F I N A N Z S K A N D A L ÖHGB: „Leerstand nicht schuld ... · zent üblich – wichtig für...

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8 Gesellschaft 9. Mai 2017 Salzburger Fenster www.salzburger-fenster.at Gesellschaft 9 Entlastung für Schaden & Co? Sie gilt als streng, unbestech- lich und kompetent, ihr Hobby sind Windhunde und sie hat neben dem Studium tausender Aktenseiten einen Crash-Kurs zur komplexen Finanzmathe- matik von Zinsgeschäften ge- macht: Richterin Anna-Sophia Geisselhofer sitzt dem Schöf- fensenat vor, der ab 9. Juni über sieben Beschuldigte im Finanz- skandal richten wird. 19 Tage lang wird es um sechs aus dem Ruder gelaufene Spekulations- geschäfte der Stadt gehen. Im September 2007 wurden sie laut Anklage mit einem „negati- ven Barwert von zumindest 4,88 Mill. Euro“ ohne Gegen- leistung an das Land übertra- gen. Bürgermeister Heinz Scha- den, Ex-Finanzlandesrat Oth- mar Raus, Monika Rathgeber, die (pensionierten) Finanz-Ab- teilungsleiter von Stadt und Land hätten dadurch (Beihilfe zur) Untreue begangen. Für alle gilt die Unschuldsvermutung. Die Verteidiger werfen pro- minente Zeugen ins Gefecht. Rathgebers Anwalt Herbert Hübel möchte Justizminister Wolfgang Brandstetter befra- gen, der noch als Anwalt einen der Beschuldigten vertreten hatte und später die Causa als Minister auf dem Tisch hatte. Schadens Anwalt will Ex-Lan- deshauptfrau Gabriele Burg- staller laden. Die SP-Frau soll den Bürgermeister gegenüber Minister und Burgstaller als Zeugen einem Zeugen der Korruptions- staatsanwaltschaft entlasten. Der frühere Olympia-Berater Erwin Roth hat die Geschichte vom mit- gehörten Gespräch in Guatemala City zu Protokoll gegeben. Am 4. Juli 2007, als die Delegation nach der Bewerbungsschlappe in ei- nem Lokal nahe dem IOC-Hotel den Frust wegspülte, hätte Roth eine vertrauliche Unterredung zwischen Schaden und Burgstal- ler mitbekommen – hinter einer erhöhten Balustrade, mit Roth im Rücken. Schaden habe über die „faulen Papiere“ geredet, die das Land übernehmen solle, weil er einen Wahlkampf zu führen ha- be. Alles sei mit Raus vereinbart. Kronzeuge mit alter Rechnung Roth notierte dies in seinem Notizbuch. Burgstaller demen- tiert ein solches Gespräch, Raus bestreitet, je eine Vereinbarung zu den Swaps getroffen zu haben. Man erwartet scharfe Befragun- gen. Zum einen, weil Roth, noch eine Rechnung mit dem „roten Establishment“ (Roth) offen hat – Schaden kritisierte ihn nach dem Olympia-Fiasko öffentlich. Roth wurde angeklagt und freigespro- chen, die Familie musste ihr Wohnhaus verkaufen. Zum ande- ren, weil es eine brisante E-Mail von Schaden aus Oktober 2012 gibt: „Die LHF (Burgstaller, Anm.) weiß Bescheid.... Wir haben kei- ne Derivate mehr.“ VON SONJA WENGER FINANZSKANDAL Der Österreichischer Haus- und Grundbesitzerbund sieht nur einen Ausweg -nämlich die Mobilisierung von Bauland und Neubau. Es sei ein heißes Eisen, das sich die Politik nicht anzugreifen traut. So urteilt Lukas Wolff, Präsident der Salzburger Landesgruppe des ÖHGB über die Grünland- deklaration. Sie wurde vor Jahr- zehnten auf- und seither nie mehr in Frage gestellt. Eine Stadt die sich entwickelt, stoße aber ir- gendwann auf Grenzen, wenn es darum geht, den mitwachsenden Wohnungsbedarf zu befriedigen. Gerade dann, wenn das zur Ver- fügung stehende Bauland aufge- braucht ist. „Unserer Meinung nach ist es höchst an der Zeit, die Deklaration neu zu überdenken. Schon bei erster Durchsicht liesen sich 30 Hektar finden, die mit De- klarationsgrün im ursprünglichen Sinne nichts zu tun haben und die man sehr gut für den Bau von Eigentums- oder Mietwohnun- gen nutzen könnte.