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Guru Guru Der Schamane e X perimenta Herausgegeben von Prof. Dr. Mario Andreo und Rüdiger Heins 12/ 17 Online- und Radio-Magazin für Literatur und Kunst INKAS - IN stut für K re A ves S chreiben www.inkas-instut.de

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Guru GuruDer Schamane

eXperimentaHerausgegeben von Prof. Dr. Mario Andreotti und Rüdiger Heins12/

17

Online- und Radio-Magazin für Literatur und KunstINKAS - INstitut für KreAtives Schreiben www.inkas-institut.de

1Dezember 2017 www.eXperimenta.de

12/17

Online- und Radio-Magazin für Literatur und KunstINKAS - INstitut für KreAtives Schreiben www.inkas-institut.de

Ant

je H

ampe

Herausgegeben von Prof. Dr. Mario Andreotti und Rüdiger Heins

eXperimenta

2 Dezember 2017www.eXperimenta.de

Inhalt Seite

Titelbild Antje Hampe

Editorial Rüdiger Heins 3Antje Hampe über ihre Fotografie 5„Von Serenata zum Totentanz“ Eine Aufführungsanalyse von Karla Aslan 8UA-Trilogie der Lyrik Teil Zwei 10Bittersüße Liebe Gülseren Balikci 12Der Katzenstaat – Teil Drei Philip J. Dingeldey 16Wenn ich alleine bin, gehe ich in den Wald Şafak-Sariçiçek 20Laudatio für Rüdiger Heins Prof. Dr. Mario Andreotti 21Hexen Karla Aslan 30Träne Marcus Nickel 33Haiku Martina Arp 33Seelenlichtertanz Franziska Schmetz 33Butoh Nela im Gespräch mit eXperimenta 36Wer ist der neue Teilzeit Hitler? Madita Hampe 39Mani Neumeier und Guru Guru Jens-Philipp Gründler 44Termintipp Guru Guru im Dezember„Es ist mir wichtig, das Gefühl von Freiheit zu transportieren“Mani Neumeier von Guru Guru im Gespräch mit Antje Hampe 48„Kamikochi“ Felix Sachs, St. Gallen 50Wollsteins Cinemascope 51Seminare INKAS INstitut für KreAtives- und literarisches Schreiben 54

Haiku – Meditation der Silben 55Ankündigung 65Wettbewerbe 66

Impressum 70

3Dezember 2017 www.eXperimenta.de

EditorialLiebe Leserinnen und Leser,einige Künstler in der heutigen Zeit haben unbemerkt die Funktion eines Schamanen übernommen.In einer Welt, in der Kriege, Hungersnöte, Umweltkatastrophen, Terroranschläge, Seuchen und vieles andere mehr auf der Tagesordnung stehen, bedarf es Menschen, die mit ihrer spirituellen Energie Licht ins Dunkel bringen. Künstler und Künstlerinnen tragen mit Worten, Bildern oder musikalischen Klängen dazu bei, Unsichtbares sichtbar zu machen. Josef Beuys war so ein (Künstler) Schamane, der mit seinen Installationen aus Filz und Fett Rituale vollzogen hat, die vordergründig als „moderne Kunst“ wahrgenommen wurden, letztendlich aber als schamanische Reisen verstanden werden können. Vielleicht ist Kunst auch ein Ausdruck davon, schamanisches Wissen mit der Sprache des 20. und 21. Jahrhunderts auszudrücken. Wobei die Rezeption von Kunst auch ein Ausdruck von Sehnsucht sein kann. Eine Sehnsucht nach der Erinnerung, die ein längst vergessenes Wissen anrührt. Das wesentliche Kriterium eines Schamanen ist das Verständnis seiner Absicht und die Kontrolle darüber.

hinterm horizontsummen die schamanenlieder aus dem ur

Zeitgenössische kunstschaffende Menschen sind ein Teil unserer Gesellschaft. Ihre Bedeutung besteht darin, Zwischenräume auszuloten, um neue Korridore zu öffnen. Auch dies wiederum ein Hinweis auf schamanisches Wissen, das nie ganz ausgelebt werden, sondern nur gefiltert in den gesellschaftlichen Innenraum transportiert werden kann. Künstlerschamanen, die sich auf den Weg ins Ungewisse gemacht haben, um Heilung in die Welt zu bringen, sind immer unterwegs. Sie wandeln zwischen den Welten. Drinnen und draußen. Wir finden sie da, wo sie gebraucht werden und da, wo sie vermeintlich nicht gebraucht werden: In der Kunst.

Willkommen bei der Guru Guru Ausgabe der eXperimenta

Rüdiger Heins

4 Dezember 2017www.eXperimenta.de

5Dezember 2017 www.eXperimenta.de

Antje Hampe

6 Dezember 2017www.eXperimenta.de

Antje Hampe über ihre FotografieRäume zwischen harter Realität und archetypischen Erfahrungen

Die Welt durch eine Kamera zu sehen, bedeutet für mich etwas aus der Distanz heraus sichtbar zu machen. Es ist eine Art der Entfremdung. Ein Zwischenschalten um gleichzeitig den Blick auf das zu lenken, was unter der Oberfläche darauf wartet erkannt zu werden. Auch sonst berührt mich weniger das, was klar und plakativ vor mir liegt. Es geht um das Schemenhafte, den Zwischenraum im Moment der Interaktion. Selbst wenn ich nur einen einzigen Menschen ablichte, bedeutet es Interaktion. Wenigstens zwischen ihm, der Kamera und mir. Ich gehe allerdings davon aus, dass weit mehr passiert. Es verhält sich beim Fotografieren ähnlich wie in einem Gespräch. Für mich ist der Inhalt dessen, was gesagt wird bei weitem nicht so aussagekräftig, wie die Tonlage der Stimme, die die Worte formt. Oft erfahre ich über einen Menschen wesentlich mehr, wenn ich seinem Klang lausche. Das artikulierte Narrativ ist eine Art unterhaltendes Beiwerk, dem ich nicht so viel Beachtung schenke. Der Mensch interessiert mich auf eine grundsätzliche Weise und da spielen konkrete Inhalte eine untergeordnete Rolle. Ich glaube, unsere Lebensthemen unterscheiden sich nicht wesentlich. Meine Absicht ist es den jeweiligen Umgang mit diesen Themen und dessen Auswirkungen im biografischen, systemischen Sinne zu erforschen und künstlerisch zu zeigen. Damit möchte ich einen neuen Raum aufzumachen.

Im Unterschied zu meiner Malerei, gibt mir die Fotografie die Möglichkeit, mich vom Sehen überraschen zu lassen

Andererseits fehlt der Mensch auch auf einem Teil meiner Bilder und ich verstehe dies immer wieder als Hinweis darauf, dass es im Leben nicht nur um die Dinge geht, die da sind, sondern auch um das, was nicht gezeigt wird. Fotografie ist eine Möglichkeit mit dieser Ambivalenz zu spielen. Abstrakt fotografiere ich möglicherweise auch, weil ich die Dinge in meiner Umgebung gar nicht scharf stellen kann. Es will mir nicht gelingen. Immer wieder betrete ich den Raum zwischen harter Realität und archetypischen Erfahrungen. Mich verfolgt diese semipermeable Membran dazwischen und insgeheim befürchte ich, dass man das, was dort erfahrbar wird, nicht mit Worten beschreiben kann. Im Unterschied zu meiner Malerei, gibt mir die Fotografie die Möglichkeit, mich vom Sehen überraschen zu lassen. Der Moment des Erkennens fällt fast mit dem Auslösen der Kamera zusammen. Dennoch bleibt ein kleines Fenster dazwischen. Entscheidend ist der Unterschied zwischen dem, was ich zunächst wahrnehme, dann abbilden möchte und dem, was sich scheinbar einstellt. Es zeigt mir wie komplex Wahrnehmung passiert, wo ihre Grenzen liegen und was geschieht, wenn man das sichtbar macht, was eigentlich hinter dem Vorhang der Konvention verborgen liegt. Individualität spielt plötzlich keine wichtige Rolle mehr. Wir sind uns alle ähnlich. Unsere Emotionalität ist nicht abhängig von der phänotypischen Erscheinung. Es erinnert daran, mich auf das Kollektive zu besinnen und der Trennung weniger Bedeutung beizumessen. Mir geht es ähnlich wie Leonard Cohen in einem seiner letzten Songs: „ I guess I am just somebody who has given up on a me and you.“ Diese Ahnung treibt mich immer wieder an. Künstlerisch als auch therapeutisch.

Antje Hampe

7Dezember 2017 www.eXperimenta.de

Antje Hampe

8 Dezember 2017www.eXperimenta.de

„Von Serenata zum Totentanz“Eine Aufführungsanalyse von Karla Aslan

Euro-scene Leipzig: Der Tod ist nicht schwarz-weiß

„Von Serenata zum Totentanz“ zeigt Rekonstruktionen berühmter Tanzstücke von Gret Palucca, Marianne Vogelsang und Mary Wigman im Theater der jungen Welt

Mit den Worten „Sie können auch mitmachen, aber keine Sorge, sie müssen nicht tanzen.“, kündigt Jason Beechey, der Direktor der Palucca Hochschule für Tanz in Berlin, die Veranstaltung an, welche während des Tanz-und Theaterfestivals euro-scene in Leipzig stattfindet. Gemeinsam mit Professor Ralf Stabel von der staatlichen Balettschule Berlin, führt er die Zuschauer in den Tanzabend ein. Die Spannung im dunklen Saal, der fast bis auf den letzten Platz besetzt ist, lässt sich aber kaum noch steigern. Es befinden sich viele Tanzxperten- und Liebhaber und wohl auch einige Historiker im Zuschauerraum.

Zu Beginn ist eine Videoprojektion von Gret Paluccas Tanz „Serenata“ zu Musik von Isaac Albéniz zu sehen, den die drei Tänzerinnen auf der Bühne aufnehmen. Die Aufzeichnung aus dem Jahre 1934 wird somit gleich um mehrere räumliche Ebenen erweitert. Der Tanz springt gewissermaßen aus dem Video auf die Bühne und entfaltet sich in den Bewegungen der Tänzerinnen, die immer wieder neue Symmetrien entstehen lassen, während sie sich aufeinander zu- und voneinander weg bewegen.

Improvisation war einer der wesentlichsten Aspekte von Paluccas Arbeit. Der Tradition folgend, zeigen die sieben Tänzer der Palucca Hochschule Dresden im folgenden Programmpunkt einen vollkommen improvisierten Tanz. Über die thematischen Schwerpunkte lässt Beechey das Publikum abstimmen. Es entscheidet sich für Spiegelung, Isolation und Schatten. „Keine Sorge. Niemand guckt euch an“, versucht der begeisterte Lehrer seine Schüler zu beruhigen. Es passiert so viel auf der Bühne, dass die Zuschauer sich fokussieren müssen. Vielleicht folgen sie mit ihren Blicken einem Tänzer. Vielleicht versuchen sie, ihre selbstgewählten Themen wiederzufinden. Nach ihrer gelungenen Improvisation beschreiben die Schüler ihre Gefühle während des Tanzens. Es sei „eine Herausforderung“ vor Publikum zu improvisieren, findet eine Schülerin. Eine andere sieht die Zuschauer als Erweiterung der eigenen Bewegung. „I like to see people“ antwortet der Dritte.

Marianne Vogelsang, eine Schülerin Paluccas begann ihre Karriere im dritten Reich und wurde ebenfalls eine bedeutende Ausdruckstänzerin. Die Moderatoren betonen ihr „Herausziehen aus allem, was man interpretieren könnte“ in einem diktatorischen Regime, wo versucht wurde, alles und jeden zu kategorisieren. In dem Tanz Fond „ Erbe Projekt“, einer Kulturstiftung des Bundes, welche künstlerische Projekte zum Kulturerbe Tanz fördert, tanzt Nils Freyer zu „Fünf Präludien aus dem Wohltemperierten Klavier von Johann Sebastian Bach“. Ulrike Buschendorf spielt das Stück auf dem Klavier. Die weiße Kleidung Freyers unterstreicht seinen anmutigen Tanz und erst der“ Mary Wigmans Totentanz I“ kann diese Eleganz brechen.

Doch dieser mystische, archaische Teil des Abends ist noch ausdrucksstärker als der erste!Hier wird die Vergänglichkeit aus einer anderen Perspektive beleuchtet, was schon zu Beginn, durch die Farben der Kostüme, deutlich wird. Wer die schwarz-weiß Fotografien von Wigmans Tänzen kennt, mag vielleicht besonders überrascht darüber sein, dass die vier Tänzer mit roten, gelben, blauen und grünen Kleidern auf die Bühne treten. Auf den ersten Blick erinnern sie mit ihren weiten Gewändern und den spitzen Hüten eher an niedliche Zwerge, als an Figuren aus der Unterwelt. Wie kam diese Rekonstruktion zustande? Quellen seien unter anderem Tanznotationen des Choreographen Albrecht Knust gewesen, erklärt Dr. Patricia Stöckemann vom Theater Osnabrück. Es habe auch ein paar wenige Kritiken von

9Dezember 2017 www.eXperimenta.de

damals gegeben, sowie Notizen auf Verpackungslisten von Mary Wigman selbst. „Die Gräber öffnen sich und geben ihre Toten frei...“ So beschrieb Wigman einst ihren Totentanz I, den sie zur Musik von Camille Saint-Saens choreographierte und den sie gemeinsam mit Gret Palucca, Berte Trümpy und Yvonne Georgi tanzte.

Dämonisch wird es mit der Rekonstruktion von Wigmans „Hexentanz“, den Choreograph Holger Bey auf Grundlage einer zweiminütigen Videoaufzeichnung von 1929 entwickelt hat. Die japanisch inspirierte Maske lässt die Individualität der Tänzerin Olivia Jane Mitchell im grün-rot schimmernden Gewand zurücktreten. Fast so tierisch, fast so energetisch wie Wigman robbt sie mit dem Hintern über den Boden, formt ihre Finger zu Krallen und stampft sich zu Gong und Trommelklängen beinahe in den Boden. Beim Verbeugen nach ihrer Performance tritt sie hinter der Hexenmaske hervor und überrascht die Zuschauer mit ihrem jungen strahlenden Gesicht.

Für den Totentanz II von 1925 zu der Musik von Will Goetze war keine Videoaufzeichnung als Vorlage vorhanden, nur Wigmans aufgezeichnete Erinnerungen boten Hilfestellung. Außerdem begleitete der Maler Enst-Ludwig Kirchner die Proben, dessen bekanntes Gemälde „Totentanz der Mary Wigman“ von 1926/1928 eine wichtige Quelle für die Rekonstruktion bildete. Die Musik stammt von Frank Lorenz aus dem Jahr 2017. Wabernder Nebel. Maskierte, in rosa und violette Schleier gehüllte Wesen. Es sind Tote, die ihre Ruhe nicht finden können. Ein grüner Dämon. Er will die Frauengestalt im ägyptischen Kleid zu sich holen. Eine Frau, die noch nicht willenlos, aber bereits wesenlos ist.

