Experimentelle Untersuchung zur Dichtigkeit von Glasleistenstößen bei Aluminiumfenstern unter...

6
Fachthemen DOI: 10.1002/bapi.201410020 74 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Bauphysik 36 (2014), Heft 2 Armin Bäumler Philipp Müller Experimentelle Untersuchung zur Dichtigkeit von Glasleistenstößen bei Aluminiumfenstern unter Berücksichtigung von Behaglichkeitsaspekten National gültige Richtlinien zur Energieeinsparung im Gebäudebe- reich verschärfen sukzessive die Anforderungen an Wärmedämm- eigenschaften und Luftdichtheit der Gebäudehülle. Bauherren, Nutzer und Investoren haben die Möglichkeit, über Differenzdruck- Messverfahren, sogenannte Blower-Door-Tests, die Luftdichtheit des fertiggestellten Gebäudes zu überprüfen. Für das Gewerk „Aluminium-Fenster und Fassaden“ wird die Luft- dichtigkeit bzw. die Fugendurchlässigkeit nach DIN EN 12207 [1] in Abhängigkeit eines Referenzdrucks klassifiziert. Aus fertigungs- technischer Sicht lassen sich bei Aluminium-Fensterkonstruktionen kleine Spalte aufgrund der „Clips-Befestigung“ der Glashalteleiste nicht vermeiden. Undichtigkeiten können durch diese Toleranzen auftreten. Nach derzeitigem Kenntnisstand, der auf Erfahrungswer- ten basiert, werden Glasleistenstoßspalte bis 0,3 mm als unkritisch hinsichtlich möglicher Luftdichtigkeiten gesehen; dies erfolgt je- doch ohne Bewertungen thermischer Behaglichkeit. Luftdichtigkeitsmessungen, die an einem Fensterprüfstand durch- geführt wurden, zeigen, dass umlaufend eingelegte Glasfalzdämm- streifen oder die Verwendung von raumseitig angeordneten Ver- glasungskeildichtungen mit Fahne die Fugendurchlässigkeit um ca. 15 % gegenüber Standardfenstern ohne zusätzliche Glasfalz- dämmung reduzieren. Somit reduzieren sich auch die Strömungs- geschwindigkeiten der ausströmenden Luft am Glasleistenspalt zum Raum hin und damit die Geschwindigkeiten im Aufenthalts- bereich im Abstand von 1 m zum Fenster. Die in diesem Beitrag vorgestellten Ergebnisse der Messungen bestärken die allgemein gültigen Erfahrungswerte und unterstrei- chen zugleich die Notwendigkeit, höchste Sorgfalt beim Zuschnitt und Einbau der Glashalteleisten zu praktizieren. So stellen Spalt- breiten von 0,3 mm und Drücke bis ca. 300 Pa keine Beeinträchti- gung der Behaglichkeit für Menschen, die sich in Fensternähe aufhalten, dar. Experimental study on the tightness of glazing bead butt joints of aluminium windows considering comfort aspects. Step by step, increasingly demanding requirements on thermal insulation and air tightness for the building envelope are set by national Energy Saving Guidance. Blower door test give building owners, users and investors the possibility to check/test the air tightness of their building. This leads to a rise in customer complaints regarding air leakiness and drafts near the windows. Users complain about discomfort at working placed close to the window area. Due to the fabrication technique of the aluminum window and the clip- ping technology of the glazing beads, small gaps at the joints are unavoidable. DIN EN 12207 [1] limits and categorized the allowa- ble joint permeability related to a reference pressure. State of knowledge based on experience evaluates joint gaps up to 0.3 mm as noncritical concerning joint permeability. However, this does not take into account the assessment on thermal comfort. Measurements carried out at a Façade- and Window Test Center show that all around glass rebate insulation and inner wedge gaskets with flaps can reduce the joint permeability by 15 percent compared to a standard window system without any additional insulation. As a consequence, the air flow rate and the air flow speed will be reduced both directly at the gap and at the occu- pied area at a distance of 1 m from the window. The results of the measurements displayed in this edition rein- force the general experience and emphasize at the same time the need to exercise particular care on fitting accuracy of glazing beads. Gaps of less than 0.3 mm on each side of the window and pressures up to 300 Pa are noncritical regarding the comfort of persons in window areas. 1 Einleitung Ein umstrittenes und kontrovers diskutiertes Thema ist die Luftdichtigkeit von Aluminiumfenstern, vor allem im Be- reich von Glasleistenstößen. Um Beschädigungen an den lackierten Oberflächen beim Einclipsen der Glashalteleisten in die Verhakungszone zu vermeiden (s. Bild 1), sind aus fer- tigungstechnischer Sicht kleine Spalte nicht zu umgehen. Für die Luftdichtigkeit von Gebäuden wird nach EnEV [2] ein n 50 -Wert 1,5 und im Passivhausbau ein n 50 - Wert 0,6 gefordert. Zielt der Bauherr auf staatliche För- derprogramme ab, ist ein Nachweis nach DIN EN 13829 [3] Bild 1.  Fensterelement aus der Serie WICONA WICLINE  evo 75, bestehend aus raumseitiger Glashalteleiste, innerer  und äußerer Verglasungsdichtung und Glasfalzdämmung Fig. 1.  Window element out of WICONA WICLINE evo 75  series, made up of frame and room sided clip-in glazing  bead, perimetric glass rebate insulation and with perimetric  internal and external wedge gasket with flaps

