European CMO Conference 2010

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Thema: Die Transparenz-Revolution

AuToRen

SummARieS

GDi-STuDien

GDi-VeRAnSTAlTunGen

GoTTlieb DuTTweileR inSTiTuTe

GDi-AGenDA 2010

impReSSum

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> Beziehungsökonomie

Andreas Weigend . Adrian Chan

SociAl DATA ReVoluTion

Die rasant wachsende Quantität an Datenspuren, die wir

überall hinterlassen, führt zu einer neuen Qualität von

Beziehungen.

> Marketing

Marion Marxer

GeneRATion App

Eine Generation, die mit dem Bewusstsein aufwächst,

dass es für alles eine «App» gibt, entwickelt ein neues Le-

bensgefühl. Zentrales Element ist die Unverbindlichkeit.

> Soziale Netzwerke

Anja Dilk . Heike Littger

SechS milliARDen GlobAl VillAGeS

In sozialen Netzwerken erschafft sich jeder sein eigenes

Dorf. Meist nicht sehr global, aber offener und durch-

mischter als die Beziehungen in der physischen Welt.

> Software

Gespräch mit Oliver Christ

STRukTuRen füR DAS DATenchAoS

Unstrukturierte Informationen, etwa aus Twitter und

YouTube, nehmen auch in Unternehmen drastisch zu.

Wie man darin Muster erkennt und Chancen nutzt.

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> Technologie

Anja Dilk . Heike Littger

DATen füR Alle Sinne

Erst alle drei Dimensionen, dann alle fünf Sinne – Daten

erschliessen sich immer mehr Wahrnehmungskanäle,

um in unser Bewusstsein vorzudringen.

> Die grosse Grafik

Schöne neue DATenwelT

Von Daten-Brokern und höflicher Software: Trends aus

dem Workshop «Social Data Revolution».

> Ökonomie

Detlef Gürtler

Die neue wähRunGSVielfAlT

Die monetäre Monostruktur staatlicher Währungen

wird durch finanzielle Ökosysteme abgelöst. Aus One-

size-fits-all-Geld wird ein Persönlichkeitsmerkmal.

> Foto-Essay

Julia Stübner

public ShARinG

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woRkShop «SociAl DATA ReVoluTion»

Das GDI dankt allen Partnern und Sponsoren, die

diese Veranstaltung möglich gemacht haben.

Partner

Sponsor Co-Initiator

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ideen workshop

> Weltwirtschaft

Nouriel Roubini

einfühRunG in Die kRiSenökonomie

Finanz- und Wirtschaftskrisen können nicht für immer

abgeschafft werden. Stattdessen sollten Politik und Wirt-

schaft Dämme bauen, um ihre Schäden zu begrenzen.

> Innovation

Gespräch mit Stefan Michel

wie mAn kunDen innoVieRT

Um innovativ zu sein, müssen sich Dienstleistungs-

anbieter von der industriellen Logik befreien und an-

fangen, in Kunden-Nutzen zu denken.

> Branding

Jörn Klare

mein mARkenweRT

Nicht nur bei Roger Federer und David Beckham hat die

Persönlichkeit einen Markenwert, sondern potenziell bei

jedem. Die Berechnung ist allerdings komplex.

> Branding

Markus Weisbeck

Die mARke im ZeiTAlTeR ihReR TechniSchen

DepRoDuZieRbARkeiT

Jeder kann heute ohne grossen Aufwand Marken ver-

fremden; und viele tun es. Marken mit einer starken

Aura können davon sogar profitieren.

> Zwischenruf

Alexandra Hildebrandt

beSSeR ScheiTeRn

Die Zumutung, ein Grenzgänger zu sein, und die Chan-

cen, die darin stecken – für die Unternehmen und für die

Menschen.

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> Handel

Alain Egli

Simply The beST

Je komplexer die Welt wird, desto mehr ersehnen wir

Einfachheit. Und immer öfter bekommen wir sie auch.

> Globalisierung

Gespräch mit Eberhard Sandschneider

GoinG Down in STyle

Europa ist global gesehen im Abstieg begriffen. Jetzt geht

es darum, diesen Abstieg erfolgreich zu managen.

> Tourismus

Karin Frick

DeR SommeR wiRD DeR neue winTeR

Der Klimawandel bedroht den Wintertourismus – und

bietet neue Chancen für kühlende Sommerfrischen.

