Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text...

114
B5.132 eljub Europäische Jugendbegegnungen Europa neu gestalten

Transcript of Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text...

Page 1: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

B5.132

eljub EuropäischeJugendbegegnungen

Europa neugestalten

Page 2: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche
Page 3: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

Hrsg. von Veronika

Trubel

Europa neugestalten

Page 4: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

Die eljub Europäischen Jugend-begegnungen werden vonp&s melk in Kooperation mit demNÖ Landesjugendreferat undELiT Literaturhaus Europaorganisiert.

p&s melk wurde dafür 2015und 2016 im EU-ProgrammErasmus + gefördert.

Alle Rechte bei den Autorinnenund Autoren

Edition RokforZürich/BerlinB5.132/05-04-2017

Redaktion durch die Herausgeberin

mit Unterstützung von

Beat MazenauerKonzeption: RokforProduktion: Gina BucherGrafische Gestaltung: Rafael KochProgrammierung: Urs HoferGesamtherstellung: epubli, Berlin

Page 5: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

VORWORT, ODER: WIE DIESES BUCH ENTSTAND

Zuallererst ein großes Dankeschön an alle Autorin-nen und Autoren. Ein Dankeschön für Zeit, Arbeitund Ideen, die Jugendliche aus vielen europäischenLändern diesem Projekt geschenkt haben. Im Rah-men des eljub-Dialogs haben sie sich – in kleinenund größeren Runden und mit Entscheidungsträge-rInnen und ExpertInnen aus dem Jugendbereich –mehrere Male getroffen, um zu diskutieren und zuarbeiten, um einander zu begegnen und sich mitein-ander auszutauschen.

Natürlich geht es beim eljub Dialog vor allem umden Dialog. Also um die Begegnung, das Gespräch,den strukturierten Austausch unter Jugendlichen ausverschiedenen Ländern, und auch mit Entscheidungs-trägerInnen, zu von Jugendlichen gewählten Themen.Das ist Basis und der Kern unseres eljub Dialogs. Ausgutem Grund luden wir trotzdem bei jeder eljubDialog-Veranstaltung alle Teilnehmenden dazu ein,auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zuschreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendlichein ihren Texten meist Perspektiven und Eindrückevon den Veranstaltungen in der Reflexion danachnoch einmal weiterentwickeln. Das vertieft den Dia-log, nicht zuletzt aus einem zweiten Grund: VonJugendlichen verfasste Texte zu von Jugendlichengewählten Themen können – wiederum weitere Ju-gendliche – dazu anregen, Ansätze oder Sichtweisenaufzugreifen und ergänzend zu entwickeln. DiesesErfahrungswissen nahmen wir aus den eljub E-Book-Wochen (die hier noch erläutert werden) in das eljubDialog-Projekt mit.

Kurz gesagt: Das Aufschreiben von Gedachtem undErlebtem hat sich als für die Sache hilfreich erwiesen.

Page 6: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

VORWORT, ODER: WIE DIESES BUCH ENTSTAND

Das galt und gilt nicht für alle Jugendlichen. Denn,wie Lena Haiden es in ihrem Text (Bereichernd.Betreffend. Tschechien, S. 51) formuliert: «Gefühledes Momentes einzufangen, um davon zu erzählen,ist schwer.» Und es ist auch nicht das Wichtigste.

Wichtig bei eljub ist, dass Jugendliche sich mit denvon ihnen gewählten Themen und Fragestellungenbeschäftigen und sich dazu austauschen. Sie werdendurch eljub darin unterstützt, eigene Gedanken undIdeen zu formulieren, und auch von Entscheidungs-trägerInnen. Hier haben Jugendliche oft Gelegenheitzu erkennen, dass sie auch in Bezug auf ihre An-liegen und Themen aktiv handlungsfähig sind undauf Augenhöhe kommunizieren können, was ihnenwichtig ist. Der eljub Dialog will Jugendliche zumländerübergreifenden Diskutieren und Entwickeln ei-gener Inhalte anregen und sie darin unterstützen,sich einerseits aktiv mit eigenen Impulsen in einenländerübergreifenden Austausch einzubringen undandererseits dabei selbst auch neue Aspekte undPerspektiven in das eigene Weltbild aufzunehmen.

Bei manchen Fragen ist es gar nicht so wichtig, dassman eine einzig gültige, universal richtige Antwortfindet.Bei manchen Fragen ist es einfach gut, dass man siestellt.

Dass man sie sich selbst und anderen stellt undgemeinsam weiterentwickelt.

So entsteht ein Dialog.

Page 7: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

VORWORT, ODER: WIE DIESES BUCH ENTSTAND

Noch etwas ist wichtig: Es freut mich wirklichsehr, dass so viele Jugendliche meine Bitte aufge-nommen haben, mit Texten auf die eljub Dialog-Veranstaltungen zu reagieren.

Veronika Trubel

Page 8: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche
Page 9: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

INHALT

Was ist der eljub Dialog? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111. eljub Dialog-Konferenz 2015in Krems an der Donau / A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16Tagebuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17Flüchtlingskrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19Mehr Möglichkeiten in der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29Europas Krise der Moral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342. Lokaler Dialog 2016in Jindrichuv Hradec / CZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48Europa – ein offener Raum? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503. Lokaler Dialog 2016in Ulm an der Donau / DE. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63Einmischung erwünscht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 644. eljub Dialog-Konferenz 2016in Krems an der Donau / A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73Europa sehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74Wie können wir Vorurteile abbauen? . . . . . . . . . . . . . . 81Wie Arbeit schaffen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87Wie können wir Europa neu gestalten?. . . . . . . . . . . . 94Die Autoren und Autorinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

Page 10: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche
Page 11: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

WAS IST DER ELJUB DIALOG?

Der eljub Dialog orientiert sich an einem großen europäischenVorhaben. Im Rahmen des Strukturierten Dialogs begegnenJugendliche in vielen europäischen Ländern politischen Ent-scheidungsträgerInnen, und zwar auf lokaler, regionaler undnationaler Ebene. Im Bottom-Up-Prinzip dringen so Kritik,Ideen und Wünsche von Jugendlichen bis zur EuropäischenKommission vor.

Grundlage des eljub Dialogs sind die Ergebnisse der eljubE-Book Wochen. Die dort von Jugendlichen aus mehre-ren Ländern gemeinsam gewählten und diskutierten, auchverschriftlichten Themen, Diskussionen, Denkansätze und Per-spektiven werden im eljub Dialog anknüpfend auch vonanderen Jugendlichen und in anderen Ländern aufgegriffenund weiterentwickelt.

Die eljub E-Book Woche 2015 hatte «Empowerment jungerMenschen» zum Thema. Das dabei entstandene E-Book wardie Grundlage für die erste eljub Dialog Konferenz

am 22. Oktober 2015 in Krems an der Donau. Die eljub-TeilnehmerInnen begegneten EntscheidungsträgerInnen undExpertInnen aus dem regionalen, nationalen und europäischenJugendbereich und konfrontierten diese mit ihren Ideen-,Fragen- und Vorschlagskatalogen. Im Anschluss wurde denJugendlichen in Kleingruppen die politische Durchsetzbar-keit von Ideen, Anliegen und Wünschen nähergebracht.

Nach der ersten eljub Dialog Konferenz im Oktober 2015wurden im Frühjahr 2016 Lokale Dialoge in Jindrichuv Hradecund in Ulm an der Donau organisiert, und zwar zu denThemen «Europa – ein offener Raum?» und «Einmischungerwünscht». Mit der eljub E-Book Woche im Juli 2016 zumThema «zusammen leben» wurde schließlich die Grundlagefür die zweite eljub Dialog Konferenz am 3. November 2016wiederum in Krems an der Donau geschaffen.

Vertiefende Diskussionen der von den Jugendlichen jeweilsselbst gewählten und für wichtig befundenen gesellschaft-lichen Themen entstehen bei wiederkehrenden Gelegen-heiten: in Workshops, die parallel zur eljub E-Book Woche

11

Page 12: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

stattfinden, in weiterführenden lokalen Dialogen in verschie-denen Ländern des Donauraums sowie bei den jährlichenDialog Konferenzen in Krems an der Donau. Die Ergebnissedieser Begegnungen werden nach zwei Jahren als E-Bookveröffentlicht. Ziel des eljub Dialogs ist, dass Jugendliche daspolitische und kulturelle Leben in Europa mitgestalten. Dereljub Dialog ist eine Zukunftswerkstatt, in der JugendlicheIdeen für die europäische Integration erarbeiten.

2013 fand zum ersten Mal eine eljub E-Book Woche in Nieder-österreich statt. Mit dem eljub Dialog wird es seit 2015 dendaran beteiligten Jugendlichen ermöglicht, ihre gemeinsam er-arbeiteten Ideen EntscheidungsträgerInnen und ExpertInnenaus dem Jugendbereich vorzustellen, sich mit ihnen auszut-auschen und in einem professionellen Setting die politischeArgumentation sowie das Durchbringen und Umsetzen vonIdeen und Wünschen zu erlernen.

Im eljub Dialog entwickeln Jugendliche aus verschiedenenLändern gemeinsam die Fragestellungen, Themen und Ergeb-nisse der eljub E-Book-Wochen der Europäischen Jugendbe-gegnungen weiter. Dieses 2014 und 2015 im Rahmen vonEU-Programmen geförderte Projekt ist inhaltlich und organisa-torisch enorm gewachsen und erntet inzwischen öffentlicheAufmerksamkeit sowohl im Bereich der Jugendarbeit als auchin der Kulturvermittlung. Der eljub Dialog trägt die Ideenund Wünsche der eljub-TeilnehmerInnen an politische Ent-scheidungsträgerInnen und ExpertInnen heran und hilft ihnendabei, im Jugendbereich einen weiteren Schritt im Erprobenund Erlernen von Partizipation zu gehen.

Ausgangspunkt: Die eljub E-Book Wochen animieren Jugendli-che aus verschiedenen europäischen Ländern zum Schreibeneines gemeinsamen E-Books zu selbst gewählten Themen.Sie sind getragen vom Wunsch, neue Wege in der Literatur-und Medienvermittlung sowie in der europäischen Bewusst-seinsbildung für junge Menschen zu gehen. Ein besondererAspekt dieses Jugendprojektes ist, dass es mit einer interna-tionalen Literatur- und MedienexpertInnen-Plattform vernetztist und auf deren Expertisen zurückgreifen kann (ELit Li-teraturhaus Europa). Bei den eljub E-Book Wochen lernenJugendliche über die Beschäftigung mit Literatur das Ge-meinsame in Europa kennen. Darüber hinaus fördern diese

12

Page 13: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

Begegnungen die Bewusstseinsbildung in Hinblick auf dieneuen Möglichkeiten des digitalen Schreibens, Lesens, Publi-zierens sowie Kommunizierens und helfen den Jugendlichendabei, in ihrem eigenen Umfeld aktiv zu werden.Das gesamte Projekt baut auf der gemeinsamen, interaktivenund praktischen Erkundung auf und wird im gemeinsamenGespräch entwickelt.

Die zeitliche und räumliche Zusammenlegung der eljub Dialog-Konferenz mit der Eröffnung der Europäischen Literaturtagegab dem Projekt einen weiteren wichtigen Input. Dieseinternationale Tagung versammelt AutorInnen und Kulturver-mittlerInnen aus vielen verschiedenen europäischen Ländernzu einem Meinungsaustausch. Im Rahmenprogramm der el-jub Dialog Konferenz begegneten die jugendlichen Teilnehme-rInnen internationalen AutorInnen und besuchen gemeinsammit den JugendpolitikerInnen eine Literaturveranstaltung derEuropäischen Literaturtage.

WIE FUNKTIONIERT DIE ELJUB-DIALOG KONFERENZ?

Jugendliche aus mindestens zwei verschiedenen Länderntrafen einander für mehrere Tage in einem Partnerland voneljub. Dort erlebten sie ein vom Partner vorbereitetes Pro-gramm mit viel Gelegenheit, Fragen zu stellen, und entwickelndie jeweiligen Hauptthemen in gemeinsamen Workshopsund Diskussionen weiter.

WIE FUNKTIONIERT DIE ELJUB-DIALOG KONFERENZ?

Großer Wert wurde darauf gelegt, dass die Jugendlichenselbstbestimmt arbeiteten. Für die Konferenz wurde eineMischform aus strukturierter Kleingruppenarbeit, ExpertInnen-runden mit offener Diskussion und World Café gewählt.

Am Vormittag wurden nach Impulsreferaten zum bereitserarbeiteten Themen- und Fragenkatalog im World Cafédie Fragen und Themen in einem Tisch-Parcours vertieft.Die Tischhosts wurden mit EntscheidungsträgerInnen undExpertInnen aus dem Jugendbereich sowie einem/einer Ju-gendlichen besetzt, die dann im Plenum die Ergebnisse derTischdiskussionen kurz gemeinsam zusammenfassten. DieErgebnisse wurden an Pinnwänden präsent gehalten.

13

Page 14: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

Am Nachmittag begleiteten die EntscheidungsträgerInnenund ExpertInnen aus dem Jugendbereich die Jugendlichen,die in Kleingruppen in Workshops die Logik und die Mög-lichkeiten politischer Entscheidungsprozesse erprobten underfuhren. In einer öffentlichen Diskussion wurden die Ergeb-nisse mit prominenten Gästen aus Jugendpolitik und Medienpräsentiert und reflektiert.

14

Page 15: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

Aufmerksam in Spitz an der Donau/A

15

Page 16: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

1. ELJUB DIALOG-KONFERENZ 2015

IN KREMS AN DER DONAU / A

Die erste eljub-Dialog Konferenz fand am 22. Oktober 2015in den Räumen der Kulturvermittlung Kunstmeile Kremsstatt. Es nahmen Jugendliche aus Bulgarien, Deutschland,Österreich, Polen, Rumänien, Tschechien und Ungarn teil. AlsWorkshopleiterInnen fungierten Jakob Etzel, Mag. GeorgFeiner, Wolfgang Juterschig und Bettina Winkler, MA.

Bei der Podiumsdiskussion im Klangraum MinoritenkircheKrems wurden die Ergebnisse der eljub-Dialog Konferenz zuden Themen «Wie erleben junge Menschen in sieben ver-schiedenen europäischen Ländern die aktuelle Flüchtlingskri-se?», «Mehr Möglichkeiten in der Welt. Bildung, Ausbildung,Arbeit» und: «Europas Krise der Moral – Welche Werte wün-schen sich junge Menschen in Europa?» behandelt. Am Po-dium waren Jugendlandesrat Mag. Karl Wilfing, der Abgeord-nete zum Europäischen Parlament Mag. Othmar Karas, ORFNÖ Landesdirektor Prof. Norbert Gollinger, der Geschäftsfüh-rer des NÖ Pressehauses und Erster Chefredakteur der NÖNProf. Harald Knabl, Referatsleiter «Jugendpolitik und Jugend-programm» in der Generaldirektion Bildung und Kultur derEuropäischen Kommission Mag. Harald Hartung, Jugendge-meinderätin Bettina Winkler sowie die eljub-TeilnehmerinnenJulia Woch (PL) und Sarah Ourednícková (CZ).

16

Page 17: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

TAGEBUCH

von Gabriela Kostadinova

21. Oktober 2015, 03:30 Uhr

Der Tag ist eingetreten. Das Gepäck ist vorbereitet und stehtneben mir im Dunklen, als ich auf das Auto warte. Alle viertreffen wir uns, die Reise beginnt.Am Flughafen. Alle sind aufgeregt, gemeinsam besprechenwir die Themen der eljub Konferenz. Wenig später auf demWiener Flughafen – die Aufregung ist stärker geworden. Woist aber unser Gepäck? Oh je, falscher Ort.Glücklicher Ausgang. Es ist fast Mitternacht. Den halben Taggingen wir in Krems spazieren und genossen die Atmosphäreder kleinen Stadt. Alle fühlen sich erschöpft und wollenschlafen. Sogar ich.

22. Oktober 2015, früh am Morgen

Weißes Hemd, dunkelblaue Jacke, schwarze Schuhe, schwarzeHose. Ich stehe im Badezimmer und schminke mich. «Per-fektes Aussehen» denke ich mir. Kunstmeile Krems. DieTeilnehmer der eljub-Dialog Konferenz nehmen ihre Plätze ein.Jeder von uns hat die Möglichkeit, seine eigene Meinung überdrei aktuelle Probleme zu äußern. Es wird über Moral, überdie Flüchtlingskrise, über Ausbildung und die Möglichkeitenüberhaupt gesprochen.World Café funktioniert immer gut. Ich fühle mich irgendwieselbstbewusst und gemütlich in so einer Umgebung.Die Ergebnisse werden zusammengefasst und vorgestellt.Eine spannende Diskussion entsteht. Überrascht bin ich.Überrascht über die Jugendlichen, die so vertiefte Kenntnisseüber die Politik haben und sich zu unterschiedlichen Ideenbekennen. Ja, eine bunte Welt.Bezaubert durch die Stadt und ihre Charme verspäten wiruns bei der Eröffnung der Europäischen Literaturtage. Ah,wir wissen, es ist hier wichtig, immer pünktlich zu sein. Aberdie Wanderlust war größer.Voller Saal, voll mit Menschen, die die Lesungen genießen.Dann wird etwas Wein getrunken. Man kann so viele un-terschiedliche Sprachen hören. Die Literatur schweißt dieseMenschen zusammen.Der Tag ist fast vorbei, wir sind auf dem Weg zum Hotel.

17

Page 18: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

23. Oktober 2015, 8 Uhr

Der Koffer ist gepackt, Zeit zum Verabschieden. Wir sind aufdem Weg nach Wien. Letzte Augenblicke, dann fliegen wirzurück.Es waren zwei Tage, in denen ich und die anderen unglaubli-che Erlebnisse hatten. Und jetzt ist der Moment, in dem ichmich für alles bedanke. Danke, liebes eljub Team, dass ich dieChance hatte, an diesem Projekt teilzunehmen.

18

Page 19: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

FLÜCHTLINGSKRISE

TAGEBUCH VON ASSALAM ALEJKUM

festgehalten von Nguyen thi Van anh und Nicole Heimová

Lieber Leser, liebe Leserin

Unter dem Wort Krieg stellen wir uns Böses, Unruhe, Leidenund Schmerzen vor. Dieses Buch beschreibt eine lange Reiseeines Mannes auf der Suche nach einem besseren Leben.Er flüchtete auf Grund des Krieges aus seinem HeimatlandSyrien. Die Situation wurde vonJahr zu Jahr schlimmer und verschärfte sich rasant. Anfangsdes Bürgerkrieges im Jahre 2011 dachte er, dass sich alleswieder zum Alten wendet. Die Menschen gingen nur zu klei-nen Demonstrationen gegen die Regierung. Aber im Laufeder Zeit kamen mehr und mehr Menschen hinzu. Zwischendem Volk und der Regierung gab es eine enorme Spannung.Die Situation hat sich aber im März 2011 ernsthaft verschärft.Während einer Demonstration hat die Regierung Polizisten ge-schickt, damit sie die Leute unterdrückt. Es war eine blutigeUnterdrückung. Viele Menschen wurden dabei verletzt und37 sind gestorben. Syrien hat sich in ein gefährliches Landverwandelt. Wir sehen überall Brutalität, Traurigkeit, Leidenund Unruhe. Für Assalam Alejkum stand fest, dass er allestun musste, um sich und vor allem seine Familie zu rettenund sich ein neues Leben in einem anderem Land aufbauenmuss.

20.5.2012

Liebes Tagebuch, ich bin angekommen. Auf meiner zweimona-tigen Reise aus meinem Heimatland Syrien nach Libyen habeich viel erlebt und durchgemacht. In diesem Krieg hab ichviele Freunde und Bekannte verloren. Sie starben an Hungeroder während der Demonstration. Ich bin mit Trauer erfüllt,weil ich weiß, dass sie nie wieder zurückkehren und ich fragemich jeden Tag, ob ich es heute überleben werde, oder werdeich genau wie meine Freunde sterben.

23.5.2012

Ich bin gerade mit hunderten Flüchtlingen in einem großendunklen Keller. Wir haben kein Licht außer ein paar Kerzen.

19

Page 20: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

Die Situation ist sehr bedrückend. Wir leiden unter Hitze undSchwüle. Frauen beten, die Kinder weinen und die Männertrauern. Wir wissen nicht, wie lang die Reise dauern wirdaber am Ende der Reise wartet ein neues Leben auf uns.Plötzlich kam ein Mann die Treppe hinunter und bedrohteuns falls wir nicht bezahlen. Dann wirft er uns über Bord. Ichhabe ihm 5000 Dollar bezahlt, damit ich bleiben durfte. Aberals er zur einer jungen Frau mit ihrem kleinen Sohn kam,hat sie nur 2000 Dollar gehabt. Der Mann hat ihr Kind aufder Stelle mit einem Messer getötet und mit Kraft hat er esin die Ecke geworfen. Die arme Mutter, die diese drastischeSituation sehen musste, fiel auf die Knie und aus ihren Augenbegannen sofort Tränen zu fallen. Alle Zuschauer warengeschockt und haben vor Schreck gezittert. Wir hatten alleAngst, vor allem die Frauen mit ihren Kindern. Nach einigenStunden war die Situation noch schlimmer. Der selbe Mannist zurück gekommen und hat alle jungen Mädchen weggezogen. Nach ein par Minuten hab ich Schreien und Stöhnengehört. Mann weiß nicht was mit den Mädchen passiert ist,aber sie sind nie wieder zurück gekommen.

25.5.2012

Wir sind auf dem Boot schon seit zwei Tagen. Ohne Nahrung,ohne Wasser. Alle Anwesenden leiden unter Hunger undDurst. Die Menschen beten jeden Tag, dass Gott ihnen Kraftgibt. Selbst kleine Kinder haben aufgehört zu weinen. Wirstinken nach Schweiß und Blut. Es ist wie ein Blick in einKonzentrationslager.

26.5.2012

Nach eine langen Reise kamen wir endlich nach Europa. Wirstehen jetzt an der Grenze zwischen Spanien und Afrika,wie eine Herde Schafe. Hier gibt es Menschen aus ganzAfrika. Aus Ghana, Nigeria, Libyen, Ägypten und so weiter.Die Menschen haben ihr Heimat verlassen, weil sie an einebessere Zukunft, nicht nur für sie aber auch für ihre Kinder,Enkel und die nächste Generation glauben. Bemerkung:Am 28. Mai 2012 starben viele Flüchtlinge an der Grenzezwischen Afrika und Spanien. Die spanische Armada hat alleaufrührerischen Flüchtlinge erschossen. Zu ihnen gehörteauch ein Mann namens Assalam Alejkum.

20

Page 21: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

Aus: Ich und die Politik, eljub E-Book Woche 2015, Hrsg. vonWalter Grond, Beat Mazenauer und Veronika Trubel

***

EIN VERSUCH, TSCHECHIEN ZU VERSTEHEN

von Sarah Ourednícková

In Tschechien entsteht in der letzten Zeit in der Beziehungzur Flüchtlingskrise eine sehr geschlossene – oft fast xeno-phobe – Stimmung, die von Aussen gesehen keine rationaleBegründung hat. Die Geschichte bietet hier eine Erklärung(aber keine Entschuldigung) an.Tschechien liegt im Herzen Europas. Obwohl es erstaunlichklingt, hat diese geographische Lage einen grossen Einflussauf die jetzige Stimmung des Volkes. Wenn man aber tieferin die Geschichte hinein schaut, fangen die Puzzleteile an,zusammen zu passen.Was auch immer sich in Europa bewegte, bewegte sich oftüber Tschechien (oder besser gesagt im Gebiet der heutigenTschechischen Republik). Tschechien war und ist ein Transit-land. Das bedeutet, dass es schon viele Völkerwanderungenund Kriegsbewegungen erlebt hat. Weiter bedeutet es, dass– verbunden mit dem früherem Reichtum – Tschechien eintraumhaftes Gebiet für Besetzer war.

