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21. Germania Semitica: Biene und Imme Mit einem Anhang zu lat. apis il Für Angelika Lutz Note that we have a markedly European, even North Euro- pean, distribution for these words quite apart from the fact that Keltic *biko-, Germanic *bi-, Baltic *biti-, and Slavic *bikel- do not yield a clearly unitary simple stem. It appears strongly that these forms in *bhi- represent early borrowing from some North European source(s). In this connection, the similarity of PIE *b h ei- 'bee' to Egyptian bj.t (with the feminine gender marker -t) is striking. 3 Zusammenfassung Die Bienen-Wörter (Wurzel + bi- bzw. *bhi- mit verschiedenen Suffixen) sind auf die nordwest-indogermanischen Sprachen (Germanisch, Balto-Slavisch, Keltisch) beschränkt, das Immen-Wort (ahd. imbi, ae. ymbe 'Bienenvolk') auf die westger- manischen Sprachen. Es dürfte sich deshalb um Lehnwörter handeln. Da die Do- mestikation der Honigbiene zuerst im Alten Ägypten gelang und da es weitere Anzeichen für eine vorgeschichtliche Kolonisierung der europäischen Atlantik- küste durch hamito-semitische Völker gibt, werden die Bienen-Wörter mittels ägypt. bj-t 'Honigbiene' (auch 'Honig') und das Immen-Wort als Zusammen- setzung + HVm+bi- (> imbi-) der Bienen-Wurzel + bi- mit semit. + HVm- 'Volk' ge- deutet. Im Anhang wird lat. api-s 'Biene' auf ägypt. c fj 'Biene' ( c fj η bjt 'Honig- biene') zurückgeführt, und zwar ebenfalls als Lehnwort. Abstract The bee words (root + bi- or *bhi- with various suffixes) only occur in the north- west Indo-European languages (Germanic, Balto-Slavic, Celtic), the Imme word Brought to you by | University of Wisconsin - Madison Libraries (University of Wisconsin - Madison Libraries) Authenticated | 172.16.1.226 Download Date | 6/29/12 11:21 PM

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21. Germania Semitica: Biene und Imme

Mit einem Anhang zu lat. apisil

Für Angelika Lutz

Note that we have a markedly European, even North Euro-pean, distribution for these words quite apart from the fact that Keltic *biko-, Germanic *bi-, Baltic *biti-, and Slavic *bikel- do not yield a clearly unitary simple stem. It appears strongly that these forms in *bhi- represent early borrowing from some North European source(s).

In this connection, the similarity of PIE *bhei- 'bee' to Egyptian bj.t (with the feminine gender marker -t) is striking.3

Zusammenfassung

Die Bienen-Wörter (Wurzel +bi- bzw. *bhi- mit verschiedenen Suffixen) sind auf die nordwest-indogermanischen Sprachen (Germanisch, Balto-Slavisch, Keltisch) beschränkt, das Immen-Wort (ahd. imbi, ae. ymbe 'Bienenvolk') auf die westger-manischen Sprachen. Es dürfte sich deshalb um Lehnwörter handeln. Da die Do-mestikation der Honigbiene zuerst im Alten Ägypten gelang und da es weitere Anzeichen für eine vorgeschichtliche Kolonisierung der europäischen Atlantik-küste durch hamito-semitische Völker gibt, werden die Bienen-Wörter mittels ägypt. bj-t 'Honigbiene' (auch 'Honig') und das Immen-Wort als Zusammen-setzung +HVm+bi- (> imbi-) der Bienen-Wurzel +bi- mit semit. +HVm- 'Volk' ge-deutet. Im Anhang wird lat. api-s 'Biene' auf ägypt. cfj 'Biene' (cfj η bjt 'Honig-biene') zurückgeführt, und zwar ebenfalls als Lehnwort.

Abstract

The bee words (root +bi- or *bhi- with various suffixes) only occur in the north-west Indo-European languages (Germanic, Balto-Slavic, Celtic), the Imme word

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(NHG Imme 'bee', OHG imbi, OE ymbe '[swarm of] bees') only in the West Ger-manic languages. They are thus likely to be loan-words. Since the domestication of the honey-bee was first Γ 4 7 2 achieved in Ancient Egypt and since there are other indications of a prehistoric colonization of the European Atlantic littoral by Ha-mito-Semitic peoples, the bee words are explained by means of borrowed Egypt, bj-t 'honey-bee' (also 'honey') and the Imme word as a compound +HVm+bi- (> imbi-) of Semit. +HVm- 'people' and the bee root +bi-. The appendix offers an etymology of Lat. api-s 'bee' as borrowed Egypt. °fj 'bee' (cfj η bjt 'honey-bee').

21.1. Vorbemerkung

Die Wörter Biene und Imme (wie auch lat. apis 'Biene') haben keine brauchbare Etymologie. Sie dürften also aus nicht-indogermanischen Spra-chen entlehnt sein. Das überrascht nicht. Zwar für niedere Tiere der ver-schiedensten Art wird es in allen Sprachen Wörter geben. Aber die Biene ist, als Honigbiene, nicht irgendein niederes Tier, wie etwa der Salamander, dessen Name aus einer beliebigen Sprache entlehnt sein kann, dessen Spre-cher das Tier kennen und nennen. Sie ist vielmehr ein domestiziertes Tier, ein Tier einer höheren Kultur, wie sonst noch der Stier, die Geiß, der Eber. Es ist deshalb zu erwarten, daß der Name der Biene nicht aus denjenigen Sprachen entlehnt ist, aus denen wir die Namen primitiver Tiere entlehnt haben, etwa den vaskonischen Sprachen, sondern aus denjenigen, denen wir auch die Namen sonstiger domestizierter Tiere verdanken, den ha-mito-semitischen Sprachen, wie eben z.B. Stier, Geiß und Eber.4

