Experimentelle und histologische Studien an Turbellarien

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Experimentelle und histologische Studien an TurbeUarien. Ill. Mitteilung. Von Or. Paul Lang Assistent des Biologischen Laboratoriums der Universit~t Bonn. Hierzu 9 Textflguren. 1. Fortgesetzte Untersuchung fiber den hetero- morphen Kopf der Planaria polychroa Schm. a) Ein ,,heteromorpher" Kopf II. Ordnung. Eine wesentliche Frage, die f~ir die Ergrtindung der Be- deutung des ,,heteromorpheu" Kopfes in Betracht kommt, ist diese: Verh~lt sich der ,heteromorphe" Kopf der Planarien genau so wie der normale Kopf, ister diesem in jeder Beziehung gleich- wertig'? Wie steht es insbesondere mit der Regeneration des ,,heteromorphen" Kopfes? Wird er, wenn man ihn yon dem alten Kopf abtrennt, einen Schwanz regenerieren, oder verhalt er sich wie der normMe Kopf und erzeugt wieder einen ,,heteromorphen" Kopf? Das nicht leichte Experiment wurde im August und Sep- tember 1913 zu Wissen (Sieg) ausgefiihrt. Die Planarien (Planaria polychroa Schm.) stammten aus dem Botanischen Garten zu Bonn. Es folgen die aufgenommenen Protokolle im Auszug. 19. August: 70 Planaria polychroa gekSpft (Textfig. 1). 27. August: Einige KSpfe haben feine ,,heteromorphe" Augen: wir nennen sie kurz ,heteromorphe K6pfe ~. 29. August: 7 heteromorphe KSpfe I. 0rdnung werden in der Mitre zwischen den normalen und den heteromorphen Augen quer halbiert (Textfig. 2); dadurch entsteht je ein ,normaler" und ein ,heteromorpher Kopf I. Ordnung ~. 30. August: Die heteromorphen KSpfe I. Ordnung bewegen sich in Richtung des Pfeiles (Fig. 3), also in umgekehrter Richtung wie der normale Kopf. Weitere ,heteromorphe KSpfe" werden quer halbiert. Archiv f. mikr. Anat. Bd. 87. Abt. II. 1

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Experimentelle und histologische Studien an TurbeUarien.

Ill. Mitteilung. Von

Or. Paul Lang Assistent des Biologischen Laboratoriums der Universit~t Bonn.

Hierzu 9 Textflguren.

1. Fortgesetzte Untersuchung fiber den hetero- morphen Kopf der Planaria polychroa Schm.

a) E i n , , h e t e r o m o r p h e r " K o p f II. O r d n u n g .

Eine wesentliche Frage, die f~ir die Ergrtindung der Be- deutung des ,,heteromorpheu" Kopfes in Betracht kommt, ist diese: Verh~lt sich der ,heteromorphe" Kopf der Planarien genau so wie der normale Kopf, i s t e r diesem in jeder Beziehung gleich- wertig'? Wie steht es insbesondere mit der Regeneration des ,,heteromorphen" Kopfes? Wird er, wenn man ihn yon dem alten Kopf abtrennt, einen Schwanz regenerieren, oder verhalt er sich wie der normMe Kopf und erzeugt wieder einen ,,heteromorphen" Kopf?

Das nicht leichte Experiment wurde im August und Sep- tember 1913 zu Wissen (Sieg) ausgefiihrt. Die Planarien (Planaria polychroa Schm.) stammten aus dem Botanischen Garten zu Bonn.

Es folgen die aufgenommenen Protokolle im Auszug. 19. August: 70 Planaria polychroa gekSpft (Textfig. 1). 27. August: Einige KSpfe haben feine ,,heteromorphe"

Augen: wir nennen sie kurz ,heteromorphe K6pfe ~. 29. August: 7 heteromorphe KSpfe I. 0rdnung werden in

der Mitre zwischen den normalen und den heteromorphen Augen quer halbiert (Textfig. 2); dadurch entsteht je ein ,normaler" und ein ,heteromorpher Kopf I. Ordnung ~.

30. August: Die heteromorphen KSpfe I. Ordnung bewegen sich in Richtung des Pfeiles (Fig. 3), also in umgekehrter Richtung wie der normale Kopf. Weitere ,heteromorphe KSpfe" werden quer halbiert.