Transcript of Experimentelle Untersuchung zur Dichtigkeit von Glasleistenstößen bei Aluminiumfenstern unter...

Page 1: Experimentelle Untersuchung zur Dichtigkeit von Glasleistenstößen bei Aluminiumfenstern unter Berücksichtigung von Behaglichkeitsaspekten

Fachthemen

DOI: 10.1002/bapi.201410020

74 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Bauphysik 36 (2014), Heft 2

Armin BäumlerPhilipp Müller

Experimentelle Untersuchung zur Dichtigkeit von Glasleistenstößen bei Aluminiumfenstern unter Berücksichtigung von Behaglichkeitsaspekten

National gültige Richtlinien zur Energieeinsparung im Gebäudebe-reich verschärfen sukzessive die Anforderungen an Wärmedämm-eigenschaften und Luftdichtheit der Gebäudehülle. Bauherren, Nutzer und Investoren haben die Möglichkeit, über Differenzdruck-Messverfahren, sogenannte Blower-Door-Tests, die Luftdichtheit des fertiggestellten Gebäudes zu überprüfen. Für das Gewerk „Aluminium-Fenster und Fassaden“ wird die Luft-dichtigkeit bzw. die Fugendurchlässigkeit nach DIN EN 12207 [1] in Abhängigkeit eines Referenzdrucks klassifiziert. Aus fertigungs-technischer Sicht lassen sich bei Aluminium-Fensterkonstruktionen kleine Spalte aufgrund der „Clips-Befestigung“ der Glashalteleiste nicht vermeiden. Undichtigkeiten können durch diese Toleranzen auftreten. Nach derzeitigem Kenntnisstand, der auf Erfahrungswer-ten basiert, werden Glasleistenstoßspalte bis 0,3 mm als unkritisch hinsichtlich möglicher Luftdichtigkeiten gesehen; dies erfolgt je-doch ohne Bewertungen thermischer Behaglichkeit.Luftdichtigkeitsmessungen, die an einem Fensterprüfstand durch-geführt wurden, zeigen, dass umlaufend eingelegte Glasfalzdämm-streifen oder die Verwendung von raumseitig angeordneten Ver-glasungskeildichtungen mit Fahne die Fugendurchlässigkeit um ca. 15 % gegenüber Standardfenstern ohne zusätzliche Glasfalz-dämmung reduzieren. Somit reduzieren sich auch die Strömungs-geschwindigkeiten der ausströmenden Luft am Glasleistenspalt zum Raum hin und damit die Geschwindigkeiten im Aufenthalts-bereich im Abstand von 1 m zum Fenster. Die in diesem Beitrag vorgestellten Ergebnisse der Messungen bestärken die allgemein gültigen Erfahrungswerte und unterstrei-chen zugleich die Notwendigkeit, höchste Sorgfalt beim Zuschnitt und Einbau der Glashalteleisten zu praktizieren. So stellen Spalt-breiten von 0,3 mm und Drücke bis ca. 300 Pa keine Beeinträchti-gung der Behaglichkeit für Menschen, die sich in Fensternähe aufhalten, dar.