Im ersten der beiden Leitsprüche, die ich meiner Betrachtung vorange-stellt habe, wird ein Lehnursprung unseres Bienen-Wortes im Norden ver-mutet, und im zweiten wird, ohne daß eine Lehnbeziehung oder ein sonsti-ger Zusammenhang behauptet oder auch nur angedeutet würde, die laut-lich-semantische Übereinstimmung mit einem Bienen-Wort des Südens festgestellt. Was in isolierter Betrachtung wie ein unüberbrückbarer Wider-spruch erscheinen muß, findet im Rahmen meiner Theorie einer vorge-schichtlichen Kolonisierung der europäischen Atlantikregionen durch ha-mito-semitische Seefahrer5 eine überbrückende Synthese. Wie sich zeigen wird, kommen in meinem Aufsatz die Leitsprüche zur Deckung. Γ473

21.2. Die Bezeugung des Bienen- Wortes

Schauen wir zunächst, was einige Etymologen zu Biene und Imme zu sagen haben. Bei Kluge/Seebold6 ist zu lesen:

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Biene f . (< 8. Jh.). Mhd. bin(e), bin, ahd. bina f., bini n., as. bina n. aus vd. *bi-n-i- n. 'Biene' neben Formen mit Dehnung und neben g. *bi(j)ön n. 'Biene' in an. by η., ae. beo η., as. bia, ahd bia zu ig. (w./oeur.) *bhi- 'Biene', auch in akslav. biöela (*btlikelä), lit. bite und mit e-Vokalismus air. bech (*b^ekos). Weitere Herkunft unklar.

Th. V. Gamkrelidze und V.V. Ivanov7, die eine Wurzel *bhe(i)- annehmen, setzen explizit zwei Ableitungsreihen an, eine mit *-th- (traditionell *-/-), zu der sie noch lit. bitis, lett. bite 'Biene', apreuß. bitte und zum Vergleich kymr. bydaf 'Bienenkorb' stellen, und eine mit *-kh- (traditionell *-£-), zu der sie die obigen fc-Formen und, mit einer Ablautform *bho(i)-kh-, lat. fücus 'Drohne' stellen.8 - Bei W. Pfeifer et al.9 steht außer den Belegen die folgende Angabe:

Als wahrscheinlichste Ausgangsform läßt sich ein i.e. *bhi- erschließen. Wei-tere Anknüpfungen an Verbalwurzeln bleiben unsicher; etwa über i.e. *bh(n)i-Anschluß an die unter bauen (s.d.) behandelte Wurzel (im Sinne von 'Waben bauen'), oder an die unter beben (s.d.) angeführte Wurzel (mit einem vorauszu-setzenden Bedeutungsübergang 'beben, schwirren').

Die folgende, sich anschließende Feststellung der Autoren dient offenbar dem Zweck, die verschiedenen Lautformen - im Vokalismus und den Ter-minationen - zu erklären:

Da die Biene als Honig und damit als Süßstoff spendendes Tier hochgeschätzt war, können die unterschiedlichen Namensformen auch als tabuistische Ent-stellungen betrachtet werden, um das Tier durch korrekte Namensnennung nicht zu vertreiben.

Doch halten die Autoren offenbar nicht nur diese tabuistische Deutung der Formenvielfalt und jene weiteren Wurzeln, sondern sogar ihr indogermani-sches Rekonstrukt *bhi- nicht für sonderlich wahrscheinlich, stellen sie es doch anschließend selbst in Frage: Γ 4 7 4

Die kelt.-germ.-baltoslaw. Bezeugungen erlauben allerdings auch die Vermu-tung, den Namen als Wort eines vor-ie. Substrats anzusehen, das den jeweiligen Sprachen unterschiedlich angepaßt wurde (DE VRIES Nl. 57).10

Auch im OED" findet sich keine schlüssige Etymologie. Dort werden zunächst die in der englischen Sprachgeschichte belegten Formen angege-

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ben: „1-3 beo, 3-9 bee (5 by, 5-6 be, 6 bey), pi. bees: also 1-2 beon, 3-7 tee«, 4 fcem, 6 beene" Alsdann heißt es:

Com. Teut.: OE. bio = OHG. bia (G. dial, beie), MLG. bie , LG. bigge, MDu. bie, Du. bij, all fern.; ON. by (? neut.):- OTeut. *bton- or bion\ beside which there is OHG. bini neut., MHG. bine, bin, fem., mod.G. biene:- OTeut. *bini; all going back to root bi·, perh. = Aryan bhi- 'to fear,' in the sense of 'quivering,' or its development 'buzzing, humming.'

Hinweise auf das Vorkommen in den westindogermanischen Nachbarspra-chen fehlen hier.

21.3. Die Bezeugung des Immen-Wortes

Unter Imme steht bei Kluge/Seebold12:

Imme/ . obs. Mhd. imbe, imp(e), imme m., ahd. imbi m. aus wg. *imbi- m. 'Schwärm, Bienenschwarm', auch in ae. ymbe m. (?).13 Die Bedeutung 'Biene' ist erst spätmittelhochdeutsch, in den Mundarten wird z.T. zwischen den beiden Bedeutungen unterschieden (westfäl. ime f . 'Biene', westfäl. imen m. 'Bienen-schwarm', schwz. immin. 'Biene', schwz. imbm. 'Bienenschwarm'). Die Her-kunft ist unklar. Vielleicht zu air. imbed, imbad n./m. 'große Menge, Überfluß'.

Bei Pfeifer et al.14 sind außer den Belegen die folgenden Angabe zu lesen: Γ 4 7 5

Die Etymologie des nur im Westgerm, bezeugten ahd. imbi [usw.] ist nicht ge-sichert. Auf Grund der in den frühen Zeugnissen vorherrschenden Bedeutung 'Bienenschwarm' wird teils eine Verbindung mit air. imbed, akymr. immet 'Fülle, Menge', teils Anschluß an ie. *embh- 'Dunst, Wolke' erwogen. Da der-artige Versuche letztlich nicht befriedigen, hält DE VRIES Nl. 279 Herkunft aus einem vor-ie. Substrat für möglich. ... Durch Luthers Einfluß geht die Verbrei-tung von Imme zugunsten von Biene zurück.