Archiv f. mikr. Anat. Bd. 87. Abt. II. 1

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2 P~ul L a n g :

31. August: Die heteromorphen Augen einiger heteromorpher Kbpfe I. Ordnung sind grbsser geworden; an der Schnittflache, mit der dieser Kopf an den normalen Kopf anstiess, hat sich ein Regenerationskegel entwickelt, wie er gewOhnlich bei Regene- rationen an Planarien auftritt.

Weitere heteromorphe K6pfe quer haibiert. Darunter ist ein Kopf, ai) dem tiberhaupt noch keine heteromorphen Augen zu sehen sind, der also nut die zwei normalen Augen besitzt.

2. September: Alle heteromorphen Kbpfe I. Ordnung be- wegeu sich in der Richtung des Pfeiles (Fig. 31). Auch der hetero- morphe Kopf I. ()rdilung, bei dem noch keine heteromorphen Augen entwickelt waren, der also tiberhaupt nocl~ augenlos ist, bewegt sich schon in dieser Ihchtung. Die K6pfe haben alle an tier Schnittfl'~che eaten Regenerationskegel entwickett.

3. September: Die heteromorphel~ Augen sind gr6sser ge- worden und haben einen deutlichen helle~l Hof entwickelt.

5. September: Die Bewegungsricbtung der heteromorphen K6pfe I. Ordnung wird unbestimmter: wie es sonst bei den ge- wOhnlichen heteromorphen Doppelk6pfen der Fall ist. Die zum zweiten Male abgeschnittenen normalen K0pfe verhalten sich in derselben Weise wie nach der ersten Operation.

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Fig. 1--4.

6. September: Einer der gr0sseren heteromorphen Kbpfe I. Ordnung hat in dem hinteren Regenerat zwei Augen entwickelt; wit wollell sie ,,heteromorphe Augen II. Ordnung" nennen (Fig. 4). Der Regenerationskegel yore 31. August hat sich zu einem Kopf entwickelt, den wit ,,heteromorpher Kopf II. Ordnung" nennen (Fig. 4 oben). Unter dem Mikroskop kann man beobachten, dass der Kopf sich nach beiden Richtungen hin bewegt, wie die Pfeile andeuten.

Der heteromorphe Kopf I. Ordnung verh~tIt sich demnach in bezug auf die Regeneration in gleicher Weise wie der normale

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Kopf. Wiederholen wir kurz den Tatbestand an Hand der Figuren 1--4. Wird der Kopf einer Planarie dicllt hinter den Augen abgeschnittem so bewegt sich der abgeschnittene Kopt in der alten Richtung nach vorn (Fig. 1). Es bildet sich hinten an der Schnittfliiche ein Regenerationskegel, der nach und nach grOsser wird und sich zu einem Kopf, dem heteromorphen Kopf I. Ordnung, entwickelt. In diesem Kopf treten zwei Augen (bezw. noch zwei Nebenaugen), ein Gehirn (siehe uaten) und Darmver~~stelungen auf (Fig. 2). Wird dieser heteromorphe Kopf I. Ordnung grSsser, so macht sich neben der alten Bewegung des normalen Kopfes nach vorn (oberer Pfeil) noch eine Eigenbewegung des hetero- morl)hen Kopfes I. Ordnung nach hinten (unterer Pfeil) geltend. Je mehr der heteromorphe Kopf I. Ordnung witchst, um so be- deutsamer macht sich diese Eigenbewegung als Komponente der Gesamtbewegun~ des Doppelkopfes geltend. W~thrend zun~tchst der abgeschnittene Kopf sehr schnelt aus dem Gesichtsfelde des 3Iil(roskopes verschwindet, wird es dem Doppelkopfe um so schwerer, sich vorw~rts zu bewegen, je mehr de r heteromorphe Kopf I. Ordnung wachst, bis sich schliesslich beide Komponenten (lie Wage halten.

Schneider man dann die beiden KOpfe durch einen Quer- schnitt auseinander, so regeneriert der normale Kopt' in der- selben Weise wie nach der ersten Operation, d. h. es bildet sich nach hinten ein heteromorpher Kopf I. Ordnung.