Tschechien war immer ein Mischgebiet von Kulturen. Nochvor weniger als 100 Jahren gab es in der damaligen Tschecho-slowakei viele Minderheiten wie zum Beispiel die deutsche,polnische, jüdische, ungarische oder russische Minderheit, wo-bei z. B. die Deutschen über 20 Prozent der Bevölkerungausmachten. Warum wirken dann die heutigen Tschechenmanchmal als geschlossene Fremdenhasser? Als Volk, dasnicht bereit scheint, sein Land für andere Kulturen zu öffnen?Um die Antwort zu finden, hilft es die Zeit zurück zu drehenund der Entwicklung des Landes anzuschauen. Tschechien(bzw. Tschechoslowakei) hat reiche – und leider sehr nega-tive – Erfahrungen mit fremder Besetzung. Schon seit dem16. Jahrhundert befand sich Tschechien als Teil der Habs-burgermonarchie unter fremden Herrschern, was natürlicheine riesige Auswirkung auf die tschechische Kultur undMentalität hatte (und eben immer noch hat).

21

Page 22: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

Es war erst im Jahr 1918 (nach fast 400 Jahren fremder Be-setzung und Unterdrückung!), dass Tschechien endlich seinenWeg zur Freiheit und Demokratie fand. Die nächsten zwanzigJahre bleiben die einzige Zeit in der Geschichte Tschechiensseit dem 16. Jahrhundert da Tschechien ihre Freiheit undSouveränität geniessen konnte. Schon bald nach dem Münch-ner Abkommen (wo man die Wurzeln der tschechischenEU-Skepsis finden kann, da uns alle europäischen Partnerverraten haben) kam im März 1939 die deutsche Besetzungund Hitler erstellte auf unserem Territorium das ProtektoratBöhmen und Mähren. Die Folgen einer Nazi-Besetzung kannman sich ja wohl vorstellen: das Land und das Volk warenam Ende total geplündert und ausgepresst, mit dem Reichtumund Glanz war es vorbei. Daneben waren fast alle Minderhei-ten erloschen, womit die kulturreiche Gesellschaft zu einersehr homogenen wurde.Und das war noch nicht alles. Bevor Tschechien überhauptfrei ausschnaufen konnte, war eine neue Diktatur vor derTür. Es war schon im Februar 1948 (also zirka drei Jahrenach dem Zerfall des Protektorats), dass die Kommunistendurch den Februarumsturz die Macht übernahmen. Der Wegzur Macht der Kommunistischen Partei war zwar mehr oderweniger demokratisch (und muss natürlich wieder in denhistorischen Kontext der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieggesetzt werden), aber schon bald hat es sich klar gezeigt, werdas entscheidende Wort hat.Es war die damalige Sowjetunion. Moskau war unser «BigBrother»: alles wurde von Moskau kontrolliert, alles wurde inMoskau entschieden und von Moskau gesteuert. Schließlichhaben uns die Sowjets (mit den Truppen des Warschau-ers Vertrags) im Jahr 1968 überrannt und für die nächstenzwanzig Jahren besetzt. Jetzt ist es erst 27 Jahre her, seitdie damalige Tschechoslowakei (heutige Tschechische undSlowakische Republik) nach 40 Jahren Kommunismus wiederfrei ist.

Was genau bedeutet das alles? Es bedeutet, dass die jungetschechische Demokratie, die sich noch immer stark entwickelt,einen sehr sehr schweren Rucksack von Fremdbesetzung-Erfahrungen auf dem Rücken tragen muss. Man könntedenken, dass die historische Entwicklung des 16. Jahrhun-derts schon lange nicht mehr relevant ist. Das stimmt abernicht. Die Geschichte ist ein großer Teil der Nation. Und

22

Page 23: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

ein sehr wichtiger. Die Geschichte formt die Nation und dieNation formt die Geschichte. Mit anderen Worten: Woherich komme, ist ein wichtiger Teil meiner Persönlichkeit. DieGeschichte meiner Nation ist ein Teil von mir, von meinereigenen Geschichte. Sie ist in der Muttermilch, die mich insLeben bringt. Sie ist im Blut, das durch meinen Körper fließt.Die Vergangenheit beeinflusst die Gegenwart oft mehr als wirdenken.Das Problem bei Tschechien ist, dass die Wunden noch sehrfrisch sind (im Hinblick auf die letzten Jahrzehnte). Und dassein Teil unserer Politiker sehr geschickt das Messer in derWunde dreht. In einer homogenen Gesellschaft, die sich sehrgut an eine Fremdbesetzung erinnert, ist es auch nicht soschwierig. Eine weitere Rolle spielt, dass Tschechien auchnegative Erfahrungen mit Minderheiten hat. Seien es mitder deutschen Minderheit vor, im und nach dem II. WK, oderProbleme mit den Romas in den letzten Jahren.Der Einfluss der Geschichte dient aber nicht als Entschuldi-gung für die Ablehnung von Menschenrechten. Wir müssenmit unserer Geschichte umgehen lernen (das gilt aber nichtnur für die Tschechen). Wir müssen sie als ein Teil vonuns selbst wahrnehmen. Aber auch lernen, sie in gewissenAspekten zu überwinden. Ein langer Weg breitet sich ausvor uns, aber es ist kein hoffnungsloser. Ich habe Hoffnungin meine Heimat. Wir müssen an uns selbst arbeiten, abergleichzeitig sich an einer solidarischen europäischen Lösungbeteiligen, weil nur eine gemeinsame Lösung wirklich Sinnmacht.

***

MIR GEHT ES GUT

von Barbara Strasser

Anfang 2015 wurde in meinem Heimatdorf aus verschiede-nen Gründen die Entscheidung getroffen, keine Flüchtlingeaufzunehmen. Aus Empörung hat meine Familie beschlossenauf eigene Faust zu handeln. Die Familie aus Syrien hat einhalbes Jahr bei uns gewohnt.

Ich kann gar nicht mehr genau sagen, wie es anfangs fürmich war. Ungewohnt. Neu. Es hat eine Weile gedauert bis

23

Page 24: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

das Eis zwischen uns gebrochen war und die Berührungs-ängste verblasst sind. Am Anfang konnten sie gerademalein paar Wörter Deutsch, was die Kommunikation natürlicherheblich erschwerte. Und als der Sprachkurs auf sich wartenließ, wussten wir uns mit selbstgehaltenen (hauptsächlichvon meiner älteren Schwester und teilweise auch von mir)Deutschstunden zu helfen.Nach und nach lernten wir uns kennen und es war keineRede mehr von «der Flüchtlingsfamilie», sondern von denMenschen, die sie sind. Menschen, die man gern hat, beidenen man sich wohl fühlt und mit denen man Tränen lachtund die einem gleichzeitig oft genug mit ihren Macken aufdie Nerven gehen. Aber so ist das eben.

Seit einem Jahr haben sie eine eigene Wohnung, nicht weitvon meiner Schule entfernt. Ich versuche sie jede Wochezu besuchen, was oft sehr anstrengend ist. Man hat andereDinge im Kopf: Schule, Hobbys, Freunde, Familie,... manchmalwürde ich lieber ein Nachmittagsschäfchen machen oder nochfür einen Test, der am nächsten Tag ansteht, lernen. Ichmuss sagen, dass es mich schon einige gute Noten gekostethat, was ich aber gerne in Kauf nehme, denn das Wichtigste,was ich ihnen schenken kann, ist Zeit. Zeit, in der sie mirund ich ihnen erzähle und in der wir oft genug aneinandervorbeireden. Zeit, in der ich mit den Kindern male, singe, ihnenvorlese und mit ihnen spiele. Zeit, in der sie mir Bilder vonSyrien zeigen von den alten Gebäuden und Denkmälern, diemich zwar interessieren aber deren Faszination innerlich nacheiner Dreiviertelstunde etwas nachlässt, Bilder von zerstörtenStraßen und toten Kindern, die sie zum Weinen bringen unddie mich in der Situation überfordern. Zeit, für die ich vielmehr zurückbekomme, als ich eigentlich hergebe. HäufigeDankeschöns, viel zu viel leckeres Essen, Kinder, die mich«Tante» nennen und Eltern, die immer meinen, dass ich ihrekleine Schwester bin...

Ich will mich mit diesem Text nicht als «Gutmensch» her-vortun, denn ich bin gewiss keiner. Viel eher möchte ichaufzeigen, was mir durch diese Erfahrungen immer wiedervor Augen geführt wird, wie gut es mir geht. Ich habe mirnoch nie Sorgen über Dinge machen müssen, so wie sie estun oder Probleme gehabt, wie sie sie haben. Ja, mir geht eswirklich gut.

24

Page 25: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

***

FLÜCHTLINGE IN POLEN

von Magdalena Musial

Noch hatten wir Juli und unsere internationales eljub E-BookWoche. Eines Abends habe ich gegenüber Veronika undeinigen anderen meine Befürchtungen betreffs polnischerpolitischer Entwicklungen geäußert, und da haben manchewidersprochen, dass es im modernen Europa doch nichtmöglich wäre, dass eine einzige fundamentalistische Parteigewählt wird und ihre Diktatur einführt... Obwohl ich daanderer Meinung war, weil ich ja meine Landsleute kenne,und sie bis dato einen lächerlichen Präsidenten gewählthaben, bin ich verstummt.

Bei der eljub-Dialog Konferenz im Oktober hatten meineSchüler und ich kurz vor den Parlamentswahlen in Polendie Möglichkeit, uns mit Jugendlichen aus anderen Ländernauszutauschen. Wir konnten den Eindruck gewinnen, dasswir immer noch mehr Gemeinsames mit den Bulgaren, Ungarn,Rumänen und Tschechien als mit den Österreichern und Deut-schen haben. Da gibt es einfach aus verschiedenen Gründenkolossale Unterschiede in der Optik, in der Wahrnehmung undauch in der Prioritätensetzung. Und darauf möchte ich jetzteingehen, weil ich es nicht dabei belassen will, dass wir nurdie fremden- und flüchtlingsfeindlichen und dabei wahlfaulenEU-Schmarotzer bzw. warum wir es vielleicht zum Teil dochsind...

Die letzte glorreiche Zeit Polens fällt auf das 16. Jahrhundert,gegen Ende dessen nach dem Tod des kinderlosen KönigsZygmunt August II. sich unsere Adeligen darauf nicht eini-gen konnten, wer unter ihnen diese Königsehre verdienenwürde und kamen auf die Idee, ein König aus dem Auslandwäre eine ausgezeichnete Lösung ihres Problems... Natür-lich war diese Lösung ausgezeichnet für die elf WahlkönigePolens – nicht alle kamen aus dem Ausland -, genommenwurde meistens derjenige, der für die polnische Krone dasmeiste bezahlen wollte. Freilich gab es auch welche, diePolens Namen gerühmt haben, wie Sobieski, der aber nichtPolen, sondern Wien rettete. Die Raubwirtschaft hat endlich

25

Page 26: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

damit geendet, dass Polen im Jahre 1772 stückweise unterRussland, Preußen und Österreich aufgeteilt wurde und nachder 2. Teilung 1793 und der dritten 1795 vollkommen vonder Landkarte Europas verschwand, und zwar für 123 Jahre.Es ist völlig klar, dass polnische Machthaber es selbst ver-schuldeten, dass die Vetternwirtschaft, Korruption und Pflegeeigener Interessen Polen zu den absehbaren Folgen geführthaben. Nach der zweiten Teilung ist Polen erwacht, es gabden Kosciuszko-Aufstand, dieser vermochte aber nicht mehrzu helfen und zog die 3. endgültige Teilung nach sich. Nichtohne Grund lautet ein wohlbekanntes Sprichwort: «Ein Polewird erst nach der Katastrophe klug».

Unter den Teilungen wurde in den jeweiligen Einflussberei-chen dafür gesorgt, dass das polnische Volk germanisiert,russifiziert und der nationalen Identität beraubt wird. Mitder Identität ist es jedoch nicht ganz gelungen – Mickiewicz,Slowacki, Chopin und andere weltberühmte Künstler wurdendes Kampfes nicht müde und deshalb auch ins Exil verschickt.Es gab Aufstände gegen die Besatzer – Großpolenaufstand1806, Novemberaufstand 1830, Krakaueraufstand 1846, Großpo-lenaufstand 1918. Im Jahre 1918 haben wir unser Vaterlandzurückbekommen und das für stolze 21 Jahre bis A. Hit-ler den 2. Weltkrieg mit dem Überfall auf Polen begonnenhat. Nach 5 Jahren Besatzung (auch nicht ohne Konspirati-on, Aufstände und Kampf) mit regelrechter Ausrottung derIntelligenz-Eliten und des polnischen Geistes erwachten wirim sozialistischen, von Moskau aus gesteuerten Fremdmacht-block, wo wir nach wie vor keinen Hauch von Demokratieverspüren konnten.

Ja, wir sind wahlfaul – weil wir noch keine Chance hat-ten, die Demokratie richtig zu lernen; weil wir immer nochder Überzeugung sind, dass alle Machthabenden uns nurausbeuten und manipulieren; weil wir sehen, dass wir seit25 Jahren nur mit Lippenbekenntnissen gefüttert werden,egal von welcher Fraktion und nach den Wahlen sich fürden Otto Normalverbraucher das Blatt noch nie zum Gu-ten gewendet hat; weil junge, gut ausgebildete Leute sichgezwungen sehen, im Ausland zu arbeiten, und zwar oftnicht den Qualifikationen gemäß, sondern als Gehilfen inRestaurantküchen, und zwar nur wegen Existenzbasis, dieihnen in unserem Land nicht gewährleistet wird. Auf der

26

Page 27: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

anderen Seite sind diejenigen, die ihre Stimme abzugeben alseine bürgerliche Pflicht sehen, entweder zu uninformiert, zudesinformiert oder zu frustriert, damit sie manche Phänomeneobjektiv betrachten können. Sie wollen nur das Eine: einbesseres Leben – unser großes Thema der Juliwoche imletzten Jahr. Sie wollen nicht zu 20% (in manchen Regionenzu 50%) arbeitslos sein und ihre Männer, Töchter, Frauen,Söhne, Mütter, Väter nur zu Weihnachten sehen, wenn sie ausdem Ausland zu Besuch kommen. Noch ein Jahr nur, Mama,nur noch 2 Jahre, Liebling und dann komme ich zurück... Aberes will nie enden. Hierzulande gibt es wieder keine Arbeitund wenn, dann miserabel bezahlt. Ein Arbeitsloser darfeine Unterstützung von sage und schreibe maximal 200 Euro(umgerechnet) nur 6 Monate, in besonderen Fällen bis zu 12Monaten in Anspruch nehmen. Bei der Podiums-Debatte inKrems hat Herr Karas auf die Frage unseres französischenFreundes Adam Brahimi Semper betreffs Chancengleichheit inder EU geantwortet, dass die Leute in Bulgarien, Rumänienetc. zwar weniger verdienen, aber nur weil die Preise da auchentsprechend niedriger wären... Da ist mir zur Überraschungder vor mir sitzenden Manu rausgerutscht: «Wollen wir alsovielleicht tauschen?» Wie kann man den Jugendlichen sol-chen Schwachsinn erzählen! Das Brot in Polen kostet 1 Euro.Die öffentliche Toilette 50–70 Cent. In einem Supermarktin Deutschland oder Österreich kann ich Lebensmittel oftbilliger kaufen als bei mir zu Hause. Da herrscht tatsächlicheine Gleichheit! Nicht aber bei den Löhnen und Gehältern.Der Durchschnittslohn 2015 in Polen betrug ca. 1000 Euro(umgerechnet), den sieht aber kaum jemand, der Mindestlohn2015 ca. 400 Euro. Das Einzige, was bei uns wirklich billigerist, sind die Mieten. Kurz vor dieser Antwort an Adam hatHerr Karas von der großen Errungenschaft der Freizügigkeitin Europa gesprochen – ja, aber mit ausgestreckter Handwohl... Am Ende des Geldes bleibt bei uns wirklich noch vielMonat übrig. Ich bin eine hoffnungslose EU-Enthusiastin, abermöchte auch für voll genommen werden.

Aus eben diesen Gründen reagieren wir nicht so euphorischauf die Flüchtlingsquoten. Nicht jedes Kind in Polen bekommttäglich eine warme Mahlzeit, nicht jeder Kranke bekommt einBett im Krankenhaus, wir haben immer mehr Obdachlose, im-mer öfter organisieren wir karitative Sammelaktionen für Arme.Klar, gibt es auch wohlhabende Polen, aber in der deutlichen

27

Page 28: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

Minderheit. Deutschland weiß immer noch nicht, wie genaudie Flüchtlingspolitik aussehen soll, aber dass wir einen Teilvon den armen Einwanderern zwangsweise als EU-Mitgliedaufnehmen sollen, ja. Es kann aber sehr leicht passieren, dasswir bei unserer Verschuldung und ökonomischer Lage zusam-menbrechen und zum zweiten Griechenland werden, wasunsere Regierungen bis jetzt noch um jeden Preis verhindernwollten. Falls das passieren würde, würde uns aber nichtwie den Griechen unter die Arme gegriffen werden, sondernwir würden als Nicht-Eurozone-Mitglied einfach abgeschobenwerden. Da kommt natürlich auch unser Katholizismus hinzu,der von dem österreichischen doch Welten entfernt ist undmehr aus dem Mittelalter schöpft. Da kommt auch unsereethnische Einheitlichkeit hinzu – wir haben kaum Ausländerund Leute von nicht weißer Haut, geschweige denn andereMuslime als Medizinstudenten da. Letztendlich – warumfliehen die jungen Syrer aus ihrem Vaterland statt darumzu kämpfen, fragt sich mancher, dessen Vater oder Opa imWarschauer Aufstand 1944 gefallen oder im KZ gestorbenist... Es ist nicht so einfach. Nach den letzten Vorfällen inKöln, Hamburg und anderen Orten, nach den Terrorattentatenstellt sich heraus, dass wir vielleicht doch nicht jeden insHaus einladen sollten, sondern denen helfen, die es wirklichbrauchen und zu schätzen wissen?

Ich möchte nichts rechtfertigen, mein Beitrag soll mancheserklären.Schon hatten wir Dezember, die Nacht- und Nebelaktionen un-seres Parlaments, dem Willen von 19% der Wähler gemäß (dasergibt sich aus der Wahlbeteiligung) haben die Nationalka-tholiken die absolute Mehrheit und kündigen eine Änderungan der Verfassung an – vielleicht haben wir die letzten de-mokratischen Wahlen hinter uns. Die Regierenden versuchenallen weiszumachen, dass sie Polen restaurieren müssten,nach 25 Jahren Misere. Das klingt für viele überzeugend.Die anderen gehen auf die Straßen und demonstrieren – fastjeden Samstag in vielen Städten. Nach den Säuberungenauf Verwaltungsposten und in den Medien können PiS (dieregierende Partei) und ihr Vorsitzende Kaczynski, der ausdem Hintergrund das Geschehen bestimmt, nach Herzenslustweiter wüten...

28

Page 29: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

MEHR MÖGLICHKEITEN IN DER WELT

MEHR MÖGLICHKEITEN IN DER WELT (ÜBERHAUPT)

von Daniel Nikolov

Die Möglichkeiten in jedem Land sind verschieden, es gibtmehr Chancen in manchen Ländern und weniger in anderen.Für viele Menschen ist das nicht gut. Wenn jemand studierenoder arbeiten möchte (oder sich mit etwas Konkretem beschäf-tigen), aber sein Land nicht optimal dafür ist, kann er sichin diesem Land nicht verwirklichen. Meiner Meinung nachist das ungerecht, und wir sollten etwas dagegen tun. ZumBeispiel: Wenn jemand in Bulgarien Fußballspieler werdenmöchte, muss er seine Heimat verlassen – er muss nachEngland, Deutschland, Spanien usw., weil er sich nur dortals Fußballspieler verwirklichen und damit Geld verdienenkann. Die Arbeitschancen insgesamt sind geringer in man-chen Ländern als in anderen – eine Lehrerin in Bulgarienbekommt zum Beispiel viel weniger Geld als eine Lehrerinin Österreich, Frankreich oder Deutschland – 500 Leva (250Euro) im Monat gegenüber 2000 Euro im Monat. Deswegenkönnen die bulgarischen LehrerInnen kein «normales» undruhiges Leben führen. Sie können sich viele Dinge nichtleisten und müssen ständig sparen. Deswegen will niemandin Bulgarien Lehrer werden.

Viele Leute lieben ihre Heimat und wollen sie nicht verlassen,aber unter diesen Bedingungen ist es fast unmöglich zubleiben. Es gibt viele Menschen, die mein Land verlassen, umgrößere Perspektiven zu verfolgen. Die Möglichkeiten sindsehr unterschiedlich und verschieden. Ich möchte Medizinstudieren – ja, es gibt Unis in Varna, Sofia und anderenbulgarischen Städten, aber es gibt nicht genug Plätze füralle Bewerber, auch wenn sie gut und klug sind. Nachdem Studium hoffe ich in Deutschland oder Österreich eineSpezialausbildung zu erhalten, weil es in Bulgarien kaumPlätze dafür gibt, und ich brauche diese Spezialausbildung,um vorweisen zu können, dass ich für diesen Beruf geeignetbin. Und vielleicht muss ich im Ausland bleiben, weil manin Bulgarien nicht genug gut bezahlt wird – nicht einmal alsArzt. Auch die monatlichen Kosten für das Leben sind zuhoch, nur für einen kleinen Teil von der Bevölkerung ist das

29

Page 30: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

kein Problem. Das Geld reicht nicht für Essen, Unterhaltung,Entspannung usw. Dabei spielen Korruption und die Diskri-minierung eine große Rolle. Auch Rassismus, Kriminalität,die gelbe Presse usw. Es gibt zu viele Bedrohungen. DieWelt ist zu beschäftigt, um an unsere Probleme zu denken –politische Kriege, Krisen, Geld usw. Man muss allein zurechtkommen. Und trotzdem: es gibt Möglichkeiten. Es gibt nochHoffnung. Wir müssen um unsere Rechte kämpfen.

Aus: Ich und die Politik, eljub E-Book Woche 2015, Hrsg. vonWalter Grond, Beat Mazenauer und Veronika Trubel

***

DAS SAGT DER TISCHHOSTDiskussionen, Splitter, Nachbetrachtung

Jakob Etzel

NOTIZEN WORLD CAFE:

Fast alle am Tisch haben schon ein Praktikum gemacht.

Zustimmung und Widerspruch, gute Mischung. Es ist einAbgleichen: ist meine Kultur auch so, oder ist das bei unsanders? Da ist eine Grundneugierde. Schritt für Schrittvergleicht man, wie ist das, und wie passt das zu meinemBild von diesem Land.

Generell wollen viele Jugendliche in Deutschland studieren.Sie sehen einen großen Unterschied in den Gehältern. Zuwenig Ausbildung (im eigenen Land) führt direkt in Berufeniederen Bildungswegs. Die Möglichkeiten sind in den ver-gangenen Jahrzehnten besser geworden. Neue europäischeTurbulenzen könnten diesem Trend schaden.

Wir haben in Europa Glück. Sozialer Aufstieg durch Bildungist hier viel leichter und billiger als etwa in den USA oderAfrika.

Korruption an Universitäten ist ein Thema.

Thema Fremdsprachenunterricht: besonders wichtig ist, wiedie Unterrichtenden das machen, ob sie vortragen können.

30

Page 31: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

Motto: Naja, wir lernen Deutsch/Englisch, aber wir redennicht. Bedeutung des Fremdsprachenunterrichts: Nicht nurverstehen, sondern auch richtig Sprechen lernen ist sehrwichtig.

LÄNDERSPEZIFISCHES:

POLEN: Ein Handwerk zu erlernen bedeutet hier in der Praxisoft, mehr Geld zu verdienen als etwa mit einem Studium. Esgibt hier viel mehr Berufe und Ausbildungsplätze – Bäcker,Schreiner u. a. In Polen wird diskutiert, Berufsschulen wiederzu öffnen.

