F 62 Hochaufgelöste Rotation-Schwingungsspektren von C2H2 ... · Die durch das FOURIER-Integral...

23
F62-1 F 62 Hochaufgelöste Rotation-Schwingungsspektren von C 2 H 2 und C 2 D 2 1. Aufgabe Die Transmissionsspektren der Moleküle C 2 H 2 und C 2 D 2 sind mit einem FOURIER-Transform- Infrarot-Spektrometer (FT-IR) aufzunehmen. Durch Auswertung ausgewählter Rotations- Schwingungsbanden sind beide Bindungslängen im Ethin-Molekül zu bestimmen. 2. Stichworte zu Themen, über die man Bescheid wissen sollte FOURIER-Transformation, FT-IR, Energieeigenwerte, Wellenfunktion, Normalschwingungen, Rotations-Schwingungsterme, Übergangswahrscheinlichkeiten, Auswahlregeln, Einfluss des Kernspins, Isotopensubstitution. 3. Literatur 3.1 Empfehlenswerte Bücher zur Molekülspektroskopie C. N. Banwell, Fundamentals of Molecular Spectroskpy, 3 rd edition, McGraw-Hill, Maidenhead, 1983. H. Haken und H. C. Wolf, Molekülphysik und Quantenchemie, 5. Aufl., Springer- Verlag, Berlin, 2006. J. M. Hollas, Moderne Methoden in der Spektroskopie, Vieweg Verlag, Braunschweig, 1995. 3.2 Originalliteratur zum Versuch L. W. Richards, J. Chem. Educ. 43 (1966) 644. E. E. Bell, H. H. Nielsen, J. Chem. Phys. 18 (1950) 1382. T. A. Wiggins et al., J. Opt. Soc. Am. 51 (1961) 1219. T. A. Wiggins et al., J. Opt. Soc. Am. 53 (1963) 589. R. M. Talley, H. H. Nielsen, J. Chem. Phys. 22 (1954) 2030. W. J. Lafferty, R. J. Thibault, J. Mol. Spec. 14 (1964) 79. 4. Grundlagen Vorbemerkung: Ein Verständnis der im Folgenden angesprochenen theoretischen Grundla- gen über Schwingungs- und Rotationsspektroskopie in vielatomigen Molekülen ist nur mög- lich, wenn die Eigenschaften zweiatomiger Moleküle (Quantenmechanik und Spektroskopie) verstanden sind. Kraftkonstante und Bindungslänge z. B. werden im Acetylen prinzipiell nicht anders be- stimmt als beim HCl- oder CO-Molekül. Dieses Prinzip ist allerdings von Symmetriebetrach- tungen und Koordinatentransformationen verdeckt und wird bei fehlendem Verständnis in einem unübersichtlichen Formelwald verloren gehen.

Transcript of F 62 Hochaufgelöste Rotation-Schwingungsspektren von C2H2 ... · Die durch das FOURIER-Integral...

F62-1

F 62 Hochaufgelöste Rotation-Schwingungsspektren von C2H2 und C2D2 1. Aufgabe Die Transmissionsspektren der Moleküle C2H2 und C2D2 sind mit einem FOURIER-Transform-Infrarot-Spektrometer (FT-IR) aufzunehmen. Durch Auswertung ausgewählter Rotations-Schwingungsbanden sind beide Bindungslängen im Ethin-Molekül zu bestimmen. 2. Stichworte zu Themen, über die man Bescheid wissen sollte FOURIER-Transformation, FT-IR, Energieeigenwerte, Wellenfunktion, Normalschwingungen, Rotations-Schwingungsterme, Übergangswahrscheinlichkeiten, Auswahlregeln, Einfluss des Kernspins, Isotopensubstitution. 3. Literatur 3.1 Empfehlenswerte Bücher zur Molekülspektroskopie

• C. N. Banwell, Fundamentals of Molecular Spectroskpy, 3rd edition, McGraw-Hill, Maidenhead, 1983.

• H. Haken und H. C. Wolf, Molekülphysik und Quantenchemie, 5. Aufl., Springer-Verlag, Berlin, 2006.

• J. M. Hollas, Moderne Methoden in der Spektroskopie, Vieweg Verlag, Braunschweig, 1995.

3.2 Originalliteratur zum Versuch

• L. W. Richards, J. Chem. Educ. 43 (1966) 644. • E. E. Bell, H. H. Nielsen, J. Chem. Phys. 18 (1950) 1382. • T. A. Wiggins et al., J. Opt. Soc. Am. 51 (1961) 1219. • T. A. Wiggins et al., J. Opt. Soc. Am. 53 (1963) 589. • R. M. Talley, H. H. Nielsen, J. Chem. Phys. 22 (1954) 2030. • W. J. Lafferty, R. J. Thibault, J. Mol. Spec. 14 (1964) 79.

4. Grundlagen Vorbemerkung: Ein Verständnis der im Folgenden angesprochenen theoretischen Grundla-gen über Schwingungs- und Rotationsspektroskopie in vielatomigen Molekülen ist nur mög-lich, wenn die Eigenschaften zweiatomiger Moleküle (Quantenmechanik und Spektroskopie) verstanden sind. Kraftkonstante und Bindungslänge z. B. werden im Acetylen prinzipiell nicht anders be-stimmt als beim HCl- oder CO-Molekül. Dieses Prinzip ist allerdings von Symmetriebetrach-tungen und Koordinatentransformationen verdeckt und wird bei fehlendem Verständnis in einem unübersichtlichen Formelwald verloren gehen.

F62-2

4.1 Das FT-IR Experiment 4.1.1 Die FOURIER-Transformation Die FOURIER-Transformation kann im Rahmen dieser Versuchsanleitung natürlich nicht im Detail behandelt werden. Deshalb sei ausdrücklich auf die Literatur verwiesen.1 Das Thema wird auch gelegentlich im Seminar des F-Praktikums behandelt. Erfüllt eine periodische Funktion die DIRICHLETschen Bedingungen, so lässt sie sich als FOU-RIER-Reihe darstellen:

∑∞

−∞=⎟⎠⎞

⎜⎝⎛=

νν

νπ xl

icxf exp)( , (1)

mit ν: Laufindex, l: Periode der Funktion. Die Entwicklungskoeffizienten cν ergeben sich zu:

∫∞

∞−

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛−= dxx

lixf

lc νπν exp)(

21 . (2)

Sind die Koeffizienten cν ermittelt, kann die Funktion f(x) aus den harmonischen Funktionen exp(iνπx/l) zusammengesetzt werden. Ist die Funktion f(x) nicht periodisch (oder anders gesagt: ist die Periode gerade Unendlich), so lässt sie sich nicht mehr als FOURIER-Reihe darstellen. Man kann sie aber als FOURIER-Integral darstellen:

∫∞

∞−

= dkikxkcxf )exp()(21)(π

. (3)

Anstelle diskreter Werte für cν erhält man hier ein kontinuierliches Koeffizientenspektrum:

( )∫∞

∞−

−= dxikxxfkc exp)(21)(π

. (4)

Die durch das FOURIER-Integral vermittelte Integral-Transformation wird als FOURIER-Transformation bezeichnet. Allgemein gilt für die FOURIER-Transformierte f(y) einer Funktion F(x):

∫∞

∞−

∞−

−=

=

dyixyyfxF

dxiyxxFyf

)exp()(21)(:tionTransforma-Fourier Inverse

)exp()(21)(:tionTransforma-Fourier

π

π . (5)

Die Produkte der Variablenpaare xy müssen dimensionslos sein. Folgende Variablenpaare treten häufig auf: Zeit ↔ Frequenz, Ort ↔ Wellenvektor (Impuls).