Die andere Halfte des Doppelkopfes, der heteromorphe Kopf I. Ordnung, bewegt sich sofort, nachdem er abgeschnitten worden ist, in umgekehrter Richtung (Fig. 3) wie der normale Kopf. Diese Tatsache ist eigentlich der erste zwingende Beweis daffir, dass der heteromorphe Kopf I. Ordnung wirklich die umgekehrte Orientierung hat wie der normate Kopf. Bisher stdtzte sich diese Annahme wesentlich auf die Lage der heteromorphen Augen, die derjenigen der normalen Augen entgegengesetzt ist.

Durch diese Tatsache wird aber auch zugleich die Theorie gesttitzt, die ich in der I. Mitteilung fiber den heteromorphen Kopf (Arch. f. mikr. Anatomie, Bd. 82, S. 257, 1913) angegeben habe. Dass der heteromorphe Kopf I. Ordnung die umgekehrte Richtung wie der normale Kopf einhalt, erkl~rt sich lediglich dadurch, dass ftir die Entwicklung dieses Kopfes kein anderer Platz als yon der Schnittwunde nach hinten zu tiberhaupt t~brig ist. Der so-

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4 Paul Lang:

genannte heteromorphe Doppelkopf ist nichts anderes als e i n e P l a n a r i e mi t e i n e m D o p p e l k o p f , wie sie zum Beispiel ent- steht, wenn man den Kopf eines Tieres in der $agittalrichtung yon vorn spaltet, oder wenn man an einer Seite des Kopfes einen schragen Schnitt nach hinten ftihrt. Beim ,heteromorphen Doppelkopf" fehlt eben der ganze tibrige K6rper der Planarie ausser dem Kopf. Der sogenannte heteromorphe Kopf warde- nicht nach hinten, sondern wie bei einer doppelk0pfigen Planarie. nach vorn wachsen, wenn nach vorn Platz witre. Im tibrigen: verweise ich auf die oben genannte Arbeit.

Der verletzte heteromorphe Kopf I. Ordnung bekommt all- m~thlich einen Regenerationskegel an tier Schnittflache, also an der jetzigen hinteren, frtiheren vorderen Seite. In diesem Regene- rationskegel entwickeln sich nach einiger Zeit zwei Augen (Fig. 4), und zwar bekommen sie eine Orientierung, die del:jenigen des heteromorphen Kopfes I. Ordnung gerade entgegengesetzt ist. Der Regenerationskegel bildet sich zu einem 3. Kopfe aus, dem hetero- morphen Kopf II. Ordnung. Der normale Kopf der Plalmrie hat demnach einen heteromorphen Kopt, den heteromorphen Kopf I. Ordnung, entwickelt, dieser heteromorphe Kopf ~i'iederum seiner- seits einen heteromorphen Kopf, den heteromorphen Nopf II. Ordnung.

Begreiflicherweise wird bei all diesen Entwicklungsprozessen die ganze lebendige Masse immer kleiner, well sie ja keine Nahrung auinehmen kann. Es ist nicht zu bezweifeln, dass der Prozess der Entwicklung yon immer mehr heteromorphen KSpfen unbegrenzt weiter gehen wtirde, wenn nicht die Kleinheit der zur Verfiigung stehenden lebendigen Substanz die Operation unm(iglich machte.

b) Die Nebenaugen des-heteromorphen Kopfes I. Ordnung.

In einer frtiheren Arbeit habe ich festgestellt, dass die so- genannten Nebenaugen der Planaria polychroa Schm. keine ab- normen Gebilde sind, wie die meisten Forscher annahmen, sondern dass diese Art von Augen normal bei etwa der Hitlfte der Tiere vorkommen. Es wurde besonders festgestellt, dass die Neben- augen nicht infolge von Verletzungen tier zwei Hauptaugen durch Abspaltung oder Versprengung entstehen. Auch bei der Regene- ration eines Kopfes entstehen in etwa 50 Prozent neben den zwei

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Hauptaugen noch zwei Nebenaugen vollkommen unabh~ngig yon den Hauptaugen. Diese yon mir vertretene Ansicht, dass die Nebenaugen der I)lanarien keine zuf~lligen und abaormen Gebilde sind. wurde auch dadurch gestiitzt~ dass diese Art votl Augen auch im heteromorphen Kopf vorkommen.

