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No. 57 | Winter 2014/2015 Neue Solaranlage Die FABRIK hat trotz Gegen- wind aus Berlin eine weitere Solaranlage in Betrieb genommen Mogelpackungen Das geplante neue Kleinanleger- schutzgesetz ist nicht die einzige gesetzgeberische Mogelpackung FABRIK RU ND BRIEF Visionen Auf dem Weg in die Zukunft hilft ein Rückblick auf die großen Ideen der letzten 36 Jahre

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Page 1: FABRIK RUND BRIEF - fabrik- · PDF fileInhalt Eigenverantwortlichkeit, Solidarität, Engagement, Selbsthilfe – das sind Begriffe, die in der FABRIK hochgehalten werden. Gemeinsam

No. 57 | Winter 2014/2015

Neue Solaranlage

Die FABRIK hat trotz Gegen-wind aus Berlin eine weitere Solaranlage in Betrieb genommen

Mogelpackungen

Das geplante neue Kleinanleger-schutzgesetz ist nicht die einzige gesetzgeberische Mogelpackung

FABRIK RUND BRIEF

Visionen

Auf dem Weg in die Zukunft hilft ein Rückblick auf die großen Ideen der letzten 36 Jahre

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Impressum

Herausgeber

FABRIK für Handwerk, Kultur und Ökologie e.V.Habsburgerstraße 979104 FreiburgTel. +49 (0)761.50365-30eMail: [email protected]: www.fabrik-freiburg.de

Redaktion

Regina Leonhart, Ute Lingg, Karola Mohr, Hans Schmid, Martin Wiedemann, Jule Wottke

Fotos & Illustrationen

© AMICA (S.4), Günther Baldauf (9), Max Erb (24/25), Ingeborg Franzen (29), Hans-Georg Gack (33), Felix Groteloh (1/2, 15-17, 40), Hubert Hoffmann (27), Walter Marx (30), Karola Mohr (33-35), Bernd Obrecht (4), Dieter Pfeiffer (21-23), Dieter Roeschmann (8), Jogi Schiffl (21-23), Hans Schmid (28, 30), Guido Schröder (38), Karl Schwörer (18), Bernhard Strauss (10), Martin Wiedemann (22, 32), Uli Zaiser (31), Klaus Zinnecker (37), übrige: FABRIK-Archiv

Satz & Layout

Regina Leonhart, Hans Schmid

Druck

schwarz auf weiss

Papier

100% Recycling

Auflage

2.500 Exemplare

Erscheinungsweise

halbjährlich (in der Regel Juli & Dezember)

Jetzt muss nur noch täglich die Sonne scheinen!

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Inhalt

Eigenverantwortlichkeit, Solidarität, Engagement, Selbsthilfe – das sind Begriffe, die in der FABRIK hochgehalten werden. Gemeinsam handeln, sich zusammen schließen, sich selbst helfen, das war und ist zentrales Moment unseres Tuns. Nicht nur im Widerstand gegen politische und gesellschaftliche Entwicklungen, sondern gerade im Engagement für bessere Lebensbedingungen für alle haben sich in der FABRIK wie in der ganzen Gesellschaft viele Menschen zusammengefunden und setzen sich gemeinsam und solidarisch dafür ein.

Ein Staat, der sich aus immer mehr Bereichen der Daseinsvorsorge für seine Bürgerinnen und Bürger zurückzieht, müsste eigentlich froh sein über solche Initiativen. Ob in Kindergärten, Schulen, in der Bildung, im Gesund heitswesen, in der Altersvorsorge, in der Kultur, im Wohnungs-bau, bei Erneuerbaren Energien und in vielen weiteren Feldern, überall sind Eigeninitiativen entstanden, die leisten, was die öffentliche Hand nicht mehr leisten kann oder will. Der überwiegende Teil dieser Initiati-ven finanziert sich auf solidarökonomische Weise. Wer bürgerschaftliche Projekte mit einem Darlehen unterstützen will, schielt nicht nach Profit, sondern handelt bewusst und solidarisch.

Es wäre eigentlich zu erwarten, d ass der Staat diese zahlreichen Formen solidarischer Selbsthilfe honoriert und nach Kräften fördert. Für ehren-amtliches Engagement wird in der Tat gerne auf Schultern geklopft, wer-den Auszeichnungen verliehen und Reden gehalten. Aber das passiert nur solange, wie die Interessen der großen Wirtschaft nicht gefährdet werden. Konzernen und Banken ist bürgerschaftliches Engagement suspekt und unwillkommen: dezentrale und demokratische Strukturen taugen nichts fürs Geschäft, sie schaden ihm.

Das ist zumindest einer der Gründe, warum so viele neue gesetzliche Regelungen, egal ob sie die Energiewende, den Verbraucherschutz, den Freihandel oder das Gesundheitswesen betreffen, solidarökonomische, bürgerschaftliche Projekte und Initiativen torpedieren. Erschwerend hinzu kommt, dass die Regierung die neuen Gesetze wie Waschmittel oder Tütensuppen verkauft: versprochen wird schönfärberisch das Allgemein-wohl, während nur im Kleingedruckten steht, wer davon profitiert.

In diesem Rundbrief geht es leider gleich bei mehreren Themen darum, dem aktuellen staatlichen Gegenwind standzuhalten. Aber es wird hoffent-lich auch deutlich: viele halten dagegen.

In diesem Sinne wünschen wir eine unverzagte Lektüre

die Rundbrief-Redaktion

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

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FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015

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03 | Editorial

04 | NachrichtenBirnbaum | AMICA im Libanon | Schreibwett-bewerb | Jahresspende | Vorstand | Neu im Team | AG Bau + Visionen | Silvester | Stiftung 100 | Öffnungszeiten

08 | Kulturelle Bildung vernetzt denkenEin Gespräch über die geplante Erweiterung des Kindertheaterangebots

12 | Mogelpackung VerbraucherschutzDas geplante Kleinanlegerschutzgesetz bedroht bürgerschaftliche Projekte

15 | Zeichen setzen in Zeiten der SonnensteuerDie FABRIK hat eine weitere Photovoltaikanlage

17 | Energie-Baustelle DachEnergie produzieren und Energie sparen

18 | Jetzt erst recht!Attac Freiburg, die Finanzmärkte und das Finanzamt

20 | Care RevolutionAuch Freiburg hat jetzt ein lokales Netzwerk

21 | Private Leidenschaften im FokusZum zweiten Mal veranstaltet: der FABRIK-Tag

24 | Freiburger Kleinkunstpreis für Studierende Ein Wettbewerb mit überzeugendem Nachwuchs

26 | Vision 2020Ein Rückblick auf die großen Ideen der letzten 36 Jahre

33 | Orte mit Charme und Geschichte Das 16. freiburg-grenzenlos-festival lädt wieder an ungewöhnliche Orte

36 | Archaisch, quicklebendig, ungewöhnlich Eine Hommage an das Figurentheater für Erwachsene

38 | Freiburg vibriertEine Kolumne von Torsten Sträter

39 | Adressen & Kontakte

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FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015 Nachrichten

AMICA im LibanonDagmar Ihlau und Sylvia Rombach haben die Situation der syrischen Flüchtlinge erlebt

Im Grenzgebiet des Libanon – hinter den Bergen liegt Syrien

Die Arbeit von AMICA war in den letzten Monaten geprägt von der immer

dramatischer werdenden Lage in Syrien und, daraus resultierend, im

Libanon. Treffen in Syrien sind im Augenblick nicht möglich und müssen

deshalb in anderen Ländern stattfinden. Dagmar Ihlau und Sylvia Rombach

sind gerade von einem Treffen mit der Partnerorganisation im Libanon und

deren Sozialarbeiterinnen-Team zurückgekehrt.

In den Libanon haben sich derzeit rund 1,3 Millionen Menschen aus

Syrien geflüchtet, darunter sehr viele Frauen und Kinder. Die Lage in dem

kleinen Land ist ernst und angespannt. Die Partnerorganisation von AMICA

bietet im Rahmen eines gemeinsamen Projekts psychosoziale Beratung und

Rechtshilfe an - mit Erfolg, denn viele Syrerinnen wollen das neue Wissen

über Frauenrechte und gegen Gewalt bereits weitertragen.

Diese Arbeit ist für die beratenden Frauen sehr belastend, kommen

sie doch in Berührung mit sehr vielen tragischen Einzelschicksalen und

Geschichten. Grundlegende zivilisatorische Rahmenbedingungen sind für

die Flüchtlinge momentan nicht ausreichend gewährleistet. Viele Syrerin-

nen klagen über Belästigungen und Übergriffe. Oft werden sie zu sexuel-

len Gefälligkeiten genötigt. Unzureichende Wohnbedingungen, fehlende

Elektrizität, zu wenig sauberes Wasser, fehlende Schulen und Gesundheits-

fürsorge – es mangelt an allem. Besonders betroffen davon sind viele Mütter

mit kleinen Kindern, vor allem, seit Anfang Dezember die UN aus Geld-

gründen ihr Hilfsprogramm einstellen musste.

In Freiburg sind viele Projekte und Initiativen ent-standen, für die Menschen gerungen und sich stark gemacht haben: im Bereich Kultur, Soziales und nicht zuletzt im Bereich Wohnen.

Darauf aufbauend entsteht wieder etwas Neues: Ein Zwei-Generationen Gemeinschaftshaus für etwa 20 Menschen, die sich entschlossen haben, gemeinsam durch solidarisches Mit- und Füreinander älter und auch alt zu werden. Vorgesehen ist, das Projekt unter dem Dach des Mietshäusersyndikats zu verwirklichen.

Wir sind schon jetzt ein ziemlich bunter Haufen von Frauen und Männern, die sich regelmäßig treffen, auch in den Räumen der FABRIK.

Unser Ziel ist es, ein Haus zu planen und zu rea-lisieren in dem ein selbst bestimmtes Leben möglich ist, unabhängig von der Höhe des Einkommens, bzw. der Rente. Gleichzeitig wollen wir dafür sorgen, dass niemand mehr ausziehen muss, weil körperliche oder geistige Schwächen oder ein „alleine nicht mehr wirt-schaften können“ dazu zwingen. Altern bedeutet Ver-änderungen, die wir gemeinsam meistern wollen.

Bis zur Realisierung dieses neuen Wohnprojektes liegt noch ein schönes Stück Arbeit vor uns. Diese vor uns stehenden Aufgaben wollen wir gemeinsam an-gehen und zum Erfolg werden lassen.

Gern wollen wir uns an dieser Stelle für das Bereit-halten der Räumlichkeiten und der Infrastruktur der FABRIK herzlich bedanken.

Birnbaum FreiburgEin neues Projekt stellt sich kurz vor

Projekt Birnbaum: Gruppenbild mit 14 Aktivist/innen

www.amica-ev.org

Spendenkonto: Volksbank Freiburg

IBAN DE15 6809 0000 0002 1001 00 BIC GENODE61FR

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Flyer zum Wettbewerb

rasthaus-freiburg.org➔ 5

Nachrichten FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015

Kein Mensch ist illegalDie FABRIK unterstützt das „mini-Rasthaus“

... und tschüss... lautete das Motto des diesjährigen Schreibwettbewerbs

Darum bietet das „mini-Rasthaus“ Flüchtlingen eiste Hilfe

Das Projekt „rasthaus“ ist ein öffentlich sichtbarer und eben durch diese Öffentlichkeit geschützter Raum, in dem jede und jeder praktische Unterstützungsarbeit und politischen Einsatz für eine offene Migrationspo-litik leisten kann. Es ist Anlauf- und Informationsstelle für alle, die der Migrationspolitik in Deutschland und Europa etwas entgegensetzen wollen.

Das „mini-rasthaus“ bietet Menschen einen Zufluchtsort, an dem nicht nach Papieren gefragt wird, sondern Grundrechte und Gastfreundschaft gewahrt werden. Die Ehrenamtlichen leisten schnelle, praktische und kostenlose Unterstützung und bieten Flüchtlingen und MigrantInnen mit oder ohne le-galem Status, Zugang zu Bildung, Schulsystem und medizinischer Versorgung. Darüber hinaus treten sie in Kontakt mit der Stadtverwaltung und den Behörden und setzen sich für die Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen ein.

„mini-rasthaus“ übrigens deshalb, weil das ei-gentliche Ziel ist, ein großes Haus zu erwerben: das „rasthaus“. Ein Haus, in dem es viele Räume mit verschiedenen Aktivitäten von und für Flüchtlinge, MigrantInnen und auch Unterbringungsmöglichkeiten geben wird.

Mit ihrer Jahresspende in Höhe von 2.00 Euro will die FABRIK diese wertvolle Arbeit anerkennen und unterstützen.

Jugendliche zwischen 13 und 17 Jahren waren wieder angefragt, Kurzge-

schichten, Gedichte, Theaterstücke, Romanauszüge oder was ihnen sonst

noch einfällt, aufzuschreiben und einzusenden.

Zum zweiten Mal im Sommer, zum ersten Mal als Matinee und das an

dem Ort, an dem das Vorderhaus sonst nur im August mit der Lesereihe

„unter sternen“ zu Gast ist. Die diesjährige Preisverleihung des Schreibwett-

bewerbs fand am Sonntag, den 20 Juli um 12.00 Uhr im josfritzcafé statt.

Durch das Programm führte der Autor und Kabarettist Jess Jochimsen.

Die Jury, die aus Vertretern des Literaturbüros und des Vorderhauses

sowie aus Preisträgerinnen der vergangenen Jahre bestand, hatte aus

68 Einsendungen die zehn besten Stories ausgewählt. So wurden die ersten

zehn Plätze von acht Mädchen und zwei Jungen belegt. Siegerin wurde Ruth

Tuschewski (15 Jahre) aus Königsfeld Erdmannsweiler mit Ihrer Geschichte

„Zeit zu gehen“. Platz zwei erhielt die 16-jährige Helena Köster mit ihrem

Gedicht „Madrugada“ und Platz drei belegte der ebenfalls 16-jährige Anton

Mihajlenko mit seinem Text „Cassiopeia“. Der jüngste Teilnehmer, Fabrice

Schumacher (14 Jahre), kam mit seiner Kurzgeschichte „Als der rote Um-

schlag kam ...“ auf Platz acht und hatte mit seinen beiden Nachfolgerinnen

auf Platz neun zweifellos die längste Anreise. Alle drei reisten mit Lehrerin

und Fangemeinde aus Luxemburg an.

Mittlerweile ist der Schreibwettbewerb zu einer festen Institution in Frei-

burg und der Region geworden, die auf der bewährt guten Zusammenarbeit

zwischen den Kooperationspartnern Literaturbüro Freiburg, Vorderhaus –

Kultur in der FABRIK, SWR Studio Freiburg und Kulturamt der Stadt Freiburg

beruht und bereits zum zwölften Mal stattfand.

... und tschüssß!

schreibwettbewerb

für jugendliche

von 13 bis 17 jahren

eine veranstaltung von

vorderhaus - kultur in der FABRIK

literaturbüro freiburg

kulturamt freiburg

SWR studio freiburg

ebob

/pho

toca

se.co

m

schreib-wettbewerb.de | literaturbuero-freiburg.de

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Seit Oktober gibt es in der FABRIK-Verwaltung

eine neue Mitarbeiterin: Karola Mohr, Jahrgang

1977, hat internationales Kulturmanagement

studiert, dann zunächst ein Jahr in Melbourne

gearbeitet, bevor sie sich ab 2002 Freiburgs

Kultur- und Eventbranche widmete. Unter

anderem betreut sie beim ZMF das Actionpro-

gramm, ist freie Mitarbeiterin bei Event Now

und arbeitete längere Zeit für das Wallgraben

Theater.

In der FABRIK wird Karola im zentralen Be-

reich der Verwaltung tätig sein, dort unter an-

derem für die Informations- und Kommunika-

tionsflüsse sorgen, Projekte managen und den

Tagungsbereich betreuen. Dass Karola bestens

ins Team passt, war eigentlich von vorneherein

klar, immerhin kennt man sich seit Jahren aus

der kulturellen Kooperation.

Karolas Einstieg ist leider auch ein Abschied

von Jule Wottke. Als frühere Kulturbüro-

Praktikantin schon mit der FABRIK-Verwaltung

vertraut, hatte sich Jule Ende 2013 bereit er-

klärt, das Jahr zwischen dem Ausscheiden von

Joachim Herb und dem Einstieg von Karola

Mohr zu überbrücken. Jule hat dies richtig gut

und mit großer Freude gemacht. Entsprechend

schwer fällt nun allen der Abschied, aber wer

weiß, vielleicht ergibt sich wieder ein „welcome

back“. Vielen Dank, Jule, und toi toi toi!

Die FABRIK hat einen seit vielen Jahren bewährten Vorstand, der seine Arbeit gerne und gut macht. Deshalb wird er auch auf der Jahresmitglieder-versammlung immer wieder in seinem Amt bestätigt.

So auch dieses Jahr. Auf der Mitgliederversammlung im Juli be-kundete außerdem Regina Leonhart aus dem Kulturbüro Interesse an der Vorstandsarbeit und wurde neu dazu gewählt.

