Explodierende Medien

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explodierende medien Sebastian Deterding (@dingstweets) Digital Creativity Labs, University of York 10. Dezember 2016 cb

Transcript of Explodierende Medien

explodierende medien Sebastian Deterding (@dingstweets) Digital Creativity Labs, University of York 10. Dezember 2016 cb

<0> einführung

s waren einmal …

die Medien.E

das dispositiv fernsehen, ca. 1960

TV-Sender finanzieren, produzieren, und distribuieren programmierte serielle Fernseh-Sendungen per Rundfunk, die von der Familie in der Freizeit synchron gemeinsam im Wohnzimmer am Fernseher betrachtet werden.

r.i.p., fernsehen, 2016

Webserien

Online-Shops als Produzenten

Direct to IP

PC, Smartphone, Tablet, TV, Beamer

Boxed Sets

Second Screen-Livekommentare auf Twitter

Nahtlosformat mit Trailer-Skip-Funktion

Solo-Binge-Watching

das dispositiv computerspiel, ca. 1996

AAA-Studios und AAA-Publisher produzieren und distribuieren Genre-Spiele als Boxen über den Massen-Einzelhandel, die in der Freizeit zu Hause von einer Person vor dem PC oder einer Konsole diachron gespielt werden.

r.i.p., computerspiel, 2016Goldfarming

E-Sports

Virtual Item Sales

Player-Created Content

Streaming

FreemiumOnline-Distribution

Analoge Renaissance

Crowdfunding

Editor Games

Gambrische Explosion

VR, AR, Touch, Gesture-Interfaces

Smartphone, TV, Tablet, Konsole, Smart watch, …

ArtgamesAusstellungen

Notgames

Serious games Gamification

wie machen wir* aus dieser unordnung sinn?

die frage

* als Alltagsmenschen und Medienforscher

<1> Das 20. Jh. stabilisierte “Medien” als Dispositive, die von Forschung und NutzerInnen dann als Einheiten angenommen und reproduziert wurden. <2> Die Konvergenz des 21. Jh. löst “Medien” als stabile Dispositive auf. <3> (Re-)Stabilisierung geschieht um ökonomische Produktionsmodi. <4> (Re-)Stabilisierung geschieht um soziale Rahmen.

vorschau

perspektive: medien als soziomaterielle konstrukte

umstellung von essenzen auf konstruktionsprozesse

Was ist eine Nation?

Was ist Verbrechen?

wie und woraus wird “Nation” als Einheit stabilisiert?

wie und woraus wird etwas als “Verbrechen” stabilisiert?

Was ist Radio?wie und woraus wird “Radio” als Einheit stabilisiert?

<1> medien

wie und woraus wurden “medien” im 20. jh. stabilisiert?

Produktion Distribution Endgeräte RezeptionHohe riskante Investivkosten, Skaleneffekte, NetzwerkeffekteDedizierte Technik mit eingehegten Handlungsmöglichkeiten

Starke staatliche Regulierung

Konzentration, Standardisierung, Massenproduktion, Institutionalisierung

Inhalte

Raum-/zeitübergreifend homogene & stabile Infrastrukturen, Inhalte, Praxen

Klarer, stabiler, geteilter Begriff, was “Medium X” ist

das beispiel fernsehen

Produktion Distribution RezeptionEndgeräte

Wenige, dedizierte

TV-Studios

Teure, riskante

Produktion

Teure, dedizierte Sender/Kabel

Wenige, dedizierte TV-Sender

Wenige, dedizierte Massen-Hersteller

Teure, dedizierte Produktion

Massen-homogene passive Nutzung

Klarer, stabiler, geteilter Begriff, was “Fernsehen” ist

Inhalte

Wenige, serielle,

massen- kompatible TV-Formate

Staatlich kontrolliert

Staatlich kontrolliert

ganz deutschland schaut samstagsabends “wetten, dass…?”