UNGARN: Nach einem Medizinstudium muss man fünf Jahreim Land bleiben, oder Beträge zurückzahlen.

RUMÄNIEN: Wer keinen Studienabschluss hat, hat keineZukunft,

ÖSTERREICH: Österreich braucht ÄrztInnen, aber Brain Drain:viele gehen ins Ausland (oder sind zum Beispiel deutscheStudenten, die nur zum Studieren nach Österreich kommen,wegen des Numerus Clausus).

BEST PRACTISE SHARING – Mitschrift Workshop:

Die Schule ist neben der Familie der wichtigste Bezugspunktfür Jugendliche. Sie sagen das nicht sofort, aber es istso. Es steht fast immer ein Lehrer eine Lehrerin dahinter,die diese Erfahrungen ermöglichen. Vorbilder sind. Es gibtunglaublich viele motivierte Lehrer, die Schülern hier etwasermöglichen, man unterschätzt das.

Es gibt auch außerschulische Projekte, und es gibt auchJugendprojekte, die von Jugendlichen gemacht werden. Dassieht man schon früh, Jugendliche, die schon spannendeProjekte haben, von denen sie erzählen können. Der Bogenspannt sich ganz weit, vom Nachtbus für Jugendliche auf demLand, Debattierclubs, Cyber-Mobbing und Ernährung, es istalles dabei.

BEST PRACTISE – Beispiele, die erwähnt wurden:

· COMENIUS Schüleraustauschprogramm zwischen 5 Län-dern: Deutschland,Türkei,Polen, Italien,Ungarn. Fremdspracheüben, neue Freundschaften, Sport miteinander treiben

31

Page 32: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

· UNESCO Projekt: Tschechien (Brno), Slowakei, Österreich(Wien), Ungarn (Pecs); März 2015, Licht als Symbol der Hoff-nung

· Schulbrücke Europa: Deutsche Nationalstiftung und RobertBosch-Stiftung, Treffen von Jugendlichen aus fünf Ländern(NLD, DE, RO, PL, SK, IT), Thema Geschichte Europas.

· Nachhilfeprojekt Volunteering Projekt – helfen mit demLernen (Polen).

· Rumänien/Temeswar: Cyber-Mobbing Website für Lehre-rinnen, WissenschaftlerInnen aus sieben Ländern. DeutscheStiftung, auch Thema Onlinesucht.

· Debattierclubs.

· Night Buzz Nachtbus für Jugendliche in eher abgelege-nen Gemeinden (vermeiden betrunkenen Autofahrens, bzw.Mitfahren bei Betrunkenen).

***

DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND WIR

von Daniel Nikolov

Ich bin zuerst zum Tisch, an dem wir über die Bildungsmög-lichkeiten diskutiert haben, gegangen. Die Frage, die JakobEtzel uns später gestellt hat, war, ob es stimmt, dass wirheutzutage über viele Möglichkeiten verfügen, die es frühernicht gab. Ein Mädchen aus Deutschland gab ein Beispiel,dass es wirklich viele Möglichkeiten heute gibt und betonte,dass es in Deutschland über 200 Studiengänge gibt. In eini-gen Ländern wie Rumänien und Bulgarien ist das Studiumsehr wichtig. Alle Eltern sind der Meinung, dass man miteiner guten Ausbildung eine bessere Zukunft erwarten kann.Dann sind wir zu der Frage gekommen, wer mit 18 mehr Geldverdient – ein Elektriker oder ein Ingenieur? Jakob gab einBeispiel aus dem eigenen Leben: er war beim Militär als erzum ersten Mal Geld verdiente und freute sich darüber, aberseine Kollegen, die früher auch Geld verdient hatten warenunzufrieden, weil für sie diese Belohnung zu klein war. Allesind einverstanden, dass heutzutage den Jugendlichen viele

32

Page 33: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

Möglichkeiten zur Verfügung stehen, aber leider sind diesenicht gleich verteilt. Klar wurde, dass Europa nicht gleich ist.

Am nächsten Tisch hat jeder seine Meinung über Moral undFlüchtlinge geäußert. Alle machten sich Gedanken darüber,wie man die Integration fördern kann. Wichtige Moralwerte,die genannt worden sind, waren: Toleranz, Freiheit, Gleichheit.Das Interessanteste für mich zu erfahren war, dass es inÖsterreich viele Organisationen und Vereine gibt, deren Zieldie Zusammengehörigkeit und Traditionsbewahrung ist. Sol-che Vereine, die in dieser Richtung arbeiten, gibt es auch inDeutschland. Das Problem mit den offenen Grenzen und derTrennung zwischen wirtschaftlichen und Kriegsflüchtlingenwurde angesprochen. Ein Mädchen aus Rumänien war derMeinung, man könne nur durch näheren Kontakt erfahren, wieandere Menschen sind. In ihrer Schule haben sie Flüchtlinge.Einige Beispiele wurden genannt, wie man den Flüchtlingenhelfen kann.

Interessant habe ich gefunden, dass es für die Deutschensehr wichtig ist, dass man etwas perfekt erledigt und pünkt-lich, verlässlich und ordentlich ist. Das bedeutet deutscheMentalität. Für die Polen aber bedeutet Moral Freiheit undfür die Österreicher Traditionen. Dann kam es zur Diskussion,welche Werte die verschiedenen Nationen haben und ob eszum Beispiel Religionsunterricht in der Schule geben soll.

33

Page 34: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

EUROPAS KRISE DER MORAL

DIE KRISE DER MORALoder: Welche Werte ich mir für Europa wünsche

von Sarah Ourednícková

A Was mir stinkt/was mir nicht gefällt

Wo liegt die Zukunft Europas? In den Sternen, natürlich, aberich würde trotzdem gern meine Meinung dazu äußern. Ichdenke, dass die Zukunft Europas sehr gefährdet ist. Nichtnur weil es in der Welt etwa 60 Millionen Flüchtlinge (odermanchmal Wirtschaftsmigranten) gibt, die auch an die Türvon Europa klopfen und klopfen werden. Nicht nur weil dieeuropäischen Männer und Frauen als Gesellschaft nicht sostark wachsen, wie zum Beispiel die Wirtschaft das brauchenwürde (und damit die Existenz des Europäertums bedrohtist). Nicht nur weil es eine Wirtschafts- und Umweltkrisegibt. Nicht nur weil Spannungen entstehen, die zu einemKrieg führen könnten, sondern auch weil wir in Europa eineKrise der Moralwerte haben. Die Welt verändert sich und esentstehen auch neue Wirklichkeiten. Die moderne Technikbietet uns wahnsinnig viele neue Möglichkeiten an, aber ohneAnleitung, wie man mit damit im Interesse aller umgehen soll.Es gibt schon Empfehlungen, aber keine strengen Regeln, diegenerell eingehalten werden müssen.

Auch die Werte und die Moral bleiben bei der Entwicklungnicht zurück. Die Ideale, die heute betont werden, unterschei-den sich von den früheren. Die Familie ist Grundlage desStaates. So steht es in den Schulbüchern.Aber ist es wirklich so?Nein.Die Gesellschaft besteht aus individuellen Menschen. Unddas hat natürlich eine gute sowie schlechte Seite. Ich denkenicht, dass die «Krise der Familie» nur darin liegt, dass sichsehr viele Menschen scheiden lassen. Es geht hier um vielmehr. Es geht hier um die Werte, die man den Kindern insLeben mitgibt. Und das kann, glaube ich, manchmal einealleinerziehende Mutter oder ein alleinerziehender Vater vielbesser schaffen als eine «perfekte» Familie, die formal denklassischen Anforderungen entspricht. Es geht darum, sichZeit nehmen und vor allem selber ein gutes Vorbild zu sein.

34

Page 35: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

Einer der wichtigsten Werte heute ist leider Geld. Geld istalles, Geld entscheidet. Ohne Geld bist du nichts, ohne Geldkannst du nichts. Ich behaupte nicht, dass es früher anderswar, aber die Frechheit, mit der heute durch Korruption Geldvom Staat (also schlussendlich von jedem Bürger) gestohlenwird, macht mich wirklich wütend.Macht, Geld, Erfolg: Das sind Ideale, die gefordert und un-terstützt werden. Das sind Ideale, die den Menschen imwirklichen Leben den Blick verstellen und die anderen wich-tigen Werten überschatten. Der Mensch wird irgendwieweniger human, weniger «echt» – als wäre ein Stück seinerExistenz, seiner Seele ausgerupft. Er vergisst, dass es Höf-lichkeit und Anstand gibt, dass obwohl Geld nicht stinkt, dasGewissen und die Seele gleich leiden. Toleranz, Ehrlichkeitund Stolz sind leere Begriffe, Kunst und Kultur unwichtigenDinge, die unterstützt werden, solange es zum Beispiel jemandMächtigem etwas nützt.

Moral? Wen könnte etwas so altmodisches wie Moral inter-essieren? Wen interessiert, dass der sogenannte IslamischeStaat, eine barbarische und gewalttätige Gruppe, die keinenRespekt für irgendwas hat, Städte, die schon Tausende Jahreexistieren und die uns den direkten Kontakt mit der Vergan-genheit ermöglichen, zerstört? Wen ärgert, dass sie damitunsere gemeinsame Kultur angreifen, dass sie versuchen un-sere Wurzeln aus dem Boden zu reißen und unsere Existenzzu löschen?Und wer tut etwas dagegen? Europa? Jenes Europa, das soviel für die Ukraine tut? Jenes Europa, das so mutig war, dasses sein eigenes Land, Tschechien, vor dem Zweiten Weltkriegmit dem Münchner Abkommen an die Nazionalsozialistenverschenkt hat, weil es naiv genug war zu glauben, dass maneinen hungrigen Wolf bestechen kann? Jenes Europa, das sogroßartig ihren Rücken zu den Juden gedreht hat?Nein.Europa wird darüber nachdenken. Europa wird darüber spre-chen. Europa wird sagen, dass solches barbarisches Verhaltenbestraft werden muss. Aber von wem, wenn das eigene Ge-wissen nicht funktioniert, weil es voller unechter Ideale undWerte ist?Das größere Problem ist, dass auch das gemeinsame Gewis-sen langsam beginnt abzuschalten. Sobald die Gesellschaftihre Moral verliert, wird der Mensch zu einem Wesen ohne

35

Page 36: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

Respekt für die Arbeit der anderen – und die Gesellschaftbricht zusammen.Das wollen wir ja aber eigentlich nicht, oder?Und ich glaube auch, wir haben die Möglichkeit das zu än-dern: Einen kritischen Blick in den Spiegel werfen und einmalbei sich selbst beginnen. Ja, der Anfang wird nicht einfachsein, aber es ist möglich, seinen Lebenstil und Lebenszugangzu ändern.

Mit ein bisschen Fantasie kann man sich das als ein Kar-tenhaus vorstellen. Die ersten Karten so zusammen stellen,dass man eine zuverlässige Grundlage kriegt, auf der manetwas aufbauen kann, ist ziemlich schwierig. Wenn das abereinmal klappt, kann man aufbauen, aufbauen, immer höherund höher. Es ist aber notwendig dabei vorsichtig zu bleiben.Ich finde, es ist ganz gut, sich selbst von oben zu beobachten,sich vorsichtig auf das Dach des Kartenhauses setzen undnicht Angst haben, sich selbst zu kritisch zu betrachten. Undsobald man das gelernt hat, ist man nur einen Schritt vomVersuch entfent, sich an der Änderung in der Gesellschaft zubeteiligen.

B Die Vision, oder: Was ich mir wünsche

Wenn man kritisiert und etwas ändern will, hat man oft aucheinen Wunsch, eine Vision. Mein Wunsch ist, dass wir eineoffene, tolerante und faire Gesellschaft werden, die immer aufdie demokratische Prinzipien achtet.

• Jeder wird mit Respekt und Rücksicht behandelt.

• Höflichkeit ist keine Ungewöhnlichkeit

• Jeder Mensch bekommt das, was er mit seinem Verhal-ten verdient hat.

• In der Schule und zu Hause lernt man eine eigene Mei-nung zu haben, sie ausdrücken und zu argumentierenund dabei andere Meinungen respektieren.

• Man lernt denken, überlegen und (sich) fragen, warumetwas passiert.

36

Page 37: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

• Diskussionen (offizielle sowie private) werden aufeinem gewissem Niveau geführt, elementare Anstands-regeln werden eingehalten.

• Die Menschen haben ein starkes Gefühl für Verant-wortung, Ehrlichkeit und Stolz. Sie schätzen, was siehaben und kennen keinen Neid. Sie lügen nicht, weilsie die Wahrheit nicht fürchten, sondern als ein Idealsehen.

• Die Menschen kämpfen für ihre Ideale. Sie sind aktivund engagiert, interessieren sich für Politik, Kultur unddas, was in der Welt passiert.

• Sie haben keine Angst, Probleme aufzeigen und beteili-gen sich aktiv am Leben in der Gesellschaft.

Nicht jeder ist fähig, auf einem Podium vor Tausenden Men-schen zu sprechen. Aber jeder von uns ist fähig, an sichselbst zu arbeiten. Jeder hat die Möglichkeit sich daran zubeteiligen, dass die Welt und das Leben ein bisschen besserwerden. Und es liegt nur an uns, was wir mit dieser Chanceanfangen. Die Zukunft Europas liegt in unseren Händen.

Aus: Ich und die Politik, eljub E-Book Woche 2015, Hrsg. vonWalter Grond, Beat Mazenauer und Veronika Trubel

***

DAS SAGT DER TISCHHOSTDiskussionen, Splitter, Nachbetrachtung

von Bettina Winkler

Status quo:

• moralisches Dilemma führt zur Stärkung rechtsextremerParteien

• es besteht eine besondere Situation durch Flüchtlinge

• viele Faktoren beeinflussen moralische Werte undAnsehen (Wirtschaft,..)

37

Page 38: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

• Werte werden oftmals angepasst an aktuelle Ereignis-se u Situationen (Flüchtlingsthematik, mehr Einfühlsam-keit, weniger Toleranz,...)

• in Deutschland ist die Situation sehr gespalten

Moralische Werte:

• Chancengleichheit

• Zusammenhalt

• gegen Rassismus

• Toleranz

• Angst vor dem Fremden

• Vorbilder vermitteln diese Werte (Eltern, Lehrer,..)

• soziale Schichten beeinflussen moralische Werte

• Missverständnis von Werten («wir zuerst» Nächstenlie-be wird missverstanden)

• unterschiedliche Werte in unterschiedlichen Ländern(Religion spielt in einem Land eine sehr bedeutendeRolle, im anderen so gut wie keine)

• Angst vor Veränderung

• Kultur, Religion beeinflussen Werte

• da wo Geld im Spiel ist, gibt’s keine Moral

• Korruption – nur eigenes Interesse

• Werte sind das Fundament unserer Gesellschaft

• grundsätzlich baut jede Religion auf denselben Wertenauf

• Parteien haben moralische Werte inne, verwendendiese

• manche moralische Werte sind universell

38

Page 39: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

• alte Werte müssen weiterentwickelt werden (zB Zöli-bat, Einstellung zu Homosexualität,...)

• die Kultur entwickelt sich, aber bleibt dabei die Religionstehen?

• auch Menschen welche keiner Religion angehören,halten an religiösen Werten fest

National versus Europa

• Jugendlichen fühlen sich zu 80 % ihrem Nationalstaatzugehörig und «nur» zu 20 % als Europäer_innen

• manche Jugendliche nennen sogar die Zahl 90 % zu10%

• behindert diese Einstellung das EU- Denken? kannman so überhaupt «groß“ Denken und über Grenzenhinaus denken?

• Annahme: «Je stärker ich mich mit meiner eigenenKultur beschäftige, desto weniger Angst muss ich davorhaben von anderen Kulturen überlaufen zu werden.»

Flüchtlingsthematik und Moral

• Clash von Kulturen

• Angst vor anderen Kulturen

• kaum Möglichkeiten zur Integration

• Glaube und Religion sind bei den Kulturen aus wel-chen die Flüchtlinge kommen viel wichtiger als beiuns

• Angst davor, dass sie uns nicht akzeptieren

• wir würden tolerant sein -> sie müssen sich anpassen

• nur die Mehrheit kann etwas ändern!

39

Page 40: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

• die Angst vor dem Verlust der eigenen Kultur steigertdie Kultur des Landes, die Werte, die Religion (manbeschäftigt sich wieder mehr damit)

• Vorurteile sind das größte Problem

• Meinung über einen Flüchtling ohne je einen kennen-gelernt zu haben

• man muss sich Zeit nehmen! um sich eine Meinung zubilden

Ideen, Visionen und Vorstellungen

• Heimatkunde, Ethikunterricht als ein Schulfach (eigeneKultur kennenlernen, andere Kulturen kennenlernen,über Werte diskutieren,..)

• Sprachvereine gründen (Integration, multikulturell, Ver-bindung zu anderen,...)

• Bewusstsein schaffen für andere

• Projekte wie eljub

• Schüleraustausch, Erasmus ausweiten

• Medien sollten sich mehr mit Kultur beschäftigen

Definition moralische Werte

• Deutschland: fleißig, sparsam, exakt, ordentlich bürokra-tisch, tolerant, zuverlässig

• Polen: Freiheit!

• Österreich: Brüderlichkeit

• Die Jugendlichen können sich selbst nicht mit allendiesen Werten identifizieren und erkennen, dass vieledavon nur Vorurteile sind, aber keine wirklichen Werte.Trotzdem, sind die Unterschiede während der Diskus-sion gewaltig und jedes Land baut eben jene Werte,die wichtig erscheinen auf seine Kultur und Geschichteauf.

40

Page 41: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

• Fazit: Werte entwickeln sich über den Lauf der Zeit,durch Religion, Kultur, Geschichte,..

Medien

• Medien beeinflussen moralische Werte, das Denkenusw.

• Boulevard Zeitungen beeinflussen besonders stark, sindsehr niveaulos und schreiben viele Unwahrheiten

• Freiheit der Medien muss aber sein, denn das ist dieFreiheit seine Meinung kund zu tun

• kaum wirkliche Tatsachen in den Medien, immer beein-flusst vom Journalisten

Jugendpolitik auf kommunaler Ebene

Während der Diskussion über Jugendpolitik und die kom-munale Ebene, musste schnell festgestellt werden, dass esgravierende Unterschiede zwischen den Ländern gibt.

Polen, Tschechien: kein Jugendbereich, kein Kontakt zu Politi-kern, kein Ohr für die Bevölkerung, keine Vereine, es gibt einJugendparlament, dieses arbeitet aber laut den Jugendlichenkaum für sie oder mit ihnen. wenn die Jugend etwas machenmöchte, dann müssen sie es selbst tun. Es besteht aber auchkein Interesse, kein Grund, wieso man sich engagieren sollte,einen Verein gründen sollte.

Österreich: Räumlichkeiten, Sportaktivitäten, viele Vereine,Dialog, Dynamik, Kontakt zu Bürgermeister, zu Gemeinderäten;Landjugend z. B. als Verein, Probleme entstehen zumeistauf kommunaler Ebene u sollten auch hier gelöst werden,finanzielle Förderung, Beteiligungsmöglichkeiten, ergänzendeAktivitäten

Frankreich: zentralistisch, keine Jugendpolitik auf Gemeinde-ebene, keine Struktur, aber dafür Partnerschaften z. B. mitDeutschland, wenn Gemeindegebiete direkt aneinander gren-zen

41

Page 42: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

Im Laufe der Gespräche klärten die Jugendlichen einandersozusagen gegenseitig auf, man diskutierte über die österrei-chische Jugendpolitik, wie sie funktioniert, was alles gemachtwird, was man selbst machen kann, über Vereine usw. Usw.Dabei blieb die Diskussion vom Anfang bis zum Ende span-nend, da die Unterschiede zwischen den Ländern nicht größersein hätten können, als es an diesem Tisch der Fall war. DieJugendlichen aus Polen konnten nur die Köpfe schütteln überso viel politisches Engagement der Österreicher und warenüberzeugt davon, dass sie das nicht tun würden und auchnicht wollen, sie wollen ihre Freizeit frei gestalten und nichtMitglieder eines Vereines sein oder ähnliches.

Persönlicher Eindruck

Jugendliche, die sich zusammen tun, um gemeinsam ein Buchzu schreiben, sich mit Politik auseinander zu setzen und zubeschäftigen, haben sich etwas Großes vorgenommen undnoch viel Größeres am 22. Oktober 2015 umgesetzt, als siesich zusammen mit EntscheidungsträgerInnen und PolitikerIn-nen ausgetauscht haben.Am Vormittag durfte ich mich mit dem Thema «Krise derMoral» gemeinsam mit den Jugendlichen auseinandersetzen,dabei entstanden in jeder Runde neue Themen und neueAnsichten, welche diskutiert wurden. Die Jugendlichen warensehr konzentriert und engagiert dabei sich einzubringen, wases auch für mich sehr spannend gemacht hat, ihnen zuzuhörenund mit ihnen über Themen und Ansichten zu debattieren.Dieses Engagement und das beachtliche Interesse der Jugendan anderen Ländern und den damit verbundenen politischenVorgängen, fand am Nachmittag seine Fortsetzung und auchbeim Thema der kommunalen Politik fand intensiver Aus-tausch statt.Der Tag war für mich sehr spannend, ereignis- so wie auf-schlussreich und gewiss eine besondere Erfahrung für dieJugend, aber auch für die EntscheidungsträgerInnen, die mitdiesen vielen Fragen und dem großen Interesse konfrontiertwurden.

42

Page 43: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

EXTREMISMUS IN EUROPA HEUTZUTAGE

von Christian Curiac, Maria Damian, Mark Muntean undAlexandra Tulcan

Was heißt eigentlich «Extremismus»? Diese Frage müssensich unserer Meinung nach alle Jugendlichen stellen, die nichtim ständigen Kontakt zu der Politik sind. Eine mögliche Defi-nition, die leicht verständlich sein soll, bezeichnet politischeEinstellungen und Bestrebungen, die sich an den äußerstenRändern (links oder rechts) des politischen Spektrums be-finden. Der Begriff ersetzt an vielen Stellen den bis dahingebräuchlichen Begriff «Radikalismus».

Die rechtsnationale Partei «Recht und Gerechtigkeit» (PiS)war aus der Wahl in Polen im Oktober als Sieger hervorge-gangen und regiert seit November mit absoluter Mehrheit.Die seither beschlossene Reform des Verfassungsgerichtshatte für Verärgerung in der europäischen Kommission ge-sorgt, die dagegen rechtsstaatliche Bedenken geltend machte.Zuletzt demonstrierten mehr als 10.000 Polen gegen die Re-gierung. Diese Partei will die Verfassung so ändern, dass dieJudikative Macht «geschwächt wird», indem bei wichtigenEntscheidungen zukünftig mindestens 13 der 15 Verfassungs-richter anwesend sein müssen, um ein Urteil fällen zu können.Bisher waren 9 Richter ausreichend. Die EU hatte vergeblichdarauf bestanden, das Gesetz nicht in Kraft treten zu lassen,ohne vorher die Auswirkungen auf die Unabhängigkeit unddie Funktionsweise des Gerichts geprüft zu haben.Ein anderes Beispiel ist Frankreich. Dort aber hat die rechts-orientierte Partei «Front Nationale» durch den charismati-schen Vorsitzenden Marine Le Pen bei den Wahlen keineMehrheit bilden können, in keinem Teilgebiet Frankreichs.Erwähnenswert für uns ist noch die Partei für die Unabhän-gigkeit des Vereinigten Königreichs (UKIP), eine EU-skeptischeund rechtspopulistische Partei, deren Hauptziel der Austrittdes Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Unionist, das sogenannte «Brexit». Weiterhin folgen noch einigeextremistische Programme, die diese Partei durchführen will,falls sie an die Macht gelangt: Ablehnung von Multikultu-ralität und Förderung einer einheitlichen britischen Kultur,«Abschaffung politischer Korrektheit». Das könnte zu einerDestabilisierung in mehreren Bereichen wie Wirtschaft, Kultur,

43

Page 44: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

Transport, Frieden binnen Europas führen.Obwohl es in Rumänien zurzeit keine vergleichbare extre-mistische Partei gibt, kann man nie wissen, wann aus denReihen der unzufriedenen Gesellschaft eine solche hervor-geht, um die aktuelle politische Klasse zu beseitigen. DieseParteien werden aber, meinen wir, die Demokratie zerstörenund deswegen sind sie für uns keine Alternative für denFortschritt.

