Experiment Steinzeit

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Experiment Steinzeit Leben wie vor 5000 Jahren Präsentation einer Vorabendserie der Maran Film Redaktion: Stefanie Groß, SWR („Abenteuer 1900. Leben im Gutshaus“)

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Präsentation für eine ARD-Doku-Soap

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Experiment Steinzeit Leben wie vor 5000 Jahren

Präsentation einer Vorabendserie der Maran Film

Redaktion: Stefanie Groß, SWR („Abenteuer 1900. Leben im Gutshaus“)

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Grundidee Nach den Erfolgen von „Schwarzwaldhaus 1902“ und „Abenteuer 1900. Leben im

Gutshaus“ geht das SWR-Fernsehen einen gewaltigen Schritt weiter zurück in die

Vergangenheit. „Experiment Steinzeit“ ist eine Zeitreise zu den Wurzeln unserer

mitteleuropäischen Kultur. Sie führt uns in eine Epoche, die uns seit jeher

fasziniert. Steinzeit, das ist mystische Urzeit, Survival in freier Natur; und doch

eine überraschend hochentwickelte Kultur, die bereits Vorformen von Penizillin

oder Alleskleber entdeckt hatte. Mitten in diese Epoche hinein - ca. 3300 v.

Christus - führt unser Experiment. Unsere Zeitreisenden - insgesamt 20 an der

Zahl - bekommen drei Grundaufgaben gestellt:

- Sie müssen mit dem harten Steinzeitalltag zurecht kommen

- Sie müssen neben den bestehenden ein weiteres Pfahlbauhaus bauen

- Eine Abordnung muss sich zu Fuß auf den Weg nach Norditalien machen, um

Silex (Feuerstein) für die Werkzeugherstellung einzutauschen

Um diese drei Hauptstränge herum entwickeln sich alle anderen Geschichten.

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November 2005, eine Siedlung aus drei Pfahlbauhäusern an einem See, mitten

im Wald. Haustiere in einem rustikalen Gehege. Ein Bild wie aus einer anderen

Zeit. Es regnet und es ist kalt. In einem der Bauten kauern viele Menschen um ein

Feuer. Über ihnen hängt der Rauch, da das Dach aus Schilf keine Öffnung hat.

„Langsam verstehe ich“, ächzt einer, „warum Ötzi pechschwarze Lungen hatte.“

„Experiment Steinzeit. Leben wie vor 5000 Jahren“ ist eine Reise zu den

Wurzeln unserer Zivilisation. In der Jungsteinzeit geschieht eine der größten

Umwälzungen in der Menschheitsgeschichte: Die „neolithische Revolution“.

Lebten die Menschen zuvor ausschließlich als Jäger und Sammler, so beginnt

sich um das 6. Jahrtausend vor Christus Ackerbau und Viehzucht - wie zuvor im

Orient - auch in Mitteleuropa als dominierende Lebensweise auszubreiten. Zum

ersten Mal leben Menschen sesshaft und produzieren Vorräte: eine Entwicklung,

die damals begann und bis heute andauert.

Haustiere halten, Gefäße töpfern für die Vorratshaltung, robuste Getreidesorten

säen sowie die Herstellung von Mehl und Brot verändern Speisezettel, Lebens-

und Wirtschaftsweise. Die Behausungen entwickeln sich von einfachen Hütten hin

zu stabilen Holzhäusern. Wald wird gerodet, um Material für den Hausbau,

Brennholz und Ackerfläche zu gewinnen. Das vorherrschende Material für

Werkzeuge ist zum letzten Mal (vor der Bronzezeit) der Stein. Mit Steinäxten wird

der Wald gehauen, Holz gewonnen, Fläche für die Äcker geschaffen. Es werden

Einbäume gezimmert, Flüsse und Seen befahren. Feuer wird mit Feuerstein,

Zunder und Brennmaterial gemacht, das gehütet wird wie ein Augapfel.

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Menschen von heute in diese Welt reisen zu lassen, bedeutet Kampf mit der

Natur und vor allem Kampf mit sich selbst. Häuserwände sind aus Flechtwerk und

Lehm, sie lassen den kalten Herbstwind durch. Die Kleidung aus Bast, zähem

Leder, ist weit davon entfernt, komfortabel zu sein. Socken, wärmende

Unterwäsche, flauschige Winterpullis - all das gibt es nicht. Die Nahrung: Breie

aus den Getreidesorten Emmer und Einkorn sowie Milch. Selbst für einen 100-

prozentigen Öko eine Herausforderung. Fleisch gibt es, wenn es gelingt, Tiere zu

fangen; nur in Ausnahmefällen werden auch die Haustiere geschlachtet. Fisch

kommt auf den Speiseplan, wenn es gelingt, Fische zu erbeuten. Die

Nahrungsbeschaffung durch Ackerbau, Viehzucht, Fischen und Jagd wird die

Zeitreisenden auf eine harte Probe stellen. Sie müssen alle Kräfte bündeln, um

Ernährung möglich zu machen. Bei aller Härte des Alltags hat auch die

Jungsteinzeit ihre malerischen und sinnlichen Momente. Und so findet sich auch

in der Steinzeitküche unerwartet so mancher Schatz. Am Lagerfeuer wird so

manches Ereignis erzählt werden, Feste und Feiern stehen an.

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Attraktives Thema Nach dem Erfolg von „Schwarzwaldhaus 1902“ (Redaktion Rolf Schlenker) und

„Abenteuer 1900. Leben im Gutshaus“ setzt der SWR seine Zeitreisen fort und

geht einen weiteren, gewaltigen Schritt in unsere Vergangenheit zurück. Wir

befinden uns in der Zeit um 3300 vor Christus, der Zeit Ötzis, des

Gletschermannes vom Tisenjoch. Ort des Geschehens: Oberschwaben und der

Bodensee, Dreh-und Angelpunkt des schon damals eng vernetzten alpinen

Kulturraumes, eine Art „Steinzeit-EU“.

Dass die Steinzeit massenattraktiv ist, weiß man spätestens seit Ötzi: Das

Südtiroler Archäologie-Museum wurde - nachdem der Gletschermann dort seine

letzte Ruhestätte gefunden hatte - schlagartig zu einem der am besten besuchten

italienischen Museen; nur geschlagen von den Uffizien und den kapitolinischen

Museen. Auch andere Beispiele wie der ARD-Erfolg der „Neandertaler“-Reihe

oder der Umstand, dass France 3 gerade „homo sapiens“ mit einem

Spielfilmaufwand produzieren, zeigen: prehistory sells.

