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Exakte Di�erentialgleichungen

Markus Vock

Ausarbeitung zum Vortrag im Seminar �Mathematische Modellierung�(Wintersemester 2008/09, Leitung PD Dr. Gudrun Thäter)

Zusammenfassung: Auf exakte bzw. vollständige Di�erentialgleichungen stöÿt man fast

sofort bei der Betrachtung von Feldern und ihren Potentialen in der Physik. Die exakten

Di�erentialgleichungen sind aber nicht nur in der Physik, sondern auch in den Ingenieurwis-

senschaften als Hilfsmittel weit verbreitet. Im Vortrag wird eine Lösungsmethode für solche

Di�erentialgleichungen erschlossen.

Zu diesem Zweck werden zunächst Di�erentialgleichungen de�niert. Darauf folgt die De�-

nition der exakten Di�erentialgleichung. Dann wird die Lösungsmethode detailliert hergelei-

tet. Auÿerdem wird erklärt, auf welche Weise Randbedingungen eingearbeitet werden können.

Zum Schluss betrachten wir Gleichungen, die zwar keine exakten Di�erentialgleichungen sind,

jedoch durch Multiplikation mit einer Funktion (dem �integrierenden Faktor� bzw. �eulerschen

Multiplikator�) dazu werden.

Inhaltsverzeichnis

1 Grundlegende De�nitionen und Beispiel 21.1 De�nitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.2 Motivierendes Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

2 Die Lösungsmethode 42.1 Ohne Anfangsbedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42.2 Mit Anfangsbedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

3 Integrierende Faktoren 83.1 Kriterien für integrierende Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

4 Resümee 12

Abbildungsverzeichnis

1.1 Schnitt durch Feld eines Dipols. Quelle: [4] . . . . . . . . . . . . . . . . 21.2 Potential eines Dipols. Quelle: [5] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

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1 Grundlegende De�nitionen und Beispiel

1.1 De�nitionen

De�nition 1.1 Sei y : R → R eine n�mal stetig di�erenzierbare Funktion. Sei auÿer-dem F : R× Rn → R stetig. Eine Gleichung der Form

F (x, y, y′, y′′, . . . , y(n)) = 0

heiÿt (implizite) gewöhnliche Di�erentialgleichung n�ten Grades.

De�nition 1.2 Eine gewöhnliche Di�erentialgleichung ersten Grades heiÿt exakt, falls

(i) sie sich in der folgenden Form schreiben lässt:

P (x, y) +Q(x, y)dy

dx= 0,

wobei P und Q auf einem (evtl. unendlichen) Rechteck R := [a1, b1]×[a2, b2] ⊂ R2

de�niert sein sollen

(ii) eine stetig di�erenzierbare Funktion F (x, y) (�Potentialfunktion�) existiert mit

∂F

∂y= P und(1.1)

∂F

∂x= Q(1.2)

1.2 Motivierendes Beispiel

Beispiel 1.3 (Elektrisches Feld) �Elektrisches Feld� ist ein Begri� aus der Physikund bezeichnet eine richtungsgebundene Gröÿe. Das bedeutet, jedem Punkt im Raumwird ein Vektor zugeordnet, dessen Länge die Stärke und dessen Richtung die Richtungdes Feldes angibt (�Vektorfeld�).

Abbildung 1.1: Schnitt durch das elektrische Feld eines Dipols. Quelle: [4]

In Abbildung 1.1 sind zwar nicht einzelne Vektoren eingetragen. Die Linien stellenvielmehr �Äquipotentiallinien� (der Begri� wird unten erklärt) mit jeweils gleichenPotentialdi�erenzen dar. Kurz erklärt bedeutet das, dass das Feld umso stärker ist (d.h. der Betrag des Vektors an dieser Stelle ist umso länger), je näher die umliegenden

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Linien beieinander liegen. Wenn man an einem beliebigen Punkt eine Tangente andie Kurve legt, erhält man die Richtung des Vektors. Normalerweise bevorzugt manzur Visualisierung von Feldern diese Darstellung, weil die Version mit Pfeilen schnellunübersichtlich wird, wenn sie einigermaÿen genau sein soll.