Zurzeit gibt es eine Zunahme von Fremdenfeindlichkeit, An-tisemitismus, Nationalismus und Hass in vielen LändernEuropas. Diese führen zu einer Ermutigung der extremisti-schen Tendenzen.Der Politikwissenschaftler Uwe Backers ist der Meinung, «zwi-schen rechten und linken Extremismen, Anarchisten und Kom-munisten, Monarchisten und Neonationalsozialisten bestehenbeträchtliche Divergenzen, so dass rechts- und linksextremeGruppen sich nicht nur gegenseitig, sondern auch untereinan-der oft heftig bekämpfen.»Ähnlich meint der deutsche Politikwissenschaftler SteffenKailitz, «eine einheitliche extremistische Ideologie existiertnatürlich nicht. Nicht nur, dass Links-und Rechtsextremistenkeine gemeinsame Ideologie haben. Sie sind einander in allerRegel sogar spinnefeind.»Wir sind der Meinung, dass die Europäische Union zusammen-halten soll um den Extremismus in Europa zu bekämpfen.Alle Mitgliedstaaten sollen durch Bildung, soziale Medien undAusstiegsprogramme gegen die extremistischen Bewegun-gen vorgehen.Europas Krise der Moral, oder: Welche Werte wünsche ichmir für Europa?

***

AUF WELCHEN WERTEN BAUT EUROPA AUF?

von Mona Matieu

Fragen können nicht immer eindeutig beantwortet werden.Nicht unbedingt von Nachteil. Oft auch erwünscht. DieHauptsache: Sie erreichen ihr Ziel, regen zum Nachdenken an,bewegen etwas in den Befragten oder machen selbst demFragenden neue Aspekte, «optimale Antworten» bewusst.

44

Page 45: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

Solch anregende Fragen wurden auch zum Thema «Wer-te in Europa» gestellt und von den Jugendlichen mehroder weniger eindeutig beantwortet, da die Kluft zwischenWunschvorstellungen und Idealen einerseits und der Realitätandererseits kaum zu überbrücken ist.

Was sind eigentlich Werte? Ganz allgemein versteht man dar-unter Eigenschaften oder Qualitäten, die erstrebenswert sindoder als moralisch gut betrachtet werden. Es sind Vorstellun-gen, die in einer Gesellschaft allgemein als wünschenswertanerkannt werden. Die Werte eines einzelnen Menschenwerden durch Bildung, Erziehung und persönliche Lebenser-fahrungen geprägt.Doch wo beginnen Werte? Verwechselt man sie nicht oftgenug mit Vorurteilen? Oder sind Werte und Vorurteile de-ckungsgleich? Man denke nur an Pünktlichkeit, Ordnung,Genauigkeit und Ernsthaftigkeit.

Wirtschaft und Moral? Werte und Politik? Werte und Religion?Kennt die Wirtschaft Werte? Geht profitorientiertes Denkennicht immer auf Kosten eines Dritten? Ist das ethisch, wenndie Politiker dank ihrer Macht von Tag zu Tag reicher werden?Selbst das Einschreiten der Antikorruptionsbehörde kann dieReihen der korrupten Machthaber nicht schwächen, währendsich der Lebensstandard der unteren Schichten von Tag zuTag verschlechtert. Politiker wirken für sich. Die Werte, diesie im Wahlkampf zum Besten geben, sind bald vergessen.Auch die Koppelung Werte und Religion wirft offene Fragenauf. Obwohl alle Religionen dieselbe Wertegrundlage haben,gehen die Grundwerte zurück. Sind Religion und Ethik alsUnterrichtsfächer sinnvoll? Ja, denn sie gewähren Einblickin ein Reich von Werten, deren Übernahme und Umsetzungzur Genesung der heutigen Welt beitragen könnte. Doch wiesieht es aus, wenn die Eltern entscheiden können, ob ihrKind den Religionsunterricht besucht oder nicht. Katholischoder orthodox? Was in dem «Nebenfach» vermittelt wird,zählt oft nicht. Hauptsache, man beendet den Schultag eineStunde früher. Werden Werte dem Menschen von klein aufanerzogen oder legt er sie sich zu?

Eine zusammenfassende eindeutige und zugleich vieldeutigeAussage der polnischen Jugendlichen: Moral bedeutet Frei-heit.

45

Page 46: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

Selbst die Toleranz, die europaweit als Normalität angesehenwird, ist im Moment vor allem angesichts der Flüchtlingskri-se vielschichtig und schwierig zu definieren. Ist sie «unserProblem» oder vielmehr eine Angelegenheit der Flüchtlin-ge? Weigern sie sich nicht zum Teil, unsere Werte undRegeln anzunehmen, ihre Lebensweise so gut wie möglichder unsrigen anzupassen? Inwiefern stimmt die Behauptung:«Die Flüchtlinge brauchen uns, nicht wir sie!» Ist die Furchtnicht übertrieben, dass die europäischen Werte durch dieFlüchtlingswelle verlorengehen könnten? Veranlasst uns die-se Situation nicht, unsere Werte intensiver zu pflegen? Wiewäre es, wenn wir versuchen würden, «fremde» Werte auf-zunehmen? Was wollen wir? National oder europäisch? EinBewusstsein schaffen für Gemeinsames, für Zusammengehö-rigkeit? Gemeinsame Grundwerte?

Die Freiheit, für unser Europa zu entscheiden.

46

Page 47: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

Aufgestellt in Jindrichuv Hradec/CZ

47

Page 48: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

2. LOKALER DIALOG 2016

IN JINDRICHUV HRADEC / CZ

Bei der eljub-Dialog Konferenz im Oktober 2015 in Kremsan der Donau waren Flüchtlinge und Europas Haltung zuden Schutzbedürftigen ein wichtiges Thema. Gerade dieunterschiedliche Haltung verschiedener Länder in Europa zuFlüchtlingen und ihrer eigenen moralischen Verpflichtungbeschäftigte die Jugendlichen sehr. Der lokale Dialog inTschechien bot nun einen wichtigen Input – wie sehen undschildern Beamte der tschechischen Grenzschutzbehörden dieSituation? Wie reagieren sie auf Fragen der Jugendlichen?Ermöglicht das Verständnis für die Sichtweise der Grenzschüt-zer ein gezielteres Engagement für Jugendliche? Letztlich:können sich Jugendliche noch als Europäer in einem gemein-samen Europa empfinden?Der lokale Dialog, an dem tschechische und niederösterreichi-sche Jugendliche teilnahmen, fand vom 19. Bis 21. Februar2016 in Jindrichuv Hradec statt.

Ein paar Eindrücke aus Mitschriften

Wir diskutierten das Thema offene und geschlossene Grenzen.Eine tschechische Grenzbeamtin erwähnte, nebenbei, dass sieselbst direkt am Eisernen Vorhang aufgewachsen sei. Als sieein Kind war, seien der eigene Gartenzaun und die Mauerunmittelbar dahinter das unmittelbare Ende der Welt, dererlaubten Welt gewesen. Auf die Frage, was sie heute dazudenke antwortete sie: «Nie wieder. Das darf nie wiederpassieren.»

In der Kaserne erzählen drei Offiziere von eigenen Erleb-nissen und Eindrücken bei ihren zahlreichen Auslands- undKriseneinsätzen in den (teils ehemaligen) Kriegsregionen Bos-nien, Serbien, Kroatien und Afghanistan. Wir erfahren, dassin manchen Regionen Schulen syste-matisch zerstört werden.Sie werden wiederaufgebaut – und zerstört – und wiederaufgebaut – und zerstört, und so weiter. Kriegstreiber hassenund bekämpfen Bildung, hörten wir.

«Wenn du dann tatsächlich in Afghanistan bist und die ersteKugel donnert in das Auto, in dem du gerade mitfährst», er-zählte einer, «dann weißt du, dass du jetzt im wirklichen Krieg

48

Page 49: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

bist, und dass das etwas völlig anderes ist als die Trainingsund Übungen zu Hause.» Wenn er aus dem Kriegseinsatzzurück nach Hause kommt, sagt er, verbringt er jetzt möglichstviel Zeit mit der Familie, den Kindern. «Du weisst einfachnicht, was kommt», sagt er.

Wir hörten auch, was ein «Feuerigel» ist – die Soldatenerzählen es mit einer eigenartigen Mischung aus Distanz,Ironie und quasi innerem Schulterzucken. Feuerigel kenneman aus jedem Krieg, sagt einer. Wenn er spricht so klingt es,als spräche er von einer gefährlichen, auch lästigen Moskito-oder sonstigen Tierart. Dabei spricht er von Soldaten die in alldem Grauen, dem Tod und den Entbehrungen den Verstandverlieren, nach ihren Müttern schreien und in alle Richtungen,auf alles und jeden ballern, rund um sich feuernde – Feuerigeleben. Niemand von uns fragt, was mit diesen an Krieg, Todund Grausamkeit Verzweifelnden geschieht.

49

Page 50: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

EUROPA – EIN OFFENER RAUM?

WIEDER ZUSAMMENBilaterales Treffen in Jindrichuv Hradec

von Viktor Klochko

Das schöne eljub Jahr 2015 ist seit ein paar Monaten vorbei,aber die internationale Partnerschaft geht weiter. Heuertrafen sich die Teilnehmer in Tschechien, und zwar in derhübschen Stadt Jindrichuv Hradec nahe der österreichischenGrenze. Einige Jugendliche kannten einander schon von dereljub-Dialog Konferenz im Oktober, andere waren neu dabei.

Am Samstag, dem 20.2. fand kurz nach dem Frühstück dererste Teil des Projekttages statt: zwei Beamte der tschechi-schen Ausländerpolizei kamen zu uns. Sie erzählten überdie aktuelle Situation und ihre Arbeit. Da bekam man einensehr persönlichen und neuen Blick auf den Umgang mit Aus-ländern und speziell Flüchtlingen, mit denen diese Menschentäglich zu tun haben.Vor dem Mittagsessen zeigten uns die tschechischen Organi-satoren des Treffens ihre Stadt. Der kurze Rundgang an derfrischen Luft durch die Altstadt bis zur Burg machte richtigAppetit auf das Mittagessen.Nachmittags freuten sich alle auf den letzten, sehr spannen-den Teil des Programms: der Besuch einer Kaserne und dasGespräch mit Soldaten, die selbst zahlreiche Auslandseinsätzeerlebt hatten: Einerseits zur Zeit des Balkankriegs in Serbien,Bosnien oder Kroatien. Andererseits aktuell immer wieder inAfghanistan. Wie ist die Armee strukturiert? Welche Waffenbenutzt sie? Wie sieht der Krieg in Afghanistan vom Blickeines Soldaten aus und welche Besonderheiten sind typischfür diese Region? Wie ist die Armee strukturiert? WelcheWaffen benutzt sie? Das alles wurde von den Offizieren er-klärt und die Jugendlichen bekamen viele neue Informationen,die sie nie davor gewissen haben. Am Ende bekamen dieTeilnehmer eine Möglichkeit, sich die Waffen anzusehen undsich sogar in einen Panzertransporter zu zwängen.Der offizielle Teil der Begegnung war damit beendet, aberden Teilnehmern stand noch der ganze Abend zur Verfügung,um die Eindrücke und Meinungen auszutauschen oder sicheinfach zu unterhalten. Der Tag verlief in dieser sehr freundli-chen Atmosphäre, die hat jeden, der teilgenommen hat, sicher

50

Page 51: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

begeistert, aber auch sehr nachdenklich gestimmt.Solange die Europäer zusammenhalten, werden die ZäuneEuropa nicht zerteilen können.

***

BEREICHERND. BETREFFEND. TSCHECHIEN.

von Lena Haiden

Gefühle des Momentes einzufangen, um davon zu erzählen,ist schwer.Sie sind wie Schmetterlinge und man steht auf der Wiese undrealisiert, dass man sein Schmetterlingsnetz vergessen hat,so fliegen die Schmetterlinge davon und man ertappt sichselbst dabei wie man bei Gesprächen danach nur mehr denSchmetterlingen hinterherblickt und man nicht schafft, denwahren Geist von Tschechien einzufangen.

Andere: Hey Lena wie war dein Wochenende?Ich: Ach ich war in Tschechien

Ich verschweige dabei, dass wir uns in einer malerischenkleinen Stadt einquartiert waren, die seltsamerweise an St.Pölten in niedlich erinnert, und dass sich unser Hotel am 15.Breitengrad befand und danach benannt war, und ich michschlecht fühle, weil ich den Namen der Stadt, in der wir waren,noch immer nicht korrekt aussprechen kann.

Andere: Und wie war’s?Ich: Die Leute waren ganz cool und ansonsten war es ganzinteressant.

Ganz cool. Die Leute für mich dort waren mehr als nur cool.Die einen, mit denen ich hingefahren bin, waren für michFreunde, die für mich das Gegenteil von Fremden, und dieoffensichtlich nichts dagegen haben, mit mir zweieinhalb Stun-den in einem Bus zu verbringen. Ein kompaktes Grüppchenmit drei Betreuern die mehr Teil der Gruppe als Betreuersind. Und die anderen, die die schon dort waren oder einbisschen auf sich warten ließen, die Tschechen waren fürmich alte Freunde, und wir stellten fest, dass unsere Freund-schaften offensichtlich aus Edelstahl bestehen muss, da siekein bisschen gerostet war. Und so sind wir munter als eine

51

Page 52: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

kompakte, sich gegenseitig respektierende Gruppe durch dieGegend gewandert.Und interessant, dieses kurze, eindimensionale Wort, das manfür Dinge wählt, für die man keine Worte findet, oder über dieman sich negativ äußern müsse aber es nicht will, oder fürDinge die eben das Interesse erwecken. Keines von den dreioben genannten Möglichkeiten trifft aber direkt auf den Auf-enthalt in Tschechien zu. Sicher es war unglaublich interessantund informativ. Aber es war mehr als das. Es war bereichernd,das trifft es wohl meiner Meinung nach. Denn bereichernd istein Wort, das mich nicht einschränkt, es ist eine Bühne auf derich tanzen kann. Es war bereichernd in dem Sinne, dass ich soviel durch diese Erfahrung gelernt habe wie sonst nie. Es warbereichernd in dem Sinne, dass ich an diesem Wochenendeso viel gelacht habe wie selten. Es hat mich in dem Sinnebereichert, dass ich das Gefühl hatte, Teil einer einzigartigen,nicht wiederholbaren Erfahrung zu sein.

Andere: Und was habt ihr dort so gemacht?Ich: Ach, total viel, wir hatten die Möglichkeit, mit zweitschechischen Grenzpolizei zu sprechen und dann hattenwir die Möglichkeit, mit tschechischen Soldaten über ihreAuslandseinsätze zu reden.

Ja das ist zwar richtig, wir haben das alles gemacht. Aberdieser kurze Satz beschreibt nicht einmal ansatzweise, wasdabei passiert ist. Es beschreibt nicht das Interesse, das denGrenzpolizisten entgegengebracht wurde, es beschreibt nichtdie Fragen, die von allen gestellt wurden – von ‚wie geht esIhnen persönlich damit?’, bis zu ‚was sind die Probleme an dertschechischen Grenze?’? Und die Faszination, das Verständnisund die Betroffenheit die den Antworten entgegengebrachtwurde.Ich habe an diesem Vormittag gelernt, dass sich diese Grenzpo-lizisten mehr oder weniger nur als Arm des Gesetzes verstehen,und ihre Arbeit am Ende des Tages wohl nicht mit nach Hau-ses nehmen. Ich habe von vielfältigen Problemen erfahren:etwa, dass keine Dolmetscher vor Ort sind, oder verschiedeneKulturdifferenzen. Mein Hirn wurde mit vielen Zahlen undkleinen Geschichten gefüttert, sodass ich das Gefühl habe,mir nun vorstellen zu können, wie dort, an der tschechischenGrenze ein Alltag für einen Grenzpolizisten aussieht.Am Nachmittag desselben Tages sind wir dann in die Kaserne

52

Page 53: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

gefahren. Ich glaube die erste Frage die uns dort gestelltwurde war ob jemand Kaffee oder Tee will. Danach habe ichgelernt, dass Menschen, die im Militär arbeiten, Militärrängesehr ernst nehmen, was ihnen in keinster Weise zu verübelnist. Danach folgte eine Serie von Geschichten, die einen schwerschlucken ließen und dafür danken, dass hier nicht Kriegherrscht. Danach marschierten wir nach draußen, wo es mitt-lerweile regnete und windete. Dort wurden und Waffen undein Panzer vorgeführt. Mir wurde auf Englisch versichert, dasses «total easy» sei, mit diesen Waffen zu schießen, und danndurften wir noch feststellen, dass Panzen für kleine Menschengebaut sind.

Andere: Also war’s schön?Ich: Ja, total schön.

Ja das kann ich unterschreiben, es war schön, wunderschön,bereichernd eben.

***

GRENZEN IM KOPF

von Sarah Holzknecht

Besorgte Bürger undFremdenhass

Mauern im HerzenMauern im Kopf

Patriotismus undLinien auf einer Karte

Grenzen im HerzenGrenzen im Kopf

Militärgewalt undRechte Propaganda

Krieg im HerzenKrieg im Kopf

Jeder Mensch ist ein FreundDer deine Hilfe braucht

Wir im HerzenWir im Kopf

***

53

Page 54: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

DIE GRENZZÄUNE SIND KEINE DAUERHAFTE LÖSUNG

von Viktor Klochko

Die Flüchtlingssituation hat sich in letzten Wochen verschärft.Die Balkanroute ist dicht geschlossen, auf den Inseln kommentäglich neue Boote an, und Tausende Menschen wartenhoffnungslos an der Grenze. Noch dazu ist das Abkommenmit der Türkei in Kraft getreten und die, die kein Asylbekommen, werden zurück transportiert. Die Kompliziertheitbestand darin, dass diese Menschen schon eine lange undgefährliche Reise absolviert haben und auf ihren Traum über«das gelobte Land» kaum verzichten werden. Sie haltenProtesthungerstreike und wehren sich mit allen Kräften, damitsie doch «To Germany» kommen.

Auch Europa ist in diesem Moment ratlos. Die gemeinsameLösung wurde noch nicht gefunden, die betroffenen Länderhaben von einer unkontrollierten Migration schon genugund Austauschmechanismen haben sich noch nicht bewiesen.Da gibt es aber ein paar Phänomene, die momentan linksliegen gelassen werden. Das erste ist, dass – aus allenEU-Ländern- sich die Pläne der Flüchtlinge im Prinzip nurnach zwei Ländern richten: Deutschland und Schweden. Unddas zweite ist, dass es im Laufe des 20. Jahrhunderts imNahen Osten mehrere Kriege gab, aber keiner hat eine sogroße Flüchtlingswelle verursacht.

Es ist schwierig zu beantworten, warum das so ist. Die popu-lärste Meinung lautet: da sei ein höheres Lebensniveau undeine freundliche Einstellung zu Flüchtlingen. Das stimmt,aber in Westeuropa gibt es noch viele reiche und flüchtlings-freundliche Länder. Auch in ost-, mittel- und südeuropäischenLändern kann man auch Schutz und eine neue Existenzfinden. Obwohl die V4-Länder für ihren «Fremdenhass undXenophobie» europaweit bekannt sind, bin ich überzeugt, dassTschechien, Ungarn, die Slowakei oder Polen fähig sind, einebestimmte Menge Flüchtlinge aufzunehmen. Wir sind fähig,diesen Menschen ein Dach über dem Kopf, Essen, Kleidung,Arbeitsplätze und das wichtigste – Sicherheit für Migran-ten – zu gewähren, genauso wie das in den 90. Jahrenwährend des Krieges in Jugoslawien passierte.

54

Page 55: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

Doch heute interessieren sich Flüchtlinge nicht mehr für dieseLänder. Warum strömen sie nicht nach Frankreich, Belgienoder Niederlanden, die genauso reich und frei sind? Warumfahren sie vorbei an Dänemark, das zwischen Deutschlandund Schweden liegt? Verschiedene Quellen geben vieleGründe an, wie zum Beispiel Freiheit, Toleranz, Karrierechan-cen und das interessanteste – finanzielle Hilfe, die besondersanziehend wirke. Es ist schwer zu sagen, ob das Wahrheit ist,aber eines ist klar: Deutschland bietet etwas an, was andereStaaten nicht gewähren. Das ist auch der Grund, warumPflichtquoten in diesem Moment nicht funktionieren können,weil die Flüchtlinge sowieso nach Deutschland umziehenwollen und können. Aus diesem Grund sind die Grenzzäunenur ein Hindernis auf dem Weg nach einem erträumten Land,aber keine Lösung der Krise.

Die Krise sieht momentan so aus, dass Tausende Menschen,hilflose Flüchtlinge und enttäuschte ökonomische Migranten,vor dem Grenzzaun sitzen und sehen ihre Verlockung da-hinter. Wären überhaupt so viele Menschen nach Europagekommen, wenn da kein finanzieller Reiz gewesen wäre?Vielleicht kämen nur echt dürftige, die im Resultat größereChancen hätten. Hoffentlich wird das einmal verstanden undEuropa wird denen helfen, die wirklich in Not sind.

***

LINKS UND RECHTS

von Jakob Pugel

Links blättert in einer Zeitung, schüttelt den Kopf:«Wie einfältig die Menschen doch sind, Rechts! Da kommenwelche, die um ihr Überleben fürchten und Schutz suchen,und bei uns debattieren die Konservativen Sturköpfe nachwie vor, ob man sie nicht zurück in ihr Verderben schickensollte!»Links schnaubt verächtlich und schüttelt wieder den Kopf.

«Was meinst du nur mit ‚konservativen Sturköpfen‘?», er-kundigt sich da Rechts, «Es sind Menschen, die ehrlich ihreMeinung vertreten, und auch recht verständlich, ihre Angstund Ablehnung, bei den Hunderttausenden, die da kommen,das kann ja nicht gut gehen!»

55

Page 56: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

Links blickt auf, Argwohn schimmert in seinen Augen.«Was willst du damit sagen? Was kann ja nicht gut gehen?»

«Na ja, was wohl?», erwidert Rechts unbekümmert, «Zuerstdie Wirtschaftskrise und jetzt sollen wir noch Geld für dieseunglaublichen Flüchtlingsströme aufbringen? Nein danke!Und außerdem hört man, dass überall die Kriminalitätsratenansteigen, unter diesen Flüchtlingen sind Diebe, Räuber, sogarVergewaltiger und Terroristen, Mörder!»

Links sieht Rechts schräg von der Seite an.«Du sprichst von einer Wirtschaftskrise und hast dir dochselbst erst letztes Jahr ein Haus bauen lassen...»

„... Wofür ich lange und hart gearbeitet habe!»

«Und dennoch: Wären wir tatsächlich in Not, so hätte derEinzelne nicht genügend Geld für eine derart große Wohnstattwie ein Haus, so hätten wir generell nicht genug für die-sen wahnsinnig übersättigten Lebensstil, den wir momentanpflegen! Wir sehen nicht mehr klar, was wir uns wünschen– vor zu viel Fett und künstlichen Geschmacksträgern trieftunser Wille, versperrt uns die Sicht! Und niemand interessiertsich für das Blut, das einer Begierde oder einer Einstellunganhaftet, solange sie nur gut genug schmeckt!»

Rechts zieht die Stirn kraus.«Was hat das eine nun mit dem anderen zu tun?»

Links zögert kurz.«Was ich damit ausdrücken wollte, ist, dass wir bei Weitemausreichend Ressourcen besitzen, um auch noch so vieleMenschen zu versorgen.»