In Deutschland gehören Steinzeit-Freilichtmuseen zu den besucherstärksten. So

kamen zum Pfahlbaumuseum Unteruhldingen am Bodensee seit seiner Gründung

1922 insgesamt 12 Millionen Besucher. Besonders Familien und Kinder zählen zu

den jährlich 300 000 Gästen.

Neue Form der Sendestrategie „Experiment Steinzeit. Leben wie vor 5000 Jahren“ wird als großes ARD-Event, in

unterschiedlichen Formaten auf mehreren Sendeplätzen, vermarktet. Der

Vorabend produziert - nach dem „Gutshaus“-Modell - einen 16-Teiler Dienstag bis

Freitag. Er folgt den persönlichen Stories vor allem der jüngeren Protagonisten:

Wie kommen sie mit der ebenso arbeitsintensiven wie unterhaltungsarmen

Steinzeitkultur zu recht? Wie geht es der 18jährigen Tochter ohne Internet-Chat,

Computerspiele, Haarshampoo und Deo? Wie reagiert sie auf die Avancen des

Nachbarsohnes? Wie kommen die beiden mit den strengen Regeln des Projekts

zurecht? Ordnen sie sich ebenfalls so bereitwillig unter wie die Eltern?

Der Hauptabend (Redaktion Rolf Schlenker) produziert einen Vierteiler nach dem

„Schwarzwaldhaus“-Modell: Der Schwerpunkt liegt hier stärker auf dem Aspekt

„Tücke des Objekts“; hier gibt es den Vergleichstest Uhu gegen Birkenpech. Hier

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erfahren wir, dass sich der technische Standard der Fischereigerätschaften nur

minimal von dem heutigen unterscheidet.

Bis zur Fertigstellung des Projekts werden in der ARD mit „Sommerfrische 1920“

im Vorabend und „Windstärke 8“ (WDR) sowie „Die Burg“ (MDR) im Hauptabend

einige weitere, attraktive Zeitreisen laufen. Unser Steinzeit-Konzept stellt bewusst

einen Höhepunkt in der Skala der Herausforderungen dar. Die

Ausstrahlungsphilosophie von „Experiment Steinzeit. Leben wie vor 5000 Jahren“

folgt dem Grundsatz einer „win-win“-Situation: Vorabend und Hauptabend sollen

sich gegenseitig stärken. Dazu müssen die beiden Formate unterschiedlich genug

sein, um ihre jeweilige Klientel optimal zu bedienen, sie müssen aber auch nahe

genug beieinander sein, um den gewünschten Zuschauer-Transfer Hauptabend-

Vorabend und zurück zu befördern.

Casting Gesucht werden: Menschen wie du und ich, die sich dieser Herausforderung nicht

nur gewachsen fühlen, sondern auch Stehvermögen genug haben, um Teil eines

aufregenden Experiments mit ungewissem Ausgang zu sein. Drei Familien sowie

einige Einzelpersonen, die für drei Monate in einer typischen

Jungsteinzeitsiedlung leben wollen. Zwei Wochen im Winter, zehn Wochen im

darauffolgenden Sommer stehen auf dem Plan. Gesucht werden verschiedene

psychologische Grundtypen: Reibungen und Konflikte sind dadurch

vorprogrammiert.

Zielpublikum Im Mittelpunkt der Vorabendserie stehen ein junges Mädchen und ein junger

Mann sowie ein weiterer junger Mann/ein junges Mädchen. Aus ihrer Sicht wird

erzählt, um ein junges Publikum zu erreichen. Die Kernzielgruppe liegt bei 14 bis

29 Jahren, darüber hinaus ist das Format ausgesprochen familientauglich.

Dramaturgie Hauptthema einer Zeitreise in solch entfernte und unwirtliche Gefilde wie die der

Jungsteinzeit ist das Aufeinanderprallen weit auseinanderliegender Zeiten und

Lebensweisen: die Probleme, die entstehen, wenn Menschen von heute

versuchen, wie vor Jahrtausenden zu leben, können dabei auch Ausmaße

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bekommen, die das Experiment scheitern lassen könnten. Insofern kommt der

Vorbereitung der Zeitreisenden eine überaus wichtige Rolle zu. Ein Jungsteinzeit-

Wissenschaftler wird z.B. vermitteln, wie man aus Urin und einem

Baumschwamm Zunder fürs Feuermachen herstellt. Survival-Spezialist Rüdiger

Nehberg zeigt, wie man sich von Wurzeln und Beeren ernähren kann. Nur für den

Notfall denken die Protagonisten. Aber als die Vorräte zur Neige gehen, stehen

sie vor der Wahl: die wertvollen milchgebenden Haustiere schlachten, es weiter

mit Fischfang zu versuchen? Oder Sammeln gehen?

Die hauptsächliche Konfrontation: der Mensch im Kampf mit der Natur und die

Frage: Gelingt es den Zeitreisenden, sich als Stammesgruppe zu organisieren

und diesen Kampf zu bestehen?

Handlungsort Ein kleiner, einsamer See; umgeben von dichtem Wald. Zwei oder drei

Holzhäuser stehen bereits, ein drittes/viertes muss innerhalb der zwölf Wochen

von den Protagonisten errichtet werden.

Spielregeln Alle Beteiligten leben zwölf Wochen unter den Bedingungen der Jungsteinzeit,

jeden Tag und jede Stunde. Sie übernehmen die Aufgaben, die in einem

typischen, jungsteinzeitlichen Dorf anfallen. Ihr Zusammenleben wird geregelt von

den Notwendigkeiten und Forderungen dieses Alltags: Fischen, Töpfern, Jagen

und Ackerbau. Ein Arzt ist außerhalb des Sets ständig auf Abruf, um im Notfall

einschreiten zu können.

Inszenierung Durch die Produktionssituation mit wissenschaftlichem Hauptabend und Doku-

Vorabendserie können die wissenschaftlichen Themen wie z.B. die technischen

Details des Holzhausbaus im Hauptabend thematisiert werden. In der

Vorabendserie wird erzählt, wie die Protagonisten sich mit den neuen

jungsteinzeitlichen Lebensbedingungen arrangieren oder auch nicht. Wo gibt es

Probleme? Wo treten Schwierigkeiten auf? Der Vorabend-Fokus ist ein

erzählerisch-psychologischer, es werden Ereignisse wie z.B. der Hausbau und

der Besuch eines fremden Stammes geschaffen. Aufgaben wie der

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Nahrungserwerb lassen Handlungsbögen, Erzählstränge entstehen; erwartbare

Probleme wie z.B. das Hygieneproblem sind Bestandteil der Erzählung.