> Kolumne

Peter Felixberger

«wAS Tun, wenn Alle jAmmeRn? AufbRechen!»

Gute neue Bücher von Armin Nassehi, Nicholas Christa-

kis, James Fowler, Gunter Dueck und Kathrin Röggla.

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Wie man Kunden innoviertKlar: Alle Unternehmen sind kundenorientiert. Und natürlich sind sie auch innovativ. Aber die meisten Dienstleistungsanbieter verstehen das Falsche darunter, sagt Prof. Stefan Michel. Sie müssen sich von der industriellen Logik und dem Denken in Produkten befreien und mit Service-Logik und dem Denken in Kunden-Nutzen arbeiten.

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Herr Michel, How-to-Videos liegen

im Trend, es gibt Millionen davon bei

YouTube, vom Krawattenbinden bis

zum Tangotanzen. Aber «How to In-

novate Customers» fehlt noch. Wie

müsste dieses Video aussehen?

Das Thema ist schon etwas schwieriger

darzustellen als das Binden einer Kra-

watte. Aber wenn Sie bei YouTube nach

«Professor Michel» und «service inno-

vation» suchen, finden Sie als ersten

Treffer eine kurze Einführung von mir

in das Thema. Es handelt sich um ein

Werbevideo für eine Veranstaltung

zum Thema Service-Innovation jetzt

im Juni am IMD, der Business-School

in Lausanne. Vielleicht könnte man das

Video ja in «How to Innovate Custo-

mers» umbenennen.

Wobei drei Minuten ja wohl kaum aus-

reichen für eine Gebrauchsan weisung

zur Kunden-Innovation.

Ja und nein. Das Wichtigste bei diesem

Thema ist, einen Schalter im Gehirn

umzulegen. Das kann man in drei Mi-

nuten begreifen oder in dreissig Jahren

nicht. Für die Umsetzung im eigenen

Unternehmen braucht man dann na-

türlich noch einmal zusätzliche Zeit –

sicher mehr als drei Minuten, dafür

gibt es nämlich kein Kochbuch.

Fangen wir doch einfach mal mit dem

Schalter an – Sie haben dafür drei

Minuten Zeit.

Gerne. Eine Dienstleistung ist kein

Produkt. Sie schafft keine Werte für

den Kunden, sondern mit dem Kun-

den. Eine Innovation besteht deshalb

auch nicht darin, ein Produkt besser,

einfacher oder schneller zu machen,

sondern darin, dem Kunden zu ermög-

lichen, etwas besser, einfacher oder

schneller zu machen, denn es ist nicht

entscheidend, was die Dienstleistung

macht, sondern was der Kunde damit

macht. Dafür kommt es darauf an, dass

der Anbieter sich von der industriellen

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Innovation . Wie man Kunden innoviert . Stefan Michel

Logik verabschiedet und mit Service-

Logik arbeitet.

Das wars?

Ja – und es hat nicht einmal drei Mi-

nuten gedauert, oder?

Das Erzählen nicht. Aber das Begrei-

fen dauert möglicherweise länger.

Wieso soll eine Dienstleistung kein

Produkt sein? Sie wird doch auch an-

geboten und nachgefragt, gekauft und

verkauft.

Das entspricht der herkömmlichen

Lehre im Dienstleistungsmarketing.

Dort wird die Dienstleistung als spezi-

elle, intangible Form eines Produkts

angesehen: Eine Dienstleistung ist ein

Produkt, das mir nicht auf die Füsse

fallen kann. Aber sobald man sich auf

die Produkt-Metapher einlässt, über-

nimmt man auch zwangsläufig die

gesamte Begrifflichkeit und den Denk-

ansatz, nämlich die industrielle Logik:

Die Firma schafft Werte, der Kunde ver-

braucht sie. Aber allein schon bei dem

deutschen Wort Verbraucher sträuben

sich mir die Nackenhaare. Was verbrau-

che ich, wenn ich Google benutze? Was

verbrauche ich, wenn ich ein Seminar

besuche? Was verbrauche ich, wenn ich

ins Fitness studio gehe?

Im letzteren Fall: Kalorien.