“ Fünf Prozent „Grünland“ deckt Bedarf für 15 Jahre ab Insgesamt beträgt die Fläche innerhalb der Stadtgrenzen rund ÖHGB: „Leerstand nicht schuld an Wohnungsnot in Salzburg“ 6.600 Hektar, davon sind ca. 58 Prozent bzw. 3.800 Hektar Grün- land. Würde man nur fünf Prozent davon in Bauland umwidmen, könnte man den Wohnungsbe- darf der nächsten 15 Jahre damit abdecken. Davon ist Wolff über- zeugt: „Und da reden wir nicht von Arealen, die wegen ihrer Schönheit oder ihrer Lage schüt- zenswert wären. Ein unbebautes Grundstück in Autobahnnähe et- wa hat nichts mit dem Erhalt des Weltkulturerbes zu tun.“ Bei einer Geschoßflächenzahl von 1,0 könnte man darauf ca. 19.000 – 22.000 Wohnungen er- richten. Denn die Lösung der Wohnungsnot könne nur über den Neubau gehen – auch davon ist man beim Österreichischen Haus- und Grundbesitzerbund überzeugt. Der Ansatz, wonach man nur „die leer stehenden Wohnungen auf den Markt bringen müsste“, ist für Wolff unbrauchbar: „In den meisten Fällen gibt es Gründe für den Leerstand. Entweder ist eine Verlassenschaft noch nicht ge- klärt, es steht eine Sanierung an oder es gibt berufliche oder krankheitsbedingte Veränderun- gen, deren Ausgang nicht abseh- bar sind.“ Darüber hinaus sei ein gewisser Prozentsatz von Leerständen – in- ternational sind zwei bis vier Pro- zent üblich – wichtig für einen gut funktionierenden Markt. Und schließlich: „Wer lässt schon eine Wohnung grundlos leer stehen und verzichtet damit auf lukrative Mieteinnahmen?“ Dialog mit der Politik fehlt In Salzburg geht man derzeit von 4.000 bis 5.000 Wohnungs- suchenden aus. Gleichzeitig gibt es 3.000 bis 3.500 Wohnungen, die nicht regelmäßig genutzt werden. „Zu glauben, die könnte man ja vermieten, ist ein Trug- schluss“ klagt Wolff, der über sei- nen Verband nicht nur eine klare Definition von Leerstand aufge- stellt, sondern seine Mitglieder auch dazu befragt hat. Von den rund 12.500 Wohnungen sind der- zeit 625 unbewohnt bzw. nicht vermietet. Meist wegen Sanie- rungsmaßnahmen oder -bedarf. „Hier fehlen Anreize! Außerdem ist die kurzfristige Vermietung durch das Mietrecht erschwert“, so der ÖHGB-Präsident weiter, „deshalb sollten die Rahmenbe- dingungen verbessert werden – und zwar marktgerecht.“ Vor kurzem wurde dieser Neubau auf einem der letzten verfügbaren, größeren Baugrundstücke in der Stadt Salzburg fertig gestellt. Diese - einzige - Möglichkeit zur Linderung der Wohnungsnot sei durch eine völlig veraltete Grünlanddeklaration ausgereizt, klagt der ÖHGB. BILD: M. PIRCHER Wer lässt schon eine Wohnung grundlos leer stehen, wenn er eigent- lich dafür Miete kassieren könnte - fragt sich der ÖHGB. BILD: PIXABAY WERBUNG Justizminister Wolfgang Brandstetter bei einem Besuch in Puch. Ex-Landeshauptfrau Gabi Burgstaller ist auch als Zeugin gela- den. Rechts Richterin Anna Sophia Geisselhofer, die einen Crash- kurs in Finanzmathematik absolvierte. BILDER: SN/RATZER, PRLIC