Konflikte werden, wo sie nicht direkt von der Kamera eingefangen werden, durch

Interviews und Tagebuchkamera von der Regie unterstützt.

Erzähl-Stil Handkamera, um dicht an den Protagonisten dran sein zu können, Situationen

und Szenen möglichst hautnah einzufangen. Im Off ein Erzähler, der die

Handlungsstränge bündelt und Entwicklungen andeutet, vorantreibt. Ausschnitte

aus der Tagebuchkamera, in denen die Protagonisten über ihre (zuvor gezeigten)

Probleme und Situationen reden und nachdenken, verdichten das Erzählte.

Umsetzung Das Projekt wird vom SWR in Zusammenarbeit mit der Tochterfirma Maran

realisiert. Als Herstellungsleiter steht Hartwig König („Schwarzwaldhaus 1902“,

„Abenteuer 1900. Leben im Gutshaus“) zur Verfügung. Als Regisseur ist Markus

Vetter (dreifacher Grimme-Preisträger) angesprochen.

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Wir und die Jungsteinzeit

Das Kompetenzgerangel um das Machen eines offenen Feuers oder die

atmosphärischen Unstimmigkeiten, wenn nach einem Wandertag das

Essenmachen nicht klappt: Situationen beim Camping oder Outdoor-Urlaub, die

uns heute noch wie unsere frühesten Vorfahren empfinden lassen. Wie damals

werden auch heute Entscheidungen gefällt, Projekte durchdacht und realisiert;

wie damals so stellt sich auch heute die Frage nach Essen, Schlafen, Wohnen,

Bauen und auch nach dem Vergnügen. Das Jagen, das Erzählen - nur zwei

Verhaltensweisen aus vielen - sind grundmenschliche kulturelle Formen.

Verändert haben sich alleine die Mittel und die Ziele.

Wie agieren individualistische heutige Menschen in einer Zeit, in der die

Unterordnung unter ein gemeinsames Ziel alles bedeutete? Können wir das heute

noch erfahren? Gibt es ähnliche Muster? „Experiment Steinzeit“ wird uns das

zeigen.

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Protagonisten Beispiele/Möglichkeiten

Die Anzahl der Bewohner einer jungsteinzeitlichen Siedlung richtet sich nach den

Ertragsmöglichkeiten durch Fischfang, Ackerbau und Viehzucht. Wir gehen für

unsere Siedlung an einem kleinen See von einer Stärke mit drei Familien sowie

weiterer Einzelpersonen aus; insgesamt 20 Personen.

Die Funktionen: Wir orientieren uns am Arbeitsalltag von Ackerbau, Viehzucht,

Fischen und Jagen. Dabei wäre es vorstellbar, dass die Talente der

Protagonisten zu bestimmten Alltagsaufgaben (z.B Feuer machen, Bäume

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schlagen, Töpfern) sich im „Trainingscamp“ im Pfahlbaumuseum Unteruhldingen

herauskristallisieren.

Zu den Funktionen im Dorf: Es gab die Rolle einer Heilerin. Die spirituelle,

naturreligiöse Dimension jungsteinzeitlichen Lebens (z.B. Ernte, Götter) zu

inszenieren, gehörte ebenso dazu, wie sich in der Verwendung medizinischer

Mittel auszukennen. Werden die Zeitreisenden einen Häuptling/Dorfleiter

ernennen? Er muss in besonderem Maße in der Lage sein, Entscheidungen für

andere mitfällen zu können.

Junge Frauen traten in die Fußstapfen ihrer Mütter, das hieß zu jener Zeit, in der

Arbeiten aufgrund unterentwickelter Technik sehr kraftraubend waren, dass sie

das Töpfern von Haushaltsgeräten, das Mahlen des Getreides und das Säen

übernahmen. Junge und ältere weibliche Protagonistinnen füllen die Rollen einer

Töpferin, sind für das Wasserholen zuständig, das Säen, das Herstellen von Brot.

Junge Männer wurden an die körperlich schwierigen Arbeiten wie das Holz

schlagen, den Hausbau, das Pflügen mit und ohne Haustier herangeführt.

Lernen zu überleben, indem man sich organisiert: Das ist die Grunderfahrung der

Jungsteinzeitmenschen, die unsere Zeitreisenden nachempfinden sollen.

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Töpferin

Eine junge Frau. Sie kann Eva heißen, ist ungefähr 19. Andere würden sie

leichtfertig als naiv und unbedarft einschätzen. Sie studiert seit kurzem Kunst, auf

Lehramt, fügt sie hinzu und man merkt ihr an, dass sie nicht voll dahinter steht.

Als Kind hat sie in Afrika auf dem Land gelebt, weil ihr Vater Pfarrer dort war. Nie

wird sie vergessen, mit welcher Faszination sie die halbnackten Körper der

Schwarzen betrachtete. Nun ist sie zum ersten Mal richtig von Zuhause weg, lebt

in einer WG, noch nicht auf eigene Rechnung. Almosen ihrer Eltern nimmt sie

ungern an; und dennoch muss sie immer wieder darauf zurückgreifen.

Vor einiger Zeit ist sie in einem Vorgeschichtsmuseum gewesen. Die Steinäxte,

Pfeil-und Speerspitzen und die tönernen Naturgottheiten haben eine Aura, die

sich mit nichts vergleichen lässt, findet sie. Und so war sie, als sie vom Projekt

einer Zeitreise in die Jungsteinzeit erfahren hat, Feuer und Flamme. Ihre Freunde

halten das für einen Tick, aber sie bleibt bei ihrer Meinung. Als Töpferin in einem

Jungsteinzeitdorf für einige Wochen leben!

Nun ist sie seit zwei Wochen Teil dieser Welt. Dass die andern keinen Cent auf

ihr Durchhaltevermögen gewettet hätten, hat sie gleich gemerkt. Aber das kennt

sie schon. Die denken, weil sie ein wenig blässlich ist und sich am Anfang

ungeschickt anstellt, haue bei ihr überhaupt nichts hin. Und so war das Staunen

umso größer, als sie als einzige einen brauchbaren Topf aus Lehm zaubern

konnte.

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Fischer

Heißt er Tobias? Er ist etwa 18, 19 Jahre alt und hat gerade sein Abi hinter sich.