1)as Auftreten yon Nebenaugen im heteromorphen Kopf I. I)rdnung habe ich nun noch welter untersucht. Folgende Notizen seien mitgeteilt:

Am 18. September 1!)13 wurde eine Planarie mit zwei Haul)t- und zwei Nebenaugen gek(~pft. Der Kopf regenerierte nach hinten in gewohnter Weise eineLl heteromoL'phe~l Kopf I. ()rdnung mit zwei H~ml)taugen. Am 5. November 1913 waren ausserdem noch zwei Nebenaugen in diesem heteromorphen Kopf aufgetreten, so class ei~l vollkommetl symmetrischer boppelkotff vorlag (Textfig. 5). 1)adurch wird wieder die (ileichwertigkeit des heteromorphen Kopfes mit dem normalen Kopf dargetan.

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Eine Planarie ohne ~*ebenaugel~ wurde gekOpft. Der Kopf entwickelte nach hinten einen heteromorphen Kopf I. Ordnung mit zwei Haupt- und zwei h'ebenaugen. Dieser Fall zeigt Ver- schiedenes: Zun~chst, dass die B i l d u n g e i n e s O r g a n e s im h e t e r o m o r p h e n Kopf u n a b h ~ t n g i g war von dem e n t - s p r e c h e n d e ~ , Organ im n o r m a l e n Kopf ; dennhierwaren die ~-ebenaugen im normalen Kopf ja gar nicht vorhanden. Er ist welter ein Beteg daftir, dass die Nebenaugen eine normale Bildung sind und keine Missbildung.

Ein anderer Fall ist noch erw~hnenswert. Einer Planarie, (lie zwei Hauptaugen und ein grosses linkes ~ebenauge hatte, wurde der Kopf abgeschnitten. Es entwickelte sich ein hetero- morpher Kopf mit zwei Hauptaugen und ebenfalls einem grossen linken Nebenauge, ein Fall, der dem vorigen gerade entgegen- gesetzt ist, insofern hier im heteromorphen Kopf gerade das

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6 ]~ ul Lang:

Organ gut entwickelt wurde, das auch ira normalen KolSf vor- ztiglich vertreten war (Textfig. 6).

Endlich noch ein Beispiel eines ,,~berz~hligen" Auges in einem heteromorphen Kopf. Der normale Kopf hatte ein rechtes Nebenauge. Im heteromorphen Kopf entwickelten sich keine Nebenaugen. Dagegen trat ein Auge hinter dem rechten hetero- morphen Hauptauge auf (Texttig. 7), eiue Bildung, die ich auf zersprengte Augenteile der alten oder der heteromorphen Auge~ zurtickftihre.

c) Driisenkante, Aurikularorgan und Sinneszellen beim hetero- m o r p h e n Doppelkopf.

Dass der heteromorphe Kopf dem alten Kopf in anatomischer Hinsicht vOllig gleichwertig ist, dafiir zeugt auch das Auftreten einer Drtisenkante, die derjenigen am alten Kopf gleich ist, sowie der Aurikularsinnesorgane. Textfig. 8 stellt einen Sa~lttalschmtt durch einen heteromorphen Doppelkol)f dar. Der lleteromorplle Kopf I. Ordnung dieses Doppelkol)fes hatte zwei Angen. Einige ~ f y [a~e nach ihrem Auftreten begann auch die Entwicklung der Kopfdrtisen, und es bildeten sich zu beiden Seiten des Kopfes einige Zelien des Epithels zu I)rfisenausfiihrzellen urn, so dass eine Drfisenkante auftrat, die derjelfigen des alten Kopfes durch- aus entsprechend und symmetrisch war.

Noch sphter trat an demselben heteromorphea Kopf auch das Aurikularsinnesorgan auf in Form yon zwei schmalen, seichten Langsgruben. Sie hatten dasselbe Aussehen uad die nitmliche

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S a g i t t a l s c h n i t t durch e inen h e t e r o m o r p h e n Doppelkopf.

D ~ D a r m ~ s t e in dem rech t s ge legenen ~_ugenpigment. nD ~ normale vordere Dr i i senkan te , nS ~ , n e u e ~ Sinneszellen.

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Lage wie die Aurikularorgane beim normalen Kopf, wie ich sie an anderer Stelle angegeben habe (Zool. Anzeiger, 41, 12, 1912).