1 H. G. Zachmann, Mathematik für Chemiker, 5. Auflage, VCH, Weinheim, 1994; E. O. Brigham, FFT - Schnel-le Fourier-Transformation, Oldenbourg, Wien, 1989.

F62-3

4.1.2 Das FT-IR Gerät Ein FT-IR Gerät besitzt im Gegensatz zu konventionellen Spektrometern kein Dispersions-element (Prisma, Gitter). Wichtigstes Bauelement ist ein MICHELSON-Interferometer wie es in Abbildung 1 dargestellt ist. Hauptbestandteile sind ein feststehender Spiegel, ein Strahlteiler und ein beweglicher Spiegel. Die Achsen zu den beiden Spiegeln werden als Arme des Interferometers bezeichnet. Das Licht aus der Quelle fällt auf den Strahlteiler; ein Teil des Lichts erreicht den festen Speigel 1, der andere den beweglichen Spiegel 2. Im Strahlteiler interferieren die an den Speigeln reflek-tierten Strahlen der beiden Interferometerarme. Dieses Interferogramm wird als Funktion des Verschiebeweges auf den Detektor abgebildet. Die Probe kann vor oder hinter dem Interfero-meter im Stahlengang positioniert sein. Angenommen, es erreiche monochromatische Strahlung (nur eine Frequenz) den Detektor, so lässt sich das Detektorsignal I(t) einfach vorher sagen: bewegt sich der Spiegel mit der Ge-schwindigkeit υs, so wird die Strecke einer ganzen Wellenlänge in der Zeit

sT υ

λ= zurückge-legt. In dieser Zeit wird eine ganze Periode I(t) beobachtet. Die Frequenz, mit der sich I(t) ändert, ist νυλ

υ ~ss

sf == . I(t) lautet also (siehe Abbildung 1b):

)2cos()( tfAtI sπ= . (6) Lässt die Probe nun Strahlung verschiedener Frequenzen entsprechend der Durchlässigkeit D(fs) passieren, so muss über dieses kontinuierliche Frequenzspektrum aufsummiert werden (Übergang der diskreten Summation in kontinuierliche Integration):

∫∞

=0

)2cos()()( sss dftffDtI π . (7)

Der Vergleich mit der Definition der FT zeigt, dass dies gerade der Realteil der FT von D(fs) ist:

{ }[ ])(Re)( sfDFTtI = . (8) Aus Symmetriegründen gilt ebenso:

∫∞

∞−

= sss dftffDtI )2exp()()( π . (9)

D(fs) kann nun durch FT aus I(t) erhalten werden:

∫∞

∞−

−= dttftIfD ss )2exp()()( π . (10)

Das Interferogramm I(t) ist eine kontinuierliche Funktion. Um diese im Rechner digital verar-beiten zu können, wird sie in möglichst viele [t, I(t)]-Datenpaare aufgeteilt. Dazu tastet der Rechner das Signal in Intervallen der Länge T ab und registriert die dazu gehörigen Werte I(Ti).2 Auf diese diskreten Wertepaare muss nun die diskrete FT angewandt werden: 2 Abtasttheorem, siehe weiterführende Literatur oder Praktikumsvortrag

F62-4

∑−

=⎟⎠⎞

⎜⎝⎛Δ=Δ

1

02exp)()(

N

n NnkiTnIkD πν . (11)

Die kontinuierlichen Variablen T und ν werden durch die diskreten Stützpunkte n·ΔT und k·Δν ersetzt. Die Auflösung eines so errechneten Spektrums wird durch die Größe des Abtastinter-valls auf der Zeitebene bestimmt:

TNΔ

∝Δ1ν . (12)

Auch wenn die genaue Form des Spektrums nicht ohne numerische Berechnung (unter Ver-wendung geschickter „Fast-FOURIER-Transformations“-Algorithmen (FFT), die die Zahl der komplexen Sinus/Cosinus-Multiplikationen verringern) aus dem Interferogramm erhältlich ist, können doch einige einfache Zusammenhänge zwischen Spektrum und Interferogramm qualitativ angegeben werden:

• Wie aus Abbildung 1b ersichtlich ist, führt eine endliche Linienbreite, wie sie in Spektren immer zu finden ist, zu einer Dämpfung der Einhüllenden des Interfe-rogramms: Je größer die Linienbreite, desto stärker die Dämpfung.

• Die Halbwertsbreite von Einhüllender des Spektrums und Interferogrammpeak sind umgekehrt proportional zueinander: Das Interferogramm einer breitbandigen Strah-lungsquelle besitzt einen sehr scharfen zentralen Peak.

• Die Höhe des Interfergrammmaximums ist gleich der mittleren spektralen Intensität des gesamten Spektrums.

F62-5

Abbildung 1: (a) Schemazeichnung eines Interferometers; (b) Beispiele für Spektren mit

zugehörigem Interferogramm.

F62-6

4.2 Normalschwingungen Zweiatomige Moleküle Nimmt man als Modell für ein zweiatomiges Molekül einen harmonischen Oszillator an, so liefert die Lösung der SCHRÖDINGER-Gleichung im Rahmen der BORN-OPPENHEIMER-Näherung exakte Lösungen für die Lage der Energieniveaus (E=ћω(v+½)) und die analyti-sche Form der Wellenfunktionen der einzelnen Schwingungsniveaus (HERMITEsche Polyno-me). Moleküle mit mehr als zwei Atomen Wie sind die Schwingungen in einem Molekül zu beschreiben, welches aus mehr als zwei Atomen besteht? Die vielen denkbaren Schwingungen in einem System elastisch gekoppelter Massenpunkte lassen sich als lineare Überlagerung der möglichen Normalschwingungen des Systems be-schreiben. Um zu diesen Normalschwingungen zu gelangen, wird zunächst eine klassische Betrachtung durchgeführt: Um die Lage von N Atomen im Raum zu beschreiben, sind 3N Koordinaten notwendig. Wird für die Wechselwirkung zwischen den Atomen ein harmoni-sches Potenzial angenommen, so übt das Atom k auf das Atom i die Kraft kiki xaF ~= aus ( ika~ : Kraftkonstante, xk: Auslenkung des Atoms k). Alle Atome üben auf das Atom i die Gesamt-kraft Fi aus:

∑−= kiki xaF ~ . (13)

Setzt man nun für alle Atome die NEWTONschen Bewegungsgleichungen an, so führt dies zu einem System gekoppelter Differenzialgleichungen, welches die Bewegung aller Atome be-schreibt:

.0~

0~

33

11

=+

=+

k kNkN

k kk

xaxm

xaxm

&&

M

&&

Dividiert man nun jede Zeile durch die Masse mi und stellt das Gleichungssystem in Matri-zenschreibweise3 dar, so erhält man:

jiji xAx =&& . (14) Normalkoordinaten Das Gleichungssystem muss nun entkoppelt, d. h. dergestalt umgeformt werden, dass in der Zeile i auch nur der Indes (die Koordinate) i vorkommt. Zu diesem Behufe werden die soge-nannten Normalkoordinaten qj eingeführt:

jiji qBx = . (15)

3 Skalare erhalten keinen Index, Vektoren einen und Matrizen dero zwei.

F62-7

Die Matrix Bij ist nun so zu wählen, dass Bij–1AijBij eine Diagonalmatrix Λij liefert. Als Ergeb-

nis dieser Normalkoordinatentransformation erhält man das entkoppelte Gleichungssystem:

jiji qq Λ=&& . (16) Jede Zeile gibt nun die Bewegungsgleichung in Normalkoordinaten an. Ein Molekül aus N Atomen muss mit 3N Normalkoordinaten beschrieben werden. Dabei sind drei Koordinaten zur Beschreibung der Translation notwendig, drei (zwei) weiter für die Ro-tation um die Hauptachsen eines nicht-linearen (linearen) Moleküls. Alle anderen Koordina-ten kennzeichnen die gleichphasigen Schwingungen aller Atome und werden als Normal-schwingungen bezeichnet. Normalschwingungen ergeben sich als Spektrallinien aus der FOU-RIER-Analyse der betrachteten Bewegung und können bei nicht zu starker Auslenkung (Ver-meidung von Nichtlinearitäten) vollständig entkoppelt voneinander angeregt werden. Die Lage der Energieniveaus solcher Normalschwingungen vielatomiger Moleküle ergibt sich unter Berücksichtigung des Entartungsgrades di in ähnlicher Weise wie beim harmonischen Oszillator:

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ +==→⎟

⎠⎞

⎜⎝⎛ +=

2v~)v()v(

2v)v( i

iii

ii

iiid

hcEGdhE νν . (17)

Achtung, nicht verwechseln: νi Schwingungsfrequenz der i-ten Normalschwingung, vi Quan-tenzahl der i-ten Normalschwingung. iν

~ Schwingungsfrequenz in Wellenzahleinheit (cm–1). Es ist allerdings nicht einfach, analytische Ausdrücke für die Wellenfunktionen Ψ(vi) dieser Normalschwingungen anzugeben. Abbildung 2 zeigt die Normalschwingungen des C2H2. Bezeich-

nung ν~ /cm-1 Irreduzible Darstellung

Infrarot- aktiv

Raman- aktiv

Symmetrische CH-Streckschw. ν1 3374 +

gσ Nein Ja

CC-Streckschw. ν2 1974 +gσ Nein Ja

Antisymmetrische CH-Schreckschw. ν3 3287 +

uσ Ja Nein

Trans- Biegeschwingung (zweifach entartet)

ν4 312 gπ Nein Ja

Cis- Biegeschwingung (zweifach entartet)

ν5 729 uπ Ja Nein

Abbildung 2: die fünf Normalschwingungen von C2H2 Kombinationsschwingungen Zusätzlich zu den eben genannten Normalschwingungen wird bei vielatomigen Molekülen auch eine große Anzahl von sogenannten Kombinationsschwingungen beobachtet. Die Bezei-

F62-8

chung ν1+ν2 bedeutet dabei, dass eine Schwingung bei der Frequenz beobachtet wird, die der Summe der Frequenzen der Normalschwingungen ν1 und ν2 entspricht. Ein Energiequant regt also beide Schwingungen simultan an. Die Wellenfunktion Ψ1,5 des angeregten Schwingungs-niveaus ist eine Linearkombination von Ψ1 und Ψ5. Ebenso wie bei zweiatomigen Molekülen treten auch bei Normalschwingungen Obertöne auf, d. h. (nahezu) ganzzahlige Vielfache der entsprechenden Frequenz des Grundtons. 4.3 Rotations-Schwingungsniveaus Die Quantenmechanik liefert für die Energie eines um eine Achse rotierenden Teilchens fol-genden Ausdruck:

)1(8

)J( 2

2

+= JJI

hEπ

, (18)

mit J: Rotationsquantenzahl; I: Trägheitsmoment des Moleküls. Die in der Spektroskopie übliche Einheit cm–1 (sprich: reziproke Zentimeter) und den Rotati-onsterm F(J) erhält man durch Division mit hc:

)1()1(8

)()( 2 +=+== JBJJJcI

hhc

JEJFπ

, (19)

mit B: Rotationskonstante (in cm–1). Bei zweiatomigen und bei linearen mehratomigen Molekülen liegen die zwei Rotationsachsen senkrecht zur Molekülachse und haben das gleiche Trägheitsmoment. Die dritte Achse ent-spricht der Molekülachse. Diese Rotation wird nicht angeregt, da das Trägheitsmoment prak-tisch verschwindet und B somit gegen Unendlich strebt. Die Rotationsachsen nichtlinearer Moleküle entsprechen den sogenannten Hauptachsen des Moleküls. Diese können durch eine der Normalkoordinatenanalyse ähnliche Vorgehensweise erhalten werden. Rotationsschwingungskopplung Rotation und Schwingung sind in jedem Molekül gekoppelt, d. h. zu jedem Schwingungsni-veau gehört ein Satz Rotationsniveaus. Man kann also den Schwingungszustand eines Mole-küls i. A. nicht ändern, ohne gleichzeitige Änderung des Rotationszustands. Die zugehörigen Rotations-Schwingungsterme S(vi,J) sind unter Berücksichtigung der Schwingungsterme G(vi) wie folgt gegeben:

)()v(),v( v JFGJSiii += . (20)

Abbildung 3 zeigt das Termschema für die Rotations-Schwingungsbande eines linearen Mo-leküls.