Der Tanzabend hinterlässt seine Zuschauer in diesem Zwischenreich. Sie verlassen den Saal verwirrt, beeindruckt, verzaubert, oder einsam. Die Wahrnehmung der Historie wird hier verändert oder überschrieben und manchmal auch bestätigt. Ob die Tänze damals wirklich so getanzt wurden, wie an diesem Abend, lässt sich immer noch nicht beantworten. Fakt ist, dass sie ihre Wirkung noch heute entfalten. Die jungen Künstler führen uns vor Augen, dass die Ereignisse, welche die Ausdruckstänzerinnen zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts prägten, auch Themen unserer Generation sind.

Karla Aslan, geboren am 24.04.1988, lebt in Leipzig, studierte bildende Kunst, Germanistik und Theaterwissenschaften.

10 Dezember 2017www.eXperimenta.de

TRIL

OG

IEUA-Trilogie der Lyrik Teil Zwei

Artur Urart arbeitet als Freier (Bildender) Künstler unter anderem auch mit Sprache, insbesondere wortspielreich und (ver-)dichtend (nicht unbedingt „lyrisch“), auch anspruchsvollere Formen wie Poemagramme, MultiTxt, Kubonyme suchend & erfindend und als Herausforderung nutzend (statt sich der Formen zu entledigen).www.ArturUrart.de

11Dezember 2017 www.eXperimenta.de

Die eXperimenta veröffentlicht seit Dezember 2011 die Rubrik „Trilogie der Lyrik“. Hier erschienen bisher Texte von Cornelia Becker, Gabi Kremeskötter, Maja Rinderer (Australien), Marcela Ximena Vásquez Alarcón (Chile), Rafael Ayala Paéz (Kolumbien), Ingritt Sachse, Ilona Schiefer, Cuti (Brasilien), Johannes Kühn, Charles Bukowski (USA), Gioconda Belli (Nicaragua), Arnfrid Astel, Bertram Kottmann /Emily Dickinson (USA), Sören Heim, Rüdiger Heins, Xu Pei (China), Şafak-Sariçiçek (Türkei), Jan Pönnighaus, Jens-Philipp Gründler, Daniela Schmidt, Gudrun Holtmanns, Thorsten Trelenberg und aktuell Artur Urart.

Antje Hampe

12 Dezember 2017www.eXperimenta.de

Bittersüße LiebeGülseren Balikci

Unsere Schatten, welche von einem kleinen Licht erzeugt wurden, fielen auf den Boden. Seine Fingerspitzen waren so rau, doch dieses Kratzen auf meiner Haut, fühlte sich beschwingend an. Alles mit ihm fühlte sich so an, als ob es nichts Besseres geben würde. Als ob unsere Zeit nie vergehen würde und dieser Moment für ewig war. Als ob wir unsterblich wären und für einander geschaffen waren. Doch trügt mich meine Wahrnehmung wieder einmal, denn irgendwann würde dieser Moment nur zu einer Erinnerung werden. Ein kleiner Bruchteil meines Lebens, der später keinen Wert mehr haben wird. Weder für mich, noch für meine zukünftige Familie oder für die Geschichten, die ich erzählen werde. Spätestens wenn seine Medikamente nicht mehr ansetzen und er seine Augen schließt, wusste ich, dass selbst das hellste Licht dunkel für mich erscheinen würde und nach einer gewissen Zeit würde es komplett erlöschen. Tja, so war das nun mal mit der Liebe. Kaum verliebte man sich, musste es ein bitteres und schmerzvolles Ende nehmen. Zumindest ging es immer mir so, aber dieses Ende war wohl das Schlimmste, denn ich würde nie die Chance haben, das Kapitel, welches seinen Namen trug in meinem Lebensroman, abzuschließen. Seine so blasse Haut trug so viele Narben. So viele, dass man nie genug Zeit haben würde, die Geschichten hinter all diesen Narben zu entdecken. Vielleicht waren es auch nur bedeutungslose Narben, Narben die durch dumme, alltägliche Situationen oder ähnliches entstanden waren. Aber das war mir egal, solang er redete, war es mir egal über was. Ich wollte ihn einfach hören, ihn und seine so klare Stimme. Diese Stimme, welche die Kriege in meinem Kopf beenden könnte. Ich wusste nicht warum, aber ich glaubte immer daran, dass die kleinsten Sachen eines Menschen die größten Wunder bewirken würden. Und so war es bei uns. Er hat mich auf eine Art und Weise gerettet, wie es kein Held geschafft hätte. Er hat geredet, mich berührt, ohne seine Hände zu benutzen und ich habe gefühlt, wie gesund ich wurde und vor allem wie glücklich. Ich war glücklich, nach langer Zeit wieder konnte ich sowas wie Glück empfinden. Ich wünschte, ich könnte euch erzählen, wie toll unsere Beziehung war, welchen Orte wir zusammen gesehen haben, was wir erlebt haben. Aber außer der Intensivstation und der Krankenhauscafeteria haben wir nicht wirklich was Besonderes gemacht. Trotzdem war es toll und mit ihm war jeder Tag nennenswert. Und jetzt, jetzt wo er weg ist, verliert langsam alles seine Farbe um mich herum. Alles fängt an zu verschwimmen und vollkommen seinen Sinn zu verlieren. Die Schmerzen werden größer, die Kriege werden lauter und das Atmen schwerer. Liebe ist ein so süßes Leiden. Eine Versuchung und ein großer Schmerz.

Gülseren Balikci ist eine deutsche Bürgerin mit Migrationshintergrund. Sie wurde am 29.03.2000 in Hof/Salle geboren und besucht momentan die Klasse 12 einer Fachoberschule im Fach Sozialwesen. Sie hat bereits auf der Internetseite www.fanfiktion.de unter dem Pseudonym „Miru-“ neun Kurzgeschichten veröffentlicht und schreibt aktuell an einem Briefroman.

13Dezember 2017 www.eXperimenta.de

Crowdfunding

„Armut in Zeiten der Globalisierung“ Crowdfunding eXperimenta

Mit der Oktober Ausgabe startete die eXperimenta in eine neue Crowdfunding-Aktion. Mit dem Themenschwerpunk „Armut in Zeiten der Globalisierung“ möchten wir 2018 publizistisch auf Menschen aufmerksam machen, die sich in existentiellen Lebenssituationen befinden: Rentner, alleinerziehende Väter und Mütter, Pfandflaschensammler, Singles, Harz IV-Aufstocker, Behinderte, Obdachlose Menschen, Straßenkinder, Arbeitslose, Künstler und viele andere Existenz bedrohte Menschen, die am Rande der Armutsgrenze leben müssen. Wir möchten diese Menschen nicht länger im Abseits der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit ums tägliche Überleben verschweigen. Die eXperimenta übernimmt neben ihrer literarischen und kulturellen Aufgabe auch publizistische Verantwortung für die Menschen, die „Draußen vor der Tür“ überleben müssen. Ab Dezember 2017 werden wir Ausschreibungen machen und Menschen dazu einladen, über ihr Leben zu erzählen. Für diese Recherchen, die mit Reisekosten, Übernachtungen und Verdienstausfällen verbunden sind, möchten wir ein Crowdfunding ins Leben rufen, bei dem sich engagierte Menschen mit einem finanziellen Beitrag einbringen können. Dabei spielt es keine Rolle, ob jemand einen oder tausend Euro in das Crowdfunding einbringt. Dabei sein ist alles! Als Dankeschön erhalten die Sponsoren ein handsigniertes Buchgeschenk, die Buchliste wird noch bekannt gegeben. Wir beginnen zunächst im deutschsprachigen Raum mit unseren Recherchen zur „Armut in Zeiten der Globalisierung“ und dehnen uns dann in die europäischen Nachbarländer aus. Vielleicht später auch Südamerika, Afrika, Asien, die arabischen Länder usw. Wir schreiben die jeweiligen Themen aus und suchen die Autor(inn)en und Fotograf(inn)en für Reportagen und Interviews aus. Für die einzelnen Themen können sich auch Fotograf(inn)en und Autor(inn)en zur Verfügung stellen, die nicht zur eXperimenta-Redaktion gehören. Bewerbungen können bereits jetzt per E-Mail an die Redaktion gesendet werden: [email protected]

Spenden für die Crowdfunding Aktion sind ebenfalls ab sofort möglich: Unsere Bankverbindung lautet:

Netzwerk für alternative Medien- und Kulturarbeit e.V.IBAN: DE57 5519 0000 0295 4600 18BIC: MVBMDE55XXXVerwendungszweck: Crowdfunding eXperimenta 2018

Wir bedanken uns herzlich für Ihre Unterstützung!

Ihre eXperimenta-Redaktion

14 Dezember 2017www.eXperimenta.de

15Dezember 2017 www.eXperimenta.de

Antje Hampe

16 Dezember 2017www.eXperimenta.de

Der Katzenstaat – Teil DreiPhilip J. Dingeldey

Für Annabell

Um wen es sich bei der Person Mariko handelte, sollte für immer ein Geheimnis bleiben. Sie blieb ein Phantom. Wahrscheinlich lebte sie mit ihren beiden verliebten und vernarrten Dienern irgendwo abgeschieden sowie anonym und genoss dabei ihr Leben. Jahrelang noch hatte es Spekulationen gegeben, um wen es sich bei dieser Figur gehandelt hatte, die den Katzenmenschen oder Menschenkatzen den vollständigen Anarchismus beigebracht hatte, die ihnen die Zwänge des Menschseins in einigen wenigen Minuten abgenommen hatte, und die es geschafft hatte, mit einem kleinen bisschen Urin die Feinde der Freiheit – sprich, die Regierung – zu beseitigen, indem diese ihre volle Glaubwürdigkeit verloren hatten. Man spekulierte, Mariko könnte ein ehemaliges, verstoßenes Regierungsmitglied sein, möglicherweise aber auch jemand aus dem Forscherteam um Professor Sterling. Sicher sein konnte man nur, dass es nicht das Walross selbst war, das eines Morgens in seiner menschlichen Gestalt tot in seinem Schwebesitz gefunden worden war. Die krude Theorie kursierte, dass es sich bei Mariko tatsächlich um eine Katze handelte, der jemand – möglicherweise ihre Diener Annabella und Thomas, denn vielleicht waren die ja Biologen, man wusste es nicht – menschliche DNA injiziert hatte, sodass sie sich ergo als Katze den Menschen genetisch angenähert hätte, so wie sich die Menschen den Katzen angenähert hatten. Das wäre natürlich zu dem Zweck geschehen, die Menschheit von ihrem alten menschlichen Restbestand zu befreien und den menschlichen Staat und seine Machtstrukturen sowie natürlich die der Ökonomie endlich absterben zu lassen, um den Weg zur freien und gleichen Anarchie der Katzen zu bereiten, den die Welt so dringend brauchte. Die Phase des Katzenstaates war überstanden, es ging nahtlos über in die Katzenfreiheit.Während um Mariko also weiter spekuliert wurde - man sie doch eher als Burke oder Sterling zur Freiheitsikone stilisierte, gehörten schließlich die letzteren beiden noch dem ancien regime an, und Mariko symbolisierte das Neue und die pure elegante Katzigkeit im anarchischen Luxusleben - so gestaltete sich das Gesellschaftssystem in radikaler Weise um.

Im leeren und überflüssigen Parlamentsgebäude wurde eine Katzenstatue aus Marmor errichtet: Eine getigerte Katze, die elegant auf der Seite lag und einen treuherzigen Blick auf die Besucher des Gebäudes warf, wobei das Haus als Museum diente und damit zusätzlich die Überflüssigkeit seines alten Zweckes unterstrich, indem es erstmals ein Ort der freien Diskussion wurde. Der pompöse Präsidentschaftspalast dagegen wurde ein Katzenheim. Einige der Menschen, die Menschen bleiben wollten, konnten hier Katzen besuchen, bedienen, streicheln und verwöhnen, solange sie wollten, um dann nachhause zu gehen. Einzige Bedingung für diese Menschen war, dass keine Katzen bei ihnen zuhause waren, denn hätten diese gerochen, dass IHRE Menschen bei anderen Katzen waren, hätten sie das nie verziehen.

Von Burke und seinen Ministern hörte man übrigens nichts mehr. Sie schienen in einige der verbliebenen Wälder in den Bergen geflohen zu sein, um sich dort selbst zu versorgen. Doch auch darüber wurde nur spekuliert und die Geschichten wurden unter den Katzen und Menschen von Generation zu Generation weiter aufpoliert, ohne dass man genaue Fakten hatte.So entstand, vereint mit der Geschichte um die Befreierin, die mysteriöse Mariko, der Gründermythos des Katzenanarchismus.

17Dezember 2017 www.eXperimenta.de

Ansonsten lebten die Katzen mit ihren Dienern in den bebauten und zivilisierten Gebieten in einer friedlichen Existenz. Die übrigen Menschen dienten den Katzen freiwillig und behandelten sie, wie sie es verdienten. Indem jede Katze wie ihr eigener Gott behandelt wurde, war auch ein weiteres Problem der alten Gesellschaft beseitigt: die Religion. Während sich früher Menschen aus Gründen der Religion und ganz besonders wegen blutrünstig-missionarischer Monotheismen gegenseitig bekriegten oder das Argument der Religion geschickt dazu instrumentalisierten, hielt sich jede Katze für ihren eigenen Gott, wobei diese Vorstellung nicht so weit reichte, dass die Katzen sich gegenseitig ihren Glauben der jeweiligen Göttlichkeit streitig machten – zumindest reichte es im Konfliktfall zu nicht mehr als ein bis zwei Kratzern oder schlimmstenfalls mal einen Biss, bis jeder wieder seiner Wege ging. Und selbst wenn eine Katze das Interesse gehabt hätte, andere von ihrer ausschließlichen Göttlichkeit zu überzeugen, so hätte sie doch nie eine Anhängerschaft unter den anderen Katzen gefunden, da diese sich selbst anbeteten. Zwar hätte sich sicherlich eine noch altmodische menschliche Schar für so manche Katze gefunden, jedoch zählte dies in Katzenkreisen reichlich wenig. Das religiöse System der Katzen war also eine friedliche henotheistische Koexistenz.Die Katzen waren damit befreit von der Unterdrückung durch den Staat und der Religion, sozusagen vom repressiven und vom ideologischen Staatsapparat. Das ermöglichte ihnen auch, sich frei zu entfalten, zumal damit die systematische Unterdrückung durch die Ökonomie wegfiel. Wer jagen wollte, der konnte auf die Jagd gehen und sich selbst versorgen. Man konnte aber auch sein Recht auf Faulheit genießen, indem man sich von den Menschen, die sich freiwillig zur Verfügung stellten, füttern und liebkosen ließ. Es gab keine Notwendigkeit zu jagen, es wurde eher zu Hobby oder Instinkthandlung.