«Du meinst die Verbrecher und Kriminellen?»

«Sind sie das denn?»

«Selbstverständlich nicht alle», räumt Rechts ein, «Genugaber, um einen großen Teil der Bevölkerung in Furcht zuversetzen! Denk nur an Silvester in Köln! Es ist untragbar; soetwas sollte es in einer zivilisierten Gesellschaft nicht geben!Zumindest in diesem Fall musst du doch einsehen, dass eskeine andere vernünftige Alternative gibt, als den wirklichenAbschaum abzuschieben!»

56

Page 57: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

Links schließt für einige Momente die Augen, kaum zu ver-nehmen sind die Worte:«Und was werden diese Menschen dort wohl tun? Jene, dienichts getan, man schickt sie zurück, sie sterben im Kriegoder an seinen Folgen; jene, die sich strafbar gemacht, manschickt sie zurück, sie stehlen dort so wie sie hier stehlen,dort wie hier gibt es Menschen, die sie vergewaltigen werden,sie verüben gleichwohl unsägliche Untaten, bis sie selbstvon den Verbrechen des Krieges verschlungen werden. EineAbscheulichkeit folgt der anderen, eine Reihe, eine Aus- undfreie Zurschaustellung reinster und sinnlosester Grausamkei-ten, sie feuern sich an, stemmen sich gegeneinander. Und dieOpfer sind immer dieselben, sie wissen, wachsen Tag um Tag,solange, bis keiner mehr zu zählen bleibt. Und wo liegt dasEnde?»Links öffnet die Augen, dem nun beinah kindlich wirkendenGesicht von Rechts entgegenblickend

Dieser macht den Mund auf, stumm zunächst, bis dann inkleinen Gruppen endlich die Worte einher tropfen:«Aber... aber es haben kein Recht, richten so viel Leid an...nicht mehr unser Leid... dann... Dann ist es doch nicht mehrunser Problem! »

Einige Augenblicke potenzieller Vieldeutigkeit, dann nimmtRechts‘ Gesicht einen gräulich-bürokratischen Ausdruck an.«Wie auch immer, wir KÖNNEN einfach nicht alle aufnehmen,es sind ZU VIELE!»Ein tiefer Atemzug, fast ein Seufzer

«Du, Rechts, würdest du dich selbst eigentlich als politischrechts-orientiert bezeichnen?»

«Ich – ich doch nicht! Ich bin mehr eine Art... Realistvielleicht.»

«Ah.»

Schweigen

57

Page 58: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

Geradeaus?

58

Page 59: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

«Du, Links, wie lange beabsichtigst du eigentlich, die Flücht-linge bei uns zu beherbergen?»

«Ich weiß es nicht, keine Ahnung.»

Rechts‘ Gesicht erfüllt sich allmählich mit einer dezenten Röte.«Wie meinst du, du weißt es nicht? Zuerst schlägst du jeglicheArgumente bezüglich finanziellem Aufwand in den Wind, undnun, nun kannst du dich nicht einmal auf eine Dauer diesermateriellen Belastung festlegen, geschweige denn, deinePosition rational zu begründen!»

Nun steigt auch Links das Blut in die Wangen, doch Rechtsfährt fort:«Worauf gründet sich dein Standpunkt überhaupt? Auf nichtsals weicher Gefühlsduselei! Emotionen an sich sind ja ganzin Ordnung, haben aber in der Politik nichts verloren! Dumöchtest ihnen doch nur helfen, damit du dich besser fühlst!»

«Es fühlt sich richtig an!», braust Links da auf, «Richtig, nichtgut! Wie sonst könnte ich wissen, was ich tun soll, hätte ichkein Gefühl für richtig und falsch?!»

«Durch Logik und Realismus!»

«Und es ist logisch, dass wir Menschen in Kriegsgebieteschicken und dadurch faktisch zum Tode verurteilen? Ichdachte, so etwas wie die Todesstrafe gäbe es in einerzivilisierten Gesellschaft nicht mehr...»

«Wir schicken die doch nicht zurück, um dort zu sterben!»,ruft Rechts, seine Stimme überschlägt sich, «Wir können sienur nicht aufnehmen!»Rechts überlegt kurz mit fieberhaft konzentriertem Gesicht.«Je größer die Unruhen im eigenen Land, desto mehr sindfähige Leute von Nöten, den Frieden wiederherzustellen undzu gewährleisten, aus den Trümmern ein System aufzubauen,genauso wie wir Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg vonGrund auf neu errichteten! Und wie könnten die Syrer das,wenn alle als Flüchtlinge zu uns kommen? Siehst du, Links,das müsste sogar für dich Sinn ergeben und den Zweck vonAbschiebungen emotional rechtfertigen. Wir schicken sie zumWohle ihres eigenen Landes wieder zurück!»

59

Page 60: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

«Du sprichst nun von jenen ‚fähigen Leuten‘, welche du zuvornoch als Verbrecher brandmarktest? Du sprichst von den achso fleißigen und pflichtbewussten Österreichern, deren Dikta-tor im Gegensatz zu Assad damals bereits gestürzt wordenwar und die sich ohne die Hilfe der Alliierten nie wieder ausdem Staube der Besiegten hätten erheben können?»

«Wahrlich», lacht Rechts bitter und schüttelt den Kopf, «Alles,was du tust und sagst, sind lediglich zynische Angriffe gegenmeine Aussagen – ob nun berechtigt oder nicht – Lösungenbietest du aber auch keine an! Aus jedem deiner Argumentetrieft der Gutmensch!»

Links zieht in einem Schnauben die Stirn zusammen.«Und du, du bist auch nicht besser! Aus deinen Worten spre-chen Anmaßung und Eitelkeit, die Überheblichkeit, anderenMenschen Hilfeleistungen zu versagen, Angst vor Luxus-einschränkung und dieses ausgeprägte Nationalgefühl, inwelchem diese Kriege erst ihren Anfang nehmen! Es widertmich an!»

So durchbohren sie einander mit klingenscharfen Blicken,stieren sich an, als wären sie Feinde.

Und doch sind sie Geschwister, entstammen beide dem HauseUnwissen, aufgezogen von Mutter Kultur und Vater Prägung.

***

60

Page 61: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

TSCHECHICH HÖREN

von Lena Haiden

Ceština je hezká

Tschechisch hören ist wieein Hustenzuckerl essen weil es gut schmeckt.Tschechisch hören ist wiedie Schönheit eines gelösten Kreuzworträtsels.Tschechisch hören ist wieder Geruch von frisch gemähten Gras im Herbst.Tschechisch hören ist wiekleine Wegweiser am Hauptstraßenrand.Tschechisch hören ist wiedas Gewebe aus dem Schmetterlingsflügel gemacht sind.Tschechisch hören ist wieüber ein kleines subtiles Wunder staunen.Tschechischsprechversuche sind wie Knoten in der Zunge.

61

Page 62: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

Informativ in Ulm an der Donau/D

62

Page 63: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

3. LOKALER DIALOG 2016

IN ULM AN DER DONAU / DE

Wie können Jugendliche aus verschiedenen Kulturen mitein-ander reden? Was sollte man berücksichtigen, wenn maneine positives, konstruktives Gesprächsklima mit jemandemherstellen will, für den vielleicht ganz andere Werte zählenals für einen selbst? Diese und andere Fragen diskutiertendeutsche und niederösterreichische Jugendliche vergangenesWochenende beim eljub Think Tank Austauschbesuch in Ulm.

Vom 15. Bis 17. April 2016 fand im Rahmen des eljub-Dialogs ein lokaler Dialog in Deutschland statt. In Ulm ander Donau trafen sich deutsche und österreichische Jugendli-che, um miteinander zu diskutieren und sich auszutauschen.Ulm als Heimatstadt der von den Nazis ermordeten Ge-schwister Hans und Sophie Scholl. Bei einer Führung in derVolkshochschule, die lange von Inge Aicher-Scholl geleitetwurde (einer weiteren Schwester der Geschwister Scholl),konnten sich die Jugendlichen überzeugen, wie lebendigund in Ehren gehalten hier das Andenken an jene sechsjungen Studenten gehalten wird, die in Hitlerdeutschland hin-gerichtet wurden. Die Führung durch die Ulmer Denkstätte«Weiße Rose» wurde von Dr. Andreas Lörcher sehr lebendiggestaltet und war Anlass zu angeregter Diskussion vor allemüber die damals erst 21-jährige Sophie Scholl, ihre Geradheitund ihren Mut. Danach stand die Eröffnung der Ausstellung«Einmischung erwünscht» auf dem Programm.

Nachmittags hörten die Jugendlichen im Aicher Scholl-KollegDr. Martin Böhnischs Impulsvortrag zum Thema «Friedens-politik und das Konzept der Diplomatie» bevor es danachim lebhaften Gespräch zur Sache ging: Was bedeutet Ehreund Ehrgefühl in der Türkei? Worin liegt der Unterschiedzu Deutschland oder Österreich? Und wie sieht es mit derKommunikation zwischen Deutschen und Österreichern aus– läuft da immer alles klar und unmissverständlich?

Ergebnis der Diskussion: Die Jugendlichen regten die Er-stellung eines Art Basis-Wertekataloges an, der abseits allerReligionen verfasst werden könnte und für Dinge stehensollte, denen, so die Jugendlichen, wohl Menschen verschie-denster Religionen zustimmen könnten.

63

Page 64: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

EINMISCHUNG ERWÜNSCHT

WAS WÜRDE ICH TUN?

von Maria Gazarjan

Was würde ich tun, wenn alles, woran ich seit jeher geglaubthabe, sich als falsch herausstellt? Würde ich mein Lebenriskieren, um etwas zu bewirken, selbst wenn ich nicht vielausrichten kann? Würde ich für Gerechtigkeit und Wahrheitkämpfen?Fragen, die sich vermutlich auch die Mitglieder der weißen Ro-se, darunter die Geschwister Hans und Sophie Scholl, gestellthaben. Als Teil einer studentischen Bewegung protestiertensie gegen den Terror Des NS-Regimes.Geschichten von Menschen wie diesen, die Mut bewiesenhaben in einer Gesellschaft, in der es gefährlich war, für seineWerte einzustehen. Eine Rückblende in die Vergangenheit,auf der unsere Gegenwart begründet – dies und noch vielmehr durften wir beim eljub-Dialog erleben.

***

TAKTVOLLE JUGEND

von Barbara Strasser

1,2,31,2,31,2

Wir sind die Zukunft.Die Erwachsenen von morgen

Die heuteSchon tanzen

Tanzen im 3

4Takt den Walzer

1,2,31,2,31,2

PunktgenauIm Rhythmus der Gesellschaft

Jeder SchrittJeder Tritt

Jede DrehungIst angepasst

64

Page 65: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

1,2,31,2,31,2

Niemand fällt herausAlle wiegen

Und biegen sichUnd selten regt sich jemand auf

1,2,31,2,31,2

Wir fressen WissenOhne zu kauen

Schlucken hinunterOhne verdauen

Dabei tanzen wir weiterAber immer im Takt

1,2,31,2,31,2

Wir nehmen nur hinMachens uns leichtAlles sowie es istWir denken nicht

1,2,31,2,31,2

Wir sind die ZukunftDie Erwachsenen von morgen

Die nicht dumm sindAuch nicht mild

Sondern jung sindJung

Und auf der SucheNach dem eigenen Takt

Dem Rhythmus von morgenDer heute noch falsch ist

1,2,3,41,2,3,41,2,3,4

65

Page 66: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

HELDEN

von Katharina Franz

Denkt man heutzutage an Helden kommen einem sofortSuperhelden wie Spiderman oder Batman in den Sinn. InLändern wie Amerika, in denen das Militär angesehen ist,würde man an Soldaten denken. Auch Leute wie MutterTeresa oder Nelson Mandela, die ihr Leben einer guten Sachegewidmet haben, kann man als Helden bezeichnen.

Geht man in der Geschichte zurück, fallen Namen wie WillyBrandt oder Konrad Adenauer. Und dann? Davor war Hitleran der Macht. Gab es damals auch Leute in Deutschland,die man heutzutage noch als Helden bezeichnen würde?Was macht einen Helden aus? Vielleicht, dass man an seineMitmenschen denkt und ihr Wohl vor das eigene setzt. Dassman bereit ist sich seinen (positiven) Idealen zu opfern?Eben, dass man das ’Gute’ und ’Richtige’ tut, was sichnicht jeder traut. Wie soll man aber in einem Land wieNazi-Deutschland etwas Gutes und Richtiges tun, das dieSituation wirklich ändert? Natürlich kann man ’kleine’ oderalltägliche Dinge tun wie der Oma von gegenüber beimEinkauf helfen, aber an diese Alltagshelden erinnert sichheute kaum noch jemand. Wer sich getraut hat, hat dieverbotenen Dinge getan, wie Johannes Kleimann, der geholfenhat die Familie Frank, die van Pels und Fritz Pfeiffer zuverstecken, oder wie Oskar Schindler, der mit seiner FrauEmilie ca. 1200 Juden rettete. Trotzdem sind sie nichtdie bekanntesten Widerständler. Die ersten an die mandenkt, wenn man ’Widerstand im 3. Reich’ hört sind Leutewie Hans und Sophie Scholl, Alexander Schmorell und ihreFreunde. Jugendliche die bereit waren ihr Leben einer Ideezu opfern. Obwohl sie nie jemanden gerettet haben gibt esin ganz Deutschland Geschwister-Scholl-Schulen. Jeder kenntihre Namen und weiß was sie getan haben, da man sie inder Schule meist mehr als einmal bespricht. Warum werdenimmer sie als Beispiel für Jugendwiederstand genommen?Was die wenigsten wissen ist, dass ’Die Weiße Rose’, wiedie Gruppe immer genannt wird, nur so bekannt ist, weilHans und Sophies Schwester Inge ein gleichnamiges Buchnach dem Tod ihrer Geschwister geschrieben hat, obwohl die

66

Page 67: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

Gruppe selbst sich nie so genannt hat, sondern nur auf einemder ersten Flugblätter so unterzeichnet hat.

Überraschenderweise war Hans Scholl in seiner Jugend eingroßer Nazi-Anhänger und hatte einen ziemlich hohen Rangin der Hitlerjugend, sehr zum Entsetzen seiner eher sozia-listischen Eltern. Als er älter wurde gab es immer mehrKleinigkeiten, die ihn in der Organisation der HJ störten,wie das stumpfe Militärgehorsam, da seine Eltern ihn undseine Geschwister zu Hause dazu ermutigten ihre Meinungzu sagen und zu diskutieren. Zum endgültigen Hitler-Gegnerwurde Hans jedoch erst, als er und sein Kommilitone Alex-ander Schmorell als angehende Ärzte in den Semesterferienim Lazarett arbeiteten und er aus erster Hand sah wie jedenTag unnötig Leute starben die zum Teil jünger waren als erselbst. Zurück in München fingen er und Alexander mit einpaar Freunden an Flugblätter gegen den Krieg und Hitler zuschreiben und heimlich zu verteilen.

Ganz ähnlich war es bei Sophie: Womöglich durch das Vorbildihres großen Bruders beeinflusst war sie ebenfalls gegenden Willen ihrer Eltern erfolgreich beim BdM. Auch sieänderte ihre Meinung bei der Arbeit im Lazarett. Sobald sieihren Dienst beendete und zum Studieren zu ihrem Brudernach München zog wollte sie natürlich bei seinen Aktionenmitmachen. Hans wollte jedoch überhaupt nicht, dass seinekleine nervige Schwester mitmachte, gab aber schließlich ihrenDrängen nach und lies sie bei der Verteilung der Flugblätterhelfen.

Wie die Geschichte ausgeht wissen alle – sie wurden erwi-scht als sie übermütig wurden und schließlich wurde dergesamte innere Kreis geköpft – aber ihre Vorgeschichte kenntkaum jemand. Man vergisst so leicht, dass die Leute, die wirals Helden bezeichnen ganz normale Menschen sind oderwaren. Sie wurden nicht als Rebellen geboren, sondern nah-men irgendwann ihren ganzen Mut zusammen nehmen umetwas zu tun, an das sie glauben. Bestimmt hatten Hans undSophie riesige Angst beim Verteilen der Flugblätter erwischtzu werden, genau wie jeder andere.

Die Volkshochschule in Ulm, die interessanterweise von So-phie und Hans’ Schwester Inge (die das Buch geschrieben

67

Page 68: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

hat) gegründet wurde, erinnert in ihrem Foyer an die bekann-ten und unbekannten Jugendwiederständer aus dem 3. Reich.Vor allem erzählt sie die Geschichte der Jugendlichen undzeigt, dass hinter Legenden immer Menschen stehen.

***

DIE WEISSE ROSE

von Ümmü Özdemir

Ulm gibt es nicht mehr. Die Stadt ist unter den ganzen Bom-ben verschwunden. Es liegen nur noch Reste von Häusern,Schulen, Autos und Menschen auf den Straßen. Nicht vielehaben es überlebt.Nachdem die Geschwister Scholl erwischt wurden, wurdensie mit den anderen Studenten aus München, die auch in derWiderstandsgruppe waren, am 22. Februar zum Tod verurteiltund hingerichtet.Ulm war die Hochburg der Nationalsozialisten. Als Hitler andie Macht kam, war Hans erst circa 14 Jahre alt und Sophiezwischen 11 und 12. Hans verehrte Hitler, er war sein Idol, imGegensatz zu seinen Eltern, diese verachteten ihn, weswegenes oft zu einem Streit kam. Hans hatte sogar ein Plakat vonHitler in seinem Zimmer hängen, welches sein Vater immerwieder abhing, aber es irgendwann aufgab.Hans Scholl war auch in der Hitlerjugend, wo ihnen dieRassen vermittelt wurden und beigebracht wurde, dass dieDeutschen Arier sind. Den Jungs wurde beigebracht, wie«richtige Männer» sich benehmen und, dass sie Krieger wären.Sie hatten Sport und ihnen wurde beigebracht, wie man mitWaffen umgeht. 1936 nimmt Hans auch bei der Reichsparteiteil, wo ihm klar wird, dass sie selbst nichts entscheidenkönnen und, dass sie nach bestimmten Regel leben müssen.Es gibt nichts wie Freiheit und eigene Meinung.Währenddessen wird Sophie Scholl eine BDM (Bund deutscherMädchen) Führerin. Im Gegensatz zu den Jungs wird denMädchen beigebracht, wie sich eine Hausfrau zu benehmenhat, wie man kocht und wie man Kinder großzieht.Wer nicht in der HJ oder im BDM war, wurde von denanderen ausgeschlossen und durfte kein Abi, keine Maturamachen.Nach dem BDM macht Sophie ein Praktikum im Kindergarten,

68

Page 69: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

wo sie aber unglücklich ist und Depressionen bekommt.Nachdem Hans in den Krieg zieht merkt er, wie unmensch-lich die NS eigentlich ist und, dass ihnen etwas Falschesbeigebracht wird. Zu dieser Erkenntnis kommt Sophie, als siein ihren Semesterferien in der Rüstungsproduktion arbeitenmuss.Sophie Scholl und Hans Scholl leben gemeinsam in München.Als Sophie merkt, dass ihr Bruder in einer Widerstandsgruppegegen die NS ist, will sie dazu beitreten, doch ihr Bruderwill dies nicht. Doch so wie Sophie nun mal ist, nervt sieihn, bis er es ihr erlaubt. Zusammen verteilen sie Flugblät-ter, stecken sie zwischen die Telefonbücher bei öffentlichenTelefonen und dies, ohne bemerkt zu werden. Doch als siean einem Tag die Flugblätter an einer Schule verteilen undgerade die Schulglocke läutet und sie verschwinden wollen,schmeißt Sophie die Blätter vom Balkon runter, wobei sie vomHausmeister gesehen wird. Sofort ruft er die Polizei und siewerden festgenommen.22 Februar. Der Tag, an dem die Geschwister Scholl und 6weitere Studenten in München hingerichtet wurden.Hier stehe ich, vor dem Münster. Das einzige Gebäude, dasnoch steht, und ich erinnere mich an das tragischen Schicksalder Geschwister Scholl.Die Ulmer versuchen ihre Stadt zu retten, den Menschenwieder Menschlichkeit beizubringen und ich bin einer vonihnen, der die Menschlichkeit wieder erlernen muss. Wiederlernen muss, Hass und Liebe zu unterscheiden. Sophie undHans waren ein großes Vorbild für alle.Ihre große Schwester, Inge Aicher Scholl, macht ihre Geschich-te mit dem Buch «Weiße Rose» und der Volkshochschuleunsterblich.

***

69

Page 70: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

TAGEBUCH

von Bernadette Sarman

Freitag, 15.04.2016

(18:03) Ulm, Deutschland.

Eine wunderschöne Stadt, denke ich, als unser grauer Klein-bus durch die Straßen Ulms rollt und wir uns die Köpfebeim Bestaunen der Gebäude verrenken. Moderner Stil trifftalte Fassaden. Normalerweise hätte ich es nicht möglichgefunden, die beiden zu kombinieren, doch heute werde icheines Besseren belehrt. Alle Gebäude ergänzen sich perfekt.Wir sind da. Endlich.Als ich aussteige, beginne ich mich in das Hotel zu verlieben,das nun vor mir steht. Die ganze Fahrt hatte ich gegrübelt,welche Art von Unterkunft uns erwarten würde, wie es wohlaussehen würde. Alle möglichen Vorstellungen entstandenin meinem Kopf, doch damit hatte ich definitiv nicht gerech-net.Eine tannengrünes Aufschrift, welches sich vom hellen Beigeder Hauswand abhebt, verkündet, dass ich mich vor dem«Hotel am Rathaus» befinde. Unter den weiß gestrichenenFensterrahmen blühen zahlreiche Osterglocken, die in Blu-menkisten gepflanzt wurden, welche im gleichen Grüntongehalten werden wie die hohen Fenster, durch die man dasInnere der Pizzeria sehen kann, die gleich neben dem Hotelist. «Wir gehen in der Nacht Pizza essen», versprechen wirMädchen uns grinsend.Das Innere des Hotels schafft es, mich noch mehr aus demKonzept zu bringen.Ein goldenes verschnörkeltes Geländer zieht sich die Stein-stufen entlang, die gleich neben der Rezeption nach obenführen. Mithilfe einer Wand aus verspiegelten Fliesen spen-det der Kronleuchter doppelt so viel Licht, sodass ich einwenig geblendet werde. Ehrfurchtsvoll steige ich die mit denanderen die Treppen hinauf und je weiter ich gehe, umsogrößer werden meine Augen vor Staunen.Schließlich treten wir in den Flur unserer Zimmer. Der Bodenist mit weichen Teppichen bedeckt, weswegen unsere Schrit-te dumpf klingen. Mitten im Flur steht ein Sofa, von dem ichdenke, dass es aus der Biedermeierzeit stammt.

70

Page 71: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

Als Ylva, meine Zimmergenossin, vor unserem Zimmer hältund die Tür aufsperrt, bin ich einfach komplett sprachlos. Wirbetreten einen hellen, lichtdurchfluteten Raum, in dem einhohes Ehebett aus hellem Holz steht. Davor hängt ein großerSpiegel aus Gold, unter dem ein Tisch steht, der genauso wieder Kleiderschrank im Biedermeierstil gehalten ist. Ich fühlemich pudelwohl.Ich gehe zu den Fenstern und reiße die Vorhänge nochweiter auf, sodass ich die Aussicht bewundern kann. Ylvatritt neben mich und wir beide beginnen zu schwärmen, wietoll Deutschland sei.