Seine Zivi-Stelle ist noch unsicher, ob er studieren oder doch eine Ausbildung

machen soll, weiß er noch nicht. Am liebsten hängt er mit seinen Freunden im

Sommer im städtischen Schlosspark ab. Tobias und seine Kumpels hören gern

Independent-Mucke und lesen Intellektuelles. Ist doch alles ziemlich verlogen,

sagt er. Sein Vater ist Anwalt, schuftet wie ein Pferd, vor 8 Uhr abends ist der nie

zuhause. Wochenende inklusive, versteht sich. Wenn Papi dann da ist, flucht er

über seine Anwaltskollegen, die Klienten. Aber natürlich nur, wenn`s nicht drauf

ankommt, denkt sich Tobias.

In der Steinzeit, da war das anders, da gingen die Menschen Fischen und Jagen,

alle teilten miteinander, es gab keine Hierarchien. Das Geld war noch nicht

erfunden. Wenn es Handel gab, dann war das Tausch und nicht darauf

ausgerichtet, Profit zu machen. So hat er es vor Jahren im „Rulaman“ von David

Friedrich Weinland gelesen. Die bösen Buben, das sind dort die Kelten. Die

haben Besitz und Neid. Ja, sein Vater ist ein Kelte, lacht Tobias, und er ist

„Rulaman“, der gute Wilde.

Zwei Wochen Dorfleben hat er nun hinter sich: Er sagt: „So einen Muskelkater,

ich komme kaum hoch morgens. Eitel bin ich ja eigentlich nicht, aber der

sprießende Bart, der juckt doch ganz schön. Und überhaupt: die Sache mit der

Hygiene. Ich weiß jetzt schon nicht mehr, was Kuh oder Mensch ist.“

Mit dem wilden, unhierarchischen Leben ist es auch nicht weit her. Neulich hat ihn

Andreas, der Stammeschef angeraunzt, weil er die eine Steinaxt leichtfertig

kaputt gemacht hat. Da musste er sich ganz schön zusammenreißen. Was bildet

der sich nur ein? Immer mit der Ruhe, meine Güte, sagt Tobias.

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Der Stammeschef und seine Familie

Er hat vor seinem Architekturstudium Maurer gelernt. Vielleicht hört er auf den

Namen Andreas und ist Ende 30. Er kommt aus kleinen Verhältnissen und kann

sich genau erinnern, wie seine Eltern sich für wenig Geld abrackern mussten. Er

packt zu und ist bei seinen Kollegen in der Baubranche geschätzt, weil er auch

auf den Tisch hauen kann, wenn es nicht läuft. Seine Frau Monika hat er beim

Studium kennen gelernt. Sie arbeitet als Architektin beim örtlichen

Stadtplanungsamt. Monika und Andreas sind glücklich miteinander. Reibungen

entstehen allenfalls, wenn sie über Architektur fachsimpeln. Alte Häuser?

Abreißen, sagt Andreas. Erhalten, entgegnet Monika und blinzelt ihren Mann

kampflustig an.

In einem Jungsteinzeitdorf leben? Monika war schon immer für sportive

Experimente zu haben. Vor dem Studium hat sie 6 Wochen bei Ausgrabungen in

der Türkei gebuddelt. Sohn Paul, 12 Jahre, findet die Sache mit der Jungsteinzeit

auch toll, das stellt er sich wie den letzten Camping-Urlaub an der französischen

Atlantikküste vor. Da ist die ganze Familie bei einem Tagesausflug auch zu einer

prähistorischen Höhle mit Wandmalereien gefahren, davon schwärmt er heute

noch. Och, nee, war die erste Reaktion von Caroline, 16, als sie erfuhr, dass ihre

Familie sich für das Jungsteinzeitdorf bewarb. Mit ihr ist seit einiger Zeit nicht so

viel los. Sitzt in ihrem Zimmer, zeichnet und zeichnet den ganzen Tag.

Andreas reizt die Aufgabe mit einfachsten technischen Mitteln ein Haus errichten

zu müssen, fernab von CAD und 3 D-Architekturmodellen, eine Behausung zu

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bauen. Im „Trainingscamp“ haben er und die andern gesehen, worauf es beim

Bau eines Pfahlbauhauses ankommt.

Eine Woche ist es her, dass die Familie das Dorf betreten hat. Die Lage peilen,

schauen, was getan werden muss, damit der Winter überstanden werden kann,

sagt sich Andreas. Die Arbeitsaufgaben hat er schnell verinnerlicht. Seine Leute

hat er im Griff, das kann er. Mit Tobias hat er so seine Probleme. Der redet ihm

zu viel und macht zu wenig. Es ärgert Andreas, dass sich seine Frau Monika und

Sohn Paul so gut mit Tobias verstehen. Und Caroline? Die scharwenzelt ihm

doch glatt hinterher. Aber schlimmer noch findet Andreas Ines mit ihrem Esoterik-

Fimmel.

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Die Heilerin

Ines ist Mitte 30. Hat sie ihr Medizinstudium in Rekordzeit absolviert? Vielleicht

kommt sie aus einer hessischen Kleinstadt und ist zum Studium nach

Frankfurt/Main gegangen. Sie könnte dort im Bahnhofsviertel inmitten von

Prostituierten, Junkies und Trinkern gewohnt haben. Woran es liegt, dass sie sich

für das Sozial Abseitige interessiert, kann sie sich auch nicht erklären. Ein

Steckenpferd sind für sie andere Kulturen. So sehr, dass sie für einige Monate bei

einem Indianerstamm in Kanada lebte. Teil eines Reservates, einer

untergehenden Kultur, zugleich Beobachterin. Nun lebt sie wieder in Deutschland,

hat sich auf Naturheilkunde spezialisiert. Ein, zwei Mal im Jahr verschlägt es sie

zu Yoga-Camps in andere Länder oder zum Reiten in die Mongolei. Sie sagt, die

Menschen sind so schön dort, selbst ihr Gang unterscheidet sich von unserem.

Eine Tochter hat sie auch, alleinerziehend. Sie wird sie allerdings nicht mit ins

Dorf nehmen.

Sicherlich, das weiß sie auch, ist ihre Vorstellung von primitiven Kulturen eine

romantische und der Gedanke, dass die Menschen der Jungsteinzeit ein Leben

im Einklang mit der Natur geführt haben, sie würde ihn so naiv nicht aussprechen

wollen. Dennoch ist da eine Sehnsucht, die bei ihr geweckt wurde, als sie vom

Aufruf für eine Jungsteinzeit-Vorabendserie hörte. Und als sie nach mehreren

Castingrunden die Nachricht erhielt, dass sie mitmachen darf, ist sie fast

euphorisch geworden.