Die Menschen, aller Herrschaftsformen, außer der Bewunderung für die Katzen beraubt, dienten aus voller Überzeugung, erwirtschafteten ein bisschen Futter für sich und ihre Lieblinge und halfen sich gegenseitig bei der Instandhaltung der Infrastruktur, ohne dass es dabei noch Hierarchien oder Zwänge gegeben hätte, denn erst übernahmen die Katzen die politische und ökonomische Macht und zerstörten diese sodann. Das einzige, was übrig blieb aus der alten Zeit, war das nützliche Mittel der Verwaltung, zu organisatorischen Zwecken.Ein Problem stellten für etwa ein Jahrzehnt lang jedoch die Hundebesitzer dar. Diejenigen, die sich reaktionär gezeigt hatten, also katzenfeindlich waren, verließen den Westen, durch die bloße Majorität der Katzen. Meist gingen diese Katzenfeinde in fremde Länder und lebten mit ihren Dienerhunden weiterhin in ungerechten ungleichen Menschensystemen. Viele jedoch lernten sich anzupassen und ihre Hunde zu zähmen, sodass diese meist friedlich dort leben konnten. Zur Sicherheit gab es zum Auslauf für größere Hunde spezielle Hundeparks, in denen sich keine Katzen zeigten, da man in diesem Fall lieber eine Parallelgesellschaft entwickelte.Internationale Beziehungen des Westens mit anderen Staaten gab es kaum. Man versuchte so selbstversorgend zu leben, wie es ging, und da die Menschheit sich stark minimiert hatte, indem sie zu Katzen wurde, war dies auch einfacher möglich, braucht doch eine Katze weniger, um sich als glücklich zu klassifizieren.

Durch ihre evolutionäre Anpassungsfähigkeit gelang es den Katzen vor allem mit dem Klimawandel zu leben, man zog sich auf weniger hart betroffene Gebiete zurück, und die krasseren Unterschiede der Jahreszeiten waren für Katzen und ihr Fell erträglicher. Jedoch sorgten ab und an unkontrollierbare Epidemien und manche Katastrophen weltweit immer noch dafür, dass zahlreiche Menschen und Katzen starben. In der alten Zeit war eben zu vieles klimatisch unwiederbringlich zerstört worden – ein sehr großer, aber unabänderlicher Wermutstropfen. Ach, hätte es die Katzenrevolution doch nur ein Jahrhundert früher gegeben!Man könnte also sagen, dass mit dem genetischen Experiment und dem Katzenstaat, der schließlich in die Katzenanarchie mündete, nahezu das gelungen war, was ein bärtiger deutscher

18 Dezember 2017www.eXperimenta.de

Theoretiker zweihundertfünfzig Jahre zuvor bereits gefordert hatte. Doch es brauchte erst zahlreiche gescheiterte Versuche unter den Menschen, bis man es den Katzen überließ, die dieses Projekt, trotz oder gerade wegen ihrer asozialen Züge, realisieren konnten.

Philip J. Dingeldey, geboren 1990, arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Universität Greifswald. Er schreibt außerdem für verschiedene Medien, u. a. für die ZEIT, FAZ, FR, taz, NZ, ND, DTZ, Titel-Kulturmagazin. Er ist Redakteur der eXperimenta und beim Online-Kulturmagazin „Postmondän“. Diverse Buchpublikationen: Zuletzt erschienen: „Nürnberg – einfach spitze“ (Wartberg Verlag, 2016).

Antje Hampe

19Dezember 2017 www.eXperimenta.de

Ant

je H

ampe

20 Dezember 2017www.eXperimenta.de

wenn ich alleine bin, gehe ich in den waldŞafak-Sariçiçek

zwischen dem gebäude des ehemaligen victoria hotelund dem gebäude, auf dem die weiße holzvilla ist, der

examenskandidaten,

führt ein bepflasterter weg in den wald und verliertsich in laub & dunkelheit und stehst du am fuß

des hangs zu

den waldtiefen, weht es kühl und frisch und ein wenigmoosig von der pforte aus bäumen her ; und so ist

auch

ein wenig das gefühl, wenn ich jetzt alleine bin, einefrische brise zwischen tumult & ambition, ein weg,

der

sich in dunkelheit verliert, der weg in den wald, aber auchein bepflasterter weg, die kühle, die frische, eine rückkehr

zu

den wurzeln; so ist jetzt das gefühl, wenn ich alleine bin,kein sumpf, der mich erstickt in schlammmassen,

wenn ich

jetzt alleinebin,

gehe ich in den wald und kann atmen.

Şafak-Sariçiçek wurde 1992 geboren, Abitur an der Deutschen Schule Istanbul und anschließendes Biowissenschaftsstudium. Ab 2012 Studienfachwechsel zu Jura, Redakteur der StudentischenZeitschrift für Rechtswissenschaft und Mitbegründer des jungen Literaturtreffs „echolot.heidelberg“ . Anthologieveröffentlichungen sowie Publikationen in literarischen Zeitschriften.

21Dezember 2017 www.eXperimenta.de

Laudatio für Rüdiger HeinsProf. Dr. Mario Andreotti, St. Gallen

Sehr geehrter Herr Direktor der Stadtbibliothek Bad Kreuznach, Herr Meisel,Verehrter Herr Vorsitzender der IGdA, lieber Klaus,Verehrte Frau Blattl, liebe Gaby,Meine sehr geschätzten Damen und Herren!

In Japan gibt es seit 1951 eine sehr schöne Tradition: Da wird jedes Jahr eine Person ausgezeichnet, die sich in besonderem und ganz erheblichen Masse um die Entwicklung und den Fortschritt der Kultur Japans verdient gemacht hat. Die Ernennung zur Person mit besonderen kulturellen Verdiensten, wie es offiziell heisst, erfolgt durch den Minister für Bildung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie und gilt in Japan als bedeutende Ehrung. Die Auszeichnung wird auf Lebenszeit vergeben und ist mit einer Pensionszahlung in der Höhe von 3,5 Millionen Yen, also etwa 34‘000 Euro, jährlich verbunden. Eine wunderbare Auszeichnung, von der ich weiss, dass ich da nicht im entferntesten eine Chance hätte, sie einmal zu erhalten, hören sich doch meine eigenen kulturellen Leistungen eher bescheiden an. Aber eine andere Person hier im Saal, die zwar nicht aus Japan stammt, sondern in Bingen am Rhein lebt, hätte diese Auszeichnung ohne Wenn und Aber sicher verdient. Es ist - wie könnte es anders sein - Rüdiger Heins, der erst vor gut einem Jahr zur Interessengemeinschaft deutscher Autoren gestossen ist und heute zu Recht bereits im Vorstand dieses Vereins sitzt. Ohne ihn, ohne seine Bereitschaft, unsere Jahreshauptversammlung in Bad Kreuznach mit zu organisieren, würden wir heute nicht hier in diesem wunderbaren Haus, sondern irgendwo in der Wildnis tagen. Von Johann Gottfried Herder, dem wohl grössten Anreger der deutschen Geistesgeschichte, kursiert das Wort, er habe für die Entwicklung der deutschen Literatur so viele Verdienste, dass man tausend und eine Nacht brauchte, um sie alle aufzuzählen. Ich weiss nicht, ob wir bei Rüdiger Heins auch so lange brauchten; aber dass seine kulturellen Verdienste über jedes gewöhnliche Mass hinausreichen, das dürfte unbestritten sein. Dabei bilden diese Verdienste gar nicht das Zentrum seines Lebens; im Zentrum steht für Rüdiger etwas ganz anderes: Es ist seine tiefe Spiritualität, um nicht zu sagen Religiosität. Nimmt man Rüdigers verschiedene Publikationen zur Hand, so sticht einem ein Buch sofort ins Auge. Es ist ein Buch mit dem alles andere als alltäglichen Titel «Vision der Liebe», ein Theaterstück über Hildegard von Bingen, über die Frau, die als erste Vertreterin der deutschen Mystik des Mittelalters in die Geschichte eingegangen ist. Von dieser Heiligen, die im 12.Jahrhundert als Benediktinerin, als Dichterin und als Komponistin, ja sogar als bedeutende Universalgelehrte im Kloster Rupertsberg bei Bingen gelebt hat, ist Rüdiger Heins angetan. Ihr will er nahe sein, wie er einmal selber schreibt. Fast fortwährend beschäftigt er sich daher mit ihren Schriften und entdeckt dabei immer wieder neue Aspekte in ihren Visionen. Verehrte Anwesende, doch warum sage ich Ihnen das alles, wo doch in einer Laudatio nicht von Spiritualität, sondern von einem verdienten Literaten die Rede sein soll? Ganz einfach deshalb, weil von dieser tiefen Spiritualität aus Rüdiger Heins’ ganzes Werk, all seine kulturellen Leistungen letztlich zu verstehen sind. Da sind zunächst einmal seine verschiedenen Publikationen, angefangen beim bereits genannten Buch «Vision der Liebe», einem Theaterstück über die Visionen der heiligen Hildegard und fortgeführt mit vier weiteren Theaterstücken, die Menschen am Rande der Gesellschaft gelten, seien dies nun Frauen aus einer islamischen Kultur, Strassenkinder, Tyrannen einer längst vergangenen Epoche oder gar Mystikerinnen wie eine Hildegard von Bingen, und über die es in meinem Vorwort heisst, es gehe dem Autor dabei immer um die Vision einer menschlicheren Welt. Dazu gesellt sich ein Buch, das den Zisterzienser Mönchen der Abtei Himmerod gewidmet ist und in dem diese Mönche dem Leser in sehr persönlich gehaltenen Interviews einen Einblick in ihr monastisches Leben gewähren. Schliesslich ist da noch ein Buch im Gewand eines Kriminalromans, das den spannungsgeladenen Titel «In Schweigen gehüllt» trägt. In diesem Buch erzählt der Autor die Geschichte des jungen, erst achtzehnjährigen

22 Dezember 2017www.eXperimenta.de

Anton Detrois, der seine alte Tante Honorine Steimer, eine ehemalige Klosterfrau aus einem Orden in Würzburg, ermordet, um an ihre Geldschatulle zu gelangen, und der schliesslich von der Polizei gefasst und am 4.September 1903 in Mainz öffentlich hingerichtet wird. Das Faszinierende an diesem Buch ist nicht so sehr die Detektivgeschichte selber als vielmehr der Umstand, dass Rüdiger Heins einen modernen Montageroman geschaffen hat, der dem Leser nicht nur einen Einblick in die komplexe, in sich widersprüchliche Psyche eines Menschen ermöglicht, der auf seine Weise Liebender und Mörder zugleich ist, sondern auch in eine bürgerliche Gesellschaft, die für Menschen an ihrem Rande keinen Platz hat. Liebe Hörerinnen und Hörer, ich kann Ihnen die Lektüre dieses Romans nur empfehlen.Dazu gesellen sich noch eine ganze Reihe weiterer Werke, die Rüdiger Heins alle im Wiesenburg Verlag herausgebracht hat. Zu ihnen gehören Bände mit Kurzgeschichten und Gedichten, gehört der schon 1987 erschienene Roman «Verbannt auf den Asphalt», der in verschiedenen Szenen vom Schicksal von Menschen ohne ein Zuhause erzählt, gehört ein Theaterstück über Strassenkinder, über jene mindestens 2000 Kinder in Deutschland, die die Welt der Erwachsenen verlassen haben, die ausgestiegen sind aus einer Welt, die nicht die ihre ist. Es sind zur Hauptsache Bücher, die sich aus einer christlichen Perspektive mit den grossen sozialen Problemen unserer heutigen Welt beschäftigen. Ging es der heiligen Hildegard von Bingen um die Vision des Göttlichen, so geht es Rüdiger Heins um jene einer menschlicheren Welt. Das zeigt sich schon in seiner Freundschaft und Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller und Enthüllungsjournalisten Günter Wallraff, der in seinen Büchern immer wieder soziale Missstände offengelegt und dazu beigetragen hat, dass sie behoben wurden. Ich erinnere Sie etwa an das 1985 erschienene, international erfolgreiche Buch mit dem sprechenden Titel «Ganz unten», in dem Wallraff Menschenrechtsverletzungen und Ausländerfeindlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland in den frühen 1980er Jahren darstellt. Damit wieder zurück zu Rüdiger Heins. Seine zahlreichen Publikationen betreffen nicht nur menschliche, vor allem soziale Fragen, sondern auch Fragen aus dem Literaturbereich. Rüdiger ist nicht bloss ein begabter belletristischer Autor, der Theaterstücke, Romane und Lyrik verfasst; er ist ebenso sehr ein guter Kenner des Literaturbetriebes und der Probleme rund um die ästhetische Wertung literarischer Texte. Das macht schon sein «Handbuch des Kreativen Schreibens» deutlich, das er 2005 veröffentlicht hat und in dem, wie es im Klappentext heisst, mit methodischen Übungen versucht wird, «die kreativen Ressourcen des Einzelnen zu entdecken, um sie im Schreibprozess mit Hilfe des geschriebenen Textes zum Ausdruck zu bringen». Und wenn ich schon dieses Handbuch erwähne, dann darf etwas anderes, mit ihm unmittelbar Zusammenhängendes nicht unerwähnt bleiben: Ich meine das INKAS Institut für literarisches und kreatives Schreiben, das Rüdiger Heins 1997 gegründet hat - eine Institution notabene, in der den Teilnehmern in Seminaren oder Studientagen auf spielerische Art der Umgang mit der Sprache und ihren Stilmitteln vermittelt wird, in der sie unter anderem lernen, Versagensängste und Schreibblockaden zu überwinden. Das Besondere an diesen von Rüdiger Heins selber geleiteten Seminare, die übrigens hier in Bad Kreuznach stattfinden, sind die eingebauten Ruhe- und Mediationsübungen. Daran wird deutlich, dass es Rüdiger Heins um mehr als nur um das blosse Schreiben, dass es ihm stets um den ganzen Menschen und sein Wohlbefinden geht. In der Septemberausgabe 2017 des Online-Magazins eXperimenta, das es freilich auch als Printausgabe gibt, findet sich in einer kurzen bibliografischen Notiz zu Rüdiger Heins die Feststellung, er sei seit 2002 Mitherausgeber dieses Magazins. Verehrte Anwesende, das ist stark untertrieben und zeigt einmal mehr, wie zurückhaltend-bescheiden der heute Abend Geehrte auftritt. In Tat und Wahrheit ist er der Gründer und eigentliche Herausgeber dieser Zeitschrift für Literatur und Kunst. Ich selber werde auf dem Titelblatt, im Grunde zu Unrecht, als Mitherausgeber aufgeführt, ist doch meine Leistung für die eXperimenta, das «Online und Radio Magazin für Literatur und Kunst», wie sich die Zeitschrift genau nennt, mehr als bescheiden. Sie besteht in gelegentlichen literarischen Beiträgen und kleineren finanziellen Zuschüssen. Das ist alles. Dreierlei, liebe Hörerinnen und Hörer, gefällt mir an der eXperimenta besonders. Da ist zum einen das äusserst professionell arbeitende Redaktionsteam unter der Leitung der Chefredakteurin Gabi Kremeskötter. Ich freue mich immer, wenn mir Franziska Schmetz, die unter anderem für die