Und wenn ich ins Restaurant gehe, pro-

duziere ich Kalorien und verbrauche

Lebensmittel – aber das Entscheidende

am Restaurantbesuch ist doch nicht der

Lebensmittelverbrauch, das kann ich

auch zu Hause. Diese ganze Vorstellung

von einer Zeitachse, auf der Produkte

erst hergestellt und dann vom Verbrau-

cher wieder zerstört beziehungsweise

verbraucht werden, ist für viele Dienst-

leistungen schlicht nicht anwendbar.

Ist die industrielle Logik also für

Dienstleistungen ungeeignet?

Ganz und gar nicht. In der alltäglichen

Arbeit ist sie oft sogar sehr sinnvoll: Das

Restaurant muss geradezu mit Platz-

kapazitäten, Angebotspalette, Ein- und

Verkaufspreisen operieren und dabei

das Essen als sein Produkt ansehen.

Aber wenn es um Innovationen geht,

wird dieser im Alltag so gut funk tio-

nierende Denkansatz zum Problem.

Mal ist die Dienstleistung also ein

Produkt und mal nicht?

Genau. Das ist etwa so wie bei der Form

der Erde. Im alltäglichen Leben ist es

hilfreich und ausreichend, sich die Er-

de als flach vorzustellen. Für den Start

von Satelliten oder die Festlegung von

Flugrouten sollte man hingegen davon

ausgehen, dass die Erde rund ist. Ent-

sprechend sollte man im Innovations-

prozess nicht davon ausgehen, dass die

Dienstleistung ein Produkt ist, sondern

ein mit dem Kunden gemeinsam ge-

schaffener Wert.

Und diesen Kunden möchten Sie jetzt

innovieren?

Wenn ich ein Produkt innoviere, wird

das Produkt verändert – anderes Aus-

sehen, andere Eigenschaften, anderer

Preis, oder alles zusammen. Wenn ich

eine Dienstleistung innoviere, wird die

Aktivität des Kunden verändert – er

macht etwas schneller, besser, billiger,

oder alles zusammen.

Aber das macht er ja nicht von alleine

– also spielt der Anbieter weiterhin

eine Rolle im Innovationsprozess?

Eine entscheidende sogar. Ich möchte

ja nur seinen Denkansatz verändern,

nicht seine Aufgabe. Er sollte nur an-

ders vorgehen, indem er die industri elle

Logik ausschaltet und dafür die Ser-

vice-Logik einschaltet. Und dafür die

wertschöpfende Funktion der Kunden

ins Zentrum des Innovationsprozesses

rückt.

Aber macht das nicht ohnehin jedes

Unternehmen?

Damit sind wir jetzt am zweiten jener

beiden Punkte angelangt, die es vielen

so schwer machen, diesen Schalter im

Gehirn umzulegen. Alle Unternehmen

behaupten von sich, kundenorientiert

zu sein. Alle denken ständig an den

Kunden. Wenn er also ohnehin schon

im Zentrum steht, wie soll man ihn

dann noch ins Zentrum rücken? Den-

noch gehen die meisten Unternehmen

dabei immer von der eigenen Unter-

nehmensperspektive aus. Sie fragen

«Beim Wort Verbraucher sträuben sich mir die Nackenhaare. Was verbraucheich, wenn ich Google benutze?»

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sich: Wie muss ich mein Produkt ver-

ändern, damit es für die Kunden at-

traktiver wird? Ich möchte zuerst ver-

stehen, was die Kunden, tatsächliche

und potenzielle, meinen und brauchen,

um dann ein dazu passendes Angebot

zu machen.

Dann fangen Sie mal an.

Ich fange damit an, indem ich die

Kunden in ihren drei Hauptrollen be-

trachte: als User, Buyer und Payer, also

als denjenigen, der mein Angebot nutzt,

denjenigen, der es kauft, und den-

jenigen, der es bezahlt. Das kann je-

weils die gleiche Person sein, aber auch

unterschiedliche, etwa beim Kauf von

Geschenken oder bei der Buchung von

Geschäftsreisen. Aber der physische

Unterschied ist nicht entscheidend.

Entscheidend sind die unterschied-

lichen Rollen sowie die jeweils unter-

schiedlichen Bedürfnisse. Und diese

drei Rollen lassen sich separat betrach-

ten: Was machen die Kunden in dieser

jeweiligen Rolle, was würden sie gerne

ausserdem noch machen, oder warum

wird jemand eben nicht mein Kunde?

Die Vermutung liegt nahe, dass er

für mein Produkt keine Verwendung

hat.

Haben Sie eben Produkt gesagt?