Experimental study on the tightness of glazing bead butt joints of aluminium windows considering comfort aspects. Step by step, increasingly demanding requirements on thermal insulation and air tightness for the building envelope are set by national Energy Saving Guidance. Blower door test give building owners, users and investors the possibility to check/test the air tightness of their building. This leads to a rise in customer complaints regarding air leakiness and drafts near the windows. Users complain about discomfort at working placed close to the window area. Due to the fabrication technique of the aluminum window and the clip-ping technology of the glazing beads, small gaps at the joints are unavoidable. DIN EN 12207 [1] limits and categorized the allowa-ble joint permeability related to a reference pressure. State of knowledge based on experience evaluates joint gaps up to 0.3 mm as noncritical concerning joint permeability. However, this

does not take into account the assessment on thermal comfort. Measurements carried out at a Façade- and Window Test Center show that all around glass rebate insulation and inner wedge gaskets with flaps can reduce the joint permeability by 15 percent compared to a standard window system without any additional insulation. As a consequence, the air flow rate and the air flow speed will be reduced both directly at the gap and at the occu-pied area at a distance of 1 m from the window. The results of the measurements displayed in this edition rein-force the general experience and emphasize at the same time the need to exercise particular care on fitting accuracy of glazing beads. Gaps of less than 0.3 mm on each side of the window and pressures up to 300 Pa are noncritical regarding the comfort of persons in window areas.

1 Einleitung

Ein umstrittenes und kontrovers diskutiertes Thema ist die Luftdichtigkeit von Aluminiumfenstern, vor allem im Be-reich von Glasleistenstößen. Um Beschädigungen an den lackierten Oberflächen beim Einclipsen der Glashalteleisten in die Verhakungszone zu vermeiden (s. Bild 1), sind aus fer-tigungstechnischer Sicht kleine Spalte nicht zu umgehen.

Für die Luftdichtigkeit von Gebäuden wird nach EnEV [2] ein n50-Wert ≤ 1,5 und im Passivhausbau ein n50-Wert ≤ 0,6 gefordert. Zielt der Bauherr auf staatliche För-derprogramme ab, ist ein Nachweis nach DIN EN 13829 [3]

Bild 1.  Fensterelement aus der Serie WICONA WICLINE evo 75, bestehend aus raumseitiger Glashalteleiste, innerer und äußerer Verglasungsdichtung und GlasfalzdämmungFig. 1.  Window element out of WICONA WICLINE evo 75 series, made up of frame and room sided clip-in glazing bead, perimetric glass rebate insulation and with perimetric internal and external wedge gasket with flaps

Page 2: Experimentelle Untersuchung zur Dichtigkeit von Glasleistenstößen bei Aluminiumfenstern unter Berücksichtigung von Behaglichkeitsaspekten

A. Bäumler/P. Müller · Experimentelle Untersuchung zur Dichtigkeit von Glasleistenstößen bei Aluminiumfenstern unter Berücksichtigung von Behaglichkeitsaspekten

75Bauphysik 36 (2014), Heft 2

2 Durchführung der Messung

Die Prüfungen zur Luftdichtheit von Glasleistenstößen fin-den auf einem vom Institut für Fenstertechnik Rosenheim (ift Rosenheim) zertifizierten Fensterprüfstand statt. Die Luft-dichtheitsprüfungen werden für den Druck- und Sogfall durchgeführt. Dabei variieren sowohl die Anzahl als auch die Breite der Glasleistenspalte ebenso wie die Anzahl der außen am Blendrahmen angebrachten Entwässerungsöffnungen.