F62-9

Abbildung 3: Termschema eines linearen Moleküls. Ist z. B. Δv=1 und ΔJ=1 erlaubt, so erhält man für die Rotations-Schwingungslinie im Spekt-rum:

BBJi 22~~ ++=νν . (21) Für Δv=1 und ΔJ=–1 gilt entsprechend:

BJi 2~~ −=νν . (22) Die Serie der Absorptionslinien mit ΔJ=1 wird als R-Zweig, die mit ΔJ=–1 wird als P-Zweig bezeichnet. Ist zusätzlich noch ΔJ=0 erlaubt, so ist ein sogenannter Q-Zweig bei der Wellen-zahl iν

~ des reinen Schwingungsübergangs zu beobachten. Bild 4 zeigt ein IR-Spektrum von HCl (Q-Zweig verboten).

Abbildung 4: IR-Spektrum von HCl.

F62-10

Anharmonizität und Zentrifugaldehnung Bisher wurde von folgenden Näherungen ausgegangen:

• Harmonischer Oszillator zur Beschreibung der Schwingung im Molekül • Starrer Rotator zur Beschreibung der Rotationsbewegungen des Moleküls

Lässt man eine realistischere Beschreibung der Molekülbewegungen zu, so ist bei den Schwingungstermen die Anharmonizität, bei den Rotationstermen die Zentrifugaldehnung zu berücksichtigen. Das anharmonische Potenzial bedingt auch, dass Rotation und Schwingung nicht mehr als unabhängig voneinander betrachtet werden können (Addition der Terme, s. o.), sondern es muss vielmehr die wechselseitige Rotations-Schwingungskopplung berücksichtigt werden. Aussagen über die Anharmonizität erhält man sinnvoll aus Elektronen-Schwingungsspektren im UV-VIS-Spektralbereich, die das Studium einer ganzen Serie von Schwingungszuständen ermöglichen (siehe Versuch F 61). Bei der Anregung mit infraroter Strahlung sind gemäß der Boltzmann-Verteilung häufig Anregungen nur aus dem Schwingungsgrundzustand in den ersten angeregten Zustand (Grundton), sowie Obertöne zu beobachten. Die Anharmonizität der Schwingungsbewegung macht sich nun einerseits durch die Existenz der Obertöne be-merkbar, andererseits durch die Vergrößerung der mittleren Bindungslänge mit der Schwin-gungsquantenzahl vi. Damit ist natürlich auch die Rotationskonstante B eine Funktion der Schwingungsquantenzahl:

∑ ⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ +−=

i

iiiei

dBB2

v)v( α , (23)

mit αi: Rotationsschwingungskopplungskonstante der i-ten Normalschwingung, di: Entar-tungsgrad dieser Normalschwingung, Be: Rotationskonstante im hypothetisch schwingungslo-sen Zustand. Die mit der Quantenzahl zunehmende Rotationsenergie sorgt dafür, dass das Molekül quasi gedehnt wird, d. h. das Trägheitsmoment I wird größer. Das kann man dadurch berücksichti-gen, indem man den Rotationsterm F(J) in einer Reihe von J(J+1) entwickelt. Berücksichtigt man nur das quadratische Glied ergibt sich:

22 )1()1()( +−+= JDJJBJJF . (24) Dabei ist D die Zentrifugaldehnungskonstante und hat typischerweise den Wert 10–6·B (Grö-ßenordnung von B: ca. 1 cm–1). Aus dem Rotations-Schwingungsspektrum kann B(v) ermittelt werden. Bindungslängen, die aus B(0) ermittelt werden, unterscheiden sich von denen, die aus Be ermittelt werden, da bei B(0) noch über die Nullpunktsschwingung gemittelt wird. Um die Gleichgewichts-Bindungslängen zu erhalten ist Be erforderlich. Die Unterschiede zwischen Be, B(0) und B(1) sind recht subtil. Sie liegen oft im Rahmen der Fehlermargen der Röntgenbeugung, können aber mit Hilfe der Mikrowellenspektroskopie detektiert werden. Bei der Indizierung und Auswertung einer Schwingungsbande im Spektren ist es üblich, eine Eigenschaft X des Schwingungsgrundzustands mit X'' und die des schwingungsangeregten Zustands mit X' zu bezeichnen. Also beispielsweise die beiden Rotationskonstanten B'' und B'.

F62-11

Wie aus dem Termschema ersichtlich ist, haben folgende Linien einen gemeinsamen oberen Rotationszustand:

[ ] [ ])1(~und)1(~ +− JPJR νν . (25) Die Funktion

[ ] [ ] ( )21

2 4)1(~)1(~)( +′′=+−−=Δ ′′ JBJPJRJF νν (26) hängt dann ausschließlich von der Rotationskonstante im Schwingungsgrundzustand ab. Ent-sprechend erhält man B' aus der Funktion4

[ ] [ ] ( )21

2 4)(~)(~)( +′=−=Δ′ JBJPJRJF νν , (27) da die Linien aus P- und R-Zweig mit gleichem J einen gemeinsamen unteren Rotationszu-stand haben. Die Lage der reinen Schwingungszustände ergibt sich zu:

[ ][ ] BP

BR

i

i

′′+=

′−=2)1(~~2)0(~~

νννν (28)

(29) Wird zusätzlich noch die Zentrifugaldehnung berücksichtigt, so lauten die Funktionen:

3

21

21

2

321

21

2

)(8))(64()(

)(8))(64()(

+′−+′−′=Δ′

+′′−+′′−′′=Δ ′′

JDJDBJF

JDJDBJF (30)

4.4 Auswahlregeln Welche Änderungen der Quantenzahlen J und v sind nun für die Absorption eines Energie-quants in Abhängigkeit von der Symmetrie des Moleküls erlaubt? Übergangswahrscheinlichkeiten Um diese Frage beantworten zu können, greift man auf die Ergebnisse der zeitabhängigen Störungstheorie zurück: Wirkt auf ein Molekül, welches sich in einem Zustand k befindet ein zeitabhängiges elektromagnetisches Dipolfeld (also z. B. ein Lichtstrahl), so gilt für die Wahrscheinlichkeit, dass das Molekül ein Energiequant des elektromagnetischen Feldes ab-sorbiert und in den Zustand l übergeht, folgender Ausdruck:

2)(2

kllk EW ϕϕρπ μh

= , (31)

ρ(E): Energiedichte des elektromagnetischen Feldes,

4 Der Index 2 bezieht sich darauf, dass bei der Differenzbildung Rotationsniveaus eingehen, die sich in der Quantenzahl J um 2 unterscheiden.

