Exemplarische Aspekte der Ressourcenallokation in der ... · Hodentumor 0 70 Osteosarkom,...
Transcript of Exemplarische Aspekte der Ressourcenallokation in der ... · Hodentumor 0 70 Osteosarkom,...
Zentrum für Medizinische Ethik
MEDIZINETHISCHE MATERIALIEN
Heft 182
Exemplarische Aspekte der Ressourcenallokation
in der Onkologie
Stefanie Günther
November 2009
Dr. Stefanie Günther, studierte Rechtswissenschaften an der Universität Salzburg (Sponsion
2006/Promotion 2009). Im Moment schließt sie einen Weiterbildenden Masterstudiengang zur
Medizinethik an der Universität Mainz ab und absolviert einen berufsbegleitenden
Universitätslehrgang im Bereich Medizinrecht zum Professional Master of Law (Medical Law)
P.LLM an der Universität Linz. Dr. Günther ist derzeit in Salzburg am Gericht tätig und nimmt
an diversen Forschungsprojekten zur Medizinethik und Allokationsproblematik teil.
I. Basisdaten – Erfolge – Ausgaben…………………………………………………….1
II. Kosten und Nutzen…………………………………………………………………...8
III. Allokation und Onkologie…………………………………………………………11
IV. Resümee…………………………………………………………………………….27
Herausgeber:
Prof. Dr. phil. Hans-Martin Sass
Prof. Dr. med. Dr. phil. Jochen Vollmann
Prof. Dr. med. Michael Zenz
Zentrum für Medizinische Ethik Bochum, Ruhr-Universität Bochum, Gebäude GA 3/53, 44780 Bochum TEL +49 234 32-22749 FAX +49 234 3214-598 Email: [email protected] Internet: http://www.medizinethik-bochum.de
Der Inhalt der veröffentlichten Beiträge deckt sich nicht immer mit der Auffassung des
ZENTRUMS FÜR MEDIZINISCHE ETHIK BOCHUM. Er wird allein von den Autoren
verantwortet. Das Copyright liegt beim Autor.
© Stefanie Günther 1. Auflage November 2009
Schutzgebühr: € 6,00
Bankverbindung: Sparkasse Bochum Kto.-Nr. 133 189 035
BLZ: 430 500 00
ISBN: 978-3-931993-63-4
EXEMPLARISCHE ASPEKTE DER RESSOURCENALLOKATION
IN DER ONKOLOGIE1
Stefanie Günther
I. BASIS – ERFOLGE – AUSGABEN
Der Bereich Onkologie2 (bzw. Hämatologie3) ist in den letzten zwei Jahrzehnten nicht nur
durch enorme Fortschritte in der Diagnostik und Therapie bösartiger Tumoren, sondern vor
allem auch durch daraus resultierende und vielfach als exorbitant hoch eingeschätzte
Ausgaben in ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangt. Obwohl zum jetzigen Zeitpunkt die
oftmals erheblichen Kosten für hochgradig wirksame, medizinisch sinnvolle und meist
innovative Arzneispezialitäten und Therapien überwiegend von den Kranken-
versicherungsträgern und somit großteils von den Beitragszahlern gedeckt werden, stellt sich
trotzdem in der Langzeitperspektive die Frage der Finanzierbarkeit.4
Für das Jahr 2004 weist eine Schätzung des Robert-Koch-Instituts in Summe 436.500
Krebsneuerkrankungen (Männer 230.500, Frauen 206.000) in Deutschland aus. Im Vergleich
zur vorangegangenen Schätzung, die mit 2002 abschloss, sind im Jahr 2004 etwa 12.000
Krebsneuerkrankungen mehr aufgetreten. Im Jahr 2004 verstarben in Deutschland insgesamt
208.800 Menschen an Krebs, 2002 waren es noch 209.900.5
Krebs stellt die zweithäufigste Todesursache dar.
Anhand einer graphischen Darstellung zeigt sich auf der einen Seite ein zunehmender Verlauf
der geschätzten Inzidenzraten für Deutschland ab dem Jahr 1980. Auf der anderen Seite ist ein
kontinuierlicher Rückgang der altersstandardisierten Krebsmortalität klar erkennbar.
1 Der vorliegende Beitrag fasst exemplarische Erkenntnisse der Dissertation und der Abschlussarbeit im
Masterstudiengang Medizinethik der Autorin zusammen. (Stefanie Günther, Der Allokationskonflikt, Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter Fokussierung auf die Onkologie, Dissertation aus Rechtswissenschaften, Salzburg, 2009 und Stefanie Günther, Ursachen der Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter besonderer Berücksichtigung der Onkologie, Abschlussarbeit im Masterstudiengang Medizinethik, Salzburg/Mainz, 2009.).
2 Onkologie ist ein Teilgebiet der Inneren Medizin, das sich mit der Entstehung und Behandlung von Tumoren bzw. tumorbedingten Krankheiten beschäftigt. (Vgl. Pschyrembel®, Klinisches Wörterbuch261, Walter de Gruyter Verlag, Berlin, 2007, 1386.).
3 Hämatologie ist ein Spezialgebiet der Inneren Medizin, das sich mit Prophylaxe, Diagnose und Therapie von Erkrankungen des Blutes, des blutbildendenden Systems und mit Gerinnungsstörungen sowie Erforschung der zugehörigen (patho-) physiologischen Grundlagen befasst. (Vgl. Willibald Pschyrembel®, Klinisches Wörterbuch261, Walter de Gruyter Verlag, Berlin, 2004, 741.).
4 Vgl. Stefanie Günther, Der Allokationskonflikt, Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter Fokussierung auf die Onkologie, Dissertation aus Rechtswissenschaften, Salzburg, 2009, 210f.
5 Vgl. Robert Koch Institut/Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister (Hrsg.), Krebs in Deutschland 2003 – 2004 Häufigkeiten und Trends6, Berlin, 2008, 113, gefunden unter http://www.rki.de/cln_162/nn_205770/DE/Content/GBE/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsB/KID2008,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/KID2008.pdf, 12.09.2009.
1
Altersstandardisierte Inzidenz und Mortalität in Deutschland 1980 – 2004, Fälle pro 100.000
Abbildung 16
Trotz der Zunahme der Neuerkrankungen, sind die Krebsmortalitätsraten nicht nur in
Deutschland, sondern in den meisten Ländern hoher wirtschaftlicher Prosperität nicht zuletzt
aufgrund von Innovationen am Arzneimittelsektor, aufgrund stetig verbesserter
Behandlungsoptionen bzw. effizienterer Diagnostik und aufgrund suffizienterer
Präventionsmaßnahmen rückläufig.7
In ähnlichem Kontext wird auch im Karolinska Report von Wilking und Jönsson angeführt:
“The data on incidence and mortality in this report demonstrate that more patients in Europe
are being diagnosed with cancer yet mortality rates are declining, meaning that more patients
are living longer with their disease.”8
6 Altersstandardisierte Inzidenz und Mortalität in Deutschland 1980 – 2004, Fälle pro 100.000, vgl. Robert
Koch Institut/Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister (Hrsg.), Krebs in Deutschland 2003 – 2004 Häufigkeiten und Trends6, Berlin, 2008, 20, gefunden unter http://www.rki.de/cln_162/nn_205770/DE/Content/GBE/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsB/KID2008,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/KID2008.pdf, 12.09.2009.
7 Vgl. Stefanie Günther, Der Allokationskonflikt, Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter Fokussierung auf die Onkologie, Dissertation aus Rechtswissenschaften, Salzburg, 2009, 212f.
8 Nils Wilking/Bengt Jönsson, A pan-European comparison regarding patient access to cancer drugs, Karolinska Institutet in collaboration with Stockholm School of Economics, Stockholm, 2005, 91, gefunden unter ki.se/content/1/c4/33/52/Cancer_Report.pdf., 12.09.2009.
2
Wilking und Jönsson berichten in einer anderen Publikation ebenfalls über signifikante
Verbesserungen in Bezug auf die Therapie von Tumorerkrankungen: “For the most common
cancers, like breast, prostate, colorectal and now also lung cancer, the outcome for patients
has significantly improved. These advances have come as a result of improvements in
diagnostic methods (meaning patients are identified earlier), the development of surgical
techniques and, to a great extent, through innovations in the medical treatment of the disease
in the form of drug therapies.”9
Auch eine zum Thema ‚Krebs in Deutschland‘ durchgeführte Untersuchung des Robert Koch
Instituts belegt, dass bei unterschiedlichsten Neoplasien (z.B. Magen, Gebärmutter, Darm) die
Sterblichkeit drastisch zurückgeht.10
Zahlreiche Tumorerkrankungen, die vor nicht allzu langer Zeit fast meist tödlich verliefen,
sind heute zum Großteil heilbar (z.B. Morbus Hodgkin, Hodenkrebs) oder wie auch Borer
verdeutlicht: „Krebs ist daran zu einer normalen chronischen Krankheit zu werden.“11
Höffken erläutert in Bezug auf die gesundheitspolitische Prioritätensetzung, dass insbesondere
bei Krebserkrankungen berücksichtigt werden muss, dass die Therapie in der Lage ist, ca. 5
Prozent mehr Heilungen in den letzten 10 Jahren zu erwirken, die Vorsorgeuntersuchungen in
der Lage sind, 10 Prozent mehr Erkrankungen in einem heilbaren Stadium zu diagnostizieren
und effiziente krankheitspräventive Maßnahmen in der Lage sind, 30 Prozent der
Tumorerkrankungen am Auftreten zu hindern.12
Eine approximative Gegenüberstellung der Heilungsraten diverser, nicht chirurgisch oder
strahlentherapeutisch eliminierbarer Neoplasien durch Chemotherapie für die Jahre 1969 und
1999 veranschaulicht die in den letzten Jahrzehnten erzielten Erfolge der Onkologie bzw.
Hämatologie.
9 Bengt Jönsson/Nils Wilking, A global comparison regarding patient access to cancer drugs, Annals of
Oncology, Volume 18, Supplement 3, Oxford University Press, Oxford,2007, iii2.10 Vgl. Robert Koch Institut/Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister (Hrsg.), Krebs in Deutschland
2003 – 2004 Häufigkeiten und Trends6, Berlin, 2008, 20, gefunden unter http://www.rki.de/cln_162/nn_205770/DE/Content/GBE/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsB/KID2008,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/KID2008.pdf, 12.09.2009.
11 Vgl. Lorenz Borer, Onkologie: Die Mittel richtig einsetzen, Managed care, 4, Rosenfluh Publikationen AG, Neuhausen, 2006, 37.
12 Vgl. Klaus Höffken, Gesundheitspolitische und -ökonomische Aspekte, Der Onkologe, Band 11, Nr. 3, Springer, Berlin/Heidelberg, 2005, 262f.
3
1969, Prozent 1999, Prozent
Morbus Hodgkin 10 80
Metastasierender
Hodentumor
0 70
Osteosarkom, Erwingsarkom <5 50
Hochmaligne Lymphome 5 40
Akute lymphatische
Leukämie
<5 40
Akute myeloische Leukämie <5 35
Ovarialkarzinom (> Stadium
2)
0 20
Kleinzelliges
Bronchialkarzinom
0 10
Tabelle 113
Auch gerade bei der Therapie krebskranker Kinder zeigten sich in den letzten Dezennien
große Fortschritte: „Vor 40 Jahren lag die Heilungswahrscheinlichkeit in der pädiatrischen
Onkologie noch bei 20 Prozent, heute liegt sie bei 75-80 Prozent.“14
Vor dem Hintergrund der genannten therapeutischen aber auch diagnostischen
Errungenschaften und Leistungen gilt es zu klären, ob der Vorwurf, dass die Onkologie
überproportional hohe Kosten beanspruche und in Folge tragende Mitschuld an der
Finanzierungs- und Allokationsproblematik im Gesundheitssystem habe, berechtigt ist.15
13 Approximative Heilungsraten nicht chirurgisch oder strahlentherapeutisch eliminierbarer Neoplasien durch
Chemotherapie in Prozent, Hermann Heimpel/Ulrich Kleeberg, Entwicklung der Hämatologie und internistischen Onkologie in den vergangenen 25 Jahren, Onkologie - International Journal for cancer research and treatment, 25, suppl. 1, Karger GmbH, Freiburg, 2002, 8.
14 Telefonat mit Prof. Gadner (Ärztlicher Direktor und Vorstand der Internen und Hämato-Onkologischen Abteilungen im St. Anna Kinderspital in Wien), geführt im Rahmen der Dissertation am 5.3.2009. (Vgl. Stefanie Günther, Der Allokationskonflikt, Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter Fokussierung auf die Onkologie, Dissertation aus Rechtswissenschaften, Salzburg, 2009, 237.).