Das Prüfelement ist eine Festverglasung (Serie WICONA WICLINE evo 75) mit den lichten Abmessungen von 1430 mm × 1685 mm (B × H). Die zur Klassifizierung der Dichtigkeit herangezogene Fugenlänge von 5010 mm ent-spricht der Länge der äußeren Verglasungsdichtung (Bild 1).

Die Glashalteleiste des Prüfelementes hat eine Abmes-sung von (B × H) 37 mm × 22 mm. Damit ergibt sich eine Fugenlänge am Stoß von je 59 mm. Außen sind drei Ent-wässerungsöffnungen mit einer Abmessung von jeweils

mittels Blower-Door-Test (Differenzdruck-Messverfahren) zwingend durchzuführen. Der „Blower-Door-Test“ dient dazu, die Luftdichtheit des gesamten Gebäudes zu messen, um eine Luftdichtheitsanforderung zu erfüllen und ggf. lo-kale Leckagen in der Gebäudehülle aufzufinden. Eventu-elle Undichtheiten an Glasleistenstößen und örtliche Luft-strömungen in diesem Bereich werden als Mangel der Leistungseigenschaft von Fenster- bzw. Fassadenelemen-ten angezeigt. Subjektiv empfundene Zugerscheinungen werden bei vorhandenen Spalten diesen ursächlich zuge-ordnet. Nach DIN EN 13829 [3] ist der „Blower-Door-Test“ jedoch nicht geeignet, um Aussagen über eine ausrei-chende Luftdichtheit von Fenstern, Türen und Fassaden zu treffen, da nicht die Bestimmung der Luftdichtheit einzel-ner Bauteile behandelt wird. Ein Rückschluss aus einer Leckage oder einer lokalen Bestimmung der Luftgeschwin-digkeit, wie z. B. an den Stoßfugen der Glashalteleiste bei einer einzelnen Druckstufe, führt nicht zu einer bewertba-ren Klassifizierung eines Fensters [9].

Den Verarbeitungsrichtlinien von Aluminium-System-häusern für Fenster und Fassaden ist zu entnehmen, dass Glashalteleisten für den Fensterflügel und bei Festvergla-sungen separat einzupassen sind. Aus Gründen der Syste-meinschränkung vermeiden Hersteller meist die explizite Angabe von absoluten Spaltbreiten für Glasleistenstöße, wohl wissend, dass Stöße > 0,3 mm hinsichtlich der Dich-tigkeit und des Dampfdruckausgleich als kritisch gelten.

Die RAL-GZ 695 [4] beschränkt die Spaltbildung des raumseitigen Stoßbereiches der Glashalteleisten auf maxi-mal 0,4 mm pro Stoßfuge, mit der Einschränkung, dass die Gesamtabweichung von der Solllänge nicht mehr als 0,6 mm betragen darf (Ausmittelung der Glashalteleiste auf 0,3 mm je Seite). In Sachverständigenkreisen gilt ein Spaltmaß bis 0,3 mm ebenfalls als mangelfreie Leistungserbringung.

Die in der Produktnorm DIN EN 14351 Teil 1 [5] ge-regelten Dichtheitsanforderungen für Fenster und Fassaden werden in der Systemprüfung auf Grundlage von Messwer-ten nach dem Prüfverfahren EN 1026 [6] mit einem nach Verarbeitungsrichtlinie gefertigten Fensterelement durchge-führt. Die Luftdurchlässigkeit, der sogenannte Q-Wert, wird nach DIN EN 12207 [1] in vier Klassen eingeteilt (Tabelle 1). Die Prüfung wird entsprechend von 150 Pa bis 600 Pa durchgeführt und für einen Referenzdruck von 100 Pa an-gegeben. Bei Fertigung eines Fensters gemäß den Verarbei-tungsrichtlinien eines Systemhauses erfüllt dieses Fenster ohne zusätzliche Prüfung automatisch die im Produktpass genannte Dichtigkeitsklasse gemäß Produktnorm [1].

