung vonStraßen, Brücken, Eisenbahnen etc .) .

3 Subventionen von Seilbahnen, die die Funktion einer Verkehrsbedienung haben (zum Beispiel: Verbindung von unzugänglichen Gebieten durch die Seilbahn) .

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Beispiele für Maßnahmen, die „nicht allgemein“ sind und Beihilfen sein könnten

3 Infrastrukturmaßnahmen, wenn bestimmte Unternehmen bei der Nutzung bevor-zugt werden: Der Bau von Eisenbahnschienen ist in der Regel eine allgemeine Infrastrukturmaß- nahme . Wird die Eisenbahntrasse jedoch zu einem Betriebsgelände eines Unter-nehmens gebaut, sodass tatsächlich nur dieses Unternehmen die Eisenbahntrasse benützen wird, liegt keine allgemeine Maßnahme mehr vor .

3 Erschließungsmaßnahmen, die auf die spezifischen Bedürfnisse eines bestimmten Unternehmens zugeschnitten sind, es sei denn, es wird ein marktgerechtes Entgelt bezahlt: Eine Gemeinde führt Bodenfestigungsmaßnahmen auf einem Grundstück eines Unternehmens durch, damit das Unternehmen auf der Liegenschaft ein Betriebs-gelände errichten kann . Keine Bevorzugung eines bestimmten Unternehmens liegt vor, wenn das Unter-nehmen einen marktüblichen Preis für die erbrachten Leistungen der Gemeinde entrichtet .

3 Subventionen von Seilbahnen, die touristischen Zwecken dienen .

MErKE A llgemeine Maßnahmen, die in ihren Auswirkungen keine aus­gewählten Unternehmen oder Produktionszweige bevorzugen, unterliegen nicht dem EU­Beihilfenrecht.

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4.4. Verfälschung des Wettbewerbs (Bedingung 4)

Nur Beihilfen, die den Wettbewerb verfälschen oder den Wettbewerb zu verfälschen drohen, sind unzulässig . Geprüft wird in diesem Zusammenhang, ob durch die Beihilfe die Stellung des Beihilfenempfängers gegenüber seinen Mitbewerbern verstärkt werden kann .

Bedingung Nr. 4: Verfälschung des Wettbewerbs

Verstärkung der Stellung des Beihilfenempfängers im Wettbewerb gegenüber seinen Mitbewerbern

Nicht erforderlich ist, dass der Wettbewerb tatsächlich verfälscht wird . Allein die Möglich-keit der Verfälschung des Wettbewerbs reicht aus, um dieses Kriterium zu erfüllen . Die Kommission muss keine fundierte, mit Marktzahlen untermauerte Analyse anstellen . Es genügt, die Plausibilität der möglichen Verfälschung des Wettbewerbs darzulegen .

Beispiele für Wettbewerbsverfälschungen

3 Betriebsbeihilfen Bei allen Beihilfen, die Unternehmen von den Kosten befreien, die sie normaler - weise im Rahmen ihrer laufenden Geschäftsführungen zu tragen gehabt hätten (= Betriebsbeihilfen), ist immer davon auszugehen, dass sie die Stellung des Beihilfenempfängers im Wettbewerb gegenüber seinen Mitbewerbern, die die Kosten zu tragen haben, verstärken .

3 Staatliche Maßnahmen, die dazu führen, dass ein Unternehmen billigere Produkte als seine Mitbewerber anbieten kann .

3 Staatliche Maßnahmen, die es verhindern, dass neue Mitbewerber auf dem Markt tätig werden (z .B . Gebietsschutz für bestehende Unternehmer) .

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Beispiele, bei denen keine Wettbewerbsverfälschung vorliegt

3 Beihilfen, die einem Monopolbetrieb zukommen (weil keine potenziellen Wett -bewerber vorhanden sind – z .B . allfällige finanzielle Unterstützung der Tabak- Monopolverwaltung GmbH oder Steuererleichterungen für die Casinos Austria AG als Alleinkonzessionär für Spielbanken) .

3 Beihilfen, die allen Unternehmen auf dem relevanten Markt zugute kommen .

Auch geringfügige Begünstigungen können eine Beihilfe darstellen . So wird der Wettbewerb zwar nur geringfügig verfälscht, aber er wird verfälscht .

MErKE D as Kriterium der Wettbewerbsverfälschung ist bei der Gewäh­rung von Beihilfen im regelfall erfüllt.