Ein elektrisches Feld in der Ebene (R2), das sich über die Zeit nicht ändert, lässtsich als Funktion E : R2 → R2 schreiben.

Auÿerdem lässt sich zu einem Feld E ein Potential U erklären, das (vereinfachtausgedrückt) die Wirkung des Feldes auf ein geladenes Teilchen beschreibt. Genauer:

E(x, y) := −∇U(x, y) = −(∂U

∂x,∂U

∂y)

Abbildung 1.2: Potential eines Dipols, mit Äquipotentiallinien. Quelle: [5]

Nun bilden die Punkte, in denen dasselbe Potential herrscht, eine Linien, die so-genannten �Äquipotentiallinien�. Sie können mit der Gleichung U(x, y) = C (mit Ckonstant) beschrieben werden und stehen in jedem Punkt senkrecht auf den Feldlinien.

Da �die Natur keine Sprünge macht�, d. h. die Äquipotentiallinien glatte Mannig-faltigkeiten sind, können wir nun stückweise die Äquipotentiallinie als Graph einerFunktion beschreiben und erhalten eine Abhängigkeit für y von x bzw. für x von y.

Im Folgenden betrachten wir nur den ersten Fall, denn der zweite ist genau analog.Also schreiben wir U(x, y(x)) = C.

Bildet man in dieser Gleichung auf beiden Seiten die Ableitung nach x, erhält man:

∂U

∂x(x, y(x)) +

∂U

∂y(x, y(x))

dy

dx(x) = 0

Und mit P := −∂U∂x

und Q := −∂U∂y

schreibt sich das als

P (x, y) +Q(x, y)dy

dx= 0,

also (wegen der De�nition von P und Q) eine exakte Di�erentialgleichung.

Bemerkung 1.4 In diesem Beispiel haben wir � um die in der Physik übliche Schreib-weise zu verwenden � die Potentialfunktion mit U benannt und nicht wie in der De�-nition mit F . Ab jetzt benutzen wir jedoch wieder F .

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2 Die Lösungsmethode

2.1 Ohne Anfangsbedingung

Die Idee für einen Lösungsansatz ist, zu einer gegebenen exakten Di�erentialgleichung

(2.1) P (x, y) +Q(x, y)dy

dx= 0

eine Potentialfunktion F zu �nden. Das funktioniert jedoch nur, wenn wir wissen, dassdiese auch tatsächlich existiert. Der erste Schritt wird also sein, ein Kriterium für dieExistenz von F herzuleiten, das ohne explizite Nennung von F auskommt.

Hier kann direkt ein Satz aus der Analysis II zitiert werden:

Theorem 2.1 Sind P und Q stetig partiell di�erenzierbar auf dem Rechteck R, dannist die Di�erentialgleichung (2.1) exakt genau dann wenn gilt:

∂P

∂y=∂Q

∂x

auf ganz R (�Integrabilitätsbedingung�).

Beweis.

Betrachte F (x, y) =∫P (x, y)dx + ϕ(y), wobei ϕ(y) eine Funktion sein soll, die

nicht von x abhängt. Di�erentiation nach x liefert:

∂Q

∂x(x, y) =

∂x

∂F

∂y(x, y)

=∂

∂x

∂y

(∫P (x, y)dx+ ϕ(y)

)=

∂x

∂y

(∫P (x, y)dx

)+

∂x

∂ϕ

∂y(x, y)

=∂

∂y

(∂

∂x

∫P (x, y)dx

)+ 0

=∂

∂yP (x, y)

Gilt also Exaktheit für die Gleichung, muss ∂P∂y

= ∂Q∂x

gelten. Gilt umgekehrt dasKriterium, gibt es eine Funktion F (x, y), die zweimal stetig partiell di�erenzierbar ist,und die Gleichungen ∂F

∂x(x, y) = P (x, y) und ∂F

∂y(x, y) = Q(x, y) erfüllt (siehe Herleitung

der Lösungsmethode).