23Dezember 2017 www.eXperimenta.de

Bildredaktion zuständig ist, jeweils pünktlich am Ende eines Monats das Korrekturexemplar für den kommenden Monat sendet und ich spüren darf, dass es mit der eXperimenta tapfer weitergeht. Und da ist zum andern die Tatsache, dass das Redaktionsteam - es ginge zu weit, hier alle Namen zu nennen - ehrenamtlich arbeitet. Das ist gerade heute, wo kaum mehr etwas ohne finanzielle Abgeltung geleistet wird, alles andere als selbstverständlich. Und da ist schliesslich zum Dritten die Offenheit dieses Magazins für die verschiedensten literarischen Genres und Formen von Texten, sofern sie über ein Mindestmass an ästhetischer Qualität verfügen. Ich kann Sie, geschätzte Anwesende, falls Sie die eXperimenta noch nicht kennen, nur dazu einladen, im Internet einmal einen Blick in dieses Online-Magazin zu werfen. Sie werden staunen, was Sie alles an kunstvollen Illustrationen und an Informationen erhalten, von Kurzgeschichten über Lyrik und Essays bis hin zur Ankündigung kultureller Veranstaltungen und Seminare. Wie Ihnen allen sicher bekannt ist, gab es im Hochmittelalter und vor allem in der Epoche des Humanismus die Tradition der Dichterkrönung. Die Verleihung der Dichterkrone, die Bekränzung eines Dichters mit einem immergrünen Lorbeerkranz, meistens durch den Kaiser selber, bedeutete für den Dichter, den poeta laureatus, dauerhaften Ruhm. Leider verschwand diese Tradition mit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches 1806. So muss denn unser Autor, Kulturwissenschaftler und Vereinskamerad Rüdiger heute notgedrungen auf die Dichterkrone verzichten. Aber selbstverständlich hat der Vorstand der IGdA für gleichwertigen Ersatz gesorgt: Rüdiger Heins erhält am heutigen Festakt eine besondere Auszeichnung: die Rudolf-Descher-Feder. Es handelt sich, wie Sie sicher alle wissen, um eine Auszeichnung, die Rudolf Descher 1985 für Mitglieder eingerichtet hat, die Verdienste um die Literatur und um die Interessengemeinschaft deutschsprachiger Autoren erworben haben. Und dass sich Rüdiger um die Literatur und um die IGdA verdient gemacht hat, das leugnen zu wollen, wäre etwa das Gleiche, wie wenn man leugnen wollte, dass der Regen abwärts fliesst. Rüdigers Verdienste um die Literatur habe ich in meiner Laudatio ein wenig zu würdigen versucht. Und was seine Verdienste um die IGdA betrifft, da erinnere ich Sie alle daran, dass wir heute nicht hier in dieser wunderbaren Stadtbibliothek von Bad Kreuznach sässen, wenn Rüdiger Heins nicht vieles mitorganisiert hätte. Kaum dass er Mitglied der IGdA und in deren Vorstand gewählt worden ist, hat er sich für unsere Interessengemeinschaft schon verdient gemacht.Lieber Rüdiger, ich habe in meinem Leben schon manche Laudatio gehalten. Aber ich gestehe, dass mir kaum je eine so schwergefallen ist wie die auf Deine Person. Immer wieder war ich überwältigt von der Fülle dessen, was Du als Kulturwissenschaftler, als Zeitungs- und Hörfunkredakteur, als Gründer des INKAS Instituts für literarisches und kreatives Schreiben, als Seminarleiter, als Sachbuchautor und nicht zuletzt als belletristischer Schriftsteller alles geleistet hast. Ich schliesse denn auch meine Laudatio mit dem unbefriedigenden Gefühl, Dir und Deinem Werk nicht hinreichend gerecht geworden zu sein. Umso glücklicher schätze ich mich aber, Dir in meiner kurzen Lobrede verkünden zu dürfen, dass Du jetzt dann gleich aus der Hand von Frau Gaby Blattl die Rudolf-Descher-Feder entgegennehmen kannst. Und Sie liebe Festgemeinde, lade ich alle ein, sich mit dem Preisträger und mit mir darüber zu freuen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Mario Andreotti ist Dozent für Neuere deutsche Literatur an der Universität St. Gallen und Autor des UTB Bandes Die Struktur der modernen Literatur. Neue Formen und Techniken des Schreibens. 5., stark erweiterte und aktualisierte Auflage, Bern 2014 (Haupt).

24 Dezember 2017www.eXperimenta.de

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Antje Hampe

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30 Dezember 2017www.eXperimenta.de

HEXENKarla Aslan

Erster Tanz

Ich versuchesie zu fassen

und folgemeinen Händen

durch den Traum

: rechts und linksstehen

außerhalb von dirdu schwankst

und fällstaus dem Raum

Eine Kirchenglocke ist unter die Dielenbretter montiert

Traumatisierte Frauenschleifen sich die Nägel

(und du)drehst dich im Kreisbis die Haut +blutig+ hervortritt

Zweiter Tanz

Die Umarmungder Umgebung

Im Sitzengreifst du

:nach der eigenen Haut

(Nichts fängt dich auf)

Und die Kamera?ist ohnehin auf deinen ersten Teil gerichtet

Du polierst das Glasdenkst nicht

(über die Frage nach)

31Dezember 2017 www.eXperimenta.de

und gibst eine Antwort:die dich verfolgt

Dritter Tanz

I heared a long forgotten tone again softly like a breath and I stood there shivering

I knew a manwho dancedexactly like you

His name was ...

:and I discoveredin all my unhappinessthat I was moving

gieriggefährlich

zartliebkosend

wildbarbaric

(and I kept my promise)

It was difficult

Karla Aslan, geboren am 24.04.1988, lebt in Leipzig, studierte bildende Kunst, Germanistik und Theaterwissenschaften.

32 Dezember 2017www.eXperimenta.de

Antje Hampe

33Dezember 2017 www.eXperimenta.de

HAIKU Anthologie

TräneMarcus Nickel

Eine Träne fließt,fällt zu Boden, der Beginneines Ozeans.

Marcus Nickel,*1976 in Pforzheim/ Autor seit 1995/ schreibt Gedichte, Aphorismen und Kurzgeschichten/ 2013 im 1. Landschreiber-Wettbewerb des ADW-Verlags nominiert/ Teilnehmer der 1. Ulmer Literaturwoche 2013/ der „Obstinator“ auf www.keinverlag.de

HaikuMartina Arp

Der Essigbaum lauschtden zwei Amseln im Garten –Erstes Rot im Blatt

Martina Arp, Jahrgang 64, geboren in BerlinPoesiepädagoginSchreibt Lyrik und Kurzprosa

SeelenlichtertanzFranziska Schmetz

Dunkler RegentagSonne durchbricht die WolkenSeelenlichtertanz

Franziska Schmetz, 1976 in Köln geboren, arbeitet als Informatikerin. Sie begann mit 16 Jahren Gedichte und Texte zu schreiben. Ein Schreibseminar bei Rüdiger Heins in Himmerod 2014 gab ihr den Mut, andere an ihren Gedichten und Texten teilhaben zu lassen. Seit Mai 2016 ist sie Redakteurin, seit September auch Layout-Designerin bei der eXperimenta

34 Dezember 2017www.eXperimenta.de

35Dezember 2017 www.eXperimenta.de

Antje Hampe

36 Dezember 2017www.eXperimenta.de

ButohNela im Gespräch mit eXperimenta

„Der Tanz der Finsternis“Butoh ist ein Tanztheater, das 1959 in Japan entstand. Von Tatsumi Hijikata und Kazuo Ono ins Leben gerufen, stellte es eine körperliche Protestform gegen die Amerikanisierung der japanischen Kultur und die starren Formen des klassisch- japanischen Tanzes dar. Seit seiner Entstehung hat der Tanz sich über die ganze Welt verbreitet und unterschiedliche kulturelle Einflüsse aufgenommen. Nela*, Butoh- Performerin aus Leipzig spricht im Interview über ihre persönlichen Erfahrungen mit Butoh, ihre Ausbildung in Indien und über die Dunkelheit im eigenen Körper.

eXperimenta: Ankoku Butoh bedeutet wörtlich übersetzt: „Tanz der Finsternis“. Ist das ein Thema, das dich schon länger beschäftigt?Nela: Ja, ich habe irgendwie schon immer so eine Faszination für das Dunkle, für das, was auch mir Angst macht. Ich kann mich noch an die Situation aus meiner Kindheit erinnern, als meine Mutter mein Zimmer mit Luftballons geschmückt hat, weil mein Geburtstag vor der Tür stand. Dann habe ich mir vorgestellt, das sind Totenköpfe und wir sind im Dschungel, und das ist so eine Art Totenlager.

eXperimenta: Wie hast du den Butoh Tanz für dich entdeckt?Nela: Gern getanzt habe ich eigentlich schon als Kind. Zum Beispiel habe ich Jazzdance oder Rock n‘ Roll gemacht. Aber spätestens nach einem Jahr hatte ich immer keine Lust mehr drauf. Ich habe schnell irgendwas angefangen und es dann auch wieder sein lassen. Dann habe ich irgendwie den Kontakt zum Tanz und meine Körperwahrnehmung ein bisschen verloren. Erst beim Feiern, Anfang, Mitte zwanzig habe ich das Tanzen wiederentdeckt. Dieser treibende Technobeat hat mich da wieder zurückgebracht. Ich habe manchmal nächtelang getanzt und auch mit dem Gedanken: ich tanze so lange, bis ich sterbe. Also, dieser Wahnsinn darin hat mich auch irgendwie total fasziniert. Eine Erfahrung zu machen, die bis über die Grenzen geht. Weit über die Ekstase hinaus.

eXperimenta: Und wie ging es danach weiter?Nela: Ich habe wieder angefangen zu tanzen, weil ich gespürt habe, das ist gut. Aber ich habe nicht die Brücke geschlagen, mir Input von außen zu suchen. Das begann erst, als ich Contact-Improvisation entdeckt habe. Allerdings habe ich mir nicht die Zeit genommen, das wirklich zu erforschen, weil ich einfach zu viel gearbeitet habe. Und dann bin ich nach Indien gegangen, weil ich genug hatte von diesem ganzen Arbeitsscheiß und ausbrechen wollte. Irgendwann bin ich in Dhramsala gelandet, ein vielbesuchter spiritueller Wallfahrtsohrt, wo unter anderem der Dalai Lama lebt. Ich war dort erstmal verloren, bis ich einen Musiker kennengelernt habe, der mich dann zu dieser Butohschule gebracht hat. Ein japanischer Lehrer, Rhizome Lee, hat seine Schule, die Subbody Butoh School vor fünfzehn Jahren dort gebaut und lehrt seitdem seine Methode des Butho , die er weiterentwickelte. Das ist eine sehr freie Form von Butoh, die so sonst nirgendwo gelehrt wird. Es gibt keinen anderen Platz auf der Welt wie diesen. Er hat die sogenannte Subbody-Methode entwickelt. Der Subbody ist quasi der Körper, der sich in unserem Körper befindet, der alles Unterdrückte an Bewegung, an Verhalten, Gedanken, Emotionen oder alles was ungesehen, was nicht gewollt ist, beinhaltet.

37Dezember 2017 www.eXperimenta.de

„Man denkt nicht mehr, sondern lässt sich von dem bewegen, was im Körper an Information gespeichert ist.“

eXperimenta: Ist das ein psychologischer Begriff oder ist der Subbody ein räumlicher Körper?Nela: Das ist körperlich. Diese Methode beinhaltet viele Techniken, die einen quasi in die Lage versetzen, alles was im Dunkeln ist, raus zu lassen, indem man den Körper bewegt. Man denkt nicht mehr, sondern lässt sich von dem bewegen, was im Körper an Information gespeichert ist.

eXperimenta: Wie kann man in diesen Zustand kommen, wo der Körper quasi bewegt wird?Nela: Durch verschiedene Techniken. Zum Beispiel durch Mediation und gewisse andere Übungen. Die man wiederholt, festigt und trainiert. Und tanzen! Es geht auch darum, sich selbst von außen zu betrachten.

eXperimenta: Wie kann ich mich selbst von außen betrachten?Nela: Das ist eine Übung, die auch oft für Performances benutzt wird. Du stellst dir zum Beispiel vor, wie du hier am Tisch sitzt. Wie siehst du von vorne aus? Wie sieht dein Gesicht aus? Wie ist deine Mimik? Wie sehen deine Haare aus? Also, du scannst dich wirklich bis ins kleinste Detail selbst ab und stellst dir vor, nein, du siehst dich, wie du aussiehst. Und dann machst du das von allen Seiten.

„Butoh ist eigentlich das, was die Schublade öffnet und auch das, was rausfällt.“

eXperimenta: Würdest du Butoh als einen Tanz definieren, der, sozusagen, Unbewusstes hervorholt?Nela: Das ist die Subbody Methode, nicht Butoh. Butoh ist ja alles, was seit 1959 entstanden ist. Es gibt Definitionen dafür. Aber es gibt vor allem Beispiele. Das ist auch typisch Mensch, für alles eine Definition zu wollen und das dann in eine Schublade zu packen. Butoh ist eigentlich das, was die Schublade öffnet und auch das, was rausfällt. An erster Stelle ist es Provokation. Und: Revolution des Körpers. Im Tanz. Und die Subbody Methode ist eben die Methode, die viele Menschen dazu befähigt, die eigene Dunkelheit auf die Bühne zu bringen.

eXperimenta: Geht es dabei vor allem um den Tod?Nela: Nicht nur. Aber der Tod ist eben ein Tabuthema. Er ist so ungreifbar für die Menschen, dass sie solche Angst davor haben und es, zumindest in der westlichen Kultur, das ganze Leben lang, mehr oder weniger ausblenden. Deshalb ist Butoh ein Tanz für die Menschen. Weil es immer Bereiche gibt, die die Masse nicht sehen will, die verdrängt werden. Wir leben nun mal im Kapitalismus und der wird nur aufrechterhalten, wenn die Leute funktionieren und nichts hinterfragen. Butoh sprengt das komplett! Daher ist es auch eine politische Bewegung. Es geht ins Spirituelle. Es geht ins Rituelle. Es hat auch viel von Ausdruckstanz. Aber der Unterschied zum Ausdruckstanz ist, dass man nicht davon ausgeht, dass man selbst tanzt, sondern man wird bewegt, von etwas, womit man resoniert.

„Man muss sich mit der eigenen Dunkelheit konfrontieren wollen.“

eXperimenta: Heißt das, man wird von etwas Höherem bewegt?Nela: Von etwas Höherem oder etwas Tieferem. Es kann ein Geist sein. Es kann einfach der Wind sein. Es kann eine Kreatur sein, die in deinem Subbody schlummert. Es kann ein Trauma sein oder eine Erinnerung. Eine tote Gestalt. Es kann in einem Tanz auch immer wieder ein Wechsel stattfinden, zwischen diesen verschiedenen Dingen, Kreaturen oder Sein Zuständen. Hingegen geht es im Ausdruckstanz ja schon um das Individuum. Das ist der Unterschied.

38 Dezember 2017www.eXperimenta.de

eXperimenta: Kann einem diese Methode unter Umständen auch gefährlich werden?Nela: Ich habe zweimal erlebt, dass ich fast wahnsinnig geworden bin. Du musst dich dem stellen wollen und man muss sich mit der eigenen Dunkelheit konfrontieren wollen. Da können sehr schmerzhafte und furchtbare Dinge hochkommen. Da können auch Körperinformationen von vor tausenden von Jahren hochkommen und du weißt gar nicht, was das ist und kannst es nicht eingrenzen.

eXperimenta: Ist es möglich, während des Zuschauens ähnlich intensive Erfahrungen zu machen, wie beim Tanzen?Nela: Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass das so sein kann und dass es für jeden immer ganz unterschiedlich ist. Nach einigen meiner Performances, kamen Menschen, vor allem Frauen auf mich zu und haben mir gesagt, dass sie total berührt waren und es auch ein Teil ihrer selbst war, der da tanzte. Wenn es bestimmte Themenbereiche trifft, die andere Menschen auch in sich tragen, dann passiert es, dass Leute wirklich bewegt sind.

eXperimenta: Vielen Dank für das Gespräch

Das Gespräch für die eXperimenta führte Karla Aslan

Foto: Thorsten von Birkenhayn

Nela Styra, geboren 1986 in Hessen, ist Butohtànzerin, lebt in Leipzig, wo sie kreiert und Workshops gibt.