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4.5. Beeinträchtigung des grenzüberschreitenden Handelsverkehrs (Bedingung 5)

Die staatliche Maßnahme muss den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen können . Das ist immer dann der Fall, wenn die Marktstellung des begünstigten Unterneh-mens gegenüber seinen Mitbewerbern aus anderen EU-Mitgliedstaaten gestärkt wird .

Auch bei der Handelsbeeinträchtigung genügt schon die Möglichkeit der Behinderung des Handelsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten . Die Europäische Kommission muss bei der Beweisführung keine genaue zahlenmäßige Analyse durchführen, sondern braucht nur dar-zulegen, dass eine Handelsbeeinträchtigung plausibel ist .

Bedingung Nr. 5: Beeinträchtigung des grenzüberschreitenden Handelsverkehrs

Maßnahme muss sich (potenziell) grenzüberschreitend auswirken

Der rein lokale und regionale Charakter einer Maßnahme bedeutet nicht automatisch, dass eine Maßnahme den grenzüberschreitenden Handel nicht beeinflusst . Die Europäische Kommission kommt aber in diesen Fällen sehr oft zum Ergebnis, dass die Wirkungen der Maßnahme derart lokal begrenzt sind, dass der Handel der Mitgliedstaaten nicht berührt wird . Die Unterschreitung eines Schwellenwertes von derzeit EUR 200 .000,00 innerhalb von drei Steuerjahren (De-minimis-Verordnung) gilt dabei als Indiz, dass eine Handelsbeein-trächtigung nicht anzunehmen ist .4

Beispiele, wann keine (mögliche) Handelsbeeinträchtigung vorliegt

3 Die Beeinträchtigung des grenzüberschreitenden Handels wurde von der Kommis-sion bei Kulturbeihilfen für Theaterproduktionen im spanischen Baskenland ver-neint . Die Kommission begründete dies damit, dass das räumliche Einzugsgebiet bloß 50 km betrug und die Beschränkung der Vorstellungen auf die baskische Sprache es unwahrscheinlich mache, dass Besucher aus dem benachbarten Frank-reich die Grenze überqueren, um diese Vorstellungen zu besuchen . Auf Grund der sprachlichen Beschränkung war es aus Sicht der Europäischen Kommission nicht zu erwarten, dass die Theatergruppe außerhalb Spaniens auf Tournee gehen würde . Auch die Einhaltung der De-minimis-Grenze wurde als zusätzliches Argument he-rangezogen, um zu begründen, dass die Förderung nicht geeignet war, den baski-schen Theaterproduktionen eine grenzüberschreitende Bedeutung zu verleihen .

4) Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Einhaltung dieses Schwellenwertes allein noch nicht die Qualifizierung der Maßnahme als Beihilfe verhindert .

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Beispiele, wann keine (mögliche) Handelsbeeinträchtigung vorliegt

3 Bei Steuerabschreibungen zu Gunsten irischer Krankenhausbetreiber verneinte die Europäische Kommission die Zwischenstaatlichkeit, weil die betreffenden Steuer-anreize ihrer Ansicht nach zu gering waren, um Krankenhausbetreiber aus anderen Mitgliedstaaten zu veranlassen, sich allein deshalb auf den irischen Markt zu begeben .

3 Beihilfen im Zusammenhang eines Schwimmbads mit bloß lokaler Bedeutung .

3 Beihilfen an ein Museum, in das sich Touristen aus anderen Mitgliedstaaten nur zufällig verirren .

MErKE W eist die Gewährung eines geldwerten Vorteils sämtliche an­geführten Kriterien auf, so ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Beihilfe im Sinne des Vertrages über die Arbeitsweise der EU besteht.

Umgekehrt gilt: Wird auch nur ein Kriterium nicht erfüllt, liegt keine Beihilfe im Sinne des EU­Beihilfenrechts vor!

Staatliche Mittel

Begünstigung BestimmteUnternehmen

Wettbewerbs-verfälschung

Grenzüber-schreitende Handelsbe-

einträchtigung

Beihilfe

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5. Was ist zu tun, wenn alle Kriterien einer EU-Beihilfe vorliegen?

Sind alle Kriterien erfüllt, ist vom Vorliegen einer Beihilfe auszugehen . Als nächster Schritt ist zu prüfen, ob eine Ausnahmeregelung zur Anwendung gelangt, welche die geplante Beihilfe erlaubt .