(ca. 19.20)

Ich komme mir vor wie ein Tourist. Klar, ich bin auch einer,aber ich mache eindeutig zu viel Fotos.«Du musst im Augenblick leben», hat Ylva grinsend gesagt,als ich zum gefühlten hundertsten Mal die Kamera hob, umein Foto zu schießen. «Ich möchte mich aber dann nochbesser zurück erinnern können», war meine Antwort gewesen.Schöne Momente muss man eben einfangen, um danachweiterhin im Augenblick leben zu können.Wir vier Mädchen spazieren durch die Altstadt Ulms. Obwohlder Himmel grau und mit Regenwolken verhangen ist, lassenwir uns nicht die Laune verderben. David, unser «Fremden-führer», zeigt uns einen Eissalon, wo wir uns, trotz der Kälte,eines gönnen.Als wir keine drei Minuten später vor dem Münster stehen,bin ich schon fast mit meinen zwei Kugeln fertig. Mit demCookie-Geschmack auf der Zunge lege ich meinen Kopf in denNacken und versuche, die Spitze des höchsten Kirchturms derWelt zu erkennen. Ich fühle mich noch kleiner neben demMünster als vorher, und da kam er mir schon von der Fernegigantisch vor.Hunderteinundsechzig Meter sind schließlich etwas beeindru-ckender als meine ein Meter sechzig.

71

Page 72: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

Grosse Bühne in Krems-Stein an der Donau/A

72

Page 73: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

4. ELJUB DIALOG-KONFERENZ 2016

IN KREMS AN DER DONAU / A

Die zweite eljub Dialog-Konferenz fand am 3. November2016 im Karikaturmusem Krems statt. Es nahmen Jugendli-che aus Bulgarien, Deutschland, Österreich, Polen, Rumänien,Tschechien und Ungarn teil. Als WorkshopleiterInnen fun-gierten Jakob Etzel, Denise Wornig und Bettina Winkler,MA.

Im Klangraum Minoritenkirche Krems diskutierten die Ju-gendlichen in kleinen Runden mit EntscheidungsträgerInnenaus dem Jugendbereich und Medienverantwortlichen überbrennende Fragen der Gegenwart. Die Themen «Wie Arbeitschaffen?» mit Chefredakteur Martin Gebhart (NÖN), Mag.Gabriele Ecker (Abteilung Kunst und Kultur beim Amt derNÖ LRG), «Wie können wir Vorurteile abbauen?» (mit LRMag. Karl Wilfing, Mag. Murat Düzel (Leiter Integrationsser-vice NÖ) und «Wie können wir Europa neu gestalten?» mitMag. Michael Koch (ORF NÖ), Mag. Helmuth Sturm (LeitungAbteilung Allgemeine Förderung und Stiftungsverwaltungbeim Amt der NÖ LRG) und «Best practice» mit Bgm. LukasMichlmayr (Stv. Vorsitzender NÖ Jugendrat), Ing. JohannesTrümmel (LSR für NÖ) wurden intensiv diskutiert.Zum Abschluss des Programms der eljub-Dialog Konferenzbesuchten die Jugendlichen die Eröffnungsveranstaltung derEuropäischen Literaturtage im Klangraum MinoritenkircheKrems, mit Robert Menasse und Ulrike Guérot (D), die unterdem Titel «Die Europäische Republik» stattfand.

73

Page 74: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

EUROPA SEHEN

DER WILLE ZU EUROPA

von Nanna Bier

Es geht um europäische Politik. Um die Ideen, Träume undWünsche junger Europäer. Wie können wir Arbeit schaffen?Wie Vorurteile abbauen? Wie schaffen wir es die EU zuerhalten? Schwierige Fragen mit scheinbar noch komplexerenAntworten.Für mich persönlich haben diese drei Tage, vom 02. bis04.11.16, ein Schlaglicht ins Dunkle geworfen. Denn dieGrundlage für ein gutes Zusammenleben, ohne Vorurteile,von dem nicht nur die Wirtschaft, sondern auch Mensch undKultur profitieren, ist der Wille gemeinsam etwas aufzubauen.Und genau diesen Willen konnte ich im Laufe der Diskus-sionen und Vorträge immer wieder ausmachen. Wenn sichmein Gesprächspartner als Europäer vorstellt statt, wie sonstüblich, sein Heimatland Österreich zu nennen, dann spüreich seinen Willen. Wenn eine junge Rumänin die Lösung fürwirtschaftliche Probleme durch die Öffnung von Grenzen undden Abbau kultureller Differenzen skizziert, dann spüre ichihren Willen. Wenn die bulgarische, die ukrainische und diedeutsche Delegation am Abend bei einem Glühwein zusam-men sitzen und Karte spielen, dann spüre ich ihren Willen.Und auch wenn die Vortragenden mit Begeisterung von einer«Republik Europa» sprechen, dann weiß ich auch sie habendiesen Willen, der Europa zu einer Einheit verbinden kann.Die Zukunftsaussichten für die EU sind düster und die Pro-bleme nehmen überhand, aber bei diesem Anblick glaube ichdennoch daran das wir es schaffen können, wenn wir es nurwirklich wollen.

74

Page 75: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

MEINE FREUNDE AUS EUROPA

von Ümmü Özdemir

Am 3 November 2016 trafen sich Jugendliche aus verschiede-nen Ländern Europas in Österreich, Krems an der Donau.Mit sehr großer Vorfreude traf ich mich am Morgen mit denÖsterreichischen Jugendlichen und machte mich mit ihnenauf den Weg zum Karikatur Museum in Stein.

Hätte man mir noch vor wenigen Monaten gesagt, dass icheinmal so viele Freunde von verschiedenen Ländern aus Euro-pa haben würde, hätte ich nicht ansatzweise daran geglaubt.Aber nun kann ich voller Stolz sagen, dass ich Freunde in Ru-mänien, Polen, Tschechien, Deutschland und in vielen anderenLändern habe. Wenn ich das auch so sagen darf, wir sind die«eljub-Familie» geworden.Zusammen haben wir im World Café über die drei großeThemen «Wie Arbeit schaffen?» «Wie können wir Vorurteileabbauen?» und «Wie können wir Europa neu gestalten?»gesprochen und diskutiert.Gemeinsam haben wir das «Hochhaus Europa» neu aufge-baut, sind uns unserer Vorurteile bewusst geworden undhaben uns überlegt wie wir Europaweit und Lokal Arbeitschaffen können und weshalb wir eine so hohe Arbeitslosig-keitsrate haben.Ehrlich gesagt, ich hätte nicht gedacht, dass ich mit so vielenJugendlichen aus verschiedenen Nationen, mit verschiedenenKulturen und Traditionen, mit verschiedenen Sprachen undverschiedener Erziehung, mich so gut verstehen könnte undmit ihnen über unsere Zukunft reden würde. Aber mir isteines klar geworden, egal woher wir kommen, egal welcheSprache wir sprechen, wir machen zusammen die Zukunft.Die Zukunft liegt in unserer Hand und wir können etwasändern.Ich danke all den ExpertInnen und EntscheidungsträgerInnen,dass sie sich für uns die Mühe machten und mit uns dieWorkshops gestaltet haben. Es war mir eine Ehre, mit sovielen wichtigen Persönlichkeiten reden zu dürfen, und ihreSicht, auf verschiedene Themen zu hören. Sie gaben unsalle das Gefühl, ein wichtiger Teil von Europa zu sein undließen uns auch wissen, dass unsere Stimmen und unsereMeinungen auch wichtig sind.

75

Page 76: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

Noch ein ganz großes Danke dafür, dass ich bei dieser tollenVeranstaltung teilnehmen durfte und die Chance bekam, soviel Neues zu lernen.

***

(TAGEBUCH-)GEDICHT ÜBER AUSTRIA

von Mateusz Durski

Die Jugend hat die Reise angetreten, bei Tagesanbruch,Wegen Österreichsfreunde-Besuch

Sie sind mit schneeweißem Bus gefahrenNur keine Nerven sparenVon der geliebten LehrerinUnd Tollpatsch – Wegweiserin.

Zuerst gab’s elegantes AbendbrotMit reichem MenüangebotSie haben viel gelachtUnd keine Schande gemacht

Am anderen TagBegann’s mit ’nem Vortrag.Dann haben sie Gruppenaufgabe gestartetund sehr schwer gearbeitet

Jetzt sind neue Leute ihnen bekanntDie waren äußerst interessant.Sie haben viel über Europa diskutiertUnd ihre Ansichten präsentiert

Sie hatten ein Treffen mit den PolitikernDie wollten mitsprechen, aber gernphilosophische Debatte ohne EndeZwischen zwei Polen gependelt

in aller Frühemit keiner MüheNach Wien gefahrenUnd viel erfahren

Rathaus, Museen und viel mehr gesehenAber man muss immer zurückgehen

76

Page 77: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

Erinnerungen auf dem RückenUnd nach Hause über Tausend Brücken

***

THE ELJUB YOUTH PROJECT

von Alexander Ney

(Alexander Ney ist Australier und kam 2016 als polnischerTeilnehmer zu eljub, da er in Polen die Schule besucht. Er schrieb

seinen Text für eljub in seiner Muttersprache)

What is the ELJUB youth project?

The European Youth Literature Project, as translated fromGerman, is a EU funded excursion for between 4 and 6representatives from each member country. Our school is luckyenough to be offered all the allocated places for Poland and Iencourage anyone willing to take advantage of this generousand highly privileged offer in future. The trip is intended todevelop meaningful connections between youths in a commonlanguage (German). However in reality the project achievesmuch more than that.

My experiences in July:

I had the great honour of being chosen by our Germanteacher Frau Musial to accompany her and 5 other classmembers for an 8 day trip to the small town of Krems an derDonau in North Austria last July. Despite the large number ofwilling participants, only 6 students could attend the meeting,and I, as a representative of not only our school but also ofPoland, felt greatly honoured and motivated to perform wellduring the following week in German and German alone.The trip was entirely paid for by the European Union inclu-ding our transport by (rather warm and... cosy) overnighttrain to Vienna from which we moved on to Krems, a smalltown of around 30 000 people 70 km away. Upon arrival wewere shuttled by private bus to a large and nicely equippedbuilding which had been rented for the time of our stay so-lely for the ELJUB project. Students from Romania, Hungary,Germany, Austria, Bulgaria, France, the Czech Republic and

77

Page 78: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

us from Poland were there amounting to over 70 people. Wewere divided into rooms of 3 students, with each roommatebeing from a different country attempting to promote the useof German and incite new friendships.

We were to spend the next 7 days in Krems and 1 dayin Vienna together collaborating on an e-book which wouldcover a range of issues raising political, social and culturalawareness. Guiding us through the difficult waters of bookwriting would be 1 Austrian author, 1 eccentric journalist, afew guest speakers and visitors with substantial knowledgein writing and of course our eternally patient and helpfulcountry leaders (of which Frau Musial was one). One of thegreat journalists who decided to help us on our endeavourwas the first reporter to interview Nelson Mandela after hisrelease from Robben Island. Our writing task was demandingand even at times very complex because we were afterall writing in our 2nd (or even 3rd) language on topicswhich contemporary politicians are still trying to resolvethrough lengthy debates and proceedings. However, in termsof reward, there are few things which compare to seeing yourown words and your own hard work being published in abook for the world to see.Of course, writing was not the only thing we did while over inthe beautiful city of Krems. A large part of the meeting wasgetting to know the many other cultures of Europe. We triedfood from all around the continent (and contributed ourselvesby making pierogi), we learnt phrases from abroad with manyz’s in them and we even acted out popular phrases in fromour respective languages in mime (’nie ucz ojca dzieci robic’was quite an interesting one to act out indeed). During oneof the days we played soccer (or football as you call it) inteams made up of all nationalities which we then followed bya contest of beer crate climbing. I won the climbing contestwith a grand total of 20 cases (we did not drink the casesempty prior to this of course).On another day we visited the Krems famous Caricaturemuseum with many peculiar works. On top of all of thisthere was the town itself. Krems is a fascinating, neat andbeautiful old town located along the mighty Danube riverwhich seemed to dwarf the city in both girth and length. Thetrue Beauty of the town really came into its own aboard theriver cruise on the last day where the nearby UNESCO listed

78

Page 79: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

valley and neighbouring vineyards snaked around the bendsof the mighty river.After a sad farewell with our newly made acquaintances anda digital copy of our 200 page work weighing down our bagsand minds equally, we continued on our journey with thenext destination in Vienna. We spent an entire day walkingaround the historic town in beautiful weather. In the eveningwe decided to visit the world famous Prater, which for me wasas painful as it was beautiful. I say so not because I dislikedanything about being there, but because I was persuaded togo on a ride which spun around probably upwards of 100times. Which is 99 and a half times too many for my bodyleaving me quite ill afterwards.

The July trip ended with the group of us safely returning toPoznan by yet another overnight train; Germanised and proudto have taken part in such an activity.For me, the trip was not so much an exciting, memorable andfree visit to Austria, but a lesson in confidence and fluencyof German. Following the trip I had not only made a numberof new German speaking friends, not only had written partof a globally accessible book and not only created memorieswhich would last a lifetime but also made myself moreconfident, fluent and keen to speak German. And that is whyI recommend the ELJUB summer project to all taking Germanin IB classes.

My experiences in November:

As a follow up to the July trip, the participants from mostcountries were invited again for a highly intensive andintellectual one day meeting with EU politicians in November.Yet again we arrived in our already familiar town of Kremsand met our long lost friends from 4 months ago. There wasno writing involved during the next day on this trip, howeverthere was almost 12 hours of talking, listening and arguinga number of points in German with leading politicians.Needless to say we were all very exhausted after this tripbut yet again very satisfied with our own abilities in a foreignlanguage. Following our hard and highly intellectual workwith the politicians, we stopped by in Vienna to visit somemore points of interest such as the Rathaus (Parliamentarybuilding in Vienna) and the renowned Technical Museum

79

Page 80: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

of Vienna (which I enjoyed immensely) among other thingsto continue the educational theme of our visit. We droveovernight by chartered bus back to Poznan the next dayyet again under what was almost a spell of confidence andmotivation to use German.

In conclusion:

The ELJUB youth project is something our school is so luckyto have and something which yields such wonderful resultsthat not taking advantage of it would be quite the mistake.The EU has really given us a gift to form memories, friendsand develop our language abilities. We as keen students andambassadors of our school and nation should jump at theopportunity as soon as it becomes available, not necessarilyfor the aforementioned reasons but for our own sake, basinga rational judgement on my beneficial experiences. I not onlyencourage and recommend this trip anymore, I dare anyonewith the means to go beyond their comfort zones and trycommunicating with others in a language they are still not100% familiar with. For me these trips made a world ofdifference to my German abilities and I am sure that theywill for you too. So whenever you hear the ELJUB youthproject, raise your hand and say «I want to take part».

80

Page 81: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

WIE KÖNNEN WIR VORURTEILE ABBAUEN?

WIE ES IST, ANDERS ZU SEIN

von Bernadette Sarman

Heutzutage ist es normal geworden, mehrere Sprachen zukönnen, in einer Familie mit Migrationshintergrund zu lebenund als Tourist ins Ausland zu reisen. Aber weshalb, umGottes willen, gibt es dann trotz allem solche Vorurteilegegenüber Ausländer? Das frage ich mich schon seit klein aufund bin bis zum heutigen Tag immer noch der Meinung, dassalle einfach Angst vor Neuem und Unbekanntem haben. Unddabei reden wir von Pionieren und Abenteuerlust. Wir sindalle Menschen, ist das nicht das Wichtigste?Alle, die hören, dass ich «Halbblut» bin, finden es cool, kultu-relle Verschiedenheiten von einer Ebene aus zu betrachten,vom Essen ganz zu schweigen, eine zweite Muttersprache zuhaben, andere Leute zu kennen und so weiter. Und ich liebees auch, ich liebe meine Wurzeln. Umso seltsamer ist es, inbeiden Ländern Ausländerin zu sein.In Europa Ausländerin sein. In Asien Ausländerin sein.Nirgendwo nicht mit seltsamen Blicken bedacht. Habe ichetwas im Gesicht? Ständig mit der vorgehaltenen Handhinter tuschelnden Stimmen rechnen zu müssen. Blicke,die einen eine Millisekunde zu lange anstarren. Ab undzu von Klassenkameraden veräppelt zu werden für seinzweites Land, sein Aussehen. Oh Gott, das Aussehen. Wiemich unwissende Nichtasiaten einfach mit einem beliebigdahergelaufenen Chinesen vergleichen und sagen «Oh hey,schau mal, der sieht aus wie du!», wo ich erstens demweiblichen Geschlecht angehöre und zweitens meine Wurzelnnicht aus China stammen. Und zur Information: ich binauch Europäerin. Also wäre es freundlich, mich nicht alsSchlitzauge abzustempeln und mich als eine von euch zusehen.Das erste, was ich zu hören bekomme, nach dem ich aufdie Frage, aus welchem Land ich stamme, mit Österreichund Japan antworte, ist in 90% der Fälle «Cool. (Schweigen)Also kannst du Japanisch?». Meistens komme ich mit derPerson so ins Gespräch, weil sich im 21.Jahrhundert sehrviele «oh-mein-Gott-Japan-ist-so-kawaii»-Mädchen für dasLand interessieren, beziehungsweise für Animes und Man-

81

Page 82: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

gas, wofür ich nicht ganz die Obsession besitze, die manmir als Halbjapanerin zutrauen könnte. Wenn ich auf einManga-Mädchen (meistens sind es Mädchen, Jungs sind eherselten) treffe und sie mir Löcher in den Bauch bohren will,kann ich nur abwehrend die Arme heben und mich dafürentschuldigen, dass ich nicht alle Animes/Mangas kenne.Darauf bekomme ich eine Antwort, die ich schon sehr, sehr,sehr oft gehört habe (wenn ich jedes Mal für diesen Satz Geldbekommen würde, wäre ich schon reich) und es ist immerdieselbe: «Was bist du für eine Japanerin?!» Wow, okay, sorry,nobody is perfect. Und außerdem bin ich Halb.Bei einigen wenigen Animes kann ich jedoch mitreden, abernur, weil ich mir vorgenommen habe, mein Japanisch aufzu-bessern und somit Serien in der Originalsprache ansehe. Aberdas war’s auch schon. Mein Japanisch ist nicht das Beste,mir wurde vor kurzem sogar gesagt, ich hätte einen totalenAkzent bekommen, weshalb seither nur wenige japanischeWörter meinen Mund verlassen haben. In Japan merkt mansowieso, dass ich in einem anderen Land aufgewachsen binund das liegt nicht nur an meiner Aussprache, sondern haupt-sächlich an meinem Aussehen. Dort bin ich für mein Altergrößer, wo ich doch in Österreich als eine der Kleinsten in derKlasse angesehen werde. Meine Augen werden in Japan fürihre Größe bewundert, doch hier sind meine Augen klein undwerden –Gott sei Dank!- selten als Schlitze bezeichnet, wasich trotzdem als eine Frechheit aufnehme. Die Person solltedarauf vorbereitet sein, dass sie nicht mehr in meiner Gunststeht und ich jeglichen Respekt für sie verloren habe. Oderist es normal geworden, dass man Beleidigungen einfachakzeptiert? Bei mir auf jeden Fall nicht.Es gibt natürlich auch noch andere Halbösterreicher/Halbjapaner, die sich in einer ähnlichen Situation wieich befinden und im Moment, wo man denkt, das ist einePerson, die mir sehr ähnlich ist, höre ich von ihr etwa Sätzewie «Dein Japanisch ist wirklich, wirklich schlecht» undmeine Hoffnung, Bänder zwischen anderen «Halbblütern» zuknüpfen, zerplatzt. Das ist nicht wirklich angenehm.Meine beiden Nationalitäten bedeuten mir viel, sie sind japraktisch das, was mich ausmacht. Es gibt einige Vorteileund Momente, wo man sich bewusst wird, dass es doch tollist, zwei Nationalitäten zu haben und stolz darauf ist. Dannist mir egal, was andere denken oder tuscheln, ich bin froh,

82

Page 83: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

ein wenig anders zu sein. Aber das ist nicht sehr oft und ichdenke, dass es in einer Zeit, in der ich mich gerade befinde(auch anders bekannt für Pubertät) sehr mit meiner Identitätzusammenhängt und auf die Frage, wer ich eigentlich bin.Und im Endeffekt sind wir doch alle Menschen und nur dassollte zählen.

Aus: zusammen leben, eljub E-Book Woche 2016, Hrsg. von WalterGrond, Gabriele Kögl, Beat Mazenauer und Veronika Trubel

***

DER MENSCH WILL BEURTEILEN

von Lea Nohr

Vorurteile finden sich überall: Gegenüber anderen Nationalitä-ten, Religionen, Bevölkerungsschichten, Berufen, Geschlechternund vielen anderen Gruppierungen.Aber wieso sind wir eigentlich so voreingenommen gegenüberMenschen, die wir kaum bzw. gar nicht kennen?

Zum einen liegt es an weit verbreiteten Gerüchten, die manoft ganz spontan aufschnappt, wie es beim Ansehen einerFernsehserie oft der Fall ist. «Die Italiener essen doch allenur Spaghetti und Pizza», bekommt man ab und an zu hörenoder auch Warnungen, wie: «Fahr bloß nicht nach Polen, dakannst du sonst zu Fuß zurück laufen!»Offensichtlich besitzen Vorurteile zumeist einen negativenCharakter, der nicht unbedingt einen wahren Kern habenmuss. Oftmals ergeben sich solche vorgefertigten Meinun-gen aus Verallgemeinerungen, die sich mit der Zeit bei denLeuten eingebürgert haben.So stellte schon Max Frisch fest: «Du sollst dir kein Bildnismachen, heißt es von Gott. Es dürfte auch in diesem Sinnegelten: Gott als das Lebendige in jedem Menschen, das, wasnicht erfassbar ist. Es ist eine Versündigung [...]“, denn auchnoch so kleine, unüberlegte Urteile können leicht zu Ausgren-zung führen oder als Beleidigungen aufgefasst werden.Darum ist es auch so wichtig, diesem Verhalten entgegenzu-wirken, indem man selbst mit anpackt!Was ist nun also die Antwort auf die Frage, ob es möglich ist,Vorurteile ganz aus der Welt zu schaffen?

83

Page 84: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

So manch einer würde diese Frage verneinen, da es mitziemlich hoher Wahrscheinlichkeit einfach zur menschlichenNatur gehört, sich ein Bild von anderen zu machen – demnachwürde es ganz normal und unumgänglich sein, Menschen undDinge zu kategorisieren.Doch auch wenn dieser Drang, Andere in ein unterbewusstesSystem einzuordnen, in jeder Person fest verankert ist, kannund sollte man versuchen sein Handeln dadurch nicht beein-flussen zu lassen.Um den ersten Schritt zu machen, genügt es schon, offenfür Neues zu sein und beispielsweise einmal etwas mit An-gehörigen anderer Nationalitäten zu unternehmen oder vielin andere Länder zu reisen, um deren Kulturen kennen zulernen. Vielleicht geht man zur Abwechslung auch einfachmal auf unbekannte Leute zu, anstatt zu warten, dass sieeinen ansprechen.Danach kann bzw. sollte man Familienmitgliedern sowieBekannten von den eigenen Erfahrungen erzählen, so dasssie die Möglichkeit haben, noch einmal über ihre bisherigeEinstellung, in Bezug auf die Nationalität oder auch die jewei-lige Zugehörigkeit, zu reflektieren.Letzen Endes werden Vorurteile wohl immer existent bleiben,doch ein jeder sollte versuchen, sich davon nicht leiten zulassen.

***

WARUM LIEST DIE HEUTIGE JUGEND SO SELTEN?

von Hendrik Fischer

«Warum liest die heutige Jugend so selten?» war die Frage,die uns gegen Ende der diesjährigen eljub-Dialog Konferenzvon einem Reporter des TV-Senders «okto» gestellt wur-de. Was antwortet man darauf, wenn die Generation, derman selbst ja angehört, wieder einmal unter Generalverdachtsteht sich weder für Bücher, noch für Politik oder sonstigegesellschaftliche Themen zu interessieren? Und warum stelltman als Reporter eine solche Frage ausgerechnet auf einerinternationalen Konferenz, auf der gerade diese Generationdie Themen Europa, Vorurteile und Arbeit diskutiert?Vielleicht sind Veranstaltungen wie die eljub 2016 der ein-drücklichste Beweis dafür, dass auch die, die in Zukunft

84

Page 85: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

Europa gestalten werden, sehr wohl bereit sind über aktuelleStreitfragen zu diskutieren. Sie zeigen zudem, dass das Zu-sammentreffen und die Zusammenarbeit von jungen Leutenaus ganz Europa schon längst Selbstverständlichkeit ist- dassSprachbarrieren sowie Differenzen überwunden werden kön-nen. Und zwar auch in Zeiten, in denen rechtspopulistischePositionen Gefahr laufen, wieder gesellschaftsfähig zu werden.Und das gibt auf jeden Fall Anlass zur Hoffnung.