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8 Gesellschaft 9. Mai 2017 Salzburger Fenster www.salzburger-fenster.at Gesellschaft 9

Entlastung fürSchaden & Co?Sie gilt als streng, unbestech-lich und kompetent, ihr Hobbysind Windhunde und sie hatneben dem Studium tausenderAktenseiten einen Crash-Kurszur komplexen Finanzmathe-matik von Zinsgeschäften ge-macht: Richterin Anna-SophiaGeisselhofer sitzt dem Schöf-fensenat vor, der ab 9. Juni übersieben Beschuldigte im Finanz-skandal richten wird. 19 Tagelang wird es um sechs aus demRuder gelaufene Spekulations-geschäfte der Stadt gehen. ImSeptember 2007 wurden sielaut Anklage mit einem „negati-ven Barwert von zumindest4,88 Mill. Euro“ ohne Gegen-leistung an das Land übertra-gen. Bürgermeister Heinz Scha-den, Ex-Finanzlandesrat Oth-mar Raus, Monika Rathgeber,die (pensionierten) Finanz-Ab-teilungsleiter von Stadt undLand hätten dadurch (Beihilfezur) Untreue begangen. Für allegilt die Unschuldsvermutung.

Die Verteidiger werfen pro-minente Zeugen ins Gefecht.Rathgebers Anwalt HerbertHübel möchte JustizministerWolfgang Brandstetter befra-gen, der noch als Anwalt einender Beschuldigten vertretenhatte und später die Causa alsMinister auf dem Tisch hatte.Schadens Anwalt will Ex-Lan-deshauptfrau Gabriele Burg-staller laden. Die SP-Frau sollden Bürgermeister gegenüber

Minister undBurgstallerals Zeugen

einem Zeugen der Korruptions-staatsanwaltschaft entlasten. Derfrühere Olympia-Berater ErwinRoth hat die Geschichte vom mit-gehörten Gespräch in GuatemalaCity zu Protokoll gegeben. Am 4.Juli 2007, als die Delegation nachder Bewerbungsschlappe in ei-nem Lokal nahe dem IOC-Hotelden Frust wegspülte, hätte Rotheine vertrauliche Unterredungzwischen Schaden und Burgstal-ler mitbekommen – hinter einererhöhten Balustrade, mit Roth imRücken. Schaden habe über die„faulen Papiere“ geredet, die dasLand übernehmen solle, weil ereinen Wahlkampf zu führen ha-be. Alles sei mit Raus vereinbart.

Kronzeuge mitalter Rechnung

Roth notierte dies in seinemNotizbuch. Burgstaller demen-tiert ein solches Gespräch, Rausbestreitet, je eine Vereinbarungzu den Swaps getroffen zu haben.Man erwartet scharfe Befragun-gen. Zum einen, weil Roth, nocheine Rechnung mit dem „rotenEstablishment“ (Roth) offen hat –Schaden kritisierte ihn nach demOlympia-Fiasko öffentlich. Rothwurde angeklagt und freigespro-chen, die Familie musste ihrWohnhaus verkaufen. Zum ande-ren, weil es eine brisante E-Mailvon Schaden aus Oktober 2012gibt: „Die LHF (Burgstaller, Anm.)weiß Bescheid. . . . Wir haben kei-ne Derivate mehr.“

VON SONJA WENGER

FINANZSKANDAL

Der Österreichischer Haus-und Grundbesitzerbundsieht nur einen Ausweg-nämlich die Mobilisierungvon Bauland und Neubau.