Entschuldigung – dass er für mein

Angebot keine Verwendung hat.

Ich möchte Ihnen ein Beispiel geben,

das zeigt, dass es sich hier nicht einfach

nur um Wortklauberei handelt. Der

US- Tiernahrungshändler PetSmart hat,

wenig überraschend, herausgefunden,

dass Personen ohne Haustiere keine

Verwendung für Tiernahrung haben.

Aber PetSmart hat ebenfalls festgestellt,

dass es viele Menschen gibt, die gerne

ein Haustier hätten, aber Schwierig-

keiten haben, das mit ihrer Lebens-

weise zu vereinbaren – insbesondere,

weil sie immer wieder auf Reisen sind

und keine Eltern oder freundliche

Nachbarn haben, die sich in der Zwi-

schenzeit um das Tier kümmern könn-

ten. Also hat das Unternehmen die

PetsHotels-Kette gegründet, die sich

während der Ab wesenheit des Besit-

zers um das Haustier kümmert, und

damit sowohl ein neues Marktsegment

erschlossen als auch neue Kunden ge-

wonnen. Das Geschäftsmodell von

Pet Smart nach der industriellen Logik

würde heissen: Wir verkaufen Produk-

te für Haustiere. Wenn wir aber die

wertschöpfende Funktion der Kunden

in den Mit telpunkt stellen, dann de-

finiert sich PetSmart als «Partner von

Haustier-Eltern» («pet parents»). Mit

dem Umlegen dieses Schalters ist dann

auch die Idee der Hotels entstanden.

Auch für den Payer, beziehungsweise

den Non-Payer, gibt es eine nahelie-

gende Antwort: Mein Angebot ist ihm

zu teuer.

Das kann die Antwort sein, muss es

aber nicht. Es kann auch sein, dass der

Bezahlvorgang zu umständlich ist, was

bei Online-Angeboten immer noch

häufig vorkommt und was Amazon mit

dem One-Click-Payment hervorragend

gelöst hat. Oder es kann eine Verspä-

tungsgebühr sein, wie sie bei Video-

Verleihern üblich ist. Die Kunden has-

sen diese Strafgebühr: Da habe ich

extra auf dem Rückweg von der Arbeit

fünfzehn Minuten dafür verwendet,

mir eine DVD für heute Abend auszu-

leihen, und dann kommt überraschend

ein Freund vorbei.

Vielleicht mag er ja den Film auch?

Vermutlich aber möchte ich mit ihm

lieber ein Bier trinken als einen Film

schauen – und dann muss ich morgen

die DVD ungesehen zurückbringen

oder Strafe zahlen. Da macht mich das

Unternehmen zum Trottel, obwohl ich

einfach nur spontan bin. Der US-Ver-

leiher Netflix hat das anders gelöst: Es

gibt keine Verspätungsgebühr, sondern

eine Mengenbeschränkung – ich kann

drei DVDs ausleihen und unbegrenzt

behalten, und sobald ich eine davon

zurückgebe, kann ich mir die nächste

ausleihen. Diese Innovation hat dem

Kunden in seiner Rolle als Payer ein

besseres Gefühl gegeben und massgeb-

lich dazu beigetragen, dass Netflix den

Marktführer Blockbuster in die Knie

gezwungen hat.

Und in der Käufer-Rolle?

«Im Innovationsprozess sollte mannicht davon ausgehen, dass eine Dienst-leistung ein Produkt ist.»

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Innovation . Wie man Kunden innoviert . Stefan Michel

Da sind die Multiplex-Kinos ein gutes

Beispiel. Vor deren Einführung musste

man sich erst entscheiden, welchen

Film man sehen wollte, um dann zum

entsprechenden Kino zu gehen. Bei

Multiplex-Kinos ist die Wahrschein-

lichkeit gross, dass dort alle gerade in-

teressanten Filme am gleichen Ort an-

geboten werden. Ich kann mich also

zuerst dafür entscheiden, überhaupt

ins Kino zu gehen, und meine Auswahl

dann vor Ort treffen.

Da nähern wir uns doch dem How-

to-Video: Segmentiere deine Kunden

(und deine Nichtkunden) in ihre drei

Rollen, versetze dich jeweils in diese

Rollen hinein, und finde dabei heraus,

was du ihnen anbieten könntest.