***

FEMINISMUS HEUTE

von Nguyenová Van Anh

«Hillary Clinton wird nie eine Präsidentin. Frauen sollennicht einen Staat führen. Die meisten Leute, die sie wählen,sind Feministen!»

Der Begriff Feminismus wird heute oft falsch verstanden undinterpretiert. Die meisten Leute stellen sich eine Frau deseinundzwanzigsten Jahrhunderts vor, die übertriebene, oftradikale Ansichten über Männer und Forderungen an Männerhat. Quellen und Ideen der Bewegung für die Rechte derFrauen gehen viel tiefer...Das primäre Ziel war, die grundlegenden Menschenrechteund Wahlrechte erreichen, den gleichen Status wie Männerhaben und dem Druck der Männer zu entkommen. Kein Zielwar, dass in Europa Matriachat und Vielmännerei einsetzen.Ich würde wahrscheinlich auch in der Bewegung aktiv partizi-pieren, wenn ich in einer patriarchalen Welt geboren wordenwäre. Frauen aus der Vergangenheit haben ein stereotypesLeben gelebt, in dem sie kein Entkommen hatten. Und weilSie kein Rechte und keine Ausbildung hatten, hatten sie auchkeine Chance, ernsthaft beruflich zur Geltung kommen. Undwährend die Männer im Laufe der Jahrhunderte jeden Tagzahlreiche Möglichkeiten bekommen haben, musste sich dieFrau ohne Protest um die Kinder kümmern und im Haushaltbleiben. Sie hat vielleicht nicht einmal gemerkt, dass sie, hätteGleichberechtigung geherrscht, außerhalb des Familienlebenseine Karriere hätte haben können. Sie hat es getan, weilniemand sie gefragt hat, ob sie es machen wollte. Also hatsie sich diese Frage selbst gestellt. Ist das, das Leben, das ich

85

Page 86: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

leben will? Ohne das Recht auf meine eigene Meinung undSelbstentwicklung? Die Antwort war klar: «Nein. Ich werdenicht im Schatten eines Mannes sitzen. Ich allein entschiede,wie ich mein Leben leben werde! Ich mochte auf meineneigenen Füßen stehen und den Weg bestimmen.»Die feministische Bewegung war damals bestimmt ein großerVorteil für die Gesellschaft (besonders für die Frauen). MeinerMeinung nach sollen wir auch jetzt diese feministische Ideeim vernünftigen Maß haben. Wichtig ist aber, den Kontextund historische Entwicklung zu kennen. Wir können Männerntäglich beweisen, dass wir genau so intelligent und unabhän-gig sind. Es hängt nicht von Gender, sondern von Erziehung,Selbstentwicklung und Zielstrebigkeit jeder Frau ab.Ich denke, dass ich einige Werte und Meinungen mit Feminis-tinnen teile. Aber nicht mit denen, die stolz nur behaupten,Feministinnen zu sein und dabei eine undemokratische Or-ganisation der Gesellschaft fördern (zugunsten von Frauen).Diese radikale Idee lehne ich ab. ich denke an die Frauen,die alle Herausforderungen durch das Leben durchgemachthaben und erfolgreich waren oder sind. Ihre Namen hörenwir in verschiedenen Kontexten, z.b. Maria Theresia, MarilynMonroe, Mary Wollstonecraft, Margaret Fuller, Coco Chanel,Malala Yousafrai... Alle diese Frauen sind ein Beweis dafür,dass trotz aller Vorurteile, Frauen immer in der Lage sind,große Dinge zu tun.

86

Page 87: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

WIE ARBEIT SCHAFFEN?

ES GIBT IMMER WAS ZU TUN

von Rosa Degenhardt

Es gibt immer etwas, das getan werden muss, um sich danachSchönerem zuwenden zu können. Das ist die Arbeit. Wasim eigenen Hauhalt gerne auf andere abgeschoben wird, istin den meisten Volkswirtschaften heiß umkämpft. Arbeit istknapp und kostbar. Der technische Fortschritt, dazu gedacht,uns Arbeit zu erleichtern, scheint sie uns nun zu entreißen.Immer mehr Aufgaben werden von Robotern übernommen,sodass es möglich ist, die Menge menschlicher Arbeit zu ver-ringern, ohne dabei an Lebensstandard einbüßen zu müssen.Der amerikanische Ökonom Jeremy Rifkin sagte eine 20:80-Gesellschaft voraus, in der die Arbeit von 20% der Menschenausreicht, um die Produktion aller Waren und aller Dienst-leistungen zu bewältigen. Jedem arbeitenden Menschenständen also vier gegenüber, deren Einsatz dank der Tätigkeitdes ersten und der Effizienz der Technik nicht von Nöten ist.Die Frage, die dabei fast vergessen geht, ist die nach demfür mich besseren Teil der Gesellschaft. Wer würde schon inAbhängigkeit von einer kleinen Gruppe, in deren Händen dieSteuerung und Entwicklung der Automatisierung liegt, lebenwollen. Dass diese Konstellation enorme Spannungen undGefahren birgt, ist so nachvollziehbar, wie die Demütigung,die mit dieser Deklassifizierung einhergeht.

Es mag an den gesellschaftlichen Vorstellungen liegen,die dereinst überholt sein werden, dass ein Leben ohneBeitrag zur Gemeinschaft, ohne Arbeit kaum als ein erfülltesangesehen wird. Vielleicht ist das Bedürfnis danach, daseigene Dasein durch Arbeit zu rechtfertigen, anerzogen undbald ein sinnloses Relikt. Die Verdacht jedoch, dass einTag, ein Leben in einem solchen System aussehen könnte,wie von Ray Bradbury in Fahrenheit 451 entworfen, voll vonAblenkung und Betäubung, ist nicht abzuwenden.Ob sich die Gesellschaft so weit oder überhaupt in dieseRichtung entwickeln wird, ist nicht sicher, wohingegen derVerlust von Arbeitsplätzen im Zuge der Modernisierung fürviele schon zur traurigen Gewissheit geworden ist. Es schautaus der Sicht dieser Menschen vielleicht wie natürlich aus,

87

Page 88: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

aus einigem Abstand jedoch wirkt es völlig absurd, dassjeder erhaltene und erschaffene Arbeitsplatz bejubelt wird,als sehnten wir uns nach nichts mehr, als nach mehr Arbeit.Das Paradox löst sich auf, wenn man sich klarmacht, dass esnicht um die Arbeit an sich geht, sondern um Arbeitsplätze,die Möglichkeit also, für Arbeit bezahlt zu werden.Es ist nicht nur aus Sicht eines Unternehmers richtig, einemenschliche Arbeitskraft durch eine effizientere Maschinezu ersetzen. Die Kosten werden somit gesenkt, der Gewinnmaximiert. Mit letzterem können wiederum Menschen fürihre Arbeit bezahlt werden, indem man sie anstellt oderihre Waren oder Dienstleistungen in Anspruch nimmt. DieAutomatisierung hat uns Arbeit abgenommen und damit dieMöglichkeit geschaffen, uns anderer Arbeit zu widmen, diemöglicherweise wiederum Neuerungen mit sich bringt. Esist der pure Fortschritt.

Warum schwinden dann aber Arbeitsplätze, warum gehtmit der Technologisierung Armut einher?Gier ist es, die imbeschriebenen Kreislauf den Rückfluss der Gewinne in Ar-beit verhindert. Die Einkommensquote, also der Anteil allerArbeitseinkommen (aus der Selbständigkeit wie als Arbeit-nehmerlohn) am Volkseinkommen, ist seit den 70er-Jahrenweltweit gesunken. Im Gegenzug wird ein immer größererTeil der Einnahmen aus Kapitaleinkünften erzielt. Für deneinzelnen ist es zwar schön, wenn das angelegte Geld sicheinfach so vermehrt, aber mit einem distanzierteren Blick istnicht zu übersehen, dass es natürlich nicht das Geld ist, dasuns leben lässt, sondern Nahrung, Behausung, Infrastrukturetc. und diese Dinge nicht durch Geld entstehen, sonderndurch Arbeit. Geld, das nicht dazu verwendet wird, Arbeit zuermöglichen, verhindert all dies. Nicht die Technik gefährdetdie Arbeitsplätze, sondern die Gier, Gewinn zu machen, aberdiese Gewinne nicht wieder in die Arbeitswelt zurückzuge-ben. Vor dieser Gier sind Bedenken tatsächlich berechtigt. Sieblockiert einen tatsächlichen Fortschritt, der nicht wie vielejetzige Produktionsprozesse Produktivität auf Kosten der Na-tur vortäuschen. Ressourcendebatten und Umweltzerstörungzeigen, dass die heutigen Produktionsweisen nicht nachhaltigfunktionieren. Besonders in diesem Bereich wird noch vielAufwand nötig sein, um Möglichkeiten zu entwickeln, diegeringen Aufwand mit Nachhaltigkeit vereinbaren.Auch ohne den Misstand der Umweltzerstörung ist die Not-

88

Page 89: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

wendigkeit menschlicher Arbeit nicht zu übersehen. Solangenoch Armutsbekämpfung zuoberst auf der Liste der «Sustaina-ble Development Goals» steht, wie sie von der UN formuliertwurde, weil 836 Millionen Menschen in extremer Armut leben,sollten nicht Millionen von potentiellen Arbeitskräften darangehindert werden, dem Abhilfe zu schaffen. Und wenn nie-mand mehr Hunger leidet, alle gesundheitlich versorgt sind,jedes Kind zur Schule geht und dies alles wunderbar imEinklang mit unserer Umwelt von statten geht, auch dannwird es dank des Ideenreichtums nicht an Arbeit fehlen.«Es gibt immer was zu tun», nicht nur für jene, die, wie esdieser Spruch aus der Werbung eines deutschen Baumarktsversucht, zu passionierten Heimwerkern und treuen Kundengemacht werden sollen.Bisher jedoch bekommen nicht alle etwas ab vom Segen desFortschritts. Um zu erreichen, das Technik nicht nur Einzelnebereichert, sondern umfassende Verbesserungen ermöglicht,ist sicher auch der Staat gefragt, aber zugleich sind wir alleselbst gefordert.Wir als junge Generation, die sich hierzulande fragt, warumausgerechnet ihr im Gegensatz zu unseren Eltern und Großel-tern, keine leichtere Zukunft vorhergesagt wird, können unsereVernunft und Humanität einsetzen, um uns selbst aus dieserverqueren Situation zu befreien. Jetzt sind wir die GenerationPraktikum, die nicht mehr darauf vertrauen darf, für ihre bra-ven, stetigen Bemühungen mit einem sicheren Arbeitsplatzbelohnt zu werden. Aber wir können auch diejenigen sein,deren Kinder nicht mehr angstvoll auf die moderne Technikund ratlos auf den Klimawandel blicken. Es ist machbar, wennunser Egoismus nicht die modernen Errungenschaften derTechnik und Wissenschaft zunichte macht.

Für mich persönlich gilt, ganz abgesehen von allen Überle-gungen, die ich zur Notwendigkeit, die Arbeitsfähigkeit derMenschen zu nutzen, angestellt habe: Ich möchte schondeshalb nicht zu den 80 untätigen Prozent einer Gesellschaftgehören, einfach weil es mir Freude macht, zu sehen, wasich tun kann, wenn ich mich anstrenge und weil eine Welt,die ich mitgestalten kann, mir mehr bedeutet, als eine, diemich bloß füttert und unterhält. Für mich ist es eine schöneVorstellung, dass wir die Welt alle zusammen am Laufen hal-ten. Darauf, dass wirtschaftliche Entscheidungen in Zukunftmit der Weitsicht und Rücksicht getroffen werden, die auf

89

Page 90: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

solchen komplexen Gebieten angebracht sind, hoffe ich mitden Worten Stefan Zweigs (die zugegebenermaßen in einemanderen Zusammenhang standen, was ihrer Gültigkeit aber inmeinen Augen keinen Abbruch tut):

Seien wir also entschlossen und geduldig zugleich: Lassen wir unsnicht beirren durch alle Unvernunft und Unhumanität der Zeit,

bleiben wir dem zeitlosen Gedanken der Humanität treu – es istnicht so schwer! Überall können einige Menschen, die guten Willens

sind, das Wunder vollbringen, sich zu verstehen.

Aus: zusammen leben, eljub E-Book Woche 2016, Hrsg. von WalterGrond, Gabriele Kögl, Beat Mazenauer und Veronika Trubel

***

VON GEGENWART UND ZUKUNFT:ein Nachdenken über Jugendliche und Erwachsene

von Lena Haiden

Kurze Anmerkung zum Beginn: Im Rahmen des ELJUB-Dialogs, wurde manchmal betont, wie jung und jugendlichdoch die Teilnehmer wären, diesen Umstand finde ich manch-mal, allgemein merkwürdig, so habe ich mir dies zum Anlassgenommen über Generationenunterschiede nachzudenken.Dies ist in keinster Weise ein Vorwurf oder ein Plädoyer, esist nur ein Beobachten und Nachdenken, das vielleicht zumselben anregen soll.Manchmal wundere ich mich, warum Leute nach meiner Mei-nung als Jugendliche fragen. Meinen sie, meine Arbeit seigut für eine junge Erwachsene, oder weisen sie mich direktauf mein Alter hin, indem sie meinen, ich sei zu jung, oderhätte keine Ahnung vom Diskussionsgegenstand oder ja dasstimme schon, was ich so sage, aber ich sei ja auch nicht wiedie anderen Jugendlichen?Ich sage nicht, dass mein Alter mich zur Allwissenden oderAlleskönnenden macht, nein ich habe noch viel zu lernen, unddas weiß ich, und alles ist dann doch ein zu großes Ziel fürjeden Menschen, egal welchen Alters. Aber es ist trotzdemmerkwürdig oder? Ich sage meiner Großmutter auch nicht: dubist zu alt, um mitzureden. Ich sage meinem Vater auch nicht,wie er kocht das sei doch super für einen 50-Jährigen und

90

Page 91: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

meine Tante frage ich manchmal nach ihrer Meinung, undnicht nach ihrer Meinung als Erwachsene.Dies führt mich zu der Frage: Warum differenzieren wirüberhaupt so stark zwischen den Generationen? Was unter-scheidet sie? Die Antwort auf die zweite Frage ist leicht:ihr Alter. Ein Teenager ist nun mal per Definition zwischen13 und 19 Jahre alt und wenn man sich einen Erwachsenvorstellt, stellt man sich nun mal meistens jemanden um die30 oder älter vor.Was bewirkt nun dieses Alter, das wir manchmal so starkdifferenzieren, dass es andere Gesetze für Jugendliche gibt,das sie manchmal von ihrer Umwelt vollkommen andereswahrgenommen werden, als ihre um ein Jahrzehnt älterenMitmenschen? Ich würde sagen, es setzt sich aus zwei Kom-ponenten zusammen: Einerseits durchgeht jeder Mensch inseinem Leben so etwas verschiedene Phasen, die Kindheits-jahre prägen jemanden stärker, als seine Jugend, die Jugendist nun mal (mit seltenen Ausnahmen) eine Zeit des sich-selbst-neu-kennenlernen und seinen kleinen Rebellen in sichzu entdecken, weil man vor Hormonen überkocht wird und soweiter und so fort. Andererseits prägt einen auch maßgeblich,in welcher Zeit man aufgewachsen ist. Weil ich im Jahr 1998geboren bin gehören für mich die neuen Medien fast zu einerSelbstverständlichkeit. Weil ich im Jahre 1998 geboren bin,kann ich nicht in Schilling umrechnen und der Euro ist fürmich die einzige Währung mir der ich wie selbstverständlichumgehen kann. Weil ich im Jahre 1998 geboren bin sind mei-ne hochgehaltenen Kindheitsfilme eben die Filme, die in derZeit herauskamen. Für meinen Vater aus dem Jahrgang 1966sieht die Welt ganz anders aus. Aber durch ihn kenne ichzum Beispiel Dias und Floppy Disks, weiß von Schilling-EuroUmrechnungsformeln und habe Winnetou gesehen.Mein Punkt ist hier nicht, dass Jugendliche und Erwachseneirgendwie doch alle gleich sind und man sie deshalb gleichbehandeln sollte. Nein, denn was mich und meinen Vatertrennt sind 32 Jahre. 32 Jahre Lebenserfahrung. Ich machein meinem Leben Fehler, die mein Vater nie begehen würde,zum einen weil er ein ganz eigenständiger Mensch ist, dergrundsätzlich anders handelt, zum anderen weil er den Fehlervielleicht schon gemacht, oder auf eine andere Weise miterlebthat, vielleicht als er selber 18 war. Jugendliche haben die-sen Erfahrungsschatz nicht und bedürfen deshalb manchmal

91

Page 92: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

besonderen Schutz, um diesen Mangel an Erfahrung zu kom-pensieren. Trotzdem sollte man sie nicht von Diskussionenausschließen oder sie in eine eigene Kategorie zu stecken,oder in ein Stereotyp verfrachten, aus dem sie nicht mehrherauskommen. Sondern man sollte sie umso mehr einschlie-ßen, damit sie vom Erfahrungsschatz der Erwachsenen lernenkönnen. Und es ist nicht so, als hätten Jugendliche nichts zubieten in der Diskussion, sie sind eine zusätzliche Meinung,eine neue Perspektive und ein zusätzliches Hirn, um Problemezu lösen.Mir ist sehr wohl bewusst, dass ich sogar in diesem Nachdenk-prozess, der darüber handelt, das eine starke, ich würde sagenübertriebene Differenzierung zwischen den Generationennicht wünschenswert ist, selbst stark zwischen Jugendlichenund Erwachsenen unterschieden habe, dies ist vielleicht demFakt zu zuschulden, dass es sehr wohl Unterschiede gibt,die auch behandelt werden müssen und wie soll man eineDifferenzierung ansprechen, wenn man selbst anfangs nichtdifferenziert?Vielleicht steckt die Wurzel dieser extremen Differenzierungwoanders, denn die Erwachsen sind auf keinen Fall die ein-zigen, die sich einer Generalisierung aufgrund eines Altersschuldig gemacht haben. Dafür habe ich zu viele Beschwer-den von Gleichalterigen über «die kleinen Kinder, die jetztschon ein iPad haben» gehört. Vielleicht muss einfach jederund jede jedes Alter akzeptieren, dass Alter nur einen Bruch-teil über eine Person aussagt und man nicht annehmen kann,dass Menschen aufgrund ihres Alters gleich sind.Was auch in meinen Augen keinen Sinn gibt ist diese Un-terteilung von 90er-Kindern und 2000er Kinder. Ich bin 1998geboren und zähle damit theoretisch zu den 90er-Kindern,habe aber mit jemanden der im Jahr 2001 geboren ist miteiner hohen Wahrscheinlichkeit mehr von den Umständenwie wir aufgewachsenen sind gemeinsam als jemand der imJahr 1991 geboren ist, aus dem einfachen Grund, weil derAltersunterschied einmal drei Jahre beträgt und das andereMal sieben Jahre.Die Schlussfolgerung ist dann wohl, der klischeehafte Satz,dass Alter nur eine Zahl ist und wenig bis nichts über einePerson aussagt. Ein anderer Satz, der mindestens genausoklischeehaft ist und auch so wahr ist wohl, dass die Jugenddie Zukunft ist. Denn das ist im Prinzip reine Statistik. Es

92

Page 93: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

ist wahrscheinlicher, dass mehr der heutigen Jugendlichenleben als der heutigen Erwachsenen.Es wird aber selten der Umkehrschluss getroffen, denn wenndie Jugendlichen die Zukunft sind, dann sind die Erwachse-nen (und auch die Jugendlichen dieser Zeit) die Gegenwart.Einer Gegenwart die in der Zukunft die Vergangenheit seinwird, und die die Zukunft prägen wird und somit die bessereZukunft vorbereiten muss, damit die Zukunft keine schlechtereVersion der Gegenwart sein wird.

93

Page 94: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

WIE KÖNNEN WIR EUROPA NEU GESTALTEN?

DAS HOCHHAUS EUROPA

von Viktor Klochko & Anže Mediževec

Wer in einem großen Haus wohnt, weiß ganz gut, wie einsolches enges Zusammenleben mit Nachbarn aussieht. Wirwissen von vielen Nachteilen, wie zum Beispiel von endlosenStreitereien mit den Nachbarn um die Aufräumung oder vonunerträglichen Versammlungen. Dennoch ist das Wohnen ineinem gemeinsamen Haus nicht so schrecklich und hat auchseine Vorteile. Schließlich sind die Wohnkosten für jedenHaushalt niedriger und technische Unfälle sowie sonstigeSchwierigkeiten können von speziellen Diensten beseitigtwerden.

Natürlich, in einem eigenen Haus fühlt sich man bequemerund begegnet seinen Nachbarn nur selten. «Mein Haus –meine Burg,» sagt man in Tschechien. Hat man aber eineBurg, muss man auch damit rechnen, dass die ganze Pflegeseiner Festung auf den eigenen Schultern liegt. Oder auf deneigenen Kosten.Jeder kann sich für seine Traumwohnung entscheiden. Je-mand fühlt sich besser auf seinem unantastbaren Territorium,andere ziehen ein praktisches Zusammenleben vor.

Am Ende des 20. Jahrhunderts ist von 12 Familien ein Hauserbaut worden. Die ersten Einwohner nannten das Haus «DieEuropäische Union». Schon damals wussten sie, dass sie eingroßes Hochhaus bauen sollten, damit alle Menschen, die inder Umgebung wohnen, da hinein umziehen können.

Ganz am Anfang war es nötig, eine Hausordnung einzuführen.So haben die Bewohner den Hausrat, das Hausparlament, dieHauskommission und sogar den Gerichts- und Rechnungshofgegründet. Ihr Haus war das beste und das schönste in derganzen Umgebung und das Interesse für eine Wohnung dortstieg rapid an. Viele Familien aus nahen Kleinhäusern zogenum und waren mit ihrem neuen Wohnen sehr zufrieden. Alsletzte zogen die Familien ein, die früher in der Mehrheitim Ostblockhaus wohnten, aber nach seinem Zerfall kurzobdachlos wurden.

94

Page 95: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

Schließlich wohnten im Haus 28 Familien. Laut Hausver-fassung galt da kein Reziprozitätsprinzip. Jeder Haushalttrug zum gemeinsamen Unterhalt genauso viel bei, wie erkonnte. Aus diesem Fonds wurde die gemeinsame Infra-struktur gewartet, aber auch finanziell schwächere Familienwurden unterstützt. Jede Familie konnte ihre Wohnung nachihrem Wunsch einrichten, trotzdem wurden einige Dingestandardisiert, wie zum Beispiel Wasserleitungsrohre oderElektrizitätssteuerung, damit sie einfacher bedient werdenkönnen. Das gefiel nicht jedem, aber so wurde das Wohnenim Hochhaus einfacher und allgemein wohnte man dort ganzbequem.

Nun, kein Material ist ewig und nach einigen Jahren wardas Haus nicht mehr so perfekt wie früher. Die Fassade warschon ein bisschen angegriffen und das Dach war ziemlich alt.Als in einem Sommer starke Regen kamen, floß das Wasserdurch die Lücken hinein und überflutete die Dachwohnungen,die ganz oben waren. So ging es nicht mehr weiter, deshalbhaben sich manche Bewohner darauf geeinigt, dass es nötigist, das Haus zu reparieren. Die Idee war ganz toll, aber dieRealisation war sehr schwer. Alle waren sich bewusst, dasseine Reparatur notwendig ist, aber die Hausgemeinschaft wargar nicht fähig, zu einer Übereinkunft zu kommen, wie genaudas Haus repariert werden sollte.