39Dezember 2017 www.eXperimenta.de

Wer ist der neue Teilzeit Hitler?Madita Hampe

Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist unser Denken flexibler geworden. Fünfundvierzig Jahre lang waren blockbedingt die „bösen Russen“ oder die „bösen Amerikaner“ Feindbild genug, um die endlose Aufrüstungsspirale der jeweiligen Regierung zu rechtfertigen. So könnte man spekulieren, dass der ein oder andere PR Berater, von denen wir seit Operation Mockingbird wissen, über fünfundzwanzigtausend existieren, sich über den Zusammenbruch der UdSSR regelrecht geärgert haben dürften. Ein so stabiles und langwieriges Feindbild zu kreieren ist keiner der beiden Mächte seitdem wieder gelungen. Insbesondere nach dem 11. September 2001 unternahmen die USA immer wieder Versuche neue Interventionskriege durch neue Feindbilder zu rechtfertigen, was erschreckender Weise sogar funktionierte. Es handelte sich dann meist um die Staatschefs anderer Länder mit größtenteils ähnlichen Merkmalen. Sowohl Saddam, Gaddafi oder Assad waren arabisch aussehende Männer mit dunklen Haaren und dunklen Augen, eckigem Gesicht und meist in arabischen Gewändern. Also bloß nichts was, die einfachen Leute auf der Straße kennen. Kontakt ist schlecht gegen Feindbilder. Und wenn, dann sollte der ,,normale“ Amerikaner nicht von seinem irakischen Nachbarn auf Saddam Hussein schlußfolgern, sondern anders herum: von Saddam Hussein auf ALLE Muslime im eigenen Umfeld. Der Vergleich mit Hitler war in dem Zusammenhang immer dienlich, denn in Bezug auf ihn sind die meisten Menschen sowieso schon konditioniert, dass die Bereitschaft einen Krieg hinzunehmen, egal ob der Vergleich nun angebracht war oder nicht, automatisch steigt.Diese Feindbilder der neuern Geschichte hielten immerhin im Schnitt zwei bis fünf Jahre. Doch seit einigen Monaten scheint ein Feindbild nicht mehr auszureichen.

Der amerikanische Präsident Donald Trump hielt am 19. September eine Rede vor der UN Generalversammlung in New York, bei der man den Eindruck gewinnen konnte, Trump könne sich nicht entscheiden, welcher Staatschef denn nun für die nächste Zeit der neue Hitler sein sollte. Beziehungsweise gegen welches Land die USA den nächsten Krieg führen wollen. Kim Jong-un der unberechenbare Staatschef Nordkoreas dürfte ein heißer Kandidat für diesen Titel sein. Immerhin nannte Trump, der Mann mit den fast 7000

Atomraketen, Kim jong un, den Mann mit den 10 bis 20 Atomraketen, „Rocket Man“. Des weiteren brachte er das Argument an, um die Welt vor der Atomaren Bedrohung, die von Nordkorea ausginge, zu schützen, müsse man es im Zweifelsfall „vollständig“ zerstören. An der Sinnhaftigkeit dieses Argumentes darf gezweifelt werden, denn wenn die USA damit beginnen würden Nordkorea vollständig zu zerstören, würde die Wahrscheinlichkeit dass eine nordkoreanische Atomrakete, die vereinigten Staaten trifft nicht gerade sinken. Es würde für die USA, die übrigens die einzige Nation ist, die jemals in der Geschichte der Menschheit, Atomraketen eingesetzt hat, keinen Sinn ergeben das ,,Regime“ des Rocketman anzugreifen. Im Grunde ist das aber auch irrelevant: denn wahrscheinlich geht es in dem momentan so eskalierenden Konflikt gar nicht um Nordkorea. Solange eine, wenn auch nur simulierte Bedrohung von Nordkorea ausgeht, ist eine Stationierung amerikanischer Raketenabwehrsysteme in Südkorea absolut öffentlich toleriert und etabliert. Südkorea ist nahezu der perfekte Luftwaffenstützpunkt in der Region. Man kommt mit einer Mittelstreckenrakete sowohl problemlos nach China als auch nach Russland.

40 Dezember 2017www.eXperimenta.de

Es liegt im strategischen Interesse der USA die militärische Präsenz Russlands zu zerstreuen, damit sie sich nicht an der russisch europäischen Grenze, an der bereits seit geraumer Zeit NATO Truppen stationiert sind, konzentriert. China, das ebenfalls Ansprüche auf eine imperiale Vormachtstellung erhebt, kann damit gut in Schach gehalten werden. Der Chefstratege des Weißen Hauses, Steve Bannon, hatte bereits gesagt, dass wenn man sich nicht auf den Handelskrieg mit China konzentriere, würden die USA in zehn Jahren an einen Wendepunkt kommen, von dem sie sich nicht wieder erholen würden. Nordkorea sei nur ein Nebenschauplatz. Damit dürfte es als nächstes Konfliktszenario für die USA wegfallen.Das Feindbild hat trotzdem seine Wirkung erzielt. Vorurteile wie, dass die Nordkoreaner alle total gehirngewaschen seien, und ihrem verrückten Führer blind nachlaufen, sind gesellschaftlich etabliert. Alle die einem solchem Satz Glauben schenken, sollten sich allerdings für einen kurzen Moment einmal die Frage stellen: „Mit wie vielen Nordkoreanern habe ich persönlich über dieses Thema gesprochen?“

Die Liste der von Donald Trump angeführten „bösen Buben“ ist weitaus länger. Nicolas Maduro, der Präsident Venezuelas, hat seinen Platz auf dieser Liste auf jeden Fall sicher. Ein Mann der dafür verantwortlich sei, dass die Demokratie und die politischen Freiheiten in Venezuela zerstört seien. Trump wurde dabei nicht müde, zu beteuern wie sehr die USA an der Seite der venezolanischen Menschen stünden, die ihre Freiheit zurück erobern müssten. Wenn man sich vor Augen führt, dass die USA seit 1945 offiziell fünfunddreißig Regime Changes durchgeführt haben, einen davon bereits Venezuela, könnte man annehmen, dass dies die Ankündigung für einen weiteren Staatsstreich in diesem Land ist, wobei die aufständischen Venezolaner eventuell etwas mit den USA zu tun hätten. Das gehört natürlich in die Kategorie „Verschwörungstheorie“. Am Beispiel Venezuela konnte Trump ein Feindbild wieder aufwärmen, was bei den Älteren noch auf alte Konditionierungen trifft: Der Sozialismus! Das ist natürlich immer ein gutes Argument für Missbilligung oder Veränderung einer anderen Regierung, das keiner Begründung bedarf. Viel mehr dürfte der Grund unter dem Boden Venezuelas liegen, denn es ist das erdölreiche Land der Welt. Allerdings hat es eine relativ geringe Öl-Förderquote, ganz im Gegengensatz zu den USA, die das meiste Erdöl fördern aber durch den hohen Eigenbedarf, nur wenig exportieren können. Venezuela könnte mit einer bereitwilligen Regierung, der ideale Partner der Vereinigten Staaten sein. Genau deshalb versuchten die USA bereits 2002 die damalige Regierung Chavez zu stürzen, was allerdings durch die Bevölkerung Venezuelas verhindert wurde, die Hugo Chavez zurück ins Amt putschten. Ein weiterer wichtiger Grund Venezuela auf seiner Seite haben zu wollen, ist die Unabhängigkeit vom nahen Osten, in dem die politische Lage immer wieder in verschiedenen Gebieten am Eskalieren ist, was zur Folge hat, dass der Erdölpreis nicht stabil bleibt.

41Dezember 2017 www.eXperimenta.de

Und das führt uns direkt zu dem dritten Kandidaten auf Trumps Liste für den perfekten Feind und den nächsten Krieg: dem Iran mit seinem Staatsoberhaupt Hassan Rohani. Auch der Iran widersetzt sich den Rohstoffinteressen der Amerikaner. Er ist nämlich Beitrittskandidat der EAWU, die Eurasische Wirtschaftsunion. Sollte der Iran dieser tatsächlich beitreten, hätte er neben den eigenen Erdölreserven zollfreien Zugang zu großen Mengen von russischem Gas, wohl möglich sogar an der Monopolwährung Dollar vorbei in Rubel und Rial.Die Etablierung des Feindbildes Iran, sollte mittlerweile kein Problem für die amerikanischen Geheimdienste und Medien mehr sein, sondern eher routinemäßig verlaufen. Die Länder im Nahen Osten sind sowieso schon durch „Teilzeit Hilter“ wie Hussein oder Assad belastet, sodass sich der Normalbürger höchstens noch fragen muss: ,,Iran? Irak? Ist das dasselbe Land? Sind wir da nicht bereits? Wie bei jedem muslimisch geprägten Land kann, man unter dem Vorwand die totalitären und nicht freiheitlichen Machenschaften der Regierung abzulehnen und gut die durch die auch in unserem Straßenbild auftauchenden muslimischen Migranten gewachsene, Ausländerfeindlichkeit kultivieren.

Jemand über den man sich stellen kann gibt dann dem eigenen Leben doch mehr Struktur als man denkt. Wir werden durch unsere Leistungsgesellschaft dazu gezwungen die Teile unserer Persönlichkeit die nicht dem kapitalistischen Ideal entsprechen, dem Kämpfer, der an den richtigen Stellen das Kämpfen für kurze Zeit einstellt, um dann an der richtigen Stelle wieder damit zu beginnen, zu unterdrücken. Die Eigenschaften, Gefühle und Anteile die wir seit unserer frühesten Kindheit verdrängen müssen, können wir nicht wahrnehmen. Gegebenenfalls würden wir wahrscheinlich vor lauter Selbsthass verrückt werden. Demzufolge brauchen wir jemand Anderen, um in dem diese Eigenschaften ablehnen und abwerten zu können. So entsteht der Bedarf eines Feindbildes.Egal ob Iraner, Venezolaner oder Nordkoreaner, eigentlich sollten wir doch in der Lage sein zu abstrahieren, dass die Liebe die diese zu den Menschen zu ihren Familien empfinden nicht geringer sein kann als unsere und eigentlich wären wir doch im Stande zu verstehen wer ein Interesse daran hat uns zu spalten und uns kämpfen zu lassen. Und eigentlich sollten wir dann im Stande sein, uns zu widersetzten und uns zu weigern Feind zu sein.

Madita Hampe ist am 26. Mai 2002 in Leipzig geboren und spielt seit ihrem achten Lebensjahr Theater, u.a.im Schauspielhaus Leipzig und im Spinnwerk. Sie besucht derzeit ein Gymnasium und interessiert sich besonders für Politik, Geschichte und Sprachen.

42 Dezember 2017www.eXperimenta.de

eXperimentaJürgen Janson - Jamaika-Sondierungen

Die eXperimenta ist eine Plattform für bekannte wie unbekannte Poeten, Romanschreiber, Fotografen, Maler, Musiker, Verlage, Buchvorstellungen und eignet sich auch hervorragend für Kulturevents aller Art.Die eXperimenta hat ca. 20.000 Leser im Web, die regelmäßig die Beiträge lesen. Man kann sie sich auch als gedrucktes Exemplar bestellen.Die eXperimenta ist ein kostenloses Online-Magazin und daher für „kulturelle Werbung“ bestens geeignet. Mit Ihrer Anzeige unterstützen Sie das Redaktionsteam bei der Suche nach guten Beiträgen und erreichen vor allem die Interessenten Ihrer Anliegen.

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PS: Die aktuelle eXperimenta findet sich unter www.experimenta.de

43Dezember 2017 www.eXperimenta.de

eXperimentaHerausgegeben von Prof. Dr. Mario Andreotti und Rüdiger Heins12/

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Online- und Radio-Magazin für Literatur und KunstINKAS - INstitut für KreAtives Schreiben www.inkas-institut.de

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44 Dezember 2017www.eXperimenta.de

Mani Neumeier und Guru GuruJens-Philipp Gründler

Die ungebrochene Relevanz und anhaltende Frische der Band Guru Guru erschloss sich mir im Jahre 2016, als ich das Album Atrocity Exhibition des Detroiter Rap-Exzentrikers Danny Brown hörte. Indem Brown die von heftiger Paranoia geprägten Verse „I´m sweating like I´m in a rave / Been in this room for 3 days / Think I´m hearing voices / Paranoid and think I´m seeing ghost-es, oh shit“ über die hypnotischen Gitarrenklänge des Guru Guru-Songs Oxymoron vom 1972er Album Känguru rappt, erweist er der deutschen Musiklegende die ihr gebührende Ehre. Brown eröffnet mit dem Guru Guru samplenden Titel Downward Spiral sein viel gelobtes, viertes Studioalbum und macht so auch die jüngste Generation von Musikliebhabern auf den betörenden Sound der 1968 von Schlagzeuger Mani Neumeier, Bassist Uli Trepte und Gitarrist Eddy Naegeli gegründeten Krautrock-Formation aufmerksam. Wohlgemerkt zählten sich Guru Guru nie selbst zu den Krautrock-Bands, obwohl sie gemeinhin zu den Protagonisten des Genres gerechnet werden. Wie Danny Browns düsterer Track Downward Spiral handelt das von Mani Neumeier, Uli Trepte und Axel Genrich geschriebene Stück Oxymoron vom Drogenkonsum, genauer gesagt von der Einnahme eines LSD-Trips: „Yesterday I took a trip / I felt so speedy, I felt so sick / I really got no soul“. Vom Gebrauch berauschender Stoffe ist auch in Liedern wie Der LSD-Marsch die Rede. Im Verlaufe der Live-Performances ihrer Hymne Der Elektrolurch singt Mani Neumeier gern folgende Zeilen: „Täglich fit mit zwei Gramm Shit“. Drogenerfahrungen seien ein essentieller Teil ihrer Musik gewesen, erklärt Neumeier, hätten Drogen ihnen doch dabei geholfen, ihre Musik und auch den Geist zu erforschen. Guru Guru hätten sich mithilfe von Rauschmitteln vom A-B-A-Schema sowohl in der Musik als auch in ihren Leben befreien wollen. Folglich experimentierte die Band vor allem aus künstlerischen Motiven mit bewusstseinsverändernden Substanzen, aber wohl auch der Hedonismus wird eine Rolle gespielt haben.

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45Dezember 2017 www.eXperimenta.de

Guru Guru bezeichnet Neumeier als eine Untergrundbewegung und weist auf die soziologische Bedeutung seines Projektes hin. Seit 1968 habe man innerhalb einer Kommune den Sozialismus gelebt und über längere Zeit, bis ins Jahr 1971, nicht einmal einen festen Wohnsitz gehabt. Wie Nomaden hätten sie im Bus gelebt und seien gelegentlich bei Freunden, Familie, Fans und anderen Bands untergekommen. Mani Neumeier betont, dass man sich eher als Clan definiert habe, denn als Musikgruppe. Tatsächlich unternahmen sie nichts Geringeres als den Versuch, die ganze Welt zu verändern.