Nun können wir uns an die Lösung der Di�erentialgleichung machen. Denn wenndie Di�erentialgleichung exakt ist, dann wissen wir, dass für die Potentialfunktion F

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gelten muss:

∂F

∂x= P

⇒ F (x, y) =

∫P (x, y)dx+ ϕ(y),

wobei ϕ(y) eine Funktion ist, die nicht von x abhängt.Nun erhält man ϕ auf folgende Art: Ableitung der Gleichung in der zweiten Zeile

nach y liefert

∂F

∂y(x, y) = Q(x, y)

=∂

∂y

∫P (x, y)dx+

dϕ(y)

dy

⇔ dϕ(y)

dy= Q(x, y)− ∂

∂y

∫P (x, y)dx

Also ist

ϕ(y) =

∫ (Q(x, y)− ∂

∂y

∫P (x, y)dx

)dy

und F (x, y) =∫P (x, y)dx + ϕ(y) heiÿt �Stammfunktion� oder �erstes Integral� von

(2.1).

Bemerkung 2.2 Die Lösung ist in diesem Fall nicht eindeutig, sondern vielmehr eineFamilie von Lösungen. Der Grund hierfür ist, dass in der Integration noch eine Inte-grationskonstante gewählt werden kann. Also ist die Lösung an dieser Stelle nur �bisauf einen konstanten Summanden� eindeutig.

Beispiel 2.3 Schon 1670/71 suchte Newton in seinem Buch �De integratione aequa-tionum di�erentialium� nach der Lösung der Di�erentialgleichung

(2.2) 3x2 − 2ax+ ay − 3y2y′ + axy′ = 0

Der erste Schritt ist nun, die Gleichung auf unsere bekannte Form zu bringen, wasnicht weiter schwer fällt:

3x2 − 2ax+ ay + (3y2 + ax)y′ = 0,(2.3)

Also P (x, y) = 3x2 − 2ax+ ay und Q(x, y) = 3y2 + ax. Nun müssen wir prüfen, obes sich tatsächlich um eine exakte Di�erentialgleichung handelt:

∂P

∂y(x, y) = a

∂Q

∂x(x, y) = a

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Das heiÿt, (2.2) ist tatsächlich exakt und wir können damit beginnen, die Stammfunk-tion zu bestimmen. Dazu:

F (x, y) =

∫P (x, y)dx+ ϕ(y)

=

∫ (3x2 − 2ax+ ay

)dx+ ϕ(y)

= x3 − ax2 + axy + ϕ(y)

ϕ(y) =

∫ (Q(x, y)− ∂

∂y(x3 − ax2 + axy)

)dy

=

∫ (3y2 + ax− ax

)dy

= y3

Und damit erhalten wir für die Lösungen die Gleichung x3−ax2 +axy+y3 = C (Ckonstant). Hier hatte Newton selbst die (eindeutige) Lösung x3 − ax2 + axy + y3 = 0,denn er benutzte Kurven, die durch den Nullpunkt gehen.

2.2 Mit Anfangsbedingung

De�nition 2.4 Ist in (2.1) ein Anfangswert vorgegeben, d. h. es ist zu gegebenem x0

der Wert y0 = y(x0) bekannt, so heiÿt das Problem

(2.4)

{P (x, y) +Q(x, y)dy

dx= 0

y(x0) = y0

�Anfangswertproblem�, die Bedingung y(x0) = y0 heiÿt �Anfangsbedingung�.

Hat man nach der oben hergeleiteten Methode eine Stammfunktion F ermittelt, bleibtbei einem Anfangswertproblem noch die Aufgabe, die Anfangsbedingung einzuarbeiten.Das geht folgendermaÿen:

Wir wissen, dass für jede Lösung y von (2.1) gilt:

dF (x, y(x))

dy=

∂xF (x, y(x)) +

∂yF (x, y(x))

dy(x)

dx

= P (x, y(x)) +Q(x, y(x))dy(x)

dx= 0

⇒ F (x, y(x)) = C

(2.5)

mit C konstant (Äquipotentiallinien!).Ist nun y(x0) = y0, muss C = F (x0, y0) gelten. Um also eine Lösung y zu erhalten,

die (2.4) erfüllt, löst man die Gleichung

F (x, y(x)) = F (x0, y0)

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nach y auf.Wann das möglich ist, liefert ein Spezialfall des Satzes von der impliziten Funktion

aus Analysis II:

Theorem 2.5 Seien U1, U2 ⊂ R o�ene Teilmengen und F : U1 × U2 → R sei stetigdi�erenzierbar. Sei (a, b) ∈ U1 × U2 ein Punkt mit F (a, b) = 0.