Nun ist sie seit zwei Wochen im Dorf und das anfängliche Hochgefühl hat sich

merklich verflüchtigt. Ihre spirituellen Einfälle, genährt durch die Exkurse über

Naturreligion im Trainingscamp, erfreuen nicht alle. Alles für die Galerie, sagt

Andreas. Die Nahrungsbeschaffung hat Ines sich auch einfacher vorgestellt. Ob

das Experiment gelingt, wenn es schon nach einigen Tagen so losgeht? Ines ist

nachdenklich geworden.

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Eine weitere Familie

Nennen wir ihn Ralf. Er ist 40, eine beständige Arbeitsbiene. Er kann sich

unterordnen, das hat sein Leben immer bestimmt. Besser einmal mehr

wegschauen als aufzumucken, sagt er sich. Er hat Kurzarbeit und zeitweilige

Lohnkürzungen in Kauf genommen, um seinen Job zu behalten. Er ist ein Hobby-

Mann und sein Steckenpferd sind die Ureinwohner Nordamerikas: Indianer

spielen, richtig organisiert mit Tippis, Lagerfeuer und Kostümen, da blüht er auf.

Seine Frau Ursula, etwas jünger und der 12-jährige Sohn Kevin sind da auch mit

Feuer und Flamme dabei. Radebeul, Karl May-Museum, keine Frage, man war

mehr als einmal dort. Im Urlaub waren sie im Harz gewesen. Pullmann City hieß

das Gelände, wo die ein richtiges Wilder Westen-Städtchen hingebaut haben.

Dolle Sache. Und jetzt: Leben im Jungsteinzeitdorf. Endlich mal richtig raus aus

der Zivilisation, nicht nur am Wochenende. Das wird was, davon wird Ralf

bestimmt noch seinen Enkeln erzählen.

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Zwei Reisende

Es könnten Sportstudenten sein, sie sind ein Paar. Mark und Nicole, beide 23,

wissen, was sportlicher High-Tech ist. Leichtathletikschuhe mit Spikes,

körperenge Laufanzüge, Outdoor-Schuhe von Meindl und Fleece-Pullover für 150

Euro - all diese Dinge sind ihnen geläufig. Zu den Sportstudenten, die jede

Strecke außerhalb der Trainingseinheiten mit dem Auto hinter sich bringen,

gehören sie jedoch nicht. Klettern in den Felsen ihrer Heimat, Wandern auf

Korsika und wochenendliche Radtouren gehören zu ihren Aktivitäten. In der Natur

fühlen sie sich geborgen, sagen sie. Naturfetischisten sind sie deswegen jedoch

nicht.

Mit Bastklamotten, Lederschuhen und unkomfortablen Kraxen losziehen, das ist

doch mal was anderes. Als zwei aus dem Dorf für die gefährliche und langwierige

Reise über die Alpen gesucht wurden, haben sie spontan Ja gesagt. Jeweils mit

15 Kilo Keramik im Gepäck als Tauschgut für Steinäxte sind sie seit zwei Wochen

unterwegs. Zu Beginn ging es ja noch, aber nun regnet es seit zwei Tagen und

beide haben Blasen an den Füßen.

Junger Mann

Carsten, 18, ist vom Dorf. Er hat die Schule mit der 10. Klasse abgeschlossen

und ist nun auf der Suche nach einem praktischen Beruf. Carstens

Ausdrucksweise hat Tobias gleich zu beginn mit einem schrägen Blick

kommentiert. Was für ein Haufen, dachte sich Carsten mit Blick auf Ines und Eva.

Mit Rolf und Andreas kommt er schon besser klar, die reden wenigstens frei

heraus und schmücken nicht jeden Satz unnötig aus. Er hört gerne härtere Musik.

„The Prodigy“ darf es schon sein. „Rammstein“? Aber sicher doch.

Schnell hat sich Carsten seinen Platz im Dorfleben dadurch erkämpft, dass er

beim Pfahlhausbau sich geschickt anstellt.

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Entwicklungslinien der Folgen Beispiele/Entwürfe

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Von der Gegenwart in die Steinzeit Ein letzter Blick auf die ungespülten WG-Tassen: draußen der Schlosspark.

Barocker Bau, da wussten sie schon, was Luxus und Lebensart heißt, denkt Eva.

Die letzte Rundmail an Freunde und Bekannte: see you later in ein paar Wochen.

Der Rucksack steht im Flur, ein Gruß in die leere Wohnung und los geht’s zum

Bahnhof. In der Wartehalle Gewusel, Menschen kreuz und quer, telefonierend,

wartend und eilend - hektische großstädtische Betriebsamkeit.

Ines verabschiedet sich von ihrer kleinen Tochter und den Freunden, bei denen

sie ihre Kleine lässt. Die Tochter will ihre Mama nicht gehen lassen. Zwar hat sie

vor einiger Zeit bei der „Sendung mit der Maus“ gesehen, wie die

Steinzeitmenschen ein Haus gebaut haben. Aber warum muss ihre Mama bei

sowas mitmachen, kann da nicht die Maus oder der Christoph mit seinem grünen

Sweat-Shirt einspringen? Ines muss lachen. Sie drückt ihre Süße nochmals fest

und schnappt schnell ihre Sachen. Auf zum Bahnhof, bevor ich es mir noch

anders überlege, sagt sie sich.

Mehr als 800 km südlich: die oberschwäbische Hügellandschaft, ein kleines

Dörfchen. Ein SWR-Truck tuckert durch die Straße. Dorfbewohner beobachten

neugierig die Kolonne. Einige Kilometer weit davon weg, ein einsames

Waldgebiet, ein kleiner See: Seit Tagen sind hier die Bauarbeiten in vollem

Gange, zwei Holzhäuser werden errichtet. Ohne Nägel, ohne Verstrebungen aus

Eisen, nur durch geschicktes Ineinanderlegen von Holzstämmen. Das Dach wird

aus dem Schilf des Sees gefertigt, die Wände aus Weidengeflecht, Birkenrinde

und schließlich mit Lehm verschmiert.

Eva trifft am Konstanzer Bahnhof ein. Hier wird sie abgeholt, ihr Blick gleitet über

den Bodensee. Sie wirft ihren MP3-Player an. Im Hintergrund sieht sie die

mächtig aufragenden Alpen. Schnee wird auf Gipfeln sichtbar. Ankunft in

Unteruhldingen: Gegenseitiges Taxieren, erstes Abchecken. Tobias mustert Eva,

Ines Andreas. Man ist etwas befangen. Ein bisschen unsicher zunächst, dann

macht sich Lachen breit. Wie kann man nur so bekloppt sein, sich auf eine solche

Sache einzulassen?