F62-12

φk, φl: zeitunabhängige Wellenfunktionen. μ: Dipoloperator (er beschreibt, wie sich das Dipolmoment des Moleküls bei der Bewe-gung entlang der Ortskoordinaten ändert. Er ist i. A. keine triviale Funktion, sondern wird als TAYLOR-Reihe um die Gleichgewichtslage approximiert). Das Integral kl ϕϕ μ bestimmt, ob Gleichung (31) einen von Null verschiedenen Wert er-gibt. Beispielsweise für den zweiatomigen harmonischen Oszillator kann man dieses Integral analytisch lösen und erhält die bekannten Auswahlregeln:

Allgemein: 0≠dxdμ (Das Dipolmoment muss sich beim Übergang ändern)

Speziell: 1v ±=Δ Symmetriebetrachtungen Sind die Wellenfunktionen φl und φk der Rotationsschwingungsniveaus nicht explizit bekannt, so helfen bisweilen Symmetriebetrachtungen5 weiter. Entscheidend ist dabei folgende Betrachtung: Jede Normalkoordinate qi und jede Wellenfunk-tion, die Produkte von Normalkoordinaten beinhalten, muss unter den Symmetrieoperationen des Moleküls (Rotation, Spiegelung etc., zusammengefasst in für das Molekül charakteristi-schen Charaktertafeln) genauso transformieren wie das Molekül in seiner Punktgruppe selber. Die Wellenfunktion in Normalkoordinaten für den Grundzustand des C2H2 beispielsweise ist von ∑+

−g

Symmetrie (total symmetrisch), da sich die Wellenfunktion unter keiner der mögli-

chen Symmetrieoperationen der Punktgruppe hD∞ (für lineare symmetrische Moleküle) än-dert. Für den Übergang zwischen zwei Niveaus ist nun das Integral kl ϕϕ μ auszuwerten und die Symmetrie des Ergebnisses zu berücksichtigen. Dabei ist zu beachten, dass hier auch die Symmetrieeigenschaften des Dipoloperators (µx, µy, µz) eine Rolle spielen. Übergänge, die µz beinhalten, nennt man parallele Übergänge, solche, die µx, µy beinhalten senkrecht. In der RAMAN-Spektroskopie gelten übrigens die gleichen Argumente, nur muss dort das Dipolmo-ment durch den Polarisierbarkeitstensor ersetzt werden. Betrachtungen zur Symmetrie der Normalschwingungen linearer Moleküle liefern folgendes Ergebnis: Für Normalschwingungen, bei denen keine Änderung des Dipolmoments senkrecht zur Mole-külachse auftritt, gilt ΔJ=±1 (Parallelbanden). Es werden also ein P- und ein R-Zweig beo-bachtet. Bei Biegeschwingungen tritt ein Dipolmoment senkrecht zur Molekülachse auf. Es gilt ΔJ=±1 sowie ΔJ=0, d. h. im Spektrum werden P-, Q- und R-Zweig gefunden (senkrechte Banden). Abbildung 5 zeigt dies am Beispiel des Spektrums von HCN.

5 Hierbei ist die Vorlesung zur Gruppentheorie hilfreich. Sie wird vom Institut für Physikalische Chemie im Rahmen des Studiengangs Chemie angeboten. Es sei aber auch auf die entsprechenden Abschnitte in den ge-nannten Spektroskopiebüchern sowie auf weiter führende Literatur hingewiesen (z. B. F. Engelke, Aufbau der Moleküle, Teubner, Stuttgart, 1985)

F62-13

Um die Auswahlregeln für Kombinationsschwingungen zu ermitteln muss in jedem Fall auf die Methoden der Gruppentheorie zurückgegriffen werden.

Abbildung 5: IR-Spektrum von HCN 4.5 Isotopensubstitution: Bestimmung der Bindungslängen Wenn ein Atom durch ein Isotop ersetzt wird, so unterscheidet sich das substituierte Molekül chemisch nicht vom Ausgangsmolekül, da sich die Elektronendichteverteilung in keiner Wei-se verändert. Insbesondere bleiben die Bindungslängen im Molekül durch eine Isotopensubsti-tution unverändert. Dies haben u. a. spektroskopische Untersuchungen (Ausmessen der Rota-tionskonstante) an HCl und DCl oder an 13C16O32S, 12C16O32S und 12C16O34S ergeben (man sieht dies auch sofort daran, dass die Rotationskonstante 2B für H2 mit 121,62 cm–1 ziemlich genau doppelt so groß ist wie beim D2 mit 60,86 cm–1). Die große Genauigkeit, mit welcher man Trägheitsmomente von Molekülen aus der Messung der Rotationskonstanten B bestimmen kann, erlaubt es, das Auftrete verschiedener Isotope (natürlich oder durch Substitution) in verschiedener Weise auszunutzen:

• aus der Linienverschiebung durch Isotopensubstitution lassen sich Isotopenmassen bestimmen, wenn Moleküle mit verschiedenen Isotopen desselben Elements unter-sucht werden: Moleküle mit schwereren Isotopen ergeben einen kleineren gegenseiti-gen Abstand der Rotationslinien; siehe Abbildung 6,

• bei komplizierten Spektren mit mehreren sich überlagernden Banden kann die Linien-verschiebung durch Isotopensubstitution die Auswertung der Spektren erleichtern,

• aus den Linienintensitäten lässt sich die Isotopenhäufigkeit bestimmen. Bei mehratomigen Molekülen kann man mit Hilfe des Isotopie-Effekts auch die verschiede-nen Bindungsabstände im Molekül messen. Aus der Rotationskonstante von C2H2 erhält man zunächst das Trägheitsmoment, welches die Rotation um die Achse beschreibt, die senkrecht zur Bindungsachse durch den Schwerpunkt des Moleküls verläuft (siehe Abbildung 7).

F62-14

Abbildung 6: Termschema für 12CO und 13CO (schematisch, die Verschiebung ist übertrie-ben dargestellt).

Abbildung 7: Struktur von C2H2. Für das Gesamtträgheitsmoment I eines Moleküls mit den verschiednen Atomen i in der Ent-fernung ri vom Schwerpunkt gilt dann:

∑=i

iirmI 2 . (32) Da Acetylen (Ethin) ein symmetrisches Molekül mit Schwerpunkt im Inversionszentrum ist, ist der Ansatz (32) besonders übersichtlich. Man erhält zwei Gleichungen, eine für das Träg-heitsmoment von C2H2 und eine für das Trägheitsmoment von C2D2 mit den Abständen rH, rD und rC jeweils vom betreffenden Atom zum Schwerpunkt des Moleküls gemessen. Wie be-reits oben erwähnt gilt nun: rH=rD. Da man zwei Gleichungen mit den zwei Unbekannten rH und rC vorliegen hat, kann man problemlos die interessierenden Größen rC–C sowie rC–H bestimmen: rC–C=2rC und rC–H=rH–rC.

