ewa te Kunst oder ,,echte Kunst - BAK-SH · Schleswig-Holstein e.V. (BAK-SH). Argumentative...

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KatharinaKniess An g ewa n d te Kunst oder ,,echte" Kunst Q elbstbewusst klärt Cornelia \JPatz-Nahm gleich zu Anfang des Gesprächs die Basis: ,,Wir sind die Matenalkünstler, wir schaffen Kunst ausgehend von den spezifi- schen Voraussetzungen der Materi- alien", so die 1. Vorsitzende des Be rufsve rb a n d An g ewa n dte Ku n st Schleswig-Holstein e.V. (BAK-SH). Argumentative Rückendeckung er- hält sie von Marianne Kassamba, beim Bundesverband Kunsthand- werk (BK) so wie Berufsverband Handwerk Kunst Design e.V. zustän- dig für Ausstellungen und Öffentlich- keitsarbeit:,,Angewandte Kunst ent- steht aus dem Material heraus, das hier in der Regel vorgegeben ist, und aus dem dann die Arbeiten gefertigt werden. Design richtet sich nach dem Entwurf, dem das Material oft- mals angepasst wird und auch im in- dustriellen Bereich als Vorlage die- nen kann. Und zur Blldenden Kunst zählen ursprünglich die Malerei, Grafik und sowie die Bildhauerei". Die Grenzen, da sind sich beide ei- nig, seien dabei ,,fließend". Vielleicht könnte eine kleine Linie gezogen werden unter dem Ge- Zu den ermüdenden Diskussionen innerhalb der Kunst- szene gehören die Fragen nach der ,,echten" Kunst: lst die Bildende Kunst die einzig wahre? ,,Verrät" ein Künstler sich und seine Kunst, wenn er auch kunsthandwerklich arbeitet? Oder ist's gerade noch tolerabel, ,, a n g ewa n dte" A rbeite n zu schaffen? Oder raras rsf das eigentlich - Bildende Kunst, Angewandt Kunst, Kunsthandwerk? sichtspunkt, dass sich freie Kunst der Materialien heute eher bediene, überlegt Cornelia Patz-Nahm.,,Wir Angewandten Künstler und Kunst- handwerker kennen die Tradition und die spezifische Beschaffenheit des Materials,, egal, was wir schließlich daraus machen". Sie lernen Materialien von Grund auf kennen, verstehen sich auf den Umgang mit ihnen und die Technik der Herstellung und Bearbeitung. Fertigkeiten, die in der klassischen Kunstausbildung mittlerweile - wie hinlänglich bekannt - weitgehend in den Hintergrund treten. Als Beispiel führt sie Eva Koj an. Diese schafft Gefäße und der Kniff macht's: Kojs Gefäße drücken aus ,,lch bin ein Gefäß", sie bricht die Asthetik und die formende Gege- benheit, sie überschreitet die Gesetze und auch Möglichkeiten der Nutzbarkeit, lotet Grenzen aus. ,,Unsere visuellen Erfahrungen", so Patz-Nahm, ,,übertragen wir in unser Material". Das muss nicht nutz- bringend sein, sondern kann mit der Wahrnehmung von Realität ebenso spielen wie Bilder oder Skulpturen. Der Prozess des Schaffens ist letzt- endlich entsprechend dem der so genannten,,freien" Kunst. Doch: ,,Frei wovon"? Auch hier stellt sich wieder die Frage - ist Kunst nur dann Kunst, wenn sie nicht nulzbar ist? Oder kann, ja darf Kunst(hand- werk) durchaus auch nutzbar sein, etwa als Gefäß? ln Deutschland, \d' I $ L .o o o t

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KatharinaKniess An g ewa n d teKunst oder

,,echte" KunstQ elbstbewusst klärt Cornelia\JPatz-Nahm gleich zu Anfangdes Gesprächs die Basis: ,,Wir sinddie Matenalkünstler, wir schaffenKunst ausgehend von den spezifi-schen Voraussetzungen der Materi-alien", so die 1. Vorsitzende desBe rufsve rb a n d An g ewa n dte Ku n stSchleswig-Holstein e.V. (BAK-SH).

Argumentative Rückendeckung er-hält sie von Marianne Kassamba,beim Bundesverband Kunsthand-werk (BK) so wie BerufsverbandHandwerk Kunst Design e.V. zustän-dig für Ausstellungen und Öffentlich-keitsarbeit:,,Angewandte Kunst ent-steht aus dem Material heraus, dashier in der Regel vorgegeben ist, undaus dem dann die Arbeiten gefertigtwerden. Design richtet sich nachdem Entwurf, dem das Material oft-mals angepasst wird und auch im in-dustriellen Bereich als Vorlage die-nen kann. Und zur Blldenden Kunstzählen ursprünglich die Malerei,Grafik und sowie die Bildhauerei".Die Grenzen, da sind sich beide ei-nig, seien dabei ,,fließend".