Der aktuelle Vorstand setzt sich damit folgendermaßen zu: Sebastian Hintzen, Druckerei schwarz auf weiss, Ulrike Tauss, Papyrus Medientechnik, Ally Dolle, Fahrradwerkstatt, Peter Rist, BAGAGE, Regina Leonhart und Dieter Pfeiffer, Kulturbüro, Lena Oser, ehemals Erzieherin in der FABRIK-Kita, und Andreas Förde-rer, Motorradclub Weingarten.

Neu im TeamKarola Mohr verstärkt das Haus- und Kulturbüro

AG Bau + VisionenDas Vorderhaus soll wachsen

Alljährliche WahlWeiter im Amt: der Vorstand des FABRIK- Vereins

Derzeit zu acht: der FABRIK-Vorstand Herzlich willkommen in der FABRIK: Karola Mohr Rund 350 qm Nutzfläche würde die neuen andert-halb Stockwerke des Vorderhauses bringen

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FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015 Nachrichten

Es ist kein Zufall, dass eine der ältesten

ehrenamtlichen Arbeitsgruppen in der

FABRIK das Bauen auf dem Gelände mit

den Visionen seiner NutzerInnen verbindet.

Denn dann, wenn es nicht mehr nur um

das Instandhalten geht, sondern um die Er-

weiterung der FABRIK, zeigt sich, was allen

wichtig ist und was allen am Herzen liegt.

Eine mögliche Aufstockung des Vor-

derhaus-Gebäudes um anderthalb Etagen

– über dem 1. OG, das sich AMICA, friga und

Kinderhausinitiative teilen, gäbe es dann

ein 2. und ein 3. Obergeschoss – wäre

architektonisch sehr reizvoll und machbar:

eine entsprechende Bauvoranfrage der

FABRIK wurde im April positiv beschieden.

Sinnvoll wird ein solches Bauprojekt

aber erst dann, wenn die künftigen Nutzer

das Gesamtkonzept der FABRIK ergänzen

und stärken. So wie es etwa das Litera-

turhaus Freiburg oder pro familia getan

hätten, wenn ihre Pläne nicht an äußeren

Gründen gescheitert wären. Die AG Bau +

Visionen wird sich folglich nächstes Jahr

darum bemühen, für die gewünschte Auf-

stockung eine Nutzung zu finden, die für

die FABRIK gleichzeitig inhaltlich passend

und bereichernd, wie finanziell kosten-

deckend ist. Und vielleicht gibt kommt ja

noch zusammen, was zusammen gehört …

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Silvester-Show Das Special von Thomas Reis im Vorderhaus

100 hilfreiche Hocker Bei der Stiftung 100 gibt es Weihnachtsgeschenke, die helfen

Anders als sonstÖffnungszeiten am Jahresende / am Jahresanfang

Thomas Reis lässt es krachen und zündet seine Lieblingspointen exklusiv im Vorderhaus

Schlicht und schön: der Stiftungshocker Offen oder nicht offen – manchmal gut zu wissen ...

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Nachrichten FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015

Nach jahrelanger Silvesterabstinenz bietet die Vorderhaus-Kultur erstmals wieder eine Silvestershow, um ganz genau zu sein sind es sogar zwei. Eine um 17.00 und eine um 20.00 Uhr, und zwar, wer hätte es geahnt, am 31.12.

Der Kabarettist Thomas Reis, Wahl-Kölner und Zwangs-Kirchzartener und dem Freiburger Publikum von zahlrei-chen furiosen Veranstaltungen auf der Vorderhausbühne bestens bekannt, hat sich der Silvesterplanung zahlreicher Ka-barettfans angenommen. Er präsentiert, dem Anlass entsprechend, eine Silvester-Show mit dem Titel „Kracher, Knaller, Kabarett – Das Beste“.

Also muss man gar nicht mehr über-legen, kein Glotzkoma, kein Fondue und auch kein Bleigießen zum Jahreswechsel mehr. Jetzt wird geschmunzelt, gegrübelt und gelacht, bis die Stunde schlägt. Ein Kabarettabend voll satirischer Böller, po-litisch, saftig, menschlich, komisch, philo-sophisch, vielleicht alphabetisch, aber mit Gewissheit stets unkorrekt.

Und nach der Show kann man sich immer noch den Silvesterhimmel vom Lorettoberg aus ansehen, ohne sich vor-her die Füße platt gestanden oder sich was abgefroren zu haben.

Die Stiftung 100 unterstützt Menschen in

Nepal, Bangladesh, Senegal und Nicaragua,

die sich in Eigeninitiative eine Existenz-

grundlage erarbeiten wollen, leistet also

im besten Sinne Hilfe zur Selbsthilfe.

Gefördert werden Projekte, die primär

auf die menschlichen Grundbedürfnisse

ausgerichtet sind wie Nahrung, Bildung,

Wohnung und Gesundheit.

Aktuell soll die Aktion „100 Hocker –

für 100 € – für die Stiftung 100“ Geld für

das Chhimeki-Projekt in Nepal bringen.

Professionell gefertigte Design-Hocker

werden zum günstigen Stückpreis von

100 € angeboten. Die Stiftung übernimmt

die Materialkosten von ca. 30 € und die

ausführenden Schreiner arbeiten umsonst,

so dass der Erlös von 70 € ungekürzt ans

Chhimeki-Projekt geht.

Neben den Hockern hat die Stiftung

100 auch Weine der Weingüter Rinklin und

Wassmer „im Programm“: auch hier fließt

ein ordentlicher Teil des Verkaufspreises

als Spende in die Projekte der Stiftung.

Weitere Infos und Bestellungen:

Zwischen Weihnachten und Dreikönig haben die meisten Betriebe und Einrichtungen in der FABRIK andere Arbeits- und Öffnungszeiten als üblich. Bitte vor allem beachten:Vorderhaus-GaststätteMo 22.12.2014 ab 18:00 geschlossenMi 24.12.2014 geschlossenDo 25.12.2014 geschlossenFr 26.12.2014 bis Di 06.01.2015: = kein Mittagstisch, d.h. geöffnet ist werktags ab 17:30, samstags ab 12:00 und sonn-/feiertags ab 10:00Mi 31.12.2014 nur bis 23:00 geöffnet!Do 01.01.2015 geschlossenFahrradwerkstattgeschlossen vom Mo 22.12. 2014 bis Di 06.01.2015Keramikwerkstattgeschlossen vom 19.12.2014 bis 06.01.2015frigaNotdienst am 24., 29. und 30.12.2014keine Beratungen am 01. und 06.01.2015Wochenmarktentfällt an den Samstagen 27.12.2014 und 03.01.2015, d.h. erster regulärer Markt im Neuen Jahr am 10.01.2015

www.stiftung100.de

Telefon: 0171-3096138

samstags: Wochenmarkt der

FABRIK (ca. 14-tägig)

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FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015 Kinderkultur

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FABRIK: Ihr gehört mit den Kindern aus der Kita Rie-

selfeld zu den regelmäßigen Gästen unserer Kinder-

theateraufführungen im Vorderhaus. Das ist jedes

Mal eine weite Reise, die ihr trotzdem immer wieder

auf Euch nehmt.

Claudia Frey: Ja, das stimmt. Aber sie ist uns sehr wichtig. Unser Ziel ist es, dass jedes Kind in seiner Kindergartenzeit wenigstens ein Theater-stück gemeinsam mit den anderen außerhalb un-seren Räumen im Rieselfeld gesehen hat.

Warum ist Euch Theater so wichtig?

Sonja Rau: Wir sind überzeugt davon, dass Kin-der Theater brauchen, um in ihrer Entwicklung weiterzukommen. Sie brauchen das Rollenspiel, das Sich-Hineindenken in eine Figur und die Möglich-keiten, einen anderen Blick auf die Welt zu bekom-men, die sich damit verbinden. Jedes Kind, das ein Theaterstück gesehen hat, nimmt etwas anderes daraus für sich mit in den Alltag und überträgt es

Kulturelle Bildung vernetzt denkenEin Gespräch mit Claudia Frey, Leiterin der KiTa Rieselfeld, und Sonja Rau, Erzieherin, über das im letzten Rundbrief vorgestellte Konzept zur Erweiterung unseres Kindertheaterangebotes

Das Kindertheaterangebot in der FABRIK, die Gigs für Kids, mit

Vorstellungen am Wochenende werden seit vielen Jahren sehr gut

besucht. Immer wieder erhalten wir Nachfragen, warum wir unsere

Kindertheaterstücke nicht unter der Woche für Kindertagesstätten

und Grundschulen anbieten.

Das soll nun im kommenden Jahr in Form eines regelmäßigen

Veranstaltungsangebots für Kinder im Alter von drei bis zehn

Jahren realisiert werden. Als neuer Schwerpunkt sollen diese Auf-

führungen theaterpädagogisch begleitet werden. Wir planen die

Etablierung eines vielfältigen pädagogischen Begleitangebots, das

sich thematisch an den Inszenierungen orientiert und sich sowohl

an die Kinder als auch an die Erziehenden richtet.

Ein wichtiges Ziel des Projekts ist, eine nachhaltige Koopera-

tion mit Kindertageseinrichtungen und Grundschulen aufzubauen,

die den Bedürfnissen der Einrichtungen möglichst punktgenau

gerecht wird. Darüber unterhielt sich Ute Lingg, Verantwortliche

für das Kinderkulturangebot im Vorderhaus, mit Claudia Frey und

Sonja Rau. Im Gespräch wird deutlich, wie wichtig solche Angebote

für Kinder, aber auch für die begleitenden Erwachsenen sind.

Vor Ort im Gespräch, von links nach rechts: Ute Lingg, Sonja Rau und Claudia Frey

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Kinderkultur FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015

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auf den kleinen Ausschnitt seines Lebens. Wir können das immer wieder beobachten: Für die Kinder, die so etwas erleben, gehen da ganz neue Fenster auf. Viele beginnen dann plötzlich, auch von sich aus Theater zu spielen.

Claudia: Um ihnen das zu ermögli-chen, haben wir in unserer Kita eine eigene kleine Bühne mit echtem Theatervorhang. Denn auch das darf man nicht vergessen: Im Rollenspiel lernen Kinder, sich auszu-drücken – mit ihrem Körper, mit Gesten und Verkleidungen. Dadurch können auch diejenigen Sprachbarrieren überwinden, die zunächst vielleicht noch kaum Deutsch können.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die

Identifikation, die Theater ermöglicht.

Claudia: Deshalb ist es uns wichtig, mit Schauspiel-Profis zusammenzuarbei-ten, weil sich Kinder nur in der sinnlichen Erfahrung eines Theaterstücks einen Be-griff davon machen können, was das ei-gentlich ist: Schauspiel. Sie beginnen sich zu fragen, wie sie dahin kommen könnten, auf die Bühne, als Schauspielerin oder Schauspieler, und zwar unabhängig da-von, ob sie in einem bildungsbürgerlichen Haushalt aufgewachsen sind, oder viel-leicht die einzigen in ihrer Familie sind, die je ein Theaterstück gesehen haben. Durch Theater lernen Kinder die Möglichkeiten kennen, die ihnen offen stehen. Das zu gewährleisten ist uns sehr wichtig. Denn man darf nicht vergessen: Es gibt noch eine andere Wirklichkeit als die der Mittel- und Oberschicht.

Wie behaltet Ihr die von Euch beschriebene

Wirklichkeit im Blick? Wie geht Ihr damit

um?

Claudia: Kindertheater, als gemeinsa-mes Erlebnis in der Kita oder der Grund-schule ermöglicht kulturelle Teilhabe, niederschwellig und von Anfang an. Wir wollen, dass bei einem Ausflug jedes Kind mit dabei sein kann – und zwar unabhän-gig davon, ob seine Eltern das bezahlen können oder nicht. Natürlich gibt es För-dermittel, auf die man dafür zurückgrei-fen kann. Und es gibt das Bildungs- und Teilhabe-Paket, das allerdings nicht viele

in Anspruch nehmen, weil es ihnen un-angenehm ist, die Gutscheine einzulösen. Wir finden aber, Eltern sollen sich nicht fragen müssen, ob sie sich das leisten kön-nen, sondern sagen dürfen: Ja, ich möchte, dass mein Kind das erlebt. Wenn wir den Gedanken der kulturellen Teilhabe wirk-lich ernst nehmen, müssen wir die Voraus-setzungen dafür schaffen. Das gilt für uns als Erziehende, aber auch für die Kom-mune, die dafür Mittel zur Verfügung stel-len sollte.

Doch ein Theaterbesuch steht nicht für sich

allein. Oft braucht es begleitende Ange-

bote, damit das Erfahrene nachhaltig wir-

ken kann. Könnt Ihr das selbst leisten oder

wärt Ihr dankbar, wenn es so etwas wie ein

theaterpädagogisches Angebot zu jedem

Stück gäbe?

Sonja: Das kommt immer auf das ein-zelne Stück an. Kürzlich waren wir mit un-seren Schulanfängern bei einer Aufführung des „Sams“ im Vorderhaus. Nach der Vor-bereitung mit den Kindern und dem Stück haben wir das Erlebnis im Anschluss dann noch zwei Wochen nachbereitet, bis hin zu einem Schattenfigurentheater, das die Kin-der dann selbst aufgeführt haben. Voraus-

Faszination Figur –nach einer Aufführung von „Pinocchio“ derCompanie Voland

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FABRIK-Rundbrief |Winter 2014/2015 Kinderkultur

setzung dafür ist allerdings, dass die Erzie-henden das Stück, das sie mit den Kindern erleben, sehr gut kennen. Dann lässt sich etwas Schönes draus entwickeln. Anders ist das bei Stücken, die wir selbst erst auf der Bühne kennenlernen oder die kom-plexe Themen verhandeln wie Trauer oder Tod. Da ist es dann oft sehr schwierig, das auf die Erfahrungswelt der Kinder herun-terzubrechen. In solchen Fällen wäre eine professionelle Begleitung der Erziehenden bei der Vorbereitung sicher hilfreich. Und mehr noch ein darüber hinaus gehendes pädagogisches Angebot für die Kinder.

Wie sollte dieses Angebot aussehen?

Sonja: Es wäre toll, wenn man mit den Kindern nach einem Stück in die Kera-mikwerkstatt gehen könnte, wo sie ihre Theatererfahrungen in Ton ausdrücken können oder mit dem eigenen Körper im Raum des „Friedlichen Drachen“. Das würde das Theatererlebnis in einen grö-ßeren Zusammenhang stellen, einen Rah-men, in dem alle Sinne angesprochen wer-den. Die Kinder würden dann sehen, dass es neben der Bühne weitergeht, dass es eine Werkstatt gibt, einen Bewegungsraum, und dass diese alle unter einem Dach zu finden sind und miteinander zu tun haben, weil sie die Möglichkeit bieten, das gerade gesehene Theaterstück selbst noch einmal ganz intensiv nachzuerleben.

Claudia: Als Leiterin unserer Kita ist es mir zudem wichtig, dass sich die Erzie-henden weiter qualifizieren. Wir schöpfen alle aus dem, was wir gelernt haben. Doch irgendwann erreichen wir natürlich auch Grenzen. Deshalb setzen wir sehr stark auf die Begegnung und Zusammenarbeit mit Menschen, die in ganz anderen Bereichen arbeiten. Für uns ist das auch eine Frage der Nachhaltigkeit. Bei jedem Projekt, das wir mit Kooperationspartnern realisie-ren, lernen wir als Fachkräfte dazu. Wir bekommen neue Anstöße, aus denen wir wiederum neue Ideen entwickeln können. Dabei entsteht ein Esprit, der vieles mög-lich macht, was vorher unmöglich schien. Klar ist aber auch, dass dieser Prozess des gemeinsamen Lernens einen klar definier-ten Rahmen braucht.

Warum ist ein definiertes Rahmen programm

so wichtig?

Claudia: Weil es eben darum geht, dass die Erziehenden mit ihren Kitagruppen nicht nur ins Theater gehen, um dort ein Stück zu konsumieren, sondern um ein kreatives Erleben und Nachgestalten zu ermöglichen. Denn nur so bleibt es auch als Erfahrenes im Kopf der Kinder, an das sie anknüpfen können.

Sonja: Ich fände es toll, wenn die Kin-der darüber hinaus auch die Möglichkeit hätten, dem Vorderhaus etwas von ihren

Eine Welt entsteht aus Ton ...

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Kinderkultur FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015

Erfahrungen zurückzugeben, die sie dort bei ihrem Theaterbesuch gemacht ha-ben. Denkbar wäre, dass sie vor anderen Kindern auf der Vorderhaus-Bühne ihre eigene Version des Stücks spielen, das sie gesehen haben. Oder eine Ausstellung mit Skulpturen und Bildern, die in Folge eines Theaterbesuchs entstanden sind.

Ist es denn wichtig, Theater in einem thea-

tralen Umfeld, in einem „richtigen“ Theater

zu erleben. Theateraufführungen könntet

Ihr doch auch in der Kita haben. Angebote

gibt es genug.