Eines Tags schaute es sich an, als ob eine Zustimmung schonam Horizont ist. Dann passierte plötzlich etwas, was niemanderwartet hat. Eine Familie hat sich entschieden wegzuziehen.Weil in allen Haushalten schon lange die demokratischenPrinzipien herrschten, stimmte die Familie, die einem dermittleren Stockwerke wohnte, darüber ab, ob sie im Hausbleiben oder das Haus verlassen sollen. Das ganze Hauswar total gespannt und am nächsten Tag total schockiert –die Familie entschied ganz klar, dass sie das Haus verlassen...Auf der Hausversammlung haben sie erklärt, dass sie mit denVerhältnissen im Haus nicht mehr zufrieden sind. Sie regtensich auf, dass sie immer mehr, als alle andere, in den Fondszahlen müssen, aber nichts zurück bekommen. Auch kamenimmer wieder Besucher aus anderen Wohnungen zu ihnen,was störte. Und die Farbe der Fassade war ihrer Meinungnach total schrecklich.

95

Page 96: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

Das Haus wurde vor vielen Jahren freiwillig gegründet,deshalb hatte niemand ihren Wegzug verhindert. Nur dieKinder waren im Haus immer glücklich und wollten nichtumziehen. Sie weinten, baten ihre Eltern, im Haus zu bleiben,aber nichts half. Der ältere Sohn hat gesagt, dass wenn eraufwächst, er ins Haus zurückkehren wird, aber das bliebimmer sein Kindertraum.

Eine Wohnung blieb leer. Die Nachbarn hörten keine Schrit-te und kein Lachen mehr daraus. 27 Familien wohnten immernoch im Haus und alles funktionierte genauso wie früher.Doch die Luft war dichter und jedem war klar, dass noch et-was passieren könnte. Niemand hat das einander laut gesagt,aber fast jede Familie begann an einem Umzug zu denken.

Niemand wollte mehr gemeinsam leben. Alle träumten vonihrem eigenen Haus und die Werte, die sie vor einigen Jahrenso geschätzt haben, bedeuteten für sie plötzlich nichts. DieJahre vergingen und fast alle Familien zogen nacheinanderweg. Manche kehrten in ihren Villas und Familienhäuserum, andere in Bungalows, die, die noch kein Haus hatten,stellten Zelte auf, aber niemand wollte im Haus bleiben. Indem Haus, das ihre Eltern und Großeltern erbaut hatten,das immer ein festes Fundament und gute Wände hatte undnur kleine Reparaturen brauchte, damit seine Bewohner imFrieden wohnen konnten.

*

Die Zeit verfloss, die Generationen wechselten sich ab undneue europäische Familien dachten langsam daran, dass esso gut wäre, zusammen in einem großen Haus zu wohnen.Sie hatten einen Plan und eine Zeichnung des eventuellenHauses. Sie haben den Kostenvorschlag gerechnet, aber zujenem Moment konnten sie sich solch einen teuren Baunicht leisten. Und im Hintergrund stand die Ruine des altenHochhauses Europa...

Aus: zusammen leben, eljub E-Book Woche 2016, Hrsg. von WalterGrond, Gabriele Kögl, Beat Mazenauer und Veronika Trubel

***

96

Page 97: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

ÜBER UNS

von Susanne Schmalwieser

Es ist 2016 und wir sitzen ausgebrannt in irgendeinem Keller,sind zu müde, um zu schlafen und zu wach, um zu ver-zweifeln; einmal, als wir noch ganz klein waren, wollten wirGeschichte schreiben. Wollten tapfer wie Löwen und starkwie Bären sein, aber ja, was soll’s, wir waren eben klein.Heuer ist 2016 und obwohl wir jetzt schon fast erwachsensind, leben wir, wie damals auch schon, gern in unserer Regen-bogenwelt. Wir denken in Farben, ordnen die Menschen nachWellenlänge und verstecken uns, wenn die Wolken kommen,den Wolken sind Dampf und Dampf macht benommen, erverwirrt uns, irritiert uns, deshalb hören wir auf zu denken,sobald unsere Köpfe rauchen. Früher einmal wollten wir Ge-schichte schreiben, doch dann, irgendwann, stand die Zukunftvor der Tür, sagte zu uns, Glückwunsch Leute – ihr seid dieJugend von heute.Heute ist 2016 und wir sind verdammt noch mal noch nichtbereit. Zwar voller Kraft in der Nacht doch die Sorgen amMorgen tun weh, sie werden uns zu viel und wir wollenanhalten, stehenbleiben, die Notbremse ziehen und dieserelenden Zukunft fürs erste Entfliehen. Wir wollen saufen,rauchen, untertauchen, uns ins Gras legen, vom Kiffen reden,wollen die Hitze der Leidenschaft mit Coolness kühlen. Wirwollen Bad Girls, wollen Bad Boys, wollen Bonny und Clydesein, nur ohne den Schmerz, und wir können es uns ja leistenLeute, denn wir sind die Jugend von heute, spüren die Kraftnur in der Nacht und tun alles, um sie zu vermeiden, all dieSorgen, wegen morgen.Wir fragen uns, wieso unsere Stadt, unsere Familie keineneigenen Einstein, Newton oder Goethe hat, wieso wir Hymnenmit Einheit verbinden, wenn keiner von uns die Fanfarenspielt, beschweren uns, dass auch die nettesten Omas undOpas am Wahlzettel plötzlich weniger lieb sind, daraufhin.Statt in Freundschaft aufzugehen, spielen wir Flaschendrehen,weil in einer fünfzigmal grau schattierten Welt ja nichtsverrucht genug sein kannWir wollen einfach nur küssen und dabei vergessen, dassselbst Smalltalk irgendwann zum Bigtalk wird, zu langenGespräche über die weite Welt.Wir lassen uns das Herz verwirren von Worten, die durch

97

Page 98: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

Köpfe schwirren. Wir wollen eines werden mit der Person un-seres Lebens, suchen nach Glück doch wir suchen vergebens.Darum denken wir, dass abkapseln glücklich sein heißt, dassLästern und Streiten zusammenschweißt.Die Welt liegt uns zu Füßen und anstatt sie dafür zu küssen,sie als fliegenden Teppich zu sehen, treten wir auf sie ein,beschweren uns über das System, dabei, Leute, sind wir dochdie Jugend von heute. Haben Kraft in der Nacht, doch manredet immer nur über all die Sorgen, wegen morgen.Es ist schon bald 2017 und wir sitzen ausgebrannt in irgend-einem Keller, sind zu müde um zu schlafen, und zu wach,um zu verzweifeln. Meine Frage an uns ist nun: Wollenwir nicht Geschichte schreiben? Wollen wir nicht die Weltverändern, nach den Sternen greifen? Wir denken, wir tun derWelt etwas Gutes, wenn wir uns zurückhalten, aber Leute,der Welt ist es egal, es geht um uns.Denn Leute, wir sind die Jugend von heute. Voller Kraft inder Nacht und die Sorgen, wegen morgen, die hatten dochschon Einstein, Newton und Goethe. Die hatten doch schonOmas und Opas und wir selber, gestern, obwohl es uns heutedoch gut geht.In Wahrheit sind Sorgen doch nur Experimente unserer ge-langweilten Fantasie und heute, heute ist die Zukunft.

Machen wir etwas daraus.

***

GEDANKEN AUS POLEN

von Aimee Jeluk und Natalia Gryskowska

Die Gelegenheit, über Themen mit europäischer Bedeutungmit Jugendlichen unseres Alters, zu diskutieren hat unsereVorstellungskraft verstärkt und uns geholfen, über die aus-gewählten Themen nachzudenken. Polen, als eine von denbuntesten Gruppen in Bezug auf die Herkunft, mit Mitgliedernaus Australien und Deutschland hat noch einen Hauch vonweltweiten Aspekten in die Diskussionen hinzugefügt. Dieleichte und fröhliche Atmosphäre des Karikaturenmuseumsam Morgen hat unsere Gedanken verstärkt und sie schnellund klar in die Diskussion eingefügt. Jedoch waren die The-men zum Ende des Tages hin ziemlich erschöpft, bis wir

98

Page 99: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

sie mit Politikern besprechen durften. Die Idee des Tagesaber war einen Besuch wert. Die Überschwemmung vonverschiedenen Standpunkten von Jugendlichen aus anderenLändern trug zu unserem Verständnis der Themen und dereuropäischen Probleme bei. Trotz der Vielfalt an Ländern,Kulturen und Sitten, stellte sich heraus, dass wir Jugendlicheneigentlich oft einer Meinung sind, und, dass Konflikte aufBasis verschiedener Herkunft unsinnig erscheinen.

***

KREMSER MINORITENKIRCHE FLÜSTERT DAZWISCHEN

von Magdalena Musial

Dom heißt zu Polnisch «Haus»Gottes? Kreuzzuges? Verlogenheit?Bedenken... möchte ich raus?Will man mir auch Liebe schenken?Verständnis, Zuflucht, Philosophie?Für immer gemeinsam... oder für nie...

Dom heißt zu Polnisch «Haus»Menschen, Bekannte, Respekt und AchtBedenken... Möchte ich raus?Will man mir auch Freunde schenken?Zuhören, Ausreden in Demokratie?Für immer gemeinsam... oder für nie...

Dom heißt zu Polnisch «Haus»Wärme, Geborgenheit, Kacheln im OfenBedenken... Möchte ich raus?Will man mir Europa schenken?Union, Republik, Utopie?Für immer gemeinsam... oder für nie...

***

99

Page 100: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

MEIN EUROPA

von Lena Haiden

Europa fehlt.Europa fehlt etwas.Meinem Europa fehlt etwas.Europa fehlt ein wir.

Ein unser Europa in dem wir das unser betonenstatt das EuropaDas wir stolz betrachten und verteidigenKomme was wolleEuropa fehlt ein wir.

Europa ist überflutet von IchsIchs die das Ich vor das Europa stellenUnd das unser in unserem Europa anzweifelnEuropa fehlt ein wir

Die Ichs schreien, sie wollen ein Ich seinDas wir befiele, es gäbe kein unserJeder müsse doch er selbst sein oder?Das wäre schon immer so gewesenJeder sei immer er selbst gewesenEuropa fehlt ein wir.

Ein wir, indem sich die Ichs nicht eingeschüchtert fühlenvom angeblichen alle-gleich-sein-müssenDas Ich soll ein Individuum seinDie Ichs sollen Individuen seinIndividuen sie sich selbstständig denkend zusammenfassenUnter meinem-deinem-unserem Europa

Europa fehlt ein wirEin Wir-schaffen-das.

***

100

Page 101: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

EUROPÄISCHE EINHEIT

von Sarah Ourednícková

Die Notwendigkeit einer engeren europäischen Zusammenar-beit auf allen Ebenen war mir schon lange klar. Aber erst dieeljub Dialog-Konferenz hat mich so richtig für den Gedankeneiner Europäischen Föderation oder sogar einer EuropäischenRepublik begeistert. Wenn wir alle zusammen arbeiten, könn-te eines wunderschönen Tages so etwas wirklich entstehen.Ich hoffe, dass es meine Generation zumindest schafft, dieGrundlage dafür zu legen. Und zwar den Glauben an denGedanken der Europäische Einheit.

***

WIE

von Barbara Strasser

Wir könnten unsdas Leben einfach machen.Hinsetzenund ausruhen.

Wir müssten nichthinschauen.

Oderwir könnten unsdas Leben schwierig machen.Die Augen öffnen.Uns anstrengen.

Vielleicht sehen wirin einigen Jahrendie Früchte,deren Samen wirjetzt einpflanzen,wenn wir uns für Letzteresentscheiden

101

Page 102: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

DIE AUTOREN UND AUTORINNEN

• BULGARIEN

Gabriela Kostadinova, Daniel Nikolov

• DEUTSCHLAND

Nanna Bier, Rosa Degenhardt, Hendrik Fischer, KatharinaFranz, Maria Gazarjan, Lea Nohr

• ÖSTERREICH

Jakob Etzel, Lena Haiden, Sarah Holzknecht, Ümmü Özde-mir, Jakob Pugel, Bernadette Sarman, Susanne Schmalwieser,Barbara Strasser, Bettina Winkler

• POLEN

Mateusz Durski, Natalia Gryskowska, Aimee Jeluk, MagdalenaMusial, Alexander Ney

• RUMÄNIEN

Christian Curiac, Maria Damian, Mona Matieu, Mark Muntean,Alexandra Tulcan

• SLOWENIEN

Anže Mediževec

• TSCHECHIEN

Nicole Heimová, Viktor Klochko, Sarah Ourednícková, Nguyenthi Van anh

102

Page 103: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

DIE HERAUSGEBERIN

Veronika Trubel, geboren 1968, ist Journalistin, Autorin undPädagogin. Leiterin der eljub Europäische Jugendbegeg-nungen. Buchpublikationen u. a.: «Vom Kochen und vomLieben» (mit Christian Wrenkh, 2009), «Wachauer Kirchenerzählen» (mit Walter Grond, 2015).

103

Page 104: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

DANK

Die Herausgeberin und die AutorInnen danken dem Orga-nisationsteam der eljub Europäische Jugendbegegnungen»dafür, dass sie für die Arbeit so gute Bedingungen gebo-ten haben; das sind namentlich Wolfgang Juterschnig, ErnstSachs, Maria Huber und Anita Stadler vom Jugendreferat NÖ.Ein Dank geht auch an Gottfried Gusenbauer vom Karikatur-museum Krems, an Lucia Täubler von der Kunstvermittlungder Kunstmeile Krems und ihrem Team, Walter Grond undBeat Mazenauer für die Mitwirkung und Einrichtung des vor-liegenden E-Books sowie dem Team von ELit LiteraturhausEuropa.

Herzlicher Dank gebührt auch an unseren Tischhosts bei deneljub Dialog Konferenzen, die mit den Jugendlichen gearbeitethaben: Jakob Etzel (Mantigma/predictR), Georg Feiner (Bun-desjugendvertretung), Denise Wornig (KoordinierungsstelleJugend und Politik im Dialog) und an JugendgemeinderätinBettina Winkler (St. Egyden am Steinfeld).

Wir danken unseren Partnerorganisationen in Bulgarien,Deutschland, Polen, Rumänien, Tschechien, Ungarn, die deneljub Dialog mit ermöglicht haben, und im Besonderen denBetreuerinnen und Betreuern für gutr Zusammenarbeit: ElitzaKyulyan, Andreas Lörcher, Magdalena Musial, Mona Mateiu,Klára Lysová, Michal Strnad und Zsóka Szucs.

Wir danken dem ICM Jindrichuv Hradec für die Organisationunseres eljub Dialogs in Tschechien und hier besonders derLeiterin Marcela Kubincová, sowie wie alle jenen Grenzbeam-tInnen und Soldaten, die den Jugendlichen von ihrer Arbeiterzählten und mit ihnen diskutierten.

Wir danken Stadträtin Dr. Dagmar Engels von der Volkshoch-schule Ulm und Dr. Andreas Lörcher vom Aicher-Scholl-Kollegfür die Organisation unseres eljub Dialogs in Ulm sowieallen dort Beteiligten für die Workshops, Führungen undDiskussionen.

Herzlichen Dank allen EntscheidungsträgerInnen und Ex-pertInnen, die bereit waren, am Strukturierten Dialog bzw.an den beiden großen eljub Dialogkonferenzen in Krems

104

Page 105: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

teilzunehmen, und die dort mit Jugendlichen diskutiert undgearbeitet haben:

Prof. Norbert Gollinger, ORF-Landesamtsdirektor Niederös-terreich; Mag. Harald Hartung, Referatsleiter «Jugendpolitikund Jugendprogramm» in der Generaldirektion Bildung undKultur der Europäischen Kommission; Mag. Othmar Karas,Mitglied des Europäischen Parlaments; Prof. Harald Knabl,GF NÖ Pressehaus und Erster Chefredakteur der Nieder-österreichischen Nachrichten; Landesrat Mag. Karl Wilfing;Mag. Michael Koch, Stv. Programmchef des ORF NÖ; Mar-tin Gebhart, Chefredakteur Niederösterreichische Nachrichten;Lukas Michlmayr, Stv. Vorsitzender NÖ Jugendrat und Bür-germeister Stadt Haag; Mag. Helmuth Sturm, Amt der NÖLandesregierung; Mag. Gabriele Ecker, Amt der NÖ Landes-regierung Abteilung Kunst und Kultur; Mag. Murat Düzel,Leiter Integrationsservice NÖ LAK.

105

Page 106: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

106

Page 107: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

INDEX

Özdemir, Ümmü. . . .68, 75, 102Bier, Nanna. . . . . . . . . . . . .74, 102Curiac, Christian . . . . . . . 43, 102Damian, Maria . . . . . . . . . 43, 102Degenhardt, Rosa . . . . . . 87, 102Durski, Mateusz. . . . . . . .76, 102Etzel, Jakob . . . . . . . . . . . . 30, 102Fischer, Hendrik . . . . . . . 84, 102Franz, Katharina . . . . . . . 66, 102Gazarjan, Maria . . . . . . . . 64, 102Gryskowska, Natalia . . .98, 102Haiden, Lena . . 51, 61, 90, 100,

102Heimová, Nicole. . . . . . . .19, 102Holzknecht, Sarah . . . . . 53, 102Jeluk, Aimee . . . . . . . . . . . 98, 102Klochko, Viktor.50, 54, 94, 102Kostadinova, Gabriela . 17, 102

Mateu, Mona . . . . . . . . . . . 44, 102Mediževec, Anže. . . . . . .94, 102Muntean, Mark . . . . . . . . 43, 102Musial, Magdalena 25, 99, 102Ney, Alexander . . . . . . . . 77, 102Nikolov, Daniel . . . . . 29, 32, 102Nohr, Lea . . . . . . . . . . . . . . .83, 102Ourednícková, Sarah . . . 21, 34,

101, 102Pugel, Jakob . . . . . . . . . . . 55, 102Sarman, Bernadette70, 81, 102Schmalwieser, Susanne97, 102Strasser, Barbara . . 23, 64, 101,

102Tulcan, Alexandra . . . . . 43, 102Van anh, Nguyen thi19, 85, 102Winkler, Bettina . . . . . . . . 37, 102

Page 108: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche
Page 109: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

MATERIALSAMMLUNG

Insbesondere möglichst große und heterogene Datenmengen sind für Rokfor interessant – unabhängig davon, ob es sich um Text oder Bild oder beides handelt. Wir analysieren das Material auf explizite als auch implizite Zusammenhänge. Zentral sind dabei Fragen wie: Welche Ordnung führt zu Wissensgewinn? Wie kann via Struktur eine Narration aufgebaut werden? Welche Stich- wörter verbinden den Text? Ziel ist es, dem Leser mehrere Zugänge zum Inhalt zu verschaffen.

INHALT, ALGORITHMUS, FORM

Rokfor betrachtet automatisiertes Design als einen alternativen Zugang zu Gestaltung. Durch automatisierte Prozesse ergeben sich neue Begründungen für gestalterische Entscheidungen. Ideen für Regeln, auf denen automatisiertes Design basiert, beinhalten unter anderem Zufälle und Unschärfen durch algorithmische Positionierung und Skalierung einzelner Elemente. Zusätzlich beeinflussen klassische Raster- und Layout-Systeme die Entwicklung von Algorithmen.

ERGEBNIS

Im Zusammenspiel von Gestaltung und Programmierung werden die Layout-Templates entwickelt. Das letztlich maschinell hergestellte Dokument kann so immer wieder neu generiert werden – mit unterschiedlichen In-halten und veränderten Regeln. Rokfor stellt die Arbeit des Gestalters nicht infrage, sondern gewichtet den Arbeitsprozess anders. Die Arbeit verschiebt sich von der Gestaltung einzelner Dokumente zur Gestaltung eines einzigen Regelwerks für das komplette Ergebnis.

ROKFOR

ist eine Software, die Bücher und andere Drucksachen produzieren kann. Hinter Rokfor stehen Gina Bucher, Redaktion, Urs Hofer, Programmierung, und Rafael Koch, Gestaltung.

METHODE

Das Material fließt in eine Datenbank, die online gesteuert wird. Inhaltliche und formale Strukturen werden als Regeln formuliert, die logisch nach- vollziehbar sind und Algorithmen entsprechen. Um Inhalte zu katego- risieren, können verschiedene Tools eingesetzt werden, z.B. Listen, Stichwortmasken oder Selektoren. Rokfor besitzt auch die Fähigkeit, semantische Zusammenhänge als Netzstrukturen darzustellen, um komplexe Abhängigkeiten zwischen Materialien abzubilden.

testing

testing

testing

THEMA

IDEE

ERGEBNIS

suchen

123 123

13 123

123

311

1 2

3

123

123

123

123

123

123

123

13

1

3

123

23

MATERIALSAMMLUNG

analysieren

Konzept

Verlag Geldgeber

Produktion

Algorithmus FormInhalt

Inhalt Form

Datenbank

Layout-Templates

Neugier

Kompetenzen

Interessen

Gestaltungsregeln formulieren

ROKFOR

NEUSTART

Methode

1

PRODUKTION

Ein Klick auf Vorschau oder Document Export erzeugt ein PDF. Die modulare Struktur erlaubt es auch andere Formate, beispielsweise Webseiten, zu produzieren.

ROKFOR

Page 110: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche
Page 111: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

EDITION ROKFOR

K5.018 GINA BUCHER;Chic Politique. A catalogue

K5.016 GINA BUCHER;Français fédéral. Singen gegen den Röschtigraben

B5.111 HG. VON WALTER GROND, VERONIKA TRUBEL &BEAT MAZENAUER;Ich und die Politik. EuropäischeLiteratur-Jugendbegegnung 2015

B5.115 ED. BY WALTER GROND AND BEAT MAZENAUER;Literary trends 2015. Migrants

B5.131 ED. BY WALTER GROND AND BEAT MAZENAUER;Literary trends 2016. The Colonists

B5.104 BEAT MAZENAUER;Literatur Medien Kritik. Essayistische Streifzüge

B5.114 HG. VON WALTER GROND UND BEATMAZENAUER;Literatur Trends 2015. Thema: Migranten

B5.130 HG. VON WALTER GROND UND BEATMAZENAUER;Literatur Trends 2016. Die Kolonisten

K5.030 URS HOFER;Lost in MySpace. A Journey Into The Nirvana

B5.108 BEAT MAZENAUER;Mind the gap. London Calling

T5.103 TAZ. DIE TAGESZEITUNG;Mini Utopien. Das Wörterbuch zum taz-Kongress

W5.105 BEAT MAZENAUER UND VERONIKA TRUBEL(HRSG.);Neues Lesen neues Lernen. EuropäischeJugendbegegnung 2013 in Semmering und Tulln

Page 112: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

B5.129 DANIEL LUCHS;Sohlen aus Wind. Ein Blog

K5.008 URS HOFER;The Answer to the Final. Generated Sermons

W5.100 FISCHER, HAMANN ET AL.;Wilde Assoziationen. Der Mensch wurzelt im Traum

W5.107 HG. VON VERONIKA TRUBEL & BEATMAZENAUER;Wo sind wir denn zuhause. EuropäischeLiteratur-Jugendbegegnung 2014

B5.117 HRSG. V. W. GROND, V. TRUBEL, G. KÖGL UND B.MAZENAUER;zusammen leben. eljub EuropäischeJugendbegegnungen 2016

Page 113: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

B5.132

Page 114: Europa neu - eljub.eu · und größeren Runden und mit Entscheidungsträge- ... auch einen Text für das nun vorliegende E-Book zu schreiben. Denn es hat sich gezeigt, dass Jugendliche

B5.132

Hrsg. von Veronika TrubelEuropa neu gestalteneljub Dialog 2015 und 2016

Im Rahmen

des Strukturierten

Dialogs