Es sei ein heißes Eisen, das sichdie Politik nicht anzugreifen traut.So urteilt Lukas Wolff, Präsidentder Salzburger Landesgruppedes ÖHGB über die Grünland-deklaration. Sie wurde vor Jahr-zehnten auf- und seither niemehr in Frage gestellt. Eine Stadtdie sich entwickelt, stoße aber ir-gendwann auf Grenzen, wenn esdarum geht, den mitwachsendenWohnungsbedarf zu befriedigen.Gerade dann, wenn das zur Ver-fügung stehende Bauland aufge-braucht ist. „Unserer Meinungnach ist es höchst an der Zeit, dieDeklaration neu zu überdenken.Schon bei erster Durchsicht liesensich 30 Hektar finden, die mit De-klarationsgrün im ursprünglichenSinne nichts zu tun haben unddie man sehr gut für den Bau vonEigentums- oder Mietwohnun-gen nutzen könnte.“

Fünf Prozent „Grünland“deckt Bedarf für 15 Jahre ab

Insgesamt beträgt die Flächeinnerhalb der Stadtgrenzen rund

ÖHGB: „Leerstand nicht schuldan Wohnungsnot in Salzburg“

6.600 Hektar, davon sind ca. 58Prozent bzw. 3.800 Hektar Grün-land. Würde man nur fünf Prozentdavon in Bauland umwidmen,könnte man den Wohnungsbe-darf der nächsten 15 Jahre damitabdecken. Davon ist Wolff über-zeugt: „Und da reden wir nichtvon Arealen, die wegen ihrerSchönheit oder ihrer Lage schüt-zenswert wären. Ein unbebautes

Grundstück in Autobahnnähe et-wa hat nichts mit dem Erhalt desWeltkulturerbes zu tun.“

Bei einer Geschoßflächenzahlvon 1,0 könnte man darauf ca.19.000 – 22.000 Wohnungen er-richten. Denn die Lösung derWohnungsnot könne nur überden Neubau gehen – auch davonist man beim ÖsterreichischenHaus- und Grundbesitzerbundüberzeugt.

Der Ansatz, wonach man nur„die leer stehenden Wohnungenauf den Markt bringen müsste“,ist für Wolff unbrauchbar: „In denmeisten Fällen gibt es Gründe fürden Leerstand. Entweder ist eineVerlassenschaft noch nicht ge-klärt, es steht eine Sanierung anoder es gibt berufliche oderkrankheitsbedingte Veränderun-gen, deren Ausgang nicht abseh-bar sind.“

Darüber hinaus sei ein gewisserProzentsatz von Leerständen – in-ternational sind zwei bis vier Pro-zent üblich – wichtig für einen gutfunktionierenden Markt.

Und schließlich: „Wer lässtschon eine Wohnung grundlosleer stehen und verzichtet damitauf lukrative Mieteinnahmen?“

Dialog mit der Politik fehltIn Salzburg geht man derzeit

von 4.000 bis 5.000 Wohnungs-suchenden aus. Gleichzeitig gibtes 3.000 bis 3.500 Wohnungen,die nicht regelmäßig genutztwerden. „Zu glauben, die könnteman ja vermieten, ist ein Trug-schluss“ klagt Wolff, der über sei-nen Verband nicht nur eine klareDefinition von Leerstand aufge-stellt, sondern seine Mitgliederauch dazu befragt hat. Von denrund 12.500 Wohnungen sind der-zeit 625 unbewohnt bzw. nichtvermietet. Meist wegen Sanie-rungsmaßnahmen oder -bedarf.„Hier fehlen Anreize! Außerdemist die kurzfristige Vermietungdurch das Mietrecht erschwert“,so der ÖHGB-Präsident weiter,„deshalb sollten die Rahmenbe-dingungen verbessert werden –und zwar marktgerecht.“

Vor kurzem wurde dieser Neubau auf einem der letzten verfügbaren, größeren Baugrundstücke in derStadt Salzburg fertig gestellt. Diese - einzige - Möglichkeit zur Linderung der Wohnungsnot sei durch einevöllig veraltete Grünlanddeklaration ausgereizt, klagt der ÖHGB. BILD: M. PIRCHER

Wer lässt schon eine Wohnung grundlos leer stehen, wenn er eigent-lich dafür Miete kassieren könnte - fragt sich der ÖHGB. BILD: PIXABAY WERBUNG

Justizminister Wolfgang Brandstetter bei einem Besuch in Puch.

Ex-Landeshauptfrau Gabi Burgstaller ist auch als Zeugin gela-den. Rechts Richterin Anna Sophia Geisselhofer, die einen Crash-kurs in Finanzmathematik absolvierte. BILDER: SN/RATZER, PRLIC

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