Claudia: Der gemeinsame Besuch ei-nes Theaterstücks ist ein Erlebnis, das weit über das eigentliche Stück hinausgeht. Na-türlich ist das Theater der Anlass, aber wir wollen den Kindern auch ermöglichen, aus der Einrichtung raus zu kommen, denn unsere Kita ist keine Insel. Es geht uns darum, dass sie das Leben außerhalb der „Schutzzone Kita“ entdecken können, und der Radius über den eigenen Stadtteil hinaus erweitert wird. Sie sollen wissen: Ich gehöre in diese Stadt und diese Stadt gehört auch mir – und deshalb darf ich hier auch Ansprüche anmelden. Unter an-derem ist das ein Grund, weshalb wir mit den Kindern ausgerechnet in die FABRIK fahren, um dort Theater zu erleben. In der FABRIK wird die Überzeugung gelebt, dass Veränderungen möglich sind, wenn

man sich organisiert. Die Stadt gehört al-len. Es geht also nicht nur um kulturelle, sondern auch um gesellschaftliche Teil-habe.

Sonja: Auf ihrer Reise vom Rieselfeld quer durch die Stadt bis zum Vorderhaus lernen die Kinder eine Kultur des Zusam-menlebens kennen, die wir mit ihnen ganz bewusst zelebrieren. Das gemeinsame Ves-per, die Straßenbahnfahrt, das Picknick im Park, dann die Ankunft, der Moment, in dem das Licht im Saal erlischt und das das Stück beginnt – das alles gehört zu diesem Erlebnis dazu wie auch die Rück-kehr ins Rieselfeld, die Nachbereitung in den Tagen danach. Das ist das Tolle: Jeder Theaterbesuch ermöglicht den Kindern die Eroberung von Lebensraum.

Unter Erziehenden gibt es da unterschied-

liche Auffassungen. Nicht alle sind begei-

stert von dem Aufwand, den ein Ausflug

mit zwölf Kindern durch die halbe Stadt

bedeutet.

Claudia: Wir können da nur aus unse-rer eigenen Erfahrung sprechen, und die sind durchgehend positiv. Kinder, denen man die Möglichkeit gibt, auf solchen Aus-flügen Räume zu erobern und zu gestalten und so am sozialen und kulturellen Leben teilzuhaben, sind von diesem Erlebnis oft völlig absorbiert und sprechen noch Tage später darüber.

Einige sehen sich schlicht überfordert und

sagen, es gebe genug andere Probleme,

die Priorität hätten. Theater sei da eher ein

zweitrangiges Anliegen. Wie seht Ihr das?

Sonja: Gerade für Kinder, die in soge-nannten schwierigen Verhältnissen leben, also ohne stabiles Beziehungsnetz und mit wenig Freiraum zur persönlichen Entfal-tung sind solche Erlebnisse wichtig. Wir erleben immer wieder, was ein Theaterbe-such bei diesen Kindern an emotionaler, sozialer und sprachlicher Kompetenz her-auskitzeln kann!

Welche Anreize bräuchte es denn, damit

möglichst viele Kinder von solchen Erfah-

rungen profitieren können?

Sonja: Für die Erziehenden wäre das sicher eine theaterpädagogische Beglei-tung, die ihnen nicht nur die Inhalte der Stücke und kreative Konzepte der Nach-bereitung vermittelt, sondern auch ein Be-wusstsein dafür, dass sich der Aufwand in Grenzen hält angesichts der unglaublichen positiven Auswirkungen, die solche Thea-terausflüge auf die Kinder haben.

Impuls zum Selbst kreativ werden. Das Erlebte wirkt nach.

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FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015 Kleinanlegerschutzgesetz

In den letzten Jahrzehnten hat sich der Staat aus

vielen Bereichen der Daseinsvorsorge zurückge-

zogen. Die dadurch entstandenen Defizite werden

vielerorts durch vielfältiges bürgerschaftliches

Engagement ausgeglichen. Ob es um bezahlbare

Wohnungen geht, um Gesundheitsvorsorge,

Kultur, Pflegenotstand, erneuerbare Energien,

alternative Schul- und Bildungsformen oder um

ökologische Landwirtschaft, die Projekte wer-

den meist privat finanziert. Dabei ist eine breit ausgeprägte

Solidarökonomie entstanden. Bürger unterstützen bürger-

schaftliche Projekte mit privaten Darlehen. Im Vordergrund

steht nicht die Gewinnerzielungsabsicht, sondern aktive

Solidarität. So, wie es ein altes Leitmotiv in der FABRIK kurz

umreißt: Lebensqualität geht vor Profit.

Gesetze werden den Bürgern inzwischen verkauft wie

Tütensuppen im Supermarkt, so auch beim Referentenent-

wurf zum Kleinanlegerschutzgesetz. Vorne auf der Packung

wird etwas versprochen, was hinten im Kleingedruckten

wieder einkassiert wird. Hier wird Verbraucherschutz verspro-

chen. Und was steckt drin? Ein Monopol soll von Staats wegen

gestärkt werden. Wenn die Finanzbranche alle Seriosität so

verspielt, dass die Bürger ihr das Vertrauen und, schlimmer

noch, das Kapital entziehen, dann sorgt halt der Staat dafür,

dass weiterhin garantierte Gewinne gemacht werden können.

Weg von privatem Engagement, hin zu den Banken. Verbrau-

cher, wo Du Dein Geld anlegen sollst, das weiß der Staat besser

als Du und schützt Dich vorsorglich vor wilden Zockereien im

Niedrigzins-Bereich!

Mogelpackung Verbraucherschutz

Das geplante Kleinanlegerschutzgesetz soll Verbraucher schützen. Tut es aber nicht.

Dafür sind die Auswirkungen fatal.

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Kleinanlegerschutzgesetz FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015

Beim Erneuerbare Energien Gesetz verhält es sich ganz ähnlich.

Bernward Janzing stellt sich an anderer Stelle in diesem Rundbrief

die Frage, mit welcher Logik die Produktion von Solarstrom verteu-

ert wird, um damit die Produktion von Solarstrom zu fördern. Für

uns in der FABRIK bedeutet das neue EEG, dass wir für den Strom,

den wir auf unserem Dach erzeugen und sofort selbst verbrauchen,

EEG-Umlage zahlen. Eike Weber vom Fraunhofer-Institut vergleicht

das damit, dass man im eigenen Garten Tomaten selbst züchtet, auf

die dann Mehrwertsteuer fällig wird, wenn man sie erntet und isst.

Gleichzeitig sind jedoch 2098 Firmen ganz oder teilweise von

der Zahlung dieser Umlage befreit. Dabei handelt es sich um „strom-

intensive Unternehmen des produzierenden Gewerbes mit hohem

Stromverbrauch oder Schienenbahnen“. Darunter sind gerade mal

ganze 72 Unternehmen mit Nah- und Fernverkehrsangeboten. Zu

den restlichen 2016 gehören Aluminiumproduzenten, Stahlgieße-

reien und Geflügelschlächter. Oder, die Krone bei einem Gesetz

zur Förderung erneuerbarer Energien, der Braunkohletagebau.

Versprochen wird, so steht es vorne drauf, die Förderung der En-

ergiewende. Im Kleingedruckten geht es dann ums Wesentliche,

nämlich um massive Industriepolitik, die große Unternehmen ent-

lastet und die Kosten auf den einzelnen Verbraucher umverteilt.

Politik im Dienste der Bürger? Es ist immer wieder das Gleiche,

egal ob Eurokrise, Bankenrettung, TTIP oder Erneuerbare Ener-

gien — Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren, das ist ja nichts

Neues. Kurt Tucholsky schrieb dazu schon vor rund 100 Jahren in

der „Weltbühne“: „Politik kann man hierzulande definieren als die

Durchsetzung wirtschaftlicher Zwecke mit Hilfe der Gesetzgebung.“

Kleinanlegerschutz gesetz bedroht Bürgerprojekte

Im November hat das Bundeskabinett grünes Licht für eine Neufasssung des Kleinanlegerschutzgesetzes

ge geben. Nun wird der Entwurf in Expertenanhörungen weiter beraten, bevor das Gesetz im Frühjahr im Bundes-

tag verabschiedet werden soll. Auslöser für die Neufassung war die Insolvenz des Windparkentwicklers „Prokon“,

bei der viele Anleger ihr Geld verloren haben. Verbraucher sollen nun besser vor unseriösen Produkten auf dem

grauen Kapitalmarkt geschützt werden.

Das Gesetz in seiner jetzigen Fassung hat verheerende Auswirkungen für praktisch alle Projekte, die ihre

gemeinnützige Arbeit über private Darlehen solidarökonomisch finanzieren und diese Anlagen über sogenannte

Nachrangdarlehen absichern.

In Freiburg hat sich ein Kreis betroffener Projekte gebildet, um gegen diesen Entwurf zu protestieren. Bereits

im September tagte in der FABRIK ein „Runder Tisch“ mit den MdBs Kerstin Andreae und Gernot Erler.

Vertreterinnen und Vertreter der Projekte sind für Mitte Dezember zu einem Gespräch mit dem federführenden

Staats sekretär Gerd Billen ins Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz nach Berlin eingeladen.

Mehr Verbraucherschutz für KleinanlegerInnen soll die Novellierung des Vermögens-

anlagengesetzes bringen. ... Doch die geplanten Regelungen haben (so sicherlich nicht

beabsichtigte) Risiken und Nebenwirkungen. Größtes Hemmnis für solidarische Wohnpro-

jekte, freie Schulen, Energiegenossenschaften, Kulturprojekte, Dorfläden und viele mehr

ist die Pflicht einen Verkaufsprospekt aufzulegen, wenn jährlich mehr als 100.000 Euro

an Nachrangdarlehen eingeworben werden sollen. Dieser Prospekt ist ein umfangreiches

Dokument, muss von Fachpersonen erstellt, von vereidigten Wirtschaftsprüfern testiert

und von der Bundesaufsicht für Finanzdienstleistungen (BaFin) geprüft und aufbewahrt

werden. Kosten von rund 50.000 Euro kommen damit auf Projekte zu, die schon ohne

überbordende bürokratische Regelungen nur wirtschaftlich sind, weil sie die Kosten nied-

rig halten und mit viel ehrenamtlichem Engagement arbeiten. Der personelle Aufwand ist

in den 50.000 Euro, die im Übrigen nicht nur einmalig sondern jährlich anfallen, noch gar

nicht eingerechnet.

Presseerklärung des Runden Tisches

vom 2. Oktober 2014:

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FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015 Kleinanlegerschutzgesetz

Kerstin Andreae stellte daraufhin die berechtigte Frage, ob denn KleinanlegerInnen über-

haupt mehr Schutz benötigten und ob der Gesetzesentwurf diesen Schutz auch bringe.

Aus der GLS Bank wurde berichtet, dass AnlegerInnen aus ihrem Kundenkreis sich sehr

wohl darüber bewusst seien, dass eine achtprozentige Rendite nicht mit einer risikolosen

Geldanlage zu erzielen ist. Ihre Erfahrung ist, dass Menschen Mündigkeit entwickeln und

Verantwortung übernehmen, wenn sie als mündig und verantwortungsbereit angesprochen

werden. Dies leistet aus ihrer Sicht der Gesetzentwurf nicht. Außerdem hatte Prokon ja ei-

nen solchen Verkaufsprospekt aufgelegt – mit dem Segen der BaFin. Diese prüft Prospekte

jedoch ausschließlich nach formalen und nicht nach inhaltlichen Kriterien. Weder die zu

erwartenden Einnahmen, noch die angesetzten Kosten werden auf ihre Plausibilität hin

überprüft. Stattdessen gilt es Formalien einzuhalten. Heraus kommt ein 60 bis 100seitiges

Papier, das ohne fachkompetente Anleitung nicht verständlich ist und das insofern auch

kaum ein Anleger jemals durchliest.

Aktivisten in Projekten sprechen gar von Verbraucherbevormundung statt Verbraucher-

schutz, denn die Menschen, die ihr Geld eben nicht in einem dubiosen Fonds sondern in

Projekten der Solidarökonomie vor Ort anlegen, möchten dies weiter tun können. Dies wird

nicht möglich sein, wenn eben diesen Projekten die Finanzierungsgrundlage entzogen wird.

Oft decken solidarische Projekte vor Ort Leistungen ab, die staatliche Einrichtungen so gar

nicht mehr liefern (können): Sei es bezahlbarer Wohnraum, Kultur, Erneuerbare Energien

oder Wohnen im Alter.

Ganz wichtig ist in den Projekten der Solidarökonomie die Transparenz gegenüber den

KreditgeberInnen. Diese können sich durchaus vor Ort informieren, Projekte besuchen und

ganz konkret sehen, was mit ihrem Geld passiert. Dies ist für die Mehrzahl der AnlegerInnen

durchaus relevanter als die erzielbare Rendite. Eine sehr große Transparenz und Mitbe-

stimmung ist für den Bereich der Genossenschaften zu betonen. In Mitgliederversammlun-

gen bestimmen die GenossInnen über neue Vorhaben, Vorstand und Aufsichtsrat werden

demokratisch gewählt und der Genossenschaftsverband prüft auch jährlich die Bilanzen.

Genossenschaftsanteile selbst sind nicht von den Regelungen betroffen, doch finanzieren

viele Genossenschaften konkrete Projekte auch über Nachrangdarlehen.

Wie denn nun die Abgrenzung von schützenswerter Solidarökonomie zu regelungs-

bedürftigem „grauen Kapitalmarkt“ aussehen solle, wollte Gernot Erler wissen. Denn

es sei zwar nicht im Sinne der Regierung, Bürgerengagement abzuwürgen – die Inter-

essen der KleinanlegerInnen sollten jedoch auch nicht unter den Tisch fallen. Eine

Grenz ziehung anhand eines jährlichen Anlagebetrages ist hier natürlich immer willkür-

lich und auch nicht unbedingt zielführend. So hat ein Wohnprojekt, das Gebäude kauft

oder baut, sicherlich einen höheren Kapitalbedarf als eine Energiegenossenschaft, die

ein Blockheizkraftwerk plant. Ein Vorschlag seitens der Projektaktiven war eine Orientie-

rung an der versprochenen Rendite, die bei maximal vier Prozent über dem Basiszins-

satz liegen könne. Auch sollten Projekte, in die AnlegerInnen vorrangig aus persönlichem

und nicht aus wirtschaftlichem Interesse investierten, von der Regelung ausgenommen

sein ...

Eine grundlegende Erfahrung der Aktiven in Projekten der Solidarökonomie ist, dass Men-

schen Vertrauen und Verantwortung entwickeln, wenn sie als mündig angesprochen werden.

Aus Gesprächen mit Aufsichtsbehörden und Verbraucherschutz verdichtet sich jedoch der

Eindruck, dass Vertrauen und Verantwortung kollektiviert und durch Regulatorik ersetzt

werden sollen.

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Neue Photovoltaikanlage FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015

Das neue Erneuerbare Energien Gesetz ist ein ziemlicher

Schuss vor den Bug: Seit August gilt in Deutschland die

„Sonnensteuer“ – was natürlich nur ihr inoffizieller Name

ist.

Offiziell heißt die neue Abgabe „EEG-Umlage auf Ei-

genverbrauch“. Das heißt: Wer Strom mit einer Photo-

voltaikanlage erzeugt und diesen teilweise oder ganz vor

Ort selbst nutzt, muss für diesen Strom seit August 40

Prozent der jeweils gültigen EEG-Umlage bezahlen (nur

Anlagen kleiner 10 Kilowatt sind befreit). Man verteuert

also Solarstrom um mit den daraus erzielten Einnahmen

wiederum Solarstrom zu fördern – eine bemerkenswerte

Logik.

Zeichen setzenin Zeiten

der SonnensteuerDie FABRIK installiert 58 Kilowatt Photovoltaik,

dem Gegenwind aus Berlin zum Trotz

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FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015 Neue Photovoltaikanlage

Aber was hilft alle Kritik, das Gesetz ist nun in Kraft und so muss

man damit leben. In der Mitgliederversammlung der FABRIK war

man sich unterdessen einig: „Wir wollen, dass die Energiewende

weiter voran geht“ - und deshalb wurde die schon länger geplante

Photovoltaikanlage trotz des neuen Gesetzes noch gebaut. Sie lei-

stet 58 Kilowatt und soll im Jahr 52.000 Kilowattstunden sauberen

Strom erzeugen. Anfang November ging sie in Betrieb.

Im Prinzip ist das eine ideale Sache: Die meisten Betriebe auf

dem FABRIK-Gelände brauchen vor allem tagsüber Strom. Zu Zeiten

also, in denen — mal mehr, mal weniger – die Sonne scheint. Und seit

der Strom vom eigenen Dach aufgrund des rasanten Fortschritts

in der Photovoltaik längst billiger ist als der Strom aus dem Netz,

lohnt es sich, ihn direkt vor Ort zu verbrauchen. Die Planer schätzen

daher, dass fortan 80 Prozent des Stroms aus der neuen Anlage

direkt auf dem Gelände genutzt werden und damit das öffentliche

Netz nicht belasten.

Aber dafür wird eben nun die Abgabe fällig, rund 1.000 Euro

Sonnensteuer im Jahr. Und zwar schlicht dafür, dass das Dach nicht

mehr ungenutzt bleibt, sondern klimafreundlich Strom für die Un-

ternehmen darunter erzeugt.