Tabelle 1.  Referenzluftdurchlässigkeit bei 100 Pa und bei maximalen Prüfdrücken, bezogen auf die Gesamtfläche und die Fugenlänge, bei den Klassen 1 bis 4 [1]Table 1.  Reference air permeability at 100 Pa and at maximum test pressure related to the total window surface and joint length for classes 1 to 4 [1]

Dichtig-keits-klasse

Flächenbezogene Luftdurchlässigkeitbei 100 Pa[m³/(hm²)]

Fugenlängebezogene Luftdurchlässigkeitbei 100 Pa[m³/(hm)]

MaximalerPrüfdruck

[Pa]

0 nicht geprüft nicht geprüft Nicht geprüft

1 50 12,50 150

2 27 6,75 300

3 9 2,25 600

4 3 0,75 600

Tabelle 2.  Fläche der äußeren EntwässerungsöffnungenTable 2.  Drainage opening area

Anzahl Entwässe-rungsöffnungen

Fläche Entwässerungsöffnungen [mm²]

1 150

2 300

3 450

Tabelle 3.  Fläche der inneren Glasleistenspalte bei einem und bei vier SpaltenTable 3.  Area of one and four glazing bead joints

Breite Glasspalt [mm]

Fläche Glasleisten-spalt [mm²]

Fläche Glasleisten-spalt [mm²]

0,1 5,9 23,6

0,2 11,8 47,2

0,3 17,7 70,8

0,4 23,6 94,4

0,6 35,4 141,6

0,8 47,2 188,8

1 59 236

1,5 88,5 354

2 118 472

Page 3: Experimentelle Untersuchung zur Dichtigkeit von Glasleistenstößen bei Aluminiumfenstern unter Berücksichtigung von Behaglichkeitsaspekten

A. Bäumler/P. Müller · Experimentelle Untersuchung zur Dichtigkeit von Glasleistenstößen bei Aluminiumfenstern unter Berücksichtigung von Behaglichkeitsaspekten

76 Bauphysik 36 (2014), Heft 2

Druckkammer des Prüfstandes zuwenden. Beim Messauf-bau eines Glasleistenstoßes sind die übrigen drei Stoßecken luftdicht abgeschlossen. Die Untersuchung von vier Stößen erfolgt analog dazu, wobei die Spaltmaße aller vier Stöße auf das gleiche Maß justiert werden. Weiterhin werden Ver-suche mit umlaufender Glasfalzdämmung oder umlaufender innerer Verglasungskeildichtung mit Fahne durchgeführt.

Folgende Messungen sind durchgeführt worden:1. ein bzw. vier Glasleistenstöße bei Druck- und Sogprüfung a. Druckdifferenzen (±5/ ±10/ ±50/ ±100/ ±200/ ±300/

±450/ ±600 Pa)

30 mm × 5 mm vorhanden (vgl. Tabellen 2 und 3 sowie Bild 2).

Die Messungen unterteilen sich in die Untersuchung eines einzelnen Glasleistenstoßes sowie von vier Glasleis-tenstößen (Bild 3). Durch eine sogenannte Nullmessung wird die Undichtigkeit des Messaufbaus bestimmt. Dies er-folgt bei abgeklebter und luftdicht verschlossener Festvergla-sung. Die festgestellten Leckagevolumenströme werden von den Ergebnissen der Versuchsmessungen subtrahiert. Das Fenster ist dichtschließend auf dem Fensterprüfstand mon-tiert, wobei sich die äußeren Entwässerungsöffnungen der

Bild 2.  Untersuchte Fensterelemente (Festverglasungen) aus der Serie WICONA WICLINE evo 75, bestehend aus Festvergla-sung, Blendrahmen und raumseitiger Clipsglasleiste; A Standardaufbau; B mit umlaufender Glasfalzdämmung; C mit um-laufender innerer Keildichtung mit FahneFig. 2.  Examined window element out of WICONA WICLINE evo 75 series, made up of fixed glazing, frame and room sided clip-in glazing bead A, B with perimetric glass rebate insulation, C with perimetric internal wedge gasket with flaps

A B C

e

fdBild 3.  Messaufbau zur Untersuchung von einem bzw. vier variablen Glasleistenstößen mit umlaufender Glasfalzdämmung (e) oder innerer Verglasungskeildichtung (f)Fig. 3.  Measuring setup to test one resp. four different glazing bead butt-joints (glass rebate insulation (e) or gasket with flaps (f))