das beispiel computerspiel

Produktion Distribution RezeptionEndgeräte

Wenige, dedizierte

AAA-Studios

Teure, riskante

Produktion

Teurer, riskanter Handelsregalraum

Wenige, dedizierte

AAA-Publisher und Einzelhändler

Wenige, dedizierte Konsolen

Teure Produktion

Massen-homogene passive Nutzung

Klarer, stabiler, geteilter Begriff, was “Computerspiel” ist

Inhalte

Wenige, massen-

kompatible Genre-Serien

Staatlich reguliert

die welt spielt “halo” auf der xbox

die medienforschung leistet ihren teil

Produktion Distribution Endgeräte RezeptionInhalte

Forschung & Lehre

Rechtsprechung

Ausbildung

Diskurse

<2> konvergenz

wie werden “die medien” im 21. jh. destabilisiert?

Produktion Distribution Endgeräte RezeptionMultiple, einfache, billige, multifunktionale Tools, Kanäle,Träger, Endgeräte

Nahe Null Grenz- & DistributionskostenAnfangs geringe staatliche Regulierung

Innovation & Diversifizierung, Prosumer-Massenkreativität, transmediale Flüsse, Technik/Inhalt-Entkopplung

Inhalte

Raum-/zeitübergreifend divergente & fluide Infrastrukturen, Inhalte, Praxen

Diffuse, fluide, divergente Begriffe, was “Medium X” ist

selbst einzelmedienangebote werden instabil

2004 2016

medienstabilität im massenmedienzeitalter

Zeit

Form

en

medienstabilität im konvergenzzeitalter

Zeit

Form

en

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wie machen wir* aus dieser unordnung sinn?

die frage

* als Medienforscher

ein erster ansatz

1. Historische und kulturelle Vergleiche denaturalisieren die Gegenwart und konturieren raumzeitlich stabile(re) Einheiten

2. Stabile(re) prozesse der Stabilisierung und Veränderung beobachten: Medienevolution, kulturelle Flüsse, …

3. Stabile(re) granulare komponenten und deren Effekte beobachten: Affordances, Produktionsmodi, Rahmen, …

umschalten auf stabilere beobachtungseinheiten

<3> produktionsmodi

ökonomie ästhetik

Tabu

»There’s no other word for it except evil.« - jonathan blow über social games

game design

game play

game design

game play

micropayment

friend recruitment

business daten

moneta risierung

free-to-play social games

ökonomische bedingungen ästhetische formen

• Freemium Zahlmodell • Game-as-a-service • Reiche Nutzerdaten • Hohe Skaleneffekte • Grosse Reichweite

• Free-to-play • Niedrige Schwierigkeit,

positive Themen • “Dark patterns” für

Akquise, Retention, Monetarisierung

• Maximiere Nutzer-Aquise und Monetarisierung

free-to-play social games

nichts neues unter der sonne

mikrotransaktion

nichts neues unter der sonne

moralische empörung

ästhetische reaktion

• Glücksspielverbot • Passanten als Zielkundschaft • Flashy Arkaden

• Skill-based play ohne Geldgewinn

• Begrenzte Versuche mit kurzer Zeit

• Leicht zu starten • Schwer zu meistern • Hoher Wiederspielwert

• Pay-per-play Zahlmodell

• Maxmiere Start- und Weiterspiel-Anreiz

• Minimiere play per pay

ökonomische bedingungen ästhetische formen

coin-op arkade

137 mio. US$ Entwicklung 128 mio. US$ Marketing 60 mio. Kopien verkauft seit 2013 1 mrd. US$ Einnahmen in den ersten drei Verkaufstagen

aaa spiele

• Einmal-Zahlen vorab • Hohe Skaleneffekte • Hohes Kaufrisiko • Gesättiger Market

Intensiv vermarktete Blockbuster-Serien, minimales Risiko

• Wenige Titel • Etablierte Genres,

Geschichten, Mechaniken • IP-Serien • Hohe Produktionswerte • Leicht vermarktbare