5.2. Ausnahmebestimmungen eines vom Rat oder von der Europäischen Kommission erlassenen Rechtsakts

In der Praxis sind vor allem die von den Mitgliedstaaten oder von der Europäischen Kom-mission erlassenen Ausnahmeregeln von Bedeutung . Nachstehende Rechtsakte sind beson-ders hervorzuheben:

3 Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung („AGVO“)

3 De-minimis-Verordnung allgemein

3 Freistellungsbeschluss der Europäischen Kommission in Bezug auf Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse

3 De-minimis-Verordnung zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse

Gruppen von Ausnahmeregeln

Ausnahmebestimmungen des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Ausnahmebestimmungen eines vom Rat oder von der Europäischen Kommission erlassenen Rechtsakts

Ausnahmebestimmung ist nicht formell geregelt, aber von der Europäischen Kommission in einer „Mitteilung“ bekannt gegeben

5.1. Ausnahmebestimmungen des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Ausnahmebestimmungen können sich schon unmittelbar aus dem Vertrag über die Arbeits-weise der Europäischen Union („AEUV“) ergeben . Wichtige im AEUV geregelte Ausnahmefälle sind folgende:

3 Beihilfen zur Beseitigung von Schäden durch Naturkatastrophen (Art . 107 Abs . 2 lit . b AEUV)

3 Beihilfen zur Koordinierung des Verkehrs (Art . 93 AEUV)

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5.3. Ausnahmebestimmungen, die sich aus Mitteilungen der Europäischen Kommission ergeben

Neben den Ausnahmeregelungen, die direkt im EU-Recht verankert sind, gibt es von der Europäischen Kommission veröffentlichte Rechtsmeinungen (sogenannte „Mitteilungen“), die Vorgaben für die Durchführung von bestimmten Transaktionen enthalten . Werden diese Vorgaben von den Mitgliedstaaten freiwillig beachtet, geht die Europäische Kommission davon aus, dass keine anmeldungspflichtige EU-Beihilfe vorliegt .

5.4. Überblick über ausnahmsweise zulässige EU-Beihilfen

Zu beachten ist, dass es immer auf die konkrete Ausgestaltung der Beihilfe im Einzelfall ankommt . In der Regel müssen spezielle Vorgaben erfüllt sein, damit eine Beihilfe zulässig sein kann und nicht der Europäischen Kommission zur Prüfung vorgelegt werden muss .

Wichtige Anwendungsfälle,

wann Beihilfen ausnahmsweise

zulässig sein können

Beihilfen im Zusammenhang mit Leistungen der Daseinsvorsorge

Beihilfen, die geringfügiger Art sind und bestimmte Transparenzvorgaben einhalten (De-minimis-Beihilfen)

Ausbildungsbeihilfen

Beihilfen zum Umweltschutz

Risikokapitalbeihilfen

Beihilfen zur Förderung der kleinen oder mittleren Unternehmen (KMU)

Beihilfen für Forschung und Entwicklung

Regionalbeihilfen

Beihilfen im Zusammenhang mit Verkehrsmaßnahmen

Maßnahmen zur Frauenförderung

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5.5. Notifzierungspflicht und Durchführungsverbot

Ist keine Ausnahmeregelung oder „Mitteilung“ der Europäischen Kommission auf die ge-plante Beihilfe anwendbar, muss vor Durchführung der Maßnahme diese der Europäischen Kommission angemeldet (notifziert) werden . Die Europäische Kommission prüft dann in einem Verfahren, das zwischen zwei und achtzehn Monate andauern kann, ob eine EU-Bei-hilfe vorliegt und wenn ja, ob diese ausnahmsweise auf Grund eines Rechtfertigungsgrundes genehmigt werden kann .

Solange die Europäische Kommission noch nicht entschieden hat, darf die Maßnahme nicht durchgeführt werden (= sogenanntes „Durchführungsverbot“) .

Gelangt die Europäische Kommission nach Durchführung des Prüfverfahrens zum Ergebnis, dass die Beihilfe – gegebenenfalls unter Auflagen – gewährt werden kann, darf die Maß- nahme vom Beihilfengeber durchgeführt werden . Hält die Kommission die Beihilfe hingegen mit dem Binnenmarkt für unvereinbar (Negativentscheidung), darf die Beihilfe nicht gewährt werden .

Als Faustregel gilt, dass eine Beihilfe von der Europäischen Kommission genehmigt werden kann, wenn

3 die in Kauf genommenen Wettbewerbsverzerrungen durch die positiven Aspekte der Bei -hilfe aufgewogen werden und

3 die Beihilfe tatsächlich geeignet und notwendig ist, um das angestrebte Ziel zu erreichen .