Mit befreundeten Combos wie Amon Düül, Can und Xhol Caravan jammten Neumeier und seine Bandkollegen, die sich von der Kategorie „Krautrock“ distanzieren, da sie Space-Rock, Progressive, Psychedelic-Rock, Free Jazz mit Worldmusic fusionieren und sich eher über den musikalischen Underground definieren. Im Rahmen von teils LSD-schwangeren Sessions überwanden Guru Guru seinerzeit herkömmliche musikalische Schemata und erzeugen auch heutzutage noch sphärische Klänge, denen man die lange Entwicklungszeit bis zur musikalischen Reife und die Jahrzehnte andauernde Live-Routine anmerkt. Ausufernde Stücke wie Spacebaby, vom 1993er Album Shake Well, beweisen, dass Guru Guru ganze Generationen von Musikern beeinflusst haben, denkt man etwa an den Sound der New Yorker Noise-Rocker Sonic Youth oder die Metal-lastigen Space-Rock-Expeditionen der Stoner-Rock-Vertreter Monster Magnet. Mani Neumeier und Guru Guru liefern, wie gehabt, hochaktuelle Klangexperimente. Man nähert sich den Genres Trance sowie Goa an, obgleich Neumeier Technomusik zwar verachtet, und weist in Interviews darauf hin, mit Drum Machines und Sequenzern gearbeitet zu haben, lange bevor Techno existierte.

Nach wie vor sind Guru Guru auf Tour und im Studio aktiv, ist es Mani Neumeier doch wichtig, so lange wie möglich aufzutreten und dabei den Konzertbesuchern und Hörern der Alben ein Gefühl von Glück sowie Liebe zu vermitteln. Der legendäre Musiker erklärt diesen Vorgang folgendermaßen: „But on the other hand I‘m not quite sure that it‘s me who‘s doing it. Maybe it‘s something cosmic that goes through me and reaches the people.“ In den Anfangszeiten von Guru Guru sei die Provokation per se eines ihrer Ziele gewesen, doch inzwischen sei die Hauptintention, dass das Publikum sich nach einem Konzert besser fühlt als vorher. Etwas Kosmisches, nicht von ihm Ausgehendes erlebe er während der Auftritte, das durch ihn hindurchfließe und die Zuhörerschaft erreiche, so Neumeier. Jedenfalls bedeute es komplette Freiheit, auf diese Weise arbeiten zu dürfen. Es sei eine besondere Gabe, aber es bedürfe Jahre der Erfahrung, diesen Zustand zu erreichen.

Aus Gründen der Provokation habe man in den Anfangstagen etwa Hühner auf die Bühne geholt, um den Chicken Rock zu performen und für die Inszenierung von Der Elektrolurch setzt sich Neumeier noch heute eine Maske auf. Für sich erhebt er den Anspruch, als Erster in der Rockszene maskiert aufgetreten zu sein, vergleichbare Aktionen erfolgten danach von Provokateuren wie Ozzy Osbourne oder Alice Cooper.

Mani Neumeier, geboren 1940 in München, war einst als Free-Jazz-Drummer tätig und spielte, bevor er „The Guru Guru Groove“, so der ursprüngliche Name, 1968 gründete, im Trio der Schweizer Pianistin und Schlagzeugerin Irène Schweizer. Dann entdeckte Neumeier Jimi Hendrix, Frank Zappa, The Who, The Rolling Stones und Pink Floyd. Darüber hinaus wurde später auch die Punk Musik der ausgehenden 1970er ein nicht zu unterschätzender Einfluss. Zudem integrierten Guru Guru afrikanische und indische Elemente in ihre Musik. Der Name Guru Guru bezog sich scherzhaft auf die Beatles, von denen in den späten 1960ern beinahe jeder einen persönlichen Guru zur Verfügung hatte, und bedeutet im japanischen Sprachraum „rotierend“. Ihr erstes Konzert fand im August 1968 statt, während des Holy Hill Festivals in Heidelberg, eines reinen Jazzfestivals. Da die Veranstalter Mani Neumeier und seine Mitmusikanten als Jazzer kannten, waren sie davon ausgegangen, dass die Gruppe auch Jazz spielen würden. Allerdings jagte die Band einen „mörderischen Sound“ durch die Marshalltürme und irritierte das Publikum. Ein Mitarbeiter des Süddeutschen Rundfunks rief: „Mikrofone abbauen! Der Neumeier ist verrückt geworden...“

Sound Voices

46 Dezember 2017www.eXperimenta.de

Guru-Guru im Dezember

08.12.2017 „Karlstorbahnhof“ in Heidelberg09.12.2017 „Das Bett“ in Frankfurt/ Main

Term

intip

pSo geriet der Auftritt zum Skandal und die „Elektrischen“ waren in aller Munde

1976 traten Guru Guru als erste deutsche Band im WDR-Rockpalast auf und wurden auf diese Weise noch bekannter. Man lud sie zu einer halbstündigen Sendung ein, wovon fünf Minuten einem Interview gewidmet waren. Ein Jahr später belegte die Band Platz zwei bei den Zuschauerwünschen des Rockpalasts, zudem wurde der Film Notwehr im Fernsehen gezeigt, in welchem Guru Guru die Rolle der Rockgruppe „Rattenfänger“ übernehmen. Die lassen sich in einem Dorf nieder, werden aber von den Einheimischen als Gammler abgelehnt. Berühmt ist die Band auch für das 1977 zusammen mit der Finkenbacher Feuerwehr initiierte Finkenbach Festival, welches bis in die heutige Zeit jährlich fortgesetzt wird. Guru Guru sind auch in den USA, Indien und Japan äußerst populär. In Tokio wurde 1996 nach einer erfolgreichen Japan-Tournee sogar eine Mani-Neumeier-Nachbildung im Wachsfigurenmuseum aufgestellt.

Auch im August 2017 lieferten Guru Guru erneut beim Finkenbach Festival eine atemberaubende Darbietung. Zeuge dieses Auftritts wird man auf YouTube, wo Mani Neumeier, begleitet von der Tänzerin Angel Flame, während der Performance des Klassikers Ooga Booga ein wildes Drum-Solo hinlegt. Klassische Guru Guru-Stücke, wie Der Elektrolurch, aber auch neuere Kompositionen, wie Living in the Woods, vom 1995er Album Wah Wah, oder Mi Caro Caro, vom 2008 veröffentlichten Werk PSY, bieten ein breites Spektrum von komplexen und doch eingängigen Songs.

Jens-Philipp Gründler, 1977 geboren in Bielefeld, erlangte 2006 den Magister Artium im Fach Philosophie in Münster, wo er seitdem als Schriftsteller und Altenbetreuer lebt und arbeitet. Im Jahre 2015 veröffentlichte er den Roman “Rebellen des Lichts” sowie zwei Kurzgeschichtenbände, “Glaspyramide” und “Flüssige Schwerter”. Zudem wurden mehrere Erzählungen in diversen Literaturzeitschriften und Anthologien publiziert. Darunter in der eXperimenta die Kurzgeschichten „Schach mit dem Teufel“ wie auch „Deirdre Mulligan“ und die Gedichtstrilogie „Ätna“. Seit Januar 2017 betätigt er sich als Redakteur für die eXperimenta. https://jensphilippgruendler.net

47Dezember 2017 www.eXperimenta.de

Antje Hampe

48 Dezember 2017www.eXperimenta.de

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„Es ist mir wichtig, das Gefühl von Freiheit zu transportieren“Mani Neumeier von Guru Guru im Gespräch mit Antje Hampe

eXperimenta: Manni, in unserem letzten Interview hast Du zaghaft angedeutet, dass Du ein Schamane bist. Was ist aus dem zaghaften Schamanen geworden?Mani Neumeier: Ich bin immer noch Musiker mit Leib und Seele. Der Schamane läuft eher im Hintergrund mit. Allerdings fühle ich mich in dieser Rolle bestätigt. Weniger durch mich, als durch die Reaktionen des Publikums während unserer Konzerte und Auftritte.

eXperimenta: Sind Künstler zwangsläufig Schamanen? Mani Neumeier: Das glaube ich nicht. Es gibt tolle Musiker und Künstler, die ihre Kunst gut rüber bringen, aber die wenigsten erzielen die Wirkung eines Schamanen. Den Schamanen im Künstler erkennt man daran, dass er für gute Vibrationen und Heilung sorgt. Er beeinflusst die Leute positiv.

Ich habe gespürt, wie alles um mich herum geknistert hat

eXperimenta: Welche gesellschaftliche Bedeutung hat in unserer heutigen Zeit ein Schamane?Mani Neumeier: Ich denke, dass die Rolle des Schamanen den Menschen in der westlichen Welt immer bewusster wird, wenn sie offen dafür sind und dass er ähnlich einem Arzt eine heilende Wirkung hat. Andererseits glaube ich aber auch, dass er für viele gar kein Thema ist, da man die medizinischen und psychologischen Auswirkungen seines Handelns nicht wissenschaftlich beweisen kann.

49Dezember 2017 www.eXperimenta.de

Sound VoiceseXperimenta: Wie fand deine Initiation zum Schamanen statt?Mani Neumeier: Ich erinnere mich weniger an eine Initiation. Eher an die Wirkung eines Rituals von vier Schamanen in der Mongolei, die ich vor sieben Jahren besucht habe. Ich habe gespürt, wie alles um mich herum geknistert hat und ich hatte das Gefühl mit anderen Welten in Kontakt zu treten. Gleichzeitig wurde mir bewusst, dass ich mir das alles nicht einbildete. Auch wenn ich nicht verstand welche Geister von den Schamanen angerufen wurden, so spürte ich doch eine immense Energie. Das Ritual bestand aus Feuer, Gesang und Tanz. Ich empfand große Ehrfurcht. Danach ging es mir gut. Ich redete mit den Leuten und den Schamanen ganz normal über das Geschehen und fühlte mich sehr mit der Natur verbunden. Das ganze erinnerte mich an tiefe Erfahrungen mit der Natur in meiner Kindheit, die ich fast vergessen hatte.

Guru Guru, Unendlichkeit, Spirale und Rotation

eXperimenta: Welche Absicht verfolgst du mit deiner Musik?Mani Neumeier: Es ist mir ein Bedürfnis mich auszudrücken und die Freude, die ich dabei empfinde auf meine Zuhörer zu übertragen. An zweiter Stelle verdiene ich natürlich auch meinen Lebensunterhalt mit der Musik und es ist gut zu wissen, dass ich von dem was mir am meisten Spaß macht auch leben kann. Es ist mir wichtig, das Gefühl von Freiheit zu transportieren. Guru Guru hatte große Vorbilder wie Louis Armstrong und andere Jazzmusiker. Wir haben den Freejazz in Deutschland etabliert und waren nie abhängig von Plattenfirmen. Das hat uns sehr frei gemacht und dies spiegelt sich auch in unserer Musik.

eXperimenta: Woher kommt denn eigentlich der Bandname Guru Guru?Mani Neumeier: Der ursprüngliche Name war „The guru guru grove band“. Für uns war das ein lustiges Wortspiel. Andere Bands wie die Beatles hatten alle einen Guru. Wir nicht. Später besuchten uns dann allerdings Indianer aus Amerika und ein zen -buddhistischer Mönch. Irgendwann haben wir dann den Namen gekürzt. Dreißig Jahre später, während eines Japanaufenthaltes haben wir dann erfahren, dass Guru Guru Unendlichkeit, Spirale und Rotation bedeutet.

eXperimenta: Welche neuen Projekte planst Du mit Guru Guru?Mani Neumeier: Derzeit ist unsere neue CD in Arbeit. Es ist die vierunddreißigste und für das nächste Jahr planen wir fünfzig Konzerte und unser fünfzigjähriges Jubiläum.

eXperimenta: Vielen Dank für das Gespräch

50 Dezember 2017www.eXperimenta.de

Buch

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„Kamikochi“: ein literarisches Schatzkästchen aus Japan eines jungen Walliser AutorsFelix Sachs, St. Gallen

Leichtfüssig kommt sie daher, die Geschichte aus Japan, anmutig dahinschwebend wie die gertenschlanke Yuki, die Schönheit aus Japan. In ihrer Studienzeit hat sie sich in der Schweiz in Fritz Kägi verliebt und ihn geheiratet und seither verbringt sie mit ihm die Ferien in Japan. Kägi aber verliebt sich immer mehr in dieses Land und in seine Schauergeschichten von Geistern und Fabelwesen, die Menschen ins Wasser ziehen und wegen ihrer Leber verzehren. Yuki verabscheut diese Gestalten, die sie an angstvolle Geschichtenabende in ihrer Kindheit erinnern. Statt mit seiner Frau die Ferien bei ihren Verwandten in der Stadt zu verbringen, entführt er sie lieber in die steilen Bergtäler Zentraljapans. Dort sollen die Geister zuhause sein und von den Hüttenwarten kann er mehr über sie erfahren. So fühlt sie sich von ihm vernachlässigt. In einem einsamen Berghotel begegnen Yuki und Fritz Kägi Reiser, einem anderen Schweizer, der hier die Ruhe in der Einsamkeit sucht. Damit ist es jedoch bald vorbei. Gleich am ersten Abend führt Momoko, eine junge Bedienstete im Hotel, das Ehepaar an den gemeinsamen Abendtisch. Sein Widerwille gegen die unwillkommene Gesellschaft verfliegt schnell, als er die leuchtende Schönheit und die Intelligenz und Klugheit Yukis wahrnimmt. In den nächsten Tagen entwickelt sich eine innere Freundschaft zwischen den beiden. Reiser ist sich seiner Verantwortung bewusst und versucht, sich ihrer Gegenwart womöglich zu entziehen. Am baldigen Bergfest des Hotels zur Eröffnung der Saison, mit vielen Verkaufsständen, Feuerwerk, Musik und traditionellen Tänzen, verbandelt Yuki ihren Mann mit Nakamura, einem alten Japaner, der mit ihm die Leidenschaft für die Schauerwesen teilt, und überrascht Reiser mit einer Liebesnacht in seinem Zimmer. Kägi schöpft jedoch Verdacht und trifft am andern Tag Reiser an einem kleinen Waldsee. Die beiden bleiben verschwunden. „Niemand wusste, was mit Reiser und Kägi geschehen war. Nur der alte Herr Nakamura hatte eine Erklärung.“Im Nachwort entschlüsselt der Literaturwissenschaftler Mario Andreotti die vielen Anspielungen dieser postmodernen Erzählung von der Romantik bis zur Moderne. Er weckt damit die Lust des Lesers, sich einmal die entsprechenden literarischen Kunstwerke, vielleicht sogar die romantische Naturphilosophie Schellings vorzunehmen. Der Leser wird dankbar die kurze Erzählung ein zweites und gar drittes Mal lesen, um die literarischen Bezüge bewusst wahrzunehmen. Mit diesem Nachwort wird Eyers Erzählung zu einem literarischen Lehrstück par excellence. Die stimmige Verbindung der Erzählung mit der Landschaft zeichnet die Kunst Eyers besonders aus.Wie liest sich wohl die Geschichte mit den Augen der modernen Frau, des modernen Mannes? Die Figur Yukis erinnert auf den ersten Blick stereotyp an das „ewig Weibliche“ Goethes, das „uns“ (die Männer) hinanziehen soll – ein Frauenbild, das uns heute eher befremdlich vorkommt. Auch die anderen weiblichen Rollen scheinen traditionellen Stereotypen zu entsprechen: Das Zimmermädchen heisst verniedlichend Momoko, „Pfirsichkind“; die Frau des alten Herrn Nakamura sitzt einfach da und sagt kaum etwas, während ihr Mann erzählt. Auch die beiden Ehemänner verhalten sich, als gäbe es ausser ihrer eigenen Phantasiewelt nichts und ihre Frauen hätten keine eigenen Interessen und Wünsche. Aber alle diese weiblichen Stereotype werden aufgehoben, karikiert und ins Gegenteil gewendet: die aufgeweckte Momoko lacht über die Fabelwesen ihres Grossvaters, des alten Herrn Nakamura, findet sie zwar niedlich, glaubt aber nicht an sie; Frau Nakamura schüttelt am Ende der Erzählung ihres Mannes den Kopf und bringt ihre Einwände vor: „Vielleicht hast du dich getäuscht.“; und Yuki ergreift selbst die Initiative und fädelt geschickt die Liebesnacht mit Reiser ein.