Features

• Hohes Risko, hohe Gewinne

ökonomische bedingungen ästhetische formen

aaa spiele

game design

game play

ökonomie

aaa spiele

labile stabilisierung um tragfähige produktionsmodi

AufmerksamkeitKapital

Produktion

Marketing

Monetarisierung

das beispiel freemium games

NutzerKapital

Polish

Ad Buys

Micropayments

das beispiel streaming

NutzerKapital

Polish, Content

Spenden, Merch, Ads

instabile “one-hit” produzenten & formate

AufmerksamkeitKapital

Produktion

Marketing

Monetarisierung

wer mehr wissen will …

<4> rahmen

“Convergence describes [...] a move from medium-specific content toward content that flows across multiple media channels.”

henry jenkins, convergence culture (2006, 243)

entkopplung von inhalt und “technik”

Produktion

Distribution Inhalte

Rezeption

Endgeräte

und was ist hiermit?

wie machen wir* aus dieser unordnung sinn?

die frage

* als Alltagsmenschen

was ist das … für uns rezipienten?

was ist das … für uns rezipienten?

eine nutzung, viele geräte & kontexte

Spiel spielen Buch lesenE-Mail schreiben

Film guckenMusik hören

ein gerät & kontext, viele nutzungen

multiple parallele nutzungen

debugging

playtesting/reviewing

making a machinima

testing screen resolution

a scientific study

learning (serious games)

sports (e-sports)

work (goldfarming)

“instrumentelles spiel”: viele nutzungsformen …

… denen definierende “spiel”-eigenschaften fehlen

“I assume that when individuals attend to any current situation, they face the question: ‘What is it that’s going on here?”

erving goffman, frame analysis (1986, 8)

A frame is “the definition of a situation: principles of organization which govern events […] and our subjective involvement in them.” erving goffman,

frame analysis (1986, 8, 10-11)

• Sozial geteilte und reproduzierte Organisationsprinzipien für Situationen

• Organisieren epistemisch (wie wir X erleben, deuten, erwarten), normativ (wie wir X einfordern und sanktionieren), und praktisch (wie wir X in Verhalten und Materie strukturieren)

• Verklammern Produzenten und Rezipienten über geteilte Erwartungen, Label: Was wir (uns) von einem “guten” X versprechen

• Historisch und kulturell kontingent und dynamisch

medien/genre-rahmen

»There’s no other word for it except evil.« - jonathan blow über social games

rahmen sind normativ

Situative Aushandlung

Gesellschaft: Institutionalisierung

Makro/StrukturPrinzip: Rahmen

Mikro/HandlungNutzungsepisode: Rahmung

strukturiert

re/produziert

Technik: Materialisierung

Gruppe: Domestizierung

Biographie: Sozialisation

rahmen und rahmung

situative rahmung

Wahrnehmung

Interpretation

Intention

(meta)komm. Handeln

RahmenEgo

Wahrnehmung

(meta)komm. Handeln

Intention

Interpretation

RahmenAlter

Affordances &Rahmensignale

Rahmung

Interpretation

IntentionRahmenProd.

Nutzerdaten

“Convergence describes [...] a move from medium-specific content toward content that flows across multiple media channels.”

henry jenkins, convergence culture (2006, 243)

frames frames

<5> fazit

<1> Recht, Technik, Ökonomie stabilisierten im 20. Jh. “Medien” als Dispositive, die von Forschung und NutzerInnen dann als Einheiten angenommen und reproduziert wurden. <2> Konvergente Digital-Technik/Ökonomie/Recht des 21. Jh. lösen “Medien” als stabile Dispositive auf. <3> (Re-)Stabilisierung geschieht um tragfähige ökonomische Produktionsmodi. <4> (Re-)Stabilisierung geschieht in und um geteilte soziale Rahmen.