Die Ableitung ∂F∂y

sei im Punkt (a, b) nicht Null.Dann gibt es o�ene Umgebungen V1 ⊂ U1 von a, V2 ⊂ U2 von b sowie eine stetig

di�erenzierbare Abbildung g : V1 → V2 ⊂ R mit g(a) = b, so dass

F (x, g(x)) = 0 für alle x ∈ V1.

Ist (x, y) ∈ V1 × V2 ein Punkt mit F (x, y) = 0, so folgt y = g(x).

Bemerkung 2.6 Man sollte an dieser Stelle im Hinterkopf behalten, dass ja für eineStammfunktion F einer exakten Di�erentialgleichung Gleichung (1.1) gilt. Die Bedin-gung ist also Q(x0, y0) 6= 0 für die Au�ösbarkeit nach y bzw. P (x0, y0) 6= 0 für die nachx.

Beispiel 2.7 Man will folgendes Anfangswertproblem lösen:

(2.6)

{(2xey − 1) + (x2ey + 1) dy

dx= 0

y(1) = 0

Da die Gleichung schon in der bekannten Form ist, können wir P (x, y) = 2xey − 1und Q(x, y) = x2ey + 1 direkt ablesen und zum nächsten Schritt übergehen.

Prüfe auf Exaktheit:∂P

∂y= 2xey

∂Q

∂x= 2xey,

also ist die Di�erentialgleichung exakt.

F (x, y) =

∫P (x, y)dx+ ϕ(y)

=

∫(2xey − 1) dx+ ϕ(y)

= x2ey − x+ ϕ(y)

ϕ(y) =

∫ (Q(x, y)− ∂

∂y

∫P (x, y)dx

)dy

=

∫ (x2ey + 1− x2ey

)dy

=

∫1dy

= y

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Also haben wir für die Lösung das Gleichungssystem{x2ey(x) − x+ y = Const.

y(1) = 0

Das gilt, weil nach Gleichung (2.5) F (x, y(x)) für jede Lösung y(x) konstant ist. Indiesem Fall muss also insbesondere F (x, y(x)) = F (1, 0) sein, denn (1, 0) ist ein Punktaus dem Graphen der Lösung. Das führt auf:

x2ey(x) − x+ y = 12e0 − 1 + 0 (einsetzen)

= 0

Nun lässt sich die Gleichung (wegen Satz 2.5 und wegen Q(x, y) 6= 0 in einerUmgebung von (0, 1)) theoretisch nach y au�ösen. Das ist jedoch nicht praktikabel(man beachte, dass y im Exponenten und als Summand auftaucht), also versuchen wires mit Au�ösen nach x. Das ergibt:

x2ey − x+ y = 0

⇔ x2 − xe−y + ye−y = 0

⇔ x1,2 =1

2e−y ±

√1

4e−2y − ye−y

=1

2e−y ±

√1

4e−2y(1− 4yey)

=1

2e−y ± (

1

2e−y)

√1− 4yey

=1

2e−y

(1±

√1− 4yey

)

Hier wählt man nun wegen x0 = x(0) = 1 das positive Vorzeichen der Wurzel.Auÿerdem muss man, da 1 − 4yey negativ werden kann, fordern, dass für y gilt:yey ≤ 1

4⇔ y ≤ 1

4ey . Dieser Wert kann (nach [1]) iterativ bestimmt werden.

3 Integrierende Faktoren

Betrachtet man eine Di�erentialgleichung (P , Q auf einem Rechteck R de�niert)

P (x, y) +Q(x, y)dy

dx= 0,

die nicht exakt ist, kann es mitunter eine Funktion µ(x, y) geben, sodass

µ(x, y)P (x, y) + µ(x, y)Q(x, y)dy

dx= 0

eine exakte Di�erentialgleichung ist.

De�nition 3.1 Ist dies der Fall, so nennt man µ einen integrierenden Faktor oderauch Eulerschen Multiplikator.