Vielleicht könnte eine kleine Liniegezogen werden unter dem Ge-

Zu denermüdendenDiskussionen

innerhalb der Kunst-szene gehören dieFragen nach der,,echten" Kunst:

lst die Bildende Kunstdie einzig wahre?

,,Verrät" ein Künstlersich und seine

Kunst, wenn er auchkunsthandwerklich

arbeitet?

Oder ist's geradenoch tolerabel,

,, a n g ewa n dte" A rbeite nzu schaffen?

Oder raras rsf daseigentlich -

Bildende Kunst,Angewandt Kunst,Kunsthandwerk?

sichtspunkt, dass sich freie Kunstder Materialien heute eher bediene,überlegt Cornelia Patz-Nahm.,,WirAngewandten Künstler und Kunst-handwerker kennen die Traditionund die spezifische Beschaffenheitdes Materials,, egal, was wirschließlich daraus machen". Sielernen Materialien von Grund aufkennen, verstehen sich auf denUmgang mit ihnen und die Technikder Herstellung und Bearbeitung.Fertigkeiten, die in der klassischenKunstausbildung mittlerweile - wiehinlänglich bekannt - weitgehend inden Hintergrund treten.

Als Beispiel führt sie Eva Koj an.Diese schafft Gefäße und der Kniffmacht's: Kojs Gefäße drücken aus,,lch bin ein Gefäß", sie bricht dieAsthetik und die formende Gege-benheit, sie überschreitet dieGesetze und auch Möglichkeitender Nutzbarkeit, lotet Grenzen aus.,,Unsere visuellen Erfahrungen", soPatz-Nahm, ,,übertragen wir in unserMaterial". Das muss nicht nutz-bringend sein, sondern kann mitder Wahrnehmung von Realitätebenso spielen wie Bilder oderSkulpturen.

Der Prozess des Schaffens ist letzt-endlich entsprechend dem der sogenannten,,freien" Kunst. Doch:,,Frei wovon"? Auch hier stellt sichwieder die Frage - ist Kunst nurdann Kunst, wenn sie nicht nulzbarist? Oder kann, ja darf Kunst(hand-werk) durchaus auch nutzbar sein,etwa als Gefäß? ln Deutschland,

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Katharina Böttcher, Ausstellung ,,Der bewegte Koffef', @ Katharina Knieß

so die Papierkünsflerin patz-Nahm,

,,versucht man, Unterschiede zumachen".

ln Skandinavien sieht die Situationanders aus. So stellen in FinnlandKunsthandwerker ganz selbst-verständlich Produktionsreihen fürgut Verkäufliches her, arbeiten aber

andererseits als freie Künsiler.Worunter dann aber der Wert derKunst nicht leidet - in Deutschlandhingegen verstecken die meistenKünstler noch etwaige Aktivitätenals Designer oder Kunsthandwer-ker. Cornelia Patz-Nahm berichtetvon ihrem Professor für Malerei,Harald Duwe; er vermittelte seinen

Studenten im Fachbereich Kunstder FH Kiel, dass man mit dem seinGeld verdienen solle, was man kann.

Besonders schön kann man dieBandbreite und die überschnei-dungen der Kunstarten bei Aus-stellungen wahrnehmen. Da ver-schwimmen die Grenzen augenfällig.

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Eva Koj, Flasche geschnitten, 2013,Steinzeug mit Porzellanauflagen, @ B. Perlbach

Wie etwa bei Der bewegteKoffer, einem in doppeltemSinne grenzübersch reitendenProjekt der Fehmarnbelt-Re-gion, an dem sowohl freie alsauch angewandte Künstlerin-nen und Künstler teilnehmen.

Mit einem ausführlichen Work-shop, dem eine Ausstellungim Rahmen der Sommeraus-stellung der freien Künstler inder Alten Festung aus der dä-nischen lnsel Masnedo folgte,starteten die beteiligtenKünstlerinnen und Künstlerin Dänemark; eine Ausstel-lung im Ostholstein-MuseumAnfang 2014 in Eutin kröntedie Aktion. MuseumsleiterinDr. Julia Hümme war spontanoffen für die Schau, hier,,können sich Künstler sowohlfür das Dach- als auch dasErdgeschoss bewerben. lchgucke mir die Unterlagendann an und schaue, ob dieAusstellungsideen in das ent-sprechende Jahresprogrammbzw. in unser Ausstellungs-konzept allgemein passenwürden".