21.4. Weitere Beobachtungen zum Bienen- und zum Immen-Wort

Selbst möchte ich die zitierten etymologischen Angaben um die folgenden Beobachtungen vermehren:

1. Außer den formalen Unregelmäßigkeiten - unter ihnen übrigens möglicherweise auch das Ausbleiben der Ersten (urgermanischen) Laut-

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Verschiebung, denn eine Rekonstruktion mit anlautender Media aspirata ist ungesichert - deutet insbesondere das räumlich eingeschränkte Vorkom-men des Bienen- Worts (nämlich nur in Teilen der West-Indogermania) und des Immen-Wortes (nur in der West-Germania) darauf, daß wir es mit Lehnwörtern zu tun haben.

2. Das Bienen-Won und das Immen-Wort sollten nicht unabhängig von einander untersucht werden. Was in den obigen Zitaten seltsamerweise nicht zum Ausdruck kommt, ist, daß die Wurzel des Bienen-Wortes im Immen-Wort lautlich und semantisch enthalten ist. Dies zeigt sich beson-ders deutlich bei ahd. imbi 'Bienenschwarm', von welchem sich ohne wei-teres -bi- 'Biene' ablösen läßt, das ja in fast allen bezeugten Vorkommnis-sen des Bienen-Wortes identifiziert worden ist. Man wird also vernünfti-gerweise nach der Herkunft von -bi- 'Biene' forschen und dann hoffen, daß sich aus der Herkunftssprache oder ihrem Umkreis auch im- 'Schwärm' deuten läßt - genauer vielleicht im- 'Volk', denn der korrekte Begriff ist sicherlich Bienenvolk, während Bienenschwarm das Bienenvolk nur in ei-nem bestimmten Zustand benennt.

3. Nimmt man die Möglichkeit der im vorstehenden Punkt vorgeschla-genen Zerlegung an, so ergibt sich aus der Reihenfolge der beiden Konsti-tuenten, im- 'Schwärm' (besser: 'Volk') und -bi- 'Biene', daß die Her-kunftssprache nicht wie das Urindogermanische und das frühe Germani-sche - und das Deutsche immer noch in weitem Umfang, vor allem bei den Komposita - Spezifikator-vor-Spezifikat, sondern umgekehrt Spezifikat-vor-Spezifikator konstruierte; in anderen Worten, die Herkunftssprache des Immen-Wortes war nicht rechtsköpfig, sondern - zumindest bei der Bil-dung solcher Ausdrücke wie 'Bienenschwarm' (oder 'Bienenvolk') -linksköpfig: Man konstruierte Γ476 im+bi- 'Schwarm+Biene' ('Volk+Bie-ne'), nicht bi+im- 'Biene+Schwarm' ('Biene+Volk').

4. Wie eingangs gesagt, ist die Biene, als Honigbiene, nicht irgendein Tier, etwa ein niederes Tier, sondern ein domestiziertes Tier; ihre Domesti-zierung ist eine kulturelle Errungenschaft. Insofern ist die bei Pfeifer et al.15

wiedergegebene Ansicht, es handle sich bei Biene und Imme möglicher-weise um vor-indogermanische Substratwörter, nicht ohne weiteres wahr-scheinlich. Es sollte sich eher um Lehnwörter aus einem nicht-indogerma-nischen kulturellen Superstrat handeln. Als wahrscheinlich zu erwägen ist auch die Möglichkeit, daß es sich wie bei so vielen anderen Bezeichnungen für kulturelle Errungenschaften um sogenannte Wanderwörter handelt, die mit dem bezeichneten Kulturgut, der Bienenzucht, zu den Sprechern der betroffenen Sprachen gelangt sind.

5. Da es sich bei der domestizierten Honigbiene um ein Kulturgut han-delt, muß man als Etymologe nicht nur dem sprachlichen Ausdruck, son-dern auch dem bezeichneten Kulturgut - nicht nur dem Wort, sondern auch

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der Sache - nachspüren. Da genügt für die bescheidenen Zwecke des Philologen neben dem Blick ins Wörter-Buch meist schon der Blick ins Sach-Buch, die Enzyklopädie. So liest man im Großen Brockhaus16:

Daß schon in den frühesten Zeiten Honig und Wachs der Bienen verwendet wurden, zeigt ein Wandbild aus einem Tempel von £atal Hüyük aus dem 7. Jahrtsd. v. Chr. Im alten Ägypten wurde die als Hieroglyphe erscheinende B[iene] bereits als Haustier in Tonröhren gehalten. Honig war im Altertum und bis ins späte M[ittel]A[lter] das einzige Süßungsmittel.

Etwas ausführlicher, doch ohne den ausdrücklichen Hinweis auf die ägypti-sche Domestizierung der Biene, heißt es in der Brockhaus Enzyklopädie17:

Honig und H[onigbienen]-Wachs wurden bereits in frühester Zeit verwendet, wie ein Wandbild aus einem Tempel in Qatal Hüyük aus dem 7. Jahrtsd. v. Chr. und die etwa gleich alte Darstellung von Honigsammlerinnen in einer ostspan. Höhle belegen. Im alten Γ 4 7 7 Ägypten war das Bild der H. die Hieroglyphe für König18; H. wurden in Tonröhren gehalten. Auch im Koran und in der Bibel werden H. erwähnt. Im antiken Griechenland und bei den Römern war die H.-Haltung bekannt und weit verbreitet. Seit dem 16. Jh. ging die H.-Zucht mit der Einführung des Rohrzuckers und der Entdeckung des Rübenzuckers zurück.