Der in der Textfigur gegebene Sagittalschnitt zeigt ferner, dass im heteromorphen Kopf auch die yon mir so genannten ,neuen" Sinneszellen auftreten, wie ich sie in einer frtiheren Mitteilung (Zeitschr. f. w. Zoologie, Bd. CV, S. 136) ftir die nor- male Planaria polyehroa Schm. beschrieben habe. Diese Sinnes- zellen haben genau dasselbe Aussehen wie diejenigen im normalen Kopfe (wo sie auch in vortiegendem Falle vorkamen). Ihre Lage dagegen ist nicht dieselbe wie diejenige im normalen Kopf. Das ist auch kaum zu erwarten, da ja tiberhaupt Lage, ja sogar Vor- kommen diesel" eigenartigen Zellen sehr unbestimmt und unregel- massig ist.

D u r c h d i e s e h i e r a n g e g e b e n e n B e o b a c h t u n g e n s ind s ~ t m t l i c h e b e i m n o r m a l e n Kol)f v o r k o m m e n d e n O r g a n e und G e b i l d e a u c h b e i m h e t e r o m o r p h e n K o p f I. O r d n u n g n a c h g e w i e s e n . Es i s t d a m i t w i e d e r u m d a r g e t a n , class w i r es im s o g e n a n n t e n h e t e r o - m o r p h e n Kopf d e r P l a n a r i e n m i t e i n e m r e g e l r e c h t e n n o r m a l e n P l a n a r i e n k o p f zu t u n h a b e n , w o d u r c h die yon uns f r t i h e r entwi, c k e l t e A n s i c h t t iber d ie Be- d e u t u n g des h e t e r o m o r p h e n K o p f e s w e l t e r g e s t i i t z t wird . d) Bemerkung iiber das Gehirn des heteromorphen Kopfes der

Planaria polychroa Schm.

Dem richtigen Verst~ndnis des heteromorphen Kopfes der Planarien steht noch immer der Mangel einer genauen Dar- stellung des heteromorphen Gehirns entgegen. Es ist vor allen Dingen das heteromorphe Gehirn mit dem normalen Gehirn zu vergleichen. Natiirlich mfisste zunitchst das letztere genau ge- kannt sein. Die Darstellung M i c o l e t z k y s vom Gehirn der Planaria polychroa Schm. ist nicht ausreichend, da er es nur nebenbei im Anschluss an eine genaue Beschreibung des Gehirns yon Planaria alpina Dana behandelt hat. Ich hatte mir vorge- nommen, die Lticken auszuftillen und dann das heteromorphe Gehirn zu behandeln. Durch den Krieg wurde die Arbeit unter- brochen. Die bisher vorliegenden Zeiehnungen will ich daher zurtickhalten und nur folgendes bemerken: Im allgemeinen ist zwar die Darstellung Mic ol e t zky s richtig; aber es geht doch

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8 Paul Lang:

nicht an, in allen Punkten die Anatomie des Gehirns der Planaria polychroa auf das yon B 6 h m i g gegebene Schema des Planarien- gehirns zu beziehen. Insbesondere muss bemerkt werden, dass mehr als drei Commissuren vorhanden sind, ganz abgesehen von den hinter dem eigentlichen Gehirn vorhandenen zahlreichen Verbindungsbrticken. Ferner sind mehr ,Sinnesnerven': vor- handen, als M i c o l e t z k y angibt, entsprechend der gr6sseren Anzahl yon ,Sinnesgrtibchen", die unten dargestellt werden.

Das heteromorphe Gehirn ist nicht stets ein genaues Abbild des normalen. Die Verschiedenheit hitngt ab von der ver- schiedenen Art, in der der Operatio~lsschnitt durch das normale Gehirn geftihrt wird. Dieses wird dutch jeden Schnitt, der zur Entwicklung eines heteromorphen Kopfes fiihrt, durchschnitten. Aus dem fibrig bleibenden Stumpf w~tchst das heteromorphe Ge- hirn heraus. Es entsteht also nicht neu ia dem jungen Regenerat, sondern stets im Anschluss an das alte Gehirn. Auf eine genaue Darstellung der Anatomie des alten und heteromorphen Gehirns, auch nut soweit ieh sie bisher festgestellt habe, will ich einst- weilen verzichten, bis ich, wie ich hoffe, spater Gelegenheit babe, die Untersuchung dartiber zu Ende zu ftihren.

e) Bemerkung iiber das Darmsystem des heteromorphen Kopfes der Planaria polychroa Schm.