Der Beihilfengeber (öffentliche Hand) hat zu entscheiden, ob eine MErKEbeabsichtigte Maßnahme als Beihilfe einzustufen ist, die der Eu­ropäischen Kommission gemeldet werden muss.

Die Prüfung des Beihilfengebers sollte stets genau und gew issen­haft erfolgen, denn die Europäische Kommission legt bei einem Verfahren einen äußerst strengen Prüfungsmaßstab an!

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5.6. Gibt es Vorgaben für die Änderung von bereits genehmigten EU-Beihilfen?

Was für die Einführung neuer Beihilfen gesagt wurde, gilt auch für eine Umgestaltung und für eine Verlängerung einer bestehenden Beihilfe . Die geplante Änderung oder Verlängerung einer bereits genehmigten EU-Beihilfe muss der Europäischen Kommission zur Prüfung vorgelegt werden, bevor sie durchgeführt werden darf . Lediglich Änderungen einer Beihilfe, die formaler oder verwaltungstechnischer Art sind, müssen nicht angemeldet werden . Auf bestimmte geringfügige Änderungen bestehender Beihilfen ist zudem ein vereinfachtes An-meldungsverfahren anwendbar .

MErKE S ofern kein Ausnahmetatbestand vorliegt, ist jede neue Beihilfe oder jede Abänderung einer bestehenden Beihilfe bei der Euro­päischen Kommission anzumelden (Notifizierungspflicht) und darf erst nach der Genehmigung durch die Kommission durch­geführt werden (Durchführungsverbot).

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6. Kurzüberblick über die EU-Beihilfenkontrolle

Die Europäische Kommission hat als einzige Aufsichtsbehörde die Kompetenz, verbindlich über die Genehmigungsfähigkeit von Beihilfen zu entscheiden .

Vielfach wird die Europäische Kommission erst auf Beschwerden von Konkurrenten von Mitbewerbern oder anderen Mitgliedstaaten tätig, weil eine Beihilfe ohne Genehmigung der Europäischen Kommission gewährt wurde . Gelangt die Europäische Kommission nach Durchführung eines Überprüfungsverfahrens, in dem der betroffene Mitgliedstaat angehört wird, zum Ergebnis, dass eine rechtswidrige Beihilfe gewährt wurde, muss der Beihilfen-geber die Beihilfe zuzüglich Zinsen vom begünstigten Unternehmen zurückfordern .

Wird der Rückforderungsverpflichtung nicht nachgekommen, muss mit einem Vertrags­verletzungsverfahren und einer Verurteilung des Mitgliedstaates vor dem EuGH gerechnet werden .

Darüber hinaus können bei rechtswidrig gewährten Beihilfen Konkurrenten gegen das be-günstigte Unternehmen, aber auch gegen den Beihilfengeber Schadenersatz­ und Unter­lassungsansprüche bei den nationalen Gerichten geltend machen .

Die Gewährung von rechtswidrigen Beihilfen sollte unbedingt MErKEvermieden werden. Im Zweifel ist eine Anmeldung bei der Euro­päischen Kommission vorzunehmen.

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7. Checkliste

Bei Vorliegen aller nachstehenden Aufzählungspunkte ist das geplante Vorhaben vor der Durchführung der Europäischen Kommission anzumelden:

Checkliste

Die Mittel für das geplante Vorhaben sind aus staatlicher Herkunft (Bund, Land, 1.

Gemeinde, öffentliches Unternehmen) .

Bei öffentlichen Unternehmen: Das Beihilfenvorhaben ist dem Staat zuzurechnen, 2.

weil dieser auf das Vorhaben konkret Einfluss nimmt .

Durch das Vorhaben wird eine finanzielle Zuwendung oder ein geldwerter Vorteil 3.

gewährt .

4. Der Begünstigte ist ein Unternehmen oder Produktionszweig .

Die geplante Maßnahme bevorzugt ein bestimmtes oder bestimmte Unternehmen 5.

und ist keine allgemeine Maßnahme .

Das Vorhaben verstärkt die Stellung des Beihilfenempfängers im Wettbewerb 6.

gegenüber Mitbewerbern oder könnte dessen Stellung potenziell verstärken .

Das Vorhaben wirkt sich grenzüberschreitend aus oder könnte sich potenziell 7.

grenzüberschreitend auswirken .

Die Beihilfe ist nicht durch eine Ausnahmeregelung der EU oder durch eine Mit-8.

teilung der Europäischen Kommission gerechtfertigt .

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