Die Kulturgeschichte der Biene bei den Indogermanen wird mit erhebli-cher Ausführlichkeit bei Th.V. Gamkrelidze und V.V. Ivanov19 beschrie-ben. Dort sind auch die im vorstehenden Zitat erwähnten Abbildungen ei-ner Honigwabe aus £atal Hüyük20 und einer Honigsammlerin aus Alpera21

reproduziert. Die Tatsache, daß es die gemein-indogermanischen Wörter *melit(h)- und *medhu- für 'Honig'22 bzw. 'Honigmet' gibt, aber keine ge-mein-indogermanischen Wörter für die Honigbiene, läßt sich gut verbinden mit ihrer Darstellung der dreistufigen „evolution of beekeeping: (a) primi-tive honey-gathering; (b) sylvestrian beekeeping in hollow logs; (c) domestic apiculture".23 Die Bezeichnungen für das Haustier Biene sind möglicherweise erst auf Stufe (c), zusammen mit der Domestikationstech-nik selbst, ins Indogermanische gekommen, und da die Domestikation eine Erfindung der Ägypter des 3. Jahrtausends v. Chr. ist24, wären mit dem Kulturgut importierte Bezeichnungen erst einzelsprachlich zu erwarten.

Nach dem Vorstehenden wird man das Etymon des Bienen-Wortes nicht irgendwo im Sprachen-Raum suchen, sondern man wird die sprachliche Spur der Biene in den angegeben Kultur-Raum zurückverfolgen. Ich werde mich dabei auf Ägypten beschränken und die Frage offen lassen, ob etwa die alten Ägypter das Bienen-Wort ihrerseits von einem anderen Volk ge-lernt haben: Der Etymologe ist ja zufrieden, wenn er die vorletzte Sprache

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angeben kann, aus der ein Wort in die von ihm beschriebene und insofern letzte Sprache gelangt ist. Gerade das Ägyptische dürfte aber für die hier untersuchte Frage maßgeblich gewesen sein, indem die Ägypter als Γ478 diejenigen genannt werden, denen die Domestikation der Honigbiene ge-lungen ist.

21.5. Eine Etymologie für das Bienen-Wort

In R. Hannigs ägyptischem Wörterbuch25 wird man denn auch sofort fün-dig: Die Biene heißt dort bjt, wobei das Suffix -t das Wort als feminines Substantiv charakterisiert (bj.t).26 Die gleiche hieroglyphische Repräsenta-tion, die übrigens das Abbild einer Biene enthält, steht für das unterägypti-sche Königtum. Der Imker heißt bjtj27; ebenso heißt der Biti, der König von Unterägypten, dem aber in der hieroglyphischen Repräsentation statt des Zeichens des sich anstrengenden Mannes das Zeichen des Königs von Unterägypten beigegeben ist, und auch der Gott Osiris trägt diesen Ehren-titel. Man erkennt bereits an der Bezeichnung des Imkers, daß mit bjt nicht irgendeine, sondern die Honigbiene gemeint ist. Dies wird dadurch noch deutlicher, daß bjt (mit einem passenden hieroglyphischen Zusatz) auch 'Honig' bedeuten kann.28 Ein weiteres Mal zeigt sich der Bezug des bjt-Wortes auf die Honigbiene, wenn - mit cfj, einem anderen Wort für die Biene, dessen hieroglyphische Darstellung wiederum das Bild der Biene enthält - die Honigbiene auch cfj η bjt genannt wird.

Interessanterweise führt R. Hannig29 auch ein Wort bjw an, dessen (konsonantische) Lautform gesichert ist und dessen hieroglyphische Dar-stellung das Bienenbild enthält, so daß Hannig tentativ die Bedeutung 'Wespe' Γ 4 7 9 ansetzt.30 Auch dieses Wort unterstreicht im Vergleich mit bj-t 'Biene', daß +bj- die ursprüngliche Wurzel des ägyptischen Bienen-Wortes ist, die in einer aus dem Semitischen wohlbekannten historisch-grammati-schen Technik31 feinere Unterscheidungen durch Anfügung eines dritten Radikals erlaubte.

Ich schlage vor, in ägypt. bj.t (mit der Wurzel +bj-) 'Biene' das Lehn-Etymon des westindogermanischen Bienen-Wortes zu erkennen.

21.6. Eine Etymologie für das Immen-Wort

Ein Wort mit der Bedeutung 'Schwärm', das in Verbindung mit einem Wort der Bedeutung 'Biene' die Bedeutung 'Bienenschwarm' erzeugte, müßte nach alter hamito-semitischer Anordnungsregelung linksköpfig ste-hen, also als Spezifikat dem Bienen-Wort voranstehen, genau wie das im-

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in imbi dem -bi- voransteht. Ein Wort, das genau die Bedeutung 'Schwärm' hätte und das in Verbindung mit +bj- bei der Entlehnung ins Westgermani-sche z.B. ahd. imbi hätte ergeben können, habe ich im Hamito-Semitischen nicht gefunden. Doch ist - wie oben in Abschnitt 21.4.2 schon angedeutet -zu bedenken, daß 'Bienenschwarm' nur eine etwas sorglose Glossierung von ahd. imbi sein könnte. Denn der Schwärm ist nur eine bestimmte Er-scheinungsform der Honigbienen.32 Was recht eigentlich gemeint sein dürfte, ist das Bienenvolk. Bienenvolk ist jedenfalls der Terminus technicus für den einzelnen Bienenstaat, den der Imker verwaltet. Ahd. imbi wäre also richtig übersetzt das 'Bienenvolk', und der Wortteil im- in ahd. imbi sollte somit in erster Linie ganz konkret 'Volk' bedeuten und allenfalls in zweiter Linie etwas Allgemeineres von kollektiv-pluralischer Signifikanz, etwa 'Menge'.