Vom heteromorphen Darm gilt Ahnliehes wie yore hetero- morphen Gehirn. Auch er ist nieht ein genaues Abbild des alten Darmes. Das ist ja auch noch weniger zu erwarten wie beim Gehirn, weil die 0perationsschnitte dutch das alte Darmsystem noch verschiedener ausfallen wie beim Gehirn; denn was durch- schnitten wird, sind die vorderen Darmverzweigungen, und die sind schon bei den einzelnen Individuen sehr verschieden.

Das Darmsystem eines typischen Doppelkopfes sei im Folgenden dargestellt. Der alte Darm besteht in der Gegend des alten Gehirnstumpfes aus ftinf in der Sagittalrichtung ver- laufenden Darmasten. die sich in der Gegend des heteromorphen Gehirns zu drei Asten vereinigen. Diese drei :~ste sind nur durch ganz schmale Septen getrennt. Von ihnen aus entspringen nach hinten wieder fiinf bis sieben dtinnere Aste, die im hinteren regenerierten Gewebe blind enden. Sie zeigen nach hinten ein genau gleiches Verhalten wie die Aste vor dem alten Gehirn. Insbesondere ist nichts davon zu sehen, dass sich hinter dem

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heteromorphen Gehirn zwei Darmaste ausbilden, es laufen viel- mehr zunachst etwa sieben ~ t e nebeneinander her. Von diesen endell nacheinander zwei blind, dann wieder zwei und nochmals zwei; so dass schliesslich nut ein Ast ~ibrig bleibt; dieser ver- lauft an einer Seite des Kopfes in sagittaler Richtung und endet gleichfalls blind.

2. O b e r d ie , , S i n n e s g r f i b c h e n " d e r P l a n a r i a p o l y c h r o a S c h m .

W~threr~d nieht bei ~llen Individuen yon Planaria polychroa 5chm. die yon mir in einer friiheren ~Iitteihmg beschriebenen .,neuen" $inneszellen vorkommen, finden sich stets die '~urikular- grtibchen und die Sinnesgrfibchen.

Eine ausgewachsene, v011ig normale Planarie wurde in eine l(icke~llose Serie yon 5 # dicken Schnitten zerlegt. Jeder Schnitt wurde gen~u nach den ,neuen c' Sinneszellen durehsucht; es fand ~ich keine einzige dieser Zellen. Die Verbreitung dieser Zellen bleibt somit noch zu erforschen, ebenso ihre Bedeutung.

Ausser den besser bekannten, stets vorkommenden Aurikular- organen besitzen alle Tiere noch eine Anzahl weniger bekannter ~-;riibchen. die wir ,.Sinnesgriibchen" nennen wollen, da sie zweifellos die Bedeutung yon Sinnesorganen haben. M i c o I e t z k y gibt an, dass sich jederseits am Kopf der Planaria polychroa Schm. drei I:;rfibchen befinden, zu denen ,,Sinnesnerven" hinftihren, wie ~tuch aus dem yon ibm gegebenen Gehirnschema zu ersehen ist. t~enauere Angaben macht er nicht.

Ich babe eine Anzahl normaler Tiere speziell in bezug nut diese Organe hin untersucht. Die allgemeine Lage der Sinnes- grtibchel~ wird am einfachsten ersichtiich aus Textfig. 9. Das

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9 Querschnit t durch eine Planar ia polychroa Schm. in HShe der Augen.

O ~--- Augen, A ~ Aurikularorgan, D ~ Drfisenkante; S ~ Sinnesgriibchen.

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10 P~ul Lang:

vorliegende Exemplar besitzt jederseits zwSlf Sinnesgrfibchen. Sie stehen durch feine Nervenstrange mit dem Gehirn, bezw. dessea beiden verlangerten Stammen in Verbindung. Diese Nerven verlaufen ungefahr parallel miteinander ins Gehirn ein, nur nach aussen ein wenig divergierend. Die Grtibchen liegen auf der Bauchseite, beiderseits ausserhalb der Drfisenkante. in der Mitte zwischen Drtisenkante und ausserster K0rperkante. Sie stehen in einer Reihe parallel der Drfisenkante. Die I~eihe ist etwa 0,9 mm lang und reicht yore Ende der Aurikularorgane his fiber die Augen hinaus nahe all alas Vorderende des Tieres. Die beidea Reihen konvergieren gegen das Vorderende ein wellig. Der Ab- stand der Grtibchen vo~minander ist nicht tiberall der namliche. Es wurden Abst~inde yon 45, 54, 55, 65 und 105 ,u gemessem Im Durchschnitt betrug tier Abstand eines Grfibchens yore andern ~5 ft. Vorn ist der Abstand etwas kleiner als hinten. Die Griibchen sind rund und haben einen Durchmesser yon etwa 15 .a. Das Aussehen ist dasselbe uie das tier Aurikularorgane; nut" ~ind letztere etwas breiter und fiacher.