Rechnet sich die Anlage durch die Umlage nun nicht mehr? Das

hängt davon ab, wie man die Wirtschaftlichkeit definiert. Die FABRIK

geht davon aus, dass sie nach etwa 13 Jahren die Investitionskosten

in Höhe von 87.000 Euro wieder eingespielt haben wird. Ohne die

Sonnensteuer wäre dieser Zeitpunkt allerdings zwei Jahre früher

erreicht worden. Das ist zwar bitter, aber man hat sich entschlossen,

sich nicht bremsen zu lassen. Zumal die FABRIK als soziokulturelles

Zentrum die Aufgabe der Kultur auch gerade darin sieht, gesell-

schaftliche Debatten anzustoßen. Sie ist davon überzeugt, dass

einer kulturellen Einrichtung eine ökologische Vorreiterrolle gut

ansteht.

Und so wurde die Energiebilanz der FABRIK-Betriebe durch die

neue Solarstromanlage weiter verbessert. Den rund 300.000 Kilo-

wattstunden, die im Jahr von den Unternehmen verbraucht werden,

steht nun eine Eigenerzeugung von immerhin rund 135.000 Kilo-

wattstunden entgegen – davon stammen rund 65.000 bis 70.000

aus dem bestehenden Blockheizkraftwerk, der Rest aus der bisheri-

gen und der neuen Photovoltaikanlage.

Der Wermutstropfen: Die Solarmodule kamen aus China. Gerne

hätte die FABRIK ihr Dach mit Ware geschmückt, deren Zellen und

Module aus regionaler Produktion stammen, doch die hat man nicht

bekommen. Aber immerhin sind auch die eingesetzten Module nach

den Qualitätsstandards der ISO 9001 und den Umweltstandards

nach ISO 14001 gefertigt, sowie nach den Standards für Arbeits-

schutzmanagement nach OHSAS 18001. Die Wechselrichter hinge-

gen, vier an der Zahl, sind immerhin ein deutsches Produkt.

Jetzt hoffen alle Beteiligten in der FABRIK, dass das Beispiel

an der Habsburgerstraße Schule macht – auf Firmendächern, auf

öffentlichen Gebäuden, auf Privathäusern. Die neue Photovoltaik-

anlage soll auch ein Zeichen sein, dass sich die FABRIK die Ener-

giewende nicht kaputt machen lässt; man macht weiter, auch wenn

Berlin den Umweltaktivisten, die dezentral und nicht großindustriell

denken, gerade nicht wohlgesonnen ist.

Bernward Janzingist Journalist und freier Autor aus Freiburg. Von ihm stammt u.a. das Buch „Solare Zeiten“, erschienen im Picea-Verlag.

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Dachsanierung FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015

Die Installation der neuen Photovoltaikanlage auf dem Dach des FABRIK-Hauptgebäudes machte nur den kleineren Teil der dreimonatigen Großbaustelle aus. Aufwändiger und mit kleinen Überraschungen gestaltete sich die Sanierung des Dachs an sich. Unabhängig vom Bau einer PV-Anlage war schon lange klar: irgendwann würde man das Dach sanieren und anständig däm-men müssen. Die alten, ererbten Welleternitplatten waren nur solange noch tolerierbar, wie sich niemand an ihnen zu schaf-fen machte. Und mit der geplanten Installation einer PV-Anlage musste man dies. Naheliegend war also: Dachsanierung und PV-Installation auf einen Schlag!Und damit auch auf einen Schlag Kosten von rund 220.000 €, von denen 133.000 € auf die Dachsanierung (Gerüst, Entsorgung, Dachstuhlertüchtigung, Wärmedämmung und neue Eindeckung) entfielen und 87.000 € auf die PV-Anlage.

Erfreulich war nicht nur, dass der Kostenrahmen weitgehend eingehalten werden konnte, sondern auch, dass das Land Baden-Württemberg aus seinem Förderprogramm Klimaschutz-Plus die Wärmedämmung mit einem Betrag von 20.010 € bezuschusste. Immerhin bleiben der Umwelt dadurch künftig jährlich 11,6 Tonnen CO2 erspart (das Land rechnet mit einer Lebensdauer von 30 Jahren und folglich 348 Tonnen CO2). Und der FABRIK jährlich 42.000 kWh an Heizenergie.Die Stromproduktion durch die neue PV-Anlage wird noch wesentlich mehr CO2 vermeiden, nämlich voraussichtlich 38,5 Tonnen im Jahr. Zusammen ergeben sich so stattliche 50 Tonnen!

Zu so vielen positiven Aussichten haben viele beigetragen, denen an dieser Stelle ein großer Dank gebührt:

• SwenOsterloh,ArchitektundBauleiter• ArnoldGumpert,Statiker• JörgGrotefendt,IngenieurundEnergieberater• AlexanderSladek,EWSSchönau• dieausführendenFirmen:Farben-BehaGerüstbau,Kadel

Installationen, atempo-Dienstleistungen, Hasler Holzbau, Kempf Klempnertechnik, Ries Bauunternehmung, Energossa Solarstromanlagen

• alsZuschussgeberdasMinisteriumfürUmwelt,Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg

• dieDarlehensgeberInnenderFABRIKund nicht zuletzt:• dieBeschäftigtenunddieBesucherundBesucherinnender

FABRIK, welche so manche Beeinträchtigung durch die Baustelle und so manchen Engpass im Vorderhof geduldig ertragen haben.

Energie-Baustelle DachDank der Baumaßnahme auf dem Dach des Hauptgebäudes wird die FABRIK künftig einerseits noch mehr Energie produzieren und andererseits viel Energie sparen.

➔ 50 Tonnen CO2:

Diese jährlich durch Dämmung und neue PV-Anlage ver-

miedene Menge an Kohlendioxid entspricht dem, was ein

durchschnittlicher PKW ausstößt, wenn er 340.000 km,

also rund acht Mal um die Welt fährt.

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FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015 Attac Freiburg

Regulierung der Finanzmärkte

Die globalisierten Finanzmärkte können, wie seit 2008 täglich zu erleben ist, die gesamte Welt erschüttern, ganze Länder in den Abgrund reißen und in der Folge Sozialsysteme bis zur Unkenntlichkeit zusammenschrumpfen. Eine unregulierbare Komplexität wird uns vorgegaukelt, mit der Konsequenz, dass das Feld neoliberal geprägten ÖkonomInnen überlassen wird. Ökologie, Solidarität und Gemeinwohl gelten als störende Fremdkörper. Attac hat es sich zur Aufgabe gemacht, über diese Entwicklungen aufzuklären und Alternativen zu entwickeln.

Als Handlungsfeld knöpfte sich Attac-Freiburg die Macher der Finanzkrise vor, sprich die Banken. Welche Bankentypen gibt es, wie unterscheiden sich die Geschäfts-politiken, welche sind in die Spekulation mit Nahrungsmitteln involviert - kurz gesagt, die Frage „Was macht mein Geld bei meiner Bank?“ bearbeitete Attac- Freiburg in zahlreichen Vorträgen, Aktionen und nicht zuletzt in der „Bankwechselgala“ im Vor-derhaus. Durchaus mit Erfolg: So stiegen die Sparkasse und weitere Institute aus der Spekulation mit Nahrungsmitteln aus, dem ganzen Treiben sollen mit einer europä-ischen Richtlinie, der MifiD einige Grenzen gesetzt werden.

Falle Freihandel

Seit gut einem Jahr beschäftigt sich Attac-Freiburg mit diversen Handelspakten (TTIP/ CETA/ TISA etc.), die fälschlicherweise unter dem Slogan „Freihandel“ fir-mieren. Denn befreiend sind diese Verträge in erster Linie für Großkonzerne, deren Wunschliste immer umfangreicher wird, je weiter dereguliert wird. Der weitestge-hende Vorstoß versteckt sich im TTIP, dem geplanten Abkommen zwischen der EU und den USA. Es beinhaltet die Etablierung eines politischen und rechtlichen Systems jenseits der Staaten und damit jenseits aller demokratischen Gestaltungsmöglich-keiten. So möchte die EU-Kommission Konzernen dies- und jenseits des Atlantiks

Jetzt erst recht! Attac-Freiburg, die Finanzmärkte und das Finanzamt

Welthandel, globalisierte Finanzmärkte und die Auseinander-

entwicklung von Arm und Reich waren die prägenden Themen von

Attac-Freiburg in den vergangenen 13 Jahren.

In einer Mischung aus Selbst studium, Bildungsarbeit

und Aktionen in der Öffentlichkeit vermochte es Attac-Freiburg

immer wieder, diese abstrakten Themen in

attraktiven Formaten aufzubereiten und einer breiten Öffentlichkeit

bekannt zu machen.

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Attac Freiburg FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015

zukünftig ermöglichen, jegliche gesetzgeberische Aktivitäten zu bewerten, noch bevor Parlamente das Gesetzesvorhaben je zu Gesicht bekommen haben. Dies firmiert euphemistisch unter dem Begriff der „regulatorischen Kooperation“. Staaten, die dennoch missliebige Gesetze verabschieden und dadurch die erwarte-ten Profite eines Konzerns beeinträchtigen, sollen vor privaten Schiedsstellen auf Schadensersatz verklagt werden können. Was früher als unternehmerisches Risiko galt, firmiert heute unter dem Begriff der „Marktkonformen Demokratie“, den Angela Merkel jüngst prägte.

Attac-Freiburg erläuterte das geplante Abkommen und dessen mögliche Auswirkungen in Vorträgen sowie mit der „Kul.tour stoppt TTIP“, einer politisch-künstlerischen Veranstaltung, bei der die Auswirkungen der Freihandelsideologie auf den Kulturbereich aufgefächert wurden. Im Herbst ging es auf die Straße, um Un-terschriften gegen die Abkommen zu sammeln. In Kooperation mit zahlreichen Buchläden, die ihre Schaufenster mit Plakaten verhüllten, identifizierte Attac-Freiburg die Buchpreisbindung als „Handelshemmnis“, das es zu bewahren gilt.

Unter dem Motto „Ich bin ein Handelshemmnis“ werden in den kommenden Monaten weitere demokratisch erstrittene Errungenschaften in den Mittelpunkt gerückt, die in der neolibe-ralen Ideologie als Handelshemmnis diffamiert werden. So gelten den Handelsdogmatikern das öffentliche Beschaffungswesen, die öffentliche Daseinsvorsorge, die Fördergelder im Kulturbereich sowie der Bildungsbereich als Handelshemmnisse, die es zu schlei-fen, zu privatisieren und zu deregulieren gilt.

Attac - zu politisch?

Doch damit nicht genug. Im Frühjahr erkannte das Finanz-amt Frankfurt die Gemeinnützigkeit des Attac-Trägervereins ab. Attac greife mit seinen Aktivitäten in das politische Geschehen ein. Politisches Engagement sei nicht gemeinnützig und ausschließlich den politischen Parteien vorbehalten. Just die Forderungen nach der Regulierung der Finanzmärkte und der Einführung einer Fi-nanztransaktionssteuer bewertet das Finanzamt als nicht mit dem Gemeinnützigkeitsrecht vereinbar.

Eine detaillierte Auflistung aller 3000 von Attac jährlich or-ganisierten Bildungsveranstaltungen perlt an den Damen und Herren im Finanzamt ebenso ab wie die Tatsache, dass Bildungs-arbeit in politisch aktuellen Themenfeldern nicht am Vortragsende aufhören kann. Die Grenze zwischen Bildungsarbeit und politi-schem Engagement ist fließend. Das Finanzamt Frankfurt hat sie falsch gezogen.

Attac hat Widerspruch gegen den Bescheid des Finanzamtes eingelegt. Sollte dieser Widerspruch abschlägig beschieden wer-den, wird Attac dies vor dem Finanzgericht anfechten. Die Dauer eines solchen Verfahrens liegt bei 2-3 Jahren.

Jetzt erst recht!

Attac lässt sich durch die bürokratischen Hürden nicht mund-tot machen. Unter dem Motto „Jetzt erst recht“ ruft Attac alle SpenderInnen, Mitglieder und Sympathisierenden auf, uns weiter-hin zu unterstützen. Besten Dank an dieser Stelle an die FABRIK für die jahrelange unkomplizierte und wohlwollende Beherber-gung von Attac-Freiburg.

Um Bildungsarbeit weiterhin mit dringend notwendiger po-litischer Intervention verbinden zu können, braucht Attac auch in Zukunft neue Mitglieder, SpenderInnen und MitstreiterInnen.

Die mühsam errungenen Fortschritte bei der Regulierung der Finanzmärkte drohen unter dem massiven Aufgebot von tausen-den Lobbyisten unter die Räder zu kommen. Mit TTIP, CETA und all den anderen Handelspakten sehen wir uns mit einer Eta-blierung von globalisiertem Konzernrecht jenseits demokratischer Einflussmöglichkeiten konfrontiert, die es abzuwehren gilt.

Jetzt erst recht! Verstärken wir unsere Bemühungen für eine so-lidarische und ökologische Variante des Globalisierungsprozesses.

➔ ➔

Attac-Freiburg:

Treffen jeden 1., 3. und 4. Dienstag im Monat,

um 19:30 Uhr im Café der FABRIK

(1. Dienstag: AG Wasser und Umwelt, 4. Dienstag:

Offener Themenabend)

Attac Campus Gruppe trifft sich montags um 20 Uhr

im Studierendenhaus, Belfortstr. 24

MitstreiterInnen sind herzlich willkommen.

Kontoverbindung Attac:

Konto-Nr.: 800100800

GLS Gemeinschaftsbank BLZ 43060967

IBAN: DE57 43060967 0800100800

BIC: GENODEM 1 GLS - Stichwort: Attac-Freiburg

Unterschriften gegen die Abkommen:

auch online unter: www.attac.de/ebi

Weiterführende Links:

www.attac-netzwerk.de/freiburg

www.attac.de

www.ich-bin-ein-handelshemmnis.de

Astrid Schaffertkümmert sich um die Konzeption und Durchführung von Projekten und öffentlichkeitswirksamen Aktionen mit KünstlerInnen und Prominenten

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FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015 Care Revolution

Unter Care Revolution verstehen wir ein politisches Konzept, das

die grundlegende Bedeutung der sorgenden und pflegenden Tätig-

keiten, Care-Arbeit, für alle Menschen hervorhebt. Es knüpft an die

Erkenntnisse feministischer Ökonomie an, wonach diese typische

Frauenarbeit, unbezahlt in Familien oder schlecht bezahlt in sozialen

Dienstleistungsberufen, weitgehend unsichtbar bleibt. So sind viele

Menschen, vor allem Frauen mit Sorgeverpflichtungen für Kinder

oder Pflegebedürftige, gezwungen, diese Tätigkeiten ohne gesell-

schaftliche Unterstützung oft am Rande der vollständigen Über-

beanspruchung neben der eigenen Berufstätigkeit auszuführen.

Gleichzeitig reduziert der Staat Aufwendungen in der Daseinsvor-

sorge, verschlechtert die Bedingungen von Care-Beschäftigten und

verlagert diese Aufgaben zurück in die Familien.

Mit der Care Revolution plädieren wir für einen grundlegenden

Perspektivenwechsel. Dabei geht es um nicht weniger als die For-

derung, dass nicht Profitmaximierung, sondern die Verwirklichung

menschlicher Lebensinteressen im Zentrum politischen Handelns

stehen sollte. Das bedeutet, zunächst muss jeder Mensch individuell

das Recht haben, sich ohne Existenzsorgen um sich und andere,

FreundInnen, Angehörige, NachbarInnen kümmern zu können. Auch

muss jede Person selbstbestimmt entscheiden können, wer sie ver-

sorgt und ihr behilflich ist. Dafür benötigt jedes Individuum ausrei-

chend finanzielle und zeitliche Ressourcen. Mit einer solchen Ziel-

richtung lässt sich beispielsweise anknüpfen an Reformvorhaben wie

Arbeitszeitverkürzung mit Personal- und Lohnausgleich und auch an

Auseinandersetzungen um das Bedingungslose Grundeinkommen.

Darüber hinaus gibt es aber auch viele Aufgaben, die wir auch

heute schon kollektiv, in Gemeinschaft regeln. Und diese Aufgaben

werden in einer an Care orientierten Gesellschaft noch weiter zu-

„Care Revolution“ auch in Freiburg In Freiburg gründet sich gegenwärtig ein lokales Netzwerk Care Revolution, das sich circa alle zwei Monate in der FABRIK trifft. Matthias Neumann, Veronika Steidl und Gabriele Winker stellen ihr Projekt vor.

nehmen. Für uns haben diese grundlegenden kollektiven Formen

der Daseinsvorsorge im Zentrum einer Care-Ökonomie zu stehen.

Deswegen ist der Ausbau von Care-Dienstleistungen in der Bildung

und Erziehung, in der Gesundheit und Pflege wichtig. Und selbst-

verständlich müssen gleichzeitig die Arbeitsbedingungen und die

Verdienstmöglichkeiten der Care-Beschäftigten deutlich verbessert

werden.

Solche Ziele sind allerdings nur über Umverteilung von oben

nach unten realisierbar. Dazu bedarf es einer starken Care-Bewe-

gung. Ausgangspunkt für Widersetzungspraxen und die Gestaltung

eines selbstbestimmten Lebens sind kollektive Selbstreflexionspro-

zesse, die an alltäglichen Erfahrungen anknüpfen. Verbindend ist die

radikale Erkenntnis, dass menschliche Lebensinteressen nur durch

gemeinschaftliches Handeln und Solidarität und gegen Kapitalinter-

essen zu verwirklichen sind.