Schaut man bei V.E. Orel und O.V. Stolbova33 im Index unter 'Menge' (engl, crowd) nach, wie ich es - kleingläubig - zuerst getan habe, oder aber Γ480 - aufs Ganze gehend - sogleich unter 'Volk', so wird man auf Eintrag Nr. 131 *3um- 'people' verwiesen. Dieses Etymon ist dort folgendermaßen belegt: Für das Semitische wird *°umm· 'people, clan' erschlossen aus uga-ritisch °um-t, hebräisch °ummä, arabisch °umm-at-\ für das Rift (das Süd-kuschitische) wird *°im- 'people, crowd' erschlossen aus Iraqw (Gorowa-Dialekt) imi 'people', Alagwa imi 'crowd', Burunge im-et 'people'.

Dieselben südkuschitischen Formen werden bei Orel/Stolbova in Nr. 1066 *cam- 'people' als Rift *°Vm- 'people, crowd' auch mit semit. *camm- 'people, crowd' wie in akkad. ummänu, hebr. cam- 'people', arab. camm- 'crowd' verbunden, ohne daß ihr dortiger Einsatz unter Nr. 131 er-wähnt würde.

Im modernen Hebräisch finde ich °wmh [3umah] 'Nation' bei H. Balt-san34 und bei O. Achiasaf et al.35 Schaut man umgekehrt in der deutsch-he-bräischen Abteilung bei O. Achiasaf et al. nach, findet man s.v. Volk nur cm (mit der Vokalisierung am), s.v. Nation hingegen °wmh. Bei W. Gesenius36

finde ich 3wmh (oder °wm-) überhaupt nicht. Hingegen ist das maskuline Substantiv I. cm (vokalisiert cam) Ί . Volk (gelegentlich: Stamm), 2. Be-völkerung (einer Stadt, eines Landes), 3. Menge' ausführlich behandelt, indem es das Volk Israel meinen kann und in mehreren semitischen Spra-chen Parallelen hat.

V.E. Orel und V.O. Stolbova fragen am Ende von Nr. 1066 *cam-'people', ob dieser Eintrag mit Nr. 1065 *cam- 'relative, friend' zu verbin-den sei. Lautform und Bedeutung legen diese Vermutung nahe. W. Gese-nius stellt die Verbindung für das Hebräische unter II. cm (vokalisiert cam) 'Stammgenosse, Verwandter' nicht her. Aber in seinem Eintrag I. cm Com) 'Volk' verweist er auf einen weiteren Eintrag I. °mm 'zusammenschließen, verbinden [usw.]'; dort führt er I. cam und II. cam als Derivate an, ferner

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auch cm (cim) Ί . mit, eig. von Begleitung, Gesellschaft, Gemeinschaft, 2. bei, apud [etc.]'37 und („gew. v. cmm I abgeleitet als: Verbindung") *cmh\^\ (vokalisiert cumoh) Präp. Ί . nahe bei, neben, 2. entsprechend, gleichwie'.38

Ferner findet sich bei Gesenius hebr. cmjt* (mit Vokalisierungen cämit*), „von einem mit cmm verwandten cmhj, vgl. wahrsch. ass. emütu Gemein-schaft", m.... 'Volksgenosse'.

Ohne nähere Erläuterung stellen Orel/Stolbova am Ende ihrer Einträge Nr. 131 und Nr. 1066, im unmittelbaren Anschluß an die Rift-Formen, fest, daß Vokalassimilation eine Rolle gespielt habe („Assimilation of vowels"). Da es im Semitischen Assimilation von Vokalen an Vokale gibt39, könnte das bedeuten, daß sie eine Ausgangsform +0umi bzw. +cami rekonstruieren, um daraus Rift *3im- zu gewinnen. Da es im Semitischen Assimilation von Vokalen aber auch an Konsonanten gibt40, könnte die Bemerkung von Orel/Stolbova41 auch bedeuten, daß sie eine Wurzel +0im- ansetzen (oder ^im-, da im Rift *c auch als 3 erscheint) und hierauf Assimilationen operie-ren lassen; das würde insbesondere die Wurzelformen mit u bequem erklä-ren, da die Assimilation von i zu u vor Labial im Semitischen nicht unge-wöhnlich ist (z.B. *libb > arab. lubb 'Herz'42). Die Einzelheiten überlasse ich am besten den Hamito-Semitologen.43 Vom germanistischen Stand-punkt aus darf ich wohl annehmen, daß in einer hamito-semitischen Spra-che des Westens durch die Verbindung des femininen ägyptischen Lehn-wort +bi- 'Biene' (ägypt. bj-t fem. 'Biene') und eines maskulinen Erb-substantivs +HVm- 'Volk' (Η für oder V für einen Vokal) ein masku-lines Substantivkonstrukt +Him+bi- 'Volk+Biene', also 'Bienenvolk', ent-stand, das als simpliziales maskulines [482 44 Lehnsubstantiv +im+bi- ins Westgermanische gelangte 45 In jedem Fall müßte die Basis des imbi- Worts erst auf dem Weg nach Westen gebildet worden sein, da eine Entsprechung zu sem. +HVm- 'Volk' im Ägyptischen nicht nachweisbar ist.