Nicht bei allen Individuen sind die Sinnesgriibchell so regel- miissig angeordHet, wie in Vorgehendem beschrieben. Zml~chst kommt es vor, dass nicht alle Grfibchen auf die zwei [~eihen dicht ausserhalb der beiden Drtisenkanten verteilt sind, sondern dass eine Anzahl yon Grtibchen noch welter nach aussen, ja zum Tell sogar auf der Rtickenseite des Tieres liegem Sie finden sich, ebenfalls in zwei Reihen, je eine rechts trod links, ange- ordnet, entweder genau auf den Kanten des Tieres oder etwas hbher nach der Rfickenseite zu. Auch die Zahl der Ortibchen ist nicht immer die gleiche. Bei einem Exemplar zahlte ich in den Reihen an der Ventralseite links neun, rechts siebeu Griibchen. Daftir waren die Grfibchen grSsser als gew6hnlich; sie besassen zum Tell Dm'chmesser yon 20 und 30 u. Auch waren sie nicht immer kreisrund. Einige zeichneten sich dadurch aus, dass sie aus zwei Teilen bestanden, als ob zwei Grtibchen dicht nebeneinander lagen.

Dem histologischen Aussehen nach unterscheiden sich die Sinnesgrfibchen in nichts von den Anrikularorganen.

3. Die R e g e n e r a t i o n b e i P o l y c e l i s n i g r a .

Da meines Wissens das Regenerationsverm0gen und die Art der Regeneration bei Polycelis nigra noch nicht untersucht wordel~

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ist, habe ich im Winter 1913 in Essen (Ruhr) einige Versuche dartiber angestellt, insbesondere mit Rticksicht auf den Kranz yon kleinen Augen rings um das Vorderende dieses Tieres uild zur L6sung der Frage, ob auch bei dieser Spezies ein ,,heteromorpher Kopf" auftrate.

Es zeigte sich, dass das RegenerationsvermSgen der Poly- cells nigra im allgemeinen dasselbe ist wie bei Planaria polychroa. Eiae Anzahl Polycelis nigra werden derartig gek(ipft, dass etwa der dritte Teil der Augen im Hintersttick bleiben. Nachdem die Wunde geschlossen ist, bildet sich ein typischer Regenerations- kegel, zunachst unpigmentiert. In ibm treten in der zweiten Woche am Rande ganz feine schwarze Punkte, die Anlagen der Augen, auf und zwar zuerst an tier Basis des Kegels, also an der Grenze des alten Teiles. Nach und nach erscheinen diese Punkte auch vorn; gleichzeitig werden die hinterezl grSsser. In dieser Weise wird der ganze R~xnd des Regenerationskegels yon diesen kleinen Punkten besetzt, die abet zunachst noch viel weiter auseinanderliegen als beim ausgewachsenen Tier, also welter als im alten Teile. Inzwischen hat der ICegenerationskegel die ~mrmale, eigem~rtig zugespitzte Gestalt der Spezies aagenommen. Die Pigmentierung geht vom alten Teile aus strahienf(irmig in das Regenerat.

Histologisch geht die Regeneration genau so vor sich, wie bei l'lanaria polychroa.

Die abgeschnittenen KOpfe regenerieren nach hinten einen Regenerationskegel, in dem nach etwa zwei Wochen eine Pharynx- anlage auftritt. Heteromorphe Doppelk(ipfe wurden in keinem Falle erzielt, obwohl die K(ipfe sehr kurz abgeschnitten waren.

Werden die Tiere hinter den Augen durchschnitten, so dass in den Hinterstficken keine Augen vorhanden sind, so regene- rieren die Hinterstiicke KSpfe. in denen yon hinten nach vorn Augen auftreten. In derselben Reihenfolge, in der sie auftreten, werden sie mit dem Gehirn durch Nerven verbunden.

Geschrieben im November 1914: in den Schtitzengraben (istlich Reims.

Die Originalzeichnungen sind von Herrn stud. med. K. Hii- b i n g e r ftir den Druck umgezeichnet worden.