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3.1 Kriterien für integrierende Faktoren

Es gibt für einige Sonderfälle Kriterien für die Existenz und das genaue Ausseheneines integrierenden Faktors. Die hier betrachteten Fälle sind nicht alle, sondern sollenvielmehr eine exemplarische Auswahl darstellen.

Theorem 3.2 Hängt f := Py−Qx

Qnur von x ab, dann ist µ(x) := exp

(∫f(x)dx

)ein

integrierender Faktor.

Beweis.

∂x(µQ) =

∂µ

∂xQ+ µ

∂Q

∂x

= f(x) exp

(∫f(x)dx

)Q+ exp

(∫f(x)dx

)∂Q

∂x

= exp

(∫f(x)dx

)( ∂P∂y− ∂Q

∂x

Q+∂Q

∂x

)

= exp

(∫f(x)dx

)∂P

∂y

=∂

∂y(µP ) , denn

∂µ

∂y= 0

Also ist die Di�erentialgleichung µ(x, y)P (x, y)+µ(x, y)Q(x, y)dydx

= 0 exakt und damitµ ein integrierender Faktor.

Theorem 3.3 Hängt f := Py−Qx

Pnur von y ab, dann ist µ(y) := exp

(−∫f(y)dy

)ein

integrierender Faktor.

Beweis.

Analog zum Beweis von Theorem 3.2.

Theorem 3.4 Hängt f := Py−Qx

P−Qnur von x+y ab, dann ist µ(x+y) := exp

(−∫f(t)dt

)|t=x+y

ein integrierender Faktor.

Beweis.

∂x(µQ) =

∂µ

∂xQ+ µ

∂Q

∂x

= −f(x+ y) exp

(−∫f(t)dt

)|t=x+yQ+ exp

(−∫f(t)dt

)|t=x+y

∂Q

∂x

= exp

(−∫f(t)dt

)|t=x+y

(∂Q

∂x−

∂P∂y− ∂Q

∂x

P −QQ

)

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Genauso ergibt sich

∂y(µP ) = exp

(−∫f(t)dt

)|t=x+y

(∂P

∂y−

∂P∂y− ∂Q

∂x

P −QP

)und damit dann die Di�erenz von ∂

∂x(µQ) und ∂

∂y(µP ) zu Null:

∂x(µQ)− ∂

∂y(µP ) = exp

(−∫f(t)dt

)|t=x+y

(∂Q

∂x− ∂P

∂y−

∂P∂y− ∂Q

∂x

P −Q(Q− P )

)

= exp

(−∫f(t)dt

)|t=x+y

(∂Q

∂x− ∂P

∂y+

∂P∂y− ∂Q

∂x

P −Q(P −Q)

)

= exp

(−∫f(t)dt

)|t=x+y(

∂Q

∂x− ∂P

∂y+∂P

∂y− ∂Q

∂x)

= 0

Beispiel 3.5

−2xy + (3x2 − y2)dy

dx= 0

Wir lesen ab: P (x, y) = −2xy, Q(x, y) = 3x2 − y2.Prüfen auf Exaktheit:

Py(x, y) = −2x

Qx(x, y) = 6x,

also ist die Gleichung nicht exakt.Allerdings ist

Py −Qx

P=−2x− 6x

−2xy

=−8x

−2xy

=4

y.

Dies hängt nicht von x ab, also ist die Voraussetzung von Satz 3.3 erfüllt. So erhaltenwir als integrierenden Faktor:

µ(y) = exp(−∫

4

ydy)

= exp(−4 log(y))

= y−4 ( 6= 0)

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Multiplizieren wir also beide Seiten der Gleichung mit µ(y), erhalten wir:

−2xy−3 + (3x2y−4 − y−2)dy

dx= 0,

also P (x, y) = −2xy−3 und Q(x, y) = 3x2y−4 − y−2. Dann ist

∂P

∂y(x, y) = 6xy−4

∂Q

∂x(x, y) = 6xy−4,

die neue Gleichung ist also exakt und kann mit der früher erarbeiteten Methode gelöstwerden.