Läßt man diese Etymologie gelten, so kann sie sogar zur Bedeutungsbe-stimmung für das alte imbi-Wort herangezogen werden. Ich erwähnte mehrfach, daß die Bedeutungsangabe 'Bienenschwarm' auf die Sache wohl nicht zutreffe. In der Tat: Wenn es etwa im Lorscher Bienensegen heißt: Kirst, imbi ist huczeZ46, so kann eigentlich imbi gar nicht 'Bienenschwarm' bedeuten; denn der Bienenschwarm ist definitionsgemäß immer draußen, er ist ja das Bienenvolk, wenn es schwärmt, und schwärmen kann das Bie-nenvolk nur draußen, nicht im Stock; die Feststellung wäre tautologisch. Die einzig richtige wörtliche Übersetzung lautet also: 'Christus, das Bie-nenvolk ist draußen!'47 Und genau diese Bedeutung wird durch meine ha-mito-semitische Etymologie unterstützt, indem das Etymon von im- im Semitischen 'Volk' bedeutet, nicht 'Schwärm'.48

Auch im altenglischen Bienensegen bedeutet ymbe meines Erachtens nicht 'Schwärmen der Bienen', auch nicht 'Bienenschwarm', sondern 'Bie-

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nenvolk'. Dort heißt es nämlich einleitend: Wiö ymbe nim eorpan, oferweorp Γ483 mid pinre swipran handa under pinum swipran fet, and cwet,49 Gegen das Schwärmen der Bienen kann der Segen gar nicht gerich-tet sein, wie Spamer überzeugend darlegt50; das Schwärmen mit der Frei-gabe des Honigs ist ja Sinn und Zweck der Bienenzucht.51 Durch das Sprechen der ersten vier Verse sollen die Bienen Spamer zufolge vor jegli-chem Übel bewahrt werden; deswegen besteht auch keine Veranlassung, wiö ymbe durch 'in the event of a swarm' zu übersetzen, wie dies J.B. Spamer52 vorschlägt. Erst die zweiten vier Verse beziehen sich auf den Bienenschwarm, und das zeigt klar ihre Einleitung: And wiödon forweorp ofer greot, thonne hi swirman, and cweö. Gemeint ist also mit der ersten Anleitung: 'Zum Bienenvolk nimm Erde, wirf sie mit der rechten Hand unter den rechten Fuß und sprich.' Und mit der zweiten: 'Und dann, wenn sie schwärmen, wirf Sand über sie und sprich.' Der erste Teil des Segens war also offenbar zu sprechen, während die Bienen, noch im Korb, durch ihre Unruhe das Schwärmen ankündigten, der zweite Teil, wenn sie aus-schwärmten. Insofern stimme ich gegen frühere Autoren mit Spamer über-ein, daß es sich nicht um zwei verschiedene Bienensegen handelt, sondern um zwei Teile eines und desselben Segens.53

21.7. Zum Weg des Bienen- und Imme η-Worts in die West-indogermania

Was den Weg dieser hamito-semitischen Kulturwörter ins westliche Indo-germanische angeht, so kann man die Annahme von Wanderwörtern si-cherlich nicht ausschließen. Unbequem ist an ihr, daß diese Wörter den weiten Weg von Ägypten nach Nordwesteuropa gewandert sein sollen, ohne dazwischen irgendwelche Spuren hinterlassen zu haben. Ich neige deshalb der alternativen Deutung zu, daß Entsprechungen dieser Wörter auch in den hamito-semitischen Sprachen vorhanden waren, die in vorge-schichtlicher Zeit an der Γ484 atlantischen Küste Europas gesprochen wurden und dort gegenüber den indogermanischen Sprachen die Rolle kultureller Superstrate spielten54, bis sie am Ende aussterbend in der Indogermania aufgingen.

Wie man sieht, knüpft dieses Resultat an die beiden oben als Leitsprü-che zitierten Expertenäußerungen an und bringt sie, wie in der Vorbemer-kung in Aussicht gestellt, zur Deckung: Es bestätigt die im Hamp-Zitat ausgesprochene Vermutung, wenn auch auf eine Weise, die der Autor wohl kaum vorhergesehen hat, und erhebt die von Gamkrelidze und Ivanov fest-gestellte Ähnlichkeit in den Rang einer Lehnetymologie.55 Wenn ich selbst wie Hamp meinen Aufsatz mit einer Vermutung schließen darf, so ist es

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die, daß es sich bei Hamps „pre-Indo-European languages of Northern (Central) Europe"56 nach Abzug der vaskonischen Einflüsse um nichts an-deres handelt als mein hamito-semitisches Atlantisch. Insofern irrt Hamp57, wenn er in dieser Sprachengruppe durchweg Substrate sieht: Zumindest in der Beziehung zum Germanischen handelte es sich um ein Ad- und Super-strat. Und auch darin irrt er, daß er diese Sprachgruppe durchweg als vor-indogermanisch ansieht58: Vielmehr handelte es sich - wiederum zu-mindest im Falle des Germanischen - um Kolonialsprachen, die auf das schon über ein Jahrtausend bodenständige Indogermanisch des Nordens trafen. Γ485

Anhang: Lat. apis 'Biene*

Zu lat. apis, -is f. 'Biene' heißt es bei Walde/Hofmann59 lapidar: ,,unerkl[ärt]." Tatsächlich lohnen die referierten etymologischen Vor-schläge die Wiedergabe nicht. Ernout/Meillet deuten die Möglichkeit einer Verbindbarkeit mit lat. fücus 'Brutbiene, Drohne' und letztlich mit der Wurzel von Biene an (vgl. auch s.w. fücus).60 Doch finde ich dies so wenig überzeugend wie offenbar die Autoren selbst.

Der Gen. Plur. ist apium, später apum; da auch alle Derivate das -i-haben, z.B. apicula 'Bienchen', apiärius 'Imker', apiäna (uva) 'bei den Bienen beliebt(-e Traube)', ist gewiß von einer Grundform api- auszuge-hen.