Page 4: Experimentelle Untersuchung zur Dichtigkeit von Glasleistenstößen bei Aluminiumfenstern unter Berücksichtigung von Behaglichkeitsaspekten

A. Bäumler/P. Müller · Experimentelle Untersuchung zur Dichtigkeit von Glasleistenstößen bei Aluminiumfenstern unter Berücksichtigung von Behaglichkeitsaspekten

77Bauphysik 36 (2014), Heft 2

b. Glashalteleisten – Spaltbreiten zwischen 0,1 und 2 mm

c. Anzahl Entwässerungsöffnungen variieren zwischen 1 und 3

d. ohne zusätzliche Falzraumabdichtung (keine Glas-falzdämmung, keine Fahnendichtung)

e. mit umlaufender Glasfalzdämmung (e) f. mit umlaufender raumseitiger Keildichtung mit

Fahne (f)

Eine auf die Fenster wirkende Windgeschwindigkeit hat einen Staudruck zur Folge. Dieser berechnet sich zu:

P P C 12

vO p2= + ρ

(1)

Der Druck PO entspricht dem atmosphärischen Druck, Cp dem Druckkoeffizienten (= 1), ρ der Dichte der Luft und v2 der Windgeschwindigkeit.

So entspricht ein Druck von 5 Pa einer Windge-schwindigkeit von 2,9 m/s, ein Druck von 600 Pa etwa 31,6 m/s (Bild 4). In realen Gebäuden entsteht auf der Luv-Seite ein Überdruck und auf der Lee-Seite ein Unter-druck. Bei der Messung auf dem Fassadenprüfstand wer-den diese beiden Effekte durch Druck- und Sogprüfung nachgebildet.

3 Messergebnisse3.1 Ein Glasleistenspalt

Die Messergebnisse der Volumenströme eines Glasleisten-spaltes und drei Entwässerungsöffnungen zeigen die Bil-der 5 und 6.

Bild 4.  Korrespondierende Windgeschwindigkeit aufgrund des wirksamen DruckesFig. 4.  Corresponding wind speed due to effective pressure

Bild 5.  Volumenstrom als Funktion der wirkenden Druck-differenz im Druckfall bei einem Glasleistenspalt und drei EntwässerungsöffnungenFig. 5.  Volumetric flow as function of effective pressure dif-ference (pressure case) with one glazing bead gap and three drainage openings

Bild 6.  Volumenstrom als Funktion der wirkenden Druck-differenz im Sogfall bei einem Glasleistenspalt und drei Ent-wässerungsöffnungenFig. 6. Volumetric flow as function of effective pressure dif-ference (depression case) with one glazing bead gap and three drainage openings

Bild 7.  Volumenstrom als Funktion der wirkenden Druck-differenz im Druckfall bei vier Glasleistenspalte und drei EntwässerungsöffnungenFig. 7.  Volumetric flow as function of effective pressure dif-ference (pressure case) with four glazing bead gap and three drainage openings

Bild 8.  Volumenstrom als Funktion der wirkenden Druck-differenz im Sogfall bei vier Glasleistenspalte und drei Ent-wässerungsöffnungenFig. 8.  Volumetric flow as function of effective pressure dif-ference (depression case) with four glazing bead gap and three drainage openings

3.2 Vier Glasleistenspalte

Analog zum Messaufbau aus Abschnitt 3.1 sind die Volu-menströme als Funktion der Druckdifferenz bei vier Glas-leistenstößen für unterschiedliche Spaltbreiten im Druck- und Sogfall in den Bildern 7 und 8 aufgetragen. Die Messun-gen wurden mit drei Entwässerungsöffnungen durchgeführt.

3.3 Vier Glasleistenspalte und Glasfalzdämmung

Analog zum Messaufbau aus Abschnitt 3.2 wird zusätzlich ein umlaufender Dämmschaum zur Abdichtung des Glasfalz-bereiches (Glasfalzdämmung) eingelegt (Bilder 9 und 10).