F62-15

Wer sich für das etwas komplexere Beispiel der Bindungslängenbestimmung im OCS interes-siert, sei auf das Buch von Haken und Wolf verwiesen (S. 169ff, in der zitierten Ausgabe). 4.6 Kraftkonstanten in vielatomigen Molekülen Aus den Schwingungsfrequenzen der Normalschwingungen kann man die Kraftkonstanten für die verschiedenen Bindungsdehnungen und –deformierungen berechnen. In der Näherung des harmonischen Oszillators kann man die potenzielle Energie U von C2H2 wie folgt darstellen:

21212122

212

12212

22

121 )()()( δδδδ δδδ krrRkrrkkRkrrkU rRrrRr ++++++++= , (33a)

wobei sich r bzw. R auf die Streckung der CH– bzw. der CC–Bindung beziehen und δ die Abweichung des H–C–C Winkels von seinem Gleichgewichtswert angibt. Die Konstanten krr, krR und kδδ sind ein Maß für die Kopplung der verschiedenen Schwingungskoordinaten und sin i. A. klein gegen die Hauptkraftkonstanten kr, kR und kδ. Die Normalschwingungen werden durch Kombinationen der Koordinaten r, R und δ beschrie-ben. Diese Kombinationen müssen so gewählt sein, dass sie die gleiche Symmetrie aufweisen wie die Normalschwingung. Konsequenterweise ist deshalb eine Mischung zwischen Stre-ckung entlang der Achse und senkrechten Biegeschwingungen verboten. Der Ausdruck für die potenzielle Energie enthält demzufolge keine Kreuzterme wie rδ oder Rδ. Die bereits er-wähnte Normalkoordinatenanalyse, d. h. die Lösung der NEWTONschen Bewegungsgleichun-gen ergibt für Acetylen folgende Beziehungen zwischen Kraftkonstante und Frequenz der Fundamentalschwingungen (man vergleiche mit dem Ergebnis für zweiatomige Moleküle):

[ ]

( )

2

1125

2

221

224

2

1123

2

222

221

2

1122

221

2

)(4

1)(4

))((4

)/(2)(244

/)2(2))((44

CH

mm

C

RR

HCH

mmrrr

CHrRRrrr

CrRrmmrrr

Rkk

mmRkk

kk

mmkkkk

mkkkk

CH

CCCH

CH

CH

++=

⎥⎥⎦

⎢⎢⎣

⎡ ++−=

+−=

−+=

−+++=+

δδδ

δδδ

νπ

νπ

νπ

νπνπ

νπνπ

(33b)

Zur Berechnung der Kraftkonstanten benötigt man nun lediglich die mit Hilfe der Isotopen-substitution erhaltenen Bindungslängen. Wenn man die Frequenzen in reziproken Zentimetern einsetzt und die Massen in atomaren Masseneinheiten (amu), so sollte 4π2 ersetzt werden durch 4π2c2N0

–1=5,892×10–5. Die Kraftkonstanten für die Streckschwingungen ergeben sich dann in der Einheit N/m, die für die Biegeschwingungen in Nm. 4.7 Einfluss des Kernspins auf die relative Intensität der Spektrallinien Kernspin und magnetisches Moment treten natürlich auch bei Molekülen mit der Elektronen-hülle in Wechselwirkung (Atome: anomaler ZEEMAN-Effekt). Die hierdurch hervorgerufene Hyperfeinstruktur von Spektrallinien kann mit Hilfe hochauflösender Spektroskopie nachge-wiesen werden, soll hier aber nicht erörtert werden. Was auch in den Spektren beobachtet werden kann, die in diesem Versuch aufgenommen werden, ist das auffällige Intensitätsmuster der meisten Rotationsschwingungsbanden von

F62-16

C2H2 und C2D2. So sind die Linien von C2H2 mit ungeradem J'' um den Faktor 3 intensiver als die mit geradem J'' (beim C2D2 ist es gerade umgekehrt). Hier wird der Einfluss des Kern-spins von H bzw. D auf den Rotationsübergang deutlich. Die Gesamtwellenfunktion Ψv,J wird in der Produktnäherung wie folgt beschrieben:

JJ ΨΨ=Ψ vv, . (34) Berücksichtigt man zusätzlich den Kernspin, so wird die Gesamtwellenfunktion Ψ zu:

nsJΨΨΨ=Ψ v , (35) mit der Kernspinwellenfunktion Ψns. C2H2 hat zwei H-Atome, die äquidistant zum Schwerpunkt sind. H hat einen Kernspin von I=½ (C: I=0). Teilchen mit halbzahligem Spin nennt man Fermionen. Eine Eigenschaft von Fermionen ist es, dass die Spinwellenfunktion beim Vertauschen zweier Teilchen das Vorzei-chen ändert:

ijji ,, Ψ−=Ψ . (36) Gleichbedeutend damit ist die Aussage, dass die betrachtete Gesamtwellenfunktion antisym-metrisch ist. In unserem Fall ist diese Wellenfunktion das Produkt Ψ=ΨvΨJΨns. Das Produkt zweier antisymmetrischer Wellenfunktionen ist symmetrisch. Es ist nun darauf zu achten, dass die Gesamtwellenfunktion Ψ antisymmetrisch ist. Beispiel Geht man davon aus, dass Ψv symmetrisch ist, so kann eine symmetrische Ψns-Funktion nur mit einer antisymmetrischen ΨJ-Funktion kombiniert werden (und umgekehrt). Symmetrie der interessierenden Wellenfunktionen: ΨJ: Funktionen eines Rotationszustands mit ungeradem J sind antisymmetrisch, die mit

geradem J symmetrisch. Man erinnere sich: )exp()(cos φθ imPC n

lmlJ =Ψ . Die Symmetrieeigenschaften werden

von den assoziierten LEGENDERE-Polynomen Pln(cosθ) bestimmt. P0=1 ist symmet-

risch, P1=x antisymmetrisch, P2=½(3x2–1) symmetrisch etc. Ψns: Spinfunktionen lassen sich wie folgt darstellen:

β

α

oder:Spin

oder:Spin

2

2

↓−

↑h

h

. (37)

Folgende Spinfunktionen sind offensichtlich symmetrisch: ↑↑, ↓↓ mit:

)2()1();2()1( 21 ββαα =Ψ=Ψ nsns . (38) Für die übrigen Spinfunktionen werden anstelle von ↑↓ und ↓↑ werden folgende Line-

arkombinationen verwandt:

F62-17

[ ][ ])2()1()2()1(

)2()1()2()1(

21

4

21

3

αββα

αββα

−=Ψ

+=Ψ

ns

ns . (39)

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf die Nummer des Protons. Die Funktionen

Ψns1, Ψns2, Ψns3 sind symmetrisch, lediglich Ψns4 ist antisymmetrisch. Das Verhältnis von symmetrischen zu antisymmetrischen Kernspinwellenfunktionen beträgt also 3:1. Die Kombination mit einer antisymmetrischen ΨJ-Funktion des C2H2 (J ungerade) ergibt dann in drei Fällen die gewünschte antisymmetrische Gesamtwellenfunktion und nur in einem Fall eine symmetrische. Die Linienintensität ungerades J zu geradem J sollte also gera-de 3:1 sein. Quantitativ ist die Intensität im wesentlichen eine Funktion der Besetzung des unteren Rotationszustands. Diese Funktion besteht aus einem BOLTZMANN-Faktor, der die Besetzung des Rotationsniveaus angibt und den Entartungsfaktoren des Rotationszustands (gJ) und der Kernspinwellenfunktion (gns):