20'15 wird der BerufsverbandAngewandte Kunst im Ost-holsteinmuseum eine großeAusstellung mit dem ThemaGefäß formumspielterRaum, raumumspielte Form -präsentieren, zu der je zweiKünstlerinnen und Künstleraus den bisherigen Koope-

rationsländern eingeladenwerden, also aus Dänemark,Norwegen, Schweden, Finn-land, Estland und Polen.

Dann, so die Planung, folgtalle drei Jahre eine jurierteThemen-Ausstellung im Ost-holstein-Museum. Dazu dieStandards wie die Jahres-schau für alle Mitglieder, so-wie die Triennale des nord-deutschen Kunsthandwerks;für diese arbeite man geradederzeit an einem neuen Kon-zepl.

Cornelia Patz-Nahms Wunsch-ausstellung wäre eine inter-nationale, für die Ostsee-An-rainer, verbunden mit einemS-H- und einem internatio-nalen Preis. Wie die 1. Vor-sitzende auch sonst viel an-schiebt - dies ist umso not-wendiger, als unter den knapp100 Mitgliedern die meistendoch ,,eher älter" seien, dennwie die meisten Verbände hatder BAK-SH Probleme, jungeNachwuchs-Künstler zu finden,

Mit den angeschobenen Akti-vitäten ist es ihr gelungen,neue Mitglieder zu gewinnen.Dies vor allem wohl auch, weilsie Vernetzung und Kommuni-kation über den gesamtenOstseeraum akzentuiert. Dasmacht attraktiv, bringt Be-wegung und zeigt Selbstbe-wusstsein.

oEilnen,Kunstwettbewerb u,nd eine Ausstellung veranstaltetdie Hosp.italstiftung Hof und die .Hospitalkirche in Koopera-tion mit dem Kunstverein,Hof'e.V. Als Thema wurde der,Be.griff Zeitlos gewählt; de1 Untertitel erläutert, von welchenGedanken sich Kirche und Stiftung leiten lassen: .,sozialesEngagement,,und seelenheill:. rür, den wettbewerb.könnenkünstlerisch tätige Menschen jeweils bis zu zwei Arbeiteneinreichen. Zugelassen §ind alle Formen der visuell gestal-teten Kunst: Malerei und Zeichnung, Druckgrafik und Foto-grafie, Plastik und lnstallation, Video und neue Medien.

Preise: 'l . Preis 1.000 Euro: 2. Preis 500 Euro: 3. Preis 250Euro sowie Sachpreise

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Aber ist nun also eine Mitglied-schaft im BAK-SH für BildendeKünstler, die auch angewandtarbeiten, interessant? Auf jedenFall, findet Marianne Kassambavom Bundesverband, ,,es gibt aucheinige solcher Mitglieder in unse-rem Verband, die beispielsweiseebenfalls dem BundesverbandBildender Künstlerinnen und Künst-ler angehören". Was Cornelia patz-Nahm für ihre Sektion Schleswig-Holstein nur bestätigen kann. .1946

gegründet, steht dem BAK-SH baldsogar ein kleines Jubiläum vor derTür: ,,ln zwei Jahren feiern unserenSiebzigsten, was gut passt, dennturnusmäßig stellen wir dann in Lü-beck im St. Annen-Museum aussamt Verleihung des Alen MülterH e I I wi g- F ö rd erprerses, gestiftet vomVerband Frau & Kuttur e.V. hier inLübeck".

Kontakt www.bak-sh.deBe rufsverba nd Angewa ndte Ku n st

Sc h I eswig-H ol ste i n e.V.Breite Str. 10_12

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www. ku n st- h a n dwe r k-cl e s i g n. d ewww. a n g ew a n dte_ k u n st. o rg

www. g e rm a n _c rafts. o rgWindmühlstr.3

60329 Frankfurt am MainTet. 069 - 74 02 31;

Ostholstein-Mu seumwww. o st h ol ste i n - m u se u m. d e

Kü n stl e r Cornel ia patz-N a h m

www. p a p i e r_ i n _fo rm. d eEva Koj www. ke ra m i k-eva-koj. d e

Der bewegte Koffer www. balticartsandc raft s. co m / D e r_b ew e gte_Koff e r- D e n _b ev -

g e d e_Kuffe ft _-_Wo rk s h o p. ht m tKlaus Titze, Ausstellung ,,Der bewegte Koffer',, @ Katharina Knieß