Wir sahen oben in Abschnitt 21.5, daß das Ägyptische neben bjt ein weiteres Wort für die Biene besaß, cfj, dessen hieroglyphische Darstellung wie die von bjt das Bild der Biene enthält. Es sollte vielleicht erwogen werden, ob nicht dieses ägyptische cfj hinter dem unerklärten lateinischen Bienen-Wort steckt.61 Die Annahme einer Aneignung des stimmhaften pharyngalen Konsonanten c, der dem hebräischen und arabischen cain ent-spricht62, als a- scheint durchaus plausibel, steht sie doch im Einklang mit gängiger Transliterations- und Aussprachepraxis auch der neuzeitlichen Ägyptologie.63 Die Aneignung des ägyptischen f als ρ in natürlicher Laut-substitution setzt voraus, daß das Lateinische auf der entsprechenden itali-schen Vorstufe Γ486 noch kein eigenes / hatte, daß also die labiale und die dentale urindogermanische Media aspirata noch nicht zu / verschoben waren; das spricht für eine frühe Entlehnung - noch vor der Abwanderung der Italiker vom nordwestlichen Mitteleuropa auf die Apennin-Halbinsel.64

Demnach hätten die Italiker das Wort wohl - wie die übrigen Nordwest-Indogermanen das Bienen-Wort - mitsamt der Sache durch Vermittlung der Atlantiker erworben.

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Anmerkungen

* Erstveröffentlichung 1998 in: Sprachwissenschaft 23,471-487. 1. Zum Titel dieser Arbeit und zur Rolle der Kontaktlinguistik in der vorge-

schichtlichen Rekonstruktion läßt sich Vennemann 1998e vergleichen. 2. Hamp 1971:187. 3. Gamkrelidze und Ivanov 1995:1.524. 4. Vgl. Vennemann 1995c: hier Kap. 7, Abschnitte 7.1,7.4,7.5. 5. Vennemann 1994b, 1995c, 1998a, 1998d. 6. Kluge/Seebold 1995: s.v. Biene. 7. Gamkrelidze und Ivanov 1995: 516. 8. Letzteres mit Verweis auf Hamp 1971: 184ff. Vgl. aber unten im Anhang. 9. Kluge/Seebold 1995: s.v. Biene.

10. Der Literaturhinweis bezieht sich auf de Vries 1963-1971. 11. OED: s.v. bee1. 12. Kluge/Seebold 1995: s.v. Imme. 13. Bei F. Holthausen (1963) ist ae. imbe ein Neutrum. 14. Kluge/Seebold 1995: s.v. Imme. In der Standardsprache lebt das aus dem

Niederdeutschen/Niederländischen übernommene, für das alte Bienenvater bzw. Zeidler eintretende Imker, „eine Täterbezeichnung auf -ker zu Imme", fort (Kluge/Seebold 1995: s.v. Imker).

15. Kluge/Seebold 1995: s.w. Biene, Imme. 16. 18. Auflage: s.v. Biene, Abteilung 'Nutzung durch den Menschen', Ab-

schnitt 'Kulturgeschichte'. 17. 19. Auflage: s.v. Honigbienen, Abschnitt 'Kulturgeschichte'. Die sich in der

Mitte dieses Zitats ankündigende symbolische Verwendung des Abbilds der Biene setzt sich bis in die Verwendung als Wappentier in der neuzeitlichen Heraldik fort: „Am bekanntesten wurde sie als Wappenbild der korsischen Familie Buonaparte" (ebd., im Abschnitt 'Symbolik, Heraldik').

18. Vgl. dazu auch den folgenden Abschnitt 21.5. 19. Gamkrelidze und Ivanov 1995:1. 516-524. 20. Gamkrelidze und Ivanov 1995:1. 522. 21. Gamkrelidze und Ivanov 1995:1. 521. 22. Das nur west- und nordgermanische Honig-Wort (das Gotische bewahrt das

ererbte milip) hat selbst keine überzeugende Etymologie; vgl. Kluge/See-bold 1995: s.v. Honig.

23. Gamkrelidze und Ivanov 1995:1. 521. 24. Gamkrelidze und Ivanov 1995:1. 522. 25. Hannig 1995: 245. 26. Vgl. auch Gardiner 1957:477.

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27. Die Wichtigkeit der Bienenzucht im alten Ägypten zeigt sich auch darin, daß die Ägypter wie für alle Berufe und Stände auch für die Imker einen 'Vorsteher' hatten, den jmj-r3 bjtjw (Hannig 1995: 54).

28. Gamkrelidze und Ivanov (1995: I. 522) erwähnen bj.t 'Biene' und 'Honig' sowie bj.tj 'Imker' in ihrem Abriß der Kulturgeschichte der Bienenzucht. Sie sagen auch, wo sie von der Ausbreitung der häuslichen Bienenhaltung nach Norden und Westen schreiben, was ich oben als Motto zitiert habe. Trotzdem behaupten sie keine etymologische Verbindung der west-indogermanischen bi-Wurzel (um eine solche handelt es sich ja, auch wenn sie sie kühn zu *bhei- ur-indogermanisieren) mit der ägyptischen bj-Wurzel. Das ist in ihrem theoretischen Rahmen verständlich. Die bi-Wurzel ist ja eben nicht indogermanisch, und wie ein ägyptisches Wort als Lehn-wort sich nur im äußersten Nordwesten der Indogermania finden sollte, ist in jenem Rahmen nicht erklärbar.

29. Hannig 1995: 245. 30. Die Bedeutung 'Wespe' ist mit einem Asteriskus versehen, womit Hannig

(1995: XIX), alles kennzeichnet, was „unsicher, unklar, noch nicht beweis-bar" ist, insbesondere auch „unklare, vermutete Bedeutungen" (1995: XIV).