Für dieses Herausfinden würde ich dann

empfehlen, für jede der drei Rollen drei

Bereiche abzudecken: Die Kombination

bislang nicht verbundener Werte («va-

lue integration»), die Veränderung des

Wertgefüges («value constellation») und

natürlich die Suche nach attraktiven

Angeboten («smart offering»). Für das

Segment Geschäftsreisen habe ich als

Beispiel eine Drei-mal-drei-Matrix er-

stellt, um die jeweils unterschiedlichen

Ansätze zu verdeutlichen.

Drei mal drei – das sprengt dann doch

den Drei-Minuten-Rahmen deut-

lich …

… zumal Kunden auch noch in andere

Rollen schlüpfen können als in diese

drei. Ich unterscheide dabei fünf wei-

tere Unterkategorien: die Rolle des

Agenten, der für andere einkauft, die

des Beitragenden, der zusätzliche In-

formationen zum Angebot beisteuert,

die des Botschafters, die des Designers

und die des Qualitätskontrolleurs –

bei Bildungs angeboten beispielsweise

sitzt ja in der Regel nicht der Dekan

des jeweiligen Professors mit im Se-

minar, dement sprechend muss die

Qualitätskontrolle geradezu durch den

Kunden, also die Seminarteilnehmer,

erfolgen.

Der Kunde als Designer?

Ich merke, Sie haben schon wieder Pro-

dukte im Kopf. Es geht hier nicht dar-

um, dass die Kunden sich ihre eigenen

Produkte designen sollen, es geht dar-

um, dass sie als Mitschöpfer Teil des

gesamten Prozesses sind. Warum ist

das Stadion des FC Barcelona bei jedem

Heimspiel ausverkauft, obwohl alle

Spiele live im spanischen Pay-TV über-

tragen werden? Zur Dienstleistung, für

User Payer Buyer

Smart Offering

Können wir das Handy des Kunden einsetzen, um seinen Aufenthalt für ihn angenehmer zu machen?

Können wir das Bonus-Schema un seres Kundenbindungsprogramms so modifi-zieren, dass wir ihm – und uns – mehr Wert bieten?

Können wir ein GPS-basiertes System einsetzen, um automatisch verpasste Flüge umzubuchen und Taxis oder Res-taurants zu reservieren?

Value-Integration

Können wir dem Kunden dabei helfen, persönliche Ziele zu erreichen, zum Beispiel ihm für die Geschäftsreise eine Diät anbieten?

Können wir dem Kunden bei der Ein-führung eines Reisekostensparpakets helfen, indem wir für alle Beteiligten (User, Payer und Buyer) ein Prämien-system für erzielte Einsparungen ein-führen?

Können wir dem Kunden ermöglichen, die Rabatt- und Kundenbindungs sys teme von Fluglinien und Hotels bestmöglich auszunutzen? Und können wir ihm all jene Routinetätigkeiten abnehmen, die für ihn bislang mit Reser vierung und Buchung verbunden sind?

Value-Constellation

Können wir den Kunden von unterwegs aus mit seinem Hausarzt verbinden? Oder mit einem ehemaligen Klassen-kameraden, der sich gerade in der gleichen Stadt wie der Kunde aufhält?

Können wir dem Kunden das eigenhän-dige Erstellen von Spesenabrechnungen ersparen, indem wir selbst die Daten aller beteiligten Unternehmen zusam-mentragen?

Können wir einen reibungsfreien Reser-vierungsprozess erreichen, indem wir die Kommunikation zwischen User (Manager), Buyer (Assistent), Payer (Buchhaltung) und den beteiligten Unter-nehmen verbessern?

kUndenOrIentIerte SerVICe-LOgIk Im InnOVatIOnSPrOzeSS eIneS dIenStLeISterS für geSChäftSreISen

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GDI Impuls . Nummer 2 . 2010

die der Kunde bezahlt, gehört in die-

sem Fall dazu, dass er sich an ihr betei-

ligt – in einem leeren Stadion würde

wahrscheinlich auch ein Lionel Messi

schlechter spielen als vor tobenden

Fankurven.

Darf ich mich dafür, dass ich alle

Ikea-Produkte selbst zusammen-

schrauben muss, auch als Mitschöpfer

im gesamten Dienstleistungsprozess

fühlen?