15 Vgl. Stefanie Günther, Der Allokationskonflikt, Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter Fokussierung auf die Onkologie, Dissertation aus Rechtswissenschaften, Salzburg, 2009, 215. (Vgl. auch Stefanie Günther, Ursachen der Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter besonderer Berücksichtigung der Onkologie, Abschlussarbeit im Masterstudiengang Medizinethik, Salzburg/Mainz, 2009, 64.).
4
Gemäß Hartmann beliefen sich die Krankheitskosten in Deutschland im Jahr 2004 auf
insgesamt 224 Milliarden Euro, wobei für bösartige Neubildungen 15 Milliarden aufgewendet
wurden.16
Krankheitsklasse Ausgaben 2004
Mrd. Euro
Ausgaben 2002
Mrd. Euro
Anstieg
2002/2004 (%)
Kreislaufsystem 35,3 35,0 0,9
Verdauungssystem 33,3 31,5 5,7
Muskel-Skelett-
System/Bindegewebe
24,5 23,8 2,7
Psychische und
Verhaltensstörungen
22,8 21,5 5,9
Bösartige
Neubildungen
15,0 13,4 12,7
Endokrine, Ernäh-
rungs- und Stoff-
wechselkrankheiten
11,9 11,8 0,5
Atmungssystem 11,6 11,4 1,8
Unfälle 11,0 10,5 5,4
Krankheitskosten 224,9 219,0 2,7
Tabelle 2 17
Die Analyse von Hartmann et al., welche die Kosten der onkologischen Versorgung in
Deutschland untersuchten, veranschaulicht, dass die Ausgaben der Krebsmedizin zwar im
Vergleich der Jahre 2002 und 2004 anstiegen, allerdings in der Gesamtbetrachtung nur einen
verhältnismäßig kleinen Anteil ausmachen.
Auch zwei weitere Aufschlüsselungen der Krankheitskosten auf der einen Seite nach
ausgewählten Krankheitsklassen in Milliarden Euro für das Jahr 2002 und auf der anderen
16 Vgl. Michael Hartmann/Christin Gundermann, Ressourcenallokation im internationalen Vergleich, Der
Onkologe, Band 14, Nr.4, Springer, Berlin/Heidelberg, 2008, 669ff.).(Hartmann et al. verweisen auf Informationssystem der Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Krankheitskostenrechnung 2002, 2004.).
17 Verteilung der Krankheitskosten 2004 entsprechend der Krankheitsklasse, vgl. Michael Hartmann/Christin Gundermann, Ressourcenallokation im internationalen Vergleich, Der Onkologe, Band 14, Nr.4, Springer, Berlin/Heidelberg, 2008, 670. (Hartmann et al. verweisen auf Michael Hartmann/Roland Kath/Christin Gundermann, Oncological resource allocation in Germany, Onkologie, Vol.31, Nr. 3, Karger GmbH, Freiburg, 85-89.).
5
Seite nach Krankheitsklassen in Euro je Einwohner für die Jahre 2002 und 2004 im Vergleich
zeigen, dass die onkologischen Kosten nur einen relativ geringen Anteil an den
Gesamtausgaben haben.18
Krankheitskosten 2002 in Milliarden Euro nach ausgewählten Krankheitsklassen.
Abbildung 219
Kosten Krankheitsklassen in Euro je Einwohner 2002 ►2004
Abbildung 320
18 Vgl. Stefanie Günther, Ursachen der Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter besonderer
Berücksichtigung der Onkologie, Abschlussarbeit im Masterstudiengang Medizinethik, Salzburg/Mainz, 2009, 65f.
19 Krankheitskosten 2002 in Milliarden Euro nach ausgewählten Krankheitsklassen, Robert Koch Institut (Hrsg.), Gesundheit in Deutschland, Zusammenfassung, Berlin, 2006, 14. (Das Robert Koch Institut gibt als Quelle Statistisches Bundesamt 2004 an.).
20 Kosten Krankheitsklassen in Euro je Einwohner, 2002 und 2004, (Powerpointpräsentation) Johannes Bruns, Wichtige Änderungen im GKV-WSG für Krebspatienten, „Versorgung von Krebspatienten, Qualität quo vadis?“, Berlin, 2007, gefunden unter http://mlecture.uni-bremen.de/extern/lilly/lilly-onkologie-berlin-03-2007/slides/bruns-lilly-onkologie-berlin-03-2007.pdf, 20.09.09.
6
Ebenso verdeutlichen Wilking und Jönsson, dass die onkologischen Ausgaben auf der einen
Seite nur einen überraschend geringen Anteil an den Gesamtkosten haben, allerdings – auf der
anderen Seite – vielfach zum Opfer einer harten Kostendämpfungspolitik werden.21
“Cancer accounts for 5% of total health care costs in, for example, the United States and
Germany, and this share has been rather constant over a long time. (…) Although cancer
drugs account for a minor part, 10%–20%, of the total health care expenditures for cancer and
represent 3.5%–7% of the total drug costs, they are an easily identified target for cost-
containment policies.”22
Die angeführten statistischen Daten und Untersuchungen beweisen, dass Krebserkrankungen
bzw. die damit einhergehenden Forschungs- und Therapiekosten nicht pauschal und
unhinterfragt zum ‚Buhmann‘ im Sinne eines Kostentreibers gemacht werden können.
Nichtsdestoweniger ist klar, dass viele Therapien äußerst hochpreisig und aufwendig sind. Es
gilt deshalb den Einsatz innovativer onkologischer Arzneispezialitäten in einem sehr
ausgewogenen Verhältnis von Kosten und Nutzen bzw. Risiko, Sinnhaftigkeit und
Erfolgsaussicht zu diskutieren.23
21 Vgl. auch Stefanie Günther, Ursachen der Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter besonderer
Berücksichtigung der Onkologie, Abschlussarbeit im Masterstudiengang Medizinethik, Salzburg/Mainz, 2009, 66.
22 Bengt Jönsson/Nils Wilking, A global comparison regarding patient access to cancer drugs, Annals of Oncology, Volume 18, Supplement 3, Oxford University Press, Oxford, 2007, 3ff.
23 Vgl. auch Stefanie Günther, Ursachen der Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter besonderer Berücksichtigung der Onkologie, Abschlussarbeit im Masterstudiengang Medizinethik, Salzburg/Mainz, 2009, 67.
7
II. KOSTEN UND NUTZEN
Die moderne Tumortherapie befindet sich im Zentrum eines Spannungsfelds, das auf der
einen Seite durch einen Anstieg der Patientenzahlen und auf der anderen Seite durch die
Entwicklung innovativer Arzneien mit klar nachgewiesenem Überlebensvorteil
gekennzeichnet ist.24
Wie bereits zuvor erläutert wird der Onkologie häufig untergestellt, massive Kosten bei einem
im Vergleich dazu (zum Teil) nur marginalem Nutzen, wie etwa einen Lebenszeitgewinn von
nur wenigen Wochen, zu provozieren.25
Die folgende Kasuistik soll die Problemstellung konkret verdeutlichen:
„Mrs Jones, 48-year-old mother of two and president of the local teacher’s union, has
metastatic breast cancer that is refractory to standard treatment. Last year, it was reported
that patients whose cancers are positive for AGR mutation may respond to fungiceptin, a new
anti-AGR factor purified from a mushroom that grows in northern Sri Lanka. The AGR
mutation is rare, but Mrs. Jones’ tumor carries it. Treatment with fungiceptin conferred, on
average, a 4-month survival advantage over salvage chemotherapy. That period would be
long enough for Mrs Jones to see her oldest child graduate from high school. Unfortunately,
the Tamil Tiger insurgency in northern Sri Lanka makes it very difficult to obtain the
mushroom, and there is no synthetic form. Myco-Logics Pharmaceutical Corporation has
obtained a limited supply, but is charging $250,000 for a single course. Should Mrs Jones
receive the treatment? Should anyone receive the treatment? Who should decide? Using what
criteria?”26
Trotz der im Fallbeispiel erläuterten Problematik der Ambivalenz von Kosten und Nutzen,
muss – in der Gegenperspektive - auch dezidiert hervorgehoben werden, dass gerade in den
letzten Jahren bei zahlreichen bösartigen Erkrankungen, zum Beispiel durch die Entwicklung
von monoklonalen Antikörpern wie Trastuzamab (Herceptin®) bei bestimmten Formen des
Mammakarzinoms oder Rituximab (Mabthera®) bei gewissen Untertypen des Non-Hodgkin
24 Vgl. Ulrich Gatzemeier/Frank Griesinger/Rudolf M. Huber/Michael Thomas, Tumortherapie im
Spannungsfeld von Pharmaökonomie und Innovation, Onkologie - International Journal for cancer research and treatment, 30 (suppl 1), Karger GmbH, Freiburg, 2007, 11.
25 Vgl. Stefanie Günther, Der Allokationskonflikt, Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter Fokussierung auf die Onkologie, Dissertation aus Rechtswissenschaften, Salzburg, 2009, 218.
26 Daniel P. Sulmasy, Cancer Care, Money, and the Value of Life: Whose Justice? Which Rationality, Journal Of Clinical Oncology, volume 25, number 2, American Society of Clinical Oncology, 2007, 217.
8
Lymphoms, dramatische Verbesserungen in Bezug auf die Heilungsrate, die
Überlebenswahrscheinlichkeit oder die Restlebenszeit erzielt werden konnten.27
Der monoklonale Antikörper Herceptin® reduziert bei der Therapie von Frauen mit Her2/neu-
positivem Brustkrebs die Rezidivrate um 50 Prozent, die Todesrate um beachtliche 24
Prozent. Ein Jahr Therapie kostet etwa 35.000 Euro, wobei zwischen 20 und 25 Prozent aller
Mammakarzinompatientinnen zu der relevanten Patientenklientel zählen und somit von einer
Trastuzumab Behandlung profitieren könnten.28
Letztendlich beweist der Einsatz von Herceptin®, dass die hohen Kosten durch einen
korrespondierenden Nutzen für den kranken Patienten gerechtfertigt werden können.
Walter et al. argumentieren auf ähnliche Weise: „Unter ökonomischen Aspekten sollten die
knappen finanziellen Ressourcen im Gesundheitssystem jener Verwendung zugeführt werden,
in der sie den größten Nutzen stiften. Evaluierungen helfen Entscheidungsträgern,
konkurrierende Maßnahmen in ihrer Kostenstruktur und Wirtschaftlichkeit zu beurteilen.
Selbst wenn eine Maßnahme höhere Kosten verursacht, diese aber durch höheren Nutzen
überkompensiert werden, so ist diese zu bevorzugen.“29
Ergänzend angemerkt sei schließlich, dass Kosten und Nutzen moderner, hochpreisiger
Therapien nicht nur im individuellen Bereich, sondern immer auch im
gesamtgesellschaftlichen Kontext zu beurteilen sind. So betont zum Beispiel auch Szucs, dass
es in allen Gesundheitssystemen aufgrund der Knappheit der einzusetzenden Mittel einerseits
und der Unbeschränktheit der menschlichen Bedürfnisse andererseits darauf ankommen wird,
die für die Versorgung der Gesamtheit der Patienten zur Verfügung stehenden Ressourcen so
einzusetzen, dass der größte mögliche individuelle wie auch volkswirtschaftliche Nutzen
erreicht wird.30
Laut Schöffski muss klar sein, dass auch aus ökonomischer Perspektive medizinische
Maßnahmen, die zusätzliche Kosten generieren, sinnvoll sein können, da das
Gesundheitssystem nicht dazu da ist, Kosten zu sparen, sondern Ressourcen sinnvoll für die
27 Vgl. Stefanie Günther, Der Allokationskonflikt, Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter
Fokussierung auf die Onkologie, Dissertation aus Rechtswissenschaften, Salzburg, 2009, 218. 28 Vgl. Felix Stockenhuber, Unbezahlbare Gesundheit, Krebs:hilfe!, 05/05, Medizin Medien Austria GmbH,
Wien, 2005, gefunden unter http://www.medical-tribune.at/dynasite.cfm?dssid=4171&dsmid=70046&dspaid=540420, 18.09.2009.
29 Evelyn Walter/Annamarija Batista, Medikamentenkosten im Bereich Onkologie im Gesundheitsökonomischen Kontext, Wiener Medizinische Wochenschrift, volume 158, numbers 7-8, Springer, Wien, 2008, 232f.
30 Vgl. Thomas D. Szucs, Medizinische Ökonomie in der Onkologie, Der Onkologe, Band 11, Nr. 2, Springer Medizin Verlag, Berlin/Heidelberg, 2005, 139. (Für weitere Informationen vgl. auch Stefanie Günther, Der Allokationskonflikt, Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter Fokussierung auf die Onkologie, Dissertation aus Rechtswissenschaften, Salzburg, 2009, 221.).
9
Gesundheit einzusetzen. Vor diesem Hintergrund können auch steigende
Gesundheitsausgaben für eine Volkswirtschaft durchaus sinnvoll sein, wenn diese Mittel
effizient eingesetzt werden.31
In diesem Zusammenhang kann sich eine äußerst kostspielige Therapiemethode zum Beispiel
als langfristig preiswerter erweisen, als eine günstigere Behandlungsweise, die jahrzehntelang
beibehalten werden muss.32
Wilking und Jönsson zeigen überdies auf, dass die onkologischen Ausgaben signifikant
niedriger als die mit Krebs verbundene volkswirtschaftliche Krankheitslast sind.
„Cancer accounted for 16.7% of all healthy years lost in EU-25 in 2002 and 12.5% of all
healthy years lost in the United States and Canada. Cancer is second or third in terms of
disease burden in most countries. However, the share of health care expenditure allocated to
cancer is significantly lower than the share of the burden of the disease.”33
In Anbetracht der problematisierten Aspekte wird deutlich, dass aufgrund der mittels
hochwirksamer Arzneien erwirkten Zunahme der Heilungsraten, der Überlebenswahrschein-
lichkeit und letztlich auch der Lebensqualität volkswirtschaftlich ein relevanter Nutzen erzielt
wird, da durch die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einem – für den Staatsetat
verheerenden – Produktivitätsverlust entgegengewirkt werden kann und das staatliche System
somit trotz hoher Investitionen langfristig finanziell weniger belastet wird.34
31 Vgl. Oliver Schöffski, Ökonomische Evaluation in der Onkologie, Medizinische Klinik, Supplement 1, 95.
Jahrgang, Urban und Vogel GmbH, München, 2000, 16. 32 Vgl. Lorenz Borer, Onkologie: Die Mittel richtig einsetzen, Managed care, 4, Rosenfluh Publikationen AG,
Neuhausen, 2006, 38. (Lorenz Borer bezieht sich auf von Jürg Nadig im Rahmen der Luzerner Trendtage Gesundheit getätigte Äußerungen.).
33 Bengt Jönsson/Nils Wilking, A global comparison regarding patient access to cancer drugs, Annals of Oncology, Volume 18, Supplement 3, Oxford University Press, Oxford,2007, iii3.
34 Vgl. Stefanie Günther, Ursachen der Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter besonderer Berücksichtigung der Onkologie, Abschlussarbeit im Masterstudiengang Medizinethik, Salzburg/Mainz, 2009, 69.
10
III. ALLOKATION UND ONKOLOGIE
1. Einführung
Gemäß Hartmann et al. kommt der Onkologie aus medizinischer, ökonomischer und
gesellschaftlicher Perspektive ein äußerst hoher Stellenwert zu.35
Ähnlich argumentiert auch beispielsweise Fricke, indem er erklärt, dass onkologischen
Erkrankungen aus medizinischer, ökonomischer, individueller und gesellschaftlicher
Perspektive hohe Bedeutung beizumessen ist, da sie mit erheblichen Lasten für Patienten,
Angehörige, für Leistungserbringer und das Sozialsystem verbunden sind.36
„Aufgrund ebendieser psychischen, physischen und auch finanziellen Bedeutsamkeit der
Onkologie ist nicht zuletzt aus ethischer Sicht eine faire und nachvollziehbare Verteilung der
onkologischen Ressourcen unerlässlich.“37
Hartmann et al. führen weiter aus, dass sich die Onkologie traditionell bis heute fast nur auf
die Frage, ob eine Behandlung eine Remission erzeugt oder eine Lebensverlängerung bzw.
Lebensqualitätsverbesserung bei tolerabler Toxizität herbeiführt, konzentriert hat. Dies wird
jedoch in den nächsten Jahren nicht mehr ausreichen, da sich die Gesellschaft künftig fragen
muss, ob die durch Tumortherapien erzielten Lebensverlängerungen die verbrauchten
Ressourcen wert sind, da sie für andere Zwecke (Stichwort: Opportunitätskosten) nicht mehr
zu Verfügung stehen.38
In diesem Zusammenhang soll eine Aufschlüsselung39 der Ressourcenallokation am Beispiel
von Darmkrebserkrankungen zur Veranschaulichung der Problematik der Prioritätensetzung
im Gesundheitssystem und im Speziellen im Bereich der Onkologie dienen.40
35 Vgl. Michael Hartmann, Roland Kath, Klaus Höffken, Paradigmenwechsel: Von der egalitären zur
utilitaristischen Onkologie, in Michael Hartmann/Roland Kath/Thomas D. Szucs (Hrsg.), Gesundheitsökonomie in der Hämatologie und Onkologie, Urban und Vogel, München, 2001, 9f.
36 Vgl. Frank Ulrich Fricke, Perspektiven der Gesundheitsökonomie in der Onkologie: Die Sicht der pharmazeutischen Industrie, Der Onkologe, Band 5, Nr.7, Springer, Berlin/Heidelberg, 1999, 613.
37 Stefanie Günther, Der Allokationskonflikt, Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter Fokussierung auf die Onkologie, Dissertation aus Rechtswissenschaften, Salzburg, 2009, 222.
38 Vgl. Michael Hartmann, Roland Kath, Klaus Höffken, Paradigmenwechsel: Von der egalitären zur utilitaristischen Onkologie, in Michael Hartmann/Roland Kath/Thomas D. Szucs (Hrsg.), Gesundheitsökonomie in der Hämatologie und Onkologie, Urban und Vogel, München, 2001, 13.
39 Die Darstellung erfolgt in Anlehnung an die 4 Allokationsebenen. (Vgl. hierzu z.B. Tristam Engelhardt Jr., Zielkonflikte in nationalen Gesundheitssystemen, in Hans Martin Sass, (Hrsg.), Ethik und öffentliches Gesundheitswesen, Springer, Berlin/Heidelberg, 1988, 41f. Vgl. auch H. Tristam Engelhardt Jr, The Foundations of Bioethics, Oxford University Press, New York, 1986, 344ff.).
40 Vgl. Stefanie Günther, Der Allokationskonflikt, Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter Fokussierung auf die Onkologie, Dissertation aus Rechtswissenschaften, Salzburg, 2009, 223.
11
Allokation medizinischer und finanzieller Ressourcen bei Darmkrebs
Abbildung 441
Die Darstellung verdeutlicht die Problemstellungen im Zuge der Prioritätensetzung bzw.
Allokation knapper medizinischer und finanzieller Ressourcen sehr anschaulich.
Die Ver- und Zuteilung von Gesundheitsleistungen wird in unserer Gesellschaft (zum status
quo) im Wesentlichen nach egalitären Prämissen vorgenommen. Es gibt aber ebenfalls unter
den egalitären Prinzipien verschiedene Möglichkeiten, mit den begrenzten Ressourcen
sozialadäquat umzugehen.42
Feuerstein differenziert in diesem Kontext43:
1. Die Gleichverteilung der zur Verfügung stehenden Ressourcen
Dies bedeutet, dass alle Bürger von dem zu verteilenden Gut genau gleich viel erhalten,
auch wenn es letztendlich dadurch für keinen bedarfsdeckend ist.
2. Die Temporalisierung der Bedarfsdeckung
41 Eigene Darstellung, 18.12.2008. (Vgl. Stefanie Günther, Der Allokationskonflikt, Ressourcenknappheit im
Gesundheitswesen unter Fokussierung auf die Onkologie, Dissertation aus Rechtswissenschaften, Salzburg, 2009, 223.).
42 Vgl. Michael Hartmann, Roland Kath, Klaus Höffken, Paradigmenwechsel: Von der egalitären zur utilitaristischen Onkologie, in Michael Hartmann/Roland Kath/Thomas D. Szucs (Hrsg.), Gesundheitsökonomie in der Hämatologie und Onkologie, Urban und Vogel, München, 2001, 12. (Hartmann et al. beziehen sich auf Günter Feuerstein, Symbolische Gerechtigkeit. Zur verfahrenstechnischen Ausblendung von Wertkonflikten in der Mikroallokation medizinischer Behandlungsressourcen, in Günter Feuerstein/Ellen Kuhlmann (Hrsg.), Rationierung im Gesundheitswesen, Ullstein Medical, Wiesbaden, 1998, 197ff.).
43 Vgl. Günter Feuerstein, Symbolische Gerechtigkeit. Zur verfahrenstechnischen Ausblendung von Wertkonflikten in der Mikroallokation medizinischer Behandlungsressourcen, in Günter Feuerstein/Ellen Kuhlmann (Hrsg.), Rationierung im Gesundheitswesen, Ullstein Medical, Wiesbaden, 1998, 197f.).
12
Dies bedeutet, dass alle zwar grundsätzlich das erhalten, was sie tatsächlich benötigen,
jedoch nicht sofort, sondern in Abhängigkeit von der zeitlichen Verfügbarkeit der
Ressourcen und in der Reihenfolge der Bedürftigkeit.
3. Der generelle Verzicht auf die Deckung des Bedarfs
Dies bedeutet, dass etwas, das nicht für alle reicht, letztlich niemand erhalten soll.44
Gemäß Dörries ist diese Einteilung auf die Medizin und speziell auf die Tumortherapie nur
sehr bedingt übertragbar. „Eine gleichartige, aber ungenügende Krebstherapie ist medizinisch
sinnlos. Eine Warteliste bei Temporalisierung der individuellen Bedarfsdeckung ist für das
Akutstadium einer Tumorerkrankung lebensbedrohlich. Der generelle Verzicht aufgrund
hoher Kosten bedingt einen vorzeitigen Tod der Patienten.“45
In Anbetracht der bei der Ressourcenallokation in der Onkologie auftretenden spezifischen
Schwierigkeiten wird klar, dass es einer sensiblen Untersuchung und Klärung der Thematik
anhand exemplarischer Konfliktbereiche bedarf.
2. Ärztliche Aufklärung und Kosten
Die Mittelknappheit führt im Rahmen der ärztlichen Tätigkeit zu medizinischen,
ökonomischen, juristischen und ethischen Problemen, welche sich in den kommenden Jahren
immer weiter zuspitzen werden.46
Zur Eruierung des aktuellen ärztlichen Umgangs mit der Ressourcenknappheit in der
klinischen Versorgung wurden von Strech et al. im Zuge einer qualitativen Interviewstudie an
fünf deutschen Kliniken mit unterschiedlichem Versorgungsauftrag Tiefeninterviews mit
fünfzehn leitenden Ärzten (Bereiche Intensivmedizin/Kardiologie) geführt.47
Laut Strech et al. berichten die Ärzte ein heterogenes Spektrum von Einflussfaktoren,
Konsequenzen und Reaktionen im Zusammenhang mit ihrem Handeln bei Mittelknappheit.
Zuteilungskriterien wie medizinischer Nutzen oder auch Kosteneffektivität werden von den
44 Günter Feuerstein, Symbolische Gerechtigkeit. Zur verfahrenstechnischen Ausblendung von Wertkonflikten
in der Mikroallokation medizinischer Behandlungsressourcen, in Günter Feuerstein/Ellen Kuhlmann (Hrsg.), Rationierung im Gesundheitswesen, Ullstein Medical, Wiesbaden, 1998, 197f.
45 Andrea Dörries, Perspektiven der Gesundheitsökonomie in der Onkologie. Ethische Betrachtungsweise, Der Onkologe, Band 5, Nr. 7, Springer, Berlin/Heidelberg, 1999, 625. (Vgl. auch Michael Hartmann, Roland Kath, Klaus Höffken, Paradigmenwechsel: Von der egalitären zur utilitaristischen Onkologie, in Michael Hartmann/Roland Kath/Thomas D. Szucs (Hrsg.), Gesundheitsökonomie in der Hämatologie und Onkologie, Urban und Vogel, München, 2001, 12f.).
46 Vgl. Daniel Strech/Kirstin Börchers/Daniela Freyer/Anja Neumann/Jürgen Wasem/Georg Marckmann, Ärztliches Handeln bei Mittelknappheit. Ergebnisse einer qualitativen Interviewstudie, Zusammenfassung, Ethik in der Medizin, Band 20, Nr. 2, Springer Medizin Verlag GmbH, Berlin/Heidelberg, 2008, 97.
47 Vgl. Daniel Strech/Kirstin Börchers/Daniela Freyer/Anja Neumann/Jürgen Wasem/Georg Marckmann, Ärztliches Handeln bei Mittelknappheit. Ergebnisse einer qualitativen Interviewstudie, Zusammenfassung, Ethik in der Medizin, Band 20, Nr. 2, Springer Medizin Verlag GmbH, Berlin/Heidelberg, 2008, 97.
13
befragten Medizinern sehr differenziert interpretiert und führen in Folge gegebenenfalls zu
inkonsistenten Allokationsentscheidungen.48
Strech et al. erläutern außerdem, dass sich die befragten Ärzte offenbar nicht nur bei
klinischen Entscheidungen, sondern auch bei der Allokation knapper Ressourcen vor allem an
den Besonderheiten des Einzelfalls orientieren. Dies scheint einerseits (aus ethischer
Perspektive) vorteilhaft, da die Allokationsentscheidungen die medizinische Bedürftigkeit des
einzelnen Patienten und den individuell zu erwartenden Nutzen berücksichtigen, birgt aber
andererseits die Gefahr, dass knappe medizinische Mittel nach inkonsistenten und
möglicherweise ethisch schlecht begründbaren Kriterien verteilt werden.49
Weiter demonstrieren die Ergebnisse der Interviewstudie, dass bei den Verteilungs-
entscheidungen offensichtlich auch nicht patientenbezogene Kriterien, wie zum Beispiel die
finanzielle Gesamtsituation der Klinik oder auch der Konkurrenzdruck eine wesentliche Rolle
bei knappheitsbedingten Zuteilungsentscheidungen spielen.50
Angemerkt sei schließlich, dass die Untersuchungen auch bestätigen, dass die Ärzte
keineswegs leichtfertig mit den Allokationsentscheidungen umgehen. Für die Mediziner
können die Mittelknappheit und die daraus resultierenden Verteilungsprobleme zu
Gewissenskonflikten, emotionalem Stress und Gefühlen der Überforderung führen.51
Obwohl sich die eben zitierte Untersuchung nur auf die Fachgebiete Intensivmedizin und
Kardiologie bezieht, können die Ergebnisse zweifelsohne auch als Richtschnur für den
kostenintensiven Bereich der Onkologie herangezogen werden.
Vor allem in sehr kostenintensiven medizinischen Fachbereichen, wie dem der Onkologie
befinden sich Ärzte in einem Spannungsfeld zwischen der Verpflichtung zur Wahrnehmung
der individuellen Interessen des Patienten und gesellschaftlichen Forderungen. Der Arzt steht
gewissermaßen vor der schwierigen Aufgabe, nicht nur das Wohl des Einzelnen sondern auch
die Interessen der gesamten Gesellschaft zu wahren und auf diese Weise die Ressourcen
gerecht zu distribuieren. Feststeht in diesem Kontext, dass sich der Mediziner vor diesem
48 Vgl. Daniel Strech/Kirstin Börchers/Daniela Freyer/Anja Neumann/Jürgen Wasem/Georg Marckmann,
Ärztliches Handeln bei Mittelknappheit. Ergebnisse einer qualitativen Interviewstudie, Zusammenfassung, Ethik in der Medizin, Band 20, Nr. 2, Springer Medizin Verlag GmbH, Berlin/Heidelberg, 2008, 97.
49 Vgl. Daniel Strech/Kirstin Börchers/Daniela Freyer/Anja Neumann/Jürgen Wasem/Georg Marckmann, Ärztliches Handeln bei Mittelknappheit. Ergebnisse einer qualitativen Interviewstudie, Ethik in der Medizin, Band 20, Nr. 2, Springer Medizin Verlag GmbH, Berlin/Heidelberg, 2008, 107.
50 Vgl. Daniel Strech/Kirstin Börchers/Daniela Freyer/Anja Neumann/Jürgen Wasem/Georg Marckmann, Ärztliches Handeln bei Mittelknappheit. Ergebnisse einer qualitativen Interviewstudie, Ethik in der Medizin, Band 20, Nr. 2, Springer Medizin Verlag GmbH, Berlin/Heidelberg, 2008, 107.
51 Vgl. Daniel Strech/Kirstin Börchers/Daniela Freyer/Anja Neumann/Jürgen Wasem/Georg Marckmann, Ärztliches Handeln bei Mittelknappheit. Ergebnisse einer qualitativen Interviewstudie, Zusammenfassung, Ethik in der Medizin, Band 20, Nr. 2, Springer Medizin Verlag GmbH, Berlin/Heidelberg, 2008, 97.
14
Hintergrund mit dem Problem konfrontiert sieht, auf der einen Seite dem Kranken die beste,
medizinisch indizierte Therapie zu ermöglichen und auf der anderen Seite im Sinne
restriktiver, finanzieller Bedingungen zu handeln.52
Ein Fallbeispiel soll die Tragweite des Spannungsfeldes zwischen medizinisch sinnvoller
Therapie, Nutzen, Indikationsstellung und Kostenaspekten verdeutlichen:
Eine 76 Jahre alte Frau mit Lebermetastasen eines Kolonkarzinoms wurde über 18 Monate
lang mit Zytostatika behandelt. Trotz einer anfänglichen Tumorreduktion und sinkenden
Tumormarkern, wurden nach kurzer Zeit in bildgebenden Verfahren wieder Vergrößerungen
der Metastasen entdeckt.
Die Patientin und deren Tochter verlangten die sofortige Fortsetzung der zytostatischen
Therapie. Der behandelnde Mediziner empfahl jedoch, die Chemotherapie abzubrechen, da
diese auf der einen Seite keinen medizinischen Nutzen mehr brächte bzw. aufgrund möglicher
Nebenwirkungen negative Folgen zu erwarten seien und auf der anderen Seite für die
Krankenkasse unnötige Kosten entstünden. Der Arzt riet zu einer rein palliativen Betreuung
ohne Chemotherapie.
Die Patientin und deren Tochter waren mit diesem Ansinnen erst nicht einverstanden und
bestanden auf eine Fortführung der zytostatischen Tumortherapie. Nach mehrmaligen
Disputen zwischen dem behandelnden Arzt, der Patientin, deren Tochter und der betreuenden
Krankenschwester wurden Pro und Contra der Möglichkeiten abgewogen, wobei die
Patientin ihre Hoffnungen in eine neuerliche Chemotherapie und die große Angst vor dem
sonst bevorstehenden Tod äußerte.
Nach einer weiteren Verschlechterung der Werte und der CT-Befunde stimmte die Patientin
einer palliativen Behandlung zu, wobei die Kostenfrage nicht mehr weiter thematisiert
wurde.53
Die Krankengeschichte zeigt ein moralisches bzw. ethisches Dilemma im Rahmen einer
Tumortherapie dar, da die Kosten der onkologischen Behandlung andiskutiert wurden und
eine Rolle bei den Überlegungen spielten.54
52 Vgl. Stefanie Günther, Der Allokationskonflikt, Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter
Fokussierung auf die Onkologie, Dissertation aus Rechtswissenschaften, Salzburg, 2009, 226. 53 Vgl. Andrea Dörries, Perspektiven der Gesundheitsökonomie in der Onkologie. Ethische Betrachtungsweise,
Der Onkologe, Band 5, Nr.7, Springer, Berlin/Heidelberg, 1999, 623f. (Andrea Dörries adaptierte die Geschichte nach Thomas J. Smith/Joann N. Bodurtha, Ethical considerations in oncology: balancing the interests of patients, oncologists and society, Journal of Clinical Oncology, vol. 13, no. 9, 1995, 2464-2470).
54 Vgl. Stefanie Günther, Rechtsphilosophie und Onkologie, Grundlagenprobleme, VDM Verlag Dr. Müller, Saarbrücken, 2008, 69.
15
Obwohl bei der endgültigen Zustimmung zu Palliativtherapie ökonomische Argumentationen
nicht mehr entscheidungsrelevant waren, stellen sich dennoch einige zentrale Fragen:
● Hätte der Mediziner vor dem Hintergrund der Wahrung der Patientenautonomie die
Chemotherapie fortsetzen oder der Patientin die Überweisung zu einem anderen Arzt bzw.
in eine andere Klinik anbieten müssen?55
● Dürfen Kostenüberlegungen in solch schwerwiegende, dramatische und lebensverändernde
Entscheidungen überhaupt miteinbezogen werden?56
Bei detaillierterem Überdenken der Problematik stellen sich weitere Fragen:
● Soll ein teures Medikament mit geringeren Nebenwirkungen oder eine kostengünstigere
Arznei mit schweren Nebenwirkungen angewendet werden?57
● Sollen ökonomische Abwägungen und Kostenaspekte diverser Therapien expliziter bzw.
verpflichtender Teil eines Aufklärungsgesprächs werden oder ist dies ethisch nicht
vertretbar?58
Die Problematik der Diskussion onkologischer Therapiekosten mit Patienten bzw. in concreto
deren Problematisierung im Aufklärungsgespräch zeigt sich beispielsweise in den USA59 sehr
deutlich. Millionen Amerikaner sind nicht versichert oder unterversichert und haben somit
größte Schwierigkeiten, finanziell erschwinglichen Zugang zur modernen
Gesundheitsversorgung zu erhalten, ohne in den finanziellen Ruin zu geraten.60
Smith und Bodhurta beschrieben in ähnlichem Zusammenhang bereits im Jahre 1995:
“Implicit or de facto empiric exclusions happen every day: the uninsured patient does not get
a transplantation for chronic myelogenous leukemia; the young women with breast cancer is
prohibited from participating on the national clinical trial of high dose chemotherapy breast
cancer because her insurer does not allow it; (…).”61
55 Vgl. Andrea Dörries, Perspektiven der Gesundheitsökonomie in der Onkologie. Ethische Betrachtungsweise,
Der Onkologe, Band 5, Nr. 7, Springer, Berlin/Heidelberg, 1999, 624. 56 Vgl. Andrea Dörries, Perspektiven der Gesundheitsökonomie in der Onkologie. Ethische Betrachtungsweise,
Der Onkologe, Band 5, Nr. 7, Springer, Berlin/Heidelberg, 1999, 624. (Vgl. auch Stefanie Günther, Rechtsphilosophie und Onkologie, Grundlagenprobleme, VDM Verlag Dr. Müller, Saarbrücken, 2008, 69.).
57 Vgl. Andrea Dörries, Perspektiven der Gesundheitsökonomie in der Onkologie. Ethische Betrachtungsweise, Der Onkologe, Springer, Berlin/Heidelberg, 1999, 624.
58 Vgl. auch Stefanie Günther, Rechtsphilosophie und Onkologie, Grundlagenprobleme, VDM Verlag Dr. Müller, Saarbrücken, 2008, 69.
59 Es muss in diesem Kontext hinzugefügt werden, dass in den USA Millionen Menschen nicht versichert (Stichwort: Versicherung durch Arbeitgeber) oder unterversichert sind und in den Versicherungspolicen teilweise sehr hohe Selbstbehalte und Zuzahlungen aus eigener Kraft festgelegt sind.
60 Vgl. Stefanie Günther, Der Allokationskonflikt, Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter Fokussierung auf die Onkologie, Dissertation aus Rechtswissenschaften, Salzburg, 2009, 228.
61 Thomas J. Smith/Joann N. Bodhurta, Ethical Considerations in Oncology: Balancing the Interests of Patients, Oncologists, and Society, Journal Of Clinical Oncology, volume 13, number 9, American Society of Clinical Oncology, September 1995, 2465.
16
Vor allem für amerikanische Krebspatienten treten, wie Kim besonders detailliert erläutert, zu
den Ängsten und der existenziellen Bedrohung durch die Tumorerkrankung an sich, häufig
auch massive finanzielle Sorgen hinzu, die zum wirtschaftlichen Bankrott des Betroffenen
und dessen Familie führen können. Neben zahlreichen direkten Kosten wie zum Beispiel
finanzielle Beteiligungen an den Medikamentenausgaben, Spitalsaufenthalte, Operationen
oder diagnostische Verfahren, ist der Kranke oftmals auch mit verschiedensten indirekten
Kosten wie Transportausgaben, langen Anfahrtswegen oder Aufwendungen für
Kinderbetreuung während der Chemotherapiezyklen konfrontiert. Zusätzlich kommt zu einer
Krebserkrankung – als weitere indirekte Belastung – nicht selten der Verlust der Produktivität
und der Verlust des Arbeitsplatzes bzw. die Reduktion der Arbeitszeit hinzu, was nicht zuletzt
weitere finanziellen Bürden mit sich bringt.62
Konfrontiert mit einer akuten Todesangst sind die meisten Krebspatienten erst motiviert und
gewillt, alles zur Verbesserung ihrer Chancen zu tun.63 Erst nach detaillierterer Information
oder nach dem tatsächlichen Therapiebeginn kommen häufig grundlegende pekuniäre
Schwierigkeiten hinzu, oder wie Kim veranschaulicht: „Patients often gain a growing
awareness of the costs of cancer care as their bills begin to accumulate“64.
Kim erläutert weiter: „Increasing awareness of the financial component of cancer care
sometimes prompts patients to begin to consider the treatment they receive more carefully,
balancing the potential benefits with both medical risks and financial costs.”65
Feststeht, dass zwar die meisten Kranken versuchen, die Therapie irgendwie zu finanzieren
und fortzusetzen, jedoch eine kleinere Menge an Patienten die Behandlung aus Kosten-
gründen unterlässt, abbricht oder abbrechen muss. Vor diesem Hintergrund wird klar, dass
gerade die Mediziner bei der Diskussion von Therapiekosten bzw. beim Ansprechen der
pekuniären Komponente in einem Aufklärungsgespräch vor massiven ethischen und
moralischen Problemsituationen stehen.66
62 Vgl. Paula Kim, Cost of Cancer Care: The Patient Perspective, Journal Of Clinical Oncology, volume 25,
number 2, American Society of Clinical Oncology, 2007, 228ff. 63 Vgl. Paula Kim, Cost of Cancer Care: The Patient Perspective, Journal Of Clinical Oncology, volume 25,
number 2, American Society of Clinical Oncology, 2007, 230. 64 Paula Kim, Cost of Cancer Care: The Patient Perspective, Journal Of Clinical Oncology, volume 25, number
2, American Society of Clinical Oncology, 2007, 230. 65 Paula Kim, Cost of Cancer Care: The Patient Perspective, Journal Of Clinical Oncology, volume 25, number
2, American Society of Clinical Oncology, 2007, 230. 66 Vgl. Paula Kim, Cost of Cancer Care: The Patient Perspective, Journal Of Clinical Oncology, volume 25,
number 2, American Society of Clinical Oncology, 2007, 230. (Vgl. auch Stefanie Günther, Der Allokationskonflikt, Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter Fokussierung auf die Onkologie, Dissertation aus Rechtswissenschaften, Salzburg, 2009, 229.).
17
„Many people, including physicians, are uncomfortable broaching the subject of finances with
patients; it seems inappropriate to discuss a subject as material as money when a person’s life
is in question.”67
Auch eine Erhebung von Schrag und Hanger zum Verhalten von Onkologen (Mitglieder der
American Society of Clinical Oncology) in Bezug auf Kostenaspekte von Therapien bzw.
deren Kommunikation und Diskussion mit Krebskranken präsentiert ähnliche Ergebnisse.68
„Of 530 mailed surveys, 167 were returned for an overall response rate of 31,5%. Most
oncologists reported knowledge of their patients’ financial well-being: 15% all of the time,
39% most of the time, 33% some of the time, and 13% rarely/none of the time. There was
substantial variation in oncologists’ attitude towards discussing chemotherapy costs with
patients: 42% did so always or most of the time, 32% sometimes did, and 26% rarely or never
did. Most oncologists (80%) felt it was important to be explicit about the impact of treatment
choices on patients’ finances. However, 20% maintained that costs play no role in clinical
encounters, and 31% reported a high degree of discomfort in discussing costs with patients.
Referral to support staff for these discussions was common. Only a few oncologists (16%)
acknowledged omitting treatment options on the basis of their perceptions of patients’ ability
to afford treatment.”69
Die von Schrag und Hanger durchgeführte Erhebung zeigt eine klare Heterogenität der
Einstellungen und Ansichten der Onkologen im Hinblick auf die Diskussion von
Kostenfaktoren bzw. Therapiefinanzierung mit Patienten und lässt die ethischen und
psychischen Schwierigkeiten, die mit solchen Anforderungen an Ärzte einhergehen, erahnen.
Obwohl die Diskussion mit dem Patienten über finanzielle Aspekte seiner Therapie sicherlich
zu einem Bewusstmachen der eingesetzten knappen Ressourcen beitragen könnte, die
Transparenz gefördert wäre und eventuell – angesichts der hohen Ausgaben für die
Behandlung – auch die ‚compliance‘ des Kranken gesteigert werden würde, könnten durch
die Erörterung der Kosten auch Unsicherheiten und ein Vertrauensverlust zwischen Arzt und
Patient geschürt werden. So würde sich der Krebskranke möglicherweise die Fragen stellen,
ob er wirklich aufgrund medizinisch indizierter Ursachen oder gar aus Kostengründen keine
67 Paula Kim, Cost of Cancer Care: The Patient Perspective, Abstract, Journal Of Clinical Oncology, volume
25, number 2, American Society of Clinical Oncology, 2007, 230. 68 Vgl. Deborah Schrag/Morgan Hanger Medical Oncologists’ Views on Communicating With Patients About
Chemotherapy Costs: A Pilot Survey, Abstract, Journal Of Clinical Oncology, volume 25, number 2, American Society of Clinical Oncology, January 2007, 233.
69 Deborah Schrag/Morgan Hanger Medical Oncologists’ Views on Communicating With Patients About Chemotherapy Costs: A Pilot Survey, Abstract, Journal Of Clinical Oncology, volume 25, number 2, American Society of Clinical Oncology, January 2007, 233.
18
weitere Chemotherapie mehr erhält, ob aus budgetären Gründen eine billigere Maßnahme
eingeleitet wird, oder ob ihm vielleicht ein jüngerer, für die Gesellschaft noch produktiverer
Mitbürger, angesichts der doch hohen Kosten vorgezogen wird. 70
Unbestritten scheint, dass ein Behandlungsabbruch bzw. eine Therapiebegrenzung zum
jetzigen Zeitpunkt in Deutschland nur aufgrund medizinisch indizierter Kriterien oder auf
ausdrücklichen Wunsch des Kranken, jedoch kaum aber aus Kostengründen ethisch
akzeptabel wäre.
Bereits heute, und auch künftig hat ein effizientes Ausschöpfen der vorhandenen Ressourcen
und ein sinnvoller und bewusster Mitteleinsatz, sei es durch suffiziente Diagnostik, Therapie
oder auch durch Vernetzung, als ethische und ökonomische Verpflichtung für Ärzte zu gelten.
Es ist allerdings auch die Gesellschaft, die den Zugang zu effektiven, aber kostspieligen
Therapien und Verfahren begrenzen muss. Die Lösung dieses Konflikts kann gemäß Weiss et
al. nicht der Ärzteschaft alleine zu Aufgabe gemacht werden, sie kann nur über einen
allgemeinen gesamtgesellschaftlichen Konsens, der die Verteilungsprinzipien transparent
macht und dezidiert festlegt, erwirkt werden.71
Dörries plädiert für eine Diskussion des ökonomischen Konfliktpotenzials auf den oberen
gesundheitspolitischen Ebenen, da es nicht im Sinne einer vertrauensvollen Arzt-Patienten-
Beziehung wäre, finanzielle Aspekte der Therapie mit einem Schwerkranken zu
thematisieren.72
Auch für Reiter-Theil et al. bedarf es dringend einer raschen Klärung der finanziellen und
organisatorischen Rahmenbedingungen, unter denen in Zukunft Onkologie betrieben wird.
Vor diesem Hintergrund sind außerdem ein klares Bekenntnis der verantwortlichen Politiker
und Kassenvertreter zu den Grenzen der finanziellen Möglichkeiten und ein gesellschaftlicher
Konsens darüber, wie damit umgegangen werden soll, unerlässlich. Es kann und darf nicht
zur alleinigen Aufgabe der Mediziner gemacht werden, den ihnen anvertrauten
Krebspatienten erst zu schildern, wie sie optimal behandelt werden könnten, ihnen dann aber
sogleich erklären zu müssen, dass dies aus finanziellen Gründen leider nicht möglich sei.73
70 Vgl. Stefanie Günther, Der Allokationskonflikt, Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter
Fokussierung auf die Onkologie, Dissertation aus Rechtswissenschaften, Salzburg, 2009, 230. 71 Vgl. Ernst Weiss/Dietz Lange/Wolfgang Hiddemann, Ethische Brennpunkte in der Onkologie, Der
Onkologe, Band 9, Nr. 2, Springer, Berlin/Heidelberg, 2003, 126. (Vgl. weiter Frank Praetorius/Stephan Sahm, Ethische Aspekte der Regularisierung ärztlichen Handelns, Ethik in der Medizin, Band 13, Springer, Berlin/Heidelberg, 2001, 221-242.).
72 Vgl. Andrea Dörries, Perspektiven der Gesundheitsökonomie in der Onkologie. Ethische Betrachtungsweise, Der Onkologe, Band 5, Nr.7, Springer, Berlin/Heidelberg, 1999, 627.
73 Vgl. Stella Reiter-Theil/Wolfgang Hiddemann/Klaus Höffken, Editorial: Wo steht die „Ethik in der Onkologie“ heute?, Der Onkologe, Band 9, Nr. 2, Springer, Berlin/Heidelberg, 2003, 114.
19
3. Zugang zu Innovationen
Zwischen der Geschwindigkeit bzw. dem Ausmaß, in dem innovative Tumormedikamente auf
den Markt gelangen, einerseits und der Überlebenszeit bei diversen Tumorerkrankungen
andererseits besteht ein bedeutungsvoller Zusammenhang.
“Therefore, with the importance of new drug therapies in the battle against cancer, it is clearly
in the best interests of cancer patients that innovative drug therapies are made available as
soon as possible after market authorisation. Reduced or delayed access to cancer drugs has a
very real impact on patient survival.”74
Konklusionen des Karolinska Reports zum Zugang von Patienten zu Krebsmedikamenten im
europäischen Vergleich, präsentieren eine klare Ungleichheit hinsichtlich der Verfügbarkeit
von Tumortherapeutika in europäischen Ländern.
„This report has highlighted that patients across Europe do not have equitable access to new
innovative cancer drugs. Austria, Spain and Switzerland have been shown to be leaders in
terms of adoption and availability of new cancer drugs while other countries, such as the UK
and Poland, lag behind. In many of these countries, the data presented in this report illustrate
that it is taking too long for patients to experience the benefits of new drugs, many of which
are seen as major breakthroughs in the treatment of cancer.”75
Drummond et al. führen unter Hinweis auf mögliche Ursachen an:
„Studies have shown a wide variation among European countries access to cancer drugs.
Explanations for these variations include differences in research funding, the drug approval
process, the role of health economics in decision making and budgetary issues.”76
Anhand der vorangegangenen Erläuterungen zeigt sich, dass neben den bereits angeführten
finanziellen Aspekten der Aufklärung, zum Beispiel auch der – zwischen einzelnen Ländern,
aber auch zwischen sozialem Status divergierende – Zugang zum medizinischen Fortschritt
und damit zu innovativen Produkten eine Allokationsentscheidung darstellen kann.
Krebskranke, die möglicherweise dringend ein neues Produkt benötigen würden, müssen
aufgrund des fehlenden Zugangs beispielsweise eine schlechtere Heilungsaussicht, verkürzte
74 Nils Wilking/Bengt Jönsson, A pan-European comparison regarding patient access to cancer drugs,
Karolinska Institutet in collaboration with Stockholm School of Economics, Stockholm, 2005, 3, gefunden unter ki.se/content/1/c4/33/52/Cancer_Report.pdf, 12.10.2009.
75 Nils Wilking/Bengt Jönsson, A pan-European comparison regarding patient access to cancer drugs, Karolinska Institutet in collaboration with Stockholm School of Economics, Stockholm, 2005, 91, gefunden unter ki.se/content/1/c4/33/52/Cancer_Report.pdf., 12.10.2009.
76 Michael F. Drummond/Anne R. Mason, European Perspective on the Costs and Cost- Effectiveness of Cancer Therapies, Abstract, Journal of Clinical Oncology, volume 25, number 2, American Society of Clinical Oncology, January 2007, 191.
20
Lebenszeit, reduzierte Lebensqualität oder – im tragischsten Fall – den Tod in Kauf
nehmen.77
4. Der Faktor Alter – Geriatrische Onkologie
Der Faktor ‚Alter‘78 kann zentralen Einfluss auf den Zugang zu onkologischen Leistungen
und letztlich wesentlichen Anteil an einer Allokationsentscheidung haben.
„Altern ist ein physiologischer Prozess, der mit einer Reihe von Veränderungen verbunden
ist. Diese verlaufen interindividuell sehr unterschiedlich. Außerdem ist Altern häufig mit dem
Auftreten von Erkrankungen vergesellschaftet. Komorbiditäten sind daher bei alten Menschen
die Regel und nicht die Ausnahme.“79
Aufgrund des gegenwärtigen demographischen Wandels wird die Zahl der älteren Menschen
immer weiter ansteigen, wobei hinzuzufügen ist, dass mit dem Altern eine Zunahme von
Tumorerkrankungen einhergeht.
Gemäß Höffken et al. sind über 50 Prozent der Tumorpatienten zum Diagnosezeitpunkt älter
als 65 Jahre, und über 60 Prozent der Krebstodesfälle betreffen ebendiese Altersgruppe.80
Eine graphische Darstellung des Robert Koch Instituts et al. veranschaulicht die Bedeutung
des Alters für die Onkologie.
77 Vgl. Stefanie Günther, Der Allokationskonflikt, Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter
Fokussierung auf die Onkologie, Dissertation aus Rechtswissenschaften, Salzburg, 2009, 232. 78 Für genauere Informationen zu den Besonderheiten der pädiatrischen Onkologie vgl. z.B Stefanie Günther,
Der Allokationskonflikt, Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter Fokussierung auf die Onkologie, Dissertation aus Rechtswissenschaften, Salzburg, 2009, 236ff.
79 Ulrich Wedding/Klaus Höffken/Ludger Pientka, Welcher onkologische Patient ist alt?, Der Onkologe, Band 13, Nr. 9, Springer, Berlin/Heidelberg, 2007, 776.
80 Vgl. Klaus Höffken/Gerald Kolb/Ulrich Wedding (Hrsg.), Geriatrische Onkologie, Springer, Berlin/Heidelberg, 2002, Vorwort.
21
Schätzung der altersspezifischen Inzidenz in Deutschland 2004, Neuerkrankungen pro
100.000 in Altersgruppen
Abbildung 581
Die demographische Entwicklung und die altersassoziierte Inzidenzzunahme von
Krebserkrankungen machen eine verstärkte Fokussierung auf die geriatrische Onkologie82
und deren Besonderheiten unerlässlich. Obwohl die Älteren im Hinblick auf die Diagnose und
Therapie onkologischer Erkrankungen unbestritten eine bedeutsame Patientenklientel
darstellen, wurde ihnen bislang (fälschlicherweise) oftmals nur geringe Bedeutung
beigemessen.83
Wedding et al. stellen in diesem Zusammenhang fest, dass alte Patienten in klinischen Studien
bisher nur unzureichend berücksichtigt worden sind.84 Ergänzend angemerkt sei, dass noch
vor kurzer Zeit aufgrund erwarteter schlechterer Outcomes bzw. nicht zuletzt aufgrund eines
Gefühls der Unzumutbarkeit einer zytostatischen Behandlung bei alten Menschen zum Teil a
priori auf eine Therapie verzichtet wurde.85
„Auch wenn diese Vorurteile eine meist humanistische Grundlage in dem Versuch haben,
älteren Patienten eine von Gesunden als schwere Beeinträchtigung der Lebensqualität
81 Schätzung der altersspezifischen Inzidenz in Deutschland 2004, Neuerkrankungen pro 100.000 in
Altersgruppen, Robert Koch Institut/Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister (Hrsg.), Krebs in Deutschland 2003 – 2004 Häufigkeiten und Trends6, Berlin, 2008, 19, gefunden unter http://www.rki.de/cln_162/nn_205770/DE/Content/GBE/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsB/KID2008,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/KID2008.pdf, 12.09.2009.
82 Vgl. für genauere Informationen z.B. Klaus Höffken/Gerald Kolb/Ulrich Wedding (Hrsg.), Geriatrische Onkologie, Springer, Berlin/Heidelberg, 2002.
83 Vgl. Stefanie Günther, Der Allokationskonflikt, Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter Fokussierung auf die Onkologie, Dissertation aus Rechtswissenschaften, Salzburg, 2009, 233f.
84 Vgl. Ulrich Wedding/Friedemann Honecker/Ludger Pientka/Klaus Höffken, Klinische Studien und Patientenregister für alte Patienten mit Krebserkrankungen, Der Onkologe, Band 13, Nr. 9, Springer, Berlin/Heidelberg, 2007, 790.
85 Vgl. Stefanie Günther, Der Allokationskonflikt, Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter Fokussierung auf die Onkologie, Dissertation aus Rechtswissenschaften, Salzburg, 2009, 234.
22
empfundene psychische und physische Belastung zu ersparen, so sind die Charakteristika
paternalistischen Handelns aller Beteiligten doch Unkenntnis über die Altersabhängigkeit der
weiteren Lebenserwartung, Unklarheit über die Heilbarkeit und/oder Behandelbarkeit der
Tumorerkrankung älterer Patienten und Unverständnis über das Spektrum in Frage
kommender abgestufter Therapiemaßnahmen.“86
In Bezug auf eine zeitgemäße, fortschrittliche medizinische Behandlung älterer Krebskranker
ist somit ein differenzierter und auch individualisierter Zugang nötig.
Nach Greil können aufgrund besserer Verträglichkeit neuer molekularer und
immunologischer Therapeutika Patienten heute behandelt werden, die früher wegen Alters,
reduzierten Allgemeinzustandes oder des Vorhandenseins relevanter Begleiterkrankungen von
jeder tumorkausalen Versorgung ausgeschlossen wurden.87
Die Betreuung und Behandlung älterer Patienten mit Krebserkrankungen stellt eine
Herausforderung der täglichen onkologischen Praxis dar, da eine Vielzahl von Faktoren
häufig eine eingeschränkte Therapiefähigkeit im höheren Alter bedingt und somit einer
sorgfältigen Auswahl der Therapiemaßnahmen bzw. einer adäquaten Supportion einen
zentralen Stellenwert zuweist. In vielen Fällen wird bei älteren Krebspatienten aufgrund
verschiedener physiologischer, kognitiver, emotionaler und sozio-ökonomischer Belastungen
auf die Einleitung einer zytostatischen Therapie verzichtet. Bei älteren Patienten kann es unter
einer Chemotherapie, gerade wenn schwere Toxizitäten auftreten, zu einer signifikanten
Verschlechterung ihres Allgemeinzustands, der Bewältigung von instrumentellen Aktivitäten
des täglichen Lebens (und somit ihrer Unabhängigkeit) sowie ihrer Gemütslage kommen. Auf
der anderen Seite erleben aber manche ältere Patienten, deren Behandlung eine effektive
Symptomkontrolle ohne allzu schwere Nebenwirkungen erzielt, eine messbare Verbesserung
ihres Allgemeinzustands. Im fortgeschrittenen Alter ist somit eine sorgfältige Nutzen-Risiko-
Abwägung unentbehrlich.88
So dokumentieren beispielsweise gemäß Honecker et al. große (geriatrische) klinische
Studien für diverse Tumorentitäten – wie das kolorektale Karzinom oder das
86 Richard Greil, Prognose und Therapie der hämatologischen Neoplasien und soliden Tumoren im Alter, in
Franz Böhmer/Hans Peter Rhomberg/Erwin Weber (Hrsg.), Grundlagen der Geriatrie, Verlagshaus der Ärzte GmbH, Wien, 2003, 494.
87 Vgl. Richard Greil, Wert und Kosten von Leben und Tod in der Medizin. Der Verteilungskampf in und um die Medizin und die ethischen Auswirkungen auf Individuum und Gesellschaft, in Paul Weingartner (Hrsg.), Rohstoff Mensch, das flüssige Gold der Zukunft, Peter Lang Internationaler Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main, 2009, 84.
88 Vgl. Arbeitsgruppe geriatrische Onkologie, gefunden unter http://www.uke.uni-hamburg.de/kliniken/medizinische-klinik-2/index_48369.php, 18.10.2009.
23
Bronchialkarzinom – neben einer Verlängerung des Überlebenszeitraums auch eine
Verbesserung der Lebensqualität.89
Es ergeben sich folglich resümierend drei zentrale Fakten:
1. Laut Meran et al. stellt die Patientengruppe der Alten hohe Anforderungen an die
Qualifikation und das Engagement der beteiligten Berufsgruppen einerseits sowie an die
Koordination und Kooperation im Betreuungsgeschehen andererseits.90
Im Hinblick auf die Diagnose und Therapie ist bei alten Menschen mit Sicherheit ein Mehr
an Feingefühl und eine spezifische Anpassung der Maßnahmen an den individuellen
Gesundheitszustand nötig.91
2. Aufgrund des Gesundheitszustandes und des Alters der betroffenen Personen kann sich
eine Therapie klarerweise auch als nicht zielführend bzw. als den (vorherigen) Zustand
verschlechternd erweisen; eine genaue und individuelle Abwägung der Interessen und
Ziele ist unerlässlich, wobei oberste Priorität dem Faktor Lebensqualität beigemessen
werden sollte.92
3. „Pauschaler und a priori propagierter therapeutischer Nihilismus bei älteren Patienten ist
sowohl aus ethischer93 als auch – angesichts der in den letzten Jahren erzielten massiven
Fortschritte – aus medizinischer Sicht absolut unangebracht und würde eine
diskriminierende Allokationsentscheidung zu Lasten der Alten bedeuten.“94
5. Der Einfluss des sozialen Status
Zahlreiche empirische Untersuchungen belegen, dass soziale Disparitäten im Hinblick auf
Bildung, Beruf, Einkommen oder gesellschaftlichen Status, bedeutsamen Einfluss auf die
89 Vgl. Friedemann Honecker/Martina Andres/Rainer Souchon/Carsten Bokemeyer, Geriatrische Onkologie –
Zu alt für eine Chemotherapie?, Klinikarzt, 34, Thieme, 2005, 313f. 90 Vgl. Johannes Gobertus Meran/Joachim Widder, Ethische Aspekte der geriatrischen Onkologie, Der
Onkologe, Band 8, Nr.2, Springer, Berlin/Heidelberg, 2002, 173f. 91 Vgl. Stefanie Günther, Der Allokationskonflikt, Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter
Fokussierung auf die Onkologie, Dissertation aus Rechtswissenschaften, Salzburg, 2009, 235. 92 Vgl. Stefanie Günther, Der Allokationskonflikt, Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter
Fokussierung auf die Onkologie, Dissertation aus Rechtswissenschaften, Salzburg, 2009, 235. 93 Meran et al. weisen in diesem Kontext auch darauf hin, dass ältere Menschen länger in das Solidarsystem
eingezahlt haben und daher auch aus Gerechtigkeitsgesichtspunkten das Recht auf Gleichberechtigung mit jüngeren Kranken haben. (Vgl. Johannes Gobertus Meran/Joachim Widder, Ethische Aspekte der geriatrischen Onkologie, Der Onkologe, Band 8, Nr. 2, Springer, Berlin/Heidelberg, 2002, 174.).
94 Stefanie Günther, Der Allokationskonflikt, Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter Fokussierung auf die Onkologie, Dissertation aus Rechtswissenschaften, Salzburg, 2009, 235.
24
Gesundheit und damit in weiterer Folge die Realisierung der individuellen Lebenschancen
haben.95
Für Marckmann besteht ein systematischer Zusammenhang zwischen dem sozioökonomi-
schen Status und der Mortalität: Je ungünstiger der Sozialstatus, desto höher ist die
Sterblichkeit.96
Auch Greil zeigt unter Bezugnahme auf zahlreiche Analysen, dass mehr Geld oftmals ein
Mehr an Gesundheit mit sich bringt.97 Greil erläutert jedoch auch, dass für zahlreiche
Tumorerkrankungen gezeigt werden kann, dass es unabhängig vom Einkommen auch noch
eine deutliche Beeinflussbarkeit der Überlebenswahrscheinlichkeit von Tumorerkrankungen
durch den Grad an Bildung gibt. Dies äußert sich zusätzlich dadurch, dass beispielsweise in
den USA die Wahrscheinlichkeit des Zugangs zu klinischen Studien massiv von Bildungsgrad
und sozioökonomischem Status abhängig ist.98
Vor allem bei Angehörigen unterer sozioökonomischer Schichten, finanziell schlechter
gestellter Gruppen aber auch bei gewissen ethnischen Minderheiten bestehen einerseits
höhere Krebsrisiken und andererseits – aufgrund des verschlechterten Zugangs zu Therapien
und Innovationen – verminderte Heilungschancen. Ergänzend angemerkt sei allerdings, dass
nicht nur sozioökonomische Faktoren, sondern zum Beispiel auch der Wohnort in der
Peripherie bzw. im ruralen Raum im Sinne eines fehlenden Zugangs zu Zentrumsmedizin,
Auswirkungen auf die Überlebenswahrscheinlichkeit und Therapiefähigkeit von
Tumorerkrankungen haben können.99
6. Der Faktor Lebensqualität
Laut Gatzemeier et al. soll bei der Allokation im klinischen Alltag nicht allein der
quantitative Gewinn an Lebensjahren, sondern auch der Einfluss auf die Lebensqualität
beurteilt werden. Dabei sind neben relativ einfach erfassbaren Faktoren wie Schmerzfreiheit
95 Vgl. Stefanie Günther, Der Allokationskonflikt, Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter
Fokussierung auf die Onkologie, Dissertation aus Rechtswissenschaften, Salzburg, 2009, 237. 96 Vgl. Georg Marckmann, Gesundheit und Gerechtigkeit, Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-
Gesundheitsschutz, Band 51, Nr. 8, Springer, Berlin/Heidelberg, 2008, 887. 97 Vgl. Richard Greil, Wert und Kosten von Leben und Tod in der Medizin. Der Verteilungskampf in und um
die Medizin und die ethischen Auswirkungen auf Individuum und Gesellschaft, in Paul Weingartner (Hrsg.), Rohstoff Mensch, das flüssige Gold der Zukunft, Peter Lang Internationaler Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main, 2009, 94f.
98 Vgl. Richard Greil, Wert und Kosten von Leben und Tod in der Medizin. Der Verteilungskampf in und um die Medizin und die ethischen Auswirkungen auf Individuum und Gesellschaft, in Paul Weingartner (Hrsg.), Rohstoff Mensch, das flüssige Gold der Zukunft, Peter Lang Internationaler Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main, 2009, 96.
99 Vgl. Stefanie Günther, Der Allokationskonflikt, Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter Fokussierung auf die Onkologie, Dissertation aus Rechtswissenschaften, Salzburg, 2009, 238.
25
oder Mobilität auch psychische, soziale oder geistige Aspekte und – gerade bei
Krebspatienten – die Sterbensqualität zu berücksichtigen.100
Klar ist, dass die Palliativmedizin, die nicht nur medizinisch-physische, sondern auch
psychische, spirituelle und soziale Aspekte berücksichtigt, in diesem Zusammenhang eine
zentrale Rolle spielt. Vor allem im Fachgebiet der palliativen Medizin liegt der Fokus darauf,
dem Kranken mit infauster Prognose die verbleibende Restlebenszeit so angenehm und
qualitativ hochwertig wie möglich zu gestalten.101
Glocker et al. erläutern, dass auch in den chronischen, nicht mehr heilbaren Stadien einer
Krebserkrankung der einstige therapeutische Nihilismus schon lange differenzierten
Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität und Überlebensdauer gewichen ist.102
Laut Eibach hängt die Lebensqualität jedoch nicht nur vom medizinischen Befund und davon,
wie eine Chemotherapie vertragen wird ab, sondern wird auch durch soziale und sehr
pragmatische Umstände bei der Behandlung, wie z.B. der Anreise, den Wartezeiten oder der
Unterstützung durch Angehörige beeinflusst. Eibach führt allerdings kritisch weiter aus, dass
Lebensqualitätsbeurteilungen weder als Ausschlusskriterien von Therapien noch als
Rechtfertigung einer den Tod verleugnenden Übertherapie missbraucht werden dürfen,
sondern ausschließlich dem Wohl des Patienten zu dienen haben.103
„Für die Begrenzung einer Therapie bzw. Änderungen des Therapieziels einer kurativen zu
einer palliativen Therapie gelten dieselben ethischen Prinzipien wie für alles ärztliche
Handeln: nämlich das Wohl des Patienten, der Schutz des Lebens, die Selbstbestimmung und
die medizinische Indikation.“104
Es kann daher resümierend festgehalten werden, dass das Kriterium der Lebensqualität weder
als Argument für eine Überbehandlung noch als ein pauschaler, ökonomischer
Allokationsmechanismus mit dem Hintergrund des Ausschlusses Kranker von sinnvollen
100 Vgl. Ulrich Gatzemeier/Frank Griesinger/Rudolf M. Huber/Michael Thomas, Tumortherapie im
Spannungsfeld von Pharmaökonomie und Innovation, Onkologie - International Journal for cancer research and treatment, 30 (suppl 1), Karger GmbH, Freiburg, 2007, 12. (Gatzemeier et al. beziehen sich in ihren Ausführungen ohne genauere Quellenangabe auf von Engelhardt).
101 Vgl. Stefanie Günther, Der Allokationskonflikt, Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter Fokussierung auf die Onkologie, Dissertation aus Rechtswissenschaften, Salzburg, 2009, 238.
102 Vgl. Stefan Glocker/Gunter Weiß/Michael Bamberg, Finanzierung von Innovationen in der Onkologie, Der Onkologe, Band 11, Nr. 2, Springer, Berlin/Heidelberg, 2005, 198.
103 Vgl. Ulrich Eibach, Beendigung der kurativen Behandlung – Ethische Gesichtspunkte aus christlich-seelsorgerlicher Sicht, in Manfred Oehmichen/H.-J. Kaatsch/Hartmut Rosenau (Hrsg.), Praktische Ethik in der Medizin, Schmidt-Römhild, Lübeck, 2003, 267.
104 Ernst Weiss/ Dietz Lange/ Wolfgang Hiddemann, Ethische Brennpunkte in der Onkologie, Der Onkologe, Band 9, Nr. 2, Springer, Berlin/Heidelberg, 2003, 122.
26
Behandlungen missbraucht werden darf, sondern ausschließlich als Parameter im besten
Interesse und zum subjektiven Wohl des Patienten einzusetzen ist.105
„Wenn Ökonomie in der Onkologie etwas bewirkt, dann die Berücksichtigung von
Patienteninteressen durch die Integration von Lebensqualität und die Steigerung der Zahl der
Patienten, deren Lebensqualität verbessert werden kann, da die vorhandenen Ressourcen
effizienter eingesetzt werden.“106
IV. RESÜMEE
Die Allokation finanzieller, personeller und medizinischer Ressourcen in der Onkologie
charakterisiert sich durch spezifische Problemfelder und Fragestellungen, wobei der
Kostenaspekt oftmals eine tragende Rolle spielt. Für die Sicherstellung einer adäquaten
Versorgung – auch in Zukunft – ist es essentiell, nicht an den angeführten Problemen zu
scheitern, sondern diese unter den Prämissen der Gerechtigkeit und Fairness zum Wohle des
Einzelnen und der Gesellschaft zu lösen.107
Resümierend ergeben sich im Hinblick auf die Ressourcenallokation in der Onkologie daher
folgende Leitlinien:
1. Es ist erwiesenermaßen falsch, die Onkologie pauschal und unhinterfragt als Kostentreiber
und (Mit)verursacher des vermeintlichen Ausgabenanstiegs im Gesundheitswesen zu
beschuldigen. Vielmehr sollte in Anbetracht der steigenden Inzidenz von
Krebserkrankungen und der demographischen Entwicklung von gesellschaftlicher und
politischer Seite versucht werden,
● ein geändertes Bild von Tumorerkrankungen zu propagieren,
● Ausgrenzungen entgegenzusteuern,
● Fortschritte nicht nur bestenfalls zu akzeptieren, sondern aktiv zu fördern und
letztendlich
● die natürlich mit dementsprechenden Ausgaben korrespondierenden Erfolge in der
Heilbarkeit bzw. in der Steigerung der Lebenserwartung und Lebensqualität bei
105 Vgl. Stefanie Günther, Der Allokationskonflikt, Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter
Fokussierung auf die Onkologie, Dissertation aus Rechtswissenschaften, Salzburg, 2009, 239. 106 Frank Ulrich Fricke, Perspektiven der Gesundheitsökonomie in der Onkologie: Die Sicht der
pharmazeutischen Industrie, Der Onkologe, Band 5, Nr.7, Springer, Berlin/Heidelberg, 1999, 616. 107 Vgl. Stefanie Günther, Der Allokationskonflikt, Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter
Fokussierung auf die Onkologie, Dissertation aus Rechtswissenschaften, Salzburg, 2009, 240.
27
Krebserkrankungen nicht als Belastung, sondern als individuelle und
volkswirtschaftliche Investition zu betrachten.108
2. Mit den gegenwärtigen, zum Teil kostspieligen und oftmals auch knappen Ressourcen ist
sparsam und effizient, jedoch nicht a priori restriktiv umzugehen.109
Eine Patientin mit Morbus Hodgkin (Lymphom) wird mit vier Zyklen Chemotherapie mit
kurativer Intention therapiert. Eine nach dem dritten Zyklus eintretende Neutropenie macht -
um die Chemotherapie fortsetzen zu können - eine Neupogentherapie erforderlich. Die
Kranke erhält daraufhin zur Steigerung der Leukozytenproduktion eine Packung mit
mehreren Ampullen Neupogen©110, die insgesamt über EUR 1000,- kostet. Die Patientin wird
gebeten, sich so viele Ampullen wie zur Bekämpfung der Neutropenie notwendig injizieren zu
lassen und - sobald der erforderliche Leukozytenstand erreicht ist - den verbleibenden Rest
der Packung an die Station zurückzugeben. Die Patientin benötigt nur eine der Injektionen
und gibt die restlichen Ampullen dem behandelnden Arzt zurück. Die übriggebliebenen
Ampullen können in Folge einem weiteren Kranken zugute kommen.111
Die angeführte Kasuistik veranschaulicht eine sehr unkomplizierte, aber wirkungsvolle
Methodik in gemeinsamer Zusammenarbeit und Compliance zwischen Arzt und Patient
Kosten zu senken und Ressourcen effizient zu nutzen.
3. Gesundheitsökonomische Strategien bzw. Ansätze können mit Sicherheit helfen,
Ressourcen effizient zu nutzen und deren Einsatz zu planen. Es sei in diesem
Zusammenhang aber betont, dass Kosten-Nutzen-Überlegungen und andere
Evaluationsmethoden oftmals mit gewisser Vorsicht einzusetzen sind, da aus dem Faktum,
dass medizinisch sinnvolle und moderne Therapien einen Preis haben, nicht a priori darauf
geschlossen werden darf, dass Patienten und damit Menschenleben einen Preis haben.112
So ist die Effektivität immer auch vor dem Hintergrund zu beurteilen, dass gerade oftmals
mit teuren Maßnahmen ein hohes Maß an Nutzen korrespondiert und, wie bereits erwähnt,
108 Vgl. Stefanie Günther, Der Allokationskonflikt, Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter
Fokussierung auf die Onkologie, Dissertation aus Rechtswissenschaften, Salzburg, 2009, 240. 109 Vgl. Stefanie Günther, Der Allokationskonflikt, Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter
Fokussierung auf die Onkologie, Dissertation aus Rechtswissenschaften, Salzburg, 2009, 240. 110 NEUPOGEN® is the Amgen Inc. trademark for Filgrastim. Filgrastim is a human granulocyte colony-
stimulating factor (G-CSF), produced by recombinant DNA technology. (Vgl. http://www.neupogen.com/pi.html, 18.10.2009).
111 Eigene Darstellung, vgl. Stefanie Günther, Der Allokationskonflikt, Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter Fokussierung auf die Onkologie, Dissertation aus Rechtswissenschaften, Salzburg, 2009, 240. (Vgl. weiter Stefanie Günther, Ursachen der Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter besonderer Berücksichtigung der Onkologie, Abschlussarbeit im Masterstudiengang Medizinethik, Salzburg/Mainz, 2009, 72f.).
112 Vgl. Stefanie Günther, Der Allokationskonflikt, Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter Fokussierung auf die Onkologie, Dissertation aus Rechtswissenschaften, Salzburg, 2009, 241.
28
ökonomische Maßnahmen im Gesundheitswesen nicht unbedingt dazu da sind, Kosten zu
sparen, sondern Ressourcen sinnvoll für die Gesundheit einzusetzen.113
4. Der individuelle Mediziner darf nicht zum alleiniger ‚Gate-Keeper‘ am Krankenbett
instrumentalisiert werden. Dies würde neben einem starken Vertrauensverlust innerhalb
der Arzt-Patienten-Beziehung auch zu einer schwerwiegenden moralischen und
psychischen Belastung des Arztes führen.114
Gemäß Hartmann et al. kann eine Entscheidung, welche Maßnahmen durchgeführt
werden, nur mittels einer komplexen öffentlichen Diskussion, an der alle gesellschaftlich
relevanten Gruppen beteiligt sind, erzielt werden.115
Nur durch einen gemeinschaftlichen, öffentlichen und transparenten Prozess unter der
disziplinenübergreifenden Einbeziehung von unterschiedlichsten Stakeholdern, wie
beispielsweise Politikern, Ärzten, Ethikern, Patienten, Angehörigen und Finanziers kann –
unter der Prämisse der sozialen Gerechtigkeit – in der Langzeitperspektive ein Konsens
über die adäquate Zukunft der Krebstherapie gefunden werden.116
5. Zusammengefasst und unter Einbeziehung aller Aspekte der Therapie von Krebspatienten
sei letztendlich ein Faktum unter Zitierung von Kim als Schlusswort herangezogen:
“Although financial costs are a reality of cancer care that must be addressed, it is
unacceptable that financial barriers prevent cancer patients from receiving adequate
care.”117
113 Vgl. Oliver Schöffski, Ökonomische Evaluation in der Onkologie, Medizinische Klinik, Supplement 1, 95.
Jahrgang, Urban und Vogel GmbH, München, 2000, 16. 114 Vgl. Stefanie Günther, Der Allokationskonflikt, Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter
Fokussierung auf die Onkologie, Dissertation aus Rechtswissenschaften, Salzburg, 2009, 241. 115 Vgl. Michael Hartmann, Roland Kath, Klaus Höffken, Paradigmenwechsel: Von der egalitären zur
utilitaristischen Onkologie, in Michael Hartmann/Roland Kath/Thomas D. Szucs (Hrsg.), Gesundheitsökonomie in der Hämatologie und Onkologie, Urban und Vogel, München, 2001, 14.
116 Vgl. Stefanie Günther, Der Allokationskonflikt, Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen unter Fokussierung auf die Onkologie, Dissertation aus Rechtswissenschaften, Salzburg, 2009, 242.
117 Paula Kim, Cost of Cancer Care: The Patient Perspective, Journal Of Clinical Oncology, volume 25, number 2, American Society of Clinical Oncology, 2007, 231.
29
Zentrum für Medizinische Ethik
Medizinethische Materialien
Eine vollständige Hefteliste senden wir Ihnen auf Anfrage zu.
Heft 127: Maio, Giovanni: Ethik und die Theorie des "minimalen Risikos" in der medizinischen Forschung. September 2000.
Heft 128: Zenz, Michael; Illhardt, Franz Josef: Ethik in der Schmerztherapie. November 2000.
Heft 129: Godel-Ehrhardt, Petra; May, Arnd T.: Kommunikation und Qualitätssicherung im Betreuungsrecht – Ergebnisse einer Befragung zur Mailingliste [email protected]. März 2001.
Heft 130: Dabrock, Peter; Klinnert, Lars: Würde für verwaiste Embryonen? Ein Beitrag zur ethischen Debatte um embryonale Stammzellen. Juli 2001.
Heft 131: Meyer, Frank P.: Ethik der Verantwortung. Verkommt »Evidence Based Medicine« zu »Money Based Medicine«? März 2002.
Heft 132: Sass, Hans-Martin: Menschliche Ethik im Streit der Kulturen. März 2002. Heft 133 :Knoepffler, Nikolaus: Menschenwürde als Konsensprinzip für bioethische
Konfliktfälle in einer pluralistischen Gesellschaft. März 2002. Heft134: Quante, Michael: Präimplantationsdiagnostik, Stammzellforschung und
Menschenwürde. März 2002Heft 135: Köchy, Kristian: Philosophische Grundlagenreflexion in der Bioethik. März 2002.
Heft 136: Hengelbrock, Jürgen: Ideengeschichtliche Anmerkungen zu einer Ethik des Sterbens. Juli 2002.
Heft 137: Schröder, Peter: Vom Sprechzimmer ins Internetcafé: Medizinische Informationen und ärztliche Beratung im 21. Jahrhundert. Juli 2002.
Heft 138: Zühlsdorf, Michael T.; Kuhlmann, Jochen: Klinische und ethische Aspekte der Pharmakogenetik. August 2002.
Heft 139: Frey, Christofer; Dabrock, Peter: Tun und Unterlassen beim klinischen Entscheidungskonfliktfall. Perspektiven einer (nicht nur) theologischen Identitätsethik. August 2002.
Heft 140: Meyer, Frank P.: Placeboanwendung – die ethischen Perspektiven. März 2003. Heft 141: Putz, Wolfgang; Geißendörfer, Sylke; May, Arnd: Therapieentscheidung am
Lebensende - Ein "Fall" für das Vormundschaftsgericht? 2. Auflage August 2003. Heft 142: Neumann, Herbert A.; Hellwig, Andreas: Ethische und praktische Überlegungen
zur Einführung der Diagnosis Related Groups für die Finanzierung der Krankenhäuser. Januar 2003.
Heft 143: Hartmann, Fritz: Der Beitrag erfahrungsgesicherter Therapie (EBM) zu einer ärztlichen Indikationen-Lehre. August 2003.
Heft 144: Strätling, Meinolfus; Sedemund-Adib, Beate; Bax, Sönke; Scharf, Volker Edwin; Fieber, Ulrich; Schmucker, Peter: Entscheidungen am Lebensende in Deutschland. Zivilrechtliche Rahmenbedingungen, disziplinübergreifende Operationalisierung und transparente Umsetzung. August 2003.
Heft 145: Hartmann, Fritz: Kranke als Gehilfen ihrer Ärzte. 2. Auflage Dezember 2003.
Heft 146: Sass, Hans-Martin: Angewandte Ethik in der Pharmaforschung. Januar 2004. Heft 147: Joung, Phillan: Ethische Probleme der selektiven Abtreibung: Die Diskussion in
Südkorea. Januar 2004. Heft 148: May, Arnd T; Brandenburg, Birgitta: Einstellungen medizinischer Laien zu
Behandlungsverfügungen. Januar 2004. Heft 149: Hartmann, Fritz: Sterbens-Kunde als ärztliche Menschen-Kunde. Was heißt: In
Würde sterben und Sterben-Lassen? Januar 2004. Heft 150: Reiter-Theil, Stella: Ethische Probleme der Beihilfe zum Suizid. Die Situation in
der Schweiz im Lichte internationaler Perspektiven. Februar 2004. Heft 151: Sass, Hans-Martin: Ambiguities in Biopolitics of Stem Cell Resarch for Therapy.
März 2004. Heft 152: Ilkilic, Ilhan: Gesundheitsverständnis und Gesundheitsmündigkeit in islamischen
Traditionen. 3. Auflage März 2005. Heft 153: Omonzejele, Peter F.: African Concepts of Health, Disease and Treatment [A
Future for Traditional Medicines and Spiritual Healings? A Postscript on Peter F Omonzeleje by Hans-Martin Sass]. April 2004.
Heft 154: Lohmann, Ulrich: Die neuere standesethische und medizinrechtliche Entwicklung in Deutschland – Wandel des Menschenbildes? Mai 2004.
Heft 155: Friebel, Henning; Krause, Dieter; Lohmann, Georg und Meyer, Frank P.: Verantwortungsethik. Interessenkonflikte um das Medikament - Wo steht das Medikament? Juni 2004.
Heft 156: Kreß, Hartmut: Sterbehilfe - Geltung und Reichweite des Selbstbestimmungsrechts in ethischer und rechtspolitischer Sicht.1. Auflage September 2004, 3. Auflage März 2005.
Heft 157: Fröhlich, Günter und Rogler, Gerhard: Das Regensburger Modell zur Ausbildung in klinischer Ethik. Dezember 2004.
Heft 158: Ilkilic, Ilhan; Ince, Irfan und Pourgholam-Ernst, Azra: E-Health in muslimischen Kulturen. Dezember 2004.
Heft 159: Lenk, Christian; Jakovljevic, Anna-Karina: Ethik und optimierende Eingriffe am Menschen. 2.Auflage Februar 2005.
Heft 160: Ilkilic, Ilhan: Begegnung und Umgang mit muslimischen Patienten. Eine Handreichung für die Gesundheitsberufe. 1. Auflage Juli 2003 (Tübingen), 5. Auflage April 2005.
Heft 161: Hartmann, Fritz: Vom Diktat der Menschenverachtung 1946 zur "Medizin ohne Menschlichkeit" 1960; Zur frühen Wirkungsgeschichte des Nürnberger Ärzteprozesses. 1. Auflage Februar 2005, 2. Auflage März 2005.
Heft 162: Strätling, Meinolfus u.a.: Die gesetzliche Regelung der Patientenverfügung in Deutschland. Juni 2005.
Heft 163: Sass, Hans- Martin: Abwägungsprinzipien zum Cloning menschlicher Zellen. Januar 2006.
Heft 164: Vollmann, Jochen: Klinische Ethikkomitees und klinische Ethikberatung im Krankenhaus. Ein Praxisleitfaden über Strukturen, Aufgaben, Modellen und Implementierungsschritte. Januar 2006.
Heft 165:Sass, Hans- Martin: Medizinische Ethik bei Notstand, Krieg und Terror. Verantwortungskulturen bei Triage, Endemien und Terror. Februar 2006.
Heft 166: Sass, Hans-Martin: Gesundheitskulturen im Internet. E-Health-Möglichkeiten, Leistungen und Risiken. 1. Auflage Februar 2006, 2. Auflage März 2006. Heft 167: May, Arnd T.; Kohnen, Tanja: Körpermodifikation durch Piercing: Normalität,
Subkultur oder Modetrend? Mai 2006
Heft 168: Anderweit, Sabine; Ilkilic, Ilhan; Meier-Allmendinger, Diana; Sass, Hans-Martin; Cheng-tek Tai, Michael: Checklisten in der klinisch-ethischen Konsultation. Mai 2006
Heft 169: Kielstein, Rita; Kutzer, Klaus; May, Arnd; Sass, Hans-Martin: Die Patientenver-fügung in der ärztlichen Praxis. April 2006
Heft 170: Brenscheidt, Juliane; May, Arnd T.; May, Burkard; Kohnen, Tanja; Roovers, Anna; Sass, Hans-Martin: Zentrum für Medizinische Ethik Bochum 1986 – 2006.
Heft 171: Dabrock, Peter; Schröder, Peter: Public Health Gen-Ethik. 1. Auflage August 2006. Heft 172: Berg, Michael: Lebensbeendende Behandlungsbegrenzung bei Wachkomapatienten
– „passiver Suizid“ im Spannungsfeld von pflegerischem Berufsethos und Selbstbestimmungsrecht des Patienten am Beispiel des „Kiefersfeldener-Falles“ 1. Auflage Oktober 2006
Heft 173: Hofheinz, Marco: Apokalyptik im biomedizinethischen Diskurs. Eine theologische Analyse der aktuellen Debatte. Mai 2007
Heft 174: Sass, Hans-Martin: Lassen sich Reziprozitätsmodelle bei der Gewebe und Organtransplantation ethisch begründen und praktisch realisieren? Juli 2007. Heft 175: Hans-Martin Sass: Fritz Jahrs bioethischer Imperativ. 80 Jahre Bioethik in Deutschland von 1927 bis 2007. Juli 2007. 2. Auflage August 2007. Heft176: Lohmann, Ulrich: Informed Consent und Ersatzmöglichkeiten bei
Einwilligungsunfähigkeit in Deutschland – Ein Überblick. August 2007. Heft 177: Neitzke, Gerald: Ethische Konflikte im Klinikalltag – Ergebnisse einer empirischen Studie. August 2007. Heft 178: Huster, Stefan: „Hier finden wir zwar nichts, aber wir sehen wenigstens etwas“.
Zum Verhältnis von Gesundheitsversorgung und Public Health. April 2008. Heft 179: Ruhnau, Clemens: Ethische Orientierung für ärztliches Rationieren beim einzelnen Patienten. Juli 2008. Heft 180: Siegel, Stefan; Dittrich, Ralf; Vollmann, Jochen: Ethik der Reproduktionsmedizin aus der Sicht betroffener Familien. Ergebnisse einer qualitativen Interviewstudie. August, 2008. Heft 181: Sass, Hans-Martin: Ethische Risiken und Prioritäten bei Pandemien. Oktober 2009.
Bestellschein
An das
Zentrum für Medizinische Ethik
Ruhr-Universität Bochum
Gebäude GA 3/53
44780 Bochum
Tel: (0234) 32 22749
FAX: (0234) 3214 598
Email: [email protected]
Homepage: http://www.medizinethik-bochum.de
Bankverbindung: Konto Nr. 133 189 035, BLZ 430 500 01 Sparkasse Bochum
Name oder Institut:
Adresse:
( ) Hiermit abonniere(n) wir/ich die Reihe MEDIZINETHISCHE MATERIALIEN zum Sonderpreis von € 4,00 pro Stück ab Heft Nr.____. Dieser Preis schließt die Portokosten mit ein. ( ) Hiermit bestelle(n) wir/ich die folgenden Einzelhefte der Reihe MEDIZINETHISCHE MATERIALIEN zum Preis von € 6,00 (bei Abnahme von 10 und mehr Exemplaren € 4,00 pro Stück).
Hefte Nummer: _____________________________________________
ZUSAMMENFASSUNG
Der Bereich Onkologie ist in den letzten Jahren nicht nur durch enorme Fortschritte in der
Diagnostik und Therapie bösartiger Tumoren, sondern auch durch daraus resultierende und
oftmals als exorbitant hoch eingeschätzte Ausgaben in ins Bewusstsein der Öffentlichkeit
gelangt.
Die Autorin untersucht auf der einen Seite anhand von zentralen Basisdaten das
Spannungsfeld von Kosten, Nutzen und Erfolgen in der Onkologie und diskutiert auf der
anderen Seite – vor dem Hintergrund der Allokationsdebatte und unter Einbeziehung
mehrerer Fallbeispiele – exemplarische Problemfelder, wie etwa die ärztliche Aufklärung
unter Kostengesichtspunkten, den Zugang zu Innovationen oder den Einfluss des Alters, des
Sozialstatus und der Lebensqualität.
Im Resümee werden fünf, als sinnvoll erachtete Ansätze entwickelt, wobei letztendlich klar
wird, dass der Onkologie nicht nur aus medizinischer, sondern auch aus ethischer,
ökonomischer und gesamtgesellschaftlicher Perspektive zentraler Stellenwert zukommt.
ABSTRACT
In recent years the field of oncology has become more and more a topic of public interest both
because of the enormous progress in diagnosis and therapy of malignant tumors and of the
consequent seemingly exorbitantly high expenditure rates.
By means of central basic data the author discusses on the one hand the area of conflict
concerning costs, benefit and success in oncology; on the other hand Stefanie Günther
analyses – on the basis of the allocating debate and by presenting some striking case studies –
specific problem areas, like e.g. discussion of cost aspects with the patient, the access to
innovations or the influence of age, social status and the quality of life.
In the resumé five aspects are developed, revealing that oncology is of vital significance not
only from the medical perspective, but also from an ethical, economic and social point of
view.
ISBN: 978-3-931993-63-4