Beispiel 3.6

sin(x)− x cos(x)− 3x2(y − x)2 + 3x2(y − x)2 dy

dx= 0

Ablesen ergibt: P (x, y) = sin(x)−x cos(x)−3x2(y−x)2 und Q(x, y) = 3x2(y−x)2.Prüfen auf Exaktheit:

Py(x, y) = −6x2(y − x)Qx(x, y) = 6x(y − x)2 − 6x2(y − x),

also ist auch diese Gleichung nicht exakt.Nun ist aber Py − Qx = −6x(y − x)2, und nach Prüfung der Möglichkeiten sieht

man, dass Teilen durch Q das Vorgehen der Wahl ist und berechnet:

Py −Qx

Q=−6x(y − x)2

3x2(y − x)2

= −2

x

Dies hängt nur von x ab und wir benutzen Satz 3.2. Damit ist der integrierendeFaktor

µ(x) = exp

(∫−2

xdx

)= exp(−2 log x)

= x−2

Multiplizieren beider Seiten der Originalgleichung mit µ(x) ergibt:

sin(x)

x2− cos(x)

x− 3(y − x)2 + 3(y − x)2 dy

dx= 0

Probe:

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∂P

∂y(x, y) = −6(y − x)

∂Q

∂x(x, y) = −6(y − x),

die neue Gleichung ist also exakt.

Bemerkung 3.7 Man sieht hier, dass die Sinus- und Cosinusfunktionen den Faktorüberhaupt nicht beein�usst haben. Generell gilt: Im Fall von Satz 3.2 haben Sum-manden von P , die nicht von y abhängen, keine Bedeutung, im Fall von Satz 3.3Summanden von Q, die nicht von x abhängen.

4 Resümee

Die Theorie der exakten Di�erentialgleichungen ist abgeschlossen und recht übersicht-lich. Da die vorgestellte Lösungsmethode nur den Satz über implizite Funktionen ver-wendet und der ex. DGL inhärente Eigenschaften, ist sie unabhängig vom Satz vonPicard�Lindelöf. In diesem Sinne nehmen die ex. DGL eine gewisse Sonderstellungunter den DGL ein und bilden ein relativ klar abgegrenztes Teilgebiet.

Das Thema ist dankbar, weil � anders als bei Di�erentialgleichungen üblich � eineklare Regel an die Hand gegeben wird, die in jedem Fall zum Erfolg führt. Insofern hatmir persönlich die Arbeit an und mit dem Thema Spaÿ gemacht, denn hat man einmaldie Regel verinnerlicht, lassen sich die Beispiele und Übungen mit wenig Frustrationund umso mehr Genugtuung lösen.

Dass die Theorie der exakten Di�erentialgleichungen nur Anwendungen in Physikund Ingenieurswissenschaften hat, macht sie zwar in diesen Gebieten zu einem wichti-gen Werkzeug und ihre Bedeutung soll hier gar nicht in Frage gestellt werden, für den�Rest der Welt� rückt sie dafür jedoch in den Hintergrund zu Gunsten der komplizier-teren Di�erentialgleichungen. Insofern ist die (relative) Kürze, in der sich das Thema(weitgehend komplett) darstellen lässt und auch oft in der Literatur � wenn überhaupt� dargestellt wird, der Bedeutung in gewisser Weise angepasst.

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Literatur

[1] Harro Heuser: Gewöhnliche Di�erentialgleichungen. B. G. Teubner Verlag, 2004.

[2] Wikipedia: Exakte Di�erentialgleichung, Version vom 16.11.08http://de.wikipedia.org/w/index.php?

title=Exakte_Differentialgleichung&oldid=52997119

[3] Wikipedia: Elektrisches Feld, Version vom 16.11.08http://de.wikipedia.org/w/index.php?

title=Elektrisches_Feld&oldid=52691539

[4] Wikipedia, Version vom 14. Jul. 2007http://de.wikipedia.org/w/index.php?

title=Bild:Elektrisches-feld-positiv-negativ-punktladungen.svg

&oldid=34379864

Urheber: Cweiske, Lizenz:http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/deed.de (�cc-by-sa�)

[5] Wikimedia Commons, Version vom 13. Jan. 2008http://commons.wikimedia.org/w/index.php?

title=Image:DipolContour.svg&oldid=15454472

[6] Otto Forster: Analysis 2. Vieweg Verlag Wiesbaden, 2005

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