( )kTJhcBJ

JnsJ ggI )1(exp +−∝ . (40) Beim C2D2 ist die Situation gerade umgekehrt, da Deuteronen Teilchen mit ganzzahligem Spin sind (Bosonen; symmetrische Wellenfunktionen). Man mache sich die Intensitätsverteil-nung für C2D2 explizit klar und überlege, welche Verteilung man für die Linien von C2HD erwartet. 5. Die IR-Spektren von C2H2 und C2D2 Man sollte sich darüber im klaren sein, dass die Spektren von C2H2 und C2D2 noch ver-gleichsweise einfach auszuwerten sind, da die Rotationsstruktur des hier vorliegenden linea-ren Kreisels ähnlich ist wie im Falle eines linearen zweiatomigen Moleküls. Ein dreiatomiges Molekül, welches keine Vorzugsrichtung aufweist (z. B. H2O, asymmetrischer Kreisel) ergibt erheblich kompliziertere Spektren. Insbesondere nimmt die Entartung der Rotationsniveaus, die, die für die Intensitätsverteilung berücksichtigt werden muss, mit abnehmender Symmetrie zu. Die Zuordnung von Spektrallinien zu einzelnen J-Werten ist oftmals nur noch möglich durch Aufhebung der Entartung durch Anlegen eines äußeren elektrischen Feldes (STARK-Effekt). In den in der Literatur angegebenen Tabellen6 (siehe auch die Abbildung 9) sind die meisten Rotationsschwingungsbanden aufgeführt, die vermessen worden sind. Dabei bedeutet

15

14

−+νν die Anregung aus dem Grundzustand in den ersten angeregten Zustand der Kombina-tionsschwingung sowie 1

41

514 ννν −+ − die Anregung aus dem ersten angeregten Zustand von

ν4 in den ersten angeregten Zustand der Kombinationsschwingung (hochgestellter Index: Drehimpuls des Zustands). Die Auswertung der Spektren ist durch die Vielzahl der (teilweise überlappenden) Banden nicht gerade einfach. So genannte hotbands (Schwingungsanregung aus höheren Schwin-gungszuständen) liegen teilweise über den interessierenden Linien. Diese hotbands sind vor allem bei höheren Temperaturen von Bedeutung und sollten vor einer sorgfältigen Auswer-tung ausgefroren werden. 6 Bell, Nielsen (1950); Wiggins, Plyer (1963); Talley, Nielsen (1954)

F62-18

Im Verlauf dieses Versuchs soll ein genauerer Blick auf die folgenden Banden geworfen we-den:

15ν : Anregung der zweifach entarteten cis-Biegeschwingung, die neben der anti-

symmetrischen C-H Streckschwingung die einzige IR-aktive Normalschwin-gung ist. Ein Dipolmoment senkrecht zur Molekülachse bedingt die Auswahl-regeln ΔJ=0,±1 für die Rotation (volles Programm: P-, Q- und R-Zweig).

151 νν + : Kombinationsschwingung aus der oben beschriebenen Biegeschwingung und

der symmetrischen C- Streckschwingung. Symmetriebetrachtungen zeigen, dass auch hier gilt: ΔJ=0,±1. Zusätzlich ist eine Aufspaltung der J'-Niveaus zu beobachten,7 die hier allerdings nicht weiter verfolgt werden soll. Das Term-schema für diese Bande ist in Abbildung 8 gezeigt. Bemerkenwert ist, dass der Rotationszustand J=0 im Schwingungszustand v=1 aus Symmetriegründen fehlt. Deshalb beginnt der P-Zweig mit P(2)!

21 νν + : Kombinationsschwingung aus symmetrischer und antisymmetrischer C-H

Streckschwingung. Da bei dieser Schwingung kein Dipolmoment senkrecht zur Molekülachse auftritt, ist ΔJ=0 verboten!

154 νν + : Kombinationsschwingung aus den beiden Biegeschwingungen. ΔJ=±1; Paral-

lelbande.

Abbildung 8: Termschema des 1

51 νν + Rotationsschwingungsübergangs.

7 sogenanntes l-type doubling aufgrund der CORIOLIS-Kraft

F62-19

Abbildung 9: Tabelle der gemessenen Rotations-Schwingungsbanden von C2H2 und C2D2.

F62-20

6. Durchführung der Experimente 6.1 Herstellen von C2H2 und C2D2 8 Als erstes wird eine Eichmessung ohne Zelle durchgeführt. Dann wird die Zelle wie folgt mit CaC2 befüllt und gemessen.

Abbildung 9: Glasapparatur für die Erzeugung von C2H2 und C2D2 Zunächst wird die in einem der beiden Exsikkatoren befindliche Küvette mit der Aufschrift F-Praktikum: C2H2 an den Vakuumschlauch, der zum Hahn (Küv) der im Abzug aufgebauten Glasapparatur führt, angeschlossen (siehe Abbildung 9). Das blaue Manometer sowie die Lüf-tung (Schalter neben der Tür) sind einzuschalten. Sicherheitshinweise: Schutzbrille tragen! Der Druck in der Glasanlage darf nie so hoch sein, dass das Manometer diesen nicht mehr anzeigen kann (p>1300 mbar, Zeichen „I“ wird auf dem Display sichtbar). Vor Bedienen des Reduzierventils über die Folgen nachdenken: Die Funktionsweise ist genau umgekehrt wie beim Wasserhahn. Im Zweifelsfall Assisten-ten/in zu Rate ziehen.