31. Moscati et al. 1980: 72-73. 32. Vgl. die Abbildung in der Brockhaus Enzyklopädie (19. Auflage, 1989: s.v.

Honigbienen). 33. Orel/Stolbova 1995. 34. Baltsan 1992: s.v. people. 35. Achiasaf 1993: s.v. Volk. 36. Gesenius 1915. 37. Der Vokal in cim ist Lipinski (1997: 48.13) zufolge eine Neuerung im He-

bräischen. 38. Der Asteriskus bedeutet bei Gesenius (1915: XIII), „daß die Form nicht

belegt werden kann". 39. Lipinski 1997: § 27.9. 40. Lipinski 1997: §27.10. 41. Orel/Stolbova 1995: XX. 42. Lipinski 1997: § 27.10. 43. In einem e-Brief vom 9. Juli 1998 schreibt mir Vladimir Orel (Bar-Ilan-

Universität, Ramat-Gan, Israel): „At the time when the HSED [d.i. Orel/ Stolbova 1995] was compiled, we tried to reach the maximum of differen-tiation by often separating similar roots with close or identical meanings and different vocalic structures unless they could be clearly described as forms of ablaut. Apparently, in this case that was the idea. There are no reasons why those two roots could not be brought together at the present stage."

44. So jedenfalls Kluge/Seebold 1995: s.v. Imme, vgl. oben Abschnitt 21.3.

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45. Am Rande sei erwähnt, daß wie das in im+bi bewahrte semitische Volk-Wort, so auch das germanische Volk-Wort selbst seine Wurzel in einer at-lantischen Sprache hat, mit engen Entsprechungen im Semitischen (Venne-mann 1998e: hier Kap. 19, Abschnitt 5). Sowohl das /mmen-Wort als auch das Volk-Wort erscheint bereits in der Auswahl lehnwortverdächtiger Wör-ter in Vennemann 1984a.

46. Braune 1962: 89. 47. Erfreulicherweise übersetzt Schlosser (1970: 261) genau in diesem Sinne:

„Christus! das Bienenvolk ist ausgeschwärmt!" 48. Unter Nr. 36 *°amam- 'Honig', zu dem sie akkad. amümu (kind of spice)

stellen, das sie aber ansonsten nur für das Berberische und einige zentral-tschadische Sprachen ansetzen, sagen Orel/O.V. Stolbova (1995): „Probably, a reduplication of a root preserved in E[ast] Ch[adic] *3im-/ *°um- 'bee, honey': Mubi üm, Jegu 3imo, Brg [Birgit] imiyu." Wenn west-germ. +imbi- 'Biene' bedeutete, wäre dies als Ansatz in Erwägung zu zie-hen. Aber die Bedeutung 'Bienenvolk* wäre damit wegen des postspezifi-zierenden Charakters der alt-hamito-semitischen Sprachen prinzipiell nicht zu gewinnen. Vor allem aber muß man wohl, solange sich die Fachleute nicht sicher sind, für die süße Delikatesse mit einem onomatopoetischen Ur-sprung rechnen: *3amam- 'Honig' < ?[3ara3am], vgl. dt. [hamham], engl. yum-yum! neben yum! (davon yummy 'delicious, delectable').

49. Van Kirk Dobbie 1942: 125. Auch bei J.B. Spamer (1978: 292) ist der Text abgedruckt.

50. Spamer 1978. 51. Erst durch die modernen Langstroth-Bienenstöcke ist das Schwärmen über-

flüssig und tatsächlich unerwünscht geworden (vgl. Spamer 1978: 280-281).

52. Spamer 1978: 281. 53. Spamer 1978 enthält weitere wichtige Informationen zur Rolle der Biene

und des Bienenvolks in den germanischen Traditionen. 54. Vgl. zu diesen Vennemann 1998a, 1998d. 55. Beiläufig sei erwähnt, daß ich die hier vorgestellten Etymologien in Un-

kenntnis der zitierten Äußerungen entworfen habe. Die Idee kam mir, als ich beim Blättern in R. Hannigs Handwörterbuch Ägyptisch-Deutsch auf bj-t 'Biene' stieß, das ich sogleich mit dt. Biene und Imme (ahd. bi-n-a und im-bi) in Verbindung brachte. Eine Etymologie wurde daraus, als ich, einer Anregung von Angelika Lutz (Erlangen) folgend, den Abriß der Kulturge-schichte der Honigbiene im Großen Brockhaus las und dabei über den Ur-sprung der Bienenzucht in Ägypten belehrt wurde. Auch darüber hinaus hat Angelika Lutz mich bei der Erwägung der hier vorgetragenen Etymologien beraten. Durch die Widmung erhält sie also nur zurück, was ihr zum Teil schon gehört.

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56. Hamp 1990. 57. Hamp 1990: 295. 58. Vgl. den Titel „The pre-Indo-European languages of Northern (Central)

Europe". 59. Walde/Hofmann 1982: s.v. 60. Ernout/Meillet 1985: s.w. apis,fiicus. 61. L. Brunner, der versucht, Gleichungen von der hier behandelten Art als aus

einer gemeinsamen hamitosemitisch-indogermanischen Ursprache ererbtes Wortgut zu deuten, schreibt in seiner Behandlung von Imme lapidar: „Ab-weichend lat. apis, ägypt. af 'Biene'" (Brunner 1969: Nr. 42). Insofern ist mein hier im Anhang unterbreiteter Vorschlag nicht aus der Luft gegriffen; denn bei Brunners af dürfte es sich richtiger um °fj handeln. Doch möchte ich betonen, daß ich in dieser Entsprechung wie auch in den übrigen oben und früher behandelten hamitosemitisch-indogermanischen Gleichungen le-diglich Reflexe vorgeschichtlicher Sprachkontakte, also Lehngleichungen, sehe; die Frage einer nostratischen Urverwandtschaft bleibt durch meine Analysen unberührt. - Übrigens verbindet L. Brunner (ebd.) ahd. imbi 'Bie-nenschwarm, Bienenstock' mit griech. emphis, -idos 'Stechmücke', was zumindest aus semantischen Gründen bedenklich ist.

62. Gardiner 1957: 27. 63. Vgl. Gardiner 1957: 26; Hannig 1995: XXXVII, XL. 64. Vgl. Vennemann 1994b.

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