Nicolas Eyer: „Kamikochi. Eine Geschichte aus Japan“. Nachwort von Mario Andreotti.Erschienen 2017 in der Edition Signathur, CH-8582 Dozwil TG, 94 Seiten, CHF 21.00, EUR 18.00; ISBN: 978-3-906273-16-7

51Dezember 2017 www.eXperimenta.de

Wollsteins Cinem

ascopeWollsteins CinemascopeA Ghost Story

Kinostart: 7. Dezember 2017

Dies ist ein sehr ungewöhnlicher Film, nicht nur weil die Hauptfigur ein Gespenst ist, das in klassischem Outfit – Bettlaken mit zwei schwarzen Gucklöchern – meistens in einer Ecke herumsteht und niemanden erschreckt.

David Lowery hat einen Film über die Zeit gedreht, über die Trauer und das Vergessen, über die Spuren, die jemand zurück lässt. Er wählt ein quadratisches 1:1 Bildformat mit abgerundeten Ecken, das an alte Dias erinnert.

Die handelnden Personen werden kaum charakterisiert. Wir sehen ein junges Paar in einem abseits stehenden einfachen Haus auf dem Land. Sie heißt M. (Rooney Mara), er C. (Casey Affleck) und ist Musiker. Sie unterhalten sich über Umzüge, sie kuscheln, haben alle Zeit der Welt. M. würde lieber in der Stadt wohnen, C. hängt wegen dessen Geschichte und dem Klavier an dem Haus. Dann ist er plötzlich tot, ein Autounfall. M. sieht ihn ein letztes Mal im Leichenschauhaus. Minutenlang verharrt die Kamera auf dieser fast bewegungslosen Szene, auch als M. gegangen ist. Schließlich erhebt sich C. mitsamt dem ihn verhüllenden Laken und geht ganz selbstverständlich als Geist in sein Haus zurück, um weiter bei seiner Frau zu sein und ihr beizustehen.

Wer einen geliebten Menschen plötzlich verloren hat, kennt wahrscheinlich das Gefühl, dass seine Anwesenheit für eine gewisse Zeit noch spürbar ist. M. hört C.s gefühlvolle Musik (von Daniel Hart). C. beobachtet ihre Trauer, berührt die Schlafende tröstend. Doch die Zeit vergeht, M. nimmt ihr alltägliches Leben wieder auf, lernt einen neuen Mann kennen und zieht aus dem Haus aus. Zuvor hat sie einen mit einer Erinnerung beschriebenen Zettel in der Ritze eines Türstocks versteckt. C.s Geist wird alles daran setzen, den Zettel herauszuholen und zu lesen. Diese Hoffnung hält ihn in dem Haus fest, in das nun eine spanisch sprechende Familie mit mehreren Kindern einzieht. C. wird zum Zeugen ihres Lebens, kann sich aber höchstens durch herabfallende Gegenstände nach Art eines Poltergeistes bemerkbar machen.

Umzüge sind Zäsuren in einem Lebenslauf, für Menschen, aber auch für Häuser, die sich durch neue Bewohner verändern. Das erlebt C. über die Zeiten hinweg mit. Und dann hört er ein philosophischen Gespräch mit, eine zentrale Stelle des Films. Es geht um die mögliche Unsterblichkeit im Andenken der Nachwelt. Dafür schreiben die Schriftsteller, komponieren die Musiker, führen die Feldherren Kriege. Manche leben so „ewig“ weiter, viele werden irgendwann vergessen und sind erst dann wirklich tot und verschwunden.

C.s Geist reist in eine dystopische Zukunft, in der ein Wolkenkratzer auf dem Platz des alten Hauses steht, und zurück in die Vergangenheit, als Pioniere das Haus zuerst bauten. Er lernt einen anderen Geist kennen, der auch nicht weg gehen kann, weil er wartet – ohne sich zu erinnern, worauf.

„A Ghost Story“ changiert spielerisch zwischen Traurigkeit und Ironie, der Relativität der Zeit, Existenz und Erlösung und vielem Anderen, was man in die ausdruckslosen schwarzen Augen des Gespensts hinein lesen mag. Ein besinnliches Vergnügen.

52 Dezember 2017www.eXperimenta.de

53Dezember 2017 www.eXperimenta.de

Antje Hampe

54 Dezember 2017www.eXperimenta.de

Freies Studium Kreatives Schreiben 2018 in Bad Kreuznach

„Mein Schreiben hat an Sicherheit und Klang gewonnen, ist zum ständigen Bedürfnis geworden, das Freude macht und einen festen Platz in meinem Leben einnimmt. Das Studium ist ein guter Weg, sich dem eigenen Schreiben zu stellen und Zweifel abzubauen.“ Anne Mai, Mandelbachtal

„Die stete Auseinandersetzung mit Prosa und Lyrik, zeitgenössischer wie archäologischer, hat mich in meinem Schreiben zu mehr Tiefe geführt, zu mehr Gefühl, zu mehr, das anrührt.“ Marlene Schulz, Hofheim

Das Erzählen gehört zu den Grundbedürfnissen des menschlichen Lebens. Mündliches Erzählen ist eine Form, die zum literarischen Schreiben führen kann. Schreiben verändert das Leben und Schreiben hilft dabei, sich etwas “von der Seele zu schreiben!”Was aber passiert, wenn Sie eine gute Idee für einen Text haben, sich an den Schreibtisch setzen und es fällt Ihnen nichts mehr ein? Diese Situation nennt sich in der Fachsprache eine “Schreibblockade”.Schreibblockaden treten häufig auf und führen dazu, dass das weiße Blatt auch weiterhin weiß bleibt! Schreibblockaden sind ohne fachliche Hilfe nur sehr selten alleine zu bewältigen. Im Studienseminar arbeiten wir konkret an Texten, die aus Ihrem Erfahrungsbereich kommen. Der Fundus Ihrer Texte liegt in Ihnen verborgen. Die einzelnen Teilnehmer werden individuell an Texten schreiben, bei denen sie entweder ins Stocken geraten sind, oder aber, die sie erst gar nicht angefangen haben. Den Seminarteilnehmern wird in spielerischer Weise der Umgang mit Sprache und Stil nähergebracht. Mit Übungsbeispielen aus dem Kreativen Schreiben werden Ängste und Blockaden am eigenen Schreiben überwunden. Ein weiterer Bestandteil des Seminars sind Stilleübungen und Meditationstechniken, die den kreativen Schreibprozess begleiten sollen.

Zielgruppe: Menschen, die Geschichten aus ihrem Leben aufschreiben möchten, für sich oder für andere. Neugierige, die gern schreiben und Geschichten erfinden oder die Freude daran entdecken möchten. Frauen und Männer, die gerne erzählen und zuhören. Keine Altersbegrenzung. Bildungsabschlüsse sind keine Voraussetzung.

Studiengebühr: Nach Möglichkeit: 100 € bis 150 € pro Monat. (Auf Anfrage kann die Studiengebühr auch herabgesetzt werden.

Studientage: Samstags von 10:00 bis 18:00 Uhr. Die Studientage finden in Bad Kreuznach statt.

Studientermine für 2018: werden noch bekannt gegeben

Einzelzimmer können günstig vermittelt werden.

Bewerbungen mit einem Text (Lyrik oder Prosa), einer Kurzvita und einem Foto an folgende Adresse schicken:

INKAS INstitut für KreAtives Schreiben, Dr. Sieglitz Str. 49 in 55411 Bingen.

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55Dezember 2017 www.eXperimenta.de

Haiku – Meditation der SilbenEin Seminar mit Antje Hampe und Rüdiger Heins

Das Haiku beruht auf einer japanischen Dichtkunst, die mehr als achthundert Jahre alt ist. Somit zählt es zu den ältesten Gedichtformen der Weltliteratur. Beschränkt auf drei Verse mit insgesamt siebzehn Silben ist es auch die kürzeste Lyrik, die bekannt ist. Im Seminar wird intensiv das Haiku in seiner Formenvielfalt behandelt. Die Teilnehmer lernen auf unkomplizierte Weise sich dieser Dichtkunst zu bedienen. Parallel zum Haiku werden auch andere Schreibtechniken vermittelt, die in meditativer Form dazu beitragen, die Wahrnehmung zu verändern.Begleitet wird das Seminar von angeleiteten Entspannungsübungen, die darauf abzielen, die Aufmerksamkeit in den Körper zu lenken, um die Achtsamkeit zu schulen und im Einklang von Körper, Geist und Seele zu schreiben. Mit Kunsttherapeutischen Sequenzen werden die Zwischenräume von Dichtung und Meditation visuell dargestellt.

Die im Seminar entstandenen Haiku dienen als Grundlage für eine Anthologie, die unter dem Titel „Angst – Hoffnung - Zukunft“ 2018 erscheinen werden.

Dozenten: Antje Hampe (HPP Psychotherapie) und Rüdiger Heins (Autor)

Seminarort: Bad Kreuznach

Seminartermin: 02.02. – 04.02.2018

Seminargebühr: 250 Euro

Weitere Informationen erhalten sie unter:[email protected] oder: 06721-921060www.inkas-institut.de

Für die geplante Haiku Antholgie mit dem Arbeitstitel „Angst – Hoffnung – Zukunft“ werden Haiku gesucht. Dabei ist es nicht unbedingt notwendig, dass die einzelnen Gedichte die vorgegebene Form 5 / 7 / 5 und ein Kigo (Jahreszeitenbezug) beinhalten. Im Vordergrund soll bei den drei genannten Themen der Haikugeist zum Ausdruck kommen. Kurze übersichtliche Haiku, mit einem sinnergebenden Narrativ und einer unerwarteten Wendung. Die Anzahl der Zeichen sollte nicht mehr als 21 Silben überschreiten. Senden Sie Ihre Haiku mit einem Dreizeiler Ihrer biografischen Angaben an: [email protected]

Parallel zu den Einsendungen wird vom INKAS Institut ein Seminar angeboten, in dem sich die Autoren und Autorinnen zu einem lyrischen Austausch begegnen können. Das Seminar beinhaltet eine ästhetische Auseinandersetzung mit dem Haiku und seinen modernen und klassischen Erscheinungsformen. Nähere Informationen zum Haikuseminar erfahren Sie auf Anfrage per eMail: [email protected]

Seminare

56 Dezember 2017www.eXperimenta.de

57Dezember 2017 www.eXperimenta.de

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58 Dezember 2017www.eXperimenta.de

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59Dezember 2017 www.eXperimenta.de

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60 Dezember 2017www.eXperimenta.de

Aufruf der eXperimenta-Redaktion Wir suchen dringen engagierte Mitarbeiter(innen), die Werbung für die eXperimenta machen.

Aufgabenbereiche sind:

• Anzeigenakquise (20% Provision)

• Soziale Netzwerke pflegen (Facebook, Twitter, Newsmax)

• Betreuung einer Crowdfunding-Aktion

Fühlen Sie sich angesprochen? Dann greifen Sie direkt zum Telefon: 06721/ 921 060 oder schreiben

Sie an [email protected]

eXperimenta Facebook-Seite jetzt auch als AppDie eXperimenta Facebook-Seite gibt es jetzt auch als App für Android und Apple iOS unter folgendem Link abrufbar. So bleibt Ihr / Sie immer auf dem Laufenden.

http://experimenta.chayns.net

61Dezember 2017 www.eXperimenta.de

62 Dezember 2017www.eXperimenta.de

63Dezember 2017 www.eXperimenta.de

AnkündigungDie Januarausgabe der eXperimenta wird von dem in Aachen lebenden Künstler Thomas Bauer illustriert. Der Verleger Axel Dielmann spricht im Interview über die Zukunft des Verlagswesens. Außerdem: Philipp Dingeldey mit seinem Essay „Das Politische ist verloren – vorerst“

Themenvorschau:Die Themenvorgabe ist bis März 2018 frei. Einsendungen sind erwünscht: [email protected]

Autoren und Autorinnen können gerne Beiträge für die kommenden Ausgaben einsenden. Ihre Texte sind uns willkommen!Eingesendet werden können auch Texte, die unabhängig vom jeweiligen Schwerpunktthema sind.

Wir veröffentlichen • Moderne Lyrik, Haiku, Senryu, aber auch klassische Dichtkunst. • Prosatexte als Short Storys, Minidramen usw., pro Autor maximal 3 Seiten.

Außerdem suchen wir:• Fachartikel zum kreativen- und literarischen Schreiben • Essays, die sich mit einem Thema in ungewöhnlicher Weise auseinandersetzen.• Beiträge und Reportagen über den Schreiballtag eines Autors oder einer Autorin.• Erfahrungsberichte bei der Verlagssuche• Beiträge rund um das Thema Musik

Die eXperimenta-Redaktion sucht auch immer wieder Bildende Künstler(Innen) und Fotograf(Inn)en für die Illustration unserer Ausgaben.Beiträge per E-Mail senden an: [email protected]

Wir freuen uns auf Ihre Einsendungen!Rüdiger Heins

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64 Dezember 2017www.eXperimenta.de

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Preise und StipendienAuf den folgenden Seiten finden Sie Ausschreibungen, die vielleicht für Sie interessant sind. Sollten Sie an einem der Wettbewerbe teilnehmen, wünschen wir Ihnen viel Erfolg!

Für die Redaktion der eXperimentaEike M. Falk

13. Harder Literaturpreis

Voraussetzungen: Anonyme Bewerbung verlangt.

Themenvorgabe: Happiness is a warm gun „Happiness Is a Warm Gun in Your Hand“ stand 1968 auf dem Cover einer Waffenzeitschrift. John Lennon fand den darin enthaltenen Gedanken derart „fantastisch wahnwitzig“, dass er ihn noch im selben Jahr zum Titel eines Songs machte. Auch 50 Jahre danach scheint es uns interessant zu fragen, woher solche Metaphern kommen und wohin sie uns führen. Was bedeutet Glück heute? Wie rücksichtslos darf man danach streben? Und welchen Einschränkungen begegnet man dabei? „Happiness is a warm gun” soll Anregung für jene AutorInnen sein, die sich mit ihren Kurzgeschichten am 13. Harder Literaturpreis beteiligen möchten.