Page 5: Experimentelle Untersuchung zur Dichtigkeit von Glasleistenstößen bei Aluminiumfenstern unter Berücksichtigung von Behaglichkeitsaspekten

A. Bäumler/P. Müller · Experimentelle Untersuchung zur Dichtigkeit von Glasleistenstößen bei Aluminiumfenstern unter Berücksichtigung von Behaglichkeitsaspekten

78 Bauphysik 36 (2014), Heft 2

die Strömungsgeschwindigkeit 0,1–0,2 m/s nicht überschrei-ten [8].

Für die Bewertung des Komforts werden die Strö-mungsgeschwindigkeiten im Druckfall betrachtet, da es sich hierbei um Luftbewegungen handelt, die der Nutzer als unangenehm empfinden kann.

4.1 Luftgeschwindigkeit in Abhängigkeit des Abstandes zum Fenster

Die Strömungsgeschwindigkeiten sind bis zu einem Ab-stand von 1,5 m zum Glasleistenspalt berechnet worden. Bild 11 zeigt die Strömungsgeschwindigkeit bei vier Glas-leistenspalte ohne zusätzliche Glasfalzdämmung, Bild 12 bei zusätzlich eingebrachter Glasfalzdämmung. Der Druck von 100 Pa entspricht einer Strömungsgeschwindigkeit von etwa 12,5 m/s.

5 Bewertung

Folgenden Aussagen können nach Auswertung aller Mess-daten hinsichtlich der Dichtigkeit von Glasleistenspalten gegeben werden: – Die Volumenströme bei gleichen Glasleistenspalten im

Druck- und Sogfall können nahezu als identisch be-trachtet werden.

– Zwischen dem Differenzdruck und Volumenstrom in Abhängigkeit der Breite des Glasleistenspaltes besteht annähernd ein linearer Zusammenhang.

4 Luftgeschwindigkeit

Die Berechnung der Strömungsgeschwindigkeit in beliebi-gem Abstand x zur Glasleiste folgt dem Gesetz für iso-therme rechteckige Freistrahlen. Generell ist die Abnahme der Geschwindigkeit umgekehrt proportional der Wurzel aus der Entfernung x vom Auslass [7]. Die Berechnung er-folgt mit Gleichung (2), wobei vx die Strömungsgeschwin-digkeit im Abstand x, vo die Strömungsgeschwindigkeit am Auslass, h die Höhe des Auslasses, m die Mischzahl (bei großer Turbulenz 0,25, hier 0,2), x der Abstand zum Aus-lass und b die Breite des Auslasses ist:

=v

vh

m·xbh

x

o (2)

Die Strömungsgeschwindigkeit direkt an der Glasleiste vo berechnet sich aus den gemessenen Volumenströmen Vzu und der jeweiligen Fläche A der Glasleistenspalte:

=vv

AOzu

(3)

Um die Behaglichkeit der Nutzer zu gewährleisten, muss das Zugluftrisiko (der prozentuale Anteil der Personen, die sich unbehaglich fühlen) möglichst gering sein. In Abhän-gigkeit von Temperatur, Turbulenzgrad und Aktivität sollte

Bild 9.  Volumenstrom als Funktion der wirkenden Druck-differenz im Druckfall bei vier Glasleistenspalte, drei Ent-wässerungsöffnungen und umlaufender GlasfalzdämmungFig. 9.  Volumetric flow as function of effective pressure dif-ference (pressure case) with one glazing bead gap and three drainage openings and perimetric glass rebate insulation

Bild 10.  Volumenstrom als Funktion der wirkenden Druck-differenz im Sogfall bei vier Glasleistenspalte, drei Entwäs-serungsöffnungen und umlaufender GlasfalzdämmungFig. 10.  Volumetric flow as function of effective pressure dif-ference (depression case) with one glazing bead gap and three drainage openings and perimetric glass rebate insulation

Bild 11.  Strömungsgeschwindigkeit in Abhängigkeit der Spalt-breite und des Abstandes zum Fenster bei 100 Pa DruckFig. 11.  Air velocity depending on gap width and distance to the window with 100 Pa pressure