Bei der 1. Mai-Demonstration des DGB liefen bereits einige Aktivi-

stInnen mit, die mit Transparenten den „Tag der unsichtbaren Arbeit“

begingen. Damit wurde auf einer Gewerkschaftsdemonstration zum

ersten Mal sichtbar, dass Lohnarbeitende und unbezahlt Sorgearbei-

tende unter der Prägung dieser Arbeiten durch die kapitalistische

Produktionsweise leiden – und sich wehren. (Diese Aktion war noch

spontan von Teilnehmenden an der Aktionskonferenz Care Revo-

lution im März und im AK Care der Unabhängigen Frauen Freiburg

organisiert worden).

Im Juli 2014 trafen sich dann ca. 15 Leute, um über die Gründung

eines lokalen Netzwerks zu beraten, das unter anderem öffentlich-

keitswirksame Aktivitäten, Veranstaltungen oder eine Dokumenta-

tion der Notlagen Sorgearbeitender in der Stadt durchführen könnte.

Bei diesem ersten Treffen waren Leute dabei, die über private Sorge-

arbeit im Haushalt, als Lohnarbeitende in der Pflege, der Sozialarbeit

oder im Krankenhaus mit dem Thema zu tun haben. Das politische

Spektrum ist mit in DGB-Gewerkschaften oder in der FAU Organi-

sierten, VertreterInnen der Initiative Pflege am Boden, vielfältiger

feministischer Initiativen, des Arbeitskreises kritische Soziale Arbeit

oder auch ATTAC sehr breit. Die Atmosphäre war bei diesem ersten

Treffen neugierig, freundlich und konstruktiv. Alle waren sich einig,

dass wir weitermachen und ein Netzwerk Care Revolution Freiburg

nicht nur auf dem Papier gründen, sondern mit Leben füllen wollen.

Eine kontinuierliche Arbeitsweise und Arbeitsplanung muss sich

erst noch herausbilden; das Netzwerk ist schließlich noch ganz frisch,

im Gründungsprozess. Der Zeitpunkt könnte also für Interessierte

nicht besser sein, um einzusteigen. Das nächste Treffen findet am 13.

Januar 2015 im 1. Stock in der FABRIK statt. Wir laden Euch herzlich

ein! Weitere Informationen erhaltet Ihr unter der Mailadresse:

[email protected]

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FABRIK-Tag FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015

Private Leidenschaften im FokusDer FABRIK-Tag 2014 offenbarte ein weiteres Mal ein großes privates Können und Wissen

Nachdem im letzten Jahr die Idee, die Leidenschaft der Kollegen und Kolleginnen

auf dem Gelände über die Arbeit hinaus kennenzulernen, großen Anklang fand,

war schnell klar, dass eine Fortsetzung folgen muss und so gab es gut ein Jahr

nach der „Premiere“ den 2. FABRIK-Tag. Am 12. Oktober 2014 wurde ein eigentlich

ganz normaler Sonntag zu einem Tag des Entdeckens und Staunens, ein Tag zum

Kennenlernen und Ausprobieren, Lachen und und und ...

Das Programm wurde im Vergleich zum Vorjahr ein wenig entzerrt, um

zwischen den einzelnen Punkten mehr Raum zum Essen, Trinken, Reden und

Pläne schmieden zu lassen, und, ganz wichtig, zum Genießen von Kaffee und

vielen Kuchen, denn vor allem letztere wurde reichlich mitgebracht und verzehrt.

Los ging es nach einem gemeinsamen Frühstück mit einer Atelierbesichtigung

bei Thomas Stadelmann von BAGAGE. In seinen privaten Räumen in der nahen

Sandstraße waren viele klein- und großformatige Ölbilder und Zeichnungen zu

sehen, es wurde angeregt diskutiert und nachgefragt, über den Kunstmarkt, die

Mal-Techniken und Entstehungsgeschichten von Bildern. Am Nachmittag folgte

Im Hinterhof schwebten den ganzen Tag über zum allseitigen Vergnügen riesige Seifenblasen

durch die Luft

Zu einem guten Programm gehört unbedingt auch eine gute Verpflegung

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FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015 FABRIK-Tag

eine zweite Führung. Ein Ausflug, der sich gelohnt hat und ein schöner Start in

das Tagesprogramm war.

Zurück auf dem Gelände empfing uns bereits Bettina Tschuwana von der

friga im Hinterhof mit Riesenseifenblasen. Diese entstanden aus einer speziellen

Mischung verschiedener Flüssigkeiten und mit Hilfe extra gebauter „Angeln“. So

konnten alle den ganzen Tag über Seifenblasen in Regenbogenfarben schweben

lassen oder Schneemänner im Spätsommer bauen. Wir stellten fest - Seifenblasen

machen einfach nur glücklich - egal ob beim Selbermachen oder beim Zuschauen.

In das Land der Skipetaren entführte uns Martin Wiedemann vom Kulturbüro.

2013 waren es Ellen Janzen, Michael Rombach und Jürgen Parpart von MC Kuhle

Wampe, die zusammen mit ihm auf Ihren Motorrädern die Adria umrundet hat-

ten. Der Diavortrag im Motorrad-Clubraum nahm uns mit auf die Reise über die

wunderschönen Dolomiten nach Albanien und gewährte faszinierende Einblicke

in ein zwar europäisches, aber dennoch fremdes Land, bevor es durch „Bella

Italia“ wieder zurück in den Norden ging. Neben eindrucksvollen Bildern gab es

Lehrreiches zu erfahren und viel zu lachen - über kleine Anekdoten, überraschende

Reiseerlebnisse und skurrile Strukturen, verblüffend war beispielsweise die Selbst-

Organisation der Müllentsorgung in Albanien.

Während die einen gebannt dem Reisebericht lauschten, wurde im Ober-

geschoss des Hinterhauses das Tanzbein geschwungen, denn Daike Neumann

von der Vorderhaus-Gaststätte ist ausgebildete Tanzlehrerin und zeigte einer

begeisterten Gruppe von angehenden oder früheren Tänzern und Tänzerinnen

eine Auswahl von Standardtänzen. Und es dauerte auch nicht lange, da legte eine

fröhliche Runde eine flotte Sohle auf das Parkett.

Den nächsten Programmpunkt trugen Andreas Förderer und Ute Derksen

vom Motoradclub Weingarten bei: „Vom Super-Moto zum Turniersport“. Hier

gab es spektakuläre Bilder und Berichte über die Tätigkeit als Streckenposten bei

professionellen Supermoto-Rennen und Endurofahren, das Motorradfahren abseits

der Straßen, über Hindernisse, Matsch und Schlamm. Animiert von spektakulä-

ren Wettkämpfen und trickreichen Schikanen, das Ganze natürlich bei Wind und

Wetter begannen sie selbst mit regelmäßigem Training in einem eigens gebauten

Parcours auf dem FABRIKgelände, dies führte bald zu großen Fortschritten der

Teilnehmer, inzwischen wurden sogar Pokale bei bundesweiten Wettbewerben

abgeräumt!

Alternativ hierzu war Lach-Yoga im Angebot. Christian Schubert von „The

Move“ brachte FABRIKlerInnen zum Lachen. Nach anfänglicher Hemmung fiel es

schnell allen leicht, ganz ohne Grund zu lachen. Die verschiedenen Lachübungen

sind ansteckend und sorgen nicht nur für eine positive Grundstimmung, Sauer-

stoffversorgung und Zwerchfellmassage, sondern fördern darüber hinaus den

Stressabbau. Und so fand sich eine entspannte und immer noch lachende Gruppe

ein weiteres mal zu Kaffee und Kuchen ein, denn, man glaubt es kaum, Lachen

verbreitet nicht nur Freude, es ist auch anstrengend, wie man dem Lachyogaleh-

rer ansehen konnte, der am Ende seines Kurses nass geschwitzt, aber durch und

durch glücklich war.

Am späteren Nachmittag gewährten uns Lisa Hunziger aus der Fahrradwerk-

statt und weitere betroffene Wagenburgler Einblicke in das Wagenleben und die

Vorkommnisse der letzten Monate. Viele Zuhörer hatten einiges aus der Zeitung

Von oben nach unten:

Beim Atelierbesuch war viel über Maltechniken und über die Mechanismen des Kunstmarkts zu erfahren.

Schotterpiste in Albanien – ein Traum für jeden Enduro-Fahrer

Tanzschritte werden jung gelernt, aber oft schnell vergessen: das Auffrischen war eine sehr vergnügliche Sache.

So sehen Sieger aus: Im Motorradclub stehen jetzt noch mehr Pokale im Regal.

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FABRIK-Tag FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015

erfahren, die genauen Hintergründe und Zusammenhänge waren aber den we-

nigsten bekannt. Eine dreijährige Odyssee durch Freiburgs Stadtgebiete, voller

Lichtblicke und Rückschläge, endete am 14. April diesen Jahres mit der Beschlag-

nahme von elf der bewohnten Wagen durch die Stadtverwaltung. Zum Zeitpunkt

des FABRIK-Tages waren die Wagen noch beschlagnahmt und es drohte die Ver-

schrottung. Ein Wagen war der Beschlagnahmung aufgrund einer Panne (es war

der Marder ...) entgangen und konnte deshalb besichtigt werden, weiteres zum

Wageninnenleben war in einer Fotoausstellung zu sehen. Inzwischen wissen wir,

dass die Verschrottung abgewehrt werden konnte und die Wagen gegen eine hohe

Ablösesumme wieder zurück gegeben wurden, ein Platz für die Wagengemein-

schaft wird aber weiter händeringend gesucht.

Bevor der Abend in der Vorderhaus-Gaststätte mit einem Abendessen ausklin-

gen sollte, gab es dann noch eine Weinverkostung. Jochen Seidel von bagageArt

lud zur Weinprobe im Hinterhaus ein. Wie vom gegenüberliegenden Balkon zu

beobachten war, schien eine eifrige Grundschulkasse gerade eine Klassenarbeit

zu schreiben – die Teilnehmer berichteten jedoch, dass die anderthalb Stunden

äußerst lehrreich, lustig und vor allem lecker waren. Und viel zu kurz! Nicht er-

fahren haben wir, ob alle Teilnehmer die Nachwirkungen am Montag morgen gut

verkraftet haben.

Der FABRIK-Tag 2014 war wieder ein rundum gelungener Tag. Wissensschätze

aus dem Innenleben der FABRIK wurden gehoben. Keine Frage: Fortsetzung folgt.

Von oben nach unten:

Der Blick ins Hinterhaus zeigte aufmerksame Schüler beim Unterricht in Sachen Wein.

Lachen kann zum anstrengenden Sport werden, machte aber großen Spaß.

Schöner wohnen im Wagen: eine Fotoausstellung gab Einblicke in großartige Inneneinrichtungen

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FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015 Kleinkunstpreis für Studierende

Sonntagabend, 16. November: Das (zumeist) junge Publikum strömt, schon das

Foyer platzt aus allen Nähten, die am Eingang ausgeteilten Abstimmungslisten

gehen weg wie warme Semmeln. Eine großartige Resonanz auf den Wettbewerb

zum Kleinkunstpreis für Studierende, initiiert vom Studierendenwerk Freiburg und

dem Vorderhaus. Aber gab´s das nicht schon mal? Richtig, dieser Kleinkunstpreis

ist eigentlich schon zwanzig Jahre alt: Illustre Kabarettisten wie Florian Schroeder,

Thomas Reis oder Peter Vollmer gingen aus ihm als Gewinner hervor, bewiesen

sein Potential als gelungene Nachwuchsförderung und Karriere-Sprungbrett.

Trotzdem war es dann lange Zeit ruhig um diese tolle Idee: Zwar startete

das Studierendenwerk mehrere Anläufe, allein, die Bewerbungen trudelten allzu

schütter ein. Ob´s an den strengeren Studienbedingungen liegt oder daran, dass

„Kleinkunst“ immer noch mit politischem Kabarett assoziiert wird und dieses für

junge Leute nicht mehr attraktiv ist? – Spannende Fragen. In diesem Jahr hat es

jedenfalls geklappt, was angesichts des europaweiten Kleinkunst-Booms nicht

wundert: Comedy, Clownerie, Jonglage, Slam Poetry, Rap, Varieté, Zauberei oder

Musikkabarett – sie haben längst ihren Platz auf TV- und Veranstaltungsbühnen

erobert. Ein Ausschnitt dieses gewaltigen Spektrums war dann erfreulicherweise

auch beim Wettbewerb auf der Vorderhaus- Bühne zu sehen, bei dem acht Kan-

didaten in fünf Beiträgen ihr Können präsentierten.

Die Vorgaben waren schlicht: Nicht älter als 25 Jahre, nicht mehr als fünf

Personen, keine Bands – ansonsten alles erlaubt, was in einen 15-Minuten-Auf-

tritt passt. Wer sich traute und nominiert wurde, bekam einen würdigen Wett-

bewerbsrahmen: Die Moderation übernahm Klaus Gülker vom SWR Freiburg,

in der Jury saßen Rudolf-Werner Dreier (Albert-Ludwigs-Universität), Holger

Thiemann (Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe), Martin Wiedemann (Vor-

derhaus), Ute Krystof (Studierendenwerk) und Hanna Schweizer (Studentin).

Neben dem Publikumspreis (2 Fässle Bier) lockten drei Geldpreise von je 500,

Im Frühjahr 2014 haben das Studierenden-

werk Freiburg und das Vorderhaus – Kultur

in der FABRIK gemeinsam einen

„Kleinkunstpreis für Studierende“

ausgelobt.

Der Preis soll studentischen

Künstlerinnnen und Künstlern die

Möglichkeit bieten, sich im Wettbewerb

mit ihrem Können zu profilieren, sich

einem neuen Publikumskreis vorzustellen

und, nicht zuletzt, Preisgelder bis zu

500 Euro zu gewinnen.

Am Sonntag, den 16. November war es

dann soweit: fünf Künstler, die es in die

Endauswahl geschafft hatten, stellten

sich im Vorderhaus der Jury und dem

Publikum. Über den gelungenen Abend

berichtet Marion Klötzer.

Freiburger Kleinkunstpreis für Studierende

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Kleinkunstpreis für Studierende FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015

300 und 200 Euro, gestiftet von Rektorat, Stu-

dierendenwerk und Vorderhaus. Leider war Lotte

Müller mit ihrer Objekt-Akrobatik verhindert, so

gab´s ausschließlich männliche Kleinkünstler als

Comedian, Performer, Sänger oder Jongleur zu

erleben.

Ob peinliches Klassentreffen, mühsame Zim-

mersuche, WG-Küchen-Querelen oder IKEA als

Sammelpool menschlichen Elends – Lars Lenius

schöpft seine Themen aus dem Alltag. Freilich mit

überraschendem Ausgang, entwickeln sich seine

Storys doch ausgesprochen skurril, statt Witze zu

erzählen zündet der Rotschopf bei lockerem Ge-

plauder Pointen. – So das Urteil der Jury, die dem

Geschichte- und Skandinavistik-Studenten für seine

selbstgeschriebene Stand Up Comedy den zweiten

Preis verlieh. Seltsames weiß auch Robert Kühne

bei seiner Lecture Performance am Notenständer

zu berichten, wenn sich im „Alpenjägerlied“ von

Paul van Ostaijen zwei Herren just vor dem Hutla-

den von Hinderickhs & Winderickhs begegnen oder

Wilhelm Busch seinen Onkel Fritz gegen ein Meute

Maikäfer antreten lässt. Intonation, Gestik und Mi-

mik sitzen – allein, es dürfte gerne noch expressiver

sein.

Tonsicher und stimmgewaltig präsentieren sich

Johannes Maier, Uli Bützner, Sebastian Lau und Ad-

rian Goldner mit ihrem A Cappella-Quartett „Her-

rengedeck“: Von Barbersongs über Jazziges bis

zu Phil Collins – ihre Arrangements sind komplex,

wenn auch die Bühnenshow noch etwas steif und

konventionell gerät. Den dritten Preis haben sich die

vier angehenden Musikpädagogen damit unbedingt

verdient. Gutgelauntes Entertainment mit Impro-

Part und etwas schlichten Witzen, so der Beitrag

von PH-Student Julian Lemberger. Einem Gewinner

würdig, weil technisch versiert und dabei so origi-

nell wie witzig war Marian Meys Jonglage-Show.

Mit französischer Akkordeonmusik, Clownerie und

Bühnenpräsenz ließ der 1990 geborene Sport- und

Mathestudent in seiner ausgefeilten Choreografie

Eimer, Keulen und Ringe fliegen und überzeugte

damit nicht nur die Jury, sondern bekam auch noch

den Publikumspreis. Alle drei Preisträger werden

noch einmal am 28. Januar in der MensaBar auf

der Lese- und Kleinkunstbühne SUPREME auftreten.

Und im nächsten Jahr geht´s dann hoffentlich wei-

ter mit dem Kleinkunstpreis für Studierende!

Sieger Marian Mey bezau-berte mit seinen Jonglagen gleichermaßen die Jury und das Publikum.

Lars Lenius gewann mit seinen Geschichten aus dem Alltag den 2. Preis

Das A Cappella-Quartett „Herrengedeck“ belegte Platz 3.

Marian Mey gewann nicht nur den Rektorpreis der Uni Freiburg, er bekam von Moderator Klaus Gülker auch den Publikumskreis überreicht.