8 Der Schritt 6.1 kann meist entfallen, da die Küvetten noch mit dem Gas befüllt sind

F62-21

Calciumcarbid reagiert heftig mit Wasser unter Bildung von brennbarem und explosionsfähi-gem Acetylen. Deshalb CaC2 von Wasser und Feuchtigkeit fernhalten. Gesamte Apparatur von Zündquellen fernhalten! Acetylen bildet explosive Acetylide mit Kupfer und Quecksilber! In das Reaktionsgefäß (Rk) wird 0,5ml H2O eingefüllt und in einem Dewar mit flüssigem Stickstoff eingefroren. Dann gibt man 2-3 Stückchen CaC2 dazu und hängt es mit dem N2 – Dewar an die Anlage. Das CaC2 muß vollständig in flüssigem N2 hängen. Man schließt den Hahn (Sep), alle anderen Hähne sind geöffnet. Die Pumpe wird eingeschal-tet und alles evakuiert. Ist die Glasapparatur mitsamt der Küvette evakuiert (p ~ 3 mbar), gibt man ein Gemisch aus Eis und CaCl2 x 6 H2O unter die Kühlfalle, damit eventuell vorhande-nes Wasser einfriert und die KBr – Fenster der Zelle nicht beschädigt werden. Man schließt Hahn H1 zur Pumpe und gibt Helium ~ 950 mbar auf die Anlage. Die Gasfla-sche schließen und erneut evakuieren, indem man H1 öffnet und bis 3mbar Vakuum zieht. Der Hahn zur Pumpe wird geschlossen und man gibt sehr vorsichtig 150 mbar Helium auf die Anlage. Dann wird das Feinregulierventil geschlossen und der N2 unter der Kühlfalle ent-fernt damit langsam die Reaktion stattfindet. Man wärmt mit der Hand und später mit Wasser und gibt so 200 mbar C2H2 in die Zelle. Dann wird bis ca 950 mbar mit Helium aufgefüllt und die Zelle geschlossen. Der Schlauch zur Küvette kann abgezogen werden und die Probe wird jetzt am Spektrometer gemessen. Pumpe abstellen und alle Hähne öffnen. Wenn alles abreagiert ist kann das Röhrchen gereinigt werden und der Abfall in die Abfallfla-sche entsorgt werden. Herstellen von C2D2 Die Vorgehensweise zur Herstellung von C2D2 ist ähnlich. Man benutzt Zelle 2 mit der Be-schriftung F-Praktkikum C2D2 . Das Reaktionsröhrchen wird mit 0,5 ml D2O gefüllt und im Dewar mit flüssigem Stickstoff eingefroren. Dann werden 2-3 Stückchen CaC2 zugegeben. Dann wird die Zelle und die gesamte Anlage evakuiert auf ~ 3mbar. Unter die Kühlfalle kommt Eis mit CaCl2 x 6 H2O.Jetzt wird mit Helium gespült und wieder evakuiert. Der Hahn H1 zur Pumpe wird geschlossen Und 150 mbar Helium in die Zelle gelassen. Der flüssige N2 wird entfernt und die Reaktion kann stattfinden. Man gibt ~ 100 mbar C2D2 zu. Die Zelle wird nun mit Helium auf 950 mbar aufgefüllt und verschlossen. Die Probe kann gemessen werden. Das Röhrchen nach Ablauf der Reaktion reinigen und in den Trockenschrank legen. 6.2 Aufnahme der Spektren Die nötigen Arbeitsschritte für die Spektrenaufnahme sind in einer Anleitung für das IR-Experiment im Anfängerpraktikum schrittweise dargestellt. Diese Vorschrift liegt am Spektrometer aus. Die Vorgehensweise unterscheidet sich in der Anzahl der Scans, die aufzu-

F62-22

summieren sind und im Spektralbereich. Unter der Karteikarte „Messung“ können Sie die entsprechenden Einstellungen vornehmen. Für jede Substanz ist zunächst das Hintergrundspektrum (leerer Probenraum) und das eigent-liche Spektrum aufzunehmen. Die Software errechnet daraus das Extinktionsspektrum, das schließlich dargestellt wird.9 Drucken Sie jeweils das Übersichtsspektrum, dann die zu analy-sierenden Bandensysteme mit der Liste der Wellenzahlen der Absoptionslinien. Im Einzelnen sind folgende Bandensysteme zu analysieren:

• C2H2: 729 cm–1 (ν5, senkrecht); 4091 cm–1 (ν1+ν5, senkrecht). Die Kombinations-schwingung ν4+ν5, die man beim C2D2 sehr schön auswerten kann, ist hier nicht mehr auswertbar, da sie mit einer Hotband überlappt (1328 cm–1; vergrößern Sie diese Ban-de und drucken Sie sie ohne Peakzuordnung aus).

• C2D2 (300 mbar): 1041 cm–1 (ν4+ν5, parallel); 5097 cm–1 (ν1+ν3, parallel). Die Kombi-nationsschwingung ν1+ν5 lässt sich für C2D2 nicht gut auswerten. Vergrößern Sie sie dennoch und drucken Sie sie ohne Bandenzuordnung aus: 3234 cm–1.

• C2D2 (130 mbar): 537 cm–1 (ν5, senkrecht).

7. Auswertung

Für diesen Versuch ist kein Theorieteil im üblichen Sinne anzufertigen! Das Protokoll beginnt mit der Auswertung!

Diskutieren Sie qualitativ das Aussehen der Banden, die Sie vergrößert ausgedruckt haben (Stichworte: Zweige, Intensitätsverläufe, Verschiebung der Banden durch Isotopenaustausch etc.).

Für folgende Banden ist eine quantitative Rotationsanalyse durchzuführen: C2H2 (729 cm-1, 4091 cm–1), C2D2 (537 cm–1, 1041 cm–1). Dazu wird wie folgt vorgegangen: Zuerste werden den einzelnen Rotationslinien die jeweiligen unteren Rotationsquantenzahlen (J’’-Werte) zugeordnet. Dazu ziehen Sie die ausgedruckte Bandenliste zu Rate. Markieren Sie den P- und den Q-Zweig und notieren Sie die entsprechenden J’’-Werte. Die Relativen Inten-sitäten der Rotationslinien sind dabei eine wertvolle Hilfe. Zusätzlich gilt für die einzelnen Banden:

a) C2H2: ν5 R(2)=736,2 cm–1, P(2)=724,4 cm–1, folgende Linien gehören nicht zu dem Bandensystem: 751,2 cm–1, 746,5 cm–1, 716,2 cm–1, 696,1 cm–1. b) C2H2: ν1+ν5 R(2)=4099,9 cm–1, P(3)=4085,8 cm–1, folgende Linien gehören nicht da-zu: 4075,5 cm–1. c) C2D2: ν5 R(2)=542,8 cm–1, P(3)=534,4 cm–1, nicht dazu gehören 508,4 cm–1, 505,7 cm–1. d) C2D2: ν4+ν5 R(0)=1043,1 cm–1, P(2)=1038,1 cm–1,

9 Achtung: eine frühere Version dieser Versuchsbeschreibung bezieht sich auf ein anders Betriebssystem und eine andere Softwareversion zur Spektrenaufnahme

F62-23

Itzt müssen die Funktionen )(2 JFΔ ′′ (Gleichung 26) und )(2 JFΔ′ (Gleichung 27) gerechnet werden. Tragen Sie für die 4 Banden )(2 JFΔ ′′ und )(2 JFΔ′ gegen J+½ auf. Aus der mittels linearer Regression ermittelten Gleichung ist B’’ und B’ und deren Fehler zu ermitteln (Ta-schenrechner, Excel, Origin o. ä.). Stellen sie B’’, B’ und B’–B’’ für die 4 Banden dar. Diskuktieren Sie B’–B’’ und ermitteln Sie die Wellenzahl des reinen Schwingungsübergangs (Gleichungen 28 und 29). Aus den B’’-Werten für ν5 sind die Trägheitsmomente I(C2H2) und I(C2D2). Diese dienen zur Berechnung der Bindungslängen des Moleküls (rCH, rCC).