Bild 12.  Strömungsgeschwindigkeit in Abhängigkeit der Spalt-breite und des Abstandes zum Fenster bei 100 Pa Druck und umlaufender GlasfalzdämmungFig. 12.  Air velocity depending on gap width and distance to the window with 100 Pa pressure and perimetric glass rebate insulation

Page 6: Experimentelle Untersuchung zur Dichtigkeit von Glasleistenstößen bei Aluminiumfenstern unter Berücksichtigung von Behaglichkeitsaspekten

A. Bäumler/P. Müller · Experimentelle Untersuchung zur Dichtigkeit von Glasleistenstößen bei Aluminiumfenstern unter Berücksichtigung von Behaglichkeitsaspekten

79Bauphysik 36 (2014), Heft 2

[2] EnEV 2009 – Energieeinsparverordnung für Gebäude, Ver-ordnung über energiesparenden Wärmeschutz und energie-sparende Anlagentechnik bei Gebäuden, 2009.

[3] DIN EN 13829: Bestimmung der Luftdurchlässigkeit von Gebäuden, Differenzdruckverfahren. Berlin: Beuth 2000.

[4] RAL-GZ 695: RAL Gütesicherung, Fenster, Türen, Fassaden und Wintergärten. Sankt Augustin: RAL Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V. 2010-05.

[5] DIN EN 14351: Fenster und Türen – Produktnorm, Leis-tungseigenschaften – Teil 1: Fenster und Außentüren ohne Eigenschaften bezüglich Feuerschutz und/oder Rauchdicht-heit. Berlin: Beuth 2010-08.

[6] DIN EN 1026: Fenster und Türen – Luftdurchlässigkeit –Prüfverfahren. Berlin: Beuth 2000-09.

[7] Recknagel, H.: S. E. S. R., 2004. Taschenbuch für Heizung + Klimatechnik. 71. Aufl. Dortmund: Oldenburg Industrieverlag München.

[8] Dentel, A., Dietrich, U.: Thermische Behaglichkeit – Komfort in Gebäuden. Dokumentation Primero – Komfort. Hamburg, HafenCity Universität, Institut für Energie und Gebäude.

[9] IFZ info FU-02/1, Luftdichtheit von Gebäuden. Wenn der Sturm im Haus tobt. ift-Rosenheim, September 2008.

Autoren dieses Beitrages:M.Sc. Dipl.-Ing. Armin Bäumler,Dipl.-Ing. Philipp MüllerSAPA Building Systems GmbHEinsteinstraße 61, 89077 Ulm

– Bei gleicher Druckdifferenz weist ein Spalt einen höhe-ren Volumenstrom auf als vier flächenäquivalente Glas-leistenspalte.

– Die Verwendung einer Glasfalzdämmung oder Keildich-tung mit Fahne bringt eine Reduzierung des Volumen-stroms um bis zu ca. 15 %, wobei der Einfluss bei klei-nen Spaltbreiten höher ist.

– Glasleistenspalte bis 0,3 mm sind hinsichtlich des Nut-zerkomforts als unkritisch zu beurteilen.

6 Fazit

Um den Nutzerkomfort aufgrund hoher Strömungsge-schwindigkeiten im Fensterbereich nicht negativ zu beein-flussen, sollten Glashalteleisten generell genau eingepasst und ausgemittelt werden. Bei sorgfältiger handwerklicher Ausführung und Ausmittelung der Glashalteleisten sind Stöße < 0,3 mm branchenüblich und mit normalem Auf-wand ausführbar.

Die Glasfalzdämmung verringert bei kleinen Spaltma-ßen erheblich den Volumenstrom in Druck- und Sogversu-chen. Über das gesamte Spektrum betrachtet, bringt die Verwendung der Glasfalzdämmung im Druck- und Sogver-such eine Verbesserung von ca. 10 %.

Literatur

[1] DIN EN 12207: Fenster und Türen – Luftdurchlässigkeiten – Klassifizierung. Berlin: Beuth 2000-06.