Alle Teilnehmer des Wettbewerbs: Lars Lenius, Herrengedeck, Robert Kühne, Marian Mey und Julian Limberger

Marion Klötzer ist Kulturjournalistin und Kinderbuchautorin

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FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015 Vision FABRIK

Vision FABRIK: Die großen Ideen der letzten 36 Jahre

Freiräume (1978 – 1980)

Ab September 1978 richteten sich die ersten FABRIKler und FABRIKlerinnen in den

großen Hallen der ehemaligen Garnfabrik ein. In der damaligen, politisch und ökologisch

äußerst bewegten Zeit waren eigene Räume, die weitgehend geschützt waren vor der

Repression durch Staat oder Vermieter und gleichzeitig Platz für kreatives Experi-

mentieren boten, einfach traumhaft – egal ob für alternatives Handwerken, für den

Kampf gegen AKWs, für neue soziale Formen oder für Kultur von unten. Der Obrigkeit

waren sie hingegen ein Dorn im Auge: Regierungspräsident Nothelfer wetterte damals

unentwegt gegen solche, ihm suspekte „rechtsfreie Räume“. Über den Wert eigener

Räume waren sich alle einig, bei manchen gab es aber Zweifel, ob so unterschiedliche

Gruppen wie Motorrad fahrende Ex-Jugendliche aus dem Jugendzentrum Weingarten

mit intellektuellen AKW-Gegnern miteinander klar kämen. Man hat‘s versucht und es

hat geklappt.

Das Projekt „FABRIK 2020“ beschäftigt nun schon seit zwei

Jahren die Mitglieder des Vereins und die Beschäftigten auf dem

Gelände. Was in den bisherigen Arbeitsgruppen und Plenen erar-

beitet wurde, hat die „Steuerungsgruppe“ in den letzten Monaten

ausgewertet, strukturiert und in einem Entwurf zu einem „FABRIK

2020 – Handbuch“ zusammengefasst. Vorgestellt wurde diese

12-seitige Broschüre, die sich als Zwischenergebnis und weitere

Arbeitsgrundlage versteht, Anfang Dezember bei der „FABRIK

2020 – Show“ im Saal des Vorderhauses.

Da an diesem Abend tatsächlich mehr geschaut als nachgedacht

und mehr gefeiert als gearbeitet werden sollte, stand neben der

Präsentation dieses ersten Handbuches und neben der Vorstel-

lung neuer themenbezogener Arbeitsgruppen im nächsten Jahr

eine Dia-Schau auf dem Programm: nicht ausblickend, sondern

rückblickend wurden Neulinge wie alte Hasen daran erinnert, dass

die FABRIK über all die Jahre hinweg immer ein Ort für Visionäre

war, ein Ort, an dem neue Ideen geboren, groß gezogen und oft

mit bemerkenswertem Erfolg erwachsen wurden. Und wahrschein-

lich ist es genau dies, was die FABRIK selbst zur Vision macht:

ein kreativer Freiraum für soziales, politisches und kulturelles

Engagement, das sich zentralen Prinzipien wie Selbstverwaltung,

Solidarität, Gerechtigkeit, Respekt und Toleranz verpflichtet

sieht. Und genau damit sind wir dann bei den Arbeitsgruppen im

nächsten Jahr und bei der Zukunft der FABRIK.

FABRIK 2020

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Vereint Strukturen für die Zukunft schaffen (1980)

Verschiedenste selbstverwaltete Gruppen und Einrichtungen befanden sich unter einem

Dach und bildeten eine große Gemeinschaft. Um Verbindlichkeit und Kontinuität zu

schaffen – heute würde man dazu auch Nachhaltigkeit sagen –, sollten die gemeinsamen

Überzeugungen und Zielsetzungen formuliert und in eine verbindliche, konstitutive

Handlungsanleitung gegossen werden, ohne dabei restriktiv und doktrinär zu werden.

Gemeinsam wurde daher an einer Vereinssatzung gearbeitet, die schließlich im Sommer

1980 auf einem Hüttenwochenende im Elsass von allen verabschiedet wurde. Die dort

formulierten Vereinsziele sind auch heute noch so aktuell wie damals.

Das Kapital neutralisieren (1980 – 1984)

Im Kapitalismus dient das Eigentum an Produktionsmitteln und Immobilien der Aus-

beutung der Menschen und der Herrschaft über Menschen. Nur vergesellschaftetes

Produktivvermögen verhindert individuelles Profit- oder Machtstreben. Aber wie lässt

sich – innerhalb einer kapitalistischen Gesellschaft – Vermögen möglichst „neutral“ und

im Interesse aller nutzen? Über mehrere Jahre hinweg wurden in dieser Frühzeit der

FABRIK Stiftungsmodelle diskutiert und schließlich, primär aufgrund des Misstrauens

gegenüber der unvermeidlichen staatlichen Kontrolle über den Stiftungszweck, verwor-

fen. Statt dessen sollte ein gemeinnütziger Verein Eigentümer werden und sein – im

Laufe der Jahre wachsendes – Vermögen an seine gemeinnützigen, zur Not aber auch

modifizierbaren Zwecke binden.

Arbeiten & Wohnen (1981 – 1983)

Die traditionellen systemtragenden Trennungen von Arbeit und Freizeit, Privatem und Öffentlichen,

Kultur und Politik aufzuheben, war eine der markanten Bestrebungen alternativen Lebens. Die dama-

lige FABRIK bot wenig Raum für die Verknüpfung von Arbeiten und Wohnen: neben den vielen Büro-

und Werkstatträumen gab es gerade mal Platz für eine Wohngemeinschaft von 5 bis 6 Menschen.

Kein Wunder also, dass der Wunsch nach einer größeren umfassenden Lebensgemeinschaft über

längere Zeit die Phantasie und Pläne einer ganzen Reihe von FABRIKlerInnen beflügelte. Da Wohnen

im größeren Stil innerhalb der FABRIK mangels vorhandenem Platz nicht möglich war, richtete sich

der Blick nach draußen. Eines der interessantesten und konkretesten Objekte war dabei ein Anwesen

in Bad Boll: drei, vier verlassene, in der Wutachschlucht gelegene Häuser, mit eigenem Kraftwerk.

Pläne wurden geschmiedet, erste Kaufgespräche geführt, aber schließlich verlief sich das Projekt

doch im Sand. Bad Boll war eine der wenigen Visionen, die nicht verwirklicht wurden.

1.000 Menschen hinter uns … (1984 – 1985)

… sind uns lieber als eine Bank im Genick. Unter diesem Motto wurde im Freundes- und

Sympathisantenkreis der FABRIK für kleine private Darlehen zum Kauf der Immobilie

geworben. Ein derartiges Finanzierungsmodell war keineswegs nur dem Umstand

geschuldet, dass sich in Freiburg keine Bank bereit fand, einem links-alternativen,

mittellosen Verein einen großen Kredit zu geben. Vielmehr war die Kaufkampagne der

FABRIK getragen von der Überzeugung, dass die Unterstützung vieler kleiner Geldgeber

eine bessere wirtschaftliche und ideelle Basis bietet als die Abhängigkeit von einigen

wenigen großen Geldgebern. Das Ziel der Kampagne wurde mehr als erreicht: binnen

acht Monaten zahlten über 400 Darlehensgeber Innen über eine Million DM auf das

Treuhandkonto ein.

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Vision FABRIK FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015

„Eigentum ist Diebstahl“

Pierre.Joseph Proudhon

(1809 - 1865)

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Ein Fenster nach drinnen und draußen (1983 – 1988)

Anders arbeiten hieß und heißt auch, Arbeit mit Genuss verbinden. Und Genuss meint

unter anderem gutes Essen und Trinken. Nicht von ungefähr etablierte sich schon sehr

früh und sehr geschätzt die mehr oder weniger vereinsinterne „Mittwochskneipe“ in

der FABRIK. Gleichzeitig wollte man nicht nur unter sich, sondern öffentlich sein, wollte

sich „normalen“ Bürgern mit ihren Berührungsängsten öffnen. Eine richtige Gaststätte

wäre ein ideales Mittel dafür, wäre „ein Fenster nach drinnen und draußen“.

Erste Pläne dazu wurden 1983 diskutiert und führten 1984 zu einer Bauvoranfrage, die

vorsah, den alten Schuppen im Hinterhof zu Saal und Kneipe umzubauen. Aber sollte

tatsächlich der hinterste Ort auf dem FABRIK-Gelände zum öffentlichsten Ort gemacht

werden? Die Zweifel blockierten eine rasche Realisierung, und schließlich half ein

nicht vorhersehbarer Umstand zur besseren Lösung: die Firma Brändle & Schöndienst kündigte 1986 den

Mietvertrag mit der FABRIK, um aus dem Vorderhaus ins benachbarte Gebäude (einst: Miele, jetzt: ALDI)

umzusiedeln. Damit war der Weg frei für einen neuen, nun genehmigten Veranstaltungssaal und eine

ebenfalls professionelle, genehmigte Gaststätte. Und glücklicherweise fand sich auch die Idee, den Saal in

den Lagerschuppen zwischen Vorderhaus und Hauptgebäude zu bauen und nicht etwa, wie anfangs ins

Auge gefasst, zusammen mit einer kleinen Kneipe ins Erdgeschoss. Eingeweiht wurde das „Vorderhaus“

im September 1988.

Atomkraft? – nein danke! (1984 – 1987)

Der Kampf gegen Atomkraftwerke, in Wyhl und anderswo, war eine der Aktivitäten,

welche das erste Jahrzehnt der FABRIK nachhaltig geprägt hat. Ökologische Verantwor-

tung sollte sich jedoch nicht nur beim Demonstrieren und beim Energiesparen zeigen.

Schon früh machten sich daher ambitionierte FABRIKler Gedanken darüber, wie der

in der FABRIK benötigte Strom aus eigener Kraft selbst hergestellt werden könnte.

In einem ersten Schritt wurde der alte zentrale Kohlekessel durch einen modernen

Gaskessel ersetzt (dadurch entfiel angenehmerweise das alle sechs Stunden fällige

Kohleschippenmüssen). Und dann wurde Freiburgs erstes Blockheizkraftwerk geplant,

konstruiert und gebaut. Trotz heftigen Widerstands seitens des lokalen Stromversorgers

FEW ging das BHKW im Januar 1987 in Betrieb. Die Anlage war ein Prototyp, hielt aber

gut zehn Jahre lang durch, bevor sie 1999 durch zwei kleine, inzwischen serienmäßig

hergestellte BHKW-Module ersetzt wurde. Parallel zum BHKW gründeten die Planer übrigens eine eigene Firma, die

sich schon früh auf Photovoltaikanlagen spezialisierte: die Energossa GmbH hat als ältester PV-Installateur der Region

bis heute über 750 Anlagen gebaut, darunter jetzt, 28 Jahre nach dem FABRIK-BHKW, auch die neue PV-Anlage auf

dem FABRIK-Hauptgebäude.

Wir wollen wachsen I (1990 – 1992)

Der zunehmende Raumbedarf der FABRIK-Einrichtungen und der Wunsch, befreundete

Initiativen oder Unternehmen in die FABRIK zu holen, führten alle fünf bis zehn Jahre zu

größeren baulichen Erweiterungen. Auch nach dem Einzug von Kultur und Gastronomie

ins Vorderhaus 1988 bot das Gelände weiterhin Anreize zu baulicher Kreativität. Der

Lagerschuppen im Hinterhof sollte, so das Ergebnis der Diskussionen, zur Stärkung

des Ökologie- und Bildungsbereichs ausgebaut werden. Alle Interessierten des Vereins

konnten sich, wie schon beim ersten baulichen Großprojekt, dem Vorderhaus, an der

Planung beteiligen und ihre Ideen einbringen. Rund eine Million DM wurde investiert,

bis im Frühjahr 1992 BAGAGE e.V., Friedlicher Drache und das Ökomedia-Institut ihre

Arbeit im neuen „Hinterhaus“ aufnehmen konnten.

FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015 Vision FABRIK

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Vision FABRIK FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015

Nicht zusehen, helfen! (1992 – 1994)

Als zu Beginn der 90-er Jahre im ehemaligen Jugoslawien der Bürgerkrieg zwischen

den verschiedenen Ethnien immer brutaler und das Elend der Bevölkerung immer

größer wurde, wollten einige Menschen in der FABRIK nicht weiter hilflos zuschauen.

Diese Gruppe beschloss 1992, Hilfsgüter zu sammeln und auf eigene Faust Hilfstrans-

porte durchzuführen. Gleichzeitig sollte im bosnischen Tuzla unter dem Namen

„Amica“ ein Hilfszentrum für traumatisierte Frauen und Kinder aufgebaut werden.

Die FABRIK bot eine gute und vorhandene Infrastruktur, und so wurde denn die

„Bosnien hilfe“ für zwei Jahre ein Arbeitsbereich des FABRIK-Vereins, ähnlich wie es die

Kultur bereits war. LKWs wurden gekauft oder gratis geliehen, immer mehr Mitstreiter-

Innen kamen hinzu. Innerhalb von zwei Jahren wurden über 300 Tonnen Sachspenden

organisiert und zunächst in der FABRIK, dann an verschiedenen Stellen in der Stadt gelagert; zwei Dutzend Transporte

wurden durchgeführt, nicht wenige aus der FABRIK fuhren mit ins Kriegsgebiet; über 700.000 DM kamen auf dem

FABRIK-Spendenkonto dafür zusammen.

Die „Bosnienhilfe“ nahm schnell immer größere Dimensionen an. Anfangs noch im Hausbüro, wurde bald im Vorderhof

ein Container als provisorisches Büro aufgestellt, bevor dann endlich im Juli 1994 ein Büroraum im OG des Vorder-

hauses frei wurde. Die Aktivitäten der Bosnienhilfe sprengten inzwischen die Kapazitäten der FABRIK-Verwaltung.

Daher war es konsequent, einen eigenen rechtlichen Rahmen dafür zu schaffen: ab 1. Januar 1995 war dies dann der

Verein „AMICA hilft in Bosnien e.V.“

Geldbeschaffung mit Spiel und Spannung (1996, 2000/2001)

1996 wollte die Stadt Freiburg sparen und kürzte unter anderem die Zuschüsse für die

freien Kulturgruppen. Die FABRIK traf es mit 40.000 DM. Statt zu jammern, wurde man

in der FABRIK erfinderisch: die Idee, das fehlende Geld durch eine groß angelegte öf-

fentliche Lotterie einzuspielen, fand begeisterten Widerhall im Verein. 400 gespendete

Preise im Wert zwischen 50 und 5.000 DM (im Gesamtwert von 80.000 DM) gab es zu

gewinnen, nahezu alle 7.500 Lose wurden verkauft.

Die vergnügliche Verbindung von Geldbeschaffung, Spiel und Öffentlichkeitsarbeit für

einen guten Zweck wurde im Jahr 2000 noch ein weiteres Mal in noch größerem Stil

und noch größerem ehrenamtlichen Einsatz praktiziert, als es um die Startfinanzierung

für das Projekt „Barrierefreie FABRIK“ ging. Dieses Mal kamen 484 Gewinne im Gesamt-

wert von 120.000 DM zusammen. Unterm Strich brachte diese Lotterie nicht nur der FABRIK 62.000 DM ein, sondern vor

allem auch der Idee einer barrierefreien Integration von Menschen mit Behinderungen eine breitere öffentliche Beachtung.

Barrierefreie FABRIK (1999 – 2003)

1999 fasste die damalige AG Öff (= Arbeitsgruppe Öffentlichkeit) des FABRIK-Vereins ein FABRIK-

Gruppen-übergreifendes, größeres gemeinsames Projekt jenseits der alltäglichen Arbeit ins Auge,

ähnlich wie es Jahre zuvor die Bosnienhilfe gewesen war, an der sich alle in der FABRIK auf die

eine oder andere Weise beteiligt hatten. Die Idee, Menschen mit Behinderungen die eigenständige

Teilhabe am gesellschaftlichen Leben im Allgemeinen und in der FABRIK im Speziellen nachhal-

tig zu ermöglichen, wurden von vielen, nein: von allen im Verein aufgegriffen und zum Projekt

„Barrierefreie FABRIK“ entwickelt. Baulich war viel zu tun an den alten Fabrikgebäuden, es fehlte

an barrierefreien Zugängen, Aufzügen und geeigneten Toiletten. Drei Jahre lang wurde nach und

nach umgebaut, wurden behindertengerechte Arbeitsplätze geschaffen und manchmal waren es

auch nur kleine Maßnahmen, die behinderten Menschen das Leben in der FABRIK wesentlich er-

leichtern. Unterstützt von der Aktion Mensch, dem Arbeitsamt, privaten Stiftungen und Spendern

wurden insgesamt 350.000 Euro für die „barrierefreie FABRIK“ ausgegeben, davon 150.000 Euro

aus Eigenmitteln des Vereins.

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FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015 Vision FABRIK

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Solardach Hinterhaus (2001)

Anders als beim Blockheizkraftwerk oder bei der Barrierefreiheit, war die FABRIK mit

ihrer Solaranlage auf dem Dach des Hinterhauses im Jahr 2001 kein Vorreiter mehr. Die

Photovoltaiktechnik war schon ausgereift, noch relativ teuer, aber staatlich gefördert.

Zinsgünstige KfW-Darlehen und garantierte 0,52 Euro pro kWh machten es damals

relativ leicht, einen weiteren eigenen Beitrag zur Ökologie zu leisten.

2014 kosten Solaranlagen nur noch ein Viertel soviel, werden aber staatlicherseits,

anders als etwa die Offshore-Anlagen der großen Energiekonzerne, so gut wie nicht

mehr gefördert – eine echte „Energiewende“ wäre eine, die nicht privaten Energieriesen

ihre Gewinne auf Staatskosten garantiert, sondern nachhaltig die lokale, dezentrale

Energieproduktion forciert.

Freiburg braucht Kleinkunst (2004/2005)

Als im Jahr 2004 das Theater Freiburg zum Sparen genötigt wurde und beschloss, seine

Kleinkunstbühne im „Theatercafé“ aufzugeben, empörte dies viele in Freiburg – auch

das Kultur-Team des Vorderhauses. Das „Theatercafé“ hatte viele Jahre lang der Klein-

kunst eine sympathische Plattform geboten und dies keineswegs nur in Konkurrenz zum

Vorderhaus. Im Gegenteil: man ergänzte sich. Daher lag den Vorderhaus-Leuten auch

der Gedanke nah, das „Theatercafé“ als zweite Spielstätte neben dem Vorderhaus zu

betreiben. Ganz neue Möglichkeiten würden sich erschließen, man würde viel variabler

bei der Programmgestaltung werden und unterschiedliche Publikumsgruppen erreichen

können. Also rechnete man, machte Vorschläge, führte Gespräche, verhandelte – aber

gegen die Sparzwänge und die Betriebspolitik von Theater und Stadt war nicht anzu-

kommen und er platzte, der Traum von der zweiten Spielstätte.

Terrassen und Spielräume (2000 – 2002)

Der Hinterhof ist einer der vielen Orte in der FABRIK, wo man sich gerne aufhält und sich

wohlfühlen kann. Das hat wesentlich damit zu tun, dass im Jahr 2000 Vereinsmitglieder

zusammen mit den Spielraumplanern von BAGAGE Ideen entwickelten, wie der Hinter-

hof für Kinder wie für Erwachsene mehr Lebens- und Erlebnisqualität erhalten könnte.

Für die Kinder reservierte Bereiche wie der Spielplatz und ein „Spielturm“ entstanden

in baulich verspielter Art, daneben miteinander verbundene Freiplätze und Terrassen,

auf den Kinder spielen und Erwachsene sich besprechen oder einfach nur in der Sonne

sitzen können.

Markierte, markante Offenheit: Stelen und Pflaster (2005)

Über viele Jahre hinweg war der Eingangsbereich der FABRIK an der Habsburgerstraße

eher unscheinbar und wenig attraktiv. Entsprechend lange wurde im Verein der Wunsch

nach einer markanten, symbolträchtigen Gestaltung gehegt. Aber die Visionäre taten

sich schwer, zündende Ideen zu entwickeln. Auch die Ergebnisse eines Ideenwett-

bewerbs unter angefragten Kreativen von außerhalb überzeugten nicht. Schließlich

machte doch ein Entwurf aus dem eigenen Haus das Rennen: BAGAGE gestaltete neun

heimische Robinienholzstämme zu einer abstrakten Personengruppe, die nun seit 2005

den Zugang zur FABRIK markiert.

Gleichzeitig wurden damals Teile des Vorderhofs im Hinblick auf den ökologischen

und den ästhetischen Nutzen gepflastert und – auch dies eine alte Vision so mancher

FABRIK-Schreiner – endlich ein adäquater Eingang für die Freie Holzwerkstatt

geschaffen.

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Vision FABRIK FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015

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Wir wollen wachsen II (2008)

In der Jakobistraße, ganz in der Nähe des Alten Friedhofs, befand sich seit Ende des

19. Jahrhunderts eine kleine Brauerei, in der nach dem 2. Weltkrieg die Gugel-Werke

Zelte und Gummiboote produzierten. Als Gugel im Jahr 2008 schloss und die Gebäude

zum Verkauf standen, flammte in der FABRIK der alte Traum von einer „Außenstelle“

wieder auf. Das Flair der alten Firmenanlage erinnerte die „Alten“ aus der FABRIK an

die Anfangs- und Jugendzeit, aber auch die „Neuen“ fanden Gefallen an einer mögli-

chen räumlichen und programmatischen Erweiterung. Mehrmals wurde besichtigt und

mit Architekten begutachtet, Nutzungen wurden imaginiert und kalkuliert. Auch der

Bürgerverein Herdern begrüßte die Initiative der FABRIK und hätte gerne mitgemischt,

aber die alte charmante Bausubstanz erwies sich dann doch als so desolat, dass ein

Erhalt sich nicht mehr vernünftig finanzieren ließ. Eine Neubebauung war allemal für die verkaufende Familie wie für

einen kaufenden Bauträger lukrativer, und so war denn mit dem Abriss der Gebäude die Ära der Gugel-Fabrik in Herdern

endgültig vorbei.

Energie in Bürgerhand (2009 – 2013)

Selten hat eine Veranstaltung so viel Wellen geschlagen und fast schon einen Tsunami

ausgelöst wie die von Vorderhaus, Katholischer Akademie und Volksbank organisierte

Informationsveranstaltung „Bürger brechen Monopole“ am 15. März 2009. Geboren

wurde an diesem Tag die Idee zu einer bürgerschaftlichen Genossenschaft, die finanziell

im großen Stil, aber ökologisch und zukunftsweisend, beim Geschäft und bei der Politik

der großen Energieversorger mitmischen würde. Erster Schritt der „Energie in Bürger-

hand e.G.“ sollte sein, sich bei der Thüga AG, einem Zusammenschluss kommunaler

Energieversorger, einzukaufen.

Innerhalb weniger Monate formierten sich überall in Deutschland ähnliche Initiativen,

alle mit dem Ziel, die Energieversorgung wieder zumindest ein Stück weit in die Hände

der Bürger zu legen. Im Sommer 2009 gab es in der FABRIK ein erstes großes überre-

gionales Treffen, an dem Vertreterinnen und Vertreter aus über 100 Gemeinden aus ganz Deutschland teilnahmen. Bis Ende 2010 sammelte

die E.i.B. Einlagen und Zusagen in Höhe von 28 Millionen Euro! Doch dem Widerstand der Energieversorger war rechtlich und politisch nicht

beizukommen. Da nach dem Thüga-Projekt auch weitere Beteiligungsvorhaben scheiterten, wurden die treuhänderisch verwalteten Einlagen

zurückbezahlt und die Marke „E.i.B.“ in die EWS Schönau überführt.

Doppelt wirksames Sponsoring (2010)

Die FABRIK in Freiburg gehört inzwischen zu den etablierten freien Kultureinrichtungen

und wird von Stadt und Land institutionell gefördert. Das erspart nicht, sich Jahr für

Jahr um zusätzliche Förderungen durch private Förderer und Sponsoren zu bemühen.

Im Wissen um die Mühen der Finanzierung im Sozial- und Kulturbereich entwickelten

die Verantwortlichen der FABRIK zusammen mit den eigenen Hauptsponsoren, der

EWS Schönau und der Volksbank Freiburg, eine neue Idee: Solaranlagen sollten nicht

nur ökologisch wertvollen Strom, sondern auch Gewinne zur Unterstützung kleiner

Initiativen fließen lassen. Seit 2010 vergibt der Verein „SolidarEnergie“ den „Preis der

SolidarEnergie“ und würdigt engagierte Arbeit mit finanziellen Beihilfen von insgesamt

rund 15.000 Euro jährlich.

Lebensqualität im Stadtteil (2007)

Lebensqualität, Regionalität und Stärkung des eigenen Stadtteils standen als Ideen Pate

bei der Etablierung des FABRIK-Wochenmarkts. Seit 2007 gibt es hier jeden Samstag eine

Alternative zum Einkauf im Supermarkt, und die große Zahl an Stammkunden aus der Nach-

barschaft zeigt, dass Einkaufen auch mit Qualität und persönlicher Ansprache zu tun hat.

Übrigens hat die Idee, sich von gesunden und regionalen Lebensmitteln zu ernähren,

schon sehr früh in der FABRIK eine erste Heimat gehabt: drei Jahre lang, von 1980 bis

1982 versorgte die „Lebensmittel-Cooperative“, kurz: Coop, ihre Mitglieder Woche für

Woche mit einer Kiste saisonaler Agrarprodukte.

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FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015 Vision FABRIK

Wir wollen wachsen III (2012 - ?)

Die Aufstockung des Vorderhaus-Gebäudes ist eine Vision, die schon seit den

späten 90-er Jahren in manchen Köpfen der FABRIK herumspukt. Als das Litera-

turbüro Freiburg sich auf die Suche nach neuen Räume machte, wurden die alten

Pläne für eine neue Vorderhaus-Etage aus der Schublade geholt. Zwar hat sich das

Literaturbüro letztendlich für die Universität als Standort entschieden, aber allen

in der FABRIK wurde klar, dass eine Aufstockung des Vorderhauses auf alle Fälle

eine sinnvolle Erweiterung wäre.

(2012 – 2015)

Wie soll die FABRIK der Zukunft aussehen? Was soll

aus den letzten 36 Jahren erhalten werden, was soll

hinzukommen? Um sich mit diesen Fragen zu be-

schäftigen, riefen die Mitglieder des Vereins und die

Menschen auf dem FABRIK-Gelände das Projekt „FA-

BRIK 2020“ ins Leben. Seitdem wird in Plenen und

Arbeitsgruppen, auf Mitgliederversammlungen oder

beim Mittagessen, gezielt oder ganz nebenbei, diskutiert, evaluiert und fantasiert, Rückschau

und Ausschau gehalten. Es ist ein spannender Prozess, und er dauert an. Soviel ist schon klar,

es wird nicht die eine Vision der FABRIK geben, die FABRIK ist für viele Visionen gut,

denn:

Großes fängt immer klein an. Jemand hat eine gute Idee, teilt sie den anderen im Team, in der

Arbeitsgruppe oder im Freundeskreis mit. Die Idee stößt auf Interesse, erfährt Zuspruch und,

im besten Fall, begeistert. Die Idee beginnt nun zu wachsen, findet immer mehr Anhänger, wird

zum Thema in den Gremien und Gruppen der FABRIK.

Es gibt viele fähige und engagierte Menschen hier, der Verein hat eine gut funktionierende

Infrastruktur und eine gute finanzielle Basis. Alles zusammen bedeutet: Die FABRIK ist ein guter

Nährboden für gute Ideen.

Förderkreiskampagne (2012/2013)

Die Zahl der Förderkreise, die in Freiburg kulturelle, soziale und sportliche Einrichtun-

gen unterstützen, ist enorm. Und alle haben trotz oder wegen so viel „Konkurrenz“

den Wunsch, mehr Mitglieder zu bekommen. Die Vision, die bisherige Mitgliederzahl

des Vorderhaus-Förderkreises von rund 100 Personen auf 200 zu verdoppeln, war

daher ein ausgesprochen ehrgeiziges und für viele ein utopisches Vorhaben. Mit einer

professionellen Kampagne unter dem Motto „Macht Kleinkunst groß!“ wurde dieses Ziel

gleichwohl erreicht, nicht in einem, aber in anderthalb Jahren.

FABRIK 2020

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freiburg-grenzenlos-festival FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015

Bergkeller Oberbergen(Schwarzer Adler)Badbergstraße 23

79235 Vogtsburg-Oberbergen

Messe Freiburg

Vorderhaus

Altes KlavierdepotSchwarzwaldstraße 7

(Hinterhof)79098 Freiburg

Colombi-SchlössleRotteckring 5

79098 Freiburg

Jazzhaus

Theater Freiburg

Waldsee

SWR Studio

Berghotel SchauinslandRasthaus/Berghotel 1

79254 Oberried

Grenzenlos sind nicht nur die Genres und Themen des gleichnamigen Festivals, die Macher haben sich auch immer bemüht, beim Entdecken von unbekannten und ungewöhnlichen Spielstätten grenzenlose Neugier an den Tag zu legen. Vier dieser Spielorte des Festivals 2016 wollen wir vorstellen, denn das 16. freiburg-grenzenlos- festival wird auch dabei seinem programmatischen Titel gerecht.

Zwischen Dreisam und Schwarzwaldstraße, in einem kleinen Innenhof, versteckt hinter

Tschäppäts Notenladen und einigen Garagen liegt das „Alte Klavierdepot“ des Pianohaus

Lepthien. Man kann kaum glau-

ben, was sich hinter dessen

betagter Holztüre verbirgt.

Unter der liebevollen Leitung

der Schauspielerin und Mu-

sikerin Petra Gack ist ein Ort

entstanden, der einem Aben-

teuer gleicht. Der Charme des

alten Lagerraums für Klaviere

ist erhalten geblieben, hinzu

gekommen sind, neben einer

kleinen Bühne und Stühlen für

das Publikum, ausgefallene Accessoires, Möbel, Bilder und alte Lampen, die dem Raum einen

Hauch von Dachbodenmuseum verleihen. Alle Gegenstände sind so sorgfältig ausgesucht und

arrangiert, dass man sich augenblicklich wohl fühlen muss. Zwischen rauen Wänden und alten

Balken wechseln sich kuschelige Sitzecken mit der Theaterbestuhlung ab, immer umgeben von

den Werkzeugen der Klavierbauer. Die alte Werkbank ist ebenso in die Räumlichkeiten integriert,

wie eine wunderschöne Jugendstil-Küche.

Heiner Sanwald, ehemaliger Inhaber des Pianohaus Lepthien und engagierter Förderer Frei-

burger Kultur hat Petra Gack das ehemalige Klavierdepot als Ort für Veranstaltungen über lassen,

zur freien Nutzung, mit der einzigen Auflage, keine baulichen Veränderungen vorzunehmen.

Orte mit Charme und GeschichteVon schrägen Schwarzwald-Hommagen, von Weinkellern, Schlössern und Dichterabenden

Altes Klavierdepot – Kleinod hinter alten Holztüren

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FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015 freiburg-grenzenlos-festival

Im Frühjahr 2006 gründeten zehn Freunde den Verein Berghotel Schauinsland e.V. Alle Mitglie-

der haben bis heute das Ziel, die langjährige Tradition des Berghotels als gastfreund lichem

Haus aufrechtzuerhalten und fortzuführen. Bereits 1869 hatte der damalige Inspizient des

Freiburger Stadttheaters auf den Höhen des Schauinsland eine Wanderhütte errichtet, die nur

in der spielfreien Zeit betrieben wurde. Das Haus wurde in den 20er Jahren durch die Familie

Burggraf aus- und umgebaut,

bevor sich 1936 der letzte Wirt,

Heinrich Sauerer, mit seiner

Familie im Berghotel niederließ.

Um Herrn Sauerer und seine

Jahre im Berghotel ranken sich

zahlreiche Geschichten und My-

then. So wurde das Haus eine

Zeitlang von der französischen

Besatzung als „Grand Casino“

genutzt. Da Herr Sauerer den

Offizieren nicht immer über den

Weg traute, versteckte er einige Flaschen Kirschwasser, die bis heute nicht wieder gefunden

wurden. Und wer weiß, welche Schätze sich noch hinter den alten Mauern verbergen? In jedem

Falle existiert noch das alte Gästebuch.

Nach dem Tod des alten Herrn Sauerer kaufte die Arbeiterwohlfahrt das Haus und nutzte es

als Tagungszentrum und Erholungsheim. Lange konnte das Anwesen allerdings nicht gehalten

werden und so wurde es einige Jahre später an einen Immobilienhändler verkauft, der es, mit

wenig Erfolg, als Miethotel betrieb. Es ging heiß her in diesen Zeiten. So lagen Pläne vor, aus

dem Berghotel ein Freudenhaus zu machen. Auch versuchte Brandstiftung gehört zur aben-

teuerlichen Vergangenheit. Nach der Insolvenz des Immobilienhändlers, konnte der Verein im

Sommer 2006 das Gebäude in Erbpacht erwerben, das Grundstück gehört der Stadt Freiburg.

Dem Verein ist es gelungen, das vernachlässigte Haus mit viel Zeit, Geld und Liebe zu

renovieren und zu sanieren. So dient es heute als Ort für Veranstaltungen und Sitzungen, auch

Gruppen und Gesellschaften können es für Feste mieten. Das Berghotel bietet neben einem

großen Speisesaal für 80-100 Menschen auch 50 Betten in über 20 Zimmern.

Das freiburg-grenzenlos-festival ist 2015 wieder im Berghotel Schauinsland zu Gast: Pierre M.

Krause liest am 27. Januar aus seinem Buch „Hier kann man gut sitzen“. Was passiert, wenn die-

ser Mann mit der schrägen Frisur und der großen Klappe aus der Stadt in ein Dorf zieht? Davon

erzählen seine „Geschichten aus dem Schwarzwald“. Hoch mit Gondeln der Schauinsland-Bahn

und dann hoffentlich wieder stilecht den Rest zu Fuß durch den Schnee zum Alten Berghotel.

Runter ins Tal geht es dann mit dem Bus.

Kultur in Kellern ist nichts Neues, an Kellertheatern fehlt es wahrlich nicht. Aber der Weinkeller

des Schwarzen Adler in Oberbergen ist doch etwas ungewöhnlich. Streng genommen ist der

Keller nämlich ein Stollen, sechs Meter hoch, 60 Meter tief in den Berg getrieben. Hier lagern

bei nahezu gleichbleibender Temperatur von rund 12 Grad Celsius ausgesuchte Spitzenweine,

Maximal zehn Veranstaltungen finden pro Jahr statt und jede einzelne trägt die Handschrift

von Petra Gack. Wenn das Klavierdepot seine Holztüren öffnet steht die Kultur im Mittelpunkt.

Das Rahmenprogramm macht aus jedem Abend eine einzigartige Veranstaltung. Angefangen

bei der Verköstigung bis hin zur Einrichtung ist jede Aufführung individuell gestaltet, bestuhlt

und beleuchtet. Wiederholung ausgeschlossen!

Erstmals gastiert das freiburg-grenzenlos-festival 2015 im Alten Klavierdepot. Am 4. Februar

präsentieren Gack und Gäste das Programm „Was Robert Gernhardt gern hat“. Mit schön schrä-

gen Gedichten von Robert Gernhardt treten Petra Gack und die Musiker Michael Bossong, Mike

Schweizer und Florian Döling den Beweis an: Lyrik lohnt! Und Prost auf Prosa!

Berghotel Schauinsland – bewegte Geschichte mit

atemberaubenden Ausblick

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hauptsächlich aus dem Bordeaux. Schon beim Betreten steigt einem der leicht erdige Geruch in

die Nase, der sich angenehm mit dem Duft von Rotwein mischt. Zusammen mit den zahlreichen

Weinkisten schafft dies eine

ganz besondere Atmosphäre

vor der kleinen improvisierten

Bühne, der ein Stapel von Bar-

riquefässern als Hintergrund

dient.

Hier haben beim „grenzen-

los“ Ars Vitalis gespielt, Han-

nelore Hoger und Joachim Król

gelesen, Dietz Werner Steck und

Felix Huby haben Geschichten

um Wein und Winzer vorgestellt.

Nun wird am 6. Februar Gaby Hauptmann, bekannt durch viele Bestseller, unter anderem „Suche

impotenten Mann fürs Leben“ aus ihrem aktuellen Roman „Liebling, kommst du?“ lesen. Gut,

dass, wo es um Amouröses geht, guter Wein und gutes Essen nicht weit sind. A propos, neben

den leiblichen Genüssen ist auch für wärmende Decken gesorgt.

Ein Haus voller Geschichte und Geschichten - was bietet sich besser an für eine Lesung?

Erbaut als Witwensitz einer Gräfin mit dem klangvollen Namen Maria Antonia Gertrudis de

Colombi y de Bode, diente es nach deren Tod verschiedensten Zwecken. Unter anderem war hier,

wichtig für eingefleischte Südbadener, der Dienstsitz der Badischen Staatskanzlei. Bei manchen

Diskussionen um Badener und Schwaben meint man, den eigenwilligen Geist Leo Wohlebs zu

spüren, der vom kleinen Hügel hinein in die Stadt schwebt.

Seit 1983 geht es um andere Geschichte, hier ist das Archäologische Museum der Stadt

untergebracht. In der Dauerausstellung werden alle Epochen von der Altsteinzeit bis zum

Frühmittelalter beleuchtet. Die

präsentierten Objekte stammen

alle aus der Region und besitzen

aber überregionalen, teils inter-

nationalen Rang.

Derzeit ist die Sonderaus-

stellung „Ich Mann, du Frau!

Feste Rollen seit Urzeiten?“ zu

sehen. Viele Menschen gehen

davon aus, dass es schon immer

feste Geschlechterrollen gab, die

naturgegeben sind und heutige

Verhaltensmuster bestimmen. Aber was sagt die Archäologie dazu? Waren in der Urzeit tatsächlich

nur Männer Jäger und nur Frauen Sammlerinnen? Um diese spannende Frage dreht sich die aktuelle

Ausstellung. Und natürlich gibt es bergeweise literarische Texte und Geschichten zum Thema.

In „Vox“, einem Roman von Nicholson Baker, geht es um Provokation, Annäherung und Distanz.

Ein Mann und eine Frau lernen sich kennen, indem sie ihre Phantasien austauschen. Am Telefon,

erotisch, offen, einfühlsam, derb und doch weit entfernt von „Telefonsex“. Am 3. Februar lesen

Sybille Denker und Peter W. Hermanns, tragisch, komisch, anmachend. Das Treppenhaus im

Colombi-Schlössle ist Ort der Begegnung mit Jim und Abby, bei deren Gespräch die Gürtellinie

der Äquator ist ...

Bergkeller Oberbergen – Das Traditionsweingut Franz Keller lädt (W)ein

Archäologisches Museum Colombischlössle – Schaufenster der Archäologie Südbadens

freiburg-grenzenlos-festival FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015

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FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015 Figurentheater

Archaisch, quicklebendig, ungewöhnliche Perspektiven

Eine Hommage an das Figurentheater für Erwachsene von Marion Klötzer

Charakterdarsteller mit zerknautschten Schwamm-gesichtern, der Geliebte als riesiger Kühlschrank-

magnet, ein Ensemble klappriger Glücksritter aus ver-beulten Töpfen, Milchkannen, Trichtern und Backfor-men – nichts, was es im Figurentheater nicht gäbe ... Statt gewohnter 1:1 - Illusion mit Menschen, für Men-schen, eröffnet sich hier eine kreative Spielwiese mit schier unbegrenzten Darstellungsformen und Erzähl-strategien, handgebastelt und vor den Augen der Zu-schauer zum Leben erweckt. Die Magie fantastischer „Als- Ob“ - und „Was- Wäre- Wenn“ - Welten, die an der Schnittstelle zwischen Schauspiel und Objektkunst das Kopfkino wundersam zum Laufen bringen kön-nen. Ein Frei-Raum, der manchmal in einen Schuh-karton passt und dessen Begrenzungen doch immer wieder neu und überraschend erkundet werden.

Man merkt: Ich bin Figurentheaterfan. Als kul-turfernes Landkind gab´s zwischen Kühen, Bach und Wiesen zwar nicht allzu viel Anschauungsmaterial; le-diglich in den Weihnachtsferien alberten mein Bruder und ich uns mit einem Koffer voller Handpuppen in

Kasperletheater-Rausch, wobei wir am Ende unserer Mini-Geschichten meistens mit bizarren Verkleidun-gen oder sprechenden Socken und Zahnbürsten hin-ter der ausgesägten Guckkastenbühne kauerten ... – Stopp, genau das ist er: Dieser archaische, quick-lebendige Spielmoment, der dem Figurentheater seit Jahrtausenden seine Faszination beschert: Hier werden eigenständige Welten mit Wesen bevölkert, die ganz an-ders und doch Projektionsflächen sind. Ein schnöder Socken kann melancholischer Herz-Schmerz-Verfüh-rer sein, eine Zahnbürste die Heldin intergalak tischer Abenteuer ... Verfremdung und Reduktion – zwei wich-tige Gestaltungselemente. Ob vor allem Letzteres trotz gigantischer Animationsfilme in 3D, trotz Clips und Games in unserer Bilderkultur noch funktioniert? Als schlichtes Kasperletheater sicher nur noch für die ganz Kleinen – für die anderen braucht es Erzählsog, unge-wöhnliche Perspektiven und die Lust zum Staunen.

Denn wie die Zauberkunst funktioniert Figuren-theater gerade in seiner Unmittelbarkeit: im Fernsehen wär´s fürs verwöhnte Auge ziemlich öde, auf einer

Schlafes Bruder vom Theatrium Dresden, Figurentheatertage 2013

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Figurentheater FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015

... und zwar zum nächsten Festival im

kommenden März, wenn das Theater

Zitadelle aus Berlin auf unnachahmlich witzige

und persönliche Weise die Geschichte von vier

alten Haudegen, die ihren Lebensabend im

Altersheim fristen sollen und genau das nicht

wollen, erzählt. Doch wer die Geschichte der

Stadtmusikanten genau so erwartet wie sie in

den Büchern steht, der wird sein blaues Wunder

erleben. In jeder Szene sprüht diese Inszenie-

rung von Witz und Ironie. Auch die Kompanie

Kaufmann & Co entführt die Zuschauer mit

„Romeo und Julia – Liebe und Tod in der Kü-

che“ in eine fremde Welt. Ins liebliche Verona,

Romeo und Julia sind tot. Versöhnung ist ange-

sagt. Ein Fest soll die Freundschaft der Familien

besiegeln. Ausgerechnet die beiden Köchinnen

der verfeindeten Häuser Capulet und Montague

sollen das Buffet gemeinsam vorbereiten. Da-

bei flammt der Konflikt erneut auf. Sie leben

die Tragödie leidenschaftlich, schlüpfen in die

Figuren und schrecken dabei vor nichts zurück.

Der Küchentisch wird zum Kriegsschauplatz

des Dramas, Gewürzgläser formieren sich zum

Kampf, eine rote Peperoni verwandelt sich in

den nach Julia fiebernden Romeo, Salz und

Pfeffer gestehen sich rieselnd ihre Liebe. Ein

Objekttheater in neun Gängen auf heißer Herd-

platte virtuos zubereitet. Wie schon gesagt:

Hingehen!

Bühne aber ist es aufregend. Wer in den letzten Jahren bei den Figuren-theatertagen einige der exzellenten Produktionen für Erwachsene gesehen hat, erlebte skurrile, bewegende und poetische Stoffe in ganz unterschied-lichen Techniken und Ästhetiken: Mit einer Schar Schrottfiguren, rasanten Rollenwechseln und viel Slapstick inszenierte das Theater Fiesemadände „Die Ritter der Kokosnuss“ frei nach Monty Python als aberwitziges Roadmovie. Das Theater Dresden zeigte „Schlafes Bruder“ nach dem Bestseller von Robert Schneider als eindringliches Ein-Mann-Stück mit rund zwanzig schauerlich- expressiven Tischfiguren in einer Art mittel-alterlichem Triptychon. Das Züricher Theater nordART spielte „Rosen für Herrn Grimm“, eine berührende Geschichte über das Altwerden und die Macht der Fantasie mit einer lebensgroßen Klappmaulpuppe. Ent-deckungen machen, hingehen!

Marion Klötzer ist freischaffende Journalistin und Kinderbuchautorin und lebt in Freiburg

Die Geierwally, ein monumentales Figurentheater von den Exen aus Berlin, Figurentheater Tage 2014

unten:

Das Theater Zitadelle mit der schräg-skurrilen, höchst unterhaltsamen Inszenierung „Die Berliner Stadtmusikanten“, Figurentheater Tage 2015

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FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015 Kolumne

Torsten Sträter weiß es aus eigener Erfahrung

Schön hier. Angenehm vintage. Ein Bächlein windet sich durch den Ort. Aber Freiburg muss man sich verdienen, speziell wenn man Bühnenmensch

ist. Für uns Wortschaffende mit/ohne Klavier/Gitarre/Buch/iPad/Schweinehand-puppe/Jonglagezeugs ist diese Stadt eine epische Herausforderung. Aufgebaut wie ein gutes Computerspiel. LEVEL 1: Die Freiburger Kulturbörse. Wenn man nur mal so hin geht – ein großer Spaß mit Künstlern, Agenten, ferngesteuerten Elefanten und Typen, die mit ihren Schädeln in Goldfischgläsern stecken. Fragen Sie nicht nach. Wenn man dort allerdings einen zum Karrierebeginn verordneten Gig vor Veranstaltern hat, muss das nicht gut werden. Kann aber.So ein Kurzauftritt ist gelegentlich wie eine Hirn-OP: kostet Geld, ist oft mittags und tut mitunter weh. Zudem lauschen einem (mit Glück!) alle anwesenden Veranstalter, also eben jene, die einzeln zum Knutschen, als Publikum aber eine massive Wand der Irritation sind. Ist wie mit Lollies. Einer ist lecker. 400 können dich töten. Sollte man trotzdem machen.Die Börse ist im Prinzip eine Mischung aus Stalingrad und Phantasialand. Die Messehalle ist zudem schön weit weg.Die Taxipreise vom Bahnhof zur Messe rechtfertigen alternativ die Anschaffung eines guten Gebrauchtwagens am Ort. Volltanken. Fahren. Stehenlassen. Ist Billiger. LEVEL 2: Du hast nun ein richtiges Gastspiel. But First: die Anreise. Mit dem Zug ist Freiburg leger zu erreichen. Aber bald stellt man fest, dass es Dinge gibt, die nicht so gut zusammen passen. Noch nie. Schaschlik/Nutella. Frolic/Godzilla. Kopfsteinpflaster/Rollkoffer.Wer mit dem Rollkoffer durch die Stadt muss, braucht gar nicht erst vernünf-tig zu packen. Rüttel-Chaos hoch 12. Ein Drama, grad wenn man wie ich stets vier Flaschen Pils mit sich führt. Das schäumt dann wie Sau! Der Ort selbst ist natürlich eine Wonne, aber was nützt die beste Grafik, wenn der Level ruckelt?Kinderkram natürlich.Denn dann bist du da.Das Freiburger Vorderhaus. Da isses.Der leichteste Level kommt zum Schluss. Eine Künstlerwohnung von der Größe Neuschwansteins, Techniker, die so kom-petent und entschlossen sind, als wäre das hier ein MISSION IMPOSSIBLE-Film ... Und die Freiburger. Ein Publikum wie eine Blumenwiese, dufte nämlich.Geht doch.Ich glaub, das Spiel fang ich nachher direkt von vorn an.

Torsten Sträter ist zu Gast im Vorderhaus am:

29. und 30. Dezember 2014, 20.30 UhrJahresendlese – mit Jess Jochimsen, Alexander Paeffgen und Tokunbo

28. März 2015, 20 Uhr Torsten Sträter – Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben

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Freiburg vibriert

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Adressen FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015

Hausbüro 50 365-30 www.fabrik-freiburg.de

Vorderhaus-Kulturbüro 50 365-40 www.vorderhaus.de

Veranstaltungsinfo 50 365-44

Keramik-Werkstatt der FABRIK 50 365-56 www.keramikwerkstatt.fabrik-freiburg.de

Offene Werkstatt Di 16-20, Fr 17-21

AMICA 556 92 51 www.amica-ev.org

BAGAGE – Pädagogische Ideenwerkstatt 55 57 52 www.bagage.de

bagageArt 55 57 31 Mo-Fr 8.30-12, 13-17 www.bagageArt.de

Fahrradwerkstatt 5 27 29 Mo-Fr 10-13, 15-18.30 www.fahrradwerkstatt-freiburg.de

Reparatur in Selbsthilfe Mo-Fr 15-18.30, Sa 10-14

Die Radgeber & Tandemladen (Spechtpassage) 292 76 70 www.radgeber-freiburg.de

Freiburger Kinderhaus-Initiative 707 68 22 www.freiburger-kinderhausinitiative.de

Freie Holzwerkstatt 5 45 31 Mo-Fr 8.30-12.30, 13.30-17 www.wir-machen-moebel.de

Friedlicher Drache Gertrud Schröder 47 14 85 www.friedlicherdrache.de

friga – Sozialberatung 090010-37442 Di-Do 10-15 www.friga-freiburg.de

Kindertagesstätte FABRIK 55 35 95 Mo-Fr 7.30-16

Markt & Strategie Eckhard Tröger 557 46 01 www.marktundstrategie.de

Medien Service Siegfried Wernet 514 57-16

Motorradclub Kuhle Wampe Mi 20.30 www.freiburg.kuhle-wampe.de

Motorradclub Weingarten Fr 20 www.mcw-freiburg.de

Naturschule Freiburg 2 44 08 Di, Mi, Fr 9-12 Do 13-16 www.naturschule-freiburg.de

Probe — Projektberatung in der FABRIK 27 28 39

schwarz auf weiss Druck & Litho 514 57-0 www.sawdruck.de

The Move — Neuer Tanz im Alten Saal 707 85 33 www.move-freiburg.de

Vorderhaus Gaststätte 557 70 70 Mo-Fr ab 11.30, Sa ab 12, So ab 9.30 www.vorderhaus-restaurant.de

Wochenmarkt in der FABRIK 590 09 83 Sa 9-13

Zett [di’zain] Günther Zembsch 514 57-18

FABRIK für Handwerk, Kultur und Ökologie e.V. Habsburgerstraße 9 | 79104 Freiburg | Tel. 0761.50 365-30 | Fax 0761.50 365-55 | www.fabrik-freiburg.de

16.26.01. – 07.02. ‘15

Das 16. freiburg-grenzenlos-festival bietet 22 mal Spaß mit Tiefgang, Unterhaltung mit Niveau. An 13 Festivaltagen gibt’s ein packendes Programm. Von einer schrägen Schwarzwald-Hommage auf Freiburgs Hausberg bis zum Politkabarett im Vorderhaus. Von einer Bestseller-Autorin im Bergkeller bis zu den charmanten Luna-tics im Funkhaus. Und das ganze wie immer scharf, schräg und manchmal auch schrill!

Karten und Infos unter freiburg-grenzenlos-festival.de

Page 40: FABRIK RUND BRIEF - fabrik- · PDF fileInhalt Eigenverantwortlichkeit, Solidarität, Engagement, Selbsthilfe – das sind Begriffe, die in der FABRIK hochgehalten werden. Gemeinsam