So nicht – beim Schrauben handelt es

sich ja tatsächlich um die Montage eines

Produkts. Dennoch ist Ikea ein hervor-

ragendes Beispiel dafür, wie Ikea seine

Kunden zu Mitschöpfern macht. Wenn

Sie dort an einem Samstagmorgen zu-

schauen, wie sich junge Pärchen ihre

erste Wohnung einrichten – da geht es

um Lebens- und Familienplanung, um

das Aufeinanderprallen unterschied-

licher Stile und Lebensweisen, jeden-

falls um alles andere als um Möbel. In

einem herkömmlichen Möbelhaus, in

dem der Verkäufer zunehmend nervös

neben den Kunden steht und darauf

wartet, dass die sich endlich einigen,

geht so etwas gar nicht.

Welche Branchen gehen besonders

stark in Richtung Service-Logik, und

welche haben noch einen besonders

weiten Weg vor sich?

Vieles von den hier beschriebenen Ent-

wicklungen hängt zusammen mit der

gestiegenen Macht der Konsumenten in

der Web-2.0-Welt. Diejenigen Bran-

chen, die hiervon direkt betroffen sind,

haben sich dementsprechend auch

schon am meisten bewegt. Besonders

herausfordernd hingegen ist die Situa-

tion bei vielen Business-to-Business-

Anbietern, vor allem im Maschinenbau.

Die haben in den vergangenen Jahren

gelernt, dass man den Kunden jetzt

nicht mehr Maschinen verkauft, son-

dern Solutions. Aber diese Solutions,

Dienstleistungen also, verkaufen sie so,

als wären es Produkte.

Zum Beispiel?

Wenn ich heute als Bauherr für ein

Bürogebäude eine Klimaanlage mit

Heizung, Lüftung, Kühlung etc. bestel-

le, dann versprechen mir alle Anbieter

«Solutions». Was ich dann bekomme,

ist aber bestenfalls ein Bündel von Pro-

dukten und Dienstleistungen, die auf-

einander abgestimmt sind. Was mir

keiner offeriert, ist die «Solution»: eine

garantierte Temperatur für die nächs-

ten zwanzig Jahre zu einem jährlichen

Fixpreis. Damit enttäuschen die Anbie-

ter einerseits die Kunden, die von Solu-

tions mehr erwartet hätten. Gleichzei-

tig fehlt ihnen auch das Verständnis,

diese Solutions zu rentabilisieren. Weil

in ihrer industriellen Logik eben gilt:

Produkt gleich Wert, Service gleich

Beigemüse.

Wie wäre es, wenn Sie es denen anders

erklären?

Da handelt es sich in der Tat um eines

der mich am meisten interessierenden

Forschungsgebiete. Vermutlich wird es

mich auch noch eine ganze Weile be-

schäftigen können – die Wahrschein-

lichkeit ist relativ gering, in dieser

Branche mit einem Drei-Minuten-Vi-

deo den Schalter im Gehirn umlegen

zu können. <

Interview: Detlef Gürtler

Prof. Stefan michel ist am 30. September Keynote-Speaker bei der III. European Chief Marketing Officer Conference im GDI Gottlieb Duttweiler Institute in Rüschlikon. Sein Thema: CMO – the next CEOInformation und Anmeldung: www.cmo-conference.org

«Meine Kunden sind als Mitschöpfer meiner DienstleistungenTeil des gesamten Prozesses.»

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GDI ImpulsWissensmagazin für Wirtschaft, Gesellschaft, Handel

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AUTORENLISTE (AUSZUG)Kofi Annan: Die afrikanische Herausforderung . Norbert Bolz: Religion ist der Antitrend zu allen Trends – Und deshalb Trend . Dieter Brandes: Die Kunst des Weglassens . Thomas Davenport und Jeanne Harris: Das Handbuch der Prognose­Techniken . Dagmar Deckstein: Klasse­Bewusstsein für Manager . Daniel Goleman: Emotionales Management . Tim Renner: «Warum Bauen Autobauer keine Fahr räder?» . Phil Rosen zweig: «Manager lassen sich über das Geheimnis des Erfolgs systematisch täuschen» . Douglas Rushkoff: «Der in­teraktive Raum ist heute ebenso verschmutzt wie die Shop­ping­Mall» . Edgar Schein: Vier Gesichter der Führung . Burkhard Spinnen: Kapitalismus, Sozialismus, Fraternismus . Peter Wippermann: Sozialer Reichtum . Klaus Woltron: Wie man Engelskreise konstruiert . Muhammad Yunus: Soziales Business

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