Der 1. Preis, zur Verfügung gestellt von der Marktgemeinde Hard, ist mit Euro 5.000,- dotiert. Zusätzlich werden zwei Förderpreise in Höhe von je Euro 1.000,- vergeben. Die Benachrichtigung der PreisträgerInnen erfolgt Anfang März 2018, die Preise werden in Hard bei einem Festakt im Rahmen des Literaturfestivals „HardCover“ (25. bis 27. Mai 2018) verliehen. In diesem Rahmen tragen die PreisträgerInnen ihre Beiträge persönlich vor. Eine weitere AutorInnenlesung der drei prämierten Geschichten findet als Matinee am 27. Mai 2018 statt. Die Texte erscheinen in einer Anthologie, die von der Gemeinde bei einem Verlag in Auftrag gegeben wird. Darüber hinaus werden weitere von der Jury ausgewählte Beiträge mit Einverständnis der AutorInnen in diese Publikation mit aufgenommen, ohne dass hierfür Honoraransprüche entstehen. Die eingesandten Texte verbleiben in der Marktgemeinde Hard.

Bewerbung:- Pro WettbewerbsteilnehmerIn ist nur ein Text zugelassen.- Es werden nur deutschsprachige Einsendungen berücksichtigt. - Die Beiträge müssen unveröffentlicht sein. - Textlänge: Max. 12 000 Zeichen (inklusive Leerzeichen) - Schriftgröße: 12 Punkt; Zeilenabstand: 1,5 Zeilen (Bitte diese Formatierung unbedingt einhalten!)- Da die Auswertung anonym erfolgt, dürfen die Manuskriptseiten keine Informationen zur Autorin oder zum Autor enthalten.

Der Zusendung in einem separaten Kuvert beizufügen ist: - Name, Postanschrift, Telefon-Nummer, Email-Adresse - Eine Kurzvita (höchstens 10 Zeilen) - Eine Liste bisheriger literarischer Veröffentlichungen. (Als solche werden Bücher gewertet, die nicht im Eigenverlag erschienen sind, sowie Beiträge in Anthologien und literarischen Zeitschriften.)

Die Manuskripte bitte in 6-facher Ausfertigung einsenden an: Marktgemeindeamt Hard

65Dezember 2017 www.eXperimenta.de

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bewerbe

Kennwort „13. Harder Literaturwettbewerb“ Marktstraße 18 6971 Hard Ö[email protected]

Ansprechpartnerin:Bianca MarkowitzTel.: +43(0)-5574-697-20Fax.: +43(0)-5574-697-54bianca.markowitz(at)hard.at

Einsendeschluss ist der 9. Dezember 2017.

Niederländisch-deutscher Kinder- und Jugendtheaterautorenpreis

Die Stadt Duisburg verleiht im Rahmen des Deutsch - Niederländischen Kinder- und Jugendtheater-Festivals KAAS & KAPPES am 25. Februar 2018 den 20. niederländisch-deutschen Autorenpreis für Kinder- und Jugendtheater.Der Autorenwettbewerb verfolgt das Ziel, dramatische Literatur für Kinder und Jugendliche zu fördern und Autoren und Theatermacher zu Arbeiten für diese Zielgruppe zu ermutigen. Insbesondere möchte der ausgeschriebene Preis den Austausch zwischen deutschen und niederländischen Autoren und Theatermachern im Bereich Kinder - und Jugendtheater intensivieren.Die Höhe des ausgeschriebenen Preises beträgt insgesamt Euro 7.500,-. Eine Jury, die sich aus 4 niederländischen und deutschen Theaterfachleuten zusammensetzt, entscheidet über die Preisvergabe.Der Text muss in der Urform in niederländisch oder deutsch geschrieben worden sein und darf nicht vor Januar 2017 veröffentlicht oder aufgeführt worden sein. Neben Stücken von einzelnen Autoren können auch kollektiv im Inszenierungsprozess erarbeitete Texte am Wettbewerb teilnehmen. Pro Autor ist nur ein Text zur Vorlage zugelassen. Bereits in der Vergangenheit eingereichte Texte können auch in übersetzter Form nicht erneut eingereicht werden.Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.Den Text bitte als pdf an: [email protected] Nennung der Autorschaft innerhalb der pdf.Angaben zum Autor/zur Autorin bitte nur im Anschreiben/email!Die Preisverleihung findet am Tag der Autoren, dem 25.02.2018, im Rahmen des KAAS&KAPPES Theaterfestivals um 16.00 Uhr in Duisburg im KOM´MA statt. Anmeldung bitte per fon, fax oder e-mail.Anja Klein, Autorenwettbewerb

Weitere Kontaktmöglichkeit: [email protected]

Einsendeschluss ist der 15. Dezember 2017.

66 Dezember 2017www.eXperimenta.de

LitOff30 - Literaturpreis Rhein-Neckar-Raum

Die Metropolregion Rhein-Neckar hat in den Bergen und Tälern einen fruchtbaren Boden, auf dem seit langem nicht nur exotische Obstsorten, Spargel oder Wein gedeihen. Auch Literatur, Wissenschaft und Philosophie haben sich hier angesiedelt: Vom Keltenwall auf dem Donnersberg bis zur UNESCO-Literaturstadt Heidelberg ziehen die Schreibenden auf Berg-, Wein-, Burgen-, Nibelungen-, Römerstraßen, Eisenbahngleisen und Wasserwegen durch die Zeit und erzählen ihre süßen und bitteren Geschichten.Zum 30 jährigen Bestehen der Autorengruppe Literatur Offensive gilt es, neue Texte über die Rhein-Neckar-Region zu verfassen. Von der Brezel bis zur Dampfnudel, Land- und Großstadtleben. Menschen, ernst oder heiter. Obst und Gemüse blüht und gedeiht. Fisch und Leberwurst werden verspeist. Kreppel und Krumbeere sorgen für Kohlenhydrate. Ob fürstliche Delikatessen oder Burger-Döner-Fastfood bis vegan. Die Römer schleppten die Aprikose, die Mandel, die Traube und die Quitte ein, die Vegetarier die Kiwi und Kombucha. Es wird gebrutzelt, gedämpft, gemampft. Mit und ohne Tischschmuck. Früher gab es Auswanderungen wegen Hungers, heute eher Hungerkuren. Was aß man auf dem Hambacher Fest? Kurz gesagt: Es geht ums Essen, Kochen und Erzählen in Kurzgeschichten, Gedichten, Essays, real bis surreal oder fantastisch (bis zu 5 Normseiten oder 5 Gedichte). Nachdem die Wörter ordentlich gewendet, gewürzt und verziert wurden, möge es heißen: Die neue Anthologie ist angerichtet!

Die Datei soll per E-Mail an [email protected] geschickt und folgendermaßen benannt werden: NachnameVorname-Titel.doc(x) oder .odt (z. B. MustermannSusanne-Abendwind.doc). Die Autoren sollen einen Bezug zur Metropolregion Rhein-Neckar haben (Wohn- oder Geburtsort). Die eingesandten Texte werden von unserer Jury geprüft und ausgewählt. Die Anthologie erscheint voraussichtlich Anfang 2019 im Wellhöfer Verlag.Nur die ausgewählten Texte werden veröffentlicht, ein Honorar kann nicht gezahlt werden. Die teilnehmenden Autoren garantieren, dass durch die Veröffentlichung in unserer Anthologie keine Rechte von Dritten verletzt werden. Die Autoren der ausgewählten Texte werden von uns persönlich benachrichtigt – alle anderen erhalten keine gesonderte Mitteilung, da dies für uns organisatorisch nicht möglich wäre (wir bitten um Verständnis). Auf der Homepage www.litoff.de wird bekannt gegeben, sobald das Auswahlverfahren beendet ist. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Es werden drei Gewinner gekürt, die nach Meinung der Jury die überzeugendsten Texte eingereicht haben.Mitglieder der LitOff sind vom Wettbewerbsgewinn ausgenommen. Beiträge von LitOff-Autoren können jedoch in die Anthologie aufgenommen werden. Die über die Veröffentlichung in dieser Anthologie hinausgehenden Rechte bleiben bei den Autoren. Für jede/n Einsender/in bitten wir um eine Kurzvita in folgender Reihenfolge:Name, Vorname, Geburtsjahr, Geburtsort, Lebensort, Ausbildung, Beruf, literarische Profession, Mitgliedschaft/en in Autorenvereinigung/en; Angabe von E-Mailadresse.

Veranstalter: Die Literatur-Offensive e.V.

Preisgeld: Euro 200,-

Preisaufteilung: Der erste Preis ist mit Euro 100,- dotiert, der zweite mit Euro 75,-, der dritte Preis mit einem Buchpaket.

Besonderer Hinweis: Jeder Autor soll die Möglichkeit erhalten, an einer Lesung oder Radiosendung an ausgewählten Veranstaltungsorten der Region teilzunehmen. Die Organisation der Veranstaltungen obliegt der LitOff.

67Dezember 2017 www.eXperimenta.de

Kontaktmöglichkeit:Die Literatur-Offensive e.V.Ringstraße 19b69126 [email protected]

Einsendeschluss ist der 15. Dezember 2017.

Jugendtheaterpreis Baden-Württemberg

Der Arbeitskreis der Kinder- und Jugendtheater Baden-Württemberg verleiht auch im kommenden Jahr wieder den Jugendtheaterpreis Baden-Württemberg. Der Preis ist eine der am höchsten dotierten Auszeichnungen im Kinder- und Jugendtheater, gestiftet vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg. Verliehen werden: ein erster Stückepreis und ein Förderpreis (insgesamt 10.000 Euro) sowie ein Projekt-Stipendium (5.000 Euro). Mit dem Projekt-Stipendium wird zusätzlich die künftige Zusammenarbeit einer Autorin / eines Autors mit einem Theater aus Baden-Württemberg gefördert.

Bewerbung:Einzureichen sind ein Dossier über das geplante Projekt, eine Vita der Autorin / des Autors, eine Liste der bisherigen Stück-Veröffentlichungen und eine Erklärung des kooperierenden Theaters, das entstehende Stück innerhalb von zwei Jahren nach der Preisvergabe zur Uraufführung bringen zu wollen.

Für beide Kategorien müssen die Manuskripte als pdf-Dokument gesendet werden an

[email protected]

Kennwort: Jugendtheaterpreis Baden-Württemberg

Verleihung: Verliehen werden die Preise im Rahmen des Festivals Schöne Aussicht am jungen Ensemble Stuttgart im Mai 2018Zuwendung: Euro 5.000,- einmaligZuwendungsgeber: Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg

Bewerbungsstelle:Junges Ensemble Stuttgart, c/o Christian SchönfelderEberhardtstr. 61 aD-70173 Stuttgartinfo(at)jugendtheaterpreis-bw.de

Ansprechpartner:Christian SchönfelderTel.: +49-(0)711-21 84 80-12Fax.: +49-(0)711-21 84 80-20christian.schoenfelder(at)jes-stuttgart.de

Einsendeschluss ist der 31. Dezember 2017.

68 Dezember 2017www.eXperimenta.de

Clara-und-Eduard-Rosenthal-Stipendium für Literatur & Stadtschreibung Stadt Jena

Sehr geehrte Damen und Herren,im Sinne von Eduard und Clara Rosenthal vergibt JenaKultur seit der Wiedereröffnung des Hauses im Jahr 2009 sowohl Stipendien im Bereich Literatur/Stadtschreibung als auch im Bereich Bildende Kunst mit einer bisher erstaunlichen Resonanz sowie hohen Qualität an Bewerbungen.Eduard Rosenthal - Jenaer Ehrenbürger, 2-facher Rektor der Friedrich Schiller Universität Jena, Rechtswissenschaftler und Begründer der Thüringer Verfassung - zog 1892 mit seiner Ehefrau Clara Rosenthal und dem gemeinsamen Sohn Curt Rosenthal in die Villa Rosenthal ein. Das Ehepaar übertrug das Haus testamentarisch der Stadt Jena im Jahr 1924.Heute erinnert der Ort wieder an das politische, gesellschaftliche und kulturelle Engagement der Familie, welche das Leben um 1900 nicht nur in Jena, sondern weit über Thüringen hinaus, nachhaltig geprägt und mitgestaltet hat. Kulturelle Bildung und die Vermittlung sowie der Austausch zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur waren dem Ehepaar ein besonderes Anliegen.Mit dem ab September 2017 neu ausgeschriebenen Clara-und-Eduard-Rosenthal Stipendium für Literatur/Stadtschreibung soll einem/einer Stipendiat/-in die Möglichkeit gegeben werden, sich innerhalb von 12 Monaten ausschließlich der eigenen Arbeit im Bereich Literatur zu widmen. Für eine Bewerbung um das Stipendium sind nationale und internationale Literaten/-innen über 18 Jahren teilnahmeberechtigt. Die Stipendienzeit umfasst den Zeitraum vom 01.08.2018 bis zum 31.07.2019. JenaKultur stellt in diesem Zeitraum eine möblierte Wohnung im Dachgeschoss der Villa Rosenthal miet- und nebenkostenfrei zur Verfügung. Das Stipendium ist mit Euro 1.000,- pro Monat dotiert.Alle vollumfänglichen Informationen zu den Ausschreibungs- und Bewerbungsmodalitäten stehen auf der Webseite der Villa Rosenthal Jena unter https://www.villa-rosenthal-jena.de/de/stipendien/literatur_und_stadtsch... zum Download bereit.Für Anmerkungen und Rückfragen können Sie uns gern kontaktieren.Herzliche Grüße aus Jena senden IhnenIvette LöwerProduktionsleitung Villa RosenthalLisa SchönfeldFSJ Kultur Villa Rosenthal

Kontaktmöglichkeit:Ivette Löwer Mälzerstraße 1107745 JenaE-Mail: [email protected].: +49 3641 49-8271

Einsendeschluss ist der 31. Dezember 2017.

69Dezember 2017 www.eXperimenta.de

Antje Hampe

70 Dezember 2017www.eXperimenta.de

Impressum

eXperimenta Online und Radio Magazin für Literatur und Kunst

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Herausgegeben vom INKAS - INstitut für KreAtives Schreiben im Netzwerk für alternative Medien- und Kulturarbeit e.V. Dr.-Sieglitz-Straße 49 in 55411 Bingen

Redaktion: Philip J. Dingeldey (Social-Media), Bastian Exner, Eike M. Falk (Preise und Stipendien), Jens-Philipp Gründler, Antje Hampe (Lyrikredaktion), Rüdiger Heins, Annette Rümmele, Franziska Schmetz (Bildredaktion), Elisabeth Schmidt (Schlusskorrektur), Barbara Wollstein (Filmkolumne)

Korrespondenten: Prof. Dr. Mario Andreotti (CH), Jürgen Janson, Xu Pei

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Künstlerische Beratung: Rüdiger Heins

Redaktionsanschrift:

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Fotografien und Illustrationen: Antja Hampe, Jürgen Janson, Karla Butoh

Titelbild: Antje Hampe

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72 Dezember 2017www.eXperimenta.de

eXperimentaHerausgegeben von Prof. Dr. Mario Andreotti und Rüdiger Heins12/

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