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Die ersten Tage unter den Fittichen vom Steinzeitexperten Günther Schöbel und

Survival-Spezialist Rüdiger Nehberg sind hart. Nehberg zeigt, wie man sich von

Wurzeln und Beeren ernähren kann. Ja, die Sache mit dem Töpfern von

Vorratsbehältern und Essgeschirr, gefällt Eva. So richtig Ernst nimmt Tobias das

nicht. Andreas lernt, einen Feuerstein so zu schleifen, dass er als Messer

einsetzbar ist. Ines ist fasziniert von den Kulten vor 5000 Jahren. Gebannt lauscht

sie den Worten der Frühgeschichtler. Ein Haus, das sich die Dorfbewohner als

lebendigen Organismus vorstellten, diese Vorstellung fasziniert sie.

Der Tag der Abreise zum Jungsteinzeitdorf: Die Protagonisten geben ihre

Kleidung, Wertsachen, alles, was sie mit dem Heute verbindet, ab. Vom

Kostümbildner erhält Eva die Kleidung einer Frau aus einem jungsteinzeitlichen

Dorf. Oberteil aus Flachs, sowie eine Art lange Pumphose. Die Überraschung: die

Kleidung war nicht schmucklos, das Oberteil hat eine Borte. Absoluter Luxus: ein

Tierfell als Überwurf für die Herbst-und Winterzeit, ebenso ein Kamm aus

Hirschgeweih. Die Haare ab oder lang lassen, damit sie im Winter wärmen

können? Eva entscheidet sich für letzteres. Ein letztes Mal elektrisch rasieren,

fragt sich Andreas. Ines trägt über ihrer Kleidung eine Kette aus

Wildschweinhauern. Das Zeichen ihrer schamanischen Würde gefällt ihr gut.

Ankunft am See: es ist ein diesiger Novembertag, die Temperatur liegt gerade

mal bei 7 Grad Celsius. Raus aus dem Auto und die letzten Schritte zum

Steinzeit-Dorf zu Fuß. Der Boden ist morastig. Dichter, dunkler Wald und ein

kleiner Trampelpfad. Dann der kleine See, aber nicht gerade eine Badestelle. Das

Ufer ist schilfig, von kleinen Erlen bewachsen. Der Zugang zum See erst noch zu

erkämpfen, da es hier keinen festen Untergrund oder gar einen Sandstrand gibt.

In diesen Morast hineingebaut stehen zwei Pfahlbauhäuser. Die Bodenplatten gut

einen Meter über dem Grund. Eine Stiege führt jeweils hinauf. Eva, Tobias

betreten langsam das eine Haus. Ganz schön dunkel hier drin, sagt Tobias.

Andreas ist um die Häuser zu den Ställen gelaufen: er schaut sich die Ziegen,

Schafe und Ochsen an. Danach begibt er sich ins Werkzeug-Haus. Er prüft die

Steinäxte, den Holzpflug. In einem der Wohnhäuser: Monika und Eva betrachten

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Page 22: Experiment Steinzeit

den Mahlstein, die Feuerstelle. Ines ruft die andern nach draußen. Am Waldrand

sieht man die Sonne untergehen.

Eva hat ihr Bett zum ersten Mal ausprobiert. Es besteht aus isolierender

Birkenrinde, Stroh und Fell - echter Steinzeitluxus. Es liegt sich gar nicht so übel,

lacht sie in die Kamera.

Der Sprung ins kalte Wasser Frierend wacht Eva am nächsten Morgen auf. Neben ihr liegt Tobias, der noch

schläft. Sie schlendert nach draußen. Niemand ist zu sehen. Doch da hört sie

eine der Ziegen meckern. Andreas ist bereits auf den Beinen und versucht

vergeblich, zu melken. Verdammt, im Pfahlbaumuseum hatte das doch noch

geklappt. Nach einigen Anläufen gelingt es ihm doch und die Milch läuft, wenn

auch nicht in rauen Mengen.

Eva fängt an, das Feuer zu machen. Zunder, Feuerstein und Brennmaterial liegen

bereit. Die Feuerstelle ist mit Lehm aufbereitet, sodass der Holzunterbau nicht

Feuer fängt. Erster Versuch: misslungen. Der zweite auch; weitere Versuche, den

zündenden Funken zu erzeugen, scheitern ebenfalls. Wo bleibt nur Andreas?

Vielleicht kann der das besser?

Währenddessen ist Ines damit beschäftigt, Wasser zu holen. Ihre Schuhe aus

Leder sacken in den morastigen Untergrund ein. Zurück stellt Ines keuchend die

beiden Fünflitereimer aus geschnitztem Holz ab. Morgentoilette à la Steinzeit. Mit

einem Holzstäbchen kratzt Eva ihre Zähne ab. Für das Bekämpfen des

Mundgeruchs muss der Biss in einen Apfel sorgen. Wo liegen die doch gleich,

denkt sie sich.

Inzwischen hat Andreas das Feuer entfachen können. Da Tobias noch immer im

Bett liegt, raunzt Andreas ihn an. Er könne ruhig seinen Hintern in Gang setzen.

Schließlich sei hier noch einiges zu tun, bevor es Frühstück geben könne.

Murrend erhebt sich Tobias und fängt an, weiteres Holz heranzukarren.

Schließlich sitzen alle beieinander, dicht ums Feuer gedrängt. Es gibt Milch und

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Getreidekörner aus den Vorratstöpfen. Nicht gerade üppig, aber es macht doch

satt.

Nach dem Frühstück gehen Andreas und Tobias mit den Steinäxten nach

draußen. Sie müssen Holz schlagen, die Vorräte sind zu schmal, als dass man

sich ausruhen könnte. Tobias ist nicht so begeistert davon, wollte er doch mal den

unten liegenden Einbaum auf dem See testen. Andreas sucht sich einige

trockene, fast abgestorbene Bäume aus. Die andern sind zu feucht als Brennholz,

erklärt er Tobias.

Als sie zurückkommen, ist das Feuer ausgegangen. Eva, die sich gerade um das

Füttern der Haustiere kümmert, hat davon nichts bemerkt. Und wo ist Ines? Sie

hat sich eine Auszeit genommen und schlendert um den See. Es dauert wieder

zwei Stunden, um das Feuer einigermaßen in Gang zu bringen. Bis das Essen

zubereitet ist, ist es fast Abend. Einzige Lichtquelle ist das Feuer und ein paar

kleine Lampen, die mit Tierfett gefüllt sind. Wieder gibt es Milch und Getreide.

Unsere Dorfbewohner sind hundemüde, sie würden es jetzt keine fünf Minuten

mehr wach vor dem TV aushalten. Aber wer redet hier von Fernsehen?

Eva fällt total abgekämpft in ihr Bett. Was hat sie nur so fertig gemacht? Sie fühlt

sich, als ob sie Bäume ausgerissen hätte.

Die Ordnung der Dinge Die Dorfbewohner sind unzufrieden. Es sind schon zwei Tage seit ihrer Ankunft

vergangen und alles läuft noch immer chaotisch und unorganisiert ab. Wie sollen

sie es nur schaffen, alles unter einen Hut zu bekommen? Das Feld muss gepflügt

werden, damit der Winter-Getreidesamen eingepflanzt werden kann. Es muss

weiteres Holz fürs Feuer sowie für den Bau des dritten Hauses geschlagen

werden. Doch wie soll all das funktionieren, wenn sie bereits daran scheitern, die

Tiere zu melken und Futtervorrat für sie anzulegen? Theoretisch ist jedem klar,

was zu tun ist, doch am Ende des Tages ist das meiste liegen geblieben. Ralf

schlägt vor, einen Stammeschef zu ernennen. Eva und Ines pflichten ihm bei,

Tobias ist anderer Meinung: geht es nicht auch ohne dieses Hierarchie-Ding?

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Andreas erklärt, dass man davon abkommen müsse, dass jeder alles und im

Ergebnis gar nichts mache. Seiner Meinung müssten die Rollen im Dorf verteilt

werden, damit man mit den vorhandenen Werkzeugen und Hilfen es auch

schaffe, den täglichen Bedarf zu decken. Ursula pflichtet bei.

Bei einer Enthaltung (Tobias) wird Andreas gewählt. Ob es dadurch besser wird,

wird sich zeigen, knurrt Tobias.

Steinzeitküche

Weder die gesammelten Vorräte aus Haselnüssen noch die Breie aus Emmer

und Einkorn allein erfreuen die Dorfbewohner. Außerdem: Wie sollen sie dadurch

die Kraft bekommen, um den Pfahlbau voranzutreiben, fragt sich Andreas. Milch

geben die Ziegen nicht mehr, ihre Laktationsphase ist vorbei. Was tun?

Fischer Tobias muss seinen Beitrag leisten. Mehrere Stunden sitzt er nun schon

im Einbaum mit seiner Angel mit Widerhaken. Doch angebissen hat bislang

nichts. Die Hände werden kalt. Die feuchte Kälte des Sees kriecht immer mehr in

seine Knochen. Wie lang soll dieser Mist denn dauern? Seine Laune ist auf dem

Tiefpunkt.

Die anderen rücken in den Wald aus. Seit Tagen haben sie die Spuren nach

Nahrung stöbernder Wildschweine beobachtet. Doch ihr Plan, die Wildschweine

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aufzustöbern und in eine Falle zu locken, lässt sich nicht umsetzen. Nach

mehreren Tagen bricht die Dorfgemeinschaft das Unterfangen ab.

Auch Tobias kann von keinem Erfolg berichten. Ein Streit entbrennt, ob man eine

Ziege schlachten soll. Ist sie als Milchtier zu wertvoll? Andreas spricht ein

Machtwort: er schickt die Frauen Beeren und Wurzeln sammeln. Doch dann

finden die Männer ein von Wölfen frisch gerissenes Reh. Diese Art der

Nahrungsbeschaffung geschah in der Steinzeit desöfteren. Sie hatte den Vorteil,

dass die Tiere nicht aufwendig und langwierig gejagt werden mussten. Der

Nachteil: es ist eben Zufall und lässt sich nicht planen. Unseren Dorfbewohnern

ist es trotzdem recht. Endlich eine willkommene Abwechslung auf dem

Speiseplan.

Projekt Pfahlbauhaus Andreas trommelt die Dorfgemeinschaft zusammen. Sich im Trainingscamp über

Pfahlbau belehren lassen und auch mal eine Steinaxt schwingen, ist eine Sache;

eine andere ist es aber, den „Ernstfall“ bestehen zu müssen. Um den Pfahlbau so

effektiv wie möglich zu betreiben, gilt es die Kräfte der Männer zu bündeln.

Andreas, Ralf sowie Mark schlagen Holz im angrenzenden Wald. Soweit Kevin

und Paul dabei helfen können, packen sie mit an. Das Arbeiten mit den

Steinäxten ist gewohnungsbedürftig, doch so lange, wie sie sich es vorgestellt

hatten, dauert es gar nicht, einen Baum zu fällen.

Kevin und Paul schleppen Weiden und Flechten herbei, die sie mit ihrem

Feuersteindolch schneiden. Auch die kleinen Männer helfen mit, während die

Frauen das Mahlen von Getreide betreiben. Mit einem Mahlstein als Unterlage,

einem weiteren kleinen Stein, der als Mahlwerkzeug benutzt wird, rollen sie

wieder und wieder über das Getreide, bis nur noch Mehl übrig bleibt.

Auf Ötzis Spuren: Zu zweit über die Alpen Die Dorfbewohner haben in ihrem Handwerkszeug nur drei Messer gefunden.

Aus der Schulung im Pfahlbaumuseum wissen sie, dass die Messer nach

wenigen Wochen voraussichtlich kaputt sein werden. Sie beschließen, eine

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Delegation in die Alpen zu schicken, um dort Silex (Feuerstein) einzutauschen.

Mark und Nicole haben sich bereit erklärt, diesen Auftrag zu übernehmen. Doch

zunächst braucht das Dorf eine Ware. Es wird beschlossen, dass die

Gemeinschaft in den nächsten Tagen nur noch Keramik produziert, um die beiden

Händler so schnell wie möglich auf die Reise zu schicken, von der nur eines klar

ist: Sie wird vier bis sechs Wochen dauern.

Eva ist in ihrem Element. Während die Männer einen Backofen aus Lehm bauen,

bereitet sie Lehmschalen, Töpfe und Krüge vor. Der Ton wird gebrannt. Einige

Stunden bangen Wartens, bis der Ofen erkaltet ist. Dann dürfen Paul und Kevin

reinklettern. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Eva strahlt.

Am Abend ruft Ines die Dorfgemeinschaft zusammen. Sie hat sich im

Vorbereitungscamp im Pfahlbaumuseum Unteruhldingen besonders für die

Naturreligion der Steinzeit interessiert. Um ein großes Lagerfeuer stehend, bittet

sie die Götter der Erde, des Wassers und des Mondes, die beiden auf ihrer

gefährlichen Reise zu beschützen. Andreas macht zwar mit, findet das jedoch ein

wenig übertrieben.

Am nächsten Morgen: Mark und Nicole sind mit allem ausgestattet, was sie

brauchen. Abschied: Eva und Caroline ist es ganz schön lau im Magen.

Wellness in der Steinzeit Keine Toilette, nur eine Grube einige hundert Meter im Wald. Die Kleidung fängt

an zu stinken. Die Dorfbewohner haben Probleme, ihre Empfindungen auf das

Niveau der Jungsteinzeit zu drosseln.

Ines weiß, dass man auch mit den Mitteln der Jungsteinzeit Abhilfe schaffen

kann. Die Dorfbewohner entscheiden sich, Seife herzustellen. Asche haben sie,

das nötige Tierfett ist auch da. Über Stunden kocht Ines das Fett ein. Schöpft ab

und kocht wieder ein, bis am Ende so etwas wie Seife entsteht. Au weia, sagen

Caroline und Eva, was für eine Brühe. Es riecht tatsächlich nach Seife, freut sich

Ines.

Die Dorfbewohner waren erfindungsreich: Sie haben ein Loch gegraben und den

Boden mit Leder ausgelegt. Tobias schüttet Wasser hinein. Hält das Leder das

Wasser? Es sieht ganz so aus. Steine werden im Feuer erhitzt und in die

„Badewanne“ gekippt. Tobias ist der erste, der das Luxusbad ausprobiert. Schön

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warm, lachend reibt er sich mit der Seife ein. Nur Kopf und Füße schauen noch

oben raus.

Die Krönung der jungsteinzeitlichen Wellness ist das Bauen einer Schwitzhütte.

Sauna à la Steinzeit: Eine kleine, enge Hütte wird mit Leder und Fellen so dicht

gemacht, dass sich mehrere hineinkauern können. Jeder nimmt einen im Feuer

erhitzten Stein mit hinein und schon braucht es keinen Aufguss mehr.

Weitere Folgen: Besuch aus dem Norden Die Dorfbewohner erfahren, dass demnächst ein Händler durchziehen wird. Er

wird das ersehnte Salz und damit eine Verfeinerung des Speiseplans bringen.

Doch erst muss ein Überschuss zum Tausch produziert werden. Tobias erhält

den Auftrag, soviel Fische wie möglich zu fangen und zu räuchern.

Ein Festtag

Ein Nachbarstamm kommt auf Besuch. Was lassen sich unsere Dorfbewohner

einfallen? Zur Feier schlachten sie einen Ochsen. Ein Zeichen größter

Wertschätzung für die Besucher. Es wird Honigbier gebraut. Das Eintreffen der

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Fremden wird mit Spannung erwartet. Was können unsere Dorfbewohner noch

tun, um den festlichen Anlass auszuschmücken? Sie wissen, dass sich

Jungsteinzeit-Menschen auch tätowierten. Eva stellt Ton-Stempel her. Mit Hilfe

von Asche und Farbe „tätowieren“ sich die anderen. Was für Motive werden sie

wählen? In der Jungsteinzeit hatten die Menschen große Achtung vor der Stärke

und Kraft der Tierwelt. Werden sie sich die Schlangen, die Wölfe oder die Fische

nennen? Wird es ein schöner Tag, mit Spielen und Feiern und Singen am großen

lodernden Feuer? Eine Auszeit vom Jungsteinzeit-Arbeitsalltag?

Romeo und Julia in der Jungsteinzeit Caroline hat ein Auge auf Tobias geworfen. Doch der turtelt lieber mit Eva. Wie

die immer beim Wasserholen vor ihm herschwänzelt, denkt Caroline. Und dann

auch das intellektuelle Gelaber von Eva! Am schlimmsten ist aber, dass Tobias

da auch noch drauf abfährt. Als er sich vor kurzem den Rücken verrenkt hatte,

durfte ihn Eva mit so einem Mittelchen von Ines einschmieren. Da sind der doch

glatt die Augen rausgefallen!

Generationenkonflikt Sie mögen noch so unterschiedlich sein. Aber in einem Punkt sind sich die

Jugendlichen Carsten, Eva, Caroline und Tobias einig. Die Alten, wie sie sie

nennen, nerven manchmal ganz schön. Das ewige Rumgenöle, nur weil Tobias

oder Eva etwas zu erledigen vergessen haben. Ziemlich uncool finden sie das

und als sie sich gegenüber Andreas zusammentun, ist die große Überraschung

für alle im Dorf, dass ausgerechnet Ines sich auf Andreas` Seite schlägt.

Die geraubte Braut Unsere Recherchen haben ergeben, dass es das jungsteinzeitliche Phänomen

der „fremden Frau“ gab. Keramikfunde belegen, dass fremdes Know-how aus

ansonsten homogener Keramikkultur heraussticht. Die Erklärung: Um dem Inzest

vorzubeugen, wurden Frauen aus Nachbardörfern geraubt. Wir wollen diesen

Sachverhalt nutzen, um eine weitere Protagonisten einzuführen.

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Vielleicht stößt sie zusammen mit Marc und Nicole zum Dorf, deren Mission

erfolgreich war. Besonders Carsten interessiert sich für die Neue, die einen Hund

bei sich hat. Endlich hat das Dorf einen Wachhund und die Kleinen ein Tier zum

Spielen.

Zurück in der Gegenwart Rückkehr ins Jetzt: Zwischenstopp in Hotels. Nach 12 Wochen Steinzeit bleibt in

der Duschwanne ein brauner Bodensatz übrig. Und an den Füßen Hornhaut vom

Barfußlaufen. Das Schönste: das erste Stück Schokolade. Welche Wonnen! Die

ersten ziehen Bilanz: Andreas ist froh, wieder am Computer sitzen zu können,

während die Tischler und der Polier auf der Baustelle rackern. Monika freut sich,

dass sie nun wieder mehr Mitspracherecht hat. Eva will ihr Kunststudium

abbrechen und eine Lehre als Restauratorin beginnen. Tobias ist von seinen

romantischen Vorstellungen über die Steinzeit geheilt. Er freut sich auf ein Leben

im 21. Jahrhundert und als er seine Eltern wiedersieht, tut ihm das überraschend

gut.

Vier Wochen später treffen die Zeitreisenden in einer Gesprächsrunde

aufeinander und blicken gemeinsam zurück